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Liederhalle Stuttgart - und Kongresszentrum Liederhalle

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108 - <strong>Liederhalle</strong> 26.06.2007 13:56 Uhr Seite 1<br />

Stadtwandel Verlag Die Neuen Architekturführer Nr. 108<br />

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<strong>Liederhalle</strong><br />

<strong>Stuttgart</strong>


108 - <strong>Liederhalle</strong> 26.06.2007 13:56 Uhr Seite 2<br />

Kultur- <strong>und</strong> <strong>Kongresszentrum</strong> <strong>Liederhalle</strong> <strong>Stuttgart</strong><br />

<strong>Stuttgart</strong>, Berliner Platz 1–3, 1954–1956<br />

Architekten: Adolf Abel <strong>und</strong> Rolf Gutbrod (<strong>Liederhalle</strong>);<br />

Wolfgang Henning (Erweiterung)<br />

Fotos: Brigida Gonzalez<br />

Autor: Christian Holl<br />

Das Kultur- <strong>und</strong> <strong>Kongresszentrum</strong> <strong>Liederhalle</strong> gilt heute als einer der wichtigsten<br />

deutschen Kulturbauten der Nachkriegszeit, als einer, der dem Ideal<br />

des Gesamtkunstwerks nahe kommt wie nur wenige. Er habe, so ist im Katalog<br />

des Deutschen Architekturmuseums über die Architektur in Deutschland<br />

im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert zu lesen, der jungen B<strong>und</strong>esrepublik »ein ganz neues<br />

Bild der Wertvorstellungen von Kultur, Gemeinschaft, Feierlichkeit <strong>und</strong> Öffentlichkeit«<br />

vermittelt. In diesem Konzerthaus haben sich auf eine ganz eigene<br />

Weise Elemente der expressionistischen <strong>und</strong> der organischen Architektur<br />

miteinander verb<strong>und</strong>en, Architektur <strong>und</strong> Bildende Kunst sind hier zu einer<br />

Einheit verschmolzen, in der die eine Disziplin nicht mehr unabhängig von<br />

der jeweils anderen gedacht werden kann.<br />

Während die Fachwelt zunächst erstaunlich wenig Notiz von diesem<br />

Bauwerk nahm, das am 29. Juli 1956 eingeweiht wurde, so war die Resonanz<br />

in der Tagespresse erheblich größer; man schrieb von einem Baugedanken,<br />

der groß <strong>und</strong> richtig sei; ferner vom revolutionären Neuen, das nicht dem Bedürfnis<br />

entsprungen sei, um jeden Preis modern zu sein. »Die Welt« berichtete<br />

gar von einer »erregenden Vision«. Auch die <strong>Stuttgart</strong>er selbst hatten<br />

sich rascher als vermutet mit dem außergewöhnlichen Gebäude angefre<strong>und</strong>et.<br />

Zwar rief die bis dahin für eine derartige Bauaufgabe ungewohnte Gestaltung<br />

mit Sichtbeton seinerzeit auch Assoziationen zu Bunkern hervor,<br />

doch die spöttischen Stimmen verstummten bald.<br />

Den Haupteingang zur <strong>Liederhalle</strong> flankiert rechts der mit einem Mosaik aus Quarzitsteinen<br />

bekleidete Mozartsaal.<br />

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Eine komplizierte Entstehungsgeschichte<br />

Allerdings war der Weg zur diesem Meisterwerk keineswegs geradlinig verlaufen.<br />

In den Bombennächten des Krieges war der Vorgängerbau, die <strong>Liederhalle</strong><br />

des <strong>Stuttgart</strong>er Liederkranzes zerstört worden. Jener Entwurf des Architekten<br />

Christian Friedrich Leins in Formen der italienischen Renaissance<br />

war in zwei Schritten 1864 <strong>und</strong> 1875 errichtet worden, den Vorbau hatten<br />

Carl Heim <strong>und</strong> Jakob Früh bis 1908 erweitert <strong>und</strong> mit Elementen des Klassizismus<br />

<strong>und</strong> des Jugendstils ausgestattet. Seit Kriegsende hatten die <strong>Stuttgart</strong>er<br />

einen großen Konzertsaal schmerzlich vermissen müssen. Bereits 1949<br />

lobte daher der Liederkranz einen eingeladenen Wettbewerb für einen Neubau<br />

aus. Die Jury vergab zwei gleichrangige erste Preise für Entwürfe, die<br />

kaum unterschiedlicher hätten sein können: Hans Scharoun (Berlin) entwarf<br />

aus freien Formen eine organische Komposition, in der sich Außen- <strong>und</strong> Innenraum<br />

auf vielfältige Weise miteinander verbanden, <strong>und</strong> in dem schon viel auf<br />

die Philharmonie in Berlin verwies (siehe Die neuen Architekturführer<br />

Nr. 30). Adolf Abel <strong>und</strong> Rolf Gutbrod (München/<strong>Stuttgart</strong>) hingegen reichten<br />

eine sachliche, kubische Architektur ein – »lauter Kästen«, wie Gutbrod<br />

selbst später urteilte. Den Auslobern, die noch der alten <strong>Liederhalle</strong> nachtrauerten<br />

<strong>und</strong> auch eine Rekonstruktion nicht ausschließen wollten, war<br />

indes der sachliche Entwurf sympathischer.<br />

Zwar stellte sich früh heraus, dass der Liederkranz nicht in der Lage war,<br />

aus eigener Kraft einen Neubau zu finanzieren. Doch nahm die Stadt, die<br />

schließlich Bau <strong>und</strong> Finanzierung sicherstellte, auf den Eigentümer des maßgeblichen<br />

Gr<strong>und</strong>stücks insoweit Rücksicht, als sie 1954 Abel <strong>und</strong> Gutbrod<br />

mit einem neuen Entwurf aufgr<strong>und</strong> eines überarbeiteten Raumprogramms<br />

beauftragte. Was die Architekten daraufhin präsentierten, hatte freilich mit<br />

dem Wettbewerbsbeitrag nicht mehr viel gemein. Zum einen war im Duo<br />

Abel/Gutbrod nun nicht mehr Abel, sondern Gutbrod der maßgebliche Entwerfer,<br />

zum anderen ist durchaus anzunehmen, dass Scharoun auch bei den<br />

Konkurrenten Eindruck hinterlassen hatte. Am 23. Dezember schließlich be-<br />

Weit kragt das asymmetrische Dach über dem Haupteingang aus, links ist der mit einer Aluminiumskulptur<br />

von Hans Dieter Bohnet geschmückte Silchersaal zu sehen.<br />

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108 - <strong>Liederhalle</strong> 26.06.2007 13:56 Uhr Seite 6<br />

schloss der Gemeinderat den Bau der neuen <strong>Liederhalle</strong>, die eineinhalb Jahre<br />

später eingeweiht werden sollte. Der Liederkranz, der für den Bau sein Gr<strong>und</strong>stück<br />

an die Stadt verkauft hatte, erhielt ein dauerndes Nutzungsrecht an bestimmten<br />

Räumen.<br />

Eingebettet in die Topographie<br />

Das Kultur- <strong>und</strong> <strong>Kongresszentrum</strong> <strong>Liederhalle</strong> – im <strong>Stuttgart</strong>er Sprachgebrauch<br />

auch als <strong>Liederhalle</strong> bezeichnet – liegt auf einem länglichen Areal<br />

zwischen Breitscheid-, Seiden-, Schloss- <strong>und</strong> Büchsenstraße. Außer dem alten<br />

Konzerthaus <strong>Liederhalle</strong> befanden sich hier vor dem Krieg noch Privathäuser<br />

<strong>und</strong> ein Schwimmbad. Im Zuge der Neugestaltung des Areals konnten die<br />

Gr<strong>und</strong>stücke zusammengelegt <strong>und</strong> für den Neubau als eine Einheit entwickelt<br />

werden; der Bereich vor der <strong>Liederhalle</strong> erhielt dabei den Namen »Berliner<br />

Platz«. Im neuen Plan wurde nicht mehr nach dem alten Muster eine<br />

Blockrandbebauung als Ziel verfolgt, sondern die Idee einer freien Stadtlandschaft,<br />

in die das Konzerthaus <strong>Liederhalle</strong> eingebettet wurde. Wies das<br />

Portal der alten <strong>Liederhalle</strong> noch nach Osten, so liegt der Haupteingang des<br />

Neubaus im Westen. Das Konzerthaus selbst nimmt etwas mehr als die Hälfte<br />

des östlichen Teils des Gr<strong>und</strong>stücks ein, im westlichen liegt eine Grünanlage,<br />

unter der eine mit dem Konzerthaus verb<strong>und</strong>ene Tiefgarage errichtet wurde.<br />

Zwischen den beiden Straßen, die das Gr<strong>und</strong>stück an seinen Längsseiten begrenzen,<br />

liegt eine Höhendifferenz von acht Metern. Dieser Niveauunterschied<br />

wird im Gebäude wie in der Außenraumgestaltung genutzt, um verschiedene<br />

Eingänge zu schaffen <strong>und</strong> sie innen im Foyer <strong>und</strong> außen in der<br />

Freianlage miteinander zu verbinden. Von der höheren Schlossstraße mit der<br />

Straßenbahnhaltestelle erreicht man das Restaurant mit einem vorgelagerten<br />

Außenbereich, der sich mit Terrassen <strong>und</strong> Treppen öffnet, sowie das Foyer<br />

des Mozartsaals; an der Breitscheidstraße im Norden befindet sich ein Eingang,<br />

der früher direkt angefahren werden konnte, <strong>und</strong> von dem aus man die<br />

untere Ebene des Foyers erreicht. Zu dieser Seite hin wurden auch die Büro-<br />

Das Äußere des Beethovensaals lässt seine innere Form erkennen. Jede Fassade wurde individuell<br />

gestaltet.<br />

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108 - <strong>Liederhalle</strong> 26.06.2007 13:56 Uhr Seite 8<br />

Zur Schlossstraße hin orientiert sich das Restaurant. Hier liegt auch der Eingang zum Foyer<br />

des Mozartsaals.<br />

<strong>und</strong> Probenräume des Liederkranzes orientiert. Heute ist dieser Abschnitt der<br />

Breitscheidstraße eine Fußgängerzone.<br />

Der Haupteingang aber liegt an einem weitläufigen Vorplatz auf mittlerer<br />

Höhe <strong>und</strong> ist markiert mit einem elegant sich öffnenden, weit auskragenden,<br />

asymmetrischen Dach. Von der Schlossstraße aus erreicht man ihn<br />

über in sanftem Gefälle hinunter führende Wege, in die einzelne Stufen eingelassen<br />

sind; von der Breitscheidstraße führt eine großzügige Freitreppe<br />

zum Haupteingang. Von hier aus nun werden alle drei Säle des Konzerthauses<br />

sichtbar, die aus dem flacheren Gebäudeteil mit Foyer, Restaurant <strong>und</strong><br />

Nebenräumen herausragen. Zur Linken liegt der rechteckige Silchersaal, mit<br />

Spaltklinkern verkleidet <strong>und</strong> mit einer Aluminiumskulptur von Hans Dieter<br />

Bohnet geschmückt. Der Kubus dieses 320 Besucher fassenden Saals kragt<br />

zur Breitscheidstraße hin aus, ist dort mit fünf Stützen aufgeständert. Wie die<br />

beiden anderen erhielt dieser Saal seinen Namen erst Ende 1957.<br />

Von oben lässt sich die Gebäudekomposition gut erkennen: Die drei Saalvolumina sind<br />

durch einen flacheren Gebäudeteil verb<strong>und</strong>en, in ihm liegen Foyer, Büros, Nebenräume <strong>und</strong><br />

das Restaurant.<br />

Rechts rahmt der mit einem Mosaik aus verschiedenen Quarzitsteinen<br />

überzogene Mozartsaal die Silhouette. Dieser mittlere der drei Säle dient Kammermusikaufführungen,<br />

bietet 750 Zuhörern Platz <strong>und</strong> hat die Form eines<br />

unregelmäßigen Fünfecks. Die verschiedenfarbigen Quarzitplatten wurden<br />

bruchrau (ohne geschliffene Kanten) verwendet, so dass unterschiedlich<br />

breite Fugen entstanden, die mit Marmor- <strong>und</strong> Keramikplatten gefüllt wurden.<br />

Diese abstrakte Komposition aus Linien <strong>und</strong> Flächen schuf der Münchner<br />

Künstler Blasius Spreng. Er wurde, wie die anderen beteiligten Künstler<br />

auch, aufgr<strong>und</strong> eines Wettbewerbs beauftragt; beteiligt waren außer ihm<br />

Otto Herbert Hajek, Alfred Lörcher <strong>und</strong> Fritz Nuß. Spreng ist insofern der<br />

wichtigste unter ihnen, weil er über seine Arbeit hinaus die Architekten intensiv<br />

beraten hat <strong>und</strong> daher den größten Einfluss hatte.<br />

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Der Silchersaal ist der einzige der drei Säle, der mit Tageslicht beleuchtet wird. Er ist zur Breitscheidstraße<br />

hin aufgeständert. Früher befand sich hier eine Autovorfahrt. Im Zuge der Erweiterung<br />

entstand der Empfangsbereich.<br />

Neue Behandlung von Form <strong>und</strong> Material<br />

Mittig im Hintergr<strong>und</strong> ist das r<strong>und</strong>e, aus weit ausgreifenden konkaven <strong>und</strong><br />

konvexen Linien geformte Volumen des Beethovensaals erkennbar. Als größter<br />

der drei Säle fasst er 2200 Besucher. Seine Fassade besteht aus Sichtbeton,<br />

er ist lediglich von einem leicht zurückgesetzten, abends beleuchteten<br />

Mosaikstreifen ähnlich der Fassade des Mozartsaals bekränzt. Die Sichtbetonfassade<br />

ist eine Reverenz an das Goetheanum Rudolf Steiners; Gutbrod<br />

stand der anthroposophischen Lehre nahe. Darüber hinaus wird aber auch<br />

Bezug zu modernen Architekturauffassungen genommen, die in der Zeit des<br />

Nationalsozialismus in Deutschland unterdrückt worden waren: zum einen<br />

auf Le Corbusiers Bauten, der schon in den späten 1940er Jahren Sichtbeton<br />

eingesetzt hatte; zum andern auf Hugo Häring <strong>und</strong> dessen Theorie des<br />

»organhaften Bauens«, in der er die Auffassung vertrat, dass man die Materialien<br />

ihrer Natur gemäß verwenden <strong>und</strong> sichtbar machen solle. Die Prinzipien<br />

einer an der Natur orientierten Gestaltung werden deutlich in der Art,<br />

Blick vom Berliner Platz auf den Haupteingang. Im Hintergr<strong>und</strong> ist der von einem Mosaikstreifen<br />

bekränzte Beethovensaal zu erkennen; er wirkt von diesem Standpunkt aus wie eine Rot<strong>und</strong>e.<br />

in der sich der Gebäudekomplex in das Gelände einfügt. Ein weiterer Gr<strong>und</strong>satz<br />

von Härings Theorie wird in der <strong>Liederhalle</strong> schon von außen sichtbar<br />

umgesetzt. Häring forderte, dass jedes einzelne Element sich seinen eigenen<br />

Gesetzen gemäß entwickeln solle, sich dabei aber in die Ordnung des Ganzen<br />

einzufügen habe. Die Vorstellungen des organhaften Bauens waren in<br />

der jungen B<strong>und</strong>esrepublik von vielen Architekten aufgegriffen worden, der<br />

1999 verstorbene Gutbrod gehörte neben Hans Scharoun, dem Architekten<br />

der Berliner Philharmonie, zu den wichtigen deutschen Vertretern dieser Richtung.<br />

Diese in den zwanziger Jahren entwickelten Ideen fielen auch gerade<br />

in Deutschland auf fruchtbaren Boden, weil sich mit ihnen die Distanz zum<br />

überw<strong>und</strong>enen Regime der Nationalsozialisten deutlich machen ließ. Die<br />

Bauten der 1950er Jahre waren daher oft »architektonische Bekenntnisse zur<br />

Entmaterialisierung als Zeichen gegen die bleierne Schwere der totalitären<br />

Zeit, die noch in den Gehirnen lastete« (Winfried Nerdinger). Das wird auch<br />

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108 - <strong>Liederhalle</strong> 26.06.2007 13:56 Uhr Seite 12<br />

in der <strong>Liederhalle</strong> sichtbar: Den Eingang formt keine repräsentative Schaufassade,<br />

Hochkultur wird nicht monumental oder erhebend inszeniert, sondern<br />

als elegante <strong>und</strong> nobel sich zurückhaltende Komposition ins Umfeld integriert.<br />

Dabei ist auch die konventionelle Unterscheidung zwischen einer Hauptfassade<br />

<strong>und</strong> deutlich untergeordneten Seiten- <strong>und</strong> Rückfassaden aufgehoben.<br />

Auch dies lässt sich an der Sichtbetonfassade des Beethovensaals nachvollziehen,<br />

die zu ihren verschiedenen Seiten unterschiedlich gestaltet wurde,<br />

ohne dass sich darin eine Hierarchie ausdrückte. In der Ansicht vom Haupteingang<br />

fügt sich das hier wie eine Rot<strong>und</strong>e wirkende Volumen ruhig in die<br />

Gesamtkomposition ein, gegliedert durch rechteckige Felder. Zum inzwischen<br />

»Platz der deutschen Einheit« genannten Freiraum im Westen ist die konkave<br />

Betonwand durch unterschiedliche Oberflächen gegliedert. Bänder, aufgesetzte<br />

Streifen, eine Mosaiktafel <strong>und</strong> Knöpfe aus farbig glasierter Keramik<br />

akzentuieren sie zusätzlich. Die die Form aufnehmende Pergola wirkt in der<br />

heutigen Platzgestaltung unverständlich. Sie erklärt sich aus der Tatsache,<br />

dass die Breitscheidstraße ursprünglich hier das Areal begrenzte. Auf dem<br />

viertelkreisförmigen Platz vermittelte die Pergola als gestalterisches Element<br />

zwischen der Platzebene <strong>und</strong> der Betonwand. Selbst die am ehesten als Rückseite<br />

wirkende, ebene Wand zur Büchsenstraße wurde individuell gestaltet:<br />

Kleine Kastenfenster – mal als Festverglasung, mal als Öffnungsflügel – zeichnen<br />

die Gliederung der dahinter liegenden Nebenräume des Bühnenhauses<br />

<strong>und</strong> deren Geschosse nach.<br />

Landschaft im Innern: das Foyer<br />

Betreten wir nun das Innere der <strong>Liederhalle</strong>. Im auf zwei Ebenen angelegten<br />

Foyer setzt sich das gestalterische Prinzip des Außenraums fort, mit den wie<br />

beiläufig ineinander übergehenden Bereichen, die gleichwohl sorgfältig entworfen<br />

<strong>und</strong> in ihren Dimensionen kalkuliert wurden. Die obere Ebene öffnet<br />

Im Foyer verbinden sich die Ebenen, die von den verschiedenen Zugängen erreicht werden können.<br />

Das heutige Aussehen entspricht weitgehend dem, was sich den Besuchern auch 1956<br />

geboten hatte.<br />

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108 - <strong>Liederhalle</strong> 26.06.2007 13:56 Uhr Seite 14<br />

sich als breite, umlaufende <strong>und</strong> geschwungene Galerie zur unteren; beide<br />

sind über drei frei angeordnete Treppen miteinander verb<strong>und</strong>en.<br />

Auf der oberen Ebene liegen die Zugänge zu den Rängen des Beethovensaals<br />

<strong>und</strong> zum Restaurant, die Foyers der beiden kleineren Säle schließen<br />

sich an. Von der unteren Ebene, man erreicht sie auch von der Breitscheidstraße<br />

oder aus der Tiefgarage, betritt man das Parkett des Beethovensaals.<br />

Aus verschiedenfarbigem Terrazzo wurde in diesem Teil des Foyers ein Muster<br />

aus sich kreuzenden Linien entwickelt, das als Ornament, aber auch als<br />

abstrahiertes Bild der sich hier kreuzenden Wege gelesen werden kann. Die<br />

Stützen scheinen frei in den Raum gestellt zu sein. Im Gr<strong>und</strong>riss wird allerdings<br />

deutlich, dass sie in Schnittpunkten liegen, die von parallel in Längsrichtung<br />

angeordneten Achsen <strong>und</strong> Kreisbögen gebildet werden, welche die<br />

R<strong>und</strong>ung des Beethovensaals aufnehmen.<br />

Im Innern der Säle werden die an der Außenfassade verwendeten Oberflächen<br />

<strong>und</strong> Formen wieder aufgenommen <strong>und</strong> fortgesetzt, um die Kontinuität<br />

des Volumens darzustellen – freilich auch, um die Orientierung zu erleichtern.<br />

Das rechteckige Muster der Betonfassade des Beethovensaals findet<br />

sich in einer Stuckstruktur wieder, der Mozartsaal wird auch im Innern durch<br />

eine Quarzitplatten-Verkleidung kenntlich gemacht <strong>und</strong> der Baukörper des<br />

Silchersaals ist an der rötlich-bräunlichen Färbung zu erkennen.<br />

Den beiden kleineren Sälen wurde jeweils ein individuell gestalteter<br />

Foyerbereich zugeordnet, der von den anderen getrennt <strong>und</strong> so für Einzelveranstaltungen<br />

genutzt werden kann. Besondere Beachtung verdient das<br />

durch einige Stufen abgegrenzte Foyer des Mozartsaals. Im der Schlossstraße<br />

zugewandten Teil ist es mit einem Bodenmosaik von Blasius Spreng ausgestattet,<br />

über dem Garderobenraum spannt sich eine expressiv gewellte Decke,<br />

die Elemente der expressionistischen Architektur, insbesondere der Bauten<br />

Hans Poelzigs aufgreift. Ein Lichtbrunnen, der mit geschliffenen Glasplatten<br />

bedeckt ist, intensiviert die außergewöhnliche Stimmung in diesem fensterlosen<br />

Raum.<br />

Auf der oberen Ebene des Foyers. Rechts der Haupteingang, im Hintergr<strong>und</strong> der Zugang von<br />

der Schlossstraße, dazwischen der zum Mozartsaal<br />

Der Beethovensaal<br />

Herzstück des Ensembles ist der Beethovensaal – eine grandiose Raumkomposition.<br />

Erst im Innern wird der Gr<strong>und</strong> für die von außen erkennbare Form<br />

deutlich. Von der Bühne aus weitet sich der Zuschauerraum, aus dem Parkett<br />

steigt einseitig eine weit geschwungene Empore auf, die dem R<strong>und</strong> der Gesamtform<br />

folgt. Jeder Zuschauer hat eine gute Sicht auf die Bühne, ohne sich<br />

auf seinem Sitz drehen zu müssen. Der Gesamtraum fügt sich zu einer beeindruckenden,<br />

dreidimensionalen Skulptur. Hier wurde zum ersten Mal ein<br />

asymmetrisch konzipierter Konzertsaal realisiert.<br />

Die zur Breitscheidstraße gewandte, gebogene Betonwand ist wiederzuerkennen.<br />

Sie ist plastisch gegliedert, mit Goldlinien durchzogen <strong>und</strong> durch<br />

Holztafeln mit abstrakten Kompositionen akzentuiert. In ähnlicher Weise<br />

Mittelseiten:<br />

Herzstück der <strong>Liederhalle</strong> ist der Beethovensaal, mit der asymmetrisch sich aus dem Parkett<br />

aufschwingenden Empore. Etwa 2 200 Zuhörer finden hier Platz.<br />

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108 - <strong>Liederhalle</strong> 26.06.2007 13:56 Uhr Seite 18<br />

Mozart-Saal<br />

Mosaik-<br />

Foyer<br />

Restaurant<br />

Berliner Platz<br />

Beethoven-Foyer<br />

Beethoven-Saal<br />

Silcher-Saal<br />

Haupteingang<br />

Beethoven-Saal<br />

Verbindung<br />

über Treppe<br />

Haupteingang<br />

Hegel-Saal<br />

Platz der<br />

deutschen Einheit<br />

Hegel-Foyer<br />

Robert-Bosch-Platz<br />

Hegel-Saal<br />

Schiller-Saal<br />

Schiller-Foyer<br />

Oben ist der Gr<strong>und</strong>riss des gesamten Gebäudes zu erkennen. Darunter jeweils die Querschnitte<br />

des Beethoven- bzw. Hegelsaals.<br />

Durch die skulpturale Deckenbeleuchtung des Beethovensaals erfährt die außergewöhnliche<br />

Raumkomposition eine zusätzliche Steigerung.<br />

wurde die Betonbrüstung der Empore behandelt. Der übrige Raum ist mit<br />

Teakholz ausgekleidet. Über der Empore sind Räume für die technische Regie<br />

angeordnet, zusätzlich liegen Balkone in der vom Zuschauer aus gesehen<br />

rechten Seitenfläche. Die Deckenbeleuchtung folgt in großen, breiten<br />

Schwüngen der Gr<strong>und</strong>risskomposition. Abgehängte breite Streifen werden<br />

durch indirekte Beleuchtung hervorgehoben. Den heutigen Ansprüchen an<br />

Beleuchtung insbesondere der Bühne genügte die ursprüngliche Ausstattung<br />

leider nicht: Zusätzliche Scheinwerfer wurden nötig, die den Genuss dieser<br />

Deckenskulptur schmälern.<br />

Die Bühne folgt den gleichen Gr<strong>und</strong>sätzen wie alle anderen Einzelelemente<br />

in diesem großartigen Saal. Sie ist dem Raum nicht hinzugefügt oder<br />

von ihm separiert, sondern wie selbstverständlich in das Ganze eingeb<strong>und</strong>en.<br />

Die Seitenwände des Zuschauerraums gehen fließend in die der Bühne <strong>und</strong><br />

deren Hinterwand über. Über eine Schiebewand kann die Chornische geöffnet<br />

werden, die sich über dem Podium im hinteren Bereich des Bühnenraums<br />

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108 - <strong>Liederhalle</strong> 26.06.2007 13:56 Uhr Seite 20<br />

befindet. In ähnlicher Weise lässt sich die Orgel, die rechts von der Bühne angeordnet<br />

wurde, den Blicken des Zuschauers durch das Schließen von Drehflügeln<br />

entziehen, wenn sie nicht gebraucht wird.<br />

Dabei tragen all diese Elemente dazu bei, dem Saal seine unverwechselbare<br />

<strong>und</strong> außergewöhnlich gute Akustik zu verleihen. Sichtbare <strong>und</strong> akustisch<br />

wirksame Elemente verbinden sich zu einer Einheit. Die konvexe Betonwand<br />

verteilt den Schall in den Saal, die Oberflächen wurden auch<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer akustischen Wirksamkeit unterschiedlich behandelt. Die gute<br />

Akustik wird zudem dadurch begünstigt, dass keine Brüstung den Raum horizontal<br />

teilt. Des Weiteren wirken sich doppelschalige Konstruktionen, die<br />

Terrassen der ansteigenden Sitzreihen, abfallende Decken unter der Empore<br />

<strong>und</strong> gefaltete Elemente vor der Bühne positiv auf die Raumakustik aus, die<br />

ferner durch flexible Elemente <strong>und</strong> austauschbare Tafeln der jeweiligen Vorführung<br />

angepasst werden kann.<br />

In dem Saal, der meist für Konzerte genutzt wird, können auch Bankette<br />

stattfinden. Dafür lässt sich auf der Empore jede zweite Sitzreihe entfernen:<br />

Mit ausziehbaren Podesten kann der Höhenunterschied ausgeglichen<br />

<strong>und</strong> eine Fläche für Tische <strong>und</strong> Stühle geschaffen werden. Auch die Bestuhlung<br />

des Parketts lässt sich entsprechend ändern, zusätzlich kann in der Mitte<br />

des Parketts ein Brunnen freigelegt werden. Im Parkett wird heute nicht mehr<br />

die ursprüngliche Bestuhlung verwendet, sondern eine, die sich leichter austauschen<br />

lässt.<br />

Säle wie Instrumente, Kontrapunkt in der Architektur<br />

Vieles von dem, was für den Beethovensaal gesagt werden kann, gilt ebenso<br />

für den Mozartsaal. Auch er hat eine hervorragende Akustik, die in manchen<br />

Urteilen sogar noch über die des Beethovensaals gestellt wird. Auch er folgt<br />

einer asymmetrischen Gestaltung, diesmal aber auf der Basis eines unregelmäßigen<br />

Fünfecks. Die Bühne liegt vor einer dieser fünf Raumecken <strong>und</strong> wird<br />

Architektonisches Konzept <strong>und</strong> raumakustische Anforderungen sind zu einer Einheit verschmolzen.<br />

In der von der Bühne aus gesehen linken Seite sind Balkone <strong>und</strong> Technikräume<br />

untergebracht, die Wandverkleidung ist aus Teakholz.<br />

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Der Silchersaal ist deutlich schlichter, er kann als Probenraum, für Musikvorführungen <strong>und</strong><br />

Vorträge genutzt werden.<br />

von hinten begrenzt durch Schallreflektoren, gefasste Holztafeln. Aufsteigende<br />

Sitzreihen auf verschiedenförmigen Terrassen, ausgehend von zwei<br />

Etagen mit akustisch wirksamen Rückwänden, eine kristallin, prismenförmig<br />

wirkende Verkleidung aus schrägen Flächen, die Wände mit Eichenholz, die<br />

Decke mit Esche vertäfelt: Die Einheit des Raumes ist hier entsprechend seiner<br />

Widmung in intimerer Atmosphäre realisiert. Diese intime Wirkung wird<br />

beileibe nicht nur über die Größe erzielt. Auch die Raumgeometrie trägt dazu<br />

bei, die weniger stark auf die Bühne als vielmehr auf einen Punkt etwa in der<br />

Raummitte konzentriert ist. Zudem sind die Zuhörerplätze hier zu Gruppen<br />

zusammengefasst, die einander leicht zugewandt sind. Der intime Charakter<br />

wird noch dadurch gestützt, dass kein Zuhörer alle anderen wahrnehmen<br />

kann. Die Originalbestuhlung ist hier noch erhalten.<br />

Haben Abel <strong>und</strong> Gutbrod in der Überarbeitung ihres Wettbewerbsbeitrags<br />

von Anregungen Scharouns profitiert, so haben sie mit dem Mozartsaal<br />

diese Schuld wieder beglichen, da davon ausgegangen werden kann, dass<br />

Die expressiv gewellte Decke in der Garderobe des Mozartsaals ist eine Reverenz an die expressionistische<br />

Architektur der 1920er Jahre, insbesondere an Hans Poelzig.<br />

der Mozartsaal Scharoun in der Konzeption des großen Saals der Berliner<br />

Philharmonie bestärkt hat.<br />

Deutlicher als vielleicht noch im Beethovensaal, der vage an die Form<br />

eines Konzertflügels erinnert, lässt sich hier nachvollziehen, dass die Architekten<br />

die Räume als Instrumente verstanden wissen wollten. In der Tat wirkt<br />

gerade der Mozartsaal wie ein wertvolles Instrument, das aber – <strong>und</strong> auch<br />

das war die Absicht der Architekten – erst durch seinen adäquaten Gebrauch,<br />

also durch die Aufführung der Musik vor Zuschauern, gewürdigt wird <strong>und</strong> seinen<br />

Zweck erfüllt.<br />

Kleiner als die beiden anderen <strong>und</strong> deutlich nüchterner gestaltet wurde<br />

der auf einem rechteckigen Gr<strong>und</strong>riss basierende Silchersaal, der für Empfänge,<br />

Vorträge, für Proben wie für kleinere Aufführungen genutzt wird.<br />

Seine Besonderheit ist die in schrägen, parallelen Ebenen angeordnete Verglasung<br />

aus Glasbausteinen – er ist der einzige Saal mit Tageslicht. Eine an<br />

der anderen Längsseite, gegenüber der Glasbausteinwand eingestellte Holz-<br />

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Der Boden des Foyers vor dem Mozartsaal ist mit einem Mosaik von Blasius Spreng ausgelegt.<br />

Ähnlich war der Platz vor dem Haupteingang gestaltet worden, das Mosaik dort ist aber<br />

inzwischen durch einen pflegeleichteren Belag ersetzt.<br />

wand verengt der Akustik wegen den Raum zum Podium hin. Den vielfältigen<br />

Nutzungsansprüchen gemäß wird in diesem Raum überwiegend mit flexiblem<br />

Mobiliar gearbeitet. Geschadet hat ihm, dass die originale Beleuchtung<br />

durch fünfeckige Leuchtenkonstruktionen ersetzt wurde.<br />

In der <strong>Liederhalle</strong> folgen die Architekten nicht nur in der Idee des Instrumentes<br />

einer musikalischen Analogie. Adolf Abel beanspruchte in der Eröffnungsrede<br />

1956 auch das Prinzip des Kontrapunkts für das Bauwerk. Und<br />

in der Tat kann man von einer zur Einheit zusammengeführten Komposition<br />

aus eigenständigen Baukörpern mit eigenen, individuellen Qualitäten sprechen.<br />

Das Element des Kontrapunkts lässt sich aber auch in vielen Details erkennen,<br />

etwa in den kontrastreichen Formen <strong>und</strong> Materialien, in denen etwa<br />

die R<strong>und</strong>ungen des Beethovensaals auf die kubischen Elemente der Balkone<br />

treffen.<br />

Der Mozartsaal hat trotz einer Kapazität von 750 Plätzen eine intime Atmosphäre, die durch<br />

sorgfältige Planung geschaffen wurde. Seine Akustik ist wie die des Beethovensaals hervorragend.<br />

Vereinbarung von Denkmalschutz <strong>und</strong> Gebrauch<br />

Zu Beginn der 1990er Jahre wurde die <strong>Liederhalle</strong> auch aus wirtschaftlichen<br />

Überlegungen zum Kultur- <strong>und</strong> <strong>Kongresszentrum</strong> <strong>Liederhalle</strong> erweitert. Um<br />

den seit den 1950er Jahren veränderten Ansprüchen gerecht zu werden <strong>und</strong><br />

darüber hinaus auch Räume für Vorträge oder Podiumsdiskussionen anzubieten<br />

sowie eine leistungsfähige Gastronomie, wurde die <strong>Liederhalle</strong> auf<br />

der Nordseite durch ein vieleckiges Bauwerk erweitert. Darin befinden sich<br />

zwei weitere Veranstaltungssäle: der 1900 Zuschauer fassende Hegelsaal<br />

<strong>und</strong> der für 400 Personen ausgelegte Schillersaal. Ergänzt wird das Angebot<br />

durch mehrere kleinere Konferenz- <strong>und</strong> Seminarsäle. Die Erweiterung geht<br />

im Wesentlichen auf Überlegungen Gutbrods zurück, die dieser bereits 1978<br />

angestellt hatte; entworfen <strong>und</strong> realisiert wurde der Neubau aber schließlich<br />

von Rolf Gutbrods ehemaligem Mitarbeiter Wolfgang Henning.<br />

Wie der Schillersaal war der siebeneckige, mit zwei Emporen ausgestattete<br />

Hegelsaal ursprünglich nur für das gesprochene Wort konzipiert, er lässt<br />

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sich aber aufgr<strong>und</strong> variabler Akustikelemente auch für Musikaufführungen<br />

nutzen. Gekrönt wird er durch eine Pyramide aus Glas, die seine Geometrie<br />

aufnimmt. Zwar wird der Neubau oberirdisch durch die Breitscheidstraße von<br />

der <strong>Liederhalle</strong> getrennt, ein unterirdischer Gang aber verbindet beide Gebäude<br />

miteinander. Der Eingang aus Richtung der <strong>Liederhalle</strong> liegt dort, wo<br />

sich vor der Erweiterung eine Garderobe bef<strong>und</strong>en hatte. Angeb<strong>und</strong>en wurde<br />

der Neubau unterirdisch an das Maritim-Hotel im Nordwesten; die daran anschließende<br />

Alte Reithalle wurde als weiterer Veranstaltungsort erschlossen.<br />

Sie wurde von Robert Reinhart 1887–88 errichtet, der Schüler von Christian<br />

Friedrich Leins war, dem Architekten der alten <strong>Liederhalle</strong>. Die Alte Reithalle<br />

ist ihrer Dachkonstruktion wegen eines der bedeutendsten Denkmäler der<br />

Stahlarchitektur des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts in Baden-Württemberg. Die Revitalisierung<br />

des angrenzenden Areals, ursprünglich Hauptstandort der Firma<br />

Bosch, hat die Bedeutung der <strong>Liederhalle</strong> als Ort kulturellen Lebens noch gestärkt,<br />

hier hat nun unter anderem das neue <strong>Stuttgart</strong>er Literaturhaus seine<br />

Räume. Der ursprünglich als Nebeneingang konzipierte Zugang von der<br />

Breitscheidstraße ist nun wichtiger als ursprünglich von den Architekten erwartet;<br />

ein neuer Empfangsbereich trägt dem Rechnung.<br />

Bei der Eröffnung im Jahr1956 sprach Adolf Abel davon, dass die<br />

<strong>Liederhalle</strong> einer Symphonie gleiche, der kein Teil genommen werden <strong>und</strong><br />

keines hinzugefügt werden dürfe, ohne dass das Ganze Schaden nehme.<br />

Gänzlich unversehrt hat die <strong>Liederhalle</strong> die letzten fünfzig Jahre nicht überstanden.<br />

So war der Vorplatz ursprünglich von einem von Blasius Spreng entworfenen<br />

Mosaik belegt, das leider im Rahmen späterer Sanierungen einer<br />

pflegeleichteren Lösung weichen musste. Bis die <strong>Liederhalle</strong> 1987 unter Denkmalschutz<br />

gestellt wurde, ist man nicht immer mit ihr umgegangen, wie es<br />

sich für ein Bauwerk dieses Ranges gebührt, wohl auch, weil man sich ebendieser<br />

Bedeutung nicht bewusst war. Das hat sich inzwischen geändert.<br />

Glücklicherweise konnten bei einer gr<strong>und</strong>legenden Renovierung 1991–93<br />

Ausschnitt aus dem Mosaik des Mozartsaals. Blasius Sprengs Arbeit ist unter den Kunstwerken<br />

der <strong>Liederhalle</strong> die wichtigste. Sie verbindet sich mit der Architektur zu einem Ganzen.<br />

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unter Mithilfe von Rolf Gutbrod die meisten Nachlässigkeiten wieder rückgängig<br />

gemacht werden, so dass sich die <strong>Liederhalle</strong> heute weitgehend wie<br />

1956 präsentiert; auch die Erweiterung hält respektvollen Abstand. Man<br />

mag sich in manchen Details, etwa bei der Beleuchtung, dem Leitsystem<br />

oder der flexiblen Möblierung elegantere Lösungen wünschen, um die Raumqualität<br />

uneingeschränkt genießen zu können. Es sei aber auch festgehalten,<br />

dass hier zum einen keine ursprünglichen Qualitäten unwiederbringlich verloren<br />

gegangen sind, <strong>und</strong> dass zum anderen der Erhalt eines solchen Bauwerks<br />

am ehesten gewährleistet ist, wenn es wirtschaftlich genutzt werden<br />

kann. Dass die neuen Konzeption dies vorerst ermöglicht hat, muss gewürdigt<br />

werden, denn nur so ist es den Betreibern möglich, die <strong>Liederhalle</strong> denkmalgerecht<br />

zu unterhalten. Wert ist sie es allemal.<br />

Personen r<strong>und</strong> um das Gebäude<br />

Architekten<br />

Konrad Rolf Dietrich Gutbrod<br />

Geb. 13. 9. 1910 <strong>Stuttgart</strong><br />

Gest. 5. 1. 1999 Dornach, Schweiz<br />

– 1929–1930 Architekturstudium an der<br />

TH Berlin<br />

– 1930–1935 Architekturstudium bei<br />

Paul Bonatz an der TH <strong>Stuttgart</strong><br />

– ab 1946 selbständige Tätigkeit<br />

– 1961–1972 Professor für Innenraumgestaltung<br />

<strong>und</strong> Entwerfen in <strong>Stuttgart</strong><br />

– 1971 stellv. Direktor der Abteilung<br />

Baukunst an der Akademie der Künste<br />

in Berlin<br />

Wichtige Bauten<br />

1663–1966 Freie Waldorfschule <strong>Stuttgart</strong><br />

1963–1968 Baden-Württembergische<br />

Bank <strong>Stuttgart</strong><br />

1964–1968 Universitäts- <strong>und</strong> Stadtbibliothek<br />

Köln<br />

1967 Deutscher Pavillon bei der Weltausstellung<br />

in Montreal (mit Frei Otto)<br />

Adolf Gaston Abel<br />

Geb. 27. 11. 1882 Paris<br />

Gest. 3. 11. 1968 Ansbach<br />

– 1902–1904 Architekturstudium bei<br />

Theodor Fischer an der TH <strong>Stuttgart</strong><br />

– 1906–1908 Studium bei Paul Wallot<br />

an der Akademie in Dresden<br />

– 1921–1925 Architekturbüro mit Karl<br />

Böhringer<br />

– 1925–1930 Stadtbaudirektor in Köln<br />

– 1930–1952 Professor für Baukunst an<br />

der TH München<br />

Wichtige Bauten<br />

1921 Industrie- <strong>und</strong> Handelskammer<br />

<strong>Stuttgart</strong><br />

1928–1935 Gebäude der geisteswissenschaftlichen<br />

Fakultäten der Universität Köln<br />

1930–1936 Mühlheimer Brücke in Köln<br />

1957 Umbau Rheinterassen Köln-Deutz<br />

Weitere Architekten<br />

Herren Kieß, Dr. Binder, Schmoeger,<br />

Merkle, Weik, Baezner, Keyler, Gmelich,<br />

Frl. Schneider<br />

Planungsbeteiligte Firmen<br />

Künstlerische Beratung:<br />

Professor Blasius Spreng, München<br />

Akustische Beratung<br />

Professor L. Cremer, Berlin<br />

mit Dipl. Ing. Müller, München<br />

<strong>und</strong> Ing. Keidel, <strong>Stuttgart</strong><br />

Statik<br />

Ing.-Büro Professor Kintzinger<br />

Dr.-Ing. Peter Schmidt-Hieber<br />

Orgel<br />

Kirchenmusikdirektor Bornefeld,<br />

Heidenheim<br />

mit Professor Nowakowski,<br />

<strong>Stuttgart</strong><br />

Baubeteiligte Firmen<br />

Technische Leitung <strong>und</strong><br />

örtliche Betreuung<br />

Dipl. Ing. Hermann Kieß<br />

Bauing. Hübner<br />

Bauherr<br />

Stadt <strong>Stuttgart</strong><br />

Oberleitung: Städt. Hochbauamt,<br />

Oberbaurat Schimmel<br />

28 29


108 - <strong>Liederhalle</strong> 26.06.2007 13:56 Uhr Seite 30<br />

30<br />

Rosenbergstraße<br />

Forst-<br />

Silberburg-<br />

straße<br />

Falkertstraße<br />

Schloßstraße<br />

Seidenstraße<br />

Breitscheid-<br />

straße<br />

Bauzeit<br />

1949 Wettbewerb<br />

1954–1956 Ausführung<br />

Leuschner-<br />

Neubau (1991)<br />

Architekt<br />

Prof. Dipl.-Ing. BDA Wolfgang Henning<br />

Geb. 1927<br />

Gest. 1994<br />

Mitarbeit im Büro von Rolf Gutbrod<br />

Planungsbeteiligte Firma<br />

Projektsteuerung, Projektmanagement:<br />

Hans-Joachim Maile<br />

straße<br />

Berliner<br />

Platz<br />

Fritz-<br />

Elsas-<br />

straße<br />

Hohe Straße<br />

Holzgartenstraße<br />

Büchsen-<br />

Straße<br />

Breitscheidstraße<br />

Gymnasium-<br />

Firnhaberstr.<br />

Schloßstraße<br />

Hospitalstraße<br />

Baubeteiligte Firmen<br />

straße<br />

straße<br />

Theodor-Heuss-Straße<br />

Heizungstechnik: Laux, Kaiser & Partner<br />

Lüftungsanlagen: Laux, Kaiser & Partner<br />

Klima: Laux, Kaiser & Partner<br />

MSR Mess-, Steuerungs- <strong>und</strong> Regelungstechnik:<br />

Laux, Kaiser & Partner<br />

Kontakt<br />

Kultur- <strong>und</strong> <strong>Kongresszentrum</strong> <strong>Liederhalle</strong><br />

Berliner Platz 1–3<br />

70174 <strong>Stuttgart</strong><br />

Telefon: +49 (0)71120 27-710<br />

info@liederhalle-stuttgart.de<br />

www.liederhalle-stuttgart.de<br />

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Fotos: Brigida Gonzalez<br />

Text: Christian Holl<br />

Lektorat: Jutta Steiner<br />

Koordination: Astrid Kaspar/Patricia<br />

Sutor/Jonas Reuber<br />

Pläne: S. 18 Kultur- & <strong>Kongresszentrum</strong> <strong>Liederhalle</strong><br />

<strong>Stuttgart</strong>, S. 30 Patricia Sutor<br />

Grafik-Konzept: Dorén + Köster, Berlin<br />

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