Archikonvents der Templer
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IN MEMORIAM FRAU ELSE KETTERER<br />
von<br />
Eberhard Heller<br />
Am ersten Weihnachtstag hatten wir noch mit ihr telefoniert - meine Frau, meine kleine Tochter und<br />
ich - und ihr ein gnadenreiches Fest gewünscht. Sie hatte sich über den Anruf gefreut, sprach ruhig<br />
und klar. U.a. berichtete sie, sie habe sich wohl vor den Feiertagen übernommen, als sie noch eine<br />
ganze Reihe von Besorgungen zu erledigen hatte. Aber diese Anstrengungen schienen überstanden<br />
und vergessen, als sie Zukunftspläne machte: sie freue sich schon auf den Frühling.<br />
Deshalb waren wir völlig überrascht und bestürzt, als wir einige Tage später vom Tod von Frau Ketterer<br />
erfuhren. Am 2. Weihnachtsfeiertag war sie zusammengebrochen. Der Notarzt hatte für die sofortige<br />
Einlieferung in ein Stuttgarter Krankenhaus gesorgt. Die Diagnose: Herzinfarkt und Lungenentzündung.<br />
Zwei Tage später, am 28. Dezember verstarb sie dort. Sie hatte das hohe Alter von 89<br />
Jahren erreicht. H.H. Kaplan Rissling, <strong>der</strong> sie in den letzten Jahren seelsorgerisch betreut und ihr<br />
noch einen Tag vor dem heiligen Abend die Kommunion gebracht hatte, beerdigte sie am 30.<br />
Dezember auf dem Neuen Friedhof in Stuttgart-Degerloch.<br />
Mit Frau Ketterer ist eine jener großen alten Persönlichkeiten von uns gegangen, die sich von Anfang<br />
an gegen die Einführung <strong>der</strong> Reformen gewehrt hatte und sich mit all ihren Kräften aktiv in den<br />
Wi<strong>der</strong>stand eingeschaltet hatte. So war sie maßgeblich am Aufbau des Stuttgarter Meßzentrum beteiligt,<br />
hatte selbst noch bei dessen Einrichtung mitgeholfen. Danach übernahm sie die Aufgaben, die<br />
dort zelebrierenden, auswärtigen Kleriker aufzunehmen und zu bewirten - eine Aufgabe, die recht<br />
viel Sensibilität und Diskretheit erfor<strong>der</strong>te. Zu ihren Gästen zählte anfangs lange Zeit auch + H.H.<br />
Dr. Katzer. Sie übernahm die Vermittlung schwieriger Missionen, wenn persönliche Antipathien<br />
Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Lösung sachlicher Probleme verursachten. Sie vermittelte und brachte Personen<br />
zusammen, von denen sie überzeugt war, daß durch <strong>der</strong>en gemeinsames Wirken Fortschritte<br />
in unserem Kirchenkampf zu erwarten waren. So stellte sie auch den Kontakt zwischen Herrn Ass.<br />
Prof. Wendland, den sie von Besuchen im Stuttgarter Zentrum her kannte, und mir her, um diesen<br />
als Mitarbeiter für die EINSICHT zu gewinnen. All diese Aktionen - und darüber hinaus auch die<br />
mit <strong>der</strong> Herausgabe <strong>der</strong> EINSICHT verbundenen Verpflichtungen - wurden von ihr finanziell großzügig<br />
geför<strong>der</strong>t und unterstützt.<br />
Ich lernte Frau Ketterer Anfang 1976 kennen, als es darum ging, Möglichkeiten für die Zelebration<br />
<strong>der</strong> offiziell verbotenen 'alten' Messe zu schaffen. Sie gehörte zu denjenigen, die die zahlreichen<br />
Neuerungen im Gefolge vom n. Vatikanum anfänglich aus unmittelbar religiösem Empfinden, dann<br />
aber fortschreitend immer mehr mit theologischen Argumenten ablehnte. Es war für mich erstaunlich,<br />
mit welcher Energie Frau Ketterer an den Debatten über kirchliche, dogmatische o<strong>der</strong> auch philosophische<br />
Probleme teilnahm. Sie war nie eine sog. "Traditionalistin", die am Alten festhielt um<br />
seiner selbst willen.Vor einer solchen Fehlhaltung bewahrte sie schon allein die Beschäftigung mit<br />
<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kunst und ihr ausgesprochenes Interesse an aktuellen, gesellschaftspolitischen Problemen.<br />
Für mich selbst hatte sie so eine Art Kontrollfunktion: was war an argumentativen Schritten<br />
für interessierte Gläubige ohne spezielle theologische Vorbildung für Leser einer exponierten theologischen<br />
Zeitschrift noch nachvollziehbar, ohne sie zu überfor<strong>der</strong>n. Etliche Themen haben wir zusammen<br />
durchdiskutiert. Für ihre Aufmerksamkeit bei diesen Debatten war ich ihr dankbar.<br />
Das Leben hatte Frau Ketterer nicht verwöhnt, son<strong>der</strong>n ihr herbe Schläge verpaßt. Mit fünf Jahren<br />
verlor sie ihren Vater. Rechtsstreitigkeiten belasteten das weitere Familienleben. Nach nur einjähriger<br />
Ehe verstarb ihr erster Mann. Beson<strong>der</strong>s bitter für sie war es, als ihr zweiter Mann nach kurzer Zeit<br />
die Scheidung einreichte, in die Frau Ketterer jedoch nie einwilligte. Was zeichnet diese Generation<br />
aus, die zwei Weltkriege und viele Schicksalsschläge durchgestanden hat? Was hat sie den Jüngeren<br />
vor-aus, die doch eher resignierend ohne Langmut, ohne Zähigkeit schneller aufgibt? Vielleicht sind<br />
es die Nüchternheit, die Disziplin und das gewachsene, erprobtere, stärkere Gottvertrauen, das über<br />
all die vielen Nackenschläge hinaus das tröstende Wirken Gottes vernommen hatte.<br />
In seiner Ansprache bei <strong>der</strong> Beerdigung ging H.H. Kaplan Rissling u.a. auch auf den Begriff des<br />
Sterbens ein und deutete es aus christlicher Sicht als Heimgang. Obwohl Frau Ketterer für den Fall<br />
ihres Todes umfangreiche und genaue Vorkehrungen getroffen hatte, hing sie doch am Leben. Gott<br />
hat an<strong>der</strong>s entschieden. Am Festtag <strong>der</strong> Unschuldigen Kin<strong>der</strong> hat Er seine treue und zähe Streiterin<br />
heimgeholt. Beten wir, daß Er ihr ein gnädiger Richter sein möge. R.i.p.<br />
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