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öffnet. Nacht und Nebel und 48 Stunden Neukölln ... - Institut Berlin

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In jedem Raum wird das Staunen erneuert, brillierteine andere Facette dieser ungewöhnlichen <strong>und</strong>mitreißenden Verbindung aus klassischemKunsthandwerk <strong>und</strong> einer ganz individuellenVerarbeitung der Welt, die sich in den 72 Arbeiten ausden Jahren 2004 bis 2013 vorstellen.Ola Eibl - "Inventur"Text <strong>und</strong> Fotos von Lydia Hantke"Ola Eibl" steht auf dem kupfernen Schild über denStiefelchen auf dem Fußabtreter. Eine zierliche,aufrechte Frau <strong>öffnet</strong> die Tür, lächelt mit einerMischung aus Zurückhaltung <strong>und</strong> Offenheit, diedunklen Locken betonen jeden Satz mit einem Nicken.Das <strong>Berlin</strong>er Zimmer der kleinen Wohnung überFahrrädern <strong>und</strong> Mülltonnen im Hinterhof wird zweimalim Jahr zur Galerie, wenn <strong>Neukölln</strong> seine Schatztruhen<strong>öffnet</strong>. <strong>Nacht</strong> <strong>und</strong> <strong>Nebel</strong> <strong>und</strong> <strong>48</strong> St<strong>und</strong>en <strong>Neukölln</strong>heißen die Ausstellungstage, die schon lange vor demneuen Hype das bunte Innenleben des Stadtteilspräsentierten.So wurde auch die Kuratorin Natalia Cramer-Rodriguezauf Ola Eibl aufmerksam, schickte zuerst ihren Sohnzum Zeichenunterricht <strong>und</strong> rief dann denGemeinsamen B<strong>und</strong>esausschuss an: "Sie lassen sichda etwas Außergewöhnliches entgehen!" war ihreBotschaft. Nun hängt ab 9.Januar für ein halbes Jahrin den weiten Räumen der Wegelystraße 8 inTiergarten, was die <strong>Neukölln</strong>er Perfektionistin"Inventur" nennt.Da prangen Malereien jeder Größe auf oft selbstgefertigter Leinwand in Öl <strong>und</strong> kräftigen Farben,opulente Stücke voller Wind, Sattheit <strong>und</strong> Liebe zumhandwerklichen Detail. Großformate in Schwarz-Weiß<strong>und</strong> allem, was dazwischen zu finden ist, greifen Raumim schlicht-sachlichen Ambiente des hellen Foyers. Esschmiegen sich bunte Wellen zu Wolkenlandschaften,Seen, Flüssen, Bäumen in schlängelnder Lust, <strong>und</strong>zwischen die wilden bunten pastösen Farbbergeschieben sich vielschichtig ausgearbeitete Formkopienalter Meister. Ein zartfleischiger Arm unter schwerwallendem Haar, Papierstapel tanzen ein Bild hinauf,Formen finden Halt in den Höhen <strong>und</strong> Tiefen derunterschiedlichen Techniken. Druckgrafiken aus derSerie "Vieni via con me", feingliedrige Arbeiten aufAcryl, r<strong>und</strong>en die "Inventur" der jungen Künstlerin ab.Wann sie begonnen hat zu malen? Die Eltern hatten esleicht mit ihr, grinst sie verschmitzt, "ein Stift <strong>und</strong>Zettel <strong>und</strong> das Kind war beschäftigt". Ab dem Alter vondrei, vier Jahren sieht man den dunklen Lockenschopfzwischen Stoffmusterentwürfen <strong>und</strong> Bühnenmalereien,Auftragsportraits <strong>und</strong> bunt leuchtenden Emaillen in derWerkstatt der Tante in der Südsteiermark, woher OlasVater stammt. Eine Geige ohne Saiten liegt auf derrestaurierten Truhe, der Onkel feilt an einer Zither: "Esroch nach Honigpolitur, Kalk, Terpentin, Grün <strong>und</strong> denvon der Tante gezüchteten Pudelwelpen - die riechennach Milch <strong>und</strong> Himbeeren. Als ich älter war, hat siemir Blüten <strong>und</strong> Bauernkännchen auf den Tisch gestellt,die ich studieren sollte, das hieß betrachten, zeichnen,vorsichtig sein, sorgsam <strong>und</strong> genau. Mit 14 entstandmein erstes Ölbild: Ein dunkler kräftiger Wald miteinem versteckten Flüsschen, dahinter ein Felsen <strong>und</strong>ein drohender Waldbrand!"Eibl ist der Name, der für die künstlerische Traditionihrer österreichischen Seite steht. Schon Oma <strong>und</strong>Großonkel mit dem eingedeutschten Namen Gutschi(Gucci) malten, die Spuren führen nach Italien. ZweiStudienjahre verbringt auch Ola mit einemErasmusstipendium in Mailand <strong>und</strong> Siena, zeichnet <strong>und</strong>erstellt Radierungen. Noch heute lässt sie von DanielaLorenzi in Milano drucken.Der Vorname Ola aber ist der Kosename, den diepolnische Mutter <strong>und</strong> ihre Verwandtschaft gebraucht."Die Ferien haben wir immer aufgeteilt, die Hälfte warich in Österreich, die andere in Polen, bei meinenGroßeltern in der Nähe von Danzig. Hier war ichgenauso zuhause wie in der Steiermark <strong>und</strong> in <strong>Berlin</strong>.In Polen waren die Verhältnisse wesentlich ärmer als inÖsterreich zu der Zeit. Da wurde die Kohle noch vonPferdekutschen gebracht, von diesen Riesenpferdenmit Schlaghosen. Wir Kinder stiegen über Zäune in dieSchuppen der Nachbarn, spielten <strong>und</strong> bauten mit alldem w<strong>und</strong>erbaren Krempel, der da lag. Und es gabeine gigantische Menge Stachelbeeren, aus denenmein Großvater, ein alter Seemann, zu gerne Schnapsgemacht hätte. Wenn es nicht ohnehin verbotengewesen wäre, hätte es meine Oma getan. Alsosammelte ich die Beeren <strong>und</strong> verkaufte sie an diekleinen Lädchen."©©Lydia Hantke 2014 Kopie in Auszügen oder vollständig bei Nennung der Quelle erwünscht! www.umbruch-berlin.de


Dass sie malen wollte, war keine Frage. Sie tat es ja,aber sie wollte lernen, nicht können, Gr<strong>und</strong>lagenerwerben, nicht fertig sein. "Die Achtung vor demHandwerk habe ich dann von den Posins gelernt.Schon vor dem Abi <strong>und</strong> dem Studium an der UdK, alsich noch in Reinickendorf lebte, bin ich jahrelang nach<strong>Neukölln</strong> zum Zeichenunterricht gefahren. Drei Mal dieWoche stand abends für drei St<strong>und</strong>en ein Aktmodellauf dem Podest. Manchmal sollten wir ein Meisterwerkkopieren, Turner z.B., Rembrandt oder Van Gogh oderGipsabgüsse von antiken Skulpturen studieren.Poseidons Kopf ist mir so recht vertraut." Sie lachtimmer ein wenig so, als sei sie selbst überrascht: "DieBrüder korrigierten mit hohem Anspruch <strong>und</strong> streng,das war nicht jedermanns Sache. Sie selbst stehen inihrer Zeichenkunst den Künstler der Renaissance innichts nach. Auch wenn das Studium der alten Meisteroft nicht gut angesehen war, ich fühlte mich hiergefordert."Eugen Posin sagt dazu: "Als Künstler muss man aberzuerst etwas können – wie malen <strong>und</strong> zeichnen. Ichfrage Sie, wenn man nicht mal das Einmaleins derKunst beherrscht, von welcher Ausbildung kann mandann sprechen?" (www.kunstsalon-posin.de).Wann immer es Wetter <strong>und</strong> Zeit anbieten, geht Eiblhinaus aufs Tempelhofer Feld, in die Gärten vonSanssouci oder in eines der <strong>Berlin</strong>er Museen, für diesie eine Jahreskarte hat. Um die Meister zu studieren,Licht <strong>und</strong> Schatten, Struktur <strong>und</strong> Bewegung,Proportionen <strong>und</strong> Aufbau. Dann zeichnet sie. LädtFre<strong>und</strong>e dazu ein. Die Beobachtungsgabe will sietrainieren wie einen Muskel, der immer flexiblerwerden soll. "Raffael will ich mir demnächst genaueranschauen. Ich male in letzter Zeit zu seltenMenschen."Kürzlich hat sie einen alten Kupferstecher aufgetan<strong>und</strong> überzeugt, dass sie seines Unterrichts würdig ist.Außerdem lernt sie gerade, wie Ton reagiert, wannwelche Lasur geeignet ist. "Meine Großmutter kam miteinem Tonbatzen vom Acker <strong>und</strong> ihr Bruder mit derRückseite von ein paar Wirtshausrechnungenw<strong>und</strong>erbar zu Recht. Man arbeitet mit dem was da ist.Hat man nur einen Bleistift, so zeichnet man so langebis er alle ist. Heute können wir uns zwischen vielenMöglichkeiten entscheiden. Das macht es interessant,aber nicht immer leichter. Am liebsten hätte ich schoneine dreißigjährige Kupferstecherausbildung hinter mir,wäre Profi im Glasieren der Keramik <strong>und</strong> Meister derFälschung, Tischler, Schmied <strong>und</strong> Freskenmaler,Restaurator... mir fiele sicher noch was ein. Ich weißnicht, warum ich solche Unverhältnismäßigkeiten inmir herumtrage. Mich entscheiden zu müssen gefälltmir gar nicht. So bleibt es wirklich spannend."Viel Zeit bleibt da nicht zwischen Lernen <strong>und</strong> demhohen Anspruch an die eigene Arbeit. Da ist ja nichtsHingeworfenes, kein auf die Leinwand gezwängterAffekt. Eine Idee, ein Eindruck steht nie für sich, istimmer nur Beginn. "Das Ausarbeiten hat etwas vonheranreifen lassen. Solange arbeiten, bis dasEigentliche sichtbar wird. Wie das Keltern eines Weins,der erst schmeckt, wenn er mit Verstand <strong>und</strong> Könnenbearbeitet wurde. Eine Frucht, die zu früh geerntetwird, schmeckt nach nichts.""Wenn ich in Öl einen Gegenstand in vielen Schichtenausarbeite, fühle ich mich wie ein Handwerker.Radierungen bzw. Drucke - ein Medium, dasvervielfältigt werden kann – taugt dazu, etwas inUmlauf zu bringen, mehrere Menschen daran teilhabenzu lassen. Druckgrafiken anzufertigen ist eine richtigeharte <strong>und</strong> kraftaufwendige Angelegenheit. Dabrauchen Wut oder Entrüstung einen festenUntergr<strong>und</strong>. Lithografie will ich nur noch im Sommerarbeiten, der Stein ist mir im Winter viel zu kalt.Deshalb mochte ich Plexiglas eine Zeit lang lieber alsMetall. Tuschezeichnungen erfordern einenharmonischen <strong>und</strong> ausgeglichenen Gemütszustand,sonst wird alles schwarz. Malerei ist meineKönigsdisziplin, sie ist so komplex. In ihr kommenderart viele Techniken <strong>und</strong> Materialkenntnissezusammen, dass ich mich immer wieder frage, wannich es schaffen soll, das alles zu beherrschen.Acrylmalerei lehne ich gänzlich ab. Selbst wenn ichden Tod darstellen wollte, würde ich Acryl nichtwählen. Es ist toter als der Tod, ohne Magie."Welchen Sinn das Malen für sie hat, ist eine der letztenFragen. "Leiden, Lernen, Lieben <strong>und</strong> Wachsen." Sagt`s<strong>und</strong> lacht über die großen Worte. Lässt sie stehen.Sagt dann nichts mehr.(Fotos zum Download unter www.ola-eibl.de)©©Lydia Hantke 2014 Kopie in Auszügen oder vollständig bei Nennung der Quelle erwünscht! www.umbruch-berlin.de

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