Traumfabrik Wien - Christine Wurm
Traumfabrik Wien - Christine Wurm
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Die Frau<br />
mit der Kamera<br />
Architektur in Fotografie und Film<br />
ist Gegenstand vieler Bücher,<br />
Vorlesungen und Symposien. Schon<br />
im Stummfilm wurde Architektur<br />
als ausdrucksstarke Bildsprache<br />
genutzt. Der Blick des Architekten<br />
und jener durch eine Kamera haben<br />
viel gemeinsam. FAIRliving sprach<br />
mit der Architekturfotografin und<br />
Künstlerin Gisela Erlacher.<br />
FL: Der Architekturhistoriker Sigfried Giedion sagte 1928: „Nur<br />
der Film kann die neue Architektur verständlich machen“. Kari<br />
Juhani Jormakka von der TU <strong>Wien</strong> ergänzt dazu: „Heutzutage<br />
ist die Architektur noch viel enger mit den Entwicklungen<br />
der Medientechnik wie des Kinos verbunden als damals.“ Wo<br />
steht Ihre Profession, die Architekturfotografie heute?<br />
GE: Die Architekturfotografie wird es immer geben, weil<br />
Printmedien Fotos brauchen. Bildserien in Zeitschriften<br />
oder Prospekten wirken ansprechend und liefern konkrete<br />
Informationen. Was die Technologie betrifft, so müssen wir<br />
mit dem Umstieg auf digitale Kameras natürlich immer<br />
wieder nachrüsten.<br />
FL: Was sind die Aufgaben der Architekturfotografie?<br />
GE: Architekturvermittlung – gerade bei innovativen Projekten<br />
überzeugen Fotos. Dann gibt es einen Bedarf im<br />
Bereich Lifestyle-Dokumentation. Und natürlich die Kunst.<br />
FL: Gefilmte Architektur gibt es in Baudokumentationen,<br />
Experimentalfilmen und natürlich Spielfilmen. Architekturfotografie<br />
scheint dagegen relativ einförmig.<br />
GE: Auch in der Architekturfotografie gibt es Entwicklungen.<br />
Und es gibt Moden und Trends, die sich an den<br />
Bedürfnissen der Auftraggeber orientieren. Das sind Architekten,<br />
Bauherren, Baufirmen, Werbeagenturen.<br />
FL: Architektur, Film, Fotografie – wo liegen die Berührungspunkte?<br />
GE: Die Basis des Filmhandwerks ist das Erzeugen von<br />
Raum. Da liegt auch der Schnittpunkt zur Architektur.<br />
Am Beginn des Kamerastudiums liegen Übungen mit<br />
einzelnen Bildkadern. Man lernt bei diesen Analysen wirklich<br />
das Sehen. Man erkennt den Unterschied, warum ein<br />
Bild spannend ist und ein anderes belanglos. Und beginnt<br />
schließlich, diese Spannung oder Wirkung selbst zu erzeugen.<br />
Architekten lernen das auch.<br />
FL: Ihre Bilder sind zwar Standbilder, wirken aber trotzdem<br />
sehr dynamisch, sogar erzählerisch.<br />
GE: Auch beim Fotografieren kann ich mein Objekt natürlich<br />
emotionalisieren. Ich muss es sogar. Wenn ich einen<br />
Wohnbau mit Lebensqualität fotografiere, dann müssen<br />
Fotos diese auch ausstrahlen. Die Betrachter sollen sich<br />
schließlich für das Dargestellte öffnen.<br />
FL: Inszenieren Sie Architektur oder machen Sie eine<br />
Bestandsaufnahme?<br />
GE: Meine Arbeit verstehe ich als passives Inszenieren, ich<br />
verhelfe einem Gebäude, seine charakteristische Wirkung<br />
optimal zu entfalten.<br />
Rechts: Das Bezirksgericht Klagenfurt ändert durch flexible Lamellen, die<br />
automatisch auf die Sonneneinstrahlung reagieren und nachts hinterleuchtet<br />
werden, laufend sein Erscheinungsbild.<br />
Unten: Die Architektur der Hungerburgbahn zitiert die Eisformationen der<br />
Alpen. Ein Flugrochen, bereit, sich über die Berge davon zu machen.<br />
FL: Wie nähern Sie sich dem Gebäude?<br />
GE: Am Anfang steht eine Besichtigung, idealerweise mit<br />
dem Architekten, der mir das Konzept erklärt. Er stellt<br />
mir das Gebäude vor wie einen Menschen, weist auf wichtige<br />
Details hin. Bei einem zweiten Termin unterhalte ich<br />
mich dann alleine mit dem Gebäude und kläre Fragen<br />
der Umsetzung: Zu welcher Tageszeit ist das Licht ideal?<br />
Welche Objektive? Welche Pflichtfotos muss ich machen,<br />
wie könnte die Kür aussehen? Da geht es auch viel um<br />
Emotionalität.<br />
FL: Worin ähneln sich der Blick des Filmemachers und der<br />
des Architekten?<br />
GE: Nur ein Beispiel: Es gab einen Fensterstreit zwischen<br />
den Architekten Corbussier und Perret. Corbussier war für<br />
Fenster im Querformat, weil sie seiner Meinung nach den<br />
Augen entsprächen. Perret dagegen plädierte für hohe Fenster,<br />
weil sie unserem Körper folgen. Die Fensterform ist<br />
wichtig, weil sie – wie die Kamera – einen Bildausschnitt<br />
erzeugt, weil sie einen Rahmen darstellt. Wenn ich zum<br />
Fenster hinausschaue, ist nicht egal, was ich sehe. Und es<br />
ist nicht egal, was ich nicht sehe. Das Weggelassene gestaltet<br />
wie bei einem Foto oder im Film auch das Erleben und<br />
die Wirkung von Architektur mit.<br />
FL: Sie haben heuer unter anderem die Hungerburgbahn<br />
von Zaha Hadid und das Bezirksgericht Klagenfurt von<br />
Arkan Zeytinoglu fotografiert. Was halten Sie von den jungen<br />
Architektinnen und Architekten?<br />
GE: Natürlich ist es toll, die Arbeit bekannter Architekten<br />
zu dokumentieren. Aber meine Neugier zieht mich auch<br />
hin zu den Jungen. Ich halte wirklich viel von ihnen und<br />
sehe jede Menge Potenzial, tolle Teams, großes Engagement,<br />
Ideenreichtum und Entschlossenheit. Das ist gerade<br />
im Vergleich mit Stararchitektur sehr spannend.<br />
FL: Auch bei Ihrer künstlerischen Arbeit stehen Gebäude<br />
und Stadtlandschaften im Mittelpunkt. Warum fotografieren<br />
Sie keine Porträts?<br />
GE: Ich denke, meine Arbeiten wie „Stadtansichten“ und<br />
„Easy Cuts“ sind Porträts. Die Menschen sind nicht zu<br />
sehen, aber ihre Spuren umso aussagekräftiger.<br />
FL: Bleibt nur noch die Frage nach Ihrem Lieblingsfilm.<br />
GE: Buster Keaton. One Week.<br />
FL: Danke für das Gespräch.<br />
Die Architekturfotografin und Künstlerin Gisela Erlacher,<br />
geboren in Villach/Kärnten, lebt in <strong>Wien</strong>. www.erlacher.co.at<br />
Schöpferisch<br />
leben<br />
FAIRliving_03<br />
Wohntrends<br />
Ein Blick in die Studie „100 Top-Trends“ des Zukunftsinstituts<br />
von Matthias Horx bietet Spannenderes als mancher<br />
Blockbuster. Auch Drehbuchautoren könnten diese Trendanalysen<br />
interessieren, etwa was Vorbilder für zukünftige<br />
Filmcharaktere betrifft. Lebensläufe in der Realität werden<br />
jedenfalls immer vielfältiger und von Lebensräumen wird in<br />
Zukunft vor allem kreatives Klima verlangt.<br />
Es lebe die Multigrafie<br />
Das Leben läuft nicht mehr wie früher. Statt<br />
Biografien mit linearer Entwicklungslogik<br />
gibt es den Trend zur Multigrafie mit einer<br />
Fülle an Optionen und mindestens zwei<br />
neuen Lebensphasen. Zwischen Jugend- und<br />
Erwachsenenphase erscheint die Postadoleszenz,<br />
eine Zeit des Ausprobierens und der<br />
Selbstfindung. Ebenfalls neu ist eine Phase<br />
der Neuorientierung im mittleren Alter, die<br />
aufgrund besserer Fitness und Gesundheit<br />
auch viele neue Aktivitäten erlaubt. Die Midlife-Crisis<br />
rutscht nach vorne in die Mittzwanziger<br />
und heißt jetzt Quarterlife-Crisis.<br />
„Jugendliche“ mit Mitte 30, die sich auch<br />
kleiden wie Teenager, werden ebenso normal<br />
wie 55-jährige Studenten, die sich späte<br />
Studien ermöglichen. Schlaue Bildungseinrichtungen<br />
haben bereits entsprechende<br />
Angebote. Schwierig wird es nur für die<br />
Marktforschung. Denn Alt- oder Jungsein<br />
sagt in Zukunft immer weniger über tatsächliche<br />
Wünsche und Bedürfnisse aus.<br />
Krea-Topias als energetische Zentren<br />
Kreative Städte sind die Gewinner beim<br />
Standortwettbewerb. Während viele europäische<br />
und amerikanische Großstädte heute<br />
schrumpfen, an Bevölkerung verlieren, weil<br />
alte Industrien sterben und die Menschen<br />
mobiler sind, liefern die Zentren der Zukunft<br />
Infrastrukturen für Kreative. Internationale<br />
Beispiele sind die Städte Pune/Indien, Bradford/England<br />
und Auckland/Neuseeland.<br />
Krea-Topias sind Zentren des Ermöglichens,<br />
ziehen Kreative aus aller Welt an und erhalten<br />
so laufend neue Impulse. Wohlfühl-<br />
Metropolen wie <strong>Wien</strong>, die einen Mix aus<br />
Kreativität, Kultur, Konsum und Kommerz<br />
bieten, liegen gut im Rennen. Wichtig dabei<br />
ist: immer schön weltoffen bleiben.