Am 30. April 1933 legte Lehmann auf dem Oberhaushof vor <strong>der</strong> versammelten Schulgeme<strong>in</strong>de „e<strong>in</strong>Bekenntnis zum neuen Reich und se<strong>in</strong>em Führer“ ab. Auf dem Oberhausturm wurde die Hakenkreuzfahnegehisst. Am nächsten Tag, dem 1. Mai, marschierte das LSH mit Hakenkreuzfahne imHolzm<strong>in</strong>dener Festzug mit. Drei junge LSH-Lehrer schrieben denn auch Anfang Mai <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Briefan die Altschüler, das LSH habe se<strong>in</strong>e Erziehung stets „auf e<strong>in</strong>e wahre Volksgeme<strong>in</strong>schaft“ ausgerichtet.Deshalb stelle es sich jetzt voll <strong>in</strong> den Aufbau des neuen Staates.Im Herbst 1933 wurde dieses Bekenntnis zum <strong>NS</strong>-Staat und se<strong>in</strong>em Führer sogar <strong>in</strong> die Satzungaufgenommen. Für Lehmann war klar: Schulen wie das LSH mit ihrem Geme<strong>in</strong>schaftsgeist solltendie geistige Elite dieses neuen Deutschlands heranbilden. Lehmann wollte das verstärken und luddeshalb die Leiter an<strong>der</strong>er Heime nach Holz-m<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>. Ziel war die Gründung e<strong>in</strong>er Reichsfachschaft<strong>der</strong> LEH. Vier Heime kamen (Salem, Urspr<strong>in</strong>g, Bieberste<strong>in</strong>, Schondorf). Die Gründungsversammlungfand auch statt, mit Lehmann als „Obmann“. Aus <strong>der</strong> ganzen Sache wurde aber nichts.Die Nazis wollten nicht solche Eigenständigkeit von Privatschulen.Lehmann hielt trotzdem an se<strong>in</strong>er Überzeugung fest: <strong>Das</strong> im Heim gewonnene Geme<strong>in</strong>schaftsgefühlsollte das neue Deutschland stärken. So konnte er 1934 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rede zum 25. Gründungstagsagen, das LSH wolle „<strong>in</strong> totaler Erziehungsgeme<strong>in</strong>schaft den totalen jungen Menschen für dentotalen Staat erziehen.“Än<strong>der</strong>te sich das Leben im LSH? Nach außen eher wenig. Es gab noch den gewohnten Tagesablaufmit Morgenlauf, Mittagsversammlung und die Abendsprache mit klassischer Musik. Auch dasFrühl<strong>in</strong>gsfest wurde noch gefeiert, die Herbststafette gelaufen, und die Kameradschaften gab esauch noch.Aber <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Wandel des Heims war doch unverkennbar: Gleich im Dezember 1933 z.B. wurde<strong>in</strong> <strong>der</strong> Hohen Halle die jährliche Ämterübergabe <strong>der</strong> Schüler begangen. Neu war: Die Schülermarschierten jetzt e<strong>in</strong>. Vorn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Halle standen die Fah-nenträger <strong>der</strong> H.J. mit Hakenkreuzfahneund Kriegsfahne. Am Schluss übergab <strong>der</strong> alte Schülerführer dem neuen die LSH-Fahne mit denWorten: „Halte sie <strong>in</strong> Ehren, dem LSH zum Segen, dem Führer zur Ehre!“ Dann sangen alle dasDeutschlandlied.Ganz ähnlich, als 1934 <strong>der</strong> Badeteich e<strong>in</strong>geweiht wurde: Auch da waren Hakenkreuz-fahne undLSH-Fahne aufgezogen. Im Zentrum stand e<strong>in</strong> wehrsportlicher Kamerad-schaftswettkampf:Und zwar mit Zeltaufbau, Wettschwimmen, H<strong>in</strong><strong>der</strong>nislauf und Handgranatenzielwurf. SolcherWehrsport war seit 1933 üblich. Zu jedem Wochenbe-g<strong>in</strong>n mussten die Schüler antreten zumFahnenappell und seit 1935 immer samstags nach Holzm<strong>in</strong>den zum HJ-Dienst. Ke<strong>in</strong> Wun<strong>der</strong>, dassdas Theaterspiel zurückg<strong>in</strong>g. Seit 1938 wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weihnachtsfeier auch nicht mehr die biblischeWeihnachtsge-schichte gelesen, son<strong>der</strong>n völkische Texte.1935 brachte das LSH, auf Vorschlag <strong>der</strong> Holzm<strong>in</strong>dener SA, e<strong>in</strong> leuchtendes Hakenkreuz amOberhausturm an. E<strong>in</strong> Hakenkreuz aus Glühbirnen, das weit <strong>in</strong>s Wesertal leuchten sollte. Zur E<strong>in</strong>weihungsprachen Lehmann und <strong>der</strong> SA-Führer. E<strong>in</strong> LSH-Sprechchor trug e<strong>in</strong> Gedicht vor, das e<strong>in</strong>LSH-Lehrer verfasst hatte.Dar<strong>in</strong> heißt es von diesem Hakenkreuz:„Nicht als Schmuck und schöne Zierdesoll es unserem Turme stehn,wie e<strong>in</strong> mächtig Wort des FührersSoll es durch die Herzen gehn.“1935 war auch das Jahr, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> letzte jüdische Schüler das Heim verlassen musste. <strong>Das</strong> warke<strong>in</strong> Antisemitismus. Den hat es im LSH nicht gegeben. Die Trennungen erfolgten, weil das Heimfürchtete, sonst Druck vom <strong>NS</strong>-Staat zu bekommen.Trotz solcher ehrlichen Bemühungen um die Gunst <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Politik fürchtete das LSH doch immer,verstaatlicht zu werden. Denn die Nazis hatten etwas gegen Privatschu-len. Die konnten sie nurschwer kontrollieren. Es waren beson<strong>der</strong>s die Holzm<strong>in</strong>dener Volksschullehrer <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>DAP, diedas LSH schon immer für e<strong>in</strong>e „Millionärsschule“ gehalten hatten und es jetzt über die Parteischienebei <strong>der</strong> Braunschweiger Landes-regierung anschwärzten. Aber das waren lokale Rangeleien,nicht wirklich gefährlich.Dann begann 1939 <strong>der</strong> Zweite Weltkrieg. Lehmann, damals 57 Jahre alt, meldete sich sofort alsFreiwilliger und nahm ab Juni 1941 als Hauptmann <strong>der</strong> Artillerie am Russ-landfeldzug teil. „Ichdanke es me<strong>in</strong>em Schicksal“, schreibt er im September 1941 an se<strong>in</strong>e Familie, „dass ich ... andiesem Krieg gegen den Bolschewismus teilnehmen kann. In dem fratzenhaften Unmenschentum,mit dem wir es hier zu tun bekommen, sehe ich die Verkörperung , die diesseitige Komponente <strong>der</strong>Macht, die ihr Element im Nichts hat. Wir beg<strong>in</strong>nen, diesen Krieg als e<strong>in</strong>en heiligen zu erfassen.“Lehmann sah sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Art Kreuzzug gegen die Sowjetunion. Zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt hätte er denVernichtungscharakter dieses Überfalls auf die Sowjetunion schon erkannt haben müssen. Aber ersah diesen Krieg an<strong>der</strong>s.Deshalb schickte er, als er Anfang 1942 wie<strong>der</strong> im LSH war, e<strong>in</strong> fünfseitiges Schreiben an denStiftungsrat. Überschrift: „<strong>Das</strong> Landschulheim im Dienste <strong>der</strong> deutschen Ostkolonisation“. DieÜberschrift sagt alles. Lehmann g<strong>in</strong>g von e<strong>in</strong>em Sieg Deutsch-lands aus. Der „Osten“ sollte „kolonisiert“werden. In <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e sollte e<strong>in</strong>e „Ost-schule“ errichtet werden, parallel zum LSH als <strong>der</strong>„Westschule“. <strong>Das</strong> LSH sollte sich am kulturellen Aufbau <strong>der</strong> eroberten Gebiete beteiligen. E<strong>in</strong>eerstaunliche Fehle<strong>in</strong>-schätzung!Nachdem Lehmann im Frühjahr 1942 die Leitung wie<strong>der</strong> übernommen hatte, nahm <strong>der</strong> militärischeCharakter im Heim zu: Es gab regelmäßige „Wochenschlussfeiern“, d.h. Berichte über diepolitischen und militärischen Ereignisse, zum Schluss e<strong>in</strong> nationales Lied. Es gab Ordnungskontrollenvon Zimmer und Schrank. Und die Mittagsversammlung war jetzt e<strong>in</strong> Viereck, Schüler undLehrer getrennt, Jungen und Mädchen getrennt. Dazu militärische Kommandos (vgl. Brief RudolfSchrö<strong>der</strong>s).Im Februar 1943 hielt Propagandam<strong>in</strong>ister Goebbels die berüchtigte Sportpalastrede „Wollt ihrden totalen Krieg?“ Und die Antwort war e<strong>in</strong> dröhnendes „Ja“. Die Rede wurde im Radio übertragen.Über diese Rede sagte Lehmann den LSH-Schülern und -lehrern: