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Balkanköniginnen - lebendig leben

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EinleitungVon on Katrin Leidamik (Lotte)Charakteristisch für das Rilagebirgesind die vielen klaren Bergseen.Darüber hinaus zeichnet sich der Bergzugeher durch ambivalente Landschaftsprägungenaus. Kantige Kämmefolgen mongolisch anmutendenSteppen auf Hochebenen, satte Blütenmeere,Pferdeherden, kreisendeGreifen ...Nach Kletterpartien durch Geröllfelderschlägt man sich durch Krüppelkiefernund anschließend durch menschenhohesGras. Obwohl das Gebietim nordwestlichen Bulgarien zwischenSerbien-Montenegro und Rumänienbereits im Touristengewerbebekannt und begehrt ist, stößt manimmer wieder in derartige einsameUrlaubslandschaften vor. Geziert wirddie Gegend von orthodoxen Klösternwie das Rilakloster, und von kleinenschlichten Örtchen, die meist nur auswenigen und teils improvisierten Häusernbestehen. Bis in den Mai hineintragen die Gipfel des Rilagebirges nochSchnee und Eis, und auch wir mußtenselbst noch Ende Juli/August dieein oder andere Eisscholle bezwingen.Die Temperaturen sind sogar imHochsommer tippelfreundlich, daHochgebirgsklima herrscht. Wasser gibtes überall im Überfluß.BalkanköniginnenSommerfahrt der Gruppen Ravna und Piratenbräute nach Bulgarien 2006Wir starteten in Rila und machtenuns per pedes auf in Richtung SedemEzera, den sieben Seen. Von dortschlängelten wir uns mehrere Tagedurch zunächst sanfte Berglandschaften(2100-2500 m) zum Rilakloster vor.Die nächsten Etappen galt den schroffenBergen (2600-2900 m) und führteuns auf den Musala, mit 2924 m derhöchste Gipfel der Balkanhalbinsel.In den Tälern hausten wir in dichtenWäldern und verbrachten flammendeFeuernächte in gewohnter Manier.Abkühlung vom Wandern: Spatz und Dania genießen das kalte WasserUnterwegs auf der ersten Etappe vom Ort Rila zum Rila-KlosterBesonders angetan haben uns beialler Schönheit der Natur jedoch dieMenschen! Sie brachten uns unerklärlichesVertrauen entgegen. Diemusikalischen Begegnungen mit mazedonischerFolklore aus den Mündernjunger Männer, Tänzen undRaki bis in die Morgenstunden werdenunvergessen bleiben.Am Ende unserer Fahrt stand einAufenthalt in Sofia, einer unbeschreiblichenStadt, der man die vielen historischenEinflüsse und die kommunistischePrägung deutlich ansieht.Ganz besonders erfreuten wir uns derBasare, die wir zwischen engen kleinenGassen aufspürten. Auf dieserFahrt haben wir unsere Liebe zumBalkan entdeckt.UnterwegsVon on Sigrid BreuerNach der 36-stündigen Anreise,wußten wir es sehr zu schätzen,Boden unter den Füssen zu spüren,die sommerliche Luft zu atmen undstatt dem grauen Asphalt, die Gipfeldes Rilagebirges vor uns zu haben.Um diese Berge zu erreichen, wandertenwir aus dem Ort Rila hinaus, amFluß entlang, bis wir uns an denbewaldeten Aufstieg machen konnten.Nach einigen Stunden lichtete42


Neue Freunde: Die Turbinenarbeiter erfreuen sich an dengemeinsamen Stunden genauso wie wirsich der Wald und gab den Blick freiauf einen Gebäudekomplex, dessenBedeutung nicht recht zuzuordnenwar. Die nackten, brüchigen Mauernmit den dazwischen stehenden Bretterbarackensprachen für eine Ruine.Doch es klangen eine Vielzahl menschlicherStimmen und Geräusche ausdem Inneren der Häuser. Mit nachdenklichemBlick meinte Lotte: „Dasist bestimmt eine Irrenanstalt.“ Kaumhatte sie es ausgesprochen, sahen wirdie ersten Bewohner dieser Gemäuer:Hochgradig hospitalisiert spielten siemit Steinen, Lumpen und Dreck, lungertenim Schatten der Bäume oderredeten wirr vor sich hin. Das alleserinnerte stark an ein mittelalterlichesSeuchenhaus, die außerhalb der Orteerrichtet wurden, um Krankheit –oder schon den Anblick von Erkrankten– von den Mitmenschen fernzuhalten.Selbstverständlich ohne irgendwelcheVersorgung. So etwas inheutiger Zeit zu sehen, ein Jahr vordem EU-Beitritt von Bulgarien, warmehr als erschreckend.Als geschlossene Gruppe gingenwir zügig hindurch. Doch wir bliebennicht unentdeckt. Als wir uns umdrehten,sahen wir, daß sich uns einMann als Begleiter angeschlossen hatte.Er plapperte in einer Mischungaus diversen Sprachen auf uns ein,während er uns aus wirren Augenanstarrte. Erstaunlicherweise sah eraber auch körperlich ziemlich trainiertaus, mit sehnigen Armen undkräftigen Schultern. Wir sahen unsalso verpflichtet, vorbeugende Maßnahmenzu treffen. Die Knöpfe marschiertenmit strammem Schrittvorweg, Greta sammelte einen Steinauf, ich griff mir einen Stock undLotte kramte das Pfefferspray aus demRucksack. So ausgerüstet folgten wirden Mädchen. Doch man merkte, daßdies der erste Fahrtentag war. Kurzatmigkeitund Schweißausbrüche ließenzumindest nach einer Trinkpauseverlangen. Doch der Mann war unsweiter dicht auf den Fersen, und sozögerten wir einen Halt noch hinaus.Aber irgendwann waren die Kräfteam Ende. Also suchten wir uns einschattiges Plätzchen aus, das leiderauch unserem Begleiter zu gefallenschien, denn er rückte uns weiter„auf den Pelz“. Da hatten wir wirklichgenug von ihm. Befreit vom Rucksackbauten wir drei Älteren uns vor ihmauf. Ich bemühte mich, ihn so bitterbösewie möglich anzuschauen, gingmit dem Stock auf den Mann zu undsagte: „Do vedjenja – Auf Wiedersehen!“Zu seinem starren Blick flammteein wenig Ängstlichkeit auf. Dasermutigte mich einen weiteren Schrittauf ihn zuzugehen und meine Wortezu wiederholen. Da drehte er sich umund in rasanter Geschwindigkeit liefer den Berg hinab ins Tal.Wir atmeten tief durch, und esdauerte eine Weile, ehe sich unsereNerven beruhigt hatten.Als wir unseren Weg fortsetzten,merkten wir, wie anstrengend derAufstieg in Rekordgeschwindigkeitgewesen war. Als wir nach einigerZeit wieder auf ein Gebäude stießen,wollten wir unsere Feldflaschen auffüllen.Doch als ich in die erschöpftenGesichter von Dania und Wandasah, wußte ich, daß wir hier auchgerne Quartier beziehen sollten. EinArbeiter im Blaumann trat zu uns aufden Weg und wartete ab, was wir hierwohl wollten. Das wußten wir nur zugenau: Kühles Trinkwasser und eineruhige Schlafstätte, um nach demErlebnis mit dem irren Mann ruhigschlafen zu können. Während Gretaanhand unserer Sprachlisten unsereWünsche vortrug, murmelte ich nochden Wunsch, daß er hoffentlich hierkein Familienunternehmen mit seinensieben Brüdern führen möge. Datraten auch schon drei weitere Arbeitervor das Haus. Doch sie grinsten sovertrauenerweckend, daß wir keineBedenken hatten, den Schlüssel fürDurch Sonnenschein und doch eisige Kälte: Geradewegs zum Musala.43


eine leerstehende Arbeiterunterkunftund die Einladung zum gemeinsamenAbendessen anzunehmen.Es wurde tatsächlich ein gemeinsamesAbendessen. Die Männer aßenvon unserem Körnergericht mit undsteuerten ihrerseits Würstchen, Speckschwarte,Gemüse, Mokka undSchnaps bei. Die Verständigungsproblemewurden durch Lachen weggewischtund durch Singen problemloswettgemacht. Unser einstudiertes bulgarischesLied „Makedonsko“ kambesonders gut an, genau wie „Jovano“.Beide Lieder mußten wir direkt mehrfachsingen und wurden dabei kräftigvon den Turbinenarbeitern unterstützt.Aber auch die gegenseitigen Liedvorträgewaren füralle ein Vergnügen.Durch diesenAufenthaltim Turbinenwerkwurde dieWegbegebenheitvom Tag als „wenigerschönesFahrtenerlebnis“in den Hintergrundgedrängt.Wir genossendieses erste Erlebnisder SangesfreudeundGastfreundschaftder Bulgaren –eins von vielenweiteren, dienoch kommensollten.Auf dieser Fahrtsollten wir allerdingsnoch einigeunerfreuliche Erlebnissehaben: So wiedie Begegnung mitdem Hund, der michin den Unterschenkelgebissen hat undmich damit schwerverletzte, WandasGastritis, die beimAufstieg auf denhöchsten Berg desBalkans, den Musala,ausbrach, oder dieallgemeinen Magen-Darm-Beschwerden,die sich durch diegesamte Gruppe zogen.Dies alles wurde hundertfachdurch die Schönheit des Rilagebirgesund die unglaublich netten Menschen,die wir mit dem Singen jedesmal aufsNeue für uns gewinnen konnten unddie wiederum unseren Liedschatz umeinige Stücke erweiterten, ausgeglichen.Auf dieser Fahrt wuchsen unsere Gruppendurch die gesundheitlich bedingtenSchwierigkeiten zusammen undteilen nun eine innige Zuneigung zumBalkan. Dies war bestimmt nicht dieletzte Fahrt in diese Richtung.[sbb]Bild oben: Letzte Rast, bevor esan den Abstieg geht.Bild Mitte: Mongolei oder Bulgarien?Pferdeflüsterin Lara bemüht sich umKontaktaufnahme bei den Vierbeinern.Bild unten: Die Fahrtengruppe (v.l.n.r.Greta, Lotte, Lara, Dania, Wanda, Spatzund Sigrid) vor dem Wahrzeichen desGebirges, dem Rila-Kloster44

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