Department 5 Geoengineering - GFZ - GeoForschungsZentrum ...
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Originally published as:<br />
(2006): <strong>Department</strong> 5, <strong>Geoengineering</strong><br />
Zweijahresbericht 2004/2005, Geoforschungszentrum, 373-405.
372<br />
Zusammenbau des Bohrlochkopfes für das moderate Injektionsexperiment im Dezember 2004 in der Geothermie-Forschungsbohrung<br />
Groß Schönebeck 3/90 (Foto: M. Poser, <strong>GFZ</strong>).<br />
Setup of the well head to be used for the injection experiment in the research borehole Groß Schönebeck 3/90.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
<strong>Department</strong> 5<br />
<strong>Geoengineering</strong><br />
Die Arbeiten des <strong>Department</strong>s 5 „<strong>Geoengineering</strong>“ tragen<br />
zu einem nachhaltigen Umgang mit dem Lebensraum<br />
Erde bei. Dies betrifft besonders die Themenfelder Gestaltung,<br />
Sicherung und Nutzung der Erdoberfläche und<br />
des Untergrundes als Verkehrs- und Wirtschaftsraum (Sektion<br />
5.1 „Umweltgeotechnik“), die Gewinnung erneuerbarer<br />
Energien aus Erdwärme (Sektion 5.2 „Geothermie“)<br />
sowie die Vorsorge vor Georisiken (Sektion 5.3 „Ingenieurseismologie“und<br />
Sektion 5.4 „Ingenieurhydrologie“).<br />
Umweltgeotechnik<br />
In der Sektion „Umweltgeotechnik“ werden Forschungsarbeiten<br />
zu Entwicklung und Einsatz von Monitortechnologien<br />
und Sicherheitsmethoden für das Geo- und Reservoir-Engineering<br />
durchgeführt. Diese konzentrierten sich<br />
in der Berichtsperiode 2004/2005 auf die geologische<br />
Speicherung von Kohlendioxid (CO 2), auf die unterirdische<br />
seismische Vorauserkundung beim Tunnelbau sowie<br />
auf das ingenieur-geophysikalische Monitoring von Deichen<br />
bei Hochwasser.<br />
Geologische Speicherung von CO 2<br />
In Deutschland decken Öl, Gas und Kohle heute fast 85 %<br />
des Energiebedarfs. Hierbei werden jährlich ca. 850 Millionen<br />
Tonnen CO 2 durch die Verbrennung fossiler Energierohstoffe<br />
in die Atmosphäre emittiert. Eine erfolgversprechende<br />
Möglichkeit zur Reduktion dieser Emissionen<br />
ist CCS Carbon Capture and Storage, die Abtrennung des<br />
CO 2 vor oder nach der Verbrennung und seine Einlagerung<br />
in tiefe Grundwasserspeicher (saline Aquifere) oder<br />
ausgeförderte Öl- und Gaslagerstätten (Borm, G. und Förster,<br />
A., 2005).<br />
Mehrere Gemeinschaftsprojekte wurden von der EU europaweit<br />
und in Deutschland sowohl vom Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Technologie BMWi als auch vom<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF<br />
gestartet, um die Abtrennung des CO 2 aus Verbrennungsprozessen<br />
und die Möglichkeit seiner Rückführung in den<br />
geologischen Untergrund zu erforschen.<br />
Integriertes EU-Projekt CO 2SINK<br />
In ihrem 6. Forschungsrahmenprogramm fördert die Europäische<br />
Union das integrierte Projekt CO 2SINK (CO 2 Storage<br />
by Injection Into the Natural Reservoir Ketzin,<br />
http://www.co2sink.org), das vom <strong>GeoForschungsZentrum</strong><br />
Potsdam koordiniert wird. Europaweit ist es das erste<br />
Projekt auf dem Festland zur umfassenden Erforschung<br />
der geologischen Speicherung von CO 2. Im Zentrum der<br />
wissenschaftlichen Untersuchungen stehen die Erschließung<br />
des Speichers, die Einbringung des CO 2 und die<br />
Beobachtung und Kontrolle der chemischen und physikalischen<br />
Prozesse im unterirdischen Reservoir. Weitere<br />
Ziele sind Erstellung und Test numerischer Modelle, Entwicklung<br />
von Risikobewertungsstrategien und öffentliche<br />
Akzeptanz.<br />
CO 2SINK startete am 01. 04. 2004 und hat eine Laufzeit<br />
von fünf Jahren. Darin wird eine Pilotanlage zur unterirdischen<br />
Speicherung von CO 2 in einem tiefen salinen<br />
Aquifer im brandenburgischen Ketzin (Abb. 5.1) vorbereitet.<br />
Der Speicherhorizont befindet sich in über 700 m<br />
Tiefe und ist nach oben durch undurchlässigen Tonstein<br />
abgedichtet. In Kooperation mit 15 universitären und industriellen<br />
Partnern aus 8 Ländern wurden geologische,<br />
geochemische und geophysikalische Voruntersuchungen<br />
des geplanten Speicherstandortes durchgeführt (CO 2SINK,<br />
2005).<br />
Der geplante Geospeicher liegt nahe der Stadt Ketzin im<br />
Havelland, etwa 30 Kilometer westlich von Berlin. Der<br />
Injektionsort ist die Obertageanlage des ehemaligen Erdgasspeichers<br />
der Verbundnetz Gas AG in Ketzin. Dieser<br />
hat gegenüber anderen Lokationen erhebliche Vorteile:<br />
Die vorhandene Infrastruktur an der Erdoberfläche kann<br />
für das Projekt genutzt werden und reduziert so die Entwicklungskosten<br />
für den Speicherplatz. Die Geologie der<br />
Struktur ist gut bekannt und repräsentativ für weite Teile<br />
Europas, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse wesentlich<br />
erleichtert. Die lokale Politik unterstützt das Projekt,<br />
und die Genehmigungsbehörden sind direkt in die Projektvorbereitung<br />
eingebunden (Abb. 5.2).<br />
Die Speicherung von CO 2 soll auf dem östlichen Strukturteil<br />
der aufgewölbten Doppelstruktur (Doppelantiklinale)<br />
Roskow-Ketzin erfolgen (Abb. 5.3). Darin strömt<br />
das Gas durch Auftrieb in Richtung Kuppe und reichert<br />
sich dort an. Durch die Gasinjektion wird ein Teil des<br />
Porenwassers im Gestein verdrängt. Längerfristig wird<br />
Abb. 5.1: CO 2SINK-Projekt, Speicherstandort Ketzin<br />
(Foto: VNG).<br />
Project CO 2SINK, aerial view of the Ketzin site.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
373
374<br />
Abb. 5.2: Bohrturm an der Lokation Ketzin (Foto: L. Wohlgemuth,<br />
<strong>GFZ</strong>).<br />
Drill rig at the Ketzin site.<br />
Abb. 5.3: Karte der Roskow-Ketzin-Doppelstruktur mit Detailkarte Topbereich<br />
Ketzin-Antiklinale. Dargestellt sind die Tiefenlage des seismischen<br />
Reflektors K2 (etwa 80 m oberhalb der Stuttgart-Formation) und die Lage<br />
des CO 2SINK-Bohrplatzes (gelber Punkt). Die Detailkarte zeigt die Erstreckung<br />
der 3D-Seismik und die Oberflächenmessstationen zur Erfassung der<br />
natürlichen CO 2-Flusses (grüne Dreiecke).<br />
Map of the Roskow-Ketzin double anticline with detail of the top of the Ketzin<br />
Anticline. The location of the CO 2SINK drill-site (yellow dot) and the<br />
isobaths of the seismic reflector K2 are shown (about 80 m above the Stuttgart<br />
formation). The detail map depicts the area of the 3D-seismic survey<br />
as well as the surface stations to monitor the natural CO 2 flux (green triangles).<br />
sich ein Teil des CO 2 im Wasser lösen. Zur Abschätzung<br />
der Ausbreitungsgeschwindigkeit und der räumlichen<br />
Ausdehnung des CO 2 werden auch numerische Modelle<br />
entwickelt, die zur Optimierung des Injektionsprozesses,<br />
des Monitoringkonzeptes und zur Prognose des Langzeitverhaltens<br />
eingesetzt werden. Die Kalibrierung und<br />
Verifizierung der Modelle erfolgt mit Hilfe von Laboruntersuchungen<br />
und In-Situ-Messungen im Untergrund.<br />
Sie bilden die Basis für die Abschätzung des Risikos einer<br />
Leckage.<br />
Um die Ausbreitung des CO 2 im Untergrund zu beobachten,<br />
werden neben einer Injektionsbohrung zwei Beobachtungsbohrungen<br />
niedergebracht, die für geochemische<br />
Untersuchungen, seismische Durchschallungs-Messungen<br />
und zur Durchführung geoelektrischer Tomographie<br />
genutzt werden. Die Messungen werden vor, während und<br />
nach der Injektion in Zeitabständen wiederholt, die methodenabhängig<br />
sind (sogenannte time-lapse-Messungen).<br />
Die Kombination seismischer und elektrischer time-lapse-<br />
Methoden ermöglicht die Erfassung von zeitlichen Entwicklungen<br />
des Reservoirs – z. B. der Verteilung der CO 2-<br />
Sättigung – auf verschiedenen Zeit- und Längenskalen.<br />
Seit April 2004 werden am Standort kontinuierliche Oberflächenmessungen<br />
zur Erfassung des natürlichen CO 2-<br />
Flusses oberhalb des vorgesehenen Untergrundspeichers<br />
durchgeführt. Um die Ausgangssituation vor Beginn der<br />
CO 2-Injektion zu erfassen und zusätzliche Informationen<br />
über die Struktur des Untergrundes zu<br />
erhalten, wurde im Herbst 2005 eine seismische<br />
3D-Erkundung (Abb. 5.4) durchgeführt<br />
(„baseline“), die derzeit ausgewertet<br />
wird.<br />
Bei der Evaluierung des ersten Projektjahres<br />
am 01. 06. 2005 bestätigten die Gutachter<br />
der EU, dass CO 2SINK seine Ziele<br />
im gesetzten Zeit- und Kostenrahmen<br />
erfüllen kann und ohne Abstriche weiter<br />
gefördert werden soll.<br />
CO 2SINK ist auch ein CSLF-Projekt<br />
(„International Carbon Sequestration<br />
Leadership Forum“, http://www.cslforum.org).<br />
Das Testgelände in der Nähe der<br />
Hauptstadt Berlin bietet die einzigartige<br />
Möglichkeit, ein Pilotprojekt zur Speicherung<br />
von CO 2 mitten in Europa zu entwickeln.<br />
Es soll dazu beitragen, die öffentliche<br />
Akzeptanz für eine geologische<br />
Speicherung von CO 2 als Option für den<br />
Klimaschutz zu gewinnen und zu stärken.<br />
Am 29./30. Sept. 2005 fand am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />
der „1st International Workshop on<br />
CSLF Pilot Projects“ des Internationalen<br />
„Carbon Sequestration Leadership<br />
Forum CSLF“ statt, an dem 150 Wissenschaftler<br />
aus 20 Nationen teilnahmen<br />
(Abb. 5.5).<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb. 5.4: Anregung seismischer Impulse durch Fallgewicht<br />
(Foto: S. Lüth, <strong>GFZ</strong> ).<br />
Excitation of seismic pulses by weight-drop.<br />
Verbundprojekt CO 2SINK-CORTIS im BMWi-Programm<br />
COORETEC<br />
CO 2SINK ist der Kern eines umfassenden Forschungsprogramms<br />
zur Untersuchung der vollständigen Verfahrenskette<br />
von der Quelle bis zur Senke des CO 2. Für eine<br />
realitätsnahe Untersuchung der CO 2-Speicherung werden<br />
ca. 60.000 Tonnen CO 2 für zunächst zwei Jahre benötigt.<br />
Diese soll das vom <strong>GFZ</strong> Potsdam koordinierte Teilprojekt<br />
CO 2SINK-CORTIS (CO 2 Recovery, Transportation, and<br />
Intermediate Storage) im BMWi-Programm COORETEC<br />
(http://www.cooretec.de) sicherstellen. Es wird vom<br />
BMWi und der Industrie gefördert, startete am 01. 12. 2005<br />
und hat eine Laufzeit von drei Jahren.<br />
CO 2SINK-CORTIS soll sich auf die übertägigen Aspekte<br />
der CO 2-Injektion und auf die Bereitstellung von<br />
60.000 Tonnen CO 2 für 24 Monate ab Ende 2006 konzentrieren.<br />
Hierzu gehören Abtrennung und Transport des<br />
Gases zum Injektionsort, Ermittlung des optimalen Injektionszustands<br />
(Druck, Temperatur, Gasqualität), Auswahl,<br />
Planung und Beschaffung der Anlagenkomponenten sowie<br />
Vorbereitung und Durchführung des Injektionsbetriebs.<br />
Abb. 5.5: Teilnehmer am „1st International Workshop on CSLF Pilot Projects“,<br />
<strong>GFZ</strong> Potsdam, Sept. 29, 2005 (Foto: E. Gantz, <strong>GFZ</strong>).<br />
Participants of the „1st International Workshop on CSLF Pilot Projects“,<br />
<strong>GFZ</strong> Potsdam, Sept. 29, 2005.<br />
Zahlreiche Optionen zur CO 2-Bereitstellung wurden untersucht<br />
und hinsichtlich des technischen und finanziellen<br />
Aufwands sowie einer termingerechten Realisierbarkeit<br />
bewertet. Weitere Vorarbeiten wurden zur Klärung des<br />
Injektionsregimes durchgeführt, speziell zur Frage, mit<br />
welchem Druck und welcher Temperatur das CO 2 in den<br />
Speicher einzubringen ist. Das CO 2 soll in Ketzin gasförmig<br />
mit einem Druck von 66 bis 74 bar und einer Temperatur<br />
von 29 bis 45 °C injiziert werden. Da es als Flüssigkeit<br />
(bei 12 bar, –35 °C) angeliefert wird, müssen Druck<br />
und Temperatur für die Injektion unter technischen und<br />
wirtschaftlichen Gesichtspunkten optimiert werden.<br />
Verbundprojekt COSMOS im BMBF/DFG-Programm<br />
GEOTECHNOLOGIEN<br />
Unter Koordination des <strong>GFZ</strong> Potsdam wurde ein Antrag<br />
an das BMBF im Sonderprogramm „GEOTECHNOLO-<br />
GIEN“ (http://www.geotechnologien.de/forschung/<br />
untergrund.pdf) entwickelt, mit dem das Projekt „COS-<br />
MOS – CO 2 Speicherung, Monitoring und Sicherheitstechnologie“<br />
eingeworben werden konnte. Hieran sind<br />
neben dem <strong>GFZ</strong> die Universitäten Karlsruhe und Freiberg<br />
sowie zwei Energiekonzerne beteiligt. Das Projekt startete<br />
am 01. 04. 2005 und hat eine Laufzeit von drei Jahren.<br />
Ein wesentliches Ziel ist die Entwicklung von CO 2 -Injektionsbohrungskomponenten<br />
und CO 2-resistenten Zementen<br />
sowie Untersuchungen zur Integrität der abdichtenden<br />
Schichten bei Einwirkung von CO 2. Außerdem sollen In-<br />
Situ-Bohrlochmessungen durchgeführt werden, um technische<br />
Standards für eine optimale Injektion sowie zur<br />
Diagnose und Lösung der dabei anfallenden Probleme zu<br />
entwickeln, Speicherstrategien zu verbessern und Simulationsmodelle<br />
zu verifizieren. Hierbei wird ein neues<br />
Konzept für eine sogenannte intelligente Bohrung (smart<br />
casing) realisiert, bei dem permanente elektrische Sensoren<br />
– Elektroden und Sonden – hinter der Verrohrung in<br />
die Zementierung der Injektions- und Beobachtungsbohrungen<br />
eingebracht werden (Abb. 5.6).<br />
Diese Sensoren dienen sowohl der Überwachung<br />
der Bohrlochintegrität als auch<br />
dem Monitoring der CO 2-Ausbreitung im<br />
Untergrund. Neben der Bestimmung der<br />
Temperaturänderung sind die Erfassung<br />
mikroseismischer Ereignisse und elektrischer<br />
Reservoireigenschaften geplant.<br />
Außerdem soll während der CO 2-Injektion<br />
eine kontinuierliche Erfassung des<br />
Injektiondrucks in situ erfolgen. Die Auswirkungen<br />
des CO 2 auf die Verrohrung<br />
und Zementierung sind zu untersuchen.<br />
Das Konzept für die Ausführung der Bohrungen<br />
ist mit dem brandenburgischen<br />
Landesamt für Geologie und Bergbau<br />
abgestimmt, das Genehmigungsverfahren<br />
ist eingeleitet. Das Projekt kooperiert<br />
mit CO 2SINK und profitiert von dessen<br />
starker industrieller und wissenschaftlicher<br />
Beteiligung. CO 2SINK bietet für<br />
COSMOS den Zugang zum Testfeld mit<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
375
376<br />
Abb. 5.6: Schematische Darstellung des Smart-Casing-Konzepts mit den Details eines mikroseismischen Moduls (triaxialer<br />
Empfänger).<br />
Schematic of the smart-casing concept with details of a microseismic triple axis sensor.<br />
Infrastruktur, Bohrlöchern usw., und die Forschungs- und<br />
Entwicklungsziele von COSMOS ergänzen die von<br />
CO 2SINK sinnvoll.<br />
CO 2 Capture Programme CCP<br />
Das CO 2 Capture Project CCP (http://www.co2captureproject.org)<br />
wird von der EU, dem US <strong>Department</strong> of<br />
Energy und dem Norwegian Research Council KLIMA-<br />
TEK-Programm, zusammen mit acht internationalen Ölkonzernen<br />
gefördert. In diesem Programm unternahm das<br />
<strong>GFZ</strong> Potsdam umfangreiche triaxiale Hochdrucktests mit<br />
Fluiddurchströmung im Labor zur Untersuchung des Einflusses<br />
der Injektion von CO 2 auf die physikalischen<br />
Eigenschaften von Speichergesteinen aus tiefen salinen<br />
Aquiferen. Die Experimente wurden an verschiedenen<br />
Gesteinsproben unter simulierten In-Situ-Druck- und<br />
Temperaturbedingungen durchgeführt. Die Messungen<br />
der physikalischen und chemischen Effekte, die aus der<br />
Wechselwirkung der Gesteine mit Salzlösung und superkritischem<br />
CO 2 resultieren, erfolgten in einer triaxialen<br />
Hochdruckzelle und in Autoklaven. Auch wurden Experimente<br />
zu Fluid/Gesteins-Wechselwirkungen an gemahlenem<br />
Gesteinsmaterial zur Homogenisierung der Proben<br />
und zur Erhöhung der den Fluiden ausgesetzten Proben-<br />
oberflächen und damit der Reaktionsgeschwindigkeiten<br />
durchgeführt (Schütt et al., 2005).<br />
Tunnelseismische Vorauserkundung<br />
Weltweit befindet sich der Untertagebau im Aufwind. In<br />
stark bevölkerten Gebieten bleibt als letzter verfügbarer<br />
Raum für Infrastrukturen vielfach nur noch der Untergrund.<br />
In den Städten erzwingen restriktive Randbedingungen<br />
infolge Flächenknappheit, immer stärkeren Lärmund<br />
Umweltschutzauflagen sowie mangelnder Akzeptanzbereitschaft<br />
der Bevölkerung gegenüber Baubelästigungen<br />
das Ausweichen in die Tiefe durch den Bau von<br />
U-Bahnen, Straßentunneln, Rohrleitungen, Parkkavernen<br />
und sogar ganzen Bahnhöfen.<br />
Auch die Basistunnel der neuen transeuropäischen Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecken<br />
durch die Alpen sind<br />
technische Herausforderungen ersten Ranges mit ihren<br />
großen Längen, hohen Gebirgsüberlagerungen, den damit<br />
verbundenen hohen Temperaturen und Spannungen, und<br />
besonders komplexen geotechnischen Bauvorgängen.<br />
Anforderungen dieses Umfangs wurden bisher noch nirgendwo<br />
auf der Erde bewältigt und lösen richtungsweisende<br />
Impulse in der Grundlagen- und angewandten For-<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
davor liegt die sog. Piora-Mulde, die sich<br />
durch hohen Wassergehalt und geringe<br />
mechanische Stabilität ausprägt. Die<br />
Messungen sollten zeigen, ob sich der<br />
Übergang vom Lukmanier-Gneiss zur<br />
Piora-Mulde seismisch nachweisen lässt.<br />
Zur Anregung wurden für das TSP-System<br />
20 Sprengladungen zu je 100 g in ca.<br />
2 m tiefen Bohrlöchern verwendet. Für<br />
das ISIS-System wurden Anregungen mit<br />
dem am <strong>GFZ</strong> entwickelten pneumati-<br />
Abb.5.7:Geologisch-geotechnisches Profil am Piora-Sondierstollen des Gottschen Impakthammer erzeugt. Für die<br />
hard-Basistunnels mit Positionierung der seismischen Auslage.<br />
Registrierung kamen jeweils zwei Geo-<br />
Geological-geotechnical profile of the Piora adit of the Gotthard base tunphonanker des <strong>GFZ</strong> Potsdam und zwei<br />
nel with positioning of the seismic layout.<br />
Piezo-Akzelerometer von AMT zum Einsatz.<br />
Die Abb. 5.9 zeigt ein „receiver gather“<br />
eines der Empfänger nach der Datenbearbeitung mit<br />
dem Software-Modul von ISIS. Die Datenbearbeitung<br />
bestand aus einer Entfernung direkter P-, S- und Rayleigh-<br />
Wellen mittels eines Medianfilters, eines Bandpassfilters<br />
und einer laufzeitabhängigen Amplitudenkorrektur.<br />
Abb. 5.8: Seismische Messungen im Piora-Sondierstollen<br />
(Foto: S. Mielitz, <strong>GFZ</strong>).<br />
Seismic measurements in the Piora adit.<br />
schung aus wie z. B. die hochauflösende<br />
seismische Vorauserkundung während<br />
eines Tunnelvortriebs.<br />
Integriertes Seismisches Imaging System<br />
ISIS für den Tunnelbau<br />
Für Erkundung und Monitoring untertage<br />
führte das <strong>GFZ</strong> beim Bau des Gotthard-Basistunnels<br />
in den Schweizer Zentralalpen<br />
hochauflösende seismische<br />
Messungen zur Vorhersage geologischer<br />
Störungszonen durch (Giese et al, 2005).<br />
Damit konnte das vom <strong>GFZ</strong> entwickelte<br />
Integrierte Seismische Imaging System<br />
ISIS in der Praxis erfolgreich erprobt werden<br />
(Borm, G. und Giese, R., 2004).<br />
Im Piora-Sondierstollen der Baustelle<br />
zum Gotthard-Basistunnel Süd (Abb. 5.7,<br />
5.8) wurden im März 2005 reflexionsseismische<br />
Messungen in Zusammenarbeit<br />
mit der Firma Amberg Messtechnik<br />
AG (AMT) und dem GGA-Institut Hannover<br />
durchgeführt.<br />
Die Messungen erfolgten an der Ortsbrust<br />
des Sondierstollens; 30 bis 40 m<br />
Die bearbeiteten Daten zeigen von der Ortsbrust des<br />
Tunnels reflektierte Tunneloberflächenwellen (Pfeil 1 in<br />
Abb. 5.9) und Rayleigh-Wellen, die an der Ortsbrust zu<br />
Scherungswellen konvertiert sind, weiter in Tunnelvortriebsrichtung<br />
gelaufen sind, reflektiert wurden und<br />
dann als rekonvertierte Oberflächenwellen wieder an<br />
der Tunnelwand zurückkommen. Diese Einsätze haben<br />
eine negative Scheingeschwindigkeit, und ihre Laufzeit<br />
wird mit zunehmendem Abstand von Quelle und Empfänger<br />
kleiner (Pfeil 2 in Abb. 5.9). Die seismische<br />
Abb. 5.9: Seismogramme der Hammerschläge nach der Datenbearbeitung.<br />
Receiver gather von RCV-ISIS, Z-Komponente.<br />
Seismograms of the hammer impacts after processing, receiver gather of<br />
RCV-ISIS, Z (vertical) component.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
377
378<br />
Abb. 5.10: Migration der Seismogramme. a) Kirchhoff SS Migration von Empfänger 2 und Schuss 1 bis 36. Für die<br />
Migration wurde ein homogenes Geschwindigkeitsmodell (V s = 2.900 km/S) verwendet. b) Kirchhoff SS Migration von<br />
Empfänger 1 und Schuss 42 bis 76. Außerdem sind zwei Erkundungsbohrungen eingezeichnet, entlang derer der RQD-<br />
Wert (Rock Quality Designation) codiert ist. Violette Bereiche bedeuten niedrige RQD-Werte (hohe Kernverluste, Bruchzonen),<br />
rote Bereiche hohe RQD-Werte (relativ geringe Kernverluste, kompaktes Gebirge.<br />
Migrated sections of the seismograms. a) Kirchhoff SS migration of receiver 2 and shots 1 through 36. A homogeneous<br />
velocity model (v s = 2900 km/s) was used. b) Kirchhoff SS migration of receiver 1 and shots 42 through 76. Two exploratory<br />
wells are shown along which the RQD value is indicated (RQD: Rock Quality Designation). Magenta indicates<br />
low RQD values (high core losses, fault zones), red indicates high RQD values (relatively low losses of drillcore, stable<br />
rock mass).<br />
Abbildung dieser Reflektionen mit Hilfe einer Kirchhoff<br />
Migration ergibt eine Reflektivitätsverteilung vor<br />
der Ortsbrust, in der markante Diskontinuitäten, wie in<br />
diesem Fall die Piora-Mulde, deutlich erkannt werden<br />
können (Abb. 5.10).<br />
Beim Wissenschaftssommer im September 2004 in Stuttgart<br />
wurde das Seismische Imaging Systems ISIS der<br />
Öffentlichkeit vorgestellt (Abb. 5.11).<br />
Abb. 5.11: Antransport eines Kalksteins am Stuttgarter<br />
Schloss zur Demonstration von ISIS beim Wissenschaftssommer<br />
2004 (mit freundlicher Unterstützung der Ed.<br />
Züblin AG).<br />
Delivery of a limestone at the Stuttgart Castle for the<br />
demonstration of ISIS during the Science Summer 2004<br />
(kindly supported by Ed. Züblin AG).<br />
Das BMBF/DFG-Sonderprogramm GEOTECHNOLO-<br />
GIEN, die GeoUnion und das Konsortium Deutsche Meeresforschung<br />
luden zu einem Parlamentarischen Abend<br />
am 24. 11. 2004 im Haus der Bundespressekonferenz ein.<br />
Auch hier war das <strong>GFZ</strong> Potsdam mit einem Ausstellungsstand<br />
zu ISIS „Verkehrsplanung mit Weitblick – Tunnelbau<br />
mit modernen Vorauserkundungsmethoden“ vertreten.<br />
Geophysikalisches Monitoring von Deichen bei<br />
Hochwasser<br />
In Kooperation mit der Universität Karlsruhe wurden im<br />
Rahmen des BMBF-Projekts „Versagen von Deichen und<br />
Dämmen auf und mit Lehmzonen bei Hochwasser“ neue<br />
Methoden der hochauflösenden seismischen Messung zur<br />
Abbildung der Durchfeuchtung eines Lehmdeiches bei<br />
Hochwasser entwickelt, um die Versagenswahrscheinlichkeit<br />
des Deiches bei verschiedenen Flutszenarien ermitteln<br />
zu können. Die Durchfeuchtungsprozesse in Deichen<br />
wurden an idealisierten Modelldeichen untersucht. Dazu<br />
sollten die Strukturen im Inneren des Deichkörpers hinsichtlich<br />
ihrer Materialzusammensetzung sowie Wassergehalt<br />
und Lagerungsdichte bestimmt werden. Um eine<br />
möglichst hohe Auflösung zu erhalten, wurde als seismische<br />
Quelle ein magnetostriktiver Minivibrator verwendet,<br />
der Frequenzen bis zu 6 kHz anregen kann.<br />
Zur Vorbereitung wurde am <strong>GFZ</strong> Potsdam an einem<br />
Versuchsdeich (Abb. 5.12) das seismische System getestet<br />
und hinsichtlich der Versuchsbedingungen optimiert.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb. 5.12: Versuchsdeich mit seismischer Quelle und Empfängern<br />
am <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam (Länge 5 m,<br />
Breite 0,3 m, Höhe 1,2 m; Foto: K. Jaksch, <strong>GFZ</strong>).<br />
Model dike with the seismic source and receivers at the<br />
<strong>GFZ</strong> Potsdam (length 0.3 m, width 5 m, height 1.2 m).<br />
Der Versuchsdeich wurde mit einem annähernd homogenen<br />
Lehmmaterial verfüllt und auf einer Seite abgeschlossen,<br />
um das Fluten mit Wasser zu ermöglichen.<br />
Vor den Messungen wurden Tests der seismischen Sweep-<br />
Quelle durchgeführt, um einen möglichst hohen Energieeintrag<br />
in den gewünschten Frequenzbereichen zu erreichen<br />
und Oberflächenwellen zu unterdrücken. Das obere<br />
Diagramm in Abb. 5.13 zeigt ein Sweep-Signal, mit dem<br />
der Vibrator angeregt wird, mit Frequenzen von 100 bis<br />
6.100 Hz und konstanten Amplituden. Im unteren Diagramm<br />
erkennt man aus dem Kopfsignal, das direkt an<br />
der Ankopplungsfläche aufgezeichnet<br />
wurde, wie sich die Amplituden des<br />
Sweeps durch die Materialeigenschaften<br />
des Deiches und die Übertragungseigenschaften<br />
des Vibrators ändern.<br />
Ein langfristiger Durchfeuchtungsversuch<br />
mit einem konstanten Wasserstand<br />
von einem Meter (Abb. 5.12) wurde<br />
begonnen. Anfangs in Stunden- und später<br />
in Tagesabständen wurden seismische<br />
Messungen durchgeführt, um den zeitlichen<br />
Durchfeuchtungsverlauf zu erfassen.<br />
Die Untersuchungen haben gezeigt,<br />
dass die fortschreitende Durchfeuchtung<br />
des Versuchsdeiches sich in deutlichen<br />
Veränderungen der Amplituden des<br />
Sweep-Signals auswirkt. Ein wesentliches<br />
Ziel der Untersuchungen ist die Herleitung<br />
von Beziehungen zwischen den<br />
seismischen Messgrößen (z. B. Geschwindigkeiten<br />
und Dämpfungen) und<br />
den bodenmechanischen Parametern. An<br />
Modelldeichen des Instituts für Wasser<br />
und Gewässerentwicklung (IWG), Bereich<br />
Wasserwirtschaft und Kulturtechnik,<br />
der Universität Karlsruhe mit Wasserstandssteuerung<br />
zur Simulation von<br />
Hochwasserszenarien wurden geotechnische, hydraulische<br />
und seismische Untersuchungen durchgeführt. Dazu<br />
wurden vier Deiche aufgebaut, bei denen das Bodenmaterial,<br />
die Böschungen und die Hochwasserszenarien variiert<br />
wurden. Das Schuss- und Empfänger-Array bestand<br />
aus drei parallelen Messlinien mit 3-Komponenten-Geophonen.<br />
Abb. 5.14 zeigt die Messkonfiguration.<br />
Bis Ende April 2005 wurden die seismischen Messungen<br />
an den großmaßstäblichen Modelldeichen im Theodor-<br />
Rehbock-Laboratorium des IWG der Universität Karlsruhe<br />
durchgeführt. Soweit möglich, wurden die verschiedenen<br />
Hochwasserszenarien begleitend gemessen.<br />
Dazu wurde an zwei Modelldeichen mit unterschiedlicher<br />
Materialzusammensetzung gemessen. Über die gesamte<br />
Messzeit bewährte sich die vom <strong>GFZ</strong> Potsdam entwickelte<br />
Messtechnik, wie z. B. die speicherprogrammierbare<br />
Steuerung des Positionierungswagens und die<br />
Anpressvorrichtung der Quelle unter Dauerbelastung<br />
(Abb. 5.15).<br />
Für die Signalaufzeichnung wurden vier 24-kanalige und<br />
bis zu 55 zweikanalige Summit Aufzeichnungsgeräte eingesetzt.<br />
In Tests während der Trockenphase des Modelldeiches<br />
vor dem ersten Einstau wurde das für die Messungen<br />
benutzte Sweep-Signal festgelegt: Sweep-Dauer<br />
0,5 s, Frequenzband 300 bis 6.300 Hz. Eine softwaregesteuerte<br />
Regelung des Sweep begrenzt die auftretenden<br />
Beschleunigungswerte und verteilt die eingebrachte Energie<br />
gleichmäßig über das Frequenzband.<br />
Die Dauer eines Messdurchlaufs für 54 Quellpunkte betrug<br />
bis zu drei Stunden. Mit zunehmender Durchfeuchtung des<br />
Abb. 5.13: Anwendung des Echzeit-Regelungssystems auf einen linearen<br />
Sweep (Frequenzband 100 bis 6.100 Hz). Alle Sweepfrequenzen des geregelten<br />
Sweeps (grüner Graph) werden mit ungefähr gleichen Amplituden<br />
angeregt. Beim ungeregelten Sweep (blauer Graph) sind hingegen die Resonanzfrequenzen<br />
deutlich zu erkennen.<br />
Application of the real-time control system at the linear sweep (here 100 to<br />
6100 Hz) leads to the regulated sweep signal (green graph). All frequencies<br />
were stimulated nearly with the same amplitudes, whereas at the unregulated<br />
sweep (blue graph) the resonant frequencies are clearly seen.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
379
380<br />
Deiches und größeren Stauhöhen verringerten sich die<br />
Anzahl der Quellpunkte und die Messdauer. Die Auswertungen<br />
der Messungen zeigten eine gute Qualität der seismischen<br />
Daten. Die Messungen im trockenen Zustand<br />
zeigten ein komplexes Wellenfeld, das von direkten Kompressionswellen,<br />
Oberflächenwellen sowie<br />
reflektierten und refraktierten Wellen<br />
der Deichmodellbegrenzungen dominiert<br />
wird. Im Nahbereich der Quelle wird das<br />
gesamte angeregte Frequenzspektrum in<br />
den Boden eingetragen. Im Verlauf einer<br />
Hochwasserperiode kann man darin eine<br />
Zunahme der Dämpfung und Abnahme<br />
der seismischen Wellengeschwindigkeiten<br />
mit zunehmender Durchfeuchtung des<br />
Deiches erkennen.<br />
Die Förderung dieses Projektes durch das<br />
BMBF lief planmäßig zum 31. 12. 2005<br />
aus. Am <strong>GFZ</strong> Potsdam wird es im Rahmen<br />
einer Dissertation bearbeitet, die in<br />
den kommenden Monaten fertiggestellt<br />
werden soll.<br />
Geothermie<br />
Explorationsgeologie im <strong>Geoengineering</strong><br />
Die Anwendung und Weiterentwicklung<br />
von Methoden zur Auffindung, Charakterisierung<br />
und Nutzbarmachung unterirdischer<br />
Ressourcen ist ein wesentlicher<br />
Schwerpunkt geowissenschaftlicher Forschung<br />
in der Sektion Geothermie. Re-<br />
Abb. 5.14: Messanordnungen der Quell- und 3-Komponenten-Geophonpunkgionalspezifischeexplorationsgeologite für die Modelldeichversuche am IWG der Universität Karlsruhe. sche Arbeiten erfolgen sowohl im For-<br />
Seismic survey consisting of source points and 3-component-geophoschungsthema „<strong>Geoengineering</strong>“, das<br />
nes for the model dikes at the test facility at the IWG, Universtität Karls- sich u. a. mit der geologischen Speicheruhe.rung<br />
von CO2 befasst, als auch im Forschungsthema<br />
„Geothermische Technologieentwicklung“,<br />
das den Ausbau des In-Situ-Geothermielabors<br />
Groß Schönebeck zu einer geothermischen<br />
Anlage für die Stromgewinnung vorsieht.<br />
Abb.5.15: Der automatische Messwagen mit Sweep-Quelle<br />
im Einsatz auf dem IWG-Deichmodell der Universität<br />
Karlsruhe (Foto: K. Jaksch, <strong>GFZ</strong>).<br />
The monitoring car with the seismic source in use at the<br />
test facility at the Theodor-Rehbock-Laboratory (IWG,<br />
Universtität Karlsruhe).<br />
In Abb. 5.16 sind explorationsgeologische Themenfelder,<br />
die in der Sektion Geothermie bearbeitet wurden, dargestellt.<br />
Die Erfassung und Interpretation geologischer<br />
Strukturen, die Charakterisierung von Reservoiren und<br />
Caprocks standen neben der Erarbeitung von regionalen<br />
und lokalen thermischen Beckenmodellen sowie von<br />
hydrogeologischen Modellen des flachen Untergrundes<br />
im Zentrum der Forschung. Die wissenschaftliche Bearbeitung<br />
dieser Themen erfordert die Interpretation von<br />
Bohrlochmessungen und den Aufbau und die Nutzung von<br />
Datenbanken und Geoinformationssystemen.<br />
Geographisch war ein Großteil der Arbeiten im Gebiet des<br />
Nordostdeutschen Beckens nördlich von Berlin angesiedelt<br />
und vor allem auf Bohraufschlüsse konzentriert. So<br />
wurde z. B. der terrestrische Wärmestrom, der einen wichtigen<br />
Parameter für die Charakterisierung des geothermischen<br />
Potentials eines Gebietes darstellt und ein wesentlicher<br />
Bestandteil der geothermischen Exploration ist, an<br />
zwölf Bohrlokationen neu bestimmt (Abb. 5.17).<br />
Die Forschung zum Wärmestrom im Norddeutschen Becken<br />
umfasste Labormessungen der Wärmeleitfähigkeit<br />
Abb. 5.16: Schwerpunkte der Explorationsgeologie.<br />
Main issues of exploration geology.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb. 5.17: Verteilung von Salzstrukturen im Nordostdeutschen<br />
Becken (nach Lokhorst, 1998) und Bohrungen, von<br />
denen neue Werte des terrestrischen Wärmestrom vorliegen<br />
(aus Lotz, 2004). Die Lokation Ketzin ist der Standort für<br />
die CO 2-Speicherung im CO 2SINK-Projekt. Die Lokation<br />
Groß Schönebeck ist der Standort für die <strong>GFZ</strong>-Geothermiebohrung<br />
Gt GrSk 4/05, die 2006 zur Entwicklung eines<br />
„Enhanced Geothermal Systems“ abgeteuft wird.<br />
Size and distribution of salt structures in the area of the<br />
Northeast German Basin (after Lokhorst, 1998). Boreholes,<br />
in which heat-flow density was determined (Lotz,<br />
2004) are shown. The Ketzin site (storage site of<br />
CO 2SINK) and the Groß Schönebeck site (site of the geothermal<br />
borehole Gt GrSk 4/05 for developing an Enhanced<br />
Geothermal System) are also shown.<br />
von Gesteinen des Prä-Perm und des Perm (Rotliegend-<br />
Sedimente und Vulkanite), die durch Bohrungen aufgeschlossen<br />
sind, die Bestimmung der Gesteinsporosität<br />
sowie die Bestimmung der Gehalte an U, Th und K im Labor<br />
und durch Bohrlochmessungen der natürlichen Radioaktivität.<br />
Daraus wurde die radiogene Wärmeproduktion von<br />
Gesteinen des Devons bis Quartärs abgeleitet. Da in vielen<br />
Bohrungen die Messungen der natürlichen Radioaktivität<br />
in Gamma-Einheiten vorliegen, war es notwendig, eine<br />
empirische Beziehung zur Umrechnung dieser Einheiten in<br />
moderne API-Einheiten (Abb. 5.18) zu entwickeln.<br />
Mit Hilfe der empirischen Gleichung aus Abb. 5.18 können<br />
ältere, in der Erdöl-Erdgas-Exploration gemessene<br />
Logs in explorative Arbeiten quantitativ einbezogen werden.<br />
Für das Nordostdeutsche Becken wurde basierend auf<br />
Gamma-Logs eine Bilanzierung des Anteils der Wärmestromdichte<br />
in der sedimentären Beckenfüllung vorgenommen.<br />
Diese kann bis zu 7 mW/m 2 betragen.<br />
Werte der Wärmeleitfähigkeit von über 300 Proben liefern<br />
auf der Basis gut dokumentierter Messungen eine<br />
neue Datengrundlage für die Bestimmung der Wärmestromdichte,<br />
für thermische Beckenmodellierungen und<br />
für Modellierungen von regionalen Wärmetransportprozessen.<br />
Dabei zeigt sich vor allem für die intensiv beprobten<br />
Rotliegend-Sedimente ein enger Zusammenhang von<br />
Wärmeleitfähigkeit und Fazies bzw. Diagenese/Zementation<br />
der Gesteine. Die Wärmeleitfähigkeiten derselben<br />
stratigraphischen und lithologischen Einheit können dabei<br />
um mehr als 2 W/m/K variieren.<br />
Im Nordostdeutschen Becken sind die strukturgeologischen<br />
Verhältnisse durch Salzdome und Salzkissen modifiziert.<br />
Auf Grund von großen Kontrasten in der Wärmeleitfähigkeit<br />
zwischen Salz und Umgebungsgestein bilden<br />
diese Strukturen thermische Anomalien, die sich auch in<br />
der Höhe der Wärmestromdichte widerspiegeln. Die Reichweite<br />
dieser Störungen im thermischen Feld wurde erstmalig<br />
durch Modellrechnungen umfassend quantifiziert<br />
(Abb. 5.19). Auf der Basis dieser Modelle war eine Kor-<br />
Abb. 5.18: Beispiel für eine aus der Bohrlochmessung der<br />
natürlichen Radioaktivität (in Gamma-Einheiten, blaue<br />
Kurve) bestimmte Wärmeproduktion (rote Kurve). Die<br />
Berechnung erfolgte nach der empirischen Formel A<br />
[µW/m 3 ] = 0,0783 (GR[GEc]-5,66). Punkte zeigen Wärmeproduktionsraten<br />
aus Labormessungen (aus Norden &<br />
Förster, im Druck).<br />
Borehole example of radiogenic heat production (red<br />
curve) determined from a gamma-ray log (measured in<br />
gamma units, blue curve) using the empirical equation A<br />
[µW/m 3 ] = 0.0783 (GR[GEc]-5.66) (from Norden & Förster,<br />
in press).<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
381
382<br />
Abb. 5.19: Beispiel eines lokalen thermischen Modells (Salzstruktur Gransee). A) Darstellung der 60 mW/m 2 -Wärmestromdichte-Isofläche<br />
im Bereich von 1 bis 11 km Tiefe mit dem Gitternetz der Modellierung, B) Profilschnitt parallel<br />
von x durch die Salzstruktur (aus Lotz, 2004).<br />
Example of a local-scale thermal model (salt structure Gransee). A) 3D plot of the 60 mW/m 2 heat flow surface in the<br />
depth range of 1 to 11 km. Grid of the modeling is shown. B) Cross section in x direction showing the heat-flow distribution<br />
in z direction (from Lotz, 2004).<br />
rektur der in der Nähe dieser Strukturen gemessenen Wärmestromdichte<br />
auf „Normal“-Bedingungen möglich.<br />
Um das regionale thermische Tiefenfeld zu quantifizieren<br />
und die Sensitivität des Wärmestroms in Hinsicht auf Parameteränderungen<br />
zu untersuchen, wurden verschiedene<br />
Szenarien des Krustenaufbaus und der Lithosphärenmächtigkeit<br />
entlang eines 2D-Profils (Abb. 5.20) thermisch<br />
berechnet. Es konnte unter anderem gezeigt werden,<br />
dass die bis zu 2.000 m mächtigen Vulkanit-Komplexe<br />
mit ihrer teilweise hohen Wärmeproduktion (3 bis<br />
6 µW/m 3 ) einen signifikanten Einfluss auf die Wärmestromdichte-Verteilung<br />
ausüben.<br />
Das Norddeutsche Becken bietet neben den günstigen<br />
Bedingungen für die Nutzung der Erdwärme auch ein geeignetes<br />
geologisches Umfeld für die Speicherung von CO 2. Im<br />
Frühjahr 2004 starteten die Vorbereitungsarbeiten für eine<br />
in 2006 geplante Injektion von CO 2 in die Struktur Ketzin<br />
(vgl. Abb. 5.17). Diese Arbeiten sind Bestandteil des vom<br />
6. Forschungsrahmenprogramm (FP6) der Europäischen<br />
Union und der Industrie geförderten CO 2SINK-Projekts.<br />
In der Struktur Ketzin wurde früher Erdgas der Verbundnetz<br />
Gas AG Leipzig in einer Sandsteinschicht in einer<br />
Tiefe von 250 bis 400 m gelagert. Die CO 2-Speicherung<br />
im Rahmen des CO 2SINK-Projekts soll jedoch in einer<br />
tieferen Sandsteinschicht, in der Stuttgart-Formation, die<br />
ca. 80 m mächtig ist, erfolgen. Ein dreidimensionales geologisches<br />
Strukturmodell wurde für die Roskow-Ketzin-<br />
Doppelantiklinale erarbeitet, das auf 2D-seismischen Daten<br />
sowie Daten aus zahlreichen Explorationsbohrungen, die<br />
im Rahmen vorangegangener industrieller Erkundungen<br />
abgeteuft wurden, basiert. Als Teil des Modells wurden<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb. 5.20: Geologischer Schnitt durch das Nordostdeutsche Becken und angrenzende Gebiete, für den thermische<br />
Modelle berechnet wurden. Gezeigt werden verschiedene Szenarien der Tiefenlage der Lithosphäre/Asthenosphäre-<br />
Grenze (LAB). Nummeriert und farbkodiert sind geologische Einheiten, die sich in Bezug auf Zusammensetzung und<br />
thermische Eigenschaften unterscheiden (aus Lotz, 2004).<br />
Cross section of the Northeast German Basin and adjacent areas used as conceptual model for thermal modelling. Different<br />
scenarios of the lithosphere/asthenosphere boundary depth (LAB) are shown. Numbered circles denote geological<br />
units (colorcoded) of different composition and thermal properties (from Lotz, 2004).<br />
für die geplanten CO 2SINK-Bohrungen (Abb. 5.21) geologische<br />
Vorprofile erstellt.<br />
Der CO 2SINK-Speicher (die Stuttgart-Formation) ist eine<br />
geologische Einheit von ausgeprägter Heterogenität. Klastische<br />
Sedimentgesteine, die in Überflutungsgebieten<br />
(Überflutungsfazies) abgelagert wurden, wechseln mit Ablagerungen,<br />
die in Rinnen sedimentiert sind (sandige Rinnenfazies).<br />
Diese Sandsteine vom Grauwacken-Typ bilden<br />
auf Grund sehr guter hydraulischer Eigenschaften die<br />
eigentlichen Reservoirzonen für die CO 2-Speicherung.<br />
Um die Heterogenität der Stuttgart-Formation quantitativ<br />
zu erfassen, wurde zur Reservoircharakterisierung eine<br />
geostatistische Modellierung der möglichen Rinnensandsteingeometrien<br />
(Abb. 5.22) in Zusammenarbeit mit dem<br />
Geological Survey of Denmark and Greenland (GEUS)<br />
durchgeführt.<br />
Die Charakterisierung von Reservoir- und Caprock-Gesteinen<br />
ist für das Verständnis einer sicheren CO 2-Speicherung<br />
notwendig. Erste mineralogische und geochemische<br />
Analysen der Caprock-Gesteine in Ketzin (Abb. 5.23)<br />
zeigten typische Tonsteingefüge in diesen Gesteinen.<br />
Mehr oder weniger gerundete Quarze sind in eine dichte,<br />
oft blättchenförmige Grundmasse aus Ton- und Glimmermineralen<br />
eingebettet. Große und durchgängige Porenräume<br />
sind nicht zu erkennen. Oft ist eine deutliche<br />
Schichtung von rein sandigen und tonigen Partien zu beobachten.<br />
Durchgängige Porenräume sind in diesen dichten<br />
tonigen Partien nicht zu erwarten, was sie zu idealen Abdecker-Gesteinen<br />
für Reservoire macht.<br />
Gesteinsphysikalische Parameter für das Engineering von<br />
Tiefenreservoiren<br />
Die Injektion von CO 2-haltigen Wässern in tiefe Gesteinsformationen,<br />
das Einbringen von Stützmitteln in hydraulisch<br />
frisch aufgebrochene Reservoire, die Infiltration von<br />
Bohrspülungen in Reservoirgestein und das Langzeitdurchströmen<br />
eines geothermischen Reservoirs mit Tiefenwässern<br />
beeinflussen die physikalischen Gesteinseigenschaften.<br />
Diese Änderungen können auch experimentell<br />
im Labor bestimmt werden.<br />
Mit der triaxialen Hochdruckpresse wurden am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />
mechanische Parameter des Bentheimer Sandsteins<br />
bestimmt. Ein Schwerpunkt war die Bestimmung des<br />
Skempton-Koeffizienten (Änderung des Porendrucks<br />
dividiert durch die Änderung des äußeren Umschließungsdrucks).<br />
Die Experimente zeigen, dass der Skempton-Koeffizient<br />
einer Probe bei Veränderungen des äußeren<br />
Stressfeldes nicht konstant ist. Bei Erhöhung des<br />
Umschließungsdruckes sinkt der Skempton-Koeffizient.<br />
Durch die Vorbelastung der Probe werden die Einflüsse<br />
von bleibenden Deformationen minimiert. Das Modell<br />
zeigt, dass gerade die Porenraumgeometrie (runde Poren<br />
bis irreguläre Poren) in direktem Zusammenhang mit<br />
deren Deformationsverhalten steht.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
383
384<br />
Abb. 5.21: Karte der Roskow-Ketzin-Doppelstruktur mit der CO 2SINK-Bohrlokation (gefülltes Quadrat) sowie der Lage<br />
von Altbohrungen (Punkte). Tiefenlage des seismischen K2-Reflektors in Metern (verändert nach Förster et al., im<br />
Druck).<br />
Map of the Roskow-Ketzin double structure with the location of the CO 2SINK drill site (filled square) and previous<br />
wells (dots). Depth of the K2 seismic reflector in meters (adapted from Förster et al., in press).<br />
Mit der triaxialen Hochdruckpresse wurden auch geophysikalische<br />
und geochemische Vorgänge in Sandsteinen<br />
untersucht, wenn diese im Kontakt mit Salzlösungen und<br />
mit CO 2 stehen. Es erfolgt eine kontinuierliche geophysikalische<br />
und geomechanische Datenaufnahme in Form<br />
Abb. 5.22: Modell-Geometrie der Stuttgart-Formation am Standort Ketzin<br />
für einen Block von 10 km x 10 km x 80 m Größe. Hochpermeable Sandsteinstränge<br />
wechseln mit gering-permeabler, tonig-siltiger Überflutungsfazies<br />
(blau) (aus Förster et al., im Druck).<br />
Architecture of the Stuttgart Formation at Ketzin, modelled in a 10 km x 10<br />
km x 80 m block. Sandstone channels of high permeability alternate with floodplain<br />
facies mudstones and siltstones (blue) (from Förster et al., in press).<br />
von seismischen Geschwindigkeiten, spezifischem elektrischen<br />
Widerstand und Deformation. Fluidproben, die<br />
mit dem Gestein in Wechselwirkung standen, wurden zur<br />
chemischen Analyse genommen. Signifikante Änderungen<br />
petrophysikalischer Eigenschaften konnten zusammen<br />
mit Patch-Versuchen zur Charakterisierung<br />
der Fluid-Gestein-Wechselwirkung<br />
interpretiert werden (Schütt et a.,<br />
2005).<br />
Solche Untersuchungen finden auch Eingang<br />
in die Entwicklung einer Apparatur<br />
zur Durchführung von Langzeitdurchströmungsversuchen<br />
zur Einschätzung<br />
des Langzeitverhaltens geothermischer<br />
Reservoire. Ziel ist die Ableitung einer<br />
wissenschaftlich begründeten Aussage<br />
über die zeitliche Entwicklung der Produktivität<br />
des betreffenden Reservoirgesteins.<br />
Hierzu wurden zwei identische<br />
Messapparaturen konzipiert, welche die<br />
simultane Messung der physikalischen<br />
Gesteinsparameter Permeabilität, elektrische<br />
Leitfähigkeit, Kompressions- und<br />
Scherwellengeschwindigkeit sowie fluidchemische<br />
Untersuchungen unter relevanten<br />
Druck- und Temperaturbedingungen<br />
ermöglichen.<br />
Zur Errichtung einer geothermischen<br />
Nutzungsanlage hat die Schaffung künst-<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb. 5.23: Bohrkerne aus der Weser-Formation, dem unmittelbaren Caprock für den CO 2-Speicher in Ketzin. Untere<br />
Reihe: Sekundärelektronenbilder.<br />
Drill core samples from the Weser Formation, which is the immediate cap rock of the CO 2-injection formation at Ketzin.<br />
Lower row: Secondary-electron images.<br />
Abb. 5.24: Skempton-Koeffizient (Änderung des Porendrucks<br />
Pp dividiert durch Änderung des äußeren Umschließungsdrucks<br />
Pc) einer Probe des Bentheimer Sandsteins<br />
(Blöcher et al., pers. Mitt.) Die Druckänderung<br />
beträgt 0,1 MPa/min. Dargestellt sind gleitende Mittel<br />
über 10 Minuten. Messung bei Druckbelastung: up; Druckentlastung:<br />
down)<br />
Skempton-coefficient (change of pore pressure divided by<br />
change of confining pressure) of a Bentheim sandstone<br />
sample (Blöcher et al., pers. comm.) Pressure change is<br />
0.1MPa/min. Shown are 10-minute-running averages.<br />
Measurements during pressure increase are marked with<br />
„up“; measurements during pressure decrease are marked<br />
with „down“.<br />
licher Risse eine besondere Bedeutung. In der Konzeption<br />
ist das Einbringen von Mitteln zur Abstützung der Rissoberfläche<br />
nach Druckentlastung eine wichtige Option.<br />
Daher wurde die Schädigung einer künstlichen Rissoberfläche<br />
einer Rotliegend-Sandsteinprobe durch ungleichmäßige<br />
Stützmittelverteilung untersucht. Im Fokus der<br />
Untersuchungen standen die mechanischen Auswirkungen<br />
einer geringen Konzentration von Stützmitteln im<br />
Riss. Die Simulation der Spannungs-Bedingungen für eine<br />
Tiefe von 4 km an einer Rotliegendprobe aus Flechtingen<br />
ergab, dass deutliche Schädigungen der Rissoberfläche<br />
durch Eindringen der Stützmittel in die Gesteinsmatrix,<br />
Produktion von Feinmaterial am Kontakt und die Zerstörung<br />
des Stützmittels selbst beobachtet wurden. Der Vergleich<br />
mit dem Standard-Test (nach API) für das verwendete<br />
Stützmittel ergab, dass der prozentuale Anteil des<br />
erzeugten Feinmaterials etwa gleich groß, die effektive<br />
Spannung im API-Test aber doppelt so groß ist. Die Zerstörungen<br />
waren umso stärker, je geringer die Stützmittelkonzentration<br />
(kleiner als geschlossen einlagig) war. Die<br />
Mobilisierung und Transport von Feinmaterial beschränkte<br />
sich auf die Stützmittellage, weil aus technischen Gründen<br />
nur der Riss durchströmt werden konnte. Bei einer<br />
Strömung aus der Gesteinsmatrix in den Riss ist eine<br />
Mobilisierung der Gesteinsbruchstücke wahrscheinlich.<br />
In einer separaten Versuchsanlage wurde die einaxiale<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
385
386<br />
Abb. 5.25: Dünnschliffe eines Bentheimer Sandsteins 1,25 x 1,25 mm 2 . Links: Korngerüst und Druckverteilung in den<br />
Poren farbig hinterlegt. Rechts: die durch das numerische Modell ermittelten Porendrücke und Stressverteilung im<br />
Korngerüst (Blöcher et al., pers. Mitt.).<br />
Thin section of Bentheim sandstone 1,25 x 1,25 mm 2 . Left: grain structure and pressure distribution in pores. Right:<br />
Responding pore pressure and mean stress in a numerical simulation (Blöcher et al., pers. comm.).<br />
Abb.5.26:K-Feldspat vor Einwirkung (links) bzw. nach Einwirkung (rechts)<br />
CO 2-beladener Wässer.<br />
K-feldspar before treatment (left) and after treatment (right) with CO 2-bearing<br />
water.<br />
Bruchfestigkeit von Stützmittel-Einzelkörnern bestimmt<br />
und damit eine Datenbasis für keramische Stützmittel<br />
geschaffen.<br />
Um die Einsatzfähigkeit von Spülungen für die Geothermie-Bohrung<br />
in Großschönebeck beurteilen zu können,<br />
wurde in Kooperation mit der Bergakademie Freiberg ein<br />
Untersuchungsprogramm gestartet. Als Basisdaten wurden<br />
im <strong>GFZ</strong> Potsdam an Rotliegend-Bohrkernen die Dichte,<br />
Porosität, Permeabilität und deren Druckabhängigkeit<br />
bestimmt. Die Aufgabe einer speicherschonenden Spülung<br />
ist der Aufbau eines sogenannten Filterkuchens an<br />
der Bohrlochwand, der weitere Infiltrationen während des<br />
Bohrvorgangs verhindern soll. Das Programm wird mit<br />
High-Tech-Spülungssystemen aus der Industrie (Baroid,<br />
MI Swaco) durchgeführt.<br />
Gashydrat-Projekt in Mallik, Kanada<br />
Im Rahmen des Mallik-2002-Forschungsbohrprogramms<br />
wurden drei Bohrungen, die ein kontinentales Gashydratvorkommen<br />
unter Permafrost im Nordwesten Kanadas<br />
durchteufen, vom <strong>GFZ</strong> Potsdam mit faseroptischen Messkabeln<br />
zur ortsverteilten Temperaturmessung ausgestat-<br />
tet. Hierbei ist es von besonderem Interesse,<br />
die In-Situ-Wärmeleitfähigkeit zu<br />
bestimmen. Da bei der Bildung und der<br />
Zersetzung von Gashydraten latente<br />
Wärme umgesetzt wird, sind diese Prozesse<br />
immer mit dem Transport von<br />
Wärme verbunden. Um solche Bildungsund<br />
Zersetzungsprozesse in der Natur<br />
quantifizieren zu können, ist eine detaillierte<br />
Kenntnis der thermischen Eigenschaften<br />
von gashydratführenden Gesteinen<br />
notwendig. Da der Einfluss von<br />
Hydratvorkommen auf die thermischen<br />
Eigenschaften poröser Gesteine bisher<br />
weitgehend unbekannt ist, wurde der Einfluss<br />
von Methanhydrat auf den Wärmetransport untersucht.<br />
Die In-Situ-Wärmeleitfähigkeit wurde mit zwei unterschiedlichen<br />
Methoden aus den vorliegenden Bohrlochmessdaten<br />
hergeleitet: Einerseits wurden Wärmeleitfähigkeitsprofile<br />
aus den gemessenen geothermischen Gradienten<br />
und der lokalen Wärmeflussdichte auf der Grundlage<br />
der Fourier’schen Wärmeleitungsgleichung berechnet.<br />
Andererseits wurde die Gesteinszusammensetzung<br />
anhand von Bohrlochmessdaten bestimmt und die effektive<br />
Wärmeleitfähigkeit der hydratführenden Sedimente<br />
durch Anwendung von Mischungsgesetzmodellen berechnet.<br />
Die Ergebnisse des geometrischen Modells stimmen am<br />
besten mit den Wärmeleitfähigkeitsprofilen überein, die<br />
aus geothermischen Daten abgeleitet wurden. Daher kann<br />
das geometrische Modell zur Abschätzung der Wärmeleitfähigkeit<br />
von gashydratführenden Sedimenten des Mallik-Typs<br />
angewendet werden. Die erbohrten Sedimente<br />
zeigen geringe Wärmeleitfähigkeitskontraste zwischen<br />
der Porenfüllung und der Gesteinsmatrix und enthalten<br />
fein verteilt auftretendes Gashydrat mit Sättigungen bis<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb. 5.27: Schema einer „Fracture-Face-Zone“ (Rissoberfläche nach Stützmitteleinwirkung, Legarth et al., 2005).<br />
Scheme of a fracture face zone (Legarth et al., 2005).<br />
Abb. 5.29: Bohrturm an der Lokation Mallik, NW-Kanada<br />
(Foto: <strong>GFZ</strong> Potsdam).<br />
Drill rig at the Mallik site, NW-Canada.<br />
Abb. 5.28: Filterkuchen auf einer Rotliegend-Sandstein-Oberfläche<br />
nach Einwirkung einer High-Tec-Bohrspülung<br />
(Raab et al., pers. Mitt.)<br />
Filtercake on the surface of a Rotliegend sandstone after<br />
infiltration of a high-tec borefluid (Raab et al., pers. comm.)<br />
zu 90 %. Mittlere Werte der Wärmeleitfähigkeit der hydratführenden<br />
Intervalle liegen zwischen 2,35 W/m/K und<br />
2,77 W/m/K. Die Ergebnisse zeigen, dass Veränderungen<br />
der Wärmeleitfähigkeit wesentlich durch lithologische<br />
Wechsel verursacht werden und der Einfluss der Hydratsättigung<br />
auf die effektive Wärmeleitfähigkeit des<br />
Gesteins nur von untergeordneter Bedeutung ist. Die verbesserte<br />
Kenntnis der Wärmeleitfähigkeit gashydratführender<br />
Sedimente ermöglicht die Berechnung der dynamischen<br />
Wärmetransportprozesse bei Bildung und Zerfall<br />
von Gashydraten.<br />
Ingenieurseismologie<br />
Die Forschungsarbeiten der Sektion 5.3 „Ingenieurseismologie“<br />
konzentrieren sich auf ingenieurtechnisch umsetzbare,<br />
angewandte seismologische Forschungsthemen<br />
wie z. B. probabilistische Einschätzungen der Erdbebengefährdung,<br />
deren Überführung in Regelwerke zum erdbebengerechten<br />
Konstruktionsentwurf sowie in Erdbebenrisikoaussagen<br />
als Grundlage für ein Risikomanagement.<br />
Hinzu kommen seismologische und ingenieurseismologische<br />
Grundlagenuntersuchungen, wie die Bereitstellung<br />
geeigneter Ausgangsdaten, z. B. von Dämpfungsbeziehungen<br />
von potentiell schadenverursachenden Er-<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
387
388<br />
Abb. 5.30: Vergleich von Wärmeleitfähigkeitsprofilen, die aus Mischungsgesetzmodellen<br />
und geothermischen Daten (Mallik 5L-38-Bohrung, September<br />
2003) berechnet wurden, zusammen mit den 95 % Konfidenzintervallen.<br />
Zur besseren Vergleichbarkeit sind die Daten als 5-Meter-Mittelwerte<br />
dargestellt. Verändert nach Henninges et al. (2005).<br />
Comparison of thermal-conductivity profiles calculated from mixing-law<br />
models and 5-m average temperature gradients (Mallik 5L-38 well, September<br />
2003), together with 95% confidence interval limits. For better<br />
comparability, the mixing law conductivities are correspondingly displayed<br />
as 5-m arithmetic average values. Modified from Henninges et al.<br />
(2005).<br />
schütterungsparametern, der Vulnerabilitätsanalyse<br />
von Bauten, numerischen<br />
Modellierungen zum Bebengenerierungspotential<br />
von geologischen Bruchstörungen<br />
sowie Analysen zum bebenauslösenden<br />
Spannungsfeld in der Erdkruste.<br />
Seismische Risikokartierung Deutschlands<br />
Im gemeinsam von <strong>GFZ</strong> Potsdam und der<br />
Universität Karlsruhe betriebenen virtuellen<br />
Institut CEDIM (Centre for Disaster<br />
Management and Risk Reduction<br />
Technology) wurde im Projekt „Risikokartierung<br />
Deutschland“ das Erdbebenrisiko<br />
landesweit berechnet und kartenmäßig<br />
dargestellt (vgl. dazu auch die Arbeit<br />
„Risikokarten für Deutschland“ in diesem<br />
Bericht). Verschiedene der seismisch<br />
aktivsten Zonen in Europa nördlich der<br />
Alpen befinden sich in Deutschland<br />
und im Grenzgebiet zu Deutschland<br />
(Abb. 5.31). Dort traten in historischer<br />
Zeit Momentmagnituden von M W > 6 und<br />
bis M W = 6,9 auf, denen Erschütterungsintensitäten<br />
von VIII-IX und IX entsprechen.<br />
Da verschiedene dieser aktiven<br />
Seismizitätszonen eine hohe Bevölkerungsdichte<br />
und einen hohen Grad der<br />
Industrialisierung aufweisen und damit<br />
die Erdbebengefährdung mit einer hohen<br />
Konzentration von Werten zusammentrifft,<br />
ist die Analyse der Einflüsse von<br />
Erdbeben auf eine derart exponierte<br />
Infrastruktur sehr wichtig.<br />
Eine Methodik zur Berechnung des seismischen<br />
Risikos geht aus von intensitätsbasierten<br />
probabilistischen seismischen<br />
Gefährdungseinschätzungen, Vulnerabilitätsmodellen<br />
auf der Grundlage der<br />
räumlichen Verteilung von Wohngebäuden<br />
unterschiedlichster Bauweisen bzw.<br />
Abb. 5.31: Zeitgenössischer Kupferstich,<br />
der die Wirkungen des Bielefeld-Bebens<br />
von 1612 zeigt: verängstigte Bürger<br />
(Mitte), herunterfallendes Zinngeschirr<br />
(links) und (rechts) beschädigte Bauten,<br />
wie ein Stadttorturm und das Bielefelder<br />
Franziskaner-Kloster, die erhebliche<br />
Mauerrisse aufweisen (vgl. Grünthal,<br />
2004).<br />
Contemporary engraving showing the<br />
effects of the 1612 Bielefeld earthquake:<br />
frightened people (middle), falling pewter<br />
wave (left) and (right) damaged buildings<br />
like a city gate tower and the Bielefeld<br />
Franciscans monastery, both evidencing<br />
considerable fissures in the walls (cf.<br />
Grünthal, 2004).<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb. 5.32: Epizentren katalogisierter Erdbeben (Grünthal & Wahlström,<br />
2003).<br />
Epicentres of catalogued earthquakes (Grünthal & Wahlström, 2003).<br />
-typen sowie den Wiederherstellungskosten solcher Wohngebäude<br />
spezifiziert für alle kommunalen Strukturen. Die<br />
grenzüberschreitenden Erdbebendaten in Form einer europäischen<br />
Datenbasis (Abb. 5.32) wurden am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />
von Grünthal und Wahlström (2003) erarbeitet. Ebenso<br />
wurden die Erdbebengefährdungsdaten von früheren Analysen<br />
am <strong>GFZ</strong> verwendet, die für den Erschütterungsparameter<br />
der makroseismischen Intensität kalibriert und für<br />
eine Nichtüberschreitenswahrscheinlichkeit von 90 % in<br />
50 Jahren berechnet sind (Abb. 5.33). Die Erdbebengefährdungsdaten,<br />
die primär für einen Gitterpunktabstand<br />
von 0,1° x 0,1° vorliegen, werden anhand von Interpolationen<br />
jeder der 13.490 separaten administrativen Kommunen<br />
in Deutschland zugeordnet.<br />
Für die Abschätzung der Häufigkeitsverteilung von<br />
Gebäuden bestimmter Verletzbarkeitsklassen wurde eine<br />
repräsentative Methodik entwickelt. Verschiedene Prototyp-Kommunen,<br />
die unterschiedlichen Klassen von Kommunen<br />
bezüglich ihrer Einwohnerzahl entsprechen, wurden<br />
anhand von Vor-Ort-Analysen im Hinblick auf ihre<br />
Vulnerabilitätsstruktur untersucht. Fünf Einwohnerklassen<br />
umfassen Orte mit weniger als 300 Einwohnern, 300<br />
bis 3.000, 3.000 bis 30.000, 30.000 bis 300.000 und mehr<br />
als 300.000. Zusatzinformationen konnten aus veröffentlichtem<br />
Material und der nationalen INFAS-Datenbank<br />
entnommen werden.<br />
Zur notwendigen Unterteilung von Verletzbarkeiten wurden<br />
die im Rahmen der Europäischen Makroseismischen<br />
Skala (EMS-98; Grünthal, 1998) erarbeiteten<br />
und international bewährten Vulnerabilitätsklassen<br />
zugrunde gelegt und<br />
deren repräsentative Häufigkeitsverteilungen<br />
in den fünf Kommunenklassen<br />
ermittelt.<br />
Schadenswahrscheinlichkeitsmatrizen<br />
wurden erarbeitet, die den erwarteten<br />
Schaden in Prozent der Zerstörung für<br />
verschiedene Kombinationen von Vulnerabilitätsklassen<br />
und makroseismische<br />
Intensitäten angeben. Diese sind in Abb.<br />
5.34 als Vulnerabilitäts- bzw. Fragilitätskurven<br />
dargestellt. Die Vulnerabilitätsklassenverteilung<br />
in Verbindung mit den<br />
Schadensmatrizen ergibt typische Schadenskurven<br />
für die Kommunengrößenklassen<br />
(Abb. 5.35). In einem nächsten<br />
Arbeitsschritt werden die makroseismischen<br />
Intensitäten für das betrachtete<br />
Gefährdungsniveau (bzw. Eintreffenswahrscheinlichkeit)<br />
mit den zugehörigen<br />
Werten der Fragilitätskurven kombiniert.<br />
Werden diese ortsbezogenen Daten<br />
wiederum mit den Wiederherstellungskosten<br />
verknüpft, folgt als Resultat die<br />
Erdbebenrisikokarte in Form von monetären<br />
Verlustaussagen (Abb. 5.36). Bisher<br />
wurden nur Wohnhäuser in die Analysen<br />
einbezogen. Die Angaben zum Werteinventar<br />
(Asset) in den einzelnen Kommunen sind von der<br />
Asset-Gruppe in CEDIM bereitgestellt worden.<br />
Den relativ geringen Schadenserwartungen für größere<br />
Städte (diese weisen infolge massiver Kriegseinwirkungen<br />
in stärkerem Ausmaß resistentere neuere Bauten auf als die<br />
Mehrzahl kleinerer Städte) stehen i. d. R. dennoch erhöhte<br />
Risikowerte gegenüber, die durch die im Gegensatz zu kleineren<br />
Kommunen erhöhten Wertekonzentrationen bedingt<br />
sind. Für die bevölkerungsreicheren Kommunen ist damit<br />
deren relativ zur Umgebung erniedrigte Vulnerabilität überkompensiert<br />
durch deren höhere totale Wertekonzentration.<br />
Für das gewählte Wahrscheinlichkeitsniveau von 10 %<br />
Überschreitenswahrscheinlichkeit in 50 Jahren ergeben<br />
sich damit erwartete Verlust von mehreren Hundert Millionen<br />
Euro in den am meisten gefährdeten größeren Kommunen.<br />
Die 15 Kommunen mit dem größten erwarteten<br />
Erdbebenrisiko sind in Tabelle 1 zusammengefasst.<br />
Dieses methodische Vorgehen zur Abschätzung des seismischen<br />
Risikos wurde anhand beobachteter Schadenswerte<br />
von Beben der letzten 30 Jahre in Deutschland und<br />
im grenznahen benachbarten Ausland kalibriert. Obwohl<br />
nur Wohnbauten betrachtet wurden und keine sonstigen,<br />
gegenüber Erdbeben verletzbaren Objekte, gibt die vorliegende<br />
Risikokarte bereits einen guten Eindruck vom<br />
insgesamt zu erwartenden Erdbebenrisiko, zumal Wohngebäude,<br />
sowohl seitens ihres Werteinventars als auch vom<br />
sozialen Standpunkt aus betrachtet, in ihrer Summe die<br />
größte gesamtgesellschaftliche Bedeutung besitzen.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
389
390<br />
Abb. 5.33: Erdbebengefährdung in Deutschland in Form berechneter Intensitätswerte für eine Nichtüberschreitenswahrscheinlichkeit<br />
von 90 % in 50 Jahren; mit Karte der Epizentren tektonischer Erdbeben (Grünthal et al., 1998).<br />
Earthquake hazard in Germany in terms of European Macroseismic Scale intensities for a non-exceedence probability<br />
of 90 % in 50 years; epicentres of tectonic earthquakes (Grünthal et al., 1998).<br />
Vergleichende Bewertung des Naturgefahrenrisikos für<br />
die Stadt Köln – Erdbeben, Hochwasser und Stürme<br />
Die am <strong>GFZ</strong> vorgenommenen Untersuchungen zur Abschätzung<br />
der Erdbebengefährdung finden ihre Umsetzung<br />
in die Praxis (1) in Form der Bereitstellung von Erdbebenzonierungskarten<br />
und von seismischen Lastannah-<br />
men für erdbebengerechte Baunormen, wie der zum<br />
01. 04. 2005 eingeführten Neufassung der DIN 4149 und<br />
(2) in Form von Überführungen der Erdbebengefährdungsaussagen<br />
in Risikoaussagen, d. h. der Berechnung<br />
zu erwartender monetärer Verluste für verschiedene Eintreffenswahrscheinlichkeiten.<br />
Diese bilden die Grundlage<br />
für ein möglichst realistisches langfristig orientiertes Risi-<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb. 5.35: Vulnerabilitäts-(Schadens-)kurven für die repräsentativen Kommunengrößenklassen.<br />
Vulnerability (damage) curves for the representative community classes.<br />
Abb. 5.34: Vulnerabilitätskurven für die<br />
Vulnerabilitätsklassen A bis D der EMS-<br />
98 (Grünthal, 1998).<br />
Vulnerability curves for the EMS-98 vulnerability<br />
classes A to D (Grünthal, 1998).<br />
komanagement. Besonders nützlich stellen<br />
sich quantitative Vergleiche des Risikos<br />
durch verschiedene Naturgefahren dar.<br />
Im Rahmen des Deutschen Forschungsnetzes<br />
Naturgefahren (DFNK) wurden<br />
die Risiken durch Erdbeben, Hochwasser<br />
und Stürme für den Raum Köln untersucht.<br />
Nach Vorliegen der DFNK-Resultate<br />
wurde unter Koordinierung der Sektion<br />
5.3 ein quantitativer Vergleich der<br />
Risiken für die Stadt Köln vorgenommen.<br />
Hierbei galt es, die Arbeiten zur Risikoabschätzung<br />
zu Erdbeben, Hochwasser<br />
und Stürmen so zu gestalten, dass die<br />
Ergebnisse einen direkten Vergleich erlauben<br />
und dieser Vergleich für einen<br />
möglichst weiten Bereich betrachteter<br />
Eintreffenswahrscheinlichkeiten möglich<br />
ist, wie diese typischerweise für die Erdbebengefährdung<br />
angegeben werden. Die<br />
hier vorgestellten Ergebnisse sind das<br />
Produkt einer engen Zusammenarbeit des<br />
<strong>GFZ</strong> Potsdam mit der Bauhaus-Universität<br />
Weimar, wo die wesentlichen Komponenten<br />
der Quantifizierung des Erdbebenrisikos<br />
untersucht wurden, sowie mit<br />
der Universität Leipzig, an der das Sturmrisiko<br />
abgeschätzt wurde. Innerhalb des<br />
<strong>GFZ</strong> erfolgte eine Zusammenarbeit mit<br />
der Sektion 5.4, wo das Hochwasser-<br />
Tab. 1: Liste von Kommunen mit den höchsten Risikowerten; erwartete Verluste durch mögliche Schäden an Wohnbauten<br />
für eine Nichteintreffenswahrscheinlichkeit von 90 % in 50 Jahren.<br />
List of the 15 communities with the highest risk values; estimated losses due to probable damage to the residential<br />
building stock for a 90 % non-exceedance probability in 50 years.<br />
Community Location Federal state Population Seismic risk<br />
(thousand) (million euro)<br />
Köln 50°56'N 6°55'E North Rhine-Westphalia 968 790<br />
Aachen 50°46'N, 6°05'E North Rhine-Westphalia 246 560<br />
Tübingen 48°31'N, 9°03'E Baden-Württemberg 82 470<br />
Mönchengladbach 51°11'N, 6°26'E North Rhine-Westphalia 263 440<br />
Reutlingen 48°29'N, 9°12'E Baden-Württemberg 111 430<br />
Stuttgart 48°47'N, 9°11'E Baden-Württemberg 587 400<br />
Albstadt 48°13'N, 9°00'E Baden-Württemberg 47 375<br />
Düren 50°48'N, 6°28'E North Rhine-Westphalia 92 330<br />
Freiburg im Breisgau 47°59'N, 7°50'E Baden-Württemberg 208 290<br />
Konstanz 47°40'N, 9°10'E Baden-Württemberg 79 280<br />
Karlsruhe 49°00'N, 8°23'E Baden-Württemberg 280 255<br />
Lörrach 47°37'N, 7°39'E Baden-Württemberg 46 220<br />
Balingen 48°16'N, 8°51'E Baden-Württemberg 34 210<br />
Frankfurt am Main 50°08'N, 8°40'E Hessen 641 200<br />
Kerpen 50°52'N, 6°41'E North Rhine-Westphalia 64 195<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
391
392<br />
Abb. 5.36: Erwartete Verteilung des seismischen Risikos (Millionen Euro) in deutschen Kommunen für eine Nichteintreffenswahrscheinlichkeit<br />
von 90 % in 50 Jahren (Tyagunov et al., 2006, submitted).<br />
Estimated distribution of seismic risk (millions of euro) in communities of Germany for a non-exceedence probability<br />
of 90 % in 50 years (Tyagunov et al., 2006, submitted).<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
isiko und wesentliche Teile zum Werteinventar<br />
untersucht wurden.<br />
Als Zielgebiet für diese Multirisiko-Studie<br />
wurde Köln ausgewählt, da hier eine<br />
Millionenstadt mit einer hohen Wertekonzentration<br />
sowie einem bedeutenden<br />
Industrie- und Dienstleistungssektor zusammentreffen<br />
mit den drei behandelten<br />
Naturgefahren: Erdbeben, Sturm und<br />
Hochwasser. Stürme nehmen eine Spitzenposition<br />
in der jährlichen Schadensstatistik<br />
ein; z. B. übersteigen die Sturmschäden<br />
im Jahr 1999 landesweit zehn<br />
Milliarden Euro. Auch Überschwemmungsereignisse<br />
können ein großes Ausmaß<br />
annehmen wie bei der Elbe-Flut<br />
2002 mit mehr als neun Milliarden Euro.<br />
Bei der Rhein-Überschwemmung im<br />
Jahre 1995 erreichten die Schäden in<br />
Köln 33 Millionen Euro.<br />
Während Bedrohungen durch Stürme<br />
und Hochwasser der Bevölkerung sehr<br />
bewusst sind, trifft dies auf die ungleich<br />
selteneren Erdbeben nicht zu. So ist z. B.<br />
das Roermond-Beben von 1992 (M W =<br />
5,3), bei dem 7.200 Gebäude beschädigt<br />
wurden und Schäden von 150 Millionen<br />
Euro auftraten, nur den Betroffenen noch<br />
gegenwärtig. Jedoch kann mit weitaus<br />
stärkeren Beben gerechnet werden. Die<br />
größten historischen Beben im Raum Köln i. w. S. erreichten<br />
M L = 6,1 bzw. M W = 5,8, paläoseismologisch nachgewiesene<br />
Beben in der Region sogar M W von 6,7.<br />
Um die Ergebnisse der drei Naturgefahrenarten vergleichen<br />
zu können, wurde eine unter den einzelnen Bearbeiterteams<br />
abgestimmte Vorgehensweise mit folgenden<br />
Analyseschritten beschritten:<br />
1. Gefährdungseinschätzungen in Form der Wahrscheinlichkeit<br />
des Auftretens potentieller Schadenereignisse,<br />
wobei, entgegen der üblichen Vorgehensweise, auch<br />
für Stürme und Hochwasser ein möglichst breiter<br />
Bereich zu überdeckender Eintreffenswahrscheinlichkeiten<br />
zu fordern ist<br />
2. Abschätzung des Werteninventars<br />
3. Vulnerabilitätsabschätzungen, die sehr unterschiedlich<br />
für die betrachteten Gefahrenarten ausfallen; so<br />
ist z. B. bei Stürmen der Fassaden- und Dachbereich<br />
vulnerabilitätsbestimmend, dagegen bei Hochwasser<br />
die Ausbildung der untersten Teile von Gebäuden<br />
4. Verlustabschätzung durch Überlagerung der Werteverteilung<br />
mit den Vulnerabilitäten sowie den zugehörigen<br />
Szenarien von Ereigniswahrscheinlichkeiten<br />
5. Synthese der Verlustzuweisungen für die drei Gefahrenarten<br />
Die Gefährdungsabschätzungen für die drei betrachteten<br />
Gefahrenarten basieren auf sehr unterschiedlich langen<br />
Abb. 5.37: Gefährdungsabschätzungen für Köln (Grünthal et al., 2004).<br />
Seismic hazard assessment for the area of Cologne (Grünthal et al., 2004).<br />
Beobachtungsreihen. Während für das Sturmrisiko eine<br />
nur 30-jährige Beobachtung der stündlichen Windgeschwindigkeiten<br />
(1971 bis 2000) zur Verfügung stand, sind<br />
es für Hochwasser 120-jährige Abflussmessreihen am Pegel<br />
Köln. Für Erdbeben können die Katalogdaten der letzten<br />
1.000 Jahre für ein zu nutzendes Untersuchungsgebiet von<br />
mehr als 300 km um die Stadt Köln herangezogen werden,<br />
die hinsichtlich der Intensitäten von 8 ab ca. 1.250<br />
hinreichend vollständig sind. Paläoseismologische Daten<br />
überdecken ca. 15.000 Jahre. Grünthal et al. (2004) ermittelten<br />
das Werteinventar für Köln und die Abschätzung<br />
der Vulnerabilitätsverteilungen der Gebäudestruktur für<br />
die Gefahren durch Sturm, Hochwasser und Erdbeben.<br />
Die Abb. 5.37 zeigt die Erdbebengefährdungskurve für<br />
das Zentrum von Köln, kalibriert für den Erschütterungsparameter<br />
„makroseismische Intensität“. Zusätzlich sind<br />
drei Szenarien der räumlichen Intensitätsverteilung für<br />
unterschiedliche Eintreffenswahrscheinlichkeiten dargestellt.<br />
Die Synopsis der monetären Verluste durch Sturm,<br />
Hochwasser und Erdbeben ist in Abb. 5.38 dargestellt. In<br />
der Risikobewertung dominiert für große Eintreffenswahrscheinlichkeiten<br />
von 10 –1 bis etwa 5 . 10 –3 p. a. das Risiko<br />
durch Überschwemmungen und Stürme.<br />
Aufgrund der exponierten Lage Kölns am regelmäßig<br />
Hochwasser führenden Rhein dominiert das Hochwasserrisiko.<br />
Hinsichtlich der Windexposition der Stadt ist diese<br />
eher als geschützt zu bewerten. Schadenbeben spielen für<br />
Köln bis zum Wahrscheinlichkeitsniveau von 5 . 10 –3 p. a.,<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
393
394<br />
Abb.5.38:Risikokurven für Hochwasser, Erdbeben und Sturm für Köln unter<br />
Berücksichtigung der Schäden an Gebäuden und in den Bereichen Privathaushalte,<br />
Handel und Industrie (Grünthal et al., 2004).<br />
Risk curves of the hazards due to windstorms, floods and earthquakes for<br />
the city of Cologne considering losses at buildings and in the sectors private<br />
housing, commerce and industry (Grünthal et al., 2004).<br />
dem eine mittlere Wiederholungsperiode T von 200 Jahren<br />
entspricht, keine Rolle. Für Laien unerwartet, dominieren<br />
für mittlere Wiederholungsperioden T von 200 Jahren<br />
und größer die Erdbeben das Risikopotential durch<br />
Naturgefahren. Zumindest scheint das Erdbebenrisiko für<br />
derartige Werte von T etwa gleich groß ausgebildet zu sein<br />
wie für Hochwasser.<br />
Die Studie zeigte, dass Multirisikoabschätzungen für städtische<br />
Räume, die große Bereiche von Eintreffenswahrscheinlichkeiten<br />
überdecken, möglich sind. Die vorgelegten<br />
Ergebnisse der Eintreffenswahrscheinlichkeiten monetärer<br />
Verluste sind ein wesentlich besserer Indikator für<br />
das Risikomanagement als die bisher üblicherweise angegebenen<br />
mittleren erwarteten jährlichen Schäden, die von<br />
häufigen Ereignissen ohne katastrophale Ausmaße domi-<br />
niert werden, während für das Risikomanagement<br />
quantifizierte vergleichende<br />
Aussagen zu Katastrophenlagen entscheidend<br />
sind.<br />
Konstante Zeitintervalle zwischen Starkbeben?<br />
– Numerische Modellrechnungen<br />
an Transform-Störungen<br />
In der Analyse der seismischen Gefährdung<br />
wird in zunehmendem Maß die Zeitabhängigkeit<br />
des Auftretens von Starkbeben<br />
berücksichtigt. In diesem Zusammenhang<br />
interessiert insbesondere die<br />
Frage, wie die Zeitintervalle zwischen<br />
diesen Starkbeben charakterisiert werden<br />
können.<br />
Basierend auf einem numerischen Modell<br />
einer nicht-planaren Transform-Störung<br />
wurden numerische Simulationen<br />
durchgeführt, die zu wiederholten Bruchprozessen<br />
unterschiedlicher Stärke auf<br />
dieser Störung führen. Die Geometrie<br />
und Belastung der Störung im Modell<br />
wurde so gewählt, dass die verschiedenen Störungssegmente<br />
entweder eine Transpressions- oder ein Transtensionsregime<br />
zeigen. Zur Beschreibung der Festigkeit der<br />
Störung wurde ein Mohr-Coulomb-Kriterium verwendet.<br />
Wesentliche Vorraussetzung für den wiederholten Bruch<br />
ist eine Heilung des Festigkeitsverlustes der Störung nach<br />
einem singulären Bruchprozess, so dass ein erneuter<br />
Bruch mit Festigkeitsverlust möglich ist. Die numerischen<br />
Simulationen wurden mit dem Distinct-Element-Programm<br />
3DEC durchgeführt.<br />
Die Analyse der simulierten Bruchereignisse liefert folgende<br />
Ergebnisse:<br />
• Die Verteilungen der Magnitudenhäufigkeiten zeigt in<br />
einem signifikanten Magnitudenbereich ein log-line-<br />
Abb. 5.39: Magnituden Häufigkeiten für verschiedene Modellparameter in den numerischen Rechnungen (a bis e):<br />
●-Störungssegment mit Transpression, ◆-Segment mit Transtension und ■-Häufigkeit für alle Beben (Schelle et al.,<br />
2006, submitted).<br />
Magnitude-frequency curves for different parameter sets in the numerical simulation (a-e): ●-transpressional segment,<br />
◆-transtensional segment and ■-total number of events (Schelle et al., 2006, submitted).<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
ares Verhalten in Übereinstimmung mit dem Gutenberg-Richter-Gesetz<br />
(logN = a – bM).<br />
• Der Abfall der Magnitudenhäufigkeit, der b-Wert,<br />
hängt stark von den verwendeten elastischen Parametern<br />
ab (Abb. 5.39).<br />
• In einem steiferen Modell sind die zugehörigen b-<br />
Werte eher klein (~ 0,5), so dass die Deformationsenergie<br />
bevorzugt durch wenige, aber starke Bruchereignisse<br />
freigesetzt wird.<br />
• Wenn die Elastizitätsparameter reduziert werden, steigt<br />
der b-Wert bis auf ca. 2 an und die Energie wird durch<br />
häufigere, aber weniger starke Ereignisse freigesetzt.<br />
• Der Einfluss des Deformationsregimes – Transpression<br />
oder Transtension – ist auf den b-Wert relativ<br />
gering im Gegensatz zu den Elastizitätsparametern.<br />
• Eine Verifizierung des seismischen Zyklus durch die<br />
Analyse der verschiedenen Zeitintervalle zwischen<br />
Abb. 5.40: Häufigkeit des Auftretens verschiedener<br />
Zeitintervalle zwischen Starkbeben:<br />
(a) extrapolierte Verteilungen für<br />
verschiedene Belastungsraten in den<br />
Modellrechnungen und (b) Vergleich<br />
der gemittelten Modellverteilung mit<br />
einer angepassten Log-Normalverteilung<br />
(Schelle et al., 2006, submitted).<br />
Temporal distributions of inter-event<br />
times for main events only: (a) extrapolated<br />
distributions for different loading<br />
rates applied in the numerical simulations<br />
and (b) comparison between the<br />
averaged inter-event time distribution<br />
with a least squares log-normal approximation<br />
(Schelle et al., 2006, submitted).<br />
starken Bruchereignissen auf einem Störungssegment<br />
zeigt, dass diese nicht konstant sind, sondern eine breite<br />
Verteilung haben (Abb. 5.40a), die mit einer Log-<br />
Normalverteilung sehr gut beschrieben werden kann<br />
(Abb. 5.40b).<br />
• Die Analyse der Korrelation zwischen starken Bruchereignissen<br />
benachbarter Segmente liefert ebenfalls<br />
keine eindeutig definierten Zeitintervalle zwischen<br />
den Beben auf verschiedenen Segmenten.<br />
Untersuchung von Strain-Textur-Wechselwirkungen an<br />
geologischen Proben mittels Neutronen-Flugzeit-Diffraktion<br />
Im Berichtszeitraum wurde die Ausstattung des Diffraktometers<br />
Epsilon-Mds am Flugzeitkanal 7A des IBR-2<br />
(JINR Dubna) mit Detektoren weiter vervollständigt. In<br />
Abb. 5.41: Multidetektordiffraktometer Epsilon-Mds, eingeschlossen<br />
in eine Isolierkammer zur Wärmestabilisierung<br />
während Langzeitexperimenten (Foto: C. Scheffzük,<br />
<strong>GFZ</strong>).<br />
The multidetector-diffractometer Epsilon-Mds, locked into<br />
a cabin to assure continues temperature conditions, first<br />
of all for long-time experiments.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
395
396<br />
diesem Zusammenhang ist neben der notwendigen Anpassung<br />
der Elektronik zur Datenaufnahme auch ein kompletter<br />
Austausch der Hochspannungsversorgung für die<br />
Detektoren erfolgt. Vorbereitet wurde die weitere Ausgestaltung<br />
der in situ operierenden Zusatzgeräte mit der<br />
Installation eines Systems zur Aufnahme und Ortung<br />
akustischer Emissionen während der Deformationsexperimente<br />
(Ultraschallmessung).<br />
Damit besteht die Experimentumgebung des Multidektorendiffraktometers<br />
Epsilon-Mds aus einer (einaxialen)<br />
Deformationseinrichtung (Exstress), einer berührungsfreien<br />
Makro(Proben)Strain-Messeinrichtung (Laser-Extensometer)<br />
und einem System zur Messung von Schallwellengeschwindigkeiten<br />
mit der Möglichkeit, akustische<br />
Emissionen während der Deformationsprozesse aufzunehmen<br />
und zu lokalisieren.<br />
Die aus Experimenten mit dem Diffraktometer Epsilon-<br />
Mds zu verschiedenen Jahreszeiten gewonnenen Datensätze<br />
waren in der Vergangenheit durch Temperaturschwankungen<br />
in der Versuchshalle untereinander nur<br />
begrenzt vergleichbar und die Ergebnisse von Langzeitexperimenten<br />
waren bisher nur bedingt sinnvoll. Zur Temperaturstabilisierung<br />
wurde das Diffraktometer deshalb<br />
vollständig in eine isolierende Hülle eingeschlossen. Die<br />
Temperatur wird automatisch gemessen und gesteuert.<br />
Die Einrichtung gestattet unter noch nicht voll ausgeschöpften<br />
Möglichkeiten des Betriebs eine Temperaturstabilisierung<br />
im Bereich von +0,2 °C (Abb. 5.41).<br />
Die Haltbarkeit von Natursteinen als Werkstein (z. B. für<br />
Täfelungen an Gebäuden) wird von residuellem Strain und<br />
Textureigenschaften wesentlich mitbestimmt. Die Einstellung<br />
eines residuellen Straingleichgewichts und die<br />
Textureigenschaften sind neben anderen Faktoren wichtige<br />
Einflussgrößen, die zu Deformationen führen und in<br />
der Folge oft das Ab- bzw. Zerfallen von Bauteilen bewirken.<br />
Zum besseren Verständnis der ablaufenden Deformationsvorgänge<br />
wurden Strain- und Texturmessungen an<br />
Proben durchgeführt, die verschiedene Entwicklungsstadien<br />
zwischen undeformierten, texturierten, frisch in<br />
Steinbrüchen entnommenen Proben bis hin zu verschiedenen<br />
Stadien der Nutzungsdauer als Werkstein und experimentell<br />
verformten Natursteinen repräsentieren.<br />
Ausgewertet wurden fünf Kalzit-Bragg-Reflexe (011 _ 2),<br />
(101 _ 4), (0006), (112 _ 0) und (112 _ 3). Für die f-Flächen<br />
(011 _ 2) einer stark deformierten Paneelplatte ergab sich ein<br />
positiver Strain (Dilatation) von = (150 + 90) . 10 –6 , während<br />
sowohl eine frisch gebrochene Probe als auch eine<br />
vergleichsweise noch gut erhaltene Fassadenplatte negativen<br />
Strain (Kompression) von = –(120 + 80) . 10 –6 bzw.<br />
= –(180 + 70) . 10 –6 zeigten. Negativer Reststrain von<br />
= –(397 + 117) . 10 –6 wurde auch für den (101 _ 4)-Bragg-<br />
Reflex einer stark deformierten Fassadenplatte bestimmt,<br />
während sich ein nahezu strainfreier Zustand sowohl für<br />
eine kürzlich gebrochene als auch gut erhaltene Fassadenplatte<br />
ergab. Peakverbreiterungen (FWHM) z. B. für<br />
den [112 _ 0]-Reflex (a-Achse) von 21,8 + 1,0 Zeitkanälen<br />
für eine stark deformierte Probe gegenüber 17,8 + 0,3<br />
Zeitkanälen für eine gebrochene bzw. auch eine gut erhaltene<br />
Fassadenplatte verweisen zusätzlich auf die Existenz<br />
von Mikrospannungen (Spannungen 2. Art). Kristallographische<br />
Vorzugsorientierung und Kornformanisotropie<br />
werden als Ursache für die ermittelten, z. T. beträchtlichen<br />
Unterschiede der richtungsabhängigen Reststrainwerte<br />
gesehen.<br />
Unter der Bezeichnung „Zuckerdolomit“ ist ein aufgrund<br />
seiner speziellen Eigenschaften, vor allem im Zusammenhang<br />
mit bergbaulichen Tätigkeiten, gefürchtetes Gestein<br />
bekannt. Eine solche Dolomit-Anhydrit-Probe aus der<br />
Piora-Mulde, entnommen aus dem Kernmaterial einer der<br />
Erkundungsbohrungen zum Gotthard-Basistunnel, wurde<br />
phasenspezifisch hinsichtlich ihrer Textur- und Reststrain-<br />
Eigenschaften untersucht, um den Einfluss von Textur/<br />
Reststrain-Wechselwirkungen auf das spezifische geomechanische<br />
Verhalten des Gesteins zu prüfen. Solche<br />
Gesteine treten betont in Zonen hoher Deformations- und<br />
Metamorphosegrade auf. Die untersuchte Probe zeigte<br />
mikrostrukturell deutliche Deformationsanzeichen am<br />
Anhydrit und Dolomit, aber auch frischen, nicht vergipsten<br />
Anhydrit.<br />
Die Texturen der Anhydrit- (35 %) und Dolomitkomponente<br />
(55 %) des Gesteins sind hinsichtlich Regelungstyp<br />
und -intensität verschieden (Abb. 5.42). Zweifache Klein-<br />
Abb. 5.42: Polfiguren für Dolomit (3) und Anhydrit (1) mit<br />
den ermittelten Strainwerten für sieben Richtungen (2 bis<br />
8) an sieben Probenpositionen (a bis g).<br />
Pole figures for the components dolomite (3) and anhydrite<br />
(1) in a metamorphic rock, combined with strain<br />
values due to seven sample's directions (2 to 8) at seven<br />
positions on the sample (a to g).<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
kreisregelung um Kegelachsen im Winkel von ca. 45° zur<br />
Foliation (s x) charakterisieren die Dolomittextur, eine Gürtelregelung<br />
etwa um die Foliationsfläche (s x) die Anhydrittextur.<br />
Die mit Epsilon-Mds geschaffenen Experimentiermöglichkeiten<br />
gestatten die gleichzeitige Bestimmung von<br />
Reststraindaten für sieben Probenrichtungen (Kollimatorpositionen<br />
2 ... 8). Damit lässt sich durch definierte Probenbewegungen<br />
jeder beliebigen Position einer Texturpolfigur<br />
ein Strainwert zuordnen. Für Darstellungen kristallographischer<br />
Vorzugsorientierungen von Netzebenen<br />
eines Minerals (Polfiguren) in einem mehrphasigen Gestein<br />
lassen sich so für beliebige Orientierungen Strainwerte<br />
bestimmen. Die Abb. 5.43 zeigt ein Beispiel für die<br />
Gesteinstextur des untersuchten Zuckerdolomits. Für drei<br />
Netzebenen des Dolomits und eine Anhydritnetzebene<br />
sind die Strainwerte für sieben Positionen (2 ... 8) der<br />
Gesteinstextur (identisch mit Richtungen bezogen auf das<br />
Probenkoordinatensystem [x,y,z]) gezeigt. Die Bestimmungen<br />
sind an sieben Messpunkten (a bis g) im Abstand<br />
von je 7 mm entlang eines Profils senkrecht zur Foliation<br />
(ss/s x) des Gesteins erfolgt.<br />
Diese Ergebnisse und die beträchtlichen Unterschiede der<br />
mechanischen Eigenschaften beider am Aufbau des Gesteins<br />
beteiligten Minerale, wie sie ihren Ausdruck in verschiedenen<br />
Tensorkomponenten finden (Verhältnis 1:2<br />
und höher), lassen erwarten, dass Reststrain in Verbindung<br />
mit den deutlich unterschiedlichen Textureigenschaften<br />
des Gesteins sein typisches mechanisches Verhalten weitgehend<br />
mitbestimmen. Das würde bedeuten, dass weniger<br />
die stofflichen Besonderheiten mit der Hydratisierung<br />
des Anhydrits als die Richtung der mechanischen Einwirkung<br />
den Festigkeitsverlust des Gesteins mitbestimmt.<br />
Ingenieurhydrologie<br />
Der hydrologische Kreislauf ist durch eine außerordentlich<br />
hohe raum-zeitliche Variabilität gekennzeichnet.<br />
Große Fortschritte bei der Quantifizierung des hydrologischen<br />
Kreislaufs werden durch die Kombination von<br />
Abb. 5.43: Grafische Darstellung der Experimentergebnisse: überwiegend gegenläufige Reststrainbeziehungen für die<br />
untersuchten Anhydrit- und Dolomitnetzebenen.<br />
Graphical presentation of test results: mostly opposite behaviour of residual strain values for the dolomite component<br />
as compared to that of anhydrite.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
397
398<br />
räumlich und zeitlich hoch aufgelösten Beobachtungen<br />
mit hydrologischen Modellen erwartet.<br />
Globale Hydrologie und Satellitenmission GRACE<br />
Zeitliche Änderungen der Wasserspeicherung auf den Kontinenten<br />
stellen eine wesentliche Komponente im Wasserkreislauf<br />
der Erde dar. Speicheränderungen tragen z. B.<br />
über den Gerinneabfluss in die Ozeane zu Meeresspiegelschwankungen<br />
bei. Basierend auf den zeitvariablen<br />
Schwerefeldern der Satellitenmission GRACE (Gravity<br />
Recovery and Climate Experiment) ist es nun erstmals<br />
möglich, die Variationen der Wasserspeicherung für große<br />
Flusseinzugsgebiete und für Kontinente zu bestimmen.<br />
Die globale Hydrologie ist somit ein wichtiger Anwendungsbereich<br />
der vom <strong>GFZ</strong> Potsdam geleiteten GRACE-<br />
Mission und ein zentraler Baustein im Helmholtz-Programm<br />
„Geosystem: Erde im Wandel“.<br />
In der Sektion 5.4 Ingenieurhydrologie wurde das an der<br />
Universität Kassel entwickelte globale hydrologische<br />
Modell WGHM zur Simulation des kontinentalen Wasserkreislaufs<br />
der Erde und aller Speicherkomponenten<br />
(Grundwasser, Bodenwasser, Schnee, Oberflächengewässer)<br />
eingerichtet. Die Modellergebnisse zeigen z. B. starke<br />
saisonale Variationen der Wasserspeicherung in tropischen<br />
Regionen, insbesondere entlang der großen Ströme<br />
und ihrer Überschwemmungsgebiete, sowie in Gebieten<br />
der hohen Breiten mit einer starken Schneeakkumulation<br />
im Winter (Abb. 5.44).<br />
Der Vergleich der Modellergebnisse mit den Wasserspeicheränderungen,<br />
die aus zeitvariablen Schwerefeldern von<br />
GRACE abgeleitet wurden, zeigt eine überwiegend gute<br />
Übereinstimmung der räumlichen und zeitlichen Muster<br />
auf der globalen Skala und für große Einzugsgebiete<br />
(Abb. 5.45). Die GRACE-Daten ermöglichen es aber<br />
auch, Defizite in den hydrologischen Modellen zu identifizieren.<br />
So weist das verfrühte Auftreten des jährlichen<br />
Speichermaximums im Modell (Abb. 5.45) auf eine unzureichend<br />
simulierte Retention des Abflusses in Überschwemmungsgebieten<br />
oder Seen hin. Arbeitsschwerpunkte<br />
in künftigen Projekten im Rahmen des BMBF/<br />
DFG-Sonderprogramms „Geotechnologien: Erfassung<br />
des Systems Erde aus dem Weltraum“ sowie des DFG-<br />
Schwerpunktprogramms „Mass Transport and Mass Distribution<br />
in the Earth System“ sind die verbesserte Separation<br />
hydrologischer Signale aus GRACE-Daten sowie<br />
die Weiterentwicklung der globalen hydrologischen Modellierung<br />
unter Nutzung von GRACE-Daten und anderen<br />
globalen Datensätzen.<br />
Modellierung und Monitoring für kleine Einzugsgebiete<br />
Im DFG-geförderten Antragsbündel „Abflussbildung und<br />
Einzugsgebietsmodellierung“ analysierte die Sektion 5.4<br />
die hydrologischen Prozesse im Löhnersbach in den Salzburger<br />
Alpen (Abb. 5.46). Ziel der Arbeiten war es, die<br />
dominanten Abflussbildungsprozesse im Feld zu identifizieren<br />
und darauf aufbauend ein prozessnahes hydrologisches<br />
Simulationsmodell zu erstellen. Zur Identifizierung<br />
Abb. 5.44: Saisonale Variation der Wasserspeicherung (Differenz zwischen den Monaten mit dem größten und geringsten<br />
Speicherinhalt eines jeden Jahres), berechnet mit dem globalen hydrologischen Modell WGHM für den Zeitraum<br />
1961 bis1995 (in Millimeter Wassersäule).<br />
Seasonal variations of continental water storage (difference between the months with maximum and minimum water<br />
storage in each year), simulated with the global hydrological model WGHM for the period 1961 to1995 (in equivalent<br />
water height [mm]).<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb. 5.45: Beispiele für die zeitliche Variation der Wasserspeicherung in großen Einzugsgebieten gemäß GRACE und<br />
den globalen hydrologischen Modellen WGHM und LaD (Variationen um den Mittelwert für 18 Monate in 2003 und<br />
2004, in mm Wassersäule).<br />
Examples for temporal variations of water storage in large river basins, derived from GRACE time-variable gravity<br />
fields and from the global hydrological models WGHM and LaD (variations around the mean of 18 months in 2003<br />
and 2004, in equivalent water height [mm]).<br />
Abb. 5.46: Blick auf das hydrologische Versuchseinzugsgebiet Löhnersbach<br />
in den Salzburger Alpen (Foto: Ulli Drabek).<br />
View of the hydrological experimental basin Löhnersbach, Salzburger Alps.<br />
der maßgebenden Prozesse wurden in ausgewählten Testflächen<br />
hydrometrische, tracerhydrologische und hydrochemische<br />
Methoden sowie geophysikalische Verfahren<br />
eingesetzt. Damit konnten die dominanten Prozesse, nämlich<br />
Sättigungsflächenabfluss (Abb. 5.47) und schneller<br />
Zwischenabfluss sowie schneller und langsamer Grund-<br />
Abb. 5.47: Die gesättigten Flächen sind einer der dominanten<br />
Abflussbildungsprozesse im Löhnersbach und<br />
bestimmen zu einem erheblichen Teil die Reaktion des<br />
Einzugsgebiets auf Niederschlag (Foto: Mariella Zapletal).<br />
Saturated overland flow is a dominant runoff generation<br />
process in the Löhnersbach catchment. Saturated areas<br />
largely determine the runoff response of the basin.<br />
wasserabfluss erfasst werden. Darüber<br />
hinaus konnten die jeweiligen Entstehungsräume<br />
sowie die meteorologischen<br />
Bedingungen, unter denen diese Prozesse<br />
auftreten, bestimmt werden.<br />
Ziel der modelltechnischen Arbeiten war<br />
es, basierend auf den identifizierten Prozessen<br />
ein Simulationsmodell zu erstellen,<br />
das die dominanten Abflussbildungsprozesse<br />
abbildet. Dabei sollte die<br />
Komplexität des Modells die im Feld<br />
gewonnene Prozesskenntnis nicht übersteigen. Für die<br />
dominanten Abflussbildungsprozesse mit den entsprechenden<br />
Raumeinheiten wurden Simulationsmodule entwickelt<br />
und anhand der Daten der Testflächen plausibilisiert.<br />
Diese Module sowie die an den Abflussprozessen<br />
orientierte Raumgliederung sind die Grundlage für die<br />
hydrologische Simulation im übergeordneten Einzugsgebiet<br />
Löhnersbach. Dieses mesoskalige Modell wurde mit<br />
Hilfe einer „multi-site“-Validierung, also einem Vergleich<br />
von Abflussmessungen an mehreren Stellen im Einzugsgebiet,<br />
bewertet (Abb. 5.48). Hieraus lässt sich folgern,<br />
dass das Modell nicht nur die Abflüsse am Gebietsauslass,<br />
sondern auch die einzugsgebietsinternen Abflussprozesse<br />
adäquat beschreibt.<br />
Gefährdung und Risiko durch Hochwasser<br />
Neben Erdbeben ist Hochwasser ein Schwerpunkt des<br />
<strong>GFZ</strong> Potsdam im Programmthema „Naturkatastrophen<br />
und Vorsorgestrategien“. Dieses Thema hat durch die<br />
Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre in Mitteleuropa<br />
eine neue Aktualität bekommen. So finanziert das<br />
BMBF seit Januar 2005 das Forschungsprogramm „Risikomanagement<br />
extremer Hochwasserereignisse“, das<br />
35 Verbundprojekte umfasst. Aufgrund der vielfältigen<br />
Akteure und Interessenlagen (Wasserwirtschaft, Umwelt,<br />
Versicherungswirtschaft, Katastrophenschutz etc.) hat das<br />
BMBF neben der Projektträgerschaft eine inhaltliche<br />
Koordinierung des gesamten Förderprogramms als not-<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
399
400<br />
Abb. 5.48: Vergleich von simulierten und gemessenen Abflüssen am Pegel Rammern sowie an verschiedenen Zubringern<br />
im Löhnersbachgebiet.<br />
Comparison of simulated and observed runoff at gauge Rammern and at different tributaries of the Löhnersbach catchment.<br />
wendig erachtet. Diese Aufgabe hat das <strong>GFZ</strong> übernommen.<br />
Im Juni 2005 fand am <strong>GFZ</strong> das Kick-off Meeting<br />
der Fördermaßnahme mit fast 200 Teilnehmern statt,<br />
woran auch Vertreter der operationellen Katastrophenvorsorge<br />
teilnahmen. Die enge Verknüpfung von Wissenschaft<br />
und Katastrophenvorsorge soll die Implementierung<br />
der wissenschaftlichen Ergebnisse in der Praxis<br />
sichern.<br />
Methoden zur Abschätzung des Hochwasserrisikos<br />
Die Sektion Ingenierhydrologie entwickelt Methoden zur<br />
Analyse des Hochwasserrisikos in Flusseinzugsgebieten.<br />
Ein Schwerpunkt dieser Arbeiten ist die Ableitung von<br />
Extremszenarien, also Ereignissen, die sehr selten sind<br />
und große gesellschaftliche Auswirkungen haben. Für solche<br />
Ereignisse können die Ansätze, die zur Berechnung<br />
häufigerer Ereignisse entwickelt wurden, nicht angewendet<br />
werden: Die Extrapolation versagt für seltene Ereignisse.<br />
Am <strong>GFZ</strong> wurde ein Ansatz entwickelt, der es erlaubt, entlang<br />
von Flüssen extreme Hochwasserszenarien einschließlich<br />
einer Angabe der Eintrittswahrscheinlichkeit<br />
abzuleiten. Dabei werden Simulationsmodelle, z. B. zur<br />
Berechnung der hydraulischen Prozesse im Fluss, mit<br />
wahrscheinlichkeitstheoretischen Ansätzen zu einem probabilistischen<br />
Modell gekoppelt. Die Abb. 5.49 und 5.50<br />
zeigen die Anwendung dieses Ansatzes auf den Niederrhein<br />
von Köln bis zur deutsch-niederländischen Grenze.<br />
Mögliche Deichbrüche, die Zuflüsse in das System sowie<br />
die Überlagerung der Hochwasserwellen des Rheins bei<br />
Köln und der beiden Nebenflüsse Lippe und Ruhr werden<br />
mit probabilistischen Ansätzen beschrieben.<br />
Abb. 5.50 vergleicht diesen Ansatz mit der statistischen<br />
Extrapolation auf Basis beobachteter Abflussdaten am<br />
Beispiel des Pegels Rees an der deutsch-niederländischen<br />
Grenze. Für Ereignisse mit Wiederkehrintervallen bis ca.<br />
60 Jahre stimmen die Extremwertstatistik und das probabilistische<br />
Modell mit den Beobachtungsdaten überein.<br />
Ab Jährlichkeiten von ca. 300 Jahren weicht die Kurve des<br />
probabilistischen Modells von den beiden extremwertsta-<br />
tistischen Funktionen ab. Dies ist dadurch zu erklären, dass<br />
bei sehr hohen Abflüssen Deichbrüche eintreten können.<br />
Das Wasser strömt durch die Deichbreschen ins Hinterland,<br />
wodurch die Hochwasserwelle unterhalb des Deichbruchs<br />
reduziert wird. Die Berücksichtigung von Deichbrüchen<br />
resultiert in geringeren Abflüssen am Pegel Rees.<br />
Abb. 5.49: Anwendung des probabilistischen Modells zur<br />
Abschätzung von Hochwasserrisiken am Niederrhein.<br />
Das Modell berücksichtigt den Zufallscharakter (a) der<br />
Zuflusswellen in das System (Hochwasserwellen Rhein bei<br />
Köln, Lippe, Ruhr), (b) der zeitlichen Überlagerung der<br />
Zuflusswellen und (c) des Auftretens von Deichbrüchen.<br />
Application of the probabilistic model for flood risk<br />
assessments. The model takes into account the probabilistic<br />
nature of (a) the type of the flood waves at the boundaries<br />
of the system (flood waves of the Rhine at Cologne,<br />
the tributaries Lippe and Ruhr), (b) the temporal coincidence<br />
of flood peaks at the main river and tributaries<br />
and (c) levee breaches.<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb.5.50:Hochwasserwahrscheinlichkeitskurven für den Pegel Rhein/Rees.<br />
Die Extremwertstatistik überschätzt die Abflüsse für Wiederkehrintervalle<br />
größer ca. 300 Jahre. Bei solchen Ereignissen treten oberhalb von Rees<br />
Deichbrüche auf, so dass die Hochwasserwellen deutlich reduziert werden.<br />
Das am <strong>GFZ</strong> Potsdam entwickelte probabilistische Modell berücksichtigt<br />
diesen Effekt.<br />
Flood frequency curves for the gauge Rees at the river Rhine. The extreme<br />
value distributions overestimate discharges that exceed a return period of<br />
about 300 years. During such events levee breaches will probably occur<br />
upstream of Rees so that the flood wave will be considerably reduced. The<br />
probabilistic model developed at <strong>GFZ</strong> Potsdam takes this effect into account.<br />
Das Abflussgeschehen im extremen Bereich wird somit<br />
von einem Prozess (Deichbruch und Ausbreitung der Hochwasserwelle<br />
im Hinterland) dominiert, der bei weniger<br />
extremen Ereignissen nicht eintritt. Da keine Beobachtungsdaten<br />
zu Hochwasserereignissen mit Deichbrüchen<br />
vorliegen, basiert die Extremwertstatistik auf falschen<br />
Annahmen. Erst die Integration von Prozesswissen<br />
und wahrscheinlichkeitstheoretischen<br />
Ansätzen macht die Extrapolation<br />
in den extremen Bereich möglich.<br />
Momentan wird diese Konzeption der<br />
Kopplung von Prozesssimulation und probabilistischen<br />
Ansätzen auf zusätzliche<br />
Prozesse erweitert. Dies betrifft insbesondere<br />
die hydrologischen Prozesse der<br />
Hochwasserentstehung in den Flusseinzugsgebieten.<br />
In diesen Zusammenhang<br />
Abb. 5.51: Räumliche Verteilung der<br />
befragten Privathaushalte, die vom<br />
Hochwasser 2002 betroffen waren. Eingefärbt<br />
sind die zugehörigen Postleitzahlenzonen.<br />
Insgesamt wurden 1.697 Haushalte<br />
interviewt, davon befinden sich 449<br />
im Donau-Einzugsgebiet, 1.248 im Elbe-<br />
Einzugsgebiet.<br />
Spatial distribution of interviewed private<br />
households, affected by the 2002 flood.<br />
ZIP-code areas are marked in colour. All<br />
together, 1697 private households were<br />
interviewed of which 449 are located in<br />
the Danube catchment and 1248 in the<br />
Elbe catchment.<br />
ordnet sich auch die Helmholtz-Nachwuchswissenschaftlergruppe<br />
„Integration<br />
von Informations- und Modellierungssystemen<br />
zur Verbesserung des Managements<br />
von großräumigen Hochwassersituationen“<br />
ein – eine gemeinsame Aktivität mit<br />
der Universität Karlsruhe im Rahmen von<br />
CEDIM. Die Gruppe, finanziert durch den<br />
Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft,<br />
entwickelt ein übertragbares<br />
Modellierungssystem, das die<br />
Quantifizierung des Hochwasserrisikos in<br />
großen Flusseinzugsgebieten erlaubt. Darüber<br />
hinaus kann dieses System zur Wirksamkeitsanalyse<br />
von übergeordneten Hochwasserschutzstrategien<br />
eingesetzt werden.<br />
Besonderes Merkmal dieses Systems ist<br />
die Verwendung einer Software-Plattform<br />
zur Modellkopplung, so dass das Modellsystem<br />
schnell auf verschiedene Fragestellungen<br />
und Flusseinzugsgebiete angepasst<br />
werden kann. Dadurch wird es sehr<br />
einfach möglich, unterschiedliche Modellierungsansätze,<br />
Prozessbeschreibungen,<br />
Modelldiskretisierungen etc. vorzunehmen.<br />
Ein weiteres Forschungsfeld ist die Abschätzung von<br />
Hochwasserschäden. Da neuerdings Entscheidung über<br />
Hochwasserschutzmaßnahmen durch Kosten-Nutzen-Analysen<br />
untersetzt werden müssen, besteht ein großer Bedarf<br />
nach fundierten Aussagen über die zu erwartenden Schäden<br />
im Falle von Hochwasserereignissen. Eine Analyse<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
401
402<br />
des <strong>GFZ</strong> der in Deutschland verwendeten Daten und<br />
Methoden zu Hochwasserschäden zeigte, dass zurzeit nur<br />
sehr unsichere Aussagen über Hochwasserschäden möglich<br />
sind. Aus diesem Grund hat das <strong>GFZ</strong> zusammen mit<br />
der Deutschen Rückversicherung AG nach dem Hochwasser<br />
2002 an Elbe und Donau eigene Datensätze erhoben.<br />
Insgesamt 1.697 von der Augustflut 2002 betroffene<br />
Privathaushalte in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern<br />
sowie 417 betroffene Unternehmen in Sachsen wurden<br />
durch computergestützte Telefoninterviews befragt.<br />
Abb. 5.51 zeigt das Untersuchungsgebiet der Privathaushaltsbefragung.<br />
Die per Zufallsstichprobe ausgewählten<br />
Haushalte und Unternehmen wurden zu verschiedensten<br />
Aspekten interviewt. Beispiele sind:<br />
• Hydrologische Ereigniskenngrößen (Wasserstand,<br />
Überflutungsdauer etc.)<br />
• Frühwarnung und durchgeführte Notmaßnahmen<br />
• Hochwassererfahrung der Haushalte und Unternehmen<br />
• Langfristige Vorsorgemaßnahmen<br />
• Größe und Qualität von Wohnung, Hausrat und Gebäude<br />
Zu jedem Schadenfall wurde somit eine Vielzahl an<br />
Zusatzinformationen erfasst, die weder aus der Schadenkompensation<br />
durch die Behörden oder die Versicherungswirtschaft<br />
noch aus anderen in Deutschland vorliegenden<br />
Schadendatenbanken hervorgehen. Damit eröffnet<br />
der Datensatz neue Möglichkeiten zur Analyse der Einflüsse<br />
auf Hochwasserschäden. Es lässt sich beispielsweise<br />
prüfen, inwieweit Aspekte wie Hochwassererfahrung<br />
oder Frühwarnung tatsächlich Hochwasserschäden<br />
Abb. 5.52: Schadenserhöhende Wirkung von Kontaminationen<br />
auf Hochwasserschäden am Hausrat von Privathaushalten.<br />
Die Säulen stellen die Mittelwerte der Vergleichsgruppen,<br />
die Punkte die Mediane und die Linien<br />
den Interquartilsbereich dar. Eine Kontamination durch<br />
Abwasser, Chemikalien oder Öl verursacht eine 35 bis<br />
45 %ige Erhöhung des Hausratsschadens.<br />
Damage increasing effect of contamination shown for<br />
flood damage ratios of household contents. The columns<br />
represent the means, the dots the medians and the lines<br />
the 25 to 75 % percentiles of the sub-samples. Contaminations<br />
by sewage, chemicals, or oil cause an increase of<br />
35 to 45 % of the contents damage ratio.<br />
reduzieren. Der Datensatz wurde hinsichtlich einzelner<br />
Einflussfaktoren ausgewertet. Dabei zeigte sich beispielsweise<br />
die schadenserhöhende Wirkung von Kontaminationen,<br />
insbesondere von Verunreinigungen durch Öl<br />
(Abb. 5.52), aber auch der mindernde Effekt von baulichen<br />
Vorsorgemaßnahmen.<br />
Großräumige Hochwasserszenarien<br />
Ein Aspekt der Hochwasserforschung, der in der Sektion<br />
Ingenieurhydrologie verstärkt bearbeitet wird, ist die Analyse<br />
von großräumigen Hochwasserereignissen. Hochwasserstudien<br />
beschränken sich in den meisten Fällen auf<br />
lokale und regionale Analysen. So gibt es bis heute keine<br />
wissenschaftlich abgesicherten Methoden zur Prognose<br />
von großräumigen Hochwassersituationen. Solche Prognosen<br />
werden aber für das Katastrophenmanagement von<br />
großräumigen Hochwassergefahrenlagen benötigt, die<br />
Länder- und/oder Einzugsgebietsgrenzen überschreiten.<br />
Auch die Rückversicherungsindustrie braucht zur Gestaltung<br />
ihrer Versicherungspolicen solche Aussagen. Das<br />
<strong>GFZ</strong> untersucht gezielt die Frage, wie großräumige Schadenlagen<br />
prognostiziert werden können. Hierbei gibt es<br />
zwei Hauptprobleme zu lösen: (a) die Generierung großräumiger<br />
Überschwemmungsszenarien, und (b) die skalenadäquate<br />
Analyse auf Basis der großräumig verfügbaren<br />
Datensätze.<br />
Großräumige Überschwemmungsszenarien müssen realitätsnah<br />
sein, d. h. sie müssen prinzipiell auch eintreten<br />
können. Die heute vorliegenden großräumigen Szenarien,<br />
wie z. B. der länderübergreifende Rheinatlas, zeigen Überschwemmungsflächen<br />
mit einheitlichen Wiederkehrintervallen<br />
im gesamten Flusseinzugsgebiet. Solche Szenarien<br />
sind für große Flussgebiete unrealistisch und überschätzen<br />
das Hochwasserrisiko. Eine Analyse von Hochwasserereignissen<br />
am Rhein zeigt, wie unterschiedlich die<br />
Wiederkehrintervalle verteilt sind (Abb. 5.53). Während<br />
das Rheinhochwasser im März 1988 vor allem den Mittelrhein<br />
getroffen hat, waren die Ereignisse 1993 und 1995<br />
am Niederrhein am schlimmsten; 1999 war nur der Oberrhein<br />
betroffen. In einem von Aon Rück finanzierten Projekt<br />
erarbeitet das <strong>GFZ</strong> momentan eine Methode, mit der<br />
realistische räumliche Verteilungen der Hochwasserbetroffenheit<br />
in großen Flussgebieten generiert werden können.<br />
Das zweite Problem betrifft die Ableitung von flächendeckenden<br />
Aussagen auf Basis verfügbarer Datensätze. So<br />
sind beispielsweise für eine Vulnerabilitätsanalyse großer<br />
Gebiete keine detaillierten Landnutzungsdaten verfügbar,<br />
welche die Anordnung einzelner Gebäude zeigen. Daher<br />
muss auf gröbere Datensätze, z. B. auf den europaweit verfügbaren<br />
CORINE-Datensatz, zurückgegriffen werden.<br />
Statistische Daten zu Werten (Gebäude, Infrastruktur,<br />
Kapitalstock etc.) liegen ebenfalls stark aggregiert vor,<br />
z. B. als Summenwerte pro Gemeinde, Kreis oder Bundesland.<br />
Für eine Hochwasserrisikoanalyse sind diese aggregierten<br />
Daten räumlich zu verteilen. Abb. 5.54 zeigt Verteilungen<br />
von Wohngebäudewerten in Baden-Württemberg,<br />
und zwar aggregiert auf Gemeindeebene und räum-<br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam
Abb. 5.53: Jährlichkeiten der Rheinhochwasser vom März 1988, Dezember 1993, Januar 1995 und Mai 1999 an den<br />
Rheinpegeln Maxau (Oberrhein), Kaub (Mittelrhein) und Köln (Niederrhein). Es zeigt sich die große räumliche Heterogenität<br />
von Hochwasserereignissen im Rheingebiet.<br />
Return periods of flood events that occured along the river Rhine at the gauges Maxau (Upper Rhine), Kaub (Middle<br />
Rhine) and Cologne (Lower Rhine) in March 1988, December 1993, January 1995 and May 1999. The data reveal the<br />
enormous spatial heterogeneity of flood events in the Rhine catchment area.<br />
lich disaggregiert mit Hilfe der CORINE-Landnutzungen<br />
und entsprechenden Bevölkerungsdichten. Der Informationsgewinn<br />
durch die Disaggregierung ist deutlich zu<br />
sehen. Diese Abschätzungen werden gemeinsam mit einer<br />
interdisziplinären Arbeitsgruppe im Rahmen von CEDIM<br />
erarbeitet.<br />
Katastrophenmanagement<br />
Die Sektion Ingenieurhydrologie beteiligt sich an den Arbeiten<br />
zum Thema Katastrophenmanagement des Helmholtz-<br />
Foschungsnetzwerks EOS (Earth Observing System), das<br />
gemeinsam von den Helmholtz-Zentren AWI, DLR, <strong>GFZ</strong><br />
und GKSS getragen wird. Im Rahmen von EOS koordiniert<br />
die Sektion Ingenieurhydrologie seit Anfang 2005 zusammen<br />
mit dem DLR das Projekt Vernetzungsplattform Naturkatastrophen<br />
(NaDiNe – Natural Disasters Networking Platform).<br />
Die Aufgabe der Vernetzungsplattform besteht in der<br />
Bündelung von Expertise aus den verschiedenen Helmholtz-<br />
Einrichtungen und der Bereitstellung einer gemeinsamen<br />
Infrastruktur und Datenbasis (Abb. 5.55).<br />
Zunächst fördert die Plattform NaDiNe die Vernetzung<br />
von Wissenschaftlern der vier EOS-Zentren im Hinblick<br />
auf die Naturkatastrophen Hochwasser, Erdbeben, Tsunami,<br />
Stürme und Sturmfluten sowie Ölunfälle. Zu einem<br />
späteren Zeitpunkt ist es geplant, die Plattform für eine<br />
thematische Erweiterung sowie die Mitarbeit von anderen<br />
Helmholtz-Zentren zu öffnen. Mit dem Konzept des Internetportals,<br />
einem Kernstück der Vernetzungsplattform,<br />
wird die Möglichkeit gegeben, wissenschaftliche Informationen<br />
einer breiten Öffentlichkeit und einem interessierten<br />
Fachpublikum zu präsentieren. Zu jedem der<br />
genannten Themen haben sich Expertenteams gebildet,<br />
die zur jeweiligen Naturgefahr allgemeine und im Katastrophenfall<br />
spezielle Informationen zu dem Ereignis einbringen.<br />
In den einzelnen Expertenteams sind jeweils Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler aus verschiedenen<br />
Zentren vertreten, die über die Plattform eine Möglichkeit<br />
der Kommunikation und Kooperation erhalten. Der Austausch<br />
von Daten wird durch eine dienstebasierte Infrastruktur<br />
unterstützt. Im Fall einer eintretenden Naturkatastrophe<br />
wird bei Erfüllung festgelegter Kriterien das<br />
Expertenteam aktiv, d. h. zu dem Ereignis werden spezielle<br />
wissenschaftliche Einschätzungen erarbeitet und bereitgestellt.<br />
Darüber hinaus wird im Rahmen der Vernetzungsplattform<br />
eine Zusammenarbeit mit den Akteuren des Katastrophenmanagements<br />
angestrebt. Um die Anforderungen öffentlicher<br />
Bedarfsträger zu ermitteln, fand im Juni 2005 der<br />
Workshop „Informationsbedarf in Krisenfällen“ am <strong>GFZ</strong><br />
Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
403
404<br />
Abb. 5.54: Auf Gemeindeebene aggregiertes (links) und mit CORINE-Landnutzungsdaten disaggregiertes Einheitswohnvermögen<br />
(flächennormiert) [€/m 2 ] (rechts) in Baden-Württemberg. Die Werte des Wohnvermögens wurden auf<br />
Basis von Normalherstellungskosten und von statistischen Daten über Anzahl und Beschaffenheit der Gebäude deutschlandweit<br />
abgeschätzt.<br />
Unit asset values of residential buildings in Baden-Wuerttemberg (standardised by the area; values are given in €/m 2 )<br />
aggregated at the community level (left) and disaggregated by means of CORINE land cover data (right). The asset<br />
values were derived for the whole of Germany on the basis of standardised construction costs and census data about<br />
the number and types of buildings per community.<br />
statt. Der Workshop ermöglichte eine intensive Diskussion<br />
zwischen Vertretern der im Krisenfall agierenden Institutionen<br />
und Wissenschaftlern der Helmholtz-Gemeinschaft<br />
über den Bedarf an Informationen und die vorhandene wissenschaftliche<br />
Expertise. Es zeigte sich, dass ein erheblicher<br />
Bedarf an Beratung und Information durch wissenschaftliche<br />
Experten, sowohl bei den Praktikern des Katastrophenmanagements<br />
als auch bei der Öffentlichkeit besteht.<br />
Der Unterstützung des Katastrophenmanagements durch<br />
moderne Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
widmet sich auch das Graduiertenkolleg „Modellbasierte<br />
Entwicklung von Technologien für selbstorganisierende<br />
Informationssysteme – zur Anwendung im Katastrophenmanagement“,<br />
das in Kooperation von Humboldt-Universität<br />
Berlin und <strong>GFZ</strong> beantragt und im Januar 2006 von<br />
der DFG genehmigt wurde.<br />
Literatur:<br />
Abb. 5.55: Screenshot des Webportals zu<br />
NaDiNe, der Vernetzungsplattform Naturkatastrophen<br />
im Rahmen des Helmholtz-<br />
Forschungsnetzwerks EOS.<br />
Screenshot of the web portal of NaDiNe,<br />
the Natural Disaster Networking Platform<br />
in the framework of the Helmholtz Research<br />
Network Integrated Earth Observing<br />
System.<br />
Förster, A., Norden, B., Zinck-Jørgensen, K., Frykman, P., Kulenkampff, J., Spangenberg,<br />
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Zweijahresbericht 2004/2005 <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam<br />
405