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Zusammenfassung: Hans Berckhemer, Grundlagen der Geophysik

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<strong>Zusammenfassung</strong>: <strong>Hans</strong> <strong>Berckhemer</strong>, <strong>Grundlagen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Geophysik</strong><br />

Philipp Rudolf<br />

<strong>Grundlagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Geophysik</strong> im Sinne <strong>der</strong> Erforschung und Beschreibung des strukturellen Aufbaus,<br />

<strong>der</strong> Materialeigenschaften und <strong>der</strong> dynamischen Prozesse im Erdinnern mithilfe <strong>der</strong> Physik. Ausgegangen<br />

wird von den physikalisch messbaren Fel<strong>der</strong>n: Schwerefeld, seismisches Wellenfeld, Temperaturfeld,<br />

Magnetfeld und elektrisches Feld. Grundproblem ist die Inversion <strong>der</strong> messbaren Felddaten<br />

in Strukturmodelle des Erdinnern.<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung - Was ist <strong>Geophysik</strong>? 3<br />

2 Arbeitsmethodik <strong>der</strong> <strong>Geophysik</strong> 3<br />

3 Materie und Kräfte 5<br />

3.1 Die elementaren Bausteine <strong>der</strong> Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

3.2 Häufigkeitsverteilung und Ursprung <strong>der</strong> Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

3.3 Bindungsenergien und Kraftfel<strong>der</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

3.3.1 Bindungen <strong>der</strong> Atome im Kristall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

3.3.2 Massenanziehung o<strong>der</strong> Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

4 Das Schwerefeld und die Figur <strong>der</strong> Erde 7<br />

4.1 Definition <strong>der</strong> Schwere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

4.2 Das Schwerepotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

4.3 Die Figur <strong>der</strong> Erde als Äquipotentialfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

4.4 Messung <strong>der</strong> Schwere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

4.5 Die Reduktion gemessener Schwerewerte auf eine Bezugsfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

4.6 Schwereanomalien und ihre Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

4.7 Das Naturprinzip <strong>der</strong> Isostasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

4.8 Gravitative Wechselwirkungen zwischen natürlichen und künstlichen Himmelskörpern . . . . . . 10<br />

5 Erdbeben und das seismische Wellenfeld 11<br />

5.1 Was sind Erdbeben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

5.2 Erdbebenintensität und Erdbebenmagnitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

5.3 Erdbebengebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

5.4 Wie entstehen Erdbeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

5.5 Elastizität und elastische Raumwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

5.6 Wellenfront und Wellenstrahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

5.7 Reflexionsseismisches Aufschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

5.8 Die seismische Kopfwelle und das refraktionsseismische Aufschlussverfahren . . . . . . . . . . . . 15<br />

5.9 Sprengseismische Tiefensondierung <strong>der</strong> Erdkruste und des oberen Erdmantels . . . . . . . . . . . 16<br />

5.10 Messung <strong>der</strong> seismischen Bodenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

5.11 Erforschung des tiefen Erdinnern mit Erdbebenwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

5.12 Oberflächenwellen und freie Eigenschwingungen <strong>der</strong> Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

6 Dichte und Druck im Erdinnern 19<br />

1


7 Die Temperaturverteilung im Erdinnern und ihr Einfluss auf die Entwicklung <strong>der</strong> Erde 20<br />

7.1 Die Temperaturen im Erdinnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

7.2 Vorstellungen zur thermischen und stofflichen Entwicklung <strong>der</strong> Erde . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

8 Das Magnetfeld <strong>der</strong> Erde 22<br />

8.1 Physikalische Grun<strong>der</strong>fahrungen über das Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

8.2 Messung des erdmagnetischen Feldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

8.2.1 Einheiten und Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

8.2.2 Darstellung des magnetischen Feldvektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

8.2.3 Messmethoden für das magnetische Erdfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

8.3 Eigenschaften und Ursprung des globalen magnetischen Erdfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

8.4 Extraterrestrische Beiträge zum Erdmagnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

8.5 Gesteinsmagnetismus und Paläomagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

8.5.1 <strong>Grundlagen</strong> des Gesteinsmagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

8.5.2 Thermoremanente Magnetisierung und Sedimentationsmagnetisierung . . . . . . . . . . . 26<br />

8.5.3 Polwan<strong>der</strong>ung und Kontinentalwan<strong>der</strong>ung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

8.5.4 Polumkehrung und die paläomagnetische Zeitskala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

8.6 Die magnetische Aufschlussmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

8.6.1 Feldmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

8.6.2 Interpretation magnetischer Anomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

9 Elektrische Fel<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Erde 28<br />

9.1 Natürliche, induzierte elektrische Fel<strong>der</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

9.2 Eigenpotentialfel<strong>der</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

9.3 Wi<strong>der</strong>standsmessungen mit künstlichen elektrischen Fel<strong>der</strong>n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

9.3.1 Galvanische Wi<strong>der</strong>standsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

9.3.2 Elektromagnetische Prospektionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

10 Geodynamische Prozesse 30<br />

10.1 Das Wachstum <strong>der</strong> ozeanischen Lithosphäre, sea floor spreading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

10.2 Subduktion ozeanischer Lithosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

10.3 Dynamik <strong>der</strong> kontinentalen Lithosphäre und die Gebirgsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

10.4 Das kinematische Modell <strong>der</strong> globalen Plattentektonik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

10.5 Deformationsverhalten von Krusten- und Mantelgesteinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

10.6 Antriebsmechanismen geodynamischer Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

2/33


1 Einleitung - Was ist <strong>Geophysik</strong>?<br />

• <strong>Geophysik</strong> ist die Wissenschaft von <strong>der</strong> Erforschung und Beschreibung <strong>der</strong> Erde mit physikalischen Methoden<br />

und somit ein Teilgebiet <strong>der</strong> Geowissenschaften, wie Geologie o<strong>der</strong> Petrologie.<br />

• <strong>Geophysik</strong> ist unterteilbar in: Physik<br />

– des Erdkörpers → <strong>Geophysik</strong> im engeren Sinne,<br />

– <strong>der</strong> Hydrosphäre → Ozeanographie,<br />

– <strong>der</strong> Atmosphäre → Meteorologie,<br />

– <strong>der</strong> Hochatmosphäre und Magnetosphäre → Aeronomie.<br />

• Die Physik des Erdkörpers unterglie<strong>der</strong>t sich ebenfalls:<br />

– Geodäsie und Gravimetrie → Bestimmung <strong>der</strong> Gestalt und des Schwerefeldes des Erdkörpers mittels<br />

Satelliten- und Bodenmessungen,<br />

– Seismologie und Struktur des Erdinnern → Erforschung <strong>der</strong> Vorgämge im Erdbebenherd und <strong>der</strong><br />

Ausbreitung seismischer Wellen im Erdkörper,<br />

– Erdmagnetismus → Erdmagnetfeldmessungen, Erforschung seiner intra- und extraterrestrischen Ursachen,<br />

– Gesteinsphysik → Labormessungen und Festkörperphysik,<br />

– Geodynamik → Bewegungsvorgänge im Erdinnern.<br />

• <strong>Geophysik</strong> ist somit Physik des Erdkörpers zur Erforschung dessen strukturellen Aufbaus und <strong>der</strong> Vorgänge<br />

innerhalb desselben.<br />

2 Arbeitsmethodik <strong>der</strong> <strong>Geophysik</strong><br />

Durch Vermessung physikalischer Fel<strong>der</strong> (Schwerefeld, Wärmefeld, seismische Wellenfel<strong>der</strong>, ...) soll auf die räumliche<br />

Verteilung im Erdinnern (Dichte, Elastizität, Viskosität, Druck, Temperatur, ...) geschlossen werden können.<br />

Mittels physikalischer Eigenschaften von Gesteinsproben unter Bedingungen <strong>der</strong> Tiefe, können auch Aussagen<br />

über stoffliche Zusammensetzungen getroffen werden. Zur Arbeitsmethodik siehe schematisch Abb. 1. Bei den<br />

Abb. 1: Arbeitsmethodik <strong>der</strong> <strong>Geophysik</strong>.<br />

Feldmessungen unterscheidet man zeitlich lange Messungen an wenigen Punkten bei zeitlich verän<strong>der</strong>lichen<br />

Fel<strong>der</strong>n, o<strong>der</strong> gleichzeitige Messungen an vielen flächenhaft verteilten Punkten (Profillinien) zur räumlichen Vermessung<br />

von Strukturen im Untergrund.<br />

Bei <strong>der</strong> Datenaufbereitung müssen die Messwerte einer flächenhaften Feldvermessung vergleichbar gemacht<br />

werden. D.h. sie müssen z.B. auf einheitliche Stationshöhe o<strong>der</strong> geographische Breite gebracht werden. Zudem<br />

muss bei flächenhaften Darstellungen in Form von Profilschnitten o<strong>der</strong> Karten gleicher Messwerte (Isanomalenkarten)<br />

interpoliert und gefiltert werden, um das Verhältnis aus gesuchter Information und Störpegel zu<br />

3/33


minimieren.<br />

Die Dateninversion liefert aus aufbereiteten Messdaten mittels Modellstrukturtypen ein quantitatives Abbild<br />

<strong>der</strong> physikalischen Untergrundstruktur des Messgebietes. Die Dateninversion basiert auf mathematischphysikalischen<br />

Modellen, woraus eine Vielzahl von Quellverteilungen ein Feld an <strong>der</strong> Oberfläche erzeugen können.<br />

Die Inversion liefert nie eine eindeutige Lösung! Es gilt aus allen mathematischen Lösungen aufgrund weiterer<br />

geophysikalischer Kenntnisse die realistischsten herauszusuchen.<br />

Bei direkten Inversionsverfahren liefert die Eingabe <strong>der</strong> Messwerte sofort die Parameter eines einfachen<br />

Strukturmodells. Bei <strong>der</strong> indirekten Dateninversion werden die Modellparameter iterativ an die Messwerte<br />

innerhalb bestimmter Grenzen angenähert. Beide Verfahren liefern lediglich im Rahmen des Parametermodells<br />

ein angenähertes Abbild <strong>der</strong> Wirklichkeit.<br />

Durch fortschrittliche Laborversuche, unter mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> realistischen Erdbedingungen, lassen sich Daten<br />

erstellen, die verglichen mit in situ-Messungen Schlüsse auf die stoffliche Beschaffenheit des Erdinnern zulassen.<br />

Wobei diese stofflichen o<strong>der</strong> festkörperphysikalischen Interpretationen auch nicht immer eindeutig sind.<br />

Da z.B. manche Materialien sich unter steigendem Druck stetig verdichten o<strong>der</strong> sogar eine neue Kristallstruktur<br />

mit dichterer Atompackung annehmen (Phasentransformation) und noch weitere teils unbekannte Effekte im<br />

Erdinnern auftreten muss noch weiter im Labor geforscht werden.<br />

4/33


3 Materie und Kräfte<br />

3.1 Die elementaren Bausteine <strong>der</strong> Materie<br />

Protonen, Elektronen, Neutronen, Quarks, Leptonen, Neutrinos, ... Siehe Abb. 2.<br />

Abb. 2: Arbeitsmethodik <strong>der</strong> <strong>Geophysik</strong>.<br />

3.2 Häufigkeitsverteilung und Ursprung <strong>der</strong> Elemente<br />

Durch Differentiationsprozesse (Absinken schwereren Materials, Konzentration leichteren Materials in <strong>der</strong><br />

Erdkruste) im Laufe <strong>der</strong> Erdentwicklung, ist die Häufigkeitsverteilung <strong>der</strong> Elemente in den oberflächennahen<br />

Gesteinsschichten nicht repräsentativ für die Erde o<strong>der</strong> den Kosmos. Meteoriten (wahrscheinlich Bruchstücke<br />

an<strong>der</strong>er Himmelskörper dieses Sonnensystems) stellen eine wichtige Informationsquelle dar. Darunter sind 5 %<br />

Eisenmeteorite und ca. 90 % Steinmeteorite. Chondrite (Einschlüsse in Steinmeteoriten, bestehend aus eisenreichen<br />

Silikaten und Oxiden) gelten als representativ für den Erdmantel, während Eisenmeteorite in Richtung<br />

Erdkern deuten. Siehe Abb. 3 zur Elementhäufigkeit in <strong>der</strong> Erde. Über die kosmische Häufigkeitsverteilung ge-<br />

Abb. 3: Elementhäufigkeit in <strong>der</strong> Erde in Gewichtsprozenten.<br />

ben die Absorptionslinien in den Sonnen-und Sternspektren Aufschluss. Hier finden sich v.a. stabile Feo<strong>der</strong><br />

Pb-Kerne und wenige instabile Li- o<strong>der</strong> Be-Kerne, die u.a. im Sternbrennen fusionieren. Supernovae sind<br />

denkbar als Ursache des Materieaustauschs im interstellaren Raum.<br />

3.3 Bindungsenergien und Kraftfel<strong>der</strong><br />

Abb. 4 zeigt eine Übersicht <strong>der</strong> Bindungsenergien und -reichweiten <strong>der</strong> Bindungskräfte<br />

3.3.1 Bindungen <strong>der</strong> Atome im Kristall<br />

Unterscheidung von Ionenbindung o<strong>der</strong> heteropolarer Bindung sowie kovalenter o<strong>der</strong> homöopolarer<br />

Bindung, was ja wahrscheinlich hinreichend bekannt ist. In den meisten Kristallen wirkt eine Mischung bei<strong>der</strong><br />

Mechanismen. Van-<strong>der</strong>-Waalssche Bindungen zeigen sich durch Flächen leichter Spaltbarkeit, wie z.B. im<br />

Glimmer.<br />

Mit steigen<strong>der</strong> Temperatur dehnen sich Bindungen in <strong>der</strong> Regel aus.<br />

Somit wird die Anordnung im Kristallgitter durch die Größe und Bindungskraft <strong>der</strong> Atome bestimmt, während<br />

die Elastizität eine Frage <strong>der</strong> Abstoßungskraft zwischen den Atomen ist.<br />

5/33


3.3.2 Massenanziehung o<strong>der</strong> Gravitation<br />

Abb. 4: Bindungen.<br />

Die nicht abschirmbare Gravitation ist die entscheidende Wechselwirkung im Bereich <strong>der</strong> <strong>Geophysik</strong>, denn<br />

sie bestimmt die Formgebung <strong>der</strong> Erde, den Zustand <strong>der</strong> Materie im Erdinnern, die Differentiation <strong>der</strong> Erde<br />

aufgrund von Dichteunterschieden, die Antriebskräfte tektonischer Prozesse, die Isostasie (Einstellung des<br />

Schwimmgleichgewichts von Krustenschollen im Erdmantel) und die Gezeitenbewegung u.a. Die Gravitationsfeldstärke<br />

eines ausgedehnten Körpers mit dem Quellpunkt Q bzw. <strong>der</strong> Quellverteilung Q(x,y,z) des Volumens<br />

V mit variabler Dichte ρ ist im Abstand s<br />

�<br />

�b = G<br />

V<br />

ρ(Q)<br />

�sdV. (1)<br />

s3 6/33


4 Das Schwerefeld und die Figur <strong>der</strong> Erde<br />

4.1 Definition <strong>der</strong> Schwere<br />

Infolge <strong>der</strong> Eigenrotation <strong>der</strong> Erde wirkt neben <strong>der</strong> Gravitationsbeschleunigung senkrecht von <strong>der</strong> Rotationsachse<br />

nach außen die Zentrifugalbeschleunigung. Die Schwerebeschleunigung ist demnach die Summe<br />

aus Gravitationsbeschleunigung und Zentrifugalbeschleunigung:<br />

�g = � b + �z = � b + ω 2� d, (2)<br />

wobei aus ω = 2π<br />

T , T die Rotationsdauer ist und einen Sterntag beträgt und d <strong>der</strong> senkrechte Abstand von <strong>der</strong><br />

−2 m<br />

Rotationsachse ist. Die geophysikalische Einheit von g ist das Gal: 1Gal = 10 s2 . Die Schwerewerte liegen etwa<br />

zwischen 978 Gal am Äquator und 983,3 Gal an den Polen.<br />

4.2 Das Schwerepotential<br />

Um die Vektorberechnungen innerhalb des Schwerefeldes zu umgehen dient das Potential W, als das Vermögen<br />

des Feldes Arbeit zu leisten:<br />

�g = − � gradW. (3)<br />

Feldpunkte gleichen Potentials liegen auf Äquipotentialflächen, wie es die Oberflächen ruhen<strong>der</strong> Gewässer sind.<br />

Das Potential des Schwerefeldes ist wie<strong>der</strong> die Summe <strong>der</strong> Potentiale aus Gravitationsfeld und Zentrifugalfeld:<br />

W = V + Z = −G m<br />

s<br />

4.3 Die Figur <strong>der</strong> Erde als Äquipotentialfläche<br />

− 1<br />

2 ω2 d 2 . (4)<br />

Sich selbst überlassene physikalische Systeme streben einem stabilen Gleichgewicht entgegen, dem Zustand<br />

minimaler potentieller Energie Epot → Min . Darin liegt die Ursache <strong>der</strong> Einebnung von Gebirgen durch Abtragung<br />

o<strong>der</strong> Erosionen. Die Oberfläche eines Körpers, <strong>der</strong> außer <strong>der</strong> Schwerkraft keinen an<strong>der</strong>en Kräften unterliegt,<br />

ist eine Äquipotentialfläche. So wird auch die Erde mittels des ruhenden Meeresniveaus, das unter den Kontinenten<br />

fortgesetzt gedacht wird, als Äquipotentialfläche beschrieben. Sie wird als das Geoid bezeichnet. Durch<br />

vier Schritte beschreibt man die Erde als Gleichgewichtsfigur mittels des Geoids:<br />

1. Nicht rotierende, flüssigkeitsähnliche Erde homogener Dichte.<br />

Ihre Gleichgewichtsfigur ist eine Kugel, <strong>der</strong>en Masse im Kugelmittelpunkt vereinigt gedacht werden kann.<br />

Die Abweichungen zur Realität betragen ± 2<br />

10 %.<br />

2. Rotierende, flüssigkeitsähnliche Erde homogener Dichte.<br />

Ihre Gleichgewichtsfigur ist ein an den Polen abgeplattetes Rotationsellipsoid mit <strong>der</strong> Abplattung f =<br />

a−c<br />

a<br />

= 1<br />

230 .<br />

3. Rotierende, flüssigkeitsähnliche Erde mit Dichtezunahme zur Tiefe hin.<br />

Dies liefert eine ebenfalls rotationssymmetrische Äquipotentialoberfläche, einen Rotationssphäroid, dessen<br />

Abplattung 1<br />

299,7 beträgt.<br />

4. Das Geoid<br />

Das Geoid wird mittels einer einfachen mathematischen Bezugsfläche, dem Referenzellipsoid, einheit-<br />

1<br />

lich (und z.B. für Höhenangaben tauglich) beschrieben. Die Abplattung desselben beträgt 298,25 , bei<br />

a = 6378160m und c = 6356775m. Dem Referenzellipsoid ist ein definiertes Normalschwerepotential U0<br />

zugeordnet, das aus dem Referenzellipsoid � eine Potentialbezugsfläche macht. Dieser Fläche sind nach <strong>der</strong><br />

internationalen Schwereformel (γ0 = ge 1 + β1 sin 2 (ϕ) − β2 sin 2 (2ϕ) � Gal) Normalschwerewerte zugeordnet.<br />

Die genaue Vermessung <strong>der</strong> Erde ist Aufgabe <strong>der</strong> Geodäsie, wobei die geographischen Koordinaten eines Punktes<br />

<strong>der</strong> Erdoberfläche astronomisch bestimmt werden. Die Höhe N des Geoids (siehe Abb. 5) steht im Zusammenhang<br />

mit den Anomalien des Schwerefeldes, das neben Schweremessungen an Land auch mittels Bahndaten<br />

von Satelliten bestimmt wird.<br />

7/33


Abb. 5: Links: Geoidhöhe N über dem Referenzellipsoid und Schwerepotential W; rechts: Geographische<br />

Koordinaten, geographische Breite ϕ, Poldistanz α und geographische Länge λ.<br />

4.4 Messung <strong>der</strong> Schwere<br />

Die gefor<strong>der</strong>te Genauigkeit an Schweremessungen liegt je nach Größe des Messgebietes zwischen 0,01 mGal und<br />

einigen mGal. Bei Messungen <strong>der</strong> zeitlichen Verän<strong>der</strong>ung von g sind µ Gal gefor<strong>der</strong>t.<br />

Man unterscheidet bzgl. <strong>der</strong> Schwere Absolutmessungen und Relativmessungen. Erstere sind anspruchsvoll<br />

2 l<br />

und werden mit einem Pendel o<strong>der</strong> durch den freien Fall durchgeführt (g = 4π T2 bzw. g = 2 s<br />

t2 ). Zweitere sind<br />

gebräuchlicher da oft die Schweredifferenz zwischen zwei Punkten interessiert und auch genauer, mit statischen<br />

Gravimetern gemessen. Prinzipiell sind alle Gravimeter Fe<strong>der</strong>waagen, bei denen die Fe<strong>der</strong>längenän<strong>der</strong>ung zur<br />

Schwereän<strong>der</strong>ung proportional ist. Jene muss auch bei sehr kleinen Schwereän<strong>der</strong>ungen noch gut messbar sein,<br />

weswegen man sich <strong>der</strong> Astasierung bedient (Erzeugung eines indifferenten Gleichgewichts). Problematisch sind<br />

die zeitl. Konstanz und die Temperaturunempfindlichkeit <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>, wobei sich ersteres mit Wie<strong>der</strong>holungsmessungen<br />

an Basispunkten eliminieren lässt. Der bekannteste Gravimetertyp ist das La-Coste-Romberg-<br />

Gravimeter (siehe Abb. 6). Bei Schwereän<strong>der</strong>ungen wird das Gehänge mittels einer skalierten Feinjustierung<br />

Abb. 6: Prinzip eines astasierten La-Coste-Romberg-Gravimeters.<br />

durch die Messspindel in horizontaler Ruhelage gehalten.<br />

8/33


4.5 Die Reduktion gemessener Schwerewerte auf eine Bezugsfläche<br />

Beson<strong>der</strong>s bei Schweremessungen kommt es auf eine sorgfältige Reduktion (Umrechnung auf fiktive Messpunkte<br />

eines einheitlichen Bezugsniveaus, wie z.B. des Referenzellipsoids o<strong>der</strong> des tiefsten Niveaus eines Messgebietes)<br />

<strong>der</strong> Messdaten an.<br />

Ein gemessener Schwerewert im Punkt P setzt sich zusammen aus <strong>der</strong> Normalschwere γ0 (wobei für Relativ-<br />

messungen nur die Breitenabhängigkeit von g δgϕ =<br />

� dγ0<br />

dϕ<br />

�<br />

· ∆ϕ interessant ist), <strong>der</strong> Schwerevermin<strong>der</strong>ung<br />

δgF = −0,3086 · h mGal infolge <strong>der</strong> Höhe von P über <strong>der</strong> Bezugsfläche, <strong>der</strong> Bouguerschen Reduktion<br />

δgB = 0,0419ρ · h mGal infolge einer angenommenen Masse <strong>der</strong> Dichte ρ (richtet sich nach den geologischen<br />

Verhältnissen; als Standarddichte gilt die mittlere Krustendichte ρm = 2,67 g<br />

<strong>der</strong> Bezugsfläche, <strong>der</strong> Gelän<strong>der</strong>eduktion δgT ≈ − Gρ<br />

2<br />

�<br />

F<br />

cm 3 ) und <strong>der</strong> Höhe h zwischen P und<br />

∆F<br />

s 3 h 2 als Berücksichtigung von Geländeerhebungen<br />

o<strong>der</strong> -vertiefungen bzgl. des Niveaus von P (wozu eine genaue Kenntnis <strong>der</strong> Topographie <strong>der</strong> Umgebung von P<br />

nötig ist; sowohl Erhebungen als auch Vertiefungen reduzieren g), einer Korrektur aufgrund von unbekannten<br />

Massenunregelmäßigkeiten in <strong>der</strong> Erdkruste δgG (die Bestimmung und Interpretation <strong>der</strong> durch sie hervorgerufenen<br />

Schwereanomalien sind das eigentliche geophysikalische Ziel gravimetrischer Untersuchungen) und<br />

<strong>der</strong> zeitlichen Än<strong>der</strong>ung aufgrund <strong>der</strong> von Mond und Sonne verursachten Erdgezeiten δgt = ±0,2 mGal (die<br />

sich durch Wie<strong>der</strong>holungsmessungen eliminieren lassen). Zusammengefasst gilt also<br />

g = γo + δgF + δgB + δgT + δgG + δgt. (5)<br />

An<strong>der</strong>s ausgedrückt gibt es noch die Freiluftschwere gF = g −δgF und die Freiluftanomalie ∆gF = gF −γ0,<br />

sowie die Bouguersche Schwere gB = g − δgF − δgB − δgT und die Bouguersche Anomalie ∆gB =<br />

gB−γ0. Mit diesen Begriffen lassen sich Massenüberschuss o<strong>der</strong> -defizit zwischen P und Bezugsniveau differenziert<br />

erklären.<br />

4.6 Schwereanomalien und ihre Interpretation<br />

Zur Interpretation (Inversion) Bouguerscher Anomalien werden diese mit Gravitationsfel<strong>der</strong>n von Modellkörpern<br />

verglichen (siehe Kap.2, es gibt mathematisch keine eindeutige Lösung). Zur Erörterung, welches Modell<br />

am realistischsten ist, werden gravimetrische Untersuchungen möglichst durch an<strong>der</strong>e geophysikalische Verfahren<br />

ergänzt.<br />

Wird ein Störkörper durch Kugelgestalt z.B. angenähert lässt sich durch direkte Inversion des gemessenen Schwerefeldes<br />

die Störmasse und <strong>der</strong>en Mittelpunktstiefe bestimmen (bei Angaben zur Dichte auch <strong>der</strong>en Radius).<br />

Jede Abweichung <strong>der</strong> Realität von <strong>der</strong> idealisierten Kugelgestalt bewirkt eine Verbreiterung <strong>der</strong> Anomalie und<br />

<strong>der</strong> errechnete Tiefenwert wird kleiner.<br />

Nach Gl. 4 für das Gravitationspotential <strong>der</strong> Kugel lässt sich so leicht die Anhebung des Geoids über <strong>der</strong><br />

(positiven) Störmasse ∆m errechnen. Siehe dazu Abb. 7. Aus einfachen geometrischen Bausteinen lassen sich<br />

kompliziertere Störkörper aufbauen und <strong>der</strong>en Schwerestörung berechnen. Im Zuge <strong>der</strong> indirekten Inversion<br />

werden ihre Parameter so lange variiert, bis Theorie und Praxis übereinstimmen (was nicht das Problem <strong>der</strong><br />

Mehrdeutigkeit aufhebt).<br />

Zusammenfassend ist die Schwereanomalie stets die z-Komponente des Gravitationsfeldes <strong>der</strong> Störmasse, wobei<br />

ein Massenüberschuß eine positive Schwereanomalie und eine Anhebung des Geoids bewirkt.<br />

4.7 Das Naturprinzip <strong>der</strong> Isostasie<br />

Die Isostasie ist die Lehre vom Schwimmgleichgewicht zwischen <strong>der</strong> festen Erdrinde o<strong>der</strong> Lithosphäre<br />

und dem plastisch fließfähigen, dichteren Substratum, <strong>der</strong> Asthenosphäre, auf dem erstere schwimmt. Veranschaulichen<br />

lässt sich dies anhand Abb. 8. Das System ist im Gleichgewicht, wenn in beiden Schenkeln <strong>der</strong><br />

gleiche Auflastdruck pA herrscht, also pA = h1 �<br />

ρ1g · ∆z = h2 �<br />

ρ2g · ∆z gilt. Im Erdinnern kann g als konstant<br />

−HA<br />

angenommen werden, woraus die Isostasiebedingung folgt:<br />

�h<br />

−HA<br />

−HA<br />

ρdz = const. (6)<br />

Man unterscheidet die beiden Isostasiemodelle von Airy (Säulen einer Dichte mit unterschiedlichen Lithosphärenwurzeltiefen;<br />

wie schwimmende Eisberge) und Pratt (einheitliche Eintauchtiefe unterschiedlich dichter<br />

9/33


Abb. 7: Links oben: Drei unterschiedliche Modellkörper rufen die selbe Schwereanomalie hervor. Links unten:<br />

Vektorbetrachtung von Störfeldvektor � b und Hauptfeld �g. Rechts: Anhebung des Geoids und Schwereanomalie über<br />

einer Kugel mit Massenüberschuß ∆m in <strong>der</strong> Tiefe z.<br />

Abb. 8: Isostatisches Gleichgewicht zweier Schwimmkörper einer Dichte in einem mit Flüssigkeit höherer Dichte<br />

gefüllten U-Rohr.<br />

Gesteinssäulen; wie sich aufblähen<strong>der</strong> Kuchenteig); siehe Abb. 9. Beide Modelle ergänzen sich zu realen Bedingungen,<br />

da sowohl laterale Dichteän<strong>der</strong>ungen, als auch unterschiedliche Eintauchtiefen zur Isostasie beitragen<br />

(denn die Lithosphäre verhält sich kaum wie ein Paket aus reibungsfrei gegeneinan<strong>der</strong> vertikal verschiebbarer Gesteinssäulen,<br />

son<strong>der</strong>n eher wie eine elastisch-plastische Platte beträchtlicher Festigkeit; Auflasten werden von <strong>der</strong><br />

Platte getragen, weswegen <strong>der</strong> isostatische Ausgleich nicht lokal unter <strong>der</strong> Auflast stattfindet, son<strong>der</strong>n regional<br />

→ Einwölbung <strong>der</strong> Platte → regionaler isostatischer Ausgleich).<br />

4.8 Gravitative Wechselwirkungen zwischen natürlichen und künstlichen<br />

Himmelskörpern<br />

Die Abweichungen <strong>der</strong> Satellitenbahnen von den idealisierten Keplerbahnen stellen ein wichtiges Hilfsmittel dar,<br />

um das Schwerepotentialfeld <strong>der</strong> Erde und damit das Geoid in globalen Dimensionen bestimmen zu können.<br />

Darüberhinaus erzeugen die Wechselwirkungen Erde-Mond und Erde-Sonne die Meeresgezeiten, infolge von<br />

Massenanziehung und Zentrifugalkraft beim Umlauf um den gemeinsamen Schwerpunkt, also den halbtätigen<br />

Wechsel von Ebbe und Flut (Erde-Mond; siehe Abb. 10) sowie bei gleichphasiger Überlagerung von Sonneund<br />

Mondgezeiten die Springflut und bei gegenphasiger Überlagerung die Nippflut. Durch die Gezeitenkräfte<br />

erfährt das Schwerefeld zeitliche Än<strong>der</strong>ungen von bis zu ±0,15 mGal. Zudem verbraucht die Gezeitenbewegung<br />

Energie, die zu Lasten <strong>der</strong> Rotationsenergie <strong>der</strong> Erde geht, es gibt also eine Gezeitenreibung.<br />

10/33


Abb. 9: Links: Airy. Rechts: Pratt.<br />

Abb. 10: Verteilung <strong>der</strong> Gezeitenbeschleunigung an <strong>der</strong> Erdoberfläche im System Erde-Mond.<br />

5 Erdbeben und das seismische Wellenfeld<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Geowissenschaften sind Erdbeben in zweifacher Hinsicht interessant:<br />

1. Die Vorgänge im Erdbebenherd als Ursache aktiver Tektonik erlauben quantitative Aussagen über Ort,<br />

Stärke, Zeitablauf und räumlicher Orientierung von Verschiebungs- und Deformationsvorgängen in <strong>der</strong><br />

Erdrinde und das sie verursachende elastische Spannungsfeld.<br />

2. Erdbeben verursachen energiereiche elastische Wellen, die den gesamten Erdkörper durchstrahlen und<br />

damit Informationen über das Erdinnere enthalten.<br />

Ein Erdbebenherd lässt sich räumlich und zeitlich besser lokalisieren als Massen im Falle einer Schwereanomalie<br />

z.B. Daher ist das Problem <strong>der</strong> Eindeutigkeit bei <strong>der</strong> Inversion seismischer Felddaten in Strukturmodelle <strong>der</strong><br />

Erde nicht so groß. Das ist <strong>der</strong> Grund, weshalb die meisten physikalischen Daten über die Erde von Seismologen<br />

stammen.<br />

5.1 Was sind Erdbeben?<br />

Die sichere Vorhersage von Erdbebebn aufgrund von Vorläufererscheinungen wie Vorbeben, Deformationen <strong>der</strong><br />

Erdoberfläche o<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen im Grundwasserpegel o<strong>der</strong> im elektrischen Erdfeld, gelingt nur sehr selten.<br />

5.2 Erdbebenintensität und Erdbebenmagnitude<br />

Bzgl. <strong>der</strong> Fühlbarkeit und den verursachten Schäden werden Erdbeben mit <strong>der</strong> zwölfteiligen MSK-Intensitätsskala<br />

klassifiziert (von I=unmerklich bis XII=große Katastrophe schwanken die horizontalen Bodenbeschleunigungen<br />

ungefähr zwischen < 1 cm<br />

s2 und > 2g). Das Ergebnis nach dieser Klassifiezierung wird in Isoseistenkarten mit<br />

Isoseistenlinien dargestellt, die wie<strong>der</strong>um zur Ermittlung <strong>der</strong> Erdtiefe des Hypozentrums dienen.<br />

Ein an<strong>der</strong>es Maß für die Bebenstärke ist die Maximalintensität I0 im Epizentralbereich, was aber bei einem<br />

dünnbesiedelten Erdbebengebiet schwer angebbar ist. Daher führte Richter die lokale Erdbebenmagnitude eines<br />

11/33


Maximalausschlags A (maximale Bodenschwinggeschwindigkeit) ein:<br />

ML = log A<br />

A0<br />

= log A − log A0 (∆) . (7)<br />

Es ist A0 (∆) eine Reduktionsfunktion, die <strong>der</strong> Seismogrammamplitude eines Bebens mit ML = 0 in <strong>der</strong> Epizentralentfernung<br />

∆ entspricht. Eine an<strong>der</strong>e Skala ist die <strong>der</strong> Oberflächenwellenmagnitude, die die Amplitude<br />

<strong>der</strong> Bodenbewegung (Horizontalkomponente <strong>der</strong> Verschiebung) beinhaltet und für die Magnitudenbestimmung<br />

weit entfernter Beben (>1000km) dient; um einen Wert von 7,5 ist sie mit <strong>der</strong> Richterskala vergleichbar. Bzgl.<br />

<strong>der</strong> Energie besteht ein direkter Bezug zur Magnitude; eine Magnitudeneinheit bedeutet etwa 30mal höhere<br />

Energie.<br />

5.3 Erdbebengebiete<br />

Erdbebenherde sind an geologisch-morphologische Strukturen gebunden, wobei rund 80% <strong>der</strong> seismischen Energie<br />

in <strong>der</strong> zirkumpazifischen Umrandungszone freigesetzt werden.<br />

Die meisten Erdbebenherde liegen innerhalb <strong>der</strong> Erdkruste, also in Tiefen bis zu 60km. Sie werden mit ca. 85%<br />

Häufigkeit als normal tiefe Beben bezeichnet. Mittlere Beben mit einer Häufigkeit von etwa 12% liegen in<br />

Tiefen von 60km - 300km. Tiefe Beben (>300km, in <strong>der</strong> Regel bis 700km) machen die restlichen 3% aus; sie<br />

sind meist an sog. Benioff-Zonen gebunden.<br />

5.4 Wie entstehen Erdbeben<br />

Erdbeben haben fast immer tektonische Ursachen, d.h. sie sind Ausdruck instabiler Bruch- und Verschiebungsvorgänge<br />

im elastisch-spröden Bereich <strong>der</strong> Erdrinde, als Folge <strong>der</strong> sich dort anstauenden Spannungen.<br />

Die noch heute in ihren Grundzügen gültige Vorstellung von <strong>der</strong> Erdbebenentstehung geht zurück auf H. F.<br />

Reids im Jahre 1911, <strong>der</strong> den Herdbereich des San-Francisco-Bebens (Aufbruch <strong>der</strong> San-Andreas-Verwerfung bis<br />

zur Erdoberfläche auf einer Länge von 300km mit einem Bruchversatz von 6m) 1906 studierte. Seiner elastic<br />

rebound theory liegt zugrunde, dass sich in Gebieten, wo die Erdkruste durch großtektonische Bewegungen<br />

langsam, aber stetig deformiert wird, elastische Spannungen so lange ansammeln, bis an <strong>der</strong> schwächsten Stelle<br />

die Bruchspannungsgrenze erreicht wird. Von dieser Stelle breitet sich dann ein Scherungsbruch mit Geschwindigkeiten<br />

von etwa 2-3 km/s aus. Die freigesetzte Energie geht zu 5-50% in elastische Wellenenergie über, <strong>der</strong><br />

Rest ist Wärme und mechanische Zerrüttung. Die elastischen Wellen breiten sich im gesamten Erdkörper aus.<br />

Siehe hierzu Abb. 11. Je nach Abstrahlungsrichtung in Bezug zur Bruchfläche gehen beim Zurückschnellen <strong>der</strong><br />

Abb. 11: Links: Spannungsansammlung und Entspannung im Herdgebiet nach Reid. Rechts: Seismische Signalabstrahlung<br />

von einem Scherungsbruch.<br />

Bruchflanken vom Erdbebenherd Kompressions- bzw. Dilatationsimpulse aus (entlang <strong>der</strong> Bruchfläche und<br />

senkrecht dazu kehrt das seismische Signal sein Vorzeichen um → Knotenebenen). Werden die seismischen Impulse<br />

an hinreichend vielen Stationen detektiert, so lassen sich die räumlichen Orientierungen <strong>der</strong> Knotenebenen<br />

bestimmen. Dies geschieht mittels einer Konstruktion, bei <strong>der</strong> man um den Herd eine Kugel legt, die wie<strong>der</strong>um<br />

durch zwei orthogonale Kreise unterteilt wird. Diese Kreise sollen Kompressions- und Dilatationssignal auf <strong>der</strong><br />

Kugel voneinan<strong>der</strong> trennen. Bildet man die untere Hälfte <strong>der</strong> Kugel auf eine Tangentialebene zweidimensional<br />

ab, so erhält man die zugehörigen Herdflächenlösungen, anhand <strong>der</strong>er man die tektonische Ursache eines<br />

Bebens erkennen kann (siehe Abb. 12). Neben <strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> Bruchflächen interessiert die Orientierung des erdbe-<br />

12/33


Abb. 12: Bruchtypen, zugehörige Herdlösungen und Hauptspannungsrichtungen; P=Druck, T=Zug, d.h. dunkel<br />

schraffiert sind die Kompressionsbereiche und weiße Teile stellen die Dilatationsbereiche dar.<br />

benerzeugenden Spannungsfeldes, die wohl in Richtung maximaler Scherspannung liegt, da tektonische Beben<br />

stets Scherungsbrüche sind. Bei den Herdflächenlösungen liegen minimale und maximale Normalspannungen in<br />

den Winkelhalbierenden <strong>der</strong> Knotenebenen.<br />

Neben räumlichen Angaben lassen sich aus seismischen Signalen auch die Größe <strong>der</strong> Bruchfläche F, <strong>der</strong> mittlere<br />

Versatz ¯ D und <strong>der</strong> Spannungsabfall ∆σ an <strong>der</strong> Bruchfläche ermitteln. Mit dem Schermodul im Herdgebiet µ ist<br />

das Seismische Moment als Ausdruck für die Erdbebenstärke und den Bruchvorgang bestimmt: M0 = µF ¯ D.<br />

5.5 Elastizität und elastische Raumwellen<br />

Bei geringer Belastung im linearen Elastizitätsbereich ist die relative Längenän<strong>der</strong>ung ǫ = ∆l<br />

l <strong>der</strong> Kraft proportional<br />

und reversibel. Mit steigen<strong>der</strong> Belastung beginnt die Probe irreversibel durch plastisches Fließen nachzugeben;<br />

bis es wie im Erdbebenherd zum Bruch kommt. Siehe Abb. 13. Außerhalb des Erdbebenherdes liegt die<br />

Abb. 13: Links: Schematisches Kraft-Deformationsdiagramm bei axialer Belastung; A: linear elastischer Bereich,<br />

B: plastische Deformation, C: Bruch. Rechts: Elastische Deformation eines zylindrischen Probekörpers.<br />

Gesteinsdeformation aufgrund seismischer Wellen im Bereich von ∆l<br />

l = 10−8 , also im Hookeschen Bereich.<br />

13/33


Eine Gesteinsprobe <strong>der</strong>en Stirnfläche F mit <strong>der</strong> Druckkraft P belastet wird, steht unter Normalspannung<br />

−σ = P<br />

1<br />

F . Im linearen Elastizitätsbereich bewirkt dies eine relative axiale Verkürzung ǫ = Eσ, mit dem materialspezifischen<br />

Elastizitätsmodul E, sowie eine Vergrößerung des Probendurchmessers d um ∆d, die mit <strong>der</strong><br />

ebenfalls materialspezifischen Poissonzahl (→ Querdehnungsverhältnis) ν = −∆d d /∆l<br />

l beschrieben wird (wird<br />

die Querdehnung verhin<strong>der</strong>t, so gilt ǫ = 1<br />

M σ, wobei M größer als E ist). Im hydrostatischen Spannungszustand<br />

(allseitiger Druck p) kommt es zu einer Volumenreduktion ∆V 1<br />

V = − K p, mit dem Kompressionsmodul K. Im<br />

Falle einer Scherung än<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Körper bei konstantem Volumen seine Gestalt infolge einer Schubspannung<br />

τ = Q<br />

∆x 1<br />

F . Bzgl. des Scherungswinkels γ ≈ tan γ = l gilt γ = µ τ, mit <strong>der</strong> Rigidität bzw. dem Schub- o<strong>der</strong><br />

Schermodul µ. Siehe Abb. 13.<br />

Darüberhinaus gelten die Beziehungen K = E 1<br />

3(1−2ν) , M = E 1−ν<br />

(1+ν)(1−2ν)<br />

= K + 4<br />

3 µ und µ = E · 1<br />

2(1+ν) .<br />

Erdbebenwellen sind elatische Wellen, die sich im Festkörper mit <strong>der</strong> Signalgeschwindigkeit v ausbreiten. In<br />

einem freien elastischen Stab z.B., an dessen Stirnfläche eine Druckkraft angelegt wird, breitet sich eine Kom-<br />

pressionsfront mit <strong>der</strong> Geschwindigkeit vStab =<br />

verhin<strong>der</strong>t wird, gilt entsprechend α =<br />

�<br />

E<br />

ρ (in einem lateral begrenzten Stab, bei dem die Querdehnung<br />

�<br />

M<br />

ρ ) aus. Die Teilchenbewegung erfolgt in Schwingungsrichtung → Lon-<br />

gitudinalwellen. Im Falle einer auf die Stirnfläche wirkenden Querkraft pflanzt sich eine Scherungsdeformation<br />

im Stab fort. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit <strong>der</strong> Scherwellen ist β =<br />

�<br />

µ<br />

ρ . Die Teilchenbewegung steht senk-<br />

recht zur Schwingungsrichtung → Transversalwellen. Die Annahme eines Stabes lässt sich problemlos auf ein<br />

Bündel von Stäben bis zum Fall des unbegrenzten Mediums erweitern. α ist stets größer als β (in <strong>der</strong> Erde gilt<br />

durchschnittlich mit 0,2 < ν < 0,4 α<br />

β = √ 3), d.h. die Longitudinalwelle trifft stets vor <strong>der</strong> Transversalwelle ein,<br />

weswegen erstere als Primärwelle o<strong>der</strong> P-Welle und zweitere als Sekundärwelle o<strong>der</strong> S-Welle bezeichnet<br />

wird.<br />

Auch wenn bei Erdbeben eher ein impulsförmiges Signal realistisch ist, so sind dennoch periodische Wellen gut<br />

zur mathematischen Beschreibung von Erdbebenphänomenen geeignet.<br />

5.6 Wellenfront und Wellenstrahl<br />

Von einer punktförmigen Quelle ausgehend breitet sich im homogenen Medium ein seismisches Signal radial<br />

nach allen Seiten aus und bildet eine wachsende Kugeloberfläche aus; die Wellenamplitude nimmt proportional<br />

zum Quellenabstand ab. Zudem schwächen nichtelastisches Verhalten im Ausbreitungsmedium die Amplitude.<br />

Nach dem Huygensschen Prinzip pflanzt sich im Ausbreitungsmedium einfach dargestellt eine Wellenfront<br />

fort, die wie<strong>der</strong>um die Umhüllende <strong>der</strong> Elementarwellen darstellt. Der in isotropen Medien senkrecht auf <strong>der</strong><br />

Wellenfront stehende Wellenstrahl gibt die Ausbreitungsrichtung <strong>der</strong>selben wie<strong>der</strong>. Nach dem Huygensschen<br />

Prinzip lassen sich auch Reflexion und Brechung leicht beschreiben; siehe hierzu Abb. 14 in Verbindung mit<br />

sin iα sin rα sin rβ sin gα sin gβ<br />

dem Snelliusschen Brechungsgesetz = = = = .<br />

α1 α1 β1 α2 β1<br />

5.7 Reflexionsseismisches Aufschlussverfahren<br />

Bei <strong>der</strong> Reflexionsseismik werden an o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Erdoberfläche künstlich angeregte seismische Signale<br />

(in <strong>der</strong> Regel P-Wellen) an Schichtgrenzen (sprunghafte Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Dichte o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wellengeschwindigkeit)<br />

reflektiert und mit Geophonen wie<strong>der</strong>um detektiert. Vorteil bei <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> Signale ist die eindeutige<br />

Interpretierbarkeit <strong>der</strong> gemessenen Signallaufzeiten bzgl. Form und Tiefe <strong>der</strong> Reflektoren. Auch bzgl. <strong>der</strong><br />

räumlichen Auflösung geologischer Strukturen ist das reflexionsseismische Aufschlussverfahren unerreicht (→<br />

Schlüsselmethode zur Erdöllagerstättenprospektion; nicht das Erdöl selbst wird detektiert, son<strong>der</strong>n zu dessen<br />

Entstehung und Lagerung geeignete Stätten). Bei den gängigen Methoden zur Erzeugung seismischer Impulse<br />

(Sprengstoff, Druckluftkanonen auf See, Vibratoren) entstehen auch unerwünschte Oberflächenwellen, die seitens<br />

<strong>der</strong> Aufnahmeverfahren unterdrückt werden müssen. Die Geophone werden längs des Messprofils äquidistant in<br />

den Boden gesteckt und in Spuren zu etwa 10-20 Geophonen angeordnet (insgesamt bis zu 96 Spuren, also<br />

etwa maximal 2000 Geophone). Die Signale einer Spur werden zur Verstärkung <strong>der</strong> Reflexionssignale und zur<br />

Unterdrückung <strong>der</strong> Signale <strong>der</strong> Oberflächenwellen addiert.<br />

Bei homogener Schichtgeschwindigkeit α1 und ebenem Reflektor in <strong>der</strong> Tiefe d ist die Laufzeit t <strong>der</strong> reflek-<br />

�<br />

d 2 + � x<br />

� 2; die sog. Reflexionshyperbel. Siehe Abb.<br />

tierten Welle im Abstand x von <strong>der</strong> Quelle t = 2<br />

α1 2<br />

15. Durch Mehrfachreflexionen zwischen Reflektoren können Reflektoren im Laufzeit-Profilschnitt verschleiert<br />

werden. Mittels <strong>der</strong> Mehrfachüberdeckung (Anstrahlung eines Reflektorelements unter verschiedenen Einfallswinkeln)<br />

können diese unterdrückt werden und das Nutz- Störsignal-Verhältnis verbessert werden.<br />

14/33


Abb. 14: Reflexion und Brechung einer einfallenden ebenen P-Welle an einer ebenen Grenzfläche. Es verläuft<br />

die einfallende Welle entlang CB; während <strong>der</strong> rechte Rand noch den Weg CB zurücklegen muss, erreichen die in<br />

A erzeugten Elementarwellen folgende Radien: AD=reflektierte P-Welle, AE=reflektierte S-Welle, AF=gebrochene<br />

P-Welle, AG=gebrochene S-Welle.<br />

Abb. 15: Reflexion seismischer Wellen an einer horizontalen Grenzfläche. Strahlenverlauf (unten) und Laufzeitkurven<br />

für direkte und reflektierte Welle (oben). Die Geophonauslage L überdeckt nur die Länge L<br />

des Reflektors; je<br />

2<br />

tiefer <strong>der</strong> Reflektor bzw. je höher die Geschwindigkeit, desto geringer die Hyperbelauslenkung, aus <strong>der</strong> sich wie<strong>der</strong>um<br />

die (Durchschnitts-)Schichtgeschwindigkeit zwischen Erdoberfläche und Reflektor errechnen lässt.<br />

5.8 Die seismische Kopfwelle und das refraktionsseismische Aufschlussverfahren<br />

Wie in einem Zweischichtmodell veranschaulicht, wo unter einer Schicht mit <strong>der</strong> P-Wellen-Geschwindigkeit α1<br />

ein nach unten unbegrenztes Medium mit α2 > α1 liegt, pflanzt sich ein seismischer Impuls auf unterschiedliche<br />

Weise fort. Wie in Abb. 16 sichtbar, existiert ein direkter Laufzeitast A in <strong>der</strong> Schicht, eine an <strong>der</strong> Grenzfläche<br />

reflektierte Welle B, sowie eine gebrochene Welle C, die unter dem Brechungswinkel 90◦ streifend an <strong>der</strong> Unterseite<br />

<strong>der</strong> Grenzfläche entlangläuft (→ kritischer Winkel sin i∗ = α1<br />

). Letzteres sind vom ursprünglichen<br />

α2<br />

Signal erzeugte Sekundärwellen an <strong>der</strong> Grenzfläche, die unter dem kritischen Winkel zur Oberfläche gelangen.<br />

Man nennt sie Kopfwelle, Mintrop-Welle o<strong>der</strong> (kritisch) refraktierte Welle. Eine Kopfwelle liefert Laufzeitinformationen<br />

über Schichtdicken ( d = ti α1α2<br />

2 · √<br />

α2 2−α2 ) und Wellengeschwindigkeit, jedoch weniger detaillierte<br />

1<br />

Auskünfte über die Feinstruktur <strong>der</strong> Schichtgrenzenflächen (i.Vgl. zur reflexionsseismischen Methode). Bei geneigten<br />

ebenen Schichtgrenzen unterscheiden sich die Laufzeitkurven in beiden Profilrichtungen, weshalb man<br />

mind. an beiden Enden des Profils Signale in den Untergrund einkoppeln muss (Schuss und Gegenschuss).<br />

15/33


Abb. 16: Reflexion und Refraktion an einer horizontalen Grenzfläche.<br />

5.9 Sprengseismische Tiefensondierung <strong>der</strong> Erdkruste und des oberen Erdmantels<br />

Aus <strong>der</strong> sprengseismischen Tiefensondierung mit reflektierten und refraktierten Wellen über ein Profil von<br />

hun<strong>der</strong>ten bis einigen tausend Kilometern, stammen die meisten Informationen über die physikalische Natur <strong>der</strong><br />

tieferen Erdkruste. Damit wurde z.B. die Moho (nach A. Mohorovicic) gefunden, die Grenze zwischen Kruste<br />

und Mantel, die je nach Krustentyp 10 bis 70 km tief liegt und sich durch einen sprunghaften Anstieg <strong>der</strong> P-<br />

Wellen-Geschwindigkeit auszeichnet (von (6,8 - 7,3) km/s auf (7,9 - 8,3) km/s).<br />

Im Rahmen homogener Mehrschichtmodelle lässt sich die kontinentale Kruste in eine Ober- und eine Unterkruste<br />

glie<strong>der</strong>n, mit einer Gesamtmächtigkeit (Moho-Tiefe) von (30 - 70) km. Ebenso wie die Moho ist auch<br />

die Conrad-Diskontinuität (Grenze zwischen Ober- und Unterkruste) keine scharfe Grenze, son<strong>der</strong>n eher eine<br />

Übergangszone mit lamellenartiger Struktur.<br />

Indirekte Schlüsse auf den Stoffbestand <strong>der</strong> kontinentalen Kruste sind durch Vergleich von Messwerten elastischer<br />

Wellengeschwindigkeiten von in situ-Geschwindigkeiten aus dem Labor (siehe Abb. 17) mit Messwerten<br />

von tiefenseismischen Sondierungen möglich. Das Geschwindigkeitsverhalten, dass in Abb. 17 sichtbar ist, findet<br />

sich auch bei seismischen Untersuchungen wie<strong>der</strong> und lässt Schlüsse auf die Zusammensetzung und die Vorgänge<br />

in den verschiedenen Krustenteilen zu (obere Krustenteile höhere Geschwindigkeiten; tieferliegend Teile niedrigere<br />

Geschwindigkeit → Schmelze). Die Oberkruste besteht aus SiO2-reichem, saurem Kristallingestein, die<br />

Unterkruste aus SiO2-ärmeren intermediären bis basischen Tiefengesteinen. Die Moho stellt wahrscheinlich eine<br />

stoffliche Grenze zu einem ultrabasischen Erdmantel peridotitischer Zusammensetzung dar.<br />

5.10 Messung <strong>der</strong> seismischen Bodenbewegung<br />

Das Hauptproblem bei <strong>der</strong> Messung <strong>der</strong> seismischen Bodenbewegung ist, einen Bezugspunkt zu schaffen, <strong>der</strong> sich<br />

zumindest nicht synchron mit <strong>der</strong> Bewegung <strong>der</strong> Erdoberfläche bewegt. Daher sind (Vertikal-)Seismometer ähnlich<br />

aufgebaut wie Gravimeter; eine Masse wird von einem Fe<strong>der</strong>system getragen, dessen kleine (um wie<strong>der</strong>um die<br />

Bewegung <strong>der</strong> Masse, verursacht durch die Fe<strong>der</strong>aufhängung, zu minimieren) Rückstellkraft die Masse bei Bodenruhe<br />

stabil hält. Weil damit nur noch ein Freiheitsgrad <strong>der</strong> Beweglichkeit für die Masse bleibt, werden immer<br />

drei Seismometer benötigt. Jedes misst jeweils eine <strong>der</strong> drei orthogonal zueinan<strong>der</strong> stehenden Raumrichtungen.<br />

Mit Dämpfungsvorrichtungen zur Unterdrückung von Resonanzen bleibt die Masse bei Bodenbewegungen mit<br />

Perioden T < T0 in Ruhe (T0 ist die Eigenperiode des Schwingungssystems; Geophone haben T0 ≈ (0,1 − 1s), für<br />

langperiodische seismische Bodenbewegungen ist T0 ≈ (20 − 30) s; letztere Seismometer müssen beson<strong>der</strong>s vor<br />

Störeinflüssen wie technische Bodenunruhe, Wind, Temperatur- und Luftdruckschwankungen geschützt werden).<br />

5.11 Erforschung des tiefen Erdinnern mit Erdbebenwellen<br />

Abgesehen von Nuklearexplosionen sind lediglich natürliche Erdbeben (M>6) ausreichend stark, um den gesamten<br />

Erdkörper seismisch zu durchstrahlen. Bei einer genügend dichten und gleichmäßigen Verteilung von<br />

16/33


Abb. 17: a) P-Wellen-Geschwindigkeiten von Krusten- und Mantelgesteinen in Abhängigkeit vom Umgebungsdruck<br />

bei Zimmertemperatur, b) P-Wellen-Geschwindigkeiten in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Temperatur, bei Atmosphärendruck.<br />

Seismogrammen über <strong>der</strong> Erde, lassen sich die vielen gemessenen Herdentfernungen als Laufzeitkurven verbinden<br />

und als Resultat erhält man, dass sich für unterschiedliche Herd- und Stationslagen bei gleichen Herdentfernungen<br />

und -tiefen stets gleiche Laufzeiten ergeben; nahezu ein Beweis des weitgehend kugelsymmetrischen<br />

Aufbaus des Erdinnern. Diese Laufzeitkurven lassen auf die Herdentfernung ∆ (meist <strong>der</strong> Zentriwinkel Station-<br />

Erdmittelpunkt-Herd; ∆ = 1◦ bedeutet 111,1 km Entfernung an <strong>der</strong> Erdoberfläche) und den Geschwindigkeits-<br />

Tiefenverlauf schliessen.<br />

Nach dem Snelliusschen Brechungsgesetz ergibt sich für eine aus Kugelschalen mit konst. Geschwindigkeiten<br />

rn−1 sin in−1<br />

vn aufgebaute Erde <strong>der</strong> für den gesamten Strahlweg konstante Strahlparameter p = = vn−1<br />

rn sin in<br />

vn<br />

(an <strong>der</strong> Grenzfläche <strong>der</strong> (n-1)-ten zur n-ten Schicht). Das Ergebnis ist die Geschwindigkeits-Tiefenverteilung für<br />

P- und S-Wellen im Erdkörper (siehe Abb. 18). Der Rücksprung <strong>der</strong> Wellengeschwindigkeit in 2900 km Tiefe<br />

liegt an <strong>der</strong> Grenze von Erdmantel und Erdkern. Das völlige Ausbleiben von S-Wellen im Kern bedeutet ein<br />

verschwindendes Schermodul, was den flüssigen Zustand des Kerns kennzeichnet. Im unteren Erdmantel nehmen<br />

die Geschwindigkeiten gleichmäßig mit <strong>der</strong> Tiefe zu, was bei einheitlichem Stoffbestand mit <strong>der</strong> Druckzunahme<br />

erklärbar ist. Der Obere Mantel (bis 1000 km) weist dagegen Anomalien auf; die auftretenden Zonen niedrigerer<br />

Geschwindigkeit werden häufig als Zonen geringer Festigkeit angesehen. Eine solche nachgiebige Schwächezone<br />

(Asthenosphäre) ist auch vom Standpunkt des isostatischen Ausgleichsprozesses (Kap. 4.7) und als Gleitschicht<br />

für die darüberliegenden wesentlich steiferen bis spröden Lithosphärenplatten zu for<strong>der</strong>n. Der Übergang<br />

von <strong>der</strong> die Kruste und den obersten Mantel umfassenden Lithosphäre zur Asthenosphäre dürfte ziemlich stetig<br />

verlaufen. Oft sind Geschwindigkeitszunahmen auf dichter werdende Atompackungen zurückführbar.<br />

5.12 Oberflächenwellen und freie Eigenschwingungen <strong>der</strong> Erde<br />

Es lassen sich zwei Arten von Oberflächenwellen (i.Vgl. zu den Raumwellen) unterscheiden. Bei <strong>der</strong> Rayleigh-<br />

Welle schwingen die Teilchen elliptisch-vertikal zur Ausbreitungsrichtung. Das Verhältnis zwischen vertikaler<br />

und horizontaler Achse ist ungefähr 1,5. Die Amplitude einer Rayleigh-Welle nimmt mit <strong>der</strong> Tiefe exponentiell ab.<br />

Die Love-Welle ist eine in <strong>der</strong> Horizontalebene sowie in heterogenen Medien schwingende S-Welle, die zwischen<br />

Erdoberfläche und Schichtgrenze mehrfach reflektiert wird. (Bzgl. <strong>der</strong> Geschwindigkeiten gilt vR = 0,92vS,<br />

vL > vR, vL < vP und manchmal vL > vS.)<br />

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit bei<strong>der</strong> Wellentypen ist abhängig von <strong>der</strong> Eindringtiefe, also von <strong>der</strong> Wellenlänge<br />

bzw. <strong>der</strong> Wellenperiode. Diese Dispersion liefert Informationen über durchschnittliche elastische Eigenschaften<br />

längs des durchlaufenen Weges; also Informationen über die Erdkruste aber bei genügend großen Wellenlängen<br />

17/33


Abb. 18: Links: Zur Herleitung des Brechungsgesetzes bei konzentrischem Schalenaufbau <strong>der</strong> Erde. Rechts:<br />

Geschwindigkeits-Tiefenverteilung für P- und S-Wellen im Erdkörper.<br />

(T>60 s) auch über den Erdmantel. Bei Oberflächenwellen <strong>der</strong>en Wellenlänge ein ganzzahliges Vielfaches des<br />

Erdumfangs ist, kommt es zu Eigenschwingungen <strong>der</strong> Erde. Ähnlich <strong>der</strong> Unterscheidung von Love- und Rayleigh-<br />

Wellen unterscheidet man bei <strong>der</strong> Erde spheroidale und toroidale Schwingungen bzw. angeregte Moden dieser<br />

Arten. Die Werte <strong>der</strong> Eigenperioden (z.B. Tmin,sphaeroidal = 53,83Minuten) liefern ebenfalls Informationen über<br />

das Erdinnere, die von denen <strong>der</strong> Oberflächenwellen unabhängig sind.<br />

18/33


6 Dichte und Druck im Erdinnern<br />

Für Fragen nach dem Stoffbestand, dem Druck o<strong>der</strong> druckbedingten Zustandsän<strong>der</strong>ungen bzw. nach Massenbewegungen<br />

infolge von Instabilitäten im Erdinnern, ist die Dichte ein wichtigerer Parameter als die räumliche<br />

Verteilung von Geschwindigkeiten mit seismischen Wellen, die eher ein Bild <strong>der</strong> Schichtstruktur <strong>der</strong> Erde liefert.<br />

Wegen <strong>der</strong> Vieldeutigkeit <strong>der</strong> Inversion von Gravitationsfel<strong>der</strong>n ist die Schwere an <strong>der</strong> Erdoberfläche nicht hinreichend<br />

zur eindeutigen Bestimmung <strong>der</strong> Dichteverteilung im Erdinnern. Daher sind wie<strong>der</strong> Zusatzinformationen<br />

z.B. aus <strong>der</strong> Seismik notwendig.<br />

Die Dichteverteilung <strong>der</strong> Erde muss einigen bekannten Tatsachen genügen:<br />

1. Der Gesamtmasse <strong>der</strong> Erde von M = 5,974 · 10 24 kg,<br />

2. dem Trägheitsmoment <strong>der</strong> Erde um ihre Rotationsachse C = 0,3308Ma 2 und<br />

3. dem Dichtewert im obersten Erdmantel (Peridotit bei 1 GPa und 600 ◦ C) ρ0 = 3,3 g<br />

cm 3 .<br />

Aus 2 folgt eine Dichtezunahme nach innen, da eine Kugel homogener Dichte mit CH = 0,4Ma 2 ein Trägheitsmoment<br />

CH > C hat.<br />

Ein Konzept, dass die gut messbaren P- und S-Wellen-Geschwindigkeiten zu Aussagen über die Dichte nutzbar<br />

macht, liefert die Gleichung von Adams und Williamson; sie bestimmt die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Dichte mit<br />

<strong>der</strong> Tiefe dort korrekt, wo stoffliche Homogenität und adiabatische Temperaturzunahme mit <strong>der</strong> Tiefe<br />

vorliegt. Letzteres gilt beson<strong>der</strong>s im flüssigen äußeren Erdkern aber auch in weiten Teilen des unteren und<br />

mittleren Erdmantels. Im oberen Erdmantel (bis 1000 km Tiefe) ist die Annahme stofflicher Homogenität nicht<br />

haltbar und das Konzept versagt. Hier treten wahrscheinlich strukturelle Phasenumwandlungen mit Umlagerung<br />

<strong>der</strong> Atome im Kristallverband auf; darauf weist jedenfalls die Seismologie hin. D.h. mit Ausnahme des<br />

Lithosphären-Asthenosphären-Bereichs im obersten Erdmantel, scheint die Voraussetzung einer stabilen Dichteschichtung<br />

in <strong>der</strong> Erde gültig zu sein. Die darausfolgendne Ergebnisse sind in Abb. 19 zu sehen. Der Druck in<br />

Abb. 19: Links: Dichte, Druck und Schwere im Erdinnern. Rechts: Druck-Dichte-Kurven für die Erde, für Eisen,<br />

Nickel, Forsterit und Fayalit.<br />

<strong>der</strong> Erdkruste und im oberen Erdmantel lässt sich durch die Faustformel p[kbar] ≈ 0,3z [km] abschätzen. Da die<br />

Dichtekurve des Erdmantels mittig zwischen Forsterit und Fayalit liegt, wird die Vorstellung unterstützt, dass<br />

<strong>der</strong> Erdmantel etwa die Zusammensetzung von Steinmeteoriten (Chondriten) hat. Da die Dichte des Erdkerns<br />

mit Z ≈ 22 deutlich über Silikaten aber unterhalb von reinem Eisen (Z=26) liegt, geht man bei seiner Zusammensetzung<br />

im wesentlichen von Eisen und Nickel mit Beimengungen von etwa 15 bis 20 % leichterer Elemente<br />

wie Si, S o<strong>der</strong> O aus.<br />

19/33


7 Die Temperaturverteilung im Erdinnern und ihr Einfluss auf die<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Erde<br />

Beipielsweise sind Fließviskosität, anelastische Dämpfung seismischer Wellen o<strong>der</strong> die elektrische Leitfähigkeit<br />

bei hohen Temperaturen Eigenschaften, die durch thermisch aktivierte Diffusion von Atomen o<strong>der</strong> Elektronen<br />

im Atomverband bewirkt o<strong>der</strong> gesteuert werden. Beson<strong>der</strong>s hervorzuheben ist das Überschreiten <strong>der</strong><br />

Schmelztemperatur. Bei Mehrstoffsystemen unterscheidet man zwischen Schmelzbeginn <strong>der</strong> leicht schmelzbaren<br />

Anteile (Solidustemperatur) und dem vollständigen Schmelzen (Liquidustemperatur). Im Zwischenbereich<br />

partieller Schmelze (fraktionierte Kristallisation) können sich schwerere Komponenten absetzen während<br />

leichtere aufsteigen. Man geht davon aus, dass sich im Zuge solcher Prozesse von gravitativer Differentiation<br />

<strong>der</strong> uns bekannte Schalenaufbau <strong>der</strong> Erde herausgebildet hat. Aufgrund von Dichtedifferenzen, die wie<strong>der</strong>um<br />

Schwereunterschiede bedeuten, können großräumige Massenumwälzungen stattfinden, die als thermische Konvektion<br />

bezeichnet werden. Der Erde dient sie zuvor<strong>der</strong>st als Wärmetransportmittel zwischen Wärmequellen<br />

und kühleren Umgebungen. Bei zu geringer Fließviskosität des Transportmediums o<strong>der</strong> bei guter Wärmeleitung<br />

kommt keine Konvektion zustande. Bei stationärer Konvektion bildet sich Konvektion in Form von geschlossenen<br />

Zellen aus, die von <strong>der</strong> Größenordnung <strong>der</strong> Schichtdicke sind, sofern keine störenden Einflüsse vorhanden sind.<br />

Mathematisch ist eine Rayleigh-Zahl von R ≈ 2000 o<strong>der</strong> größer notwendige Bedingung zur Konvektion.<br />

7.1 Die Temperaturen im Erdinnern<br />

Auch bei <strong>der</strong> Ermittlung <strong>der</strong> Temperaturverteilung <strong>der</strong> Tiefe ist man auf indirekte Hinweise angewiesen. Viel<br />

aussagekräftiger als <strong>der</strong> Oberflächenwert des Temperaturfeldes ist <strong>der</strong> durch die Wärmeleitung aus <strong>der</strong> Tiefe an<br />

die Oberfläche gelangende Wärmestrom, gemessen in <strong>der</strong> Wärmeflußdichte Q über die Wärmeleitungsgleichung<br />

Q = −k·grad ≈ −k dT , mit <strong>der</strong> materialspezifischen Wärmeleitfähigkeit k. Der gesamte Wärmestrom aus dem Er-<br />

dz<br />

dinnern, <strong>der</strong> durch Strahlung in den Weltraum abgegeben wird, ergibt sich aus den Wärmeflussdichtemessungen<br />

zu 4,2·10 13W. Mit gemessenen Q-Werten ist bei bekannter Wärmeleitfähigkeit k und sofern keine Wärmequellen<br />

durchquert werden eine Extrapolation in die Tiefe möglich (und zwar von unterschiedlichen Ausgangspunkten<br />

im Erdaufbau aus, jenachdem, worüber eben gerade Informationen vorliegen). Über Betrachtungen von radiogener<br />

Wärme (die hauptsächlich an sialische Krustengesteine gebunden ist) und <strong>der</strong>en geschätzter prozentualer<br />

Verteilung, sowie unter Einbeziehung von Geothermen für Kruste und oberen Erdmantel, lassen sich weitere<br />

Informationen über die Temperatur-Tiefenverteilung sammeln. Denn im Mittel sind ozeanische und kontinentale<br />

Wärmeflussdichte gleich, d.h. die Temperatur im obersten Mantel unter den Ozeanen ist höher, als unter<br />

den Kontinenten. Dies führt auf die sog. low velocity zones (Asthenosphäre aus Peridotit mit basaltischen<br />

Schmelzanteilen).<br />

Nach seismischem Befund ist <strong>der</strong> äußere Erdkern flüssig, <strong>der</strong> innere fest. Betrachtet man nun die Schmelzgrenze<br />

von reinem Eisen bei 3 Mbar Umgebungsdruck, so läge dort ein Wert von (4500-5000) ◦C nahe; unter Beimengung<br />

leichterer Elemente wäre mit einer Schmelzpunkterniedrigung von rund 1000◦C zu rechnen. Der innere<br />

Kern liegt knapp unter dem Schmelzpunkt von Eisen bei ca. (5000 ± 500) ◦C. 7.2 Vorstellungen zur thermischen und stofflichen Entwicklung <strong>der</strong> Erde<br />

Etwa gleichzeitig mit den an<strong>der</strong>en Planeten und <strong>der</strong> Sonne dürfte sich die Erde durch Akkretion kosmischer<br />

Materie von etwa chondritischer Zusammensetzung vor etwa 4,6 Ga gebildet haben. Der Aufschlag eingefangener<br />

Körper bis zu Planetoidengröße ((10-100)km Durchmesser) hat die Erde zur partiellen Schmelze aufgeheizt.<br />

Seither kühlt sie ab. Die Ausbildung des Kerns hat wahrscheinlich bereits in <strong>der</strong> Akkretionsphase stattgefunden,<br />

denn das mit dem flüssigen Eisenkern zusammenhängende Magnetfeld <strong>der</strong> Erde existiert seit mind. 3,5 Ga,<br />

vielleicht sogar seit 4,4 Ga. Im Kern sind wohl (5-10)% Schwefel an Eisen, legiert mit Nickel gebunden, wodurch<br />

beim Auskühlen <strong>der</strong> Schmelze kristallines Eisen ausfällt, das sich als innerer Kern absetzt. Dieses Ausfrieren des<br />

Kerns schreitet mit einer Rate von 250 m<br />

Ma voran. Für den Antrieb <strong>der</strong> als Geodynamo wirkenden Kernkonvektion<br />

sind demnach drei Energiequellen verfügbar:<br />

1. Der Wärmevorrat des Kerns,<br />

2. die latente Kristallisationswärme und<br />

3. die gravitative Energie beim Ausfrieren und Absinken des Nickeleisens.<br />

In Abb. 20 sind die drei Hauptentwicklungsphasen <strong>der</strong> Erde schematisch dargestellt. Der Vergleich mit <strong>der</strong> durch<br />

Erdbeben freigesetzten Energie zeigt, dass Wärme als Antriebsenergie für tektonische Prozesse in hohem Maße<br />

20/33


Abb. 20: Die drei Hauptentwicklungsphasen <strong>der</strong> Erde.<br />

zur Verfügung steht. Daher werden lange bevor <strong>der</strong> Wärmevorrat <strong>der</strong> Erde aufgebraucht ist, die tektonischen<br />

Prozesse durch die zunehmende Zähigkeit <strong>der</strong> Erde zum Erliegen kommen.<br />

21/33


8 Das Magnetfeld <strong>der</strong> Erde<br />

Geowissenschaftlich hat das Erdmagnetfeld durch den in Gesteinen konservierten Paläomagnetismus für das<br />

mo<strong>der</strong>ne Bild <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Erdrinde, beson<strong>der</strong>s im Konzept <strong>der</strong> globalen Plattentektonik, in den letzten<br />

Jahrzehnten eine zentrale Bedeutung gewonnen. Durch ihr magnetisches Eigenfeld lassen sich auch magnetische<br />

Gesteinskörper mit geophysikalischen Mitteln orten und charakterisieren. Die Ursache des Erdmagnetfeldes<br />

liegt in Strömungssystemen im flüssigen äußeren Erdkern, die nach hydrodynamischen und elektromagnetischen<br />

Gesetzen einen selbsterregenden Magnetfeldgenerator bilden.<br />

8.1 Physikalische Grun<strong>der</strong>fahrungen über das Magnetfeld<br />

Im wesentlichen sind fünf Grun<strong>der</strong>fahrungen zur Charakterisierung des Magnetfeldes nötig.<br />

1. Wirkung des Magnetfeldes auf einen Stabmagnet<br />

Ein frei drehbarer stabförmiger Magnet stellt sich in Richtung des Magnetfeldes ein; d.h. <strong>der</strong> Nordpol (+<br />

Pol) zeigt nach Norden und <strong>der</strong> Südpol nach Süden. Ein mechanisches Drehmoment N = � B�m sinϕ wäre<br />

aufzuwenden, um den Stabmagneten aus seiner Ruhelage zu drehen.<br />

2. Materie im Magnetfeld<br />

Mit <strong>der</strong> Magnetisierung <strong>der</strong> Materie, <strong>der</strong> magnetischen Permeabilität und <strong>der</strong> magnetischen Erregung<br />

ist die magnetische Flußdichte � B = µ � � �<br />

H = µ0<br />

�H + M�<br />

definiert. Die Magnetisierung setzt sich aus<br />

einem induzierten und einem remanenten Teil zusammen; � M = � Mind + � Mrem = χ � H + � Mrem, mit <strong>der</strong><br />

materialspezifischen magnetischen Suszeptibilität χ.<br />

3. Magnetfeld eines magnetisierten Körpers<br />

Betrachtet man eine magnetisierte Masse wie einen magnetischen Dipol, so erhält man unter dem Winkel<br />

θ zur Dipolachse bei hinreichend großem Abstand s für die radiale und die transversale Feldkomponente<br />

cos θ<br />

s3 , Bt = µm sin θ<br />

4π s3 . Siehe hierzu Abb. 21.<br />

Br = µm<br />

2π<br />

Abb. 21: Links: Zur Veranschaulichung <strong>der</strong> radialen und tangentialen Feldkomponente. Rechts: Feldlinien<br />

eines magnetischen Dipols.<br />

4. Elektrischer Strom und Magnetfeld<br />

Magnetfel<strong>der</strong> haben stets einen elektrischen Strom als Ursache. Sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch.<br />

5. Induktion elektrischer Spannungen im Magnetfeld<br />

Än<strong>der</strong>t sich <strong>der</strong> magnetische Fluß Φ = � B � F (mit <strong>der</strong> Fläche � F <strong>der</strong> Leiterschleife senkrecht zu � B) durch<br />

Bewegung <strong>der</strong> Leiterschleife o<strong>der</strong> zeitlicher Än<strong>der</strong>ung des Magnetfeldes, so entsteht im Leiter die Spannung<br />

U = − dΦ<br />

dt .<br />

Aus den letzten beiden Punkten erhält man im Groben das Prinzip des geomagnetischen Dynamos und <strong>der</strong><br />

Induktion von Strömen in <strong>der</strong> Ionosphäre und im Erdkörper.<br />

22/33


8.2 Messung des erdmagnetischen Feldes<br />

8.2.1 Einheiten und Dimensionen<br />

Zweckmäßig ist es die Stärke des magnetischen Erdfeldes in γ = 1nT zu messen. Ansonsten gilt 1T = 10 4 Gauß.<br />

8.2.2 Darstellung des magnetischen Feldvektors<br />

Der Magnetfeldvektor � B kann in verschiedener Weise durch jeweils drei voneinan<strong>der</strong> unabhängige Zahlengrößen<br />

dargestellt werden, die als Elemente des magnetischen Erdfeldes bezeichnet werden (siehe Abb. 22). Das<br />

Abb. 22: Links: Elemente des magnetischen Erdfeldes. Rechts: Magnetische Elemente 1940 und 1980 für Frankfurt.<br />

Magnetfeld <strong>der</strong> Erde ist zeitlichen Än<strong>der</strong>ungen unterworfen (siehe ebenfalls Abb. 22).<br />

8.2.3 Messmethoden für das magnetische Erdfeld<br />

Für die Kompassnavigation ist die magnetische Deklination von Bedeutung. Als Winkel zwischen <strong>der</strong> Horizontalkomponente<br />

von B und <strong>der</strong> N-Richtung <strong>der</strong> Erde (Rotationsachse), lässt sie sich mit dem Kompass selbst<br />

messen. Mit Intensitätsmessungen werden räumliche und zeitliche Än<strong>der</strong>ungen des Magnetfeldes erfasst. Es<br />

gibt unterschiedliche Messverfahren:<br />

• Statische Magnetometer beruhen auf einer Messung des mechanischen Drehmoments, das auf einen<br />

Permanentmagneten ausgeübt wird; realisiert in einem Torsionsmagnetometer z.B., dessen Skala allerdings<br />

noch mit einer Eichspule festgelegt werden muss.<br />

• Im Kernsättigungs-Magnetometer besteht das Messelement aus einem stabförmigen Eisenkern hoher<br />

Permeabilität und scharf ausgeprägter Sättigung, <strong>der</strong> im Erdmagnetfeld magnetisiert wird. Mit einem<br />

überlagerten künstlichen magnetischen Wechselfeld, das bis in die Sättigung des Kerns reicht, wird <strong>der</strong><br />

Grad <strong>der</strong> Magnetisierung ermittelt, wobei die Unsymmetrie <strong>der</strong> magnetischen Flußdichte in den beiden<br />

Magnetisierungsrichtungen ein Maß für die Stärke des Erdfeldes ist. Auch bei diesem Typus ist die Skalenwertbestimmung<br />

mit einer Eichspule erfor<strong>der</strong>lich.<br />

• Beim Protonenpräzessions-Magnetometer macht man sich das magnetische Moment des Protons zunutze,<br />

das mit <strong>der</strong> Richtung des Eigendrehimpulses Ip desselben zusammenfällt (siehe Abb. 23). Im äußeren<br />

Magnetfeld verhält sich das Proton wie ein Kreisel, auf den ein Drehmoment N ausgeübt wird; es präzediert<br />

um die Magnetfeldrichtung mit <strong>der</strong> Winkelgeschwindigkeit ωp = N<br />

Ip = ηpB. ηp ist das gyromagnetische<br />

Verhältnis des Protons. Mit <strong>der</strong> Präzessionsfrequenz νp = ωp<br />

2π gilt stets B ≡ T = 23,4874 · νp. Die Protonenpräzessionsfrequenz<br />

ist elektronisch genau messbar, da alle präzedierenden Protonen, sofern sie parallel<br />

ausgerichtet sind, eine Spannung in <strong>der</strong> Spule induzieren. Dazu wird ein Polarisationsstrom in die Spule<br />

geschickt und danach sofort gemessen. Die Messgenauigkeit liegt im Bereich von 0,1γ.<br />

8.3 Eigenschaften und Ursprung des globalen magnetischen Erdfeldes<br />

Mithilfe <strong>der</strong> Reihenentwicklung des Erdmagnetfeldes nach Kugelfunktionen, ist auch dort das Erdfeld darstellbar,<br />

wo keine Messungen vorliegen. Weiterhin ist es möglich, Feldanteile, die ihre Quelle im Erdinnern haben,<br />

von solchen zu trennen, <strong>der</strong>en Ursprung im Außenraum <strong>der</strong> Erde liegt. So konnte Gauß den Beweis erbringen,<br />

dass das Magnetfeld <strong>der</strong> Erde bis auf einen kleinen Rest seinen Ursprung im Erdinnern haben muss.<br />

Der geomagnetische (Di-)Pol ist <strong>der</strong>zeit um 11,5 ◦ gegen die geographische Nord-Süd-Achse verkippt. Etwa 80%<br />

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Abb. 23: Zum Protonenmagnetometer.<br />

des Erdfeldes können mit dem Modell eines Dipols im Erdmittelpunkt dargestellt werden. Der Rest entfällt auf<br />

die höheren Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kugelfunktionsentwicklung. Diese Nicht-Dipolanteile sind signifikanten, langsamen<br />

zeitlichen und lokalen Än<strong>der</strong>ungen (Westwärtsdrift) unterworfen, den Säkularvariationen, die einige Prozent<br />

<strong>der</strong> Feldstärke erreichen können. Der Westwärtsdrift <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungen des Nicht-Dipolfeldes beträgt in äquatorialen<br />

Breiten etwa 30 km pro Jahr, was enorm größer liegt, als Driftgeschwindigkeiten von Lithosphärenplatten<br />

(≈ 3 cm<br />

a ). Lediglich <strong>der</strong> flüssige äußere Erdkern kann solch rasche Bewegungen vollziehen, weshalb <strong>der</strong> Sitz des<br />

Hauptteils <strong>der</strong> Ursache des Erdmagnetfeldes dort vermutet wird.<br />

Auch die Intensität des Erdmagnetfeldes schwankt beträchtlich (in den vergangenen 2000 Jahren hat sie sich<br />

halbiert). Der Prozess <strong>der</strong> Feldumkehr dauert etwa 10000 Jahre.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Magneto-Hydrodynamischen Theorie des Erdfeldes, wird <strong>der</strong> Bewegungsverlauf <strong>der</strong> Materie<br />

nahe des Erdkerns als selbsterregende Dynamomaschine angesehen (siehe Abb. 24). Die Voraussetzungen<br />

dafür bietet lediglich <strong>der</strong> flüssige, eisenhaltige, gut leitende äußere Erdkern, unter <strong>der</strong> Bedingung, dass dort Konvektionsströmungen<br />

auf geeigneten Bahnen genügend schnell fließen. Daraus ergeben sich Rechnungen, die ein<br />

Modell nahelegen, wie es in Abb. 24 rechts zu sehen ist. Dieses kann auch die Säkularvariationen, die Polumkehrungen<br />

sowie den Bezug <strong>der</strong> Dipolachse zur Rotationsachse erklären. Zur Aufrechterhaltung des Kerndynamos<br />

Abb. 24: Links: Prinzip des selbsterregenden Dynamos, bestehend aus einer Rotorscheibe, einem Leiter und einer<br />

Spule, die miteinan<strong>der</strong> verbunden sind (Initialfeld womöglich aus <strong>der</strong> Ionosphäre→Spannung in <strong>der</strong> Scheibe→wird<br />

über Spule und Achse wie<strong>der</strong> abgeführt→ � B-Feld in Spule erzeugt weitere Spannung in Scheibe→Gleichgewicht<br />

zwischen Antriebskraft und Wirbelstrombremse). Rechts: Kerndynamomodell mit Konvektionsströmungen, die sich<br />

unter <strong>der</strong> Wirkung <strong>der</strong> Corioliskraft parallel zur Erdrotationsachse ausrichten.<br />

24/33


werden etwa 10 10 W benötigt; als Energiequellen kommen die freiwerdende Erstarrungswärme beim Wachsen des<br />

inneren Kerns auf Kosten des flüssigen äußeren Kerns in Frage, sowie <strong>der</strong> Gewinn an gravitativer Energie beim<br />

Absinken <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Schmelze des äußeren Kerns ausfallenden spezifisch dichteren Fe- und Ni-Kristalle. Die<br />

Frage nach radiogener Wärme diesbzgl. ist die ungelöste Frage nach dem Gehalt an instabilem 40 K im Erdkern.<br />

8.4 Extraterrestrische Beiträge zum Erdmagnetfeld<br />

Periodische und nichtperiodische Fluktuationen des Erdmagnetfeldes haben ihre Ursache in <strong>der</strong> intensiven Bestrahlung<br />

<strong>der</strong> Erde durch die Sonne. Insbeson<strong>der</strong>e Protonen- und Elektronenströme (Korpuskularstrahlung)<br />

korreliert mit <strong>der</strong> Aktivität <strong>der</strong> Eruptionsprozesse an <strong>der</strong> Sonnenoberfläche tragen zu Magnetfeldstörungen bei.<br />

Wird die elektrisch leitende Ionosphäre durch Gezeitenkräfte und tagesperiodische Erwärmung in Bewegung<br />

gesetzt, so wird unter dem Einfluß des erdmagnetischen Feldes in <strong>der</strong> Ionosphäre ein elektrischer Strom induziert.<br />

Dieser umgibt sich seinerseits mit einem Magnetfeld, das an <strong>der</strong> Erdoberfläche messbar ist und als<br />

tagesperiodischer Gang des magnetischen Erdfeldes in Erscheinung tritt. Dieser Gang ist von <strong>der</strong> Breite, <strong>der</strong><br />

Orts- und Jahreszeit sowie von <strong>der</strong> Sonnenaktivität abhängig. Starke magnetische Störungen infolge intensiver<br />

Korpuskularstrahlung werden als magnetische Stürme bezeichnet, die weltweit gleichzeitig einsetzen. Durch<br />

Umwandlung in Wärme o<strong>der</strong> durch Ableitung zur Erde in Form von Polarlichtern erschöpfen sich die Stürme;<br />

siehe Abb. 25. Ein Teil <strong>der</strong> messbaren Feldän<strong>der</strong>ungen stammt jedoch auch von Strömen im Erdinnern, die<br />

Abb. 25: Links: Mittlerer tagesperiodischer Gang <strong>der</strong> Z-Komponente. Rechts: Typischer magnetischer Sturm (H-<br />

Intensität).<br />

durch die Ströme in <strong>der</strong> Ionosphäre induziert wurden. Bei <strong>der</strong> Magnetotellurischen Tiefensondierung wird<br />

die elektrische Leitfähigkeit <strong>der</strong> Erde mittels dieser natürlich induzierten Ströme bestimmt.<br />

8.5 Gesteinsmagnetismus und Paläomagnetismus<br />

8.5.1 <strong>Grundlagen</strong> des Gesteinsmagnetismus<br />

Unterschiedliche Materialien wie Gesteine verhalten sich in einem Magnetfeld unterschiedlich. Träger <strong>der</strong> Magnetisierung<br />

in Gesteinen sind fein verteilte Kristalle weniger Minerale, die sich als Systeme von Eisen- und<br />

Titanoxiden darstellen lassen, wie z.B. <strong>der</strong> Magnetit (Fe3O4). Dieses beson<strong>der</strong>e Verhalten erklärt sich durch<br />

die strenge Ordnung <strong>der</strong> an den Elektronenspin gebundenen Elementarmagnete, die sich innerhalb Weissscher<br />

Bezirke durch Austauschkräfte selbst einstellt. Liegen innerhalb solcher Domänen alle atomaren Dipole parallel,<br />

so spricht man von ferromagnetischem Verhalten. Kompensieren sich im geordneten Zustand die Momente<br />

teilweise, so wird dies als Ferrimagnetismus bezeichnet. Oberhalb <strong>der</strong> Curie-Temperatur TC (bei Magnetit<br />

ist TC = 580 ◦ C und χ = (3 − 15) · 10 16 ) verhin<strong>der</strong>n thermische Schwingungen die Domänenbildung und das<br />

Material verliert seine ferro-/ferrimagnetischen Eigenschaften (hohe Suszeptibilität und remanente Magnetisierung).<br />

Die Suszeptibilität vieler Gesteine ist oft einfach auf ihren Magnetitgehalt zurückführbar.<br />

Anhand von Abb. 26 lassen sich einige Begriffe bzgl. des Vorgangs <strong>der</strong> Magnetisierung erklären. Wird eine<br />

unmagnetisierte Gesteinsprobe in einer Stromspule <strong>der</strong> steigenden Feldstärke (magnetischen Erregung) H aus-<br />

gesetzt, so nimmt ihre spezifische Magnetisierung M zunächst etwa proportional H zu. Die Anfangssteigung<br />

<strong>der</strong> Neumagnetisierungskurve ist die Suszeptibilität χ = dM<br />

dH . Mit wachsen<strong>der</strong> Feldstärke H nähert sich M<br />

<strong>der</strong> Sättigungsmagnetisierung, d. h., alle Elementarmagnete sind parallel zum Erregungsfeld ausgerichtet.<br />

Bei abnehmen<strong>der</strong> Feldstärke läuft nun die Magnetisierungskurve aber nicht wie<strong>der</strong> durch den Nullpunkt. Vielmehr<br />

verbleibt für H = 0 die remanente Magnetisierung Mrem, denn nur ein Teil <strong>der</strong> Weissschen Bezirke<br />

25/33


Abb. 26: Magnetisierungskurve (Hysteresekurve.<br />

springt wie<strong>der</strong> in seine ursprüngliche Lage zurück. Zur Beseitigung von Mrem ist ein Gegenfeld HK anzulegen,<br />

das die Koerzitivkraft des magnetisierten Materials überwindet. Je größer HK, desto wi<strong>der</strong>standsfähiger ist<br />

die remanente Magnetisierung gegen Entmagnetisierungsversuche. Man unterscheidet je nach <strong>der</strong> Koerzitivkraft<br />

hartmagnetische und weichmagnetische Anteile <strong>der</strong> Magnetisierung.<br />

8.5.2 Thermoremanente Magnetisierung und Sedimentationsmagnetisierung<br />

Erstarrt vulkanische Lava zu Basalt, so hat sie eine Temperatur von (1000-1100) ◦ C. Durchläuft sie dann beim<br />

weiteren Abkühlen im magnetischen Erdfeld die Curie-Temperatur, so richtet sich bei <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> Weissschen<br />

Bezirke die spontane Magnetisierung vorzugsweise nach dem magnetisierenden Erdfeld aus. Diese thermoremanente<br />

Magnetisierung (TRM) friert im Gestein ein und erweist sich als außerordentlich stabil (hohe<br />

Koerzitivkraft), so dass sie über Hun<strong>der</strong>te von Jahrmillionen erhalten bleibt. Nachdem die Gesteinsprobe von<br />

sekundären, weichmagnetischen Komponenten durch vorsichtiges Abmagnetisieren gereinigt ist, kann die verbleibende<br />

TRM Aufschluss über die Polarität des damaligen Erdfeldes und die räumliche Orientierung des<br />

Gesteinskörpers in diesem geben. Das ist die Grundlage <strong>der</strong> paläomagnetischen Untersuchungsmethoden,<br />

die in den vergangenen 30 Jahren zu sehr bedeutenden geowissenschaftlichen Erkenntnissen geführt haben.<br />

Mit Steigerung <strong>der</strong> Empfindlichkeit <strong>der</strong> Gesteinsmagnetometer kann jetzt auch in vielen Sedimentgesteinen eine<br />

wenn auch schwache Paläomagnetisierung gemessen werden. Dies setzt voraus, dass <strong>der</strong> Sedimentationsvorgang<br />

so langsam und ungestört verlaufen ist, daß sich vorhandene Magnetitkörner vor o<strong>der</strong> während <strong>der</strong> Deposition<br />

wie Magnetnadeln im Erdfeld ausrichten konnten. Dies trifft beson<strong>der</strong>s für marine Ablagerungen zu. Erstaunlicherweise<br />

zeigen aber auch feinkörnige terrestrische Ablagerungen, wie Tone und Löß, die als Verwitterungsstaub<br />

äolisch, d. h. mit dem Wind, transportiert wurden, systematisch orientierte remanente Magnetisierung. Dies wird<br />

als Sedimentationsmagnetisierung o<strong>der</strong> englisch: detrital remanent magnetization (DRM) bezeichnet.<br />

8.5.3 Polwan<strong>der</strong>ung und Kontinentalwan<strong>der</strong>ung<br />

Aus Untersuchungen <strong>der</strong> scheinbaren Dipolachsen, <strong>der</strong> Deklination sowie <strong>der</strong> Inklination anhand <strong>der</strong> remanenten<br />

Magnetisierung von Gesteinsproben unterschiedlicher Kontinente und unterschiedlicher Datierung, konnte man<br />

eine scheinbare Polwan<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Vergangenheit rekonstruieren. Damit sich die Pollagen gleichaltriger<br />

Proben decken, müssen die Kontinente verschoben werden.<br />

8.5.4 Polumkehrung und die paläomagnetische Zeitskala<br />

Da bei Gesteinsproben schon häufig aufgefallen ist, dass <strong>der</strong>en Magnetisierungsrichtung dem Erdfeld gerade<br />

entgegengerichtet ist, liegt <strong>der</strong> Schluss nahe, dass es in <strong>der</strong> Vergangenheit zu einer bzw. mehreren Polumkehrungen<br />

gekommen ist. Diese lassen sich heute datieren und man sieht, dass in den vergangenen 160 Millionen<br />

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Jahren relativ lange, stabile Zeiträume (Epochen) mit solchen häufiger Umkehr (Events) gewechselt haben.<br />

Wir leben in <strong>der</strong> Brunshes-Normalepoche, die vor 690000 Jahren die Matuyama-Umkehrepoche abgelöst hat.<br />

Ein Polarwechselprozess selbst dauert wenige tausend Jahre, in denen das Erdfeld zwar nicht verschwindet aber<br />

seinen Dipolcharakter verliert.<br />

8.6 Die magnetische Aufschlussmethode<br />

Magnetisierte Gesteinskörper erzeugen in ihrer Umgebung ein Eigenfeld, das dem <strong>der</strong> Erde überlagert wird<br />

und mit Magnetometern gemessen wird. Da Magnetismus an wenige Mineralkomponenten gebunden ist, ist die<br />

magnetische Prospektion materialspezifischer als an<strong>der</strong>e geophysikalische Aufschlussmethoden. Sie eignet sich<br />

beson<strong>der</strong>s zur Erkennung und Kartierung basischer magmatischer Gesteinskörper.<br />

8.6.1 Feldmessungen<br />

Wegen des Tagesgangs und an<strong>der</strong>er zeitlicher Variationen ist es üblich, zur Bestimmung von räumlichen Anomalien<br />

die Messungen auf einen einheitlichen Bezugszeitpunkt zu reduzieren, indem man in etwa einstündigem<br />

Abstand Wie<strong>der</strong>holungsmessungen an Basispunkten macht. Dies eliminiert auch den zeitlichen Gang des Messgerätes.<br />

Bei hoher gefor<strong>der</strong>ter Genauigkeit ist es ratsam ein zweites Messgerät ortsfest aufzustellen und konstant<br />

auszuwerten.<br />

Aeromagnetische Messungen unterdrücken wegen des größeren Abstandes von den magnetischen Massen kleinräumige<br />

Störungen, was die Auswertung erleichtert und erste qualitative Beurteilungen und Betrachtungen des<br />

Messgebietes zulässt.<br />

8.6.2 Interpretation magnetischer Anomalien<br />

Auch beim Magnetfeld kann ein bestimmter Feldverlauf an <strong>der</strong> Oberfläche durch eine Mannigfaltigkeit von<br />

Quellverteilungen realisiert werden. Auch hier sind zusätzliche geologische Informationen nötig um die Auswahl<br />

zu reduzieren. Jedoch kommt erschwerend im Vergleich zum Gravitationsfeld hinzu, dass nicht nur Magnetisierungsstärke<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong>en Richtung zu berücksichtigen ist. Und letztere kann ja von <strong>der</strong> momentanen<br />

Richtung des Erdfeldes abweichen. Daher begnügt man sich meist mit eher qualitativen Aussagen.<br />

Das Feld beliebig geformter, homogen magnetisierter Körper kann näherungsweise aus einer Verteilung von<br />

positiven und negativen magnetischen Ladungen berechnet werden. ∆Z an <strong>der</strong> Erdoberfläche im horizontalen<br />

Abstand x von <strong>der</strong> Ladung q in <strong>der</strong> Tiefe z ergibt sich dann zu: ∆BZ ≡ ∆Z = ±q µ0 z<br />

4π<br />

(x2 +z2 ) 3 ; ein Minuspol<br />

2<br />

(Südpol) erzeugt ein positives ∆Z, da die positive z-Achse nach unten weist. Aus <strong>der</strong> summarischen Wirkung<br />

solcher positiver und negativer Quellelemente lässt sich das Feld magnetisierter Körper berechnen. In Abb. 27<br />

sind die Anomalien ∆Z, ∆T und ∆H nach unten unbegrenzter, magnetisierter Platten in Abhängigkeit von <strong>der</strong><br />

magnetischen Inklination und dem Einfallswinkel <strong>der</strong> Platten dargestellt.<br />

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Abb. 27: Magnetische Anomalien magnetisierter Platten in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Inklination und dem Einfallswinkel<br />

<strong>der</strong> nach unten unbegrenzten Platten.<br />

9 Elektrische Fel<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Erde<br />

9.1 Natürliche, induzierte elektrische Fel<strong>der</strong><br />

Offenbar sind die Ströme des Kerndynamos auf den gut leitenden Kern begrenzt, da ein globales, permanentes,<br />

elektrisches Feld im Erdkörper bisher nicht nachgewiesen wurde. Jedoch können durch extraterrestrische<br />

Magnetfeldstörungen im Erdkörper elektrische Spannungen induziert werden, die zur Ermittlung <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standsverteilung<br />

im Erdinnern benutzt werden können. Bei <strong>der</strong> Magnetotellurischen Tiefensondierung<br />

wird zwischen zwei in <strong>der</strong> Erde steckenden Elektroden die elektrische Feldstärke und gleichzeitig quer dazu die<br />

Magnetfeldstärke gemessen. Daraus lässt sich mittels <strong>der</strong> Periodendauer des betrachteten Signals <strong>der</strong> spezifische<br />

� �2 Ex<br />

elektrische Wi<strong>der</strong>stand ρ = 0,2T ermitteln; sofern es sich um einen homogen leitfähigen Untergrund han-<br />

By<br />

delt. Dabei ist <strong>der</strong> Skineffekt zu beachten, nachdem die Eindringtiefe von in ein leitfähiges Medium induzierten<br />

Strömen um so größer ist, je größer die Periode T ist.<br />

Zonen hoher Leitfähigkeit (geringen Wi<strong>der</strong>stands) korrelieren im oberen Erdmantel oft mit Zonen erniedrigter<br />

seismischer Geschwindigkeit und hoher Temperatur, aber auch mit Schichten guter elektrolytischer Leitfähigkeit<br />

in den Sedimenten.<br />

9.2 Eigenpotentialfel<strong>der</strong><br />

Infolge elektrochemischer Reaktionen zwischen unterschiedlichen Gesteinen in Verbindung mit Wasser, das<br />

als Elektrolyt dient, können an <strong>der</strong> Erdoberfläche Potentialdifferenzen auftreten. Die Wirkung entspricht <strong>der</strong><br />

eines galvanischen Elements.<br />

9.3 Wi<strong>der</strong>standsmessungen mit künstlichen elektrischen Fel<strong>der</strong>n<br />

In Bezug auf den spezifischen Wi<strong>der</strong>stand ist weniger die mineralogische Zusammensetzung maßgebend, als die<br />

Gesteinsporosität und Permeabilität, die Wassersättigung und <strong>der</strong> Ionengehalt des Porenwassers. Es handelt sich<br />

von einigen Erzen und Graphit abgesehen um elektrolytische Leitung. Festkörperleitfähigkeit dominiert erst<br />

bei hohen Temperaturen. Bei den geoelektrischen Wi<strong>der</strong>standssondierungen ist oftmals eine eindeutige<br />

Inversion <strong>der</strong> Messdaten sowie eine gute räumliche Auflösung <strong>der</strong> Strukturelemente gegeben. Dies gilt beson<strong>der</strong>s<br />

für vertikale Schichtungen, weshalb sie unter weiteren Prospektionsverfahren für die Sedimentkruste eine<br />

bedeutende Rolle spielt.<br />

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9.3.1 Galvanische Wi<strong>der</strong>standsmessungen<br />

Hierbei wird dem Boden über Elektroden ein Gleichstrom o<strong>der</strong> ein nie<strong>der</strong>frequenter Wechselstrom zugeführt<br />

und mithilfe von Sonden werden die daraus entstehenden Potentialdifferenzen gemessen. Ziel <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standssondierung<br />

ist es die Tiefenabhängigkeit des spezifischen Wi<strong>der</strong>standes ρ(z) zu bestimmen. Bei einer<br />

Vierpunktanordnung (siehe Abb. 28) dienen die Elektroden (A) und (B) als Quelle und als Senke des eingespeisten<br />

Stromes und an zwei dazwischen eingesteckten Sonden (M) und (N) wird die Potentialdifferenz gemessen.<br />

Im homogen leitenden Halbraum verteilt sich I gleichmäßig über eine Halbkugelfläche um den Quellpunkt. Mit<br />

Abb. 28: Links: Elektroden(A-B)- und Sonden (M-N)-Anordnung bei Wi<strong>der</strong>standssondierungen mit den Stromlinien<br />

im einfach geschichteten Medium. Rechts: Zwei-Schicht-Diagramm für Schlumberger-Anordnung.<br />

dem Ohmschen Gesetz E = ρ · j, <strong>der</strong> Elektrodengeometrie, I und ∆U erhält man den spezifischen Wi<strong>der</strong>stand<br />

ρ = K ∆U<br />

I . K = π · L2−a 2<br />

4a ist <strong>der</strong> Geometriefaktor (bei <strong>der</strong> Schlumberger-Anordnung gilt K = π L2<br />

4a ). Für<br />

einen homogen leitenden Untergrund erhält man stets den wahren Wert für ρ.<br />

Im geschichteten Medium mißt man jedoch stattdessen einen scheinbaren spezifischen Wi<strong>der</strong>stand ρs.<br />

Dieser hängt wegen <strong>der</strong> mit zunehmendem Elektrodenabstand wachsenden Eindringtiefe des Stroms von <strong>der</strong><br />

Tiefenverteilung von ρ ab.<br />

Die Wi<strong>der</strong>stands-Tiefensondierung erfolgt durch schrittweise Vergrößerung von L. Die Schlumberger-Anordnung<br />

bietet den praktischen Vorteil, dass bei Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Elektrodenauslage L <strong>der</strong> Sondenabstand a konstant gehalten<br />

werden kann, solange ∆U noch gut messbare Werte liefert (siehe Abb. 28).<br />

� �<br />

L<br />

Bei Mehrschichtmodellen sind keine einfachen Zusammenhänge zwischen dem Kurvenverlauf ρs 2 und <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>standsschichtung zu erkennen.<br />

9.3.2 Elektromagnetische Prospektionsverfahren<br />

Bei geophysikalischen Prospektionsverfahren, die auf <strong>der</strong> Induktion von Sekundärströmen in <strong>der</strong> Erde durch<br />

künstliche elektromagnetische Wechselfel<strong>der</strong> beruhen, wird von einer Sendeantenne (Antennenspule) ein Primärfeld<br />

ausgestrahlt. Der bewegliche Empfänger mit seiner Antennenspule ist so konstruiert, dass er das induzierte<br />

Sekundärfeld vom Primärfeld zu trennen vermag und so die Kartierung einer Leitfähigkeitsanomalie<br />

ermöglicht. Die Verteilung <strong>der</strong> induzierten Ströme hängt natürlich von <strong>der</strong> elektrischen Leitfähigkeit des Bodens<br />

ab. Die Arbeitsfrequenz wird nach unten durch den schlechten induktiven Wirkungsgrad und nach oben durch<br />

den Skineffekt auf (1-25) kHz begrenzt. Je nach Entfernung von Sende- und Empfangsspule spricht man von<br />

Nah- und Fernfeldverfahren.<br />

Das VLF-Verfahren zählt zu zweiteren. Es nutzt die Existenz bereits installierter leistungsstarker Langwellensen<strong>der</strong><br />

(Very-Low-Frequency-Sen<strong>der</strong>), die eigentlich zur Kommunikation mit Unterseebooten dienen. Das<br />

Primärfeld <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong>antenne sowie das Sekundärfeld (erzeugt durch einen vom Primärfeld in einem guten<br />

elektrischen Leiter im Untergrund induzierten Strom) addieren sich zum resultierenden Feld, das mit <strong>der</strong> VLF-<br />

Apparatur gemessen werden kann. Durch Drehen <strong>der</strong> Empfängerantenne variiert das detektierte Signal; die<br />

Neigung ist also ein geeigneter Indikator für die räumliche Begrenzung des Störkörpers. Beson<strong>der</strong>s eignet sich<br />

das VLF-Verfahren zum qualitativen Erkennen lateraler Än<strong>der</strong>ungen des elektrischen Wi<strong>der</strong>standes.<br />

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10 Geodynamische Prozesse<br />

In dem Bestreben, ein qualitatives und quantitatives Verständis globaler Vorgänge im Erdkörper zu erlangen,<br />

hat sich in den vergangenen vierzig Jahren, nach systematischer interdisziplinärer Forschung, das Konzept <strong>der</strong><br />

globalen Plattentektonik durchgesetzt und als gut haltbar erwiesen.<br />

10.1 Das Wachstum <strong>der</strong> ozeanischen Lithosphäre, sea floor spreading<br />

Die Zusammensetzung vieler Echolotprofile <strong>der</strong> Meerestiefen zeigt, dass die großen Ozeane von einem zusammenhängenden<br />

Netz breiter submariner Gebirgsrücken durchzogen sind. In <strong>der</strong> Rückenachse ist ein zentraler<br />

Graben mehr o<strong>der</strong> weniger gut entwickelt, <strong>der</strong> häufig durch Bruchzonen sogenannter Transformationsverwerfungen<br />

zerschert und versetzt ist. Dort treten im Versatzbereich gegensinnige Bewegungen auf, welche wie<strong>der</strong>um<br />

seismische Aktivität hervorrufen. Magnetfeldmessungen ergaben ein zur Rückenachse paralleles und relativ symmetrisches<br />

Streifenmuster positiver und negativer magnetischer Anomalien. Der Erklärungsversuch ist das sea<br />

floor spreading, wonach entlang <strong>der</strong> Rückenachse kontinuierlich basaltisches Magma aufdringt, erstarrt und bei<br />

<strong>der</strong> Abkühlung unter die Curie-Temperatur jeweils in Richtung des herrschenden Erdmagnetfeldes thermoremanent<br />

magnetisiert wird. Die so neu gebildete basaltische ozeanische Kruste wird durch nachfolgend aufdringendes<br />

Magma nach beiden Seiten abgedrängt. Über <strong>der</strong> sich von <strong>der</strong> zentralen Wachstumszone ausbreitenden ozeanischen<br />

Kruste liegt ein Muster magnetischer Anomalien, das die Polarität des Erdfeldes wi<strong>der</strong>spiegelt. Mithilfe<br />

einer Polwechsel-Zeitskala ist so das raumzeitliche Wachstum <strong>der</strong> ozeanischen Kruste wie auf einem Magnetband<br />

dokumentiert.<br />

Überraschen<strong>der</strong>weise enthält keiner <strong>der</strong> heutigen großen Ozeane Sedimente, die älter als 200 Ma sind, also kaum 5<br />

% <strong>der</strong> Erdgeschichte. Kontinente mit tektonisch ruhigen, erdbebenfreien, passiven Kontinenträn<strong>der</strong>n bilden<br />

mit <strong>der</strong> angrenzenden ozeanischen Lithosphäre gemeinsam eine in sich relativ starre Lithosphärenplatte. Der<br />

Kontinent führt dann genau die Bewegungen aus, die im ozeanischen Bereich in den magnetischen Anomalien<br />

dokumentiert sind.<br />

Hier liegt <strong>der</strong> entscheidende Unterschied zur Wegenerschen Kontinentdrifthypothese, wonach die Kontinentblöcke<br />

wie driftende Eisschollen die plastisch nachgiebige ozeanische Kruste durchpflügen. Die Steifigkeit <strong>der</strong><br />

ozeanischen Lithosphäre ist viel zu hoch, um bei allen erdenklichen Antriebskräften ein Driften <strong>der</strong> Kontinente<br />

durch die Ozeane zu ermöglichen.<br />

10.2 Subduktion ozeanischer Lithosphäre<br />

Da die Erde in den vergangenen 200 Ma unseres Wissens nach we<strong>der</strong> expandiert noch kontrahiert hat, muss<br />

es wohl Kovergenzzonen geben, in denen, komplementär zum Zuwachs an den ozeanischen Schwellen, Lithosphäre<br />

entwe<strong>der</strong> eingeengt o<strong>der</strong> im Erdmantel subduziert (verschluckt) wird. Da solche Vorgänge in <strong>der</strong> Regel<br />

nicht unbemerkt bleiben, fiel <strong>der</strong> Verdacht auf die Benioff-Zonen (gekennzeichnet durch ozeanwärts vorgewölbte<br />

Inselketten mit vorgelagerter Tiefseerinne und aktivem Vulkanismus; auf <strong>der</strong> Rückseite sind sie durch<br />

flache Randmeere vom Kontinent o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Inselbögen abgesetzt), wegen ihrer hohen Seismizität und ihrer<br />

eigentümlichen Herdtiefenverteilung. Die Vermutung, dass Benioff-Zonen in den plastisch fließfähigen Erdmantel<br />

abtauchende kühlere ozeanische Lithosphärenzungen markieren, ist seit dreißig Jahren fester Bestandteil des<br />

Konzeptes <strong>der</strong> Plattentektonik. Doch da das subduzierte Material <strong>der</strong> direkten Beobachtung entzogen ist, sollte<br />

<strong>der</strong> Subduktionsprozeß als Arbeitshypothese angesehen werden.<br />

Die Hauptmechanismen <strong>der</strong> Plattentektonik sowie das mögliche petrologische Geschehen sind in Abb. 29 schematisch<br />

dargestellt. Aus dem peridotitischen Mantel wird ein basaltisches Magma ausgeschmolzen, das aufsteigt<br />

und im ozeanischen Rücken erstarrt. Bei <strong>der</strong> Subduktion sinkt kalte, ozeanische Lithosphäre in den heißeren<br />

Erdmantel zurück. Dies ist nur möglich, wenn die Dichte <strong>der</strong> Lithosphärenzunge größer ist als diejenige des<br />

umgebenden Mantels. Hier dürfte die Druckumwandlung des Basalts in den dichteren Eklogit eine wesentliche<br />

Rolle spielen. Die Zunge zieht sich selbst in die Tiefe und bildet damit eine mögliche Antriebskraft für die<br />

Plattenbewegung. Beim Aufschmelzen <strong>der</strong> ozeanischen Kruste in (100-150) km Tiefe entsteht eine beson<strong>der</strong>e<br />

Art von SiO2-reichem Magma, das aufsteigt und den andesitischen Inselbogenvulkanismus speist. Leichte, nicht<br />

subduktionsfähige ozeanische Sedimente werden abgeschert und lagern sich an den Inselbogen an.<br />

10.3 Dynamik <strong>der</strong> kontinentalen Lithosphäre und die Gebirgsbildung<br />

Wird ein von zwei Kontinenten berandeter inaktiver Ozeanbereich vollkommen subduziert, so kollidieren die<br />

Kontinente. Da die weniger dichte kontinentale Oberkruste nicht subduktionsfähig ist, kommt es zur Ablösung,<br />

Überschiebung, Stauchung und komplizierten Verfaltung <strong>der</strong> beiden kontinentalen Krusten bei gleichzeitigem<br />

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Abb. 29: Oben: Schematische Skizze <strong>der</strong> Plattentektonikprozesse. Unten: Petrologisches Modell <strong>der</strong> Plattentektonikprozesse.<br />

Absinken <strong>der</strong> tieferen Lithosphäre in den Mantel. Das großartigste Beispiel ist das Eindringen des indischen<br />

Subkontinentes in den asiatischen Kontinent und die Bildung des Himalaya-Gebirges. Die Frage ist, ob Gebirgsbildung<br />

wirklich die totale Verschluckung ganzer Ozeane zur Voraussetzung hat o<strong>der</strong> ob auch im Innern<br />

o<strong>der</strong> am Rand von Kontinenten Gebirge durch gravitatives Absinken schwerer Lithosphäre in den Erdmantel<br />

und entsprechen<strong>der</strong> Konvergenzbewegung <strong>der</strong> oberen Kruste entstehen können. Auch <strong>der</strong> Prozess kontinentaler<br />

Gebirgsbildung ist mit Spannungsansammlung und folglich mit Erdbeben verbunden (alpidisch-himalayischer<br />

Erdbebengürtel).<br />

10.4 Das kinematische Modell <strong>der</strong> globalen Plattentektonik<br />

Das Konzept geht davon aus, dass die feste Erdrinde sich aus etwa einem Dutzend in sich relativ starrer Lithosphärenplatten<br />

zusammensetzt (siehe Abb. 30). Gegensinnige Bewegungen erfolgen an den durch Erdbebenherde<br />

markierten Plattenrän<strong>der</strong>n. Es gibt die bereits besprochenen divergenten und konvergenten Plattenrän<strong>der</strong>,<br />

aber auch flächenneutrale mit Parallelverschiebung, wie etwa an <strong>der</strong> San-Andreas-Verwerfung in Kalifornien. Bewegungssinn<br />

und Bewegungsgeschwindigkeit werden aus sea floor spreading, paläomagnetischer Bestimmung <strong>der</strong><br />

scheinbaren Polbewegung für einzelne Kontinente, seismischen Herdflächenlösungen und tektonischen Informationen<br />

ermittelt. Die Relativbewegungen aller Platten müssen zu je<strong>der</strong> Zeit ein konsistentes System bilden.<br />

Tief im Mantel sitzend gibt es eine Anzahl ortsfester Magmenquellen, die ihre Spur (hot spots) in die darüber<br />

weggleitenden Lithosphärenplatten brennen. Eine Rekonstruktion <strong>der</strong> Kontinentlagen für die vergangenen 500<br />

Ma führt auf die Existenz des Großkontinents Pangäa vor etwa 200 Ma zurück. Aus dem Nordkontinent Laurasia<br />

sind Eurasien, Nordamerika und Grönland hervorgegangen, <strong>der</strong> Südkontinent Gondwana ist in Südafrika,<br />

Südamerika, Indien, Australien und Antarktika zerbrochen. Doch war auch Pangäa nur eine Episode im Lauf<br />

<strong>der</strong> Erdgeschichte und nicht <strong>der</strong> Urkontinent.<br />

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Abb. 30: Die zwölf wesentlichen Lithosphärenplatten und die Relativbewegungen an den Plattengrenzen.<br />

10.5 Deformationsverhalten von Krusten- und Mantelgesteinen<br />

Der Ablauf geodynamischer Prozesse wird weitestgehend durch das Deformationsverhalten <strong>der</strong> Gesteine unter<br />

den Bedingungen <strong>der</strong> Tiefe bestimmt. Natürliche Gesteinskörper sind von einer Vielzahl an Rissen durchsetzt,<br />

d.h. bleibende Verformungen erfolgen durch Gleiten entlang vorhandener Rissflächen (Brüche aufgrund von<br />

Belastungen bis an die Festigkeitsgrenzen sind nur zweitrangig relevant). Die erfor<strong>der</strong>liche Schubspannung zur<br />

Überwindung <strong>der</strong> Reibungskräfte setzt sich aus dem Druck pn zusammen, mit dem die Rissflächen zusammengepresst<br />

werden und aus <strong>der</strong> sog. inneren Festigkeit. Nahezu unabhängig vom Gesteinstyp gilt bei Raumtemperatur<br />

bis zu pn ≈ 2GPa das Byerlee-Gesetz τ ≈ 0,05 + 0,6 · pn [GPa]. Liegt <strong>der</strong> Reibungswi<strong>der</strong>stand unter dem<br />

Wert <strong>der</strong> Gesteinsscherfestigkeit, so kann Gleiten an den Rissflächen und Bruchbildung spontan erfolgen (Sprödbruchverhalten).<br />

Bei höherem Umgebungsdruck, wenn die Reibung an den Rissflächen etwa den Wert <strong>der</strong> Scherfestigkeit des<br />

Gesteins erreicht, verformt sich dieses bei hinreichend hoher Schubspannung plastisch, duktil. Die Deformation<br />

erfolgt jetzt im Kristallkorn o<strong>der</strong> an den Korngrenzen. Hierbei spielt das Wan<strong>der</strong>n von Gitterbaufehlern, insbeson<strong>der</strong>e<br />

von Versetzungen, im Kristall eine dominierende Rolle. Die Energie, die zum Wan<strong>der</strong>n von Fehlstellen<br />

erfor<strong>der</strong>lich ist, heißt Aktivierungsenergie. Diese wird bei Temperaturen oberhalb <strong>der</strong> halben Schmelztemperatur<br />

Ts im wesentlichen von den thermischen Schwingungen <strong>der</strong> Gitteratome geliefert. Das Gestein verformt sich<br />

bei solchen thermisch aktivierten Prozessen auch schon bei kleinen Schubspannungen, wobei die Verformungsgeschwindigkeit<br />

mit <strong>der</strong> Spannung nach einem niedrigen Potenzgesetz mit Exponenten zwischen eins und drei<br />

wächst, aber sehr rasch (exponentiell) mit steigen<strong>der</strong> Temperatur. Zeitabhängige Deformationsprozesse werden<br />

als Kriechen bezeichnet. Ist die Kriechgeschwindigkeit <strong>der</strong> Schubspannung proportional, so spricht man von<br />

Newtonschem Kriechen. Dies ist in <strong>der</strong> Form<br />

dγ<br />

dt<br />

1<br />

= τ (8)<br />

η<br />

�<br />

beschreibbar ( dγ<br />

dt entspricht <strong>der</strong> Verformungsgeschwindigkeit, τ <strong>der</strong> Schubspannung und η ≈ η0 · exp � C · Ts<br />

T<br />

<strong>der</strong> temperatur- und materialabhängigen dynamischen Viskosität; η0 und Ts können durch flüchtige Bestandteile<br />

(H2O, CO2) im Gestein erniedrigt werden, da dadurch erstens die Diffusionsgeschwindigkeit von Atomen<br />

zwischen benachbarten Kristallkörner erhöht wird und zweitens werden die Atombindungen im Kristall durch<br />

Einbau von OH-Gruppen geschwächt → hydrolytische Schwächung von Quarz).<br />

Das scheinbare Paradoxon, dass <strong>der</strong> Erdmantel und speziell die Asthenosphäre einerseits elastisches und an<strong>der</strong>erseits<br />

fließfähiges Verhalten zeigt, löst sich, wenn die Belastungsdauer betrachtet wird. Gegenüber kurzzeitiger<br />

Beanspruchung (1s-1h) beim Durchgang seismischer Wellen verhalten sich Kruste und Mantel wie elastische Medien,<br />

wenn auch beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Asthenosphäre dabei Energieverluste auftreten. Bei langzeitiger Einwirkung<br />

tektonischer Kräfte ( � 103 − 108�h) jedoch reagieren zumindest Teile von Kruste und Mantel wie eine sehr zähe<br />

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Flüssigkeit. Man kann beides formal und stark vereinfacht darstellen im Verhalten eines sogenannten Maxwell-<br />

Körpers, bestehend aus einem Hookeschen elastischen Element in Reihe mit einem Newtonschen viskosen<br />

Element (siehe Abb. 31). Einer angreifenden Kraft folgt auf die spontane elastische Deformation ein langsames<br />

zeitproportionales Kriechen. Typische geologische Deformationsgeschwindigkeiten sind äußerst klein. Bewegt sich<br />

Abb. 31: Maxwellscher Körper mit Reaktion beim Anlegen einer Kraft P.<br />

z.B. beim sea floor spreading eine Lithosphärenplatte mit 3 cm<br />

a über einer 100 km mächtigen Asthenosphäre, so<br />

reicht dafür mit η = 1020Pa · s nach Gl. 8 eine Scherspannung von 1 MPa = 10 bar aus.<br />

10.6 Antriebsmechanismen geodynamischer Prozesse<br />

Motor aller Bewegungsvorgänge im Erdinnern und damit auch an <strong>der</strong> Erdoberfläche ist die Schwerkraft, die wirksam<br />

wird, wo das gravitative Gleichgewicht gestört ist, also bei lateralen Dichteunterschieden, die durch<br />

unterschiedliche Temperatur und entsprechende thermische Ausdehnung, durch polymorphe Phasenumwandlungen,<br />

durch chemische Umwandlungen und durch stoffliche Trennung im Schwerefeld (gravitative Differentiation)<br />

verursacht werden können. Ein stabiles Gleichgewicht erfor<strong>der</strong>t, dass die Dichte mit wachsen<strong>der</strong> Tiefe zunimmt.<br />

Im Mantel haben sich durch Wärmestau Dichteinversionen und Instabilitäten entwickelt, die zu räumlich und<br />

langzeitlich variablem Aufstieg heißer Massen führen, die bis an die Krustenbasis gelangen können und sich dort<br />

pilzartig ausbreiten (Diapirismus). So zeigen erste Ergebnisse <strong>der</strong> sogenannten Seismischen Tomographie des<br />

Erdmantels insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> ozeanischen Schwellen im oberen Mantel Bereiche verringerter P-Wellen-<br />

Geschwindigkeit, die als heiße Zonen vermin<strong>der</strong>ter Dichte interpretiert werden. Das Ausschmelzen basaltischen<br />

Magmas aus dem olivinreichen primitiven Mantelmaterial des Diapirs führt zur Neubildung <strong>der</strong> ozeanischen<br />

Lithosphäre im Zentrum <strong>der</strong> ozeanischen Rücken. Diese gleitet auf den Flanken des Manteldiapirs gravitativ ab<br />

und übt einen Schub auf die gesamte Lithosphärenplatte aus (ridge push). Umgekehrt sinkt in den Subduktionszonen<br />

am an<strong>der</strong>en Plattenrand erkaltete und schwere ozeanische Lithosphäre in den Mantel ab (siehe 10.2<br />

Subduktion ozeanischer Lithosphäre). Die gravitativ abgleitende Lithosphärenzunge zieht die ozeanische Platte<br />

nach sich (slab pull). Platten mit hoher Bewegungsgeschwindigkeit sind solche mit einem großen Anteil aktiver<br />

Subduktionszonen. Dies spricht für die Bedeutung des slab pull als Antriebsmechanismus <strong>der</strong> Plattenbewegung.<br />

Außer in den Subduktionszonen mag es auch im Bereich <strong>der</strong> Kontinentkollision zum gravitativen Absinken (Verschlucken)<br />

dichter Lithosphäre kommen. Die mit diesem Sog verbundene Einengung <strong>der</strong> nicht subduzierbaren,<br />

weniger dichten Oberkruste führt dort zu Überschiebung und Faltung.<br />

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