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beHANDELN STATT VERWALTEN - REFUGIO München

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REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

ZU BESUCH IM BAYERISCHEN LANDTAG – PROJEKT WELCOME<br />

58 FLÜCHTLINGE UND DEUTSCHE FOLGTEN EINER EINLADUNG DER FRAKTION DER GRÜNEN AM 14.04.2010<br />

Auf Einladung der Fraktion der Grünen besuchten am 14. April<br />

achtundfünfzig Deutsche und Flüchtlinge, die an unserem<br />

Mentorenprojekt Welcome teilnehmen, den bayerischen Landtag.<br />

Auf dem Programm standen: Diskussion mit der Landtagsabgeordneten<br />

Renate Ackermann, Besuch einer Plenarsitzung<br />

und Führung durch das Maximilianeum.<br />

Ein afghanischer junger Mann ist sehr an Politik interessiert<br />

und knüpft Kontakte zum bayerischen Landtag, eine andere<br />

Refugio-Klientin aus Nigeria hält aus dem Stehgreif eine Rede<br />

und erzählt, wie es ihr ergangen ist, als sie nach Deutschland<br />

kam und welche Verbesserungsvorschläge sie hat.<br />

Spannend zu erleben, wie bayerische Politik aussehen könnte,<br />

wenn diesen Menschen stets mehr Gehör geschenkt würde.<br />

Danke für diese tolle Erfahrung „menschengerechter“ Politik!<br />

<strong>REFUGIO</strong> BEIM ÖKUMENISCHEN KIRCHENTAG <strong>REFUGIO</strong> SOMMERFEST 2010<br />

<strong>REFUGIO</strong> war auch am Ökumenischen Kirchentag mit<br />

einem Stand vertreten: Justizministerin Sabine Leutheusser-<br />

Schnarrenberger (rechts im Bild) und Anni Kammerlander<br />

tauschten sich am Infostand über aktuelle Fragen der Flüchtlingspolitik<br />

aus.<br />

12<br />

Viel Schwung war auf unserem diesjährigen Sommerfest für<br />

unsere Klienten. Dank an die vielen ehrenamtlichen Helfer von<br />

<strong>REFUGIO</strong>, von Timberland und der Verrechnungsstelle der<br />

Süddeutschen Apotheken (VSA)! Für unsere Klienten ist dies<br />

immer wieder ein Höhepunkt im Jahr.<br />

<strong>beHANDELN</strong><br />

<strong>STATT</strong> <strong>VERWALTEN</strong><br />

Wir brauchen Ihre Unterschrift! Circa 40% aller Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, gelten als traumatisiert.<br />

Oft werden sie schnell in einen kleinen Ort wegverteilt, wo kein Arzt ihre Sprache spricht und schon gar niemand<br />

auf die Idee kommt, nach Traumatisierten zu fragen. Gemeinsam mit der IPPNW (Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.),<br />

der Bundesärztekammer, den deutschen Behandlungszentren, Pro Asyl und vielen anderen Organisationen kämpfen<br />

wir dafür, dass diese Menschen gleich nach ihrer Ankunft in Deutschland eine gute medizinische und psychologische<br />

Behandlung erhalten. Mehr zur Kampagne und warum wir Ihre Unterschrift benötigen, in diesem Report.<br />

REPORT<br />

www.refugio-muenchen.de<br />

www.grenzenlos-frei.de<br />

NR. 34 / AUGUST 2010<br />

ÜBERBLICK<br />

2 ■ Kurz & bündig: Unterstützung und<br />

Spenden, Termine, Impressum<br />

3 ■ Editorial<br />

■ neu auf Facebook : <strong>REFUGIO</strong><br />

4 ■ Titelthema:<br />

beHandeln statt Verwalten! –<br />

Unterschriftenaktion für besonders<br />

schutzbedürftige Flüchtlinge<br />

6 ■ <strong>REFUGIO</strong> – Zahlen und Fakten 2009<br />

7 ■ Fotoworkshop der Kunstwerkstatt<br />

für Neuankömmlinge in der Erstunterkunft<br />

8 ■ Fotograf Max Kratzer, ehrenamtlicher<br />

Mitarbeiter – Kurzinfo<br />

8/9 ■ Bayerische Politik bleibt beim<br />

Abschreckungsprinzip – kaum<br />

Verbesserungen für traumatisierte<br />

Flüchtlinge<br />

9/10 ■ Mitgliedsantrag<br />

10 ■ „Musik der Freiheit“ – ein tibetisches<br />

Lied zu unserer 15-Jahresfeier<br />

12 ■ Das Projekt Welcome zu Besuch im<br />

Bayerischen Landtag<br />

12 ■ <strong>REFUGIO</strong> beim Ökumenischen<br />

Kirchentag<br />

12 ■ Unser Sommerfest 2010<br />

Kampagne zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung<br />

von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen


IMPRESSUM<br />

2<br />

REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

KURZ<br />

&<br />

BÜNDIG<br />

& Liebe<br />

UNTERSTÜTZUNG & SPENDEN<br />

<strong>REFUGIO</strong> <strong>München</strong> wird gefördert<br />

durch den Europäischen Flüchtlingsfonds.<br />

Unterstützung erhielten wir von<br />

➲ UNO Flüchtlingshilfe e.V. zur Therapie für auswärtige Flüchtlinge<br />

➲ SZ-Adventskalender für Notlagen von Klienten, Kauf von<br />

Fahrkarten, Therapie für Kinder und Frauen<br />

➲ UniCredit mit einer Spende für die ehrenamtliche Mitarbeit<br />

einer Angestellten<br />

Hilfe für Kinder und Jugendliche<br />

➲ Lantz Dyckmans Stiftung ➲ Kolibri-Stiftung<br />

➲ Bürger-/Treuhandstiftung ➲ WWK-Stiftung<br />

Schulstarthilfe für Flüchtlingskinder:<br />

➲ vermittelt von Max Straßer, ehem. CSU-Stadtrat; hilft<br />

33 Familien mit 69 Kindern beim Kauf von Schulsachen<br />

Wir danken allen ganz herzlich!<br />

Die WWK Kinderstiftung veranstaltete<br />

am Samstag, den 12. Juni<br />

2010 für die Mitarbeiter der WWK<br />

Versicherung einen Familiennachmittag<br />

unter dem Motto „Gemeinsam<br />

bewegen für die WWK Kinderstiftung“<br />

.<br />

Rund 160 Gäste folgten der Einladung<br />

in die Betriebssportanlage<br />

der WWK Versicherungen in Lochham.<br />

An diesem Nachmittag wurde<br />

bei strahlendem Sonnenschein<br />

und guter Stimmung fleißig für einen<br />

guten Zweck geradelt, Fußball gespielt,<br />

WM-T-Shirts und selbstgebackener Ku-<br />

■ Herausgeber:<br />

<strong>REFUGIO</strong> MÜNCHEN<br />

Mariahilfplatz 10 · 81541 <strong>München</strong><br />

Tel. 089 / 982957-0 · Fax 089 / 982957-57<br />

E-Mail: office@refugio-muenchen.de<br />

Internet: www.refugio-muenchen.de<br />

Internet Kunstwerkstatt: www.grenzenlos-frei.de<br />

TERMINE<br />

chen verkauft. Eine Hüpfburg und Kinderschminken<br />

rundeten das Programm<br />

■ Redaktion:<br />

Anni Kammerlander, Jürgen Soyer<br />

Mitarbeit: Marita Wendt, Max Kratzer, Verena<br />

Schmidt, Sabine Böhlau, Kerstin Hemme<br />

■ Gestaltung /Ausführung/techn. Abwicklung:<br />

art+ads w. scheuner, Tel. 089 / 76 75 60 50<br />

Fortbildung Posttraumatische Belastungsstörung<br />

Do/Fr 14.–15. Oktober 2010, jew. 9 – 16 Uhr<br />

bei <strong>REFUGIO</strong> am Mariahilfplatz; Kosten e 250<br />

Anmeldung unter office@refugio-muenchen.de<br />

Information über soziale, körperliche und psychische Folgen<br />

nach traumatischen Erfahrungen; Einblick in die Psychotherapie<br />

der Posttraumatischen Belastungsstörung<br />

Fortbildung Beratung und Therapie mit<br />

Dolmetschern<br />

Do/Fr 18.–19. November 2010, jew. 9 – 16 Uhr<br />

bei <strong>REFUGIO</strong> am Mariahilfplatz; Kosten e 250<br />

Anmeldung unter office@refugio-muenchen.de<br />

Lesung Wo Heimat zur Fremde und Fremde<br />

zur Heimat werden kann<br />

Dienstag 16. November 2010, 19.30 Uhr<br />

in der Seidl-Villa. Nikolaiplatz 1, 80802 <strong>München</strong><br />

Schriftsteller lesen, Flüchtlinge erzählen und Musiker von<br />

<strong>REFUGIO</strong> verbinden.<br />

Lesung mit der Münchner Autorin<br />

Lena Gorelik<br />

November / Dezember2010,<br />

im Literaturhaus <strong>München</strong> oder Münchner Stadtmuseum<br />

Ort und Termin werden noch bekannt gegeben<br />

Ein prominenter Überraschungsgast ist angefragt. Zur Lesung<br />

wird die neue Broschüre unseres Welcome-Projekt vorgestellt.<br />

BEWEGUNG FÜR <strong>REFUGIO</strong> MÜNCHEN IN DER BETRIEBSSPORTANLAGE DER WWK KINDERSTIFTUNG<br />

v.l.n.r.: Frau Christine Schawohl (WWK Kinderstiftung), Anni<br />

Kammerlander (Geschäftsführung <strong>REFUGIO</strong>), Herr Dr. Hebeisen<br />

und Herr Licht (Vorstände WWK Kinderstiftung)<br />

auch für die kleinen Gäste ab.<br />

Durch alle Aktivitäten kam an<br />

diesem Nachmittag die stolze<br />

Summe von 5.834,50 h Spenden<br />

für einen guten Zweck zusammen.<br />

Zwei von der WWK Kinderstiftung<br />

geförderte Projekte konnten<br />

bei der Veranstaltung vorgestellt<br />

werden. Gisela Framhein,<br />

Kinder- und Jugendtherapeutin<br />

bei <strong>REFUGIO</strong>, präsentierte die<br />

Spiel- und Kunsttherapie für<br />

traumatisierte Flüchtlingskinder.<br />

Fortsetzung im Kasten Seite 2<br />

■ Herstellung:<br />

Druckerei Kieckens GmbH, <strong>München</strong><br />

■ Abbildungen:<br />

IPPNW, Max Kratzer, Markus Weinkopf,<br />

Michael Sichelstiel, Sabine Böhlau, privat<br />

Paten,<br />

seit zwanzig Jahren arbeite<br />

ich in der Beratung und Behandlung<br />

von Flüchtlingen.<br />

Seit zwanzig Jahren kämpfe<br />

ich mit vielen Anderen gegen<br />

die inhumane Flüchtlingspolitik,<br />

gegen die Unterbringung<br />

in Gemeinschaftsunterkünften,<br />

gegen Essenspakete.<br />

Im letzten Jahr gab es Hoffnung auf Änderungen in der<br />

bayerischen Asylpolitik.<br />

Am 14. Juli 2010 wurde der von Abgeordneten von CSU<br />

und FDP vorgelegte Antrag zur Verbesserung der Situation<br />

von Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften im<br />

bayerischen Parlament verabschiedet.<br />

Vorausgegangen ist eine lange und intensive Diskussion<br />

zwischen Landtagsabgeordneten und VertreterInnen<br />

von Initiativen, Wohlfahrtsverbänden und Kommunen.<br />

Gefordert war, endlich die desolate Unterbringungsund<br />

Versorgungssituation zu beenden. Auch die Bedürfnisse<br />

besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge wie<br />

Kranker, Traumatisierter, Kinder, Jugendlicher, Frauen<br />

oder Behinderter sollten berücksichtigt werden.<br />

Das Ergebnis ist eine große Enttäuschung für uns. Herausgekommen<br />

sind aus unserer Sicht für unsere Klienten<br />

nur wenige Erleichterungen. Damit sind die erhofften<br />

wesentlich besseren Lebensbedingungen für die<br />

Ein Teil der Spendeneinnahmen ist<br />

für ein afghanisches Mädchen bestimmt,<br />

dessen Vater bei einem Attentat<br />

ums Leben kam. Für zwei<br />

Jahre kann sie nun eine Therapie bei<br />

<strong>REFUGIO</strong> besuchen.<br />

Da die Mutter sich mit ihren Kindern<br />

noch im Asylverfahren befindet, erhalten<br />

sie nur eine eingeschränkte<br />

Krankenversorgung bei akuten<br />

Schmerzzuständen – von einer krankenkassenfinanzierten<br />

Therapie sind<br />

sie ausgeschlossen.<br />

REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

Anni Kammerlander, Geschäftsführerin von <strong>REFUGIO</strong><br />

Klienten und ein effizienteres Arbeiten für uns nicht erreicht<br />

worden. Die Hardliner in der Politik haben sich<br />

durchgesetzt, der Abwehr- und Abschreckungsgedanke<br />

in der Asylpolitik ist geblieben. Genaueres lesen Sie<br />

im Artikel auf Seite 8.<br />

Wie mit den Flüchtlingen in den Gemeinschaftsunterkünften<br />

umgegangen wird, konnten wir am 15. Juli wieder<br />

erfahren. Die Landshuter Unterkunft, die äußerst<br />

desolat und gefährlich ist, sollte endlich durch einen<br />

Neubau ersetzt werden. Leider stellte sich nun heraus,<br />

dass der Untergrund nicht tragfähig ist und der Neubau<br />

damit unmöglich. Also sollten die Bewohner in einen<br />

kleinen Ort zwischen Deggendorf und Passau verlegt<br />

werden. Damit ginge die soziale Beratung verloren, die<br />

mühsam aufgebauten sozialen Unterstützungen und<br />

Netzwerke, die Behandlungsmöglichkeiten, die Arbeit.<br />

Am Tag vor der Umverteilung ergab sich plötzlich doch<br />

eine Übergangslösung in Landshut. Dies ist nur dem<br />

Einsatz vieler Unterstützer zu verdanken.<br />

Die Äußerung des Pressesprechers der Regierung von<br />

Niederbayern in der SZ vom 17.07.10 sagt Vieles aus<br />

über die Haltung gegenüber Flüchtlingen. Mit Blick auf<br />

abgebrochene Kurse und Therapie gab er zu verstehen:<br />

„So hart es klingt, das ist kein staatliches Thema.<br />

Deswegen schauen wir da nicht drauf.“<br />

Ich bin entsetzt, und mit mir alle KollegInnen von<br />

<strong>REFUGIO</strong>!<br />

Ihre<br />

v.l.n.r.: Christine Schawohl (WWK Kinderstiftung),<br />

Gisela Framhein (<strong>REFUGIO</strong>) und Herr Kindermann<br />

(Schachstiftung)<br />

EDITORIAL<br />

(Siehe hierzu auch die Kampagne der<br />

BAFF „beHandeln statt verwalten“<br />

im Internet unter<br />

www.refugio-muenchen.de/was-istneu.php?sprache=de)<br />

Wir danken der WWK Kinderstiftung,<br />

den Mitarbeitern der WWK Versicherungen<br />

und ihren Familien sowie dem<br />

Veranstaltungsteam für ihr großes<br />

Engagement und freuen uns sehr,<br />

wenn wir auch nächstes Jahr wieder<br />

dabei sein dürfen.<br />

Facebook <strong>REFUGIO</strong> <strong>München</strong> ist zu finden unter facebook refugio <strong>München</strong>.<br />

Der Facebook-Auftritt wird weiter ausgebaut. Wir hoffen auf viele Freunde und damit auch für<br />

zukünftige Veranstaltungen und interessante Informationen auf eine große Verbreitung.<br />

3


4<br />

REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

T I T E L T H E M A<br />

beHandeln statt verwalten!<br />

Ihre Unterschrift für eine gesicherte Früherkennung und Behandlung besonders<br />

schutzbedürftiger Flüchtlinge.<br />

Jede Woche erhalten wir bei REFU-<br />

GIO zahllose Anfragen nach Therapie<br />

und Unterstützung. Meist müssen wir<br />

leider absagen, weil wir keine freien<br />

Plätze haben. Die Leute fragen uns,<br />

wohin sie dann gehen können und wir<br />

bleiben genauso ratlos wie die Anrufer.<br />

Für Flüchtlinge gibt es kaum Behandlungsplätze,<br />

weil sie auf Grund<br />

ihrer schwerwiegenden Erfahrungen<br />

als besonders schwierig zu therapieren<br />

gelten, weil auf Wunsch der Behörden<br />

dauernd etwas zu schreiben ist,<br />

was kaum bezahlt wird, weil keine gemeinsame<br />

Sprache gefunden wird,<br />

weil allein Therapie ohne Sozialberatung<br />

bei Flüchtlingen auf<br />

Grund ihrer belasteten<br />

sozialen Situation<br />

kaum machbar<br />

ist …<br />

Manche Anmelder ärgern sich dann<br />

und fragen, warum wir nicht mehr Behandlungsplätze<br />

zur Verfügung stellen.<br />

Das würden wir gern tun. Wir kriegen einfach<br />

nicht mehr Geld. Bereits jetzt steht<br />

unsere Finanzierung immer auf wackeligen<br />

Beinen und muss von Jahr zu Jahr<br />

neu gesichert werden. Der Europäische<br />

Flüchtlingsfonds zahlt mal ein Jahr, dann<br />

wieder nicht, oder Stiftungen geben oft<br />

nur Geld für neue Projekte, aber nicht<br />

für die laufende Arbeit. Beständige Zuschussgeber<br />

wie die Stadt <strong>München</strong> sichern<br />

maßgeblich unsere Einrichtung.<br />

Und natürlich unsere vielen Spender:<br />

40% unseres gesamten Etats finanzieren<br />

wir über Spenden und Stiftungen!<br />

Wie wäre es eigentlich, wenn die Arbeit<br />

von <strong>REFUGIO</strong> und den anderen Be-<br />

handlungszentren in Deutschland vom<br />

Staat oder dem Gesundheitssystem<br />

finanziert würde? Die Idee ist nicht so<br />

abwegig, denn die EU sieht dies grundsätzlich<br />

als eine staatliche Aufgabe an!<br />

Dies wurde bereits 2003 und 2004 in<br />

den EU-Richtlinien zur „Festlegung von<br />

Mindestnormen für die Aufnahme von<br />

Flüchtlingen in den Mitgliedsstaaten“<br />

und der „Richtlinie über Mindestnormen<br />

für die Anerkennung von Flüchtlingen“<br />

beschrieben:<br />

Für besonders schutzbedürftige Personen<br />

– darunter werden speziell auch<br />

Personen benannt, die „… Folter, Vergewaltigung<br />

oder sonstige schwere Formen<br />

psychischer, physischer oder sexueller<br />

Gewalt erlitten haben“ – ist eine<br />

angemessene medizinische Versorgung<br />

zu gewährleisten. Sie sollen die Behandlung<br />

erhalten, „… die für Schäden, welche<br />

ihnen durch die genannten Handlungen<br />

zugefügt wurden, erforderlich ist“.<br />

Die Umsetzung dieser EU-Richtlinien<br />

in nationales Recht ist jedoch gerade in<br />

Deutschland keineswegs vollzogen. So<br />

wird in dem Bericht der Europäischen<br />

Kommission vom 26.11.2007 festgestellt:<br />

„Das Eingehen auf die Bedürfnisse<br />

besonders schutzbedürftiger Personen<br />

gehört zu den Bereichen, in denen die<br />

größten Mängel festgestellt wurden.“<br />

Und weiter: „So besteht z.B. kein echter<br />

Zugang zu medizinischer Versorgung, es<br />

mangelt an besonderer Behandlung –<br />

insbesondere für Opfer von Folter und<br />

Gewalt – und die Kostenübernahme ist<br />

unzureichend. Ein Verfahren zur Ermittlung<br />

dieser besonders vulnerablen<br />

Flüchtlingsgruppen existiert nicht.“<br />

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft<br />

der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge<br />

und Folteropfer (BAfF), in der RE-<br />

FUGIO <strong>München</strong> Mitglied ist, die Bundesärztekammer<br />

sowie die Deutsche<br />

Sektion der Internationalen Ärzte für die<br />

Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in<br />

sozialer Verantwortung (IPPNW) fordern<br />

von der Bundesregierung, die gesundheitliche<br />

Versorgung besonders schutzbedürftiger<br />

Flüchtlinge sicherzustellen.<br />

Wir bitten Sie um Ihre Unterschrift<br />

und Ihre Mithilfe, Unterschriften zu<br />

sammeln, damit wir unser Anliegen<br />

kraftvoll bei den zuständigen Ministerien<br />

vorbringen können:<br />

Besonders schutzbedürftige Flüchtlinge<br />

– dazu gehören gefolterte und traumatisierte<br />

Flüchtlinge – sollen eine gute medizinische,<br />

psychische und psychosoziale<br />

Behandlung erhalten. Bestehende<br />

Behandlungseinrichtungen wie zum Beispiel<br />

<strong>REFUGIO</strong> <strong>München</strong> sollen durch<br />

ein solides Finanzierungssystem abgesichert<br />

werden.<br />

Bitte sammeln Sie mit beiliegender<br />

Liste Unterschriften in Ihrem Freundes-<br />

und Bekanntenkreis. Senden Sie<br />

die Liste bis Ende Oktober 2010 an die<br />

REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

T I T E L T H E M A<br />

IHRE UNTERSCHRIFT FÜR EINE GESICHERTE BEHANDLUNG SCHUTZBEDÜRFTIGER FLÜCHTLINGE<br />

Wie hier beim Stadtteilfest Haidhausen im Juli 2010 sammeln wir<br />

Unterschriften für unser Anliegen.<br />

IPPNW oder an <strong>REFUGIO</strong> <strong>München</strong>.<br />

Sollte diesem Report keine Unterschriftenliste<br />

beiliegen, so rufen Sie uns bitte<br />

an: 089/98 29 57-0. Oder mailen unter<br />

office@refugio-muenchen.de<br />

Wir schicken Ihnen gerne eine Unterschriftenliste<br />

per Email, Fax oder Post.<br />

Mehr Informationen zu unserer Kampagne<br />

sowie die Unterschriftenliste finden<br />

Sie auch unter<br />

www.behandeln-statt-verwalten.de<br />

Sie können dort ebenfalls Ihren Namen<br />

zur Unterstützung eingeben.<br />

Es geht darum, dass die vielen Anrufer<br />

pro Woche, die vergeblich um einen Therapieplatz<br />

bei uns nachfragen, endlich<br />

eine gute Antwort erhalten: „Ja, wir haben<br />

einen Behandlungsplatz für Sie!“<br />

Helfen Sie bitte mit Ihrer<br />

Unterschrift !<br />

5


6<br />

REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

<strong>REFUGIO</strong> MÜNCHEN – (NICHT NUR) FAKTEN UND ZAHLEN AUS 2009<br />

Klienten und Finanzen im letzten Jahr …<br />

Einnahmen in 2009 gesamt h 1.614.084<br />

Innere Mission 0,4 %<br />

Bund 0,5 %<br />

Bruderhilfe 0,8%<br />

Caritas 1,2 %<br />

Bezirk OB 6,0 %<br />

BRK 0,2 %<br />

EFF/ EIF 7,2 %<br />

Wie in jedem Jahr wollen wir an dieser<br />

Stelle unseren Spendern und Sponsoren,<br />

ehrenamtlichen Mitarbeitern und<br />

sonstigen interessierten Lesern einen<br />

Einblick verschaffen in die Welt der Zahlen<br />

von <strong>REFUGIO</strong>. Schließlich sollen Sie<br />

auch quantitativ erfahren, wofür IHRE<br />

Spenden verwendet werden.<br />

Und letztlich können Sie sich natürlich<br />

ein besseres Bild von der Vielzahl der<br />

von uns betreuten Menschen machen.<br />

Auf diese Weise lässt sich nicht nur der<br />

immense Bedarf an Hilfe für Flüchtlinge<br />

aus aller Herren Länder verdeutlichen.<br />

Sondern zugleich dokumentiert sich der<br />

Stadt <strong>München</strong> 45,4 %<br />

Eigenmittel<br />

und Stiftungen<br />

38,3 %<br />

Ausgaben in 2009 gesamt h 1.614.084<br />

Rücklagen 8,2 % Personal, fest<br />

48,9 %<br />

Sonstiges 6,5 %<br />

Raumkosten 3,2 %<br />

Verwaltung 3,3 %<br />

Personal, Honorar<br />

29,9 %<br />

Personalkosten in 2009 gesamt h 1.270.966<br />

Geschäftsführung, Verwaltung,<br />

Fundraising 20,4 %<br />

Kunstwerkstatt<br />

14,6 %<br />

Proj. Ehrenamt 2,1%<br />

Proj. Elterntraining 6,4 %<br />

Ärzte 0,3 %<br />

Dolmetscher 7,5 %<br />

Sozialberatung 15,0 %<br />

Therapie<br />

Erwachsene<br />

20,3 %<br />

Therapie Kinder<br />

13,4 %<br />

große Erfolg, mit dem unsere vergleichsweise<br />

„kleine“ Einrichtung tätig ist. Die<br />

mathematische Betrachtung der Zahlen<br />

versetzt uns immer wieder ins Staunen,<br />

wie viele Personen übers Jahr zu uns<br />

kommen – und Hilfe erhalten. Dies umso<br />

mehr, weil natürlich jeder Fall sich im Alltag<br />

um den individuellen MENSCHEN<br />

dreht – denn Therapie erfolgt nicht mit<br />

ZAHLEN und RECHNEN.<br />

Selbstverständlich aber müssen wir<br />

RECHNEN können. Damit das, was von<br />

Ihnen herein kommt, auch an den richtigen<br />

Stellen heraus kommt!<br />

KlientInnen und Herkunftsländer in 2009<br />

KlientInnen insgesamt<br />

Einzelklienten 177<br />

Einzelklientinnen 173<br />

Kinder 35<br />

Jugendliche 57<br />

unbegleitete Jugendliche 50<br />

Einzelpersonen gesamt 492<br />

Familienangehörige in Beratung 354<br />

KlientInnenen insgesamt 846<br />

Familien in Beratung 153<br />

Kinder in Gruppen 535<br />

Eltern im Elterntraining 43<br />

Herkunftsländer der größten Flüchtlingsgruppen<br />

Herkunftsländer KlientInnen<br />

absolut in %<br />

1 Kosova 123 25,0<br />

2 Afghanistan 58 11,8<br />

3 China, Tibet, Uigurien 52 10,6<br />

4 Irak 36 7,3<br />

5 Sierra Leone 28 5,7<br />

6 Türkei (inkl. Kurden) 24 4,9<br />

7 Russland 22 4,5<br />

8 Kongo, dem. Rep. 23 4,7<br />

9 Nigeria 19 3,8<br />

10 sonstige 107 21,7<br />

KlientInnen insgesamt 492 100,0<br />

Herkunftsländer insgesamt 37 100,0<br />

… und eine beinahe philosophische Betrachtung zum Thema Zahlen-Zählen-Rechnen<br />

Also doch ZAHLEN und RECHNEN?<br />

Aber ja:<br />

Wir hoffen, dass wir auch weiterhin<br />

auf Sie ZÄHLEN und mit Ihrer Unterstützung<br />

RECHNEN können.<br />

Damit wir möglichst vielen weiteren hilfsbedürftigen<br />

Flüchtlingen wenigstens ein<br />

Stück weit das geben können, was wir<br />

für uns als „selbstverständlich“ erachten,<br />

um ein menschengerechtes Leben in<br />

Frieden und Freiheit zu führen.<br />

Schon Karl Valtentin sagte: „Der Mensch<br />

ist fremd nur in der Fremde“.<br />

Recht hat er!<br />

Mohamed<br />

aus Somalia<br />

Kein Ort für kreative Entfaltung: Erstaufnahmeeinrichtung<br />

Baierbrunnerstr.<br />

Hassan Ein Vorteil des Projekts: die Jugendlichen bewe-<br />

aus Afghanistan gen sich außerhalb der Erstaufnahmeeinrichtung.<br />

REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

FOTOWORKSHOP BAIERBRUNNERSTRASSE– EINE GRUPPE UNSERER KUNSTWERK<strong>STATT</strong><br />

Text: Verena Schmidt; Fotos: Max Kratzer<br />

Projektleitung:<br />

Max Kratzer,<br />

Fotograf u. Fotodesigner<br />

B.A.<br />

Verena Schmidt,<br />

Pädagogin M.A.<br />

Naib<br />

aus Afghanistan<br />

Lamin<br />

aus Senegal<br />

Seit Anfang April führen wir in der in der Erstaufnahmeeinrichtung<br />

(EAE) für Flüchtlinge in der Baierbrunnerstraße in <strong>München</strong><br />

einen Foto-Workshop durch. Im Mittelpunkt stehen dabei<br />

unbegleitete minderjährige Jugendliche (UMF), die sich<br />

ohne Eltern oder Sorgeberechtigte in <strong>München</strong> aufhalten.<br />

Regelmäßig nehmen 8-16 Jungen aus Afghanistan, Somalia,<br />

Burkina Faso, Nigeria, Senegal und Sierra Leone teil.<br />

In der EAE <strong>München</strong> landen täglich neu angekommene Asylbewerber.<br />

Das Haus, ausgerichtet für 200 Personen, ist seit Jahren überbelegt.<br />

Die Innere Mission betreut und unterstützt unbegleitete minderjährige<br />

Flüchtlinge zwischen 16 und 18 Jahren, die in Bayern<br />

einreisen und beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge<br />

in <strong>München</strong> einen Asylantrag stellen. Das Team der Inneren Mission<br />

ist dort momentan für circa 100 Jugendliche zuständig,<br />

deren individueller Hilfebedarf noch festgestellt werden soll.<br />

Bei dem Foto-Workshop handelt es sich nicht um eine technisch<br />

qualifizierende Maßnahme. Vielmehr soll das Medium Fotografie<br />

als Orientierungsinstrument vermittelt werden. Somit war<br />

eine abwechslungsreiche Gestaltung der Projekttage wichtig.<br />

Fast alle Teilnehmer bekamen am Anfang des Workshops eine<br />

kompakte analoge Kleinbildkamera mit Festbrennweite und<br />

Weitwinkelobjektiv. Immer freitags bekamen wir die belichteten<br />

Filme und gaben die entwickelten Bilder der Vorwoche zurück.<br />

Wir gaben keine feste Themenstellung heraus, lediglich den<br />

Vorschlag sich gegenseitig zu portraitieren, vor allem um dabei<br />

die Kameraeigenschaften kennen und einschätzen zu lernen.<br />

Dabei kam eine Reihe höchst spannender Selbstinszenierungen<br />

und Portraits heraus, die weit über das Niveau einer technischen<br />

Übung hinausgehen. Bei der gemeinsamen Bildbesprechung<br />

war uns wichtig, dass jeder bis zu zehn seiner besten<br />

Motive auswählte. Diese Bilder kombinierten wir dann<br />

zu Bildsequenzen, Tableaus oder Serien.<br />

Aus fotografischer wie pädagogischer Sicht ist an dem Projekt<br />

interessant, dass die Jugendlichen sich in einem völlig neuen<br />

Umfeld befinden, in dem die Fotografie tatsächlich zur besseren<br />

Orientierung beitragen kann. Etwa wenn 'besondere Orte'<br />

aufgesucht werden, geschieht das auf Grund der Kamera und<br />

7


An Ausflügen zum Fotografieren an der Isar, in der Innenstadt und<br />

im Englischen Garten nahmen die Jungen mit großem Interesse teil.<br />

der zu erwartenden Bilder – ebenso führt es dazu, dass sich<br />

die Jugendlichen bewegen und außerhalb der EAE aufhalten.<br />

Andererseits entstanden viele Aufnahmen im direkten Umfeld<br />

der Teilnehmer. Auch diese Motive tragen einen ganz besonderen<br />

Wert in sich. Sie erzählen vom Alltag in der Erstaufnahmeeinrichtung,<br />

der Schule und den Menschen, die die Jugendlichen<br />

treffen – und zwar in einer authentischen und unmittelbaren<br />

Bildsprache, die nur entwickeln kann, wer Teil dieser<br />

hermetischen Welt ist und auch nicht zu viel über Fotografie<br />

nachdenkt, sondern sie intuitiv und skizzenhaft nutzt. Die Kamera<br />

ist auch zugleich der Grund, die neue Stadt kennen zu<br />

lernen und anhand der Bilder das Gesehene zu reflektieren.<br />

Eine kontinuierliche ‘Arbeit mit Bildern’ gelingt nicht zuletzt<br />

auch deswegen, weil die Jugendlichen eine erstaunliche Disziplin<br />

an den Tag legen und echtes Interesse an dem Angebot<br />

zeigen. Außerdem erfuhren wir, wie sich die Teilnehmer untereinander<br />

organisierten, Kameras austauschten und sich gegenseitig<br />

entwickelte Filme mitbrachten. An den Aktionen nahmen die<br />

Jungen mit großem Interesse teil, wie beispielsweise dem Besuch<br />

von Fotoausstellungen in der Villa Stuck und im Haus der<br />

Kunst, oder Ausflügen zum Fotografieren an der Isar, in der<br />

Innenstadt und im Englischen Garten. Während der Aktionen<br />

fand auch intensive Beziehungsarbeit statt, die Jungen fassten<br />

Vertrauen, erzählten ihre Geschichten, Ängste, Erfahrungen<br />

und Wünsche. Unsere Arbeit setzt den Schwerpunkt einerseits<br />

auf das Medium Fotografie, andererseits auf einen kreativen<br />

Hilfsansatz, durch vertrauensbildende Gespräche und Vernetzung<br />

mit anderen Projekten. Bemerkenswert ist die Freude, die<br />

die Jugendlichen während des Kurses zeigen. Auch wenn gelegentlich<br />

traumatische Erfahrungen die Stimmung beeinträchtigen,<br />

herrscht oft eine befreiende Leichtigkeit.<br />

Die jungen Flüchtlinge durchlaufen einen schwierigen Prozess<br />

der Ankunft in Deutschland. Ihrer Integration werden<br />

große Hürden in den Weg gestellt. Trotzdem gelingt es vielen<br />

Jugendlichen mit großer Motivation an dieser Gesellschaft teilzuhaben,<br />

ihre Träume und Ziele zu verwirklichen. Eine Begleitung<br />

und Unterstützung durch Mitarbeiter von <strong>REFUGIO</strong> im<br />

kreativen, pädagogischen und therapeutischen Rahmen bedeutet<br />

für sie eine große Bereicherung bei ihrer Identitäts- und<br />

Orientierungssuche in Deutschland.<br />

8<br />

REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

BAYERISCHE POLITIK BLEIBT BEI<br />

Kaum Verbesserungen für<br />

Am 15. Juli wurde im Landtag mit den Stimmen von CSU<br />

und FDP beschlossen:<br />

Die Residenzpflicht wird gelockert. Flüchtlinge dürfen sich nun in<br />

ihrem Regierungsbezirk und angrenzenden Landkreisen frei bewegen.<br />

Klienten aus Germering können jetzt ohne Erlaubnisantrag<br />

bei ihrer Ausländerbehörde zur Therapie nach <strong>München</strong> fahren.<br />

Für andere unserer Klienten, die z.B. in Niederbayern untergebracht<br />

sind, müssen wir weiterhin für jede Therapiesitzung eine<br />

Genehmigung einholen. Die wird anfangs und zwischendurch in<br />

manchen Fällen verweigert und fordert dann viel Einsatz, um<br />

dem Klienten zu einer Behandlung zu verhelfen.<br />

Für Familien endet die Unterkunftspflicht nach Abschluss des<br />

Erstasylverfahrens unter bestimmten Bedingungen.<br />

Bei allen übrigen Fällen ist eine private Wohnsitznahme erst vier<br />

Jahre nach Ende des Asylverfahrens gestattet.<br />

Bei manchen Flüchtlingen und manchen Herkunftsländern dauern<br />

Asylverfahren sehr lange, oder es gibt einen Entscheidungsstopp.<br />

Als ein Beispiel sei von uns eine Familie erwähnt, die<br />

seit Oktober 2007 in der Unterkunft lebt und noch keine Antwort<br />

auf den Asylantrag hat.<br />

Hier müsste es eine Frist für die Dauer der Unterkunftspflicht<br />

geben, z.B. ein Jahr, ohne Bindung an das Asylverfahren.<br />

Jedoch gibt es eine Einschränkung für den Auszug aus der Unterkunft,<br />

die leider viele Flüchtlinge trifft.<br />

Nur die Flüchtlinge dürfen ausziehen, deren Identität geklärt<br />

ist, bzw. die hinreichend bei der Klärung mitgewirkt haben.<br />

Wer die Fluchtsituationen kennt, weiß, dass viele der schutzsuchenden<br />

Menschen Probleme mit dem Nachweis ihrer Identität<br />

haben. Kaum ein Flüchtling hat gültige Reisedokumente.<br />

Max Kratzer (linkes Bild, m. Kamera) und Verena Schmidt (rechtes<br />

Bild, Mitte) leiten den Fotoworkshop. Beide waren überrascht, wie<br />

gern die Jugendlichen das Angebot annahmen und wie sie mittlerweile<br />

selbstständig in den Werkstattraum ins Eine Welt Haus kommen.<br />

Max Kratzer fotografierte für uns das Titelbild des letzten Reports.<br />

Viele haben uns auf das ausdrucksstarke Foto angesprochen.<br />

Max Kratzer ist freiberuflicher Fotograf und unterstützt <strong>REFUGIO</strong>.<br />

Mehr zu seiner Person unter <br />

REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

DER AUFNAHME VON FLÜCHTLINGEN BEIM ABSCHRECKUNGSPRINZIP<br />

Text: Anni Kammerlander, Fotos: Max Kratzer<br />

traumatisierte Flüchtlinge<br />

Sie kommen aus Krisengebieten, in<br />

denen sie als Verfolgte oft keine Dokumente<br />

beschaffen können oder die Verwaltung<br />

funktioniert nicht mehr und es<br />

können keine Dokumente ausgestellt<br />

werden. Fast alle Flüchtlinge sind auf<br />

Schlepper angewiesen, diese behalten<br />

die Dokumente zur Wiederverwendung<br />

zurück. Manche der Flüchtlinge wollen<br />

sich aus Angst vor der Abschiebung oder<br />

Angst vor neuen Repressalien, auch gegenüber<br />

der Familie daheim, keine Papiere<br />

besorgen.<br />

Bei rigorosem Bestehen auf die Mitwirkungspflicht<br />

wird einfach die Realität<br />

des weltweiten Fluchtgeschehens außer<br />

Acht gelassen.<br />

Die Behörden haben auch einen Ermessensspielraum<br />

in ihren Entscheidungen,<br />

der sehr unterschiedlich gehandhabt<br />

wird. Hier sollte der Schutz von Flüchtlingen<br />

Leitlinie sein und nicht die Abschreckung<br />

im Vordergrund stehen.<br />

Für die unbegleiteten minderjährigen<br />

Flüchtlinge soll es bei der jetzigen Betreuung<br />

bleiben. Ob hier die Anerkennung<br />

der UN-Kinderrechtskonvention in<br />

Bayern Beachtung findet, ist aber noch<br />

fraglich.<br />

So wie die derzeitige Erstaufnahme<br />

dieser Jugendlichen<br />

läuft, ist es ein Skandal.<br />

Würde hier der Kinder-<br />

und Jugendschutz,<br />

der in Deutschland die<br />

Norm ist, beachtet, müssten<br />

alle Jugendlichen sofort<br />

aus der jetzigen Erstaufnahmeeinrichtungherausgenommen<br />

und in Jugendhilfeeinrichtungen<br />

untergebracht werden. Jugendliche<br />

sollten grundsätzlich<br />

nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft<br />

untergebracht werden.<br />

Für traumatisierte und psychisch<br />

schwer belastete Flüchtlinge ändert<br />

sich zur bisherigen Regelung nichts.<br />

Der Umzug in eine Privatwohnung bedarf<br />

einer amtsärztlichen Einzelfallprüfung,<br />

in der eine posttraumatische Belastungsstörung<br />

festgestellt oder bestätigt wird<br />

und die einen Auszug aus der Unterkunft<br />

unumgänglich macht. Hier sind Diagnosestellungen<br />

von <strong>REFUGIO</strong> oder einer<br />

psychiatrischen Klinik nicht ausreichend.<br />

Nicht alle Amtsärzte in Bayern sind mit<br />

dem Thema Traumatisierung und deren<br />

Folgen vertraut. Da werden auch dia-<br />

Sie können unseren <strong>REFUGIO</strong> Report regelmäßig beziehen. Anruf genügt: Tel. 089/982957-0.<br />

Zur Deckung unserer Portokosten bitten wir um Ihre Spende.<br />

BEITRITTSERKLÄRUNG • Förderverein <strong>REFUGIO</strong> <strong>München</strong> e.V.<br />

Ich möchte den Verein zur Förderung des Beratungs-<br />

und Behandlungszentrums für Flüchtlinge und Opfer von Gewalt und Folter<br />

durch meine Spende unterstützen als:<br />

❑ Vollmitglied<br />

durch aktive Mitarbeit und finanzielle Unterstützung mit Stimmrecht im Verein; Beitrag von 9 64,- jährlich<br />

❑ Fördermitglied<br />

nur finanzielle Unterstützung; (Beitragsnennung siehe Rückseite)<br />

Förderverein Refugio <strong>München</strong> e.V.<br />

Bankverbindung u. Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft • Konto 88 27 800 • BLZ 700 205 00<br />

Mariahilfplatz 10 • 81541 <strong>München</strong> • Tel. 089/98 29 57-0 • Fax 089/98 29 57-57 • office@refugio-muenchen.de<br />

(Bitte füllen Sie auch die Rückseite dieses Abschnitts aus).<br />

Erstaufnahmeeinrichtung Baierbrunnerstraße:<br />

pro Zimmer sind 4 - 6 Jugendiche untergebracht.<br />

gnostizierte posttraumatische Erkrankungen<br />

verneint. Der Landkreis Neuburg<br />

z.B. schickt in diesen Fällen die betreffenden<br />

Klienten in den Landkreis<br />

Dachau zur Untersuchung, da dort der<br />

nächste Amtsarzt mit entsprechenden<br />

Fachkenntnissen ist.<br />

Hat ein traumatisierter Flüchtling die Erlaubnis<br />

zum Auszug, müssen weitere Hürden<br />

überwunden werden. Sind die Betroffenen<br />

noch im Asylverfahren, gelten für sie<br />

die verminderten Regelsätze (siehe auch<br />

➮➮➮➮➮➮➮➮➮➮<br />

9


10<br />

REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

letzter Report). Ein Klient von uns muss<br />

jetzt in der Privatwohnung mit einer monatlichen<br />

Unterstützung von 203,65 h<br />

auskommen für Essen, Hygiene, Kleidung,<br />

Strom, Fahrkarte etc. Das ist tatsächlich<br />

so gut wie nicht möglich und<br />

er ist geschockt.<br />

Hier muss bei kranken Menschen bei<br />

der privaten Wohnsitznahme unbedingt<br />

auch die Unterstützung dem Sozialhilfesatz<br />

angepasst werden, damit ein Existenzminimum<br />

möglich ist.<br />

Unsere Forderung an die bayerische Staatsregierung,<br />

dass psychisch belastete und<br />

vulnerable Personen sofort nach Einreise<br />

entsprechende Unterstützung und Behandlung<br />

bekommen müssen, wurde in<br />

dem vorliegenden Antrag überhaupt nicht<br />

behandelt.<br />

Da die meisten unserer Klienten viel zu<br />

spät in eine Behandlung kommen und<br />

auch die Lebensumstände mit Asylbewerberleistungsgesetz<br />

und Unterkunft<br />

sehr belastend sind, halten wir es für erforderlich,<br />

dass durch frühzeitige Clearing-Gespräche<br />

psychische Belastungen<br />

und Erkrankungen schnell herausgefunden<br />

werden. Die notwendige Behandlung<br />

und Unterstützung muss dann<br />

angeboten werden und zugänglich sein.<br />

Ebenso muss die Kostenübernahme<br />

selbstverständlich sein.<br />

Rücksendung bitte ausreichend frankiert per Post<br />

Noch hat <strong>REFUGIO</strong> mit vielen Fällen wie<br />

bei Frau M. zu tun. Die Klientin aus einem<br />

afrikanischen Land wurde schon vom<br />

Sozialdienst der Erstaufnahmeeinrichtung<br />

dringlich angemeldet. Es gab ein<br />

Erstgespräch bei <strong>REFUGIO</strong>, bei dem offensichtliche<br />

posttraumatische Belastungsstörungen<br />

festgestellt wurden.<br />

<strong>REFUGIO</strong> bat um eine Umverteilung in<br />

<strong>München</strong> oder die nähere Umgebung,<br />

damit die Therapiesitzungen gut erreicht<br />

werden können. Nach einer Operation<br />

wurde die Klientin in geschwächtem Zustand<br />

nach Niederbayern verlegt. Die<br />

dortige Behörde verweigerte die Fahrten<br />

zur Therapie. Erst nach aufreibenden<br />

Auseinandersetzungen erteilte man<br />

Ich möchte als Fördermitglied folgenden jährlichen Beitrag zahlen:<br />

❑ 9 64,– ❑ 9 .......…...........<br />

❑ Ich überweise den Betrag auf das umseitig genannte Konto.<br />

❑ Ich erteile Einzugsermächtigung und bin einverstanden, dass der Betrag<br />

❑ jährlich ❑ 1 / 2-jährlich ❑ 1 / 4-jährlich von meinem Konto abgebucht wird.<br />

❑ Ich bin einverstanden mit der Veröffentlichung meines Namens als Spender<br />

(ohne Adresse/Spendenbetrag) in <strong>REFUGIO</strong>-Publikationen.<br />

Rückantwort<br />

Förderverein Refugio <strong>München</strong> e.V.<br />

Mariahilfplatz 10<br />

81541 <strong>München</strong><br />

Bank<br />

eine Fahrerlaubnis, genehmigte jedoch<br />

nicht die Fahrtkosten. Arztbesuche sind<br />

schwierig in dieser Gegend, da es keine<br />

Dolmetscher gibt. Auch gibt es keine<br />

Therapiemöglichkeit auf dem Land. Nun<br />

ist es Aufgabe der Sozialberaterin bei<br />

<strong>REFUGIO</strong>, mit den Behörden zu verhandeln,<br />

dass die Klientin regelmäßig<br />

zur Therapie kommen kann.<br />

Die vorgesehene Verbesserung der Situation<br />

in den Gemeinschaftsunterkünften ist<br />

nur Flickwerk.<br />

Wir brauchen von der Politik endlich Willen<br />

und Wege zur Aufnahmebereitschaft<br />

und Hilfe für schutzbedürftige Flüchtlinge.<br />

Erstaufnahmeeinrichtung Baierbrunnerstraße: seit ein paar Monaten gibt es<br />

Deutschunterricht – um es mit den Worten eines der Jugendlichen auszudrücken:<br />

„Jetzt gibt es Schule – davor 2 Monate nur schlafen.“<br />

BEITRITTSERKLÄRUNG • Förderverein <strong>REFUGIO</strong> <strong>München</strong> e.V.<br />

Konto BLZ<br />

Name<br />

Straße<br />

PLZ/Ort<br />

Tel./Fax<br />

E-Mail<br />

Datum, Unterschrift<br />

(Bitte füllen Sie auch die Rückseite dieses Abschnitts aus).<br />

MUSIK DER FREIHEIT – EIN TIBETISCHES LIED von Marita Wendt<br />

auf HTTP://WWW.<strong>REFUGIO</strong>-MUENCHEN.DE unter „PUPLIKATIONEN“<br />

„Musik der Freiheit“ in tibetischer Schrift<br />

Im Oktober 2009 feierten wir unser 15jähriges<br />

Bestehen im Alten Rathaussaal<br />

von <strong>München</strong>. Dabei traten verschiedene<br />

Künstler auf, die auch bei <strong>REFUGIO</strong><br />

in Therapie sind. Darunter war Herr Daro<br />

Namkar Drubdrak aus Tibet. Er spielte<br />

eine tibetische Flöte. Viele Besucher interessierten<br />

sich für das schöne Flötenspiel<br />

und stellten Fragen zum Künstler.<br />

Hier berichtet uns Daro Namkar Drubdrak<br />

über sich und speziell über seine Beziehung<br />

zur Musik:<br />

Das Lied Aro Kampa, welches ich auf<br />

dem Fest spielte, wurde circa 1980 von<br />

Jampa Tsering, einem berühmten Sänger<br />

in Lhasa gedichtet. Leider starb er<br />

viel zu früh mit Anfang 30.<br />

Seine Lieder gefallen mir so gut. Ich<br />

stamme aus einer Nomadenfamilie. Wir<br />

hielten uns viel in den Bergen auf. Da die<br />

Töne meiner Flöte sehr hoch sind, spiele<br />

ich sie gerne in den Bergen und in der<br />

Natur. Gerade wenn es Sommer wird, ist<br />

es dort wunderschön: überall das safti-<br />

ge Grün, Wiesen mit allerlei Blumen, der<br />

Duft, der Hochnebel, all das kommt mir<br />

in Erinnerung. Ich spielte dieses Lied<br />

und andere Lieder, während die Yaks<br />

das frische Gras genossen, miteinander<br />

kämpften, indem sie mit den kräftigen<br />

Körpern die Hörner aneinander stießen.<br />

Im Frühsommer gibt es viele Yak-Kälber,<br />

die mit ihrer jugendlichen Energie über<br />

die Wiesen rennen.<br />

Die Berge bei uns sind sehr hoch. Wir<br />

lebten in einem Bergtal in einem schwarzen<br />

Zelt. Wenn ich unterwegs in den Bergen<br />

war, hörte meine Mutter, die sich<br />

meist in der Nähe des Zeltes aufhielt,<br />

meine Musik, und wusste, wo ich gerade<br />

war. Dann machte ich mir schwarzen<br />

Tee, legte mich auf die Wiese und erfreute<br />

mich an der Schönheit des Landes.<br />

Ich vermisse es, in dieser Natur Musik<br />

zu spielen, und ich vermisse natürlich<br />

die wilden Yaks: so unterschiedlich, weiß,<br />

schwarz, jung, alt, männlich, weiblich...<br />

Das Leben war wunderschön. Als ich inhaftiert<br />

wurde, veränderte sich alles. Wir<br />

durften keine Musik spielen oder singen.<br />

REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />

Nachts, wenn das Wachpersonal weg<br />

zu sein schien, sprachen wir Gebete,<br />

manchmal spielten wir Karten. Wurden<br />

wir erwischt, mussten wir im Hof stundenlang<br />

still stehen und durften kein<br />

Wort sagen. Wir wurden von der Armee,<br />

stationiert auf den Dächern des Gefängnisses,<br />

beobachtet.<br />

So viele junge und ältere Tibeter, Männer<br />

und Frauen, befinden sich gerade im<br />

Moment in Gefangenschaft – es macht<br />

mich sehr traurig, daran zu denken.<br />

Unter dem Link<br />

http://www.refugio-muenchen.de<br />

dort unter „Publikationen“<br />

spielt Ihnen Daro sein Lied auf der Flöte<br />

vor. Leider nicht auf den Hochebenen<br />

Tibets, sondern im Garten von REFU-<br />

GIO. Mit etwas Fantasie wird aus dem<br />

Rauschen der Autos im Hintergrund<br />

der Wind, der über die Gräser hinwegweht…<br />

Für die technische Umsetzung danken<br />

wir sehr Michael Hocke, Rufus Kurz,<br />

Florian Stein und Luzi Finck.<br />

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