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Wahrnehmung, Motorik, Affekt. Zum Problem des Körpers in der ...

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DIMITRI LIEBSCH: WAHRNEHMUNG, MOTORIK, AFFEKT. ZUM PROBLEM DES KÖRPERS IN DER PHÄNOMENOLOGISCHEN UNDANALYTISCHEN FILMPHILOSOPHIE.Auch für den Zuschauer ist dabei wie schon für den Filmemacher das leibhafte (durch an<strong>der</strong>eS<strong>in</strong>ne <strong>in</strong>formierte) Sehen zentral. Mit <strong>der</strong> partiellen Homophonie <strong>des</strong> englischen»synaesthesia« und »c<strong>in</strong>ema« spielend bezeichnet Sobchack daher beide auch als»c<strong>in</strong>esthetic subjects« (vgl. hier und im Folgenden SOBCHACK 2004: 67ff.). Neben dem Sehenthematisiert Sobchack zwar noch an<strong>der</strong>e Modalitäten als wichtig für die Filmrezeption.Erstaunlicherweise bef<strong>in</strong>det sich jedoch ausgerechnet das Hören nicht darunter, obwohlSobchack es mit dem Sehen zusammen zu den für die Filmrezeption »dom<strong>in</strong>ant senses«rechnet. Statt<strong>des</strong>sen widmet sie sich aber ausführlich e<strong>in</strong>er Modalität, die <strong>in</strong> <strong>der</strong>Filmwahrnehmung nur <strong>in</strong>direkt <strong>in</strong>volviert ist und im Alltag oft das Sehen <strong>in</strong>formiert, nämlich dieHaptik. So merkt sie zum leibhaften Sehen an: »This is a vision that knows what it is to touchth<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> the world, that un<strong>der</strong>stands materiality« (SOBCHACK 1992: 133). 5Wie für den Filmemacher unterscheidet Sobchack auch für den Zuschauer wie<strong>der</strong> zwischene<strong>in</strong>er Beziehung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>verleibung und e<strong>in</strong>er hermeneutischen Beziehung. Bei dem›e<strong>in</strong>verleibten Apparat‹ handelt es sich <strong>in</strong> diesem Fall um den Projektor, mit <strong>des</strong>sen Hilfe <strong>der</strong>Zuschauer auf die Welt sieht (vgl. SOBCHACK 1992: 177). Auch hier diskutiert Sobchack diemöglichen Folgen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>verleibung für die <strong>Wahrnehmung</strong>. Als E<strong>in</strong>schränkung benennt sieabermals den Verlust von Modalitäten (auffallen<strong>der</strong> Weise erwähnt sie hierbei den Verlust<strong>des</strong> Tastens nicht mehr, son<strong>der</strong>n nur noch den <strong>des</strong> Geruchs); darüber h<strong>in</strong>aus behauptet sie,dass <strong>der</strong>artige direkte E<strong>in</strong>schränkungen <strong>der</strong> Modalität <strong>in</strong>direkte Verstärkungen nach sichziehen können. Me<strong>in</strong>es Erachtens ließe sich ergänzen, dass es sich um Verstärkung vonAufmerksamkeit und Imag<strong>in</strong>ation handelt – allerd<strong>in</strong>gs verwendet Sobchack selbst beideAusdrücke nicht. Im Zusammenhang mit den hierfür gegebenen Beispielen kommt sie sogarnoch e<strong>in</strong>mal ausdrücklich auf das Hören zu sprechen, allerd<strong>in</strong>gs nur metaphorisch: »And,although the spectator’s own k<strong>in</strong>esthetic activity is drastically reduced when watch<strong>in</strong>g a film,the perception of movement and its k<strong>in</strong>esthetic ›sense‹ or significance seems immenselyamplified because of the relative quietude of the spectator’s movement. It is as if thespectator’s body were k<strong>in</strong>etically ›listen<strong>in</strong>g‹ to the movement of another« (SOBCHACK 1992:186).Die Analogien zur Beschreibung <strong>der</strong> Filmproduktion enden mit dem H<strong>in</strong>weis darauf, dass <strong>der</strong>Apparat für den Zuschauer ebenfalls nicht restlos transparent ist und dass <strong>des</strong>halb zwischendiesem und jenem e<strong>in</strong>e hermeneutische Beziehung besteht. Die Opazität <strong>des</strong> Apparats wirdnach Sobchack vor allem <strong>in</strong> zwei Fällen deutlich. Erstens unterscheidet sich die unscharfeBegrenzung unseres Sichtfelds von <strong>der</strong> scharfen, <strong>in</strong> unser Sichtfeld fallenden Begrenzung <strong>der</strong>Projektionsfläche; und zweitens ist <strong>der</strong> körperliche Raum <strong>des</strong> Zuschauers, zu dem auch dasschwach leuchtende Schild für den Notausgang und <strong>der</strong> eigene H<strong>in</strong>tern auf dem K<strong>in</strong>osesselgehören, von dem projizierten visuellen Raum unterschieden: »In so far as the visual space Isee before me is not completely isomorphic with the bodily space from which I see, there willbe a pressure from, an echo of, the mach<strong>in</strong>e that mediates my perception« (SOBCHACK 1992:179).Komplexer als die Beschreibung <strong>der</strong> Filmproduktion werden die E<strong>in</strong>lassungen Sobchacksdort, wo sie den Ausgangspunkt <strong>der</strong> Rezeption problematisieren, nämlich jene dreistelligeRelation, <strong>der</strong> zufolge <strong>der</strong> Zuschauer mithilfe <strong>des</strong> Projektors auf die Welt blickt. Was ist nun zuberücksichtigen? Sobchack macht geltend, dass mit Hilfe <strong>des</strong> Projektors nur dasjenigeausgedrückt werden kann, was zuvor, also <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit, durch e<strong>in</strong>e Kamerah<strong>in</strong>durch wahrgenommen wurde. Wegen <strong>der</strong> auch dabei <strong>in</strong>volvierten hermeneutischen5Zu dieser Art ›Wissen‹ hat Sobchack später <strong>in</strong> dem Essay mit dem programmatischen Titel What my f<strong>in</strong>gersknew ausgeführt: »That is, we do not experience any movie only through our eyes. We see and comprehendand feel with our entire bodily be<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>formed by the full history and carnal knowledge of our acculturatedsensorium« (SOBCHACK 2004: 63). Für die Filmwahrnehmung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> ja ke<strong>in</strong> aktueller haptischer Reiz vorliegt,lässt sich also behaupten, dass sie u.a. von vergangenen haptischen Erfahrungen profitiert.IMAGE I Ausgabe 17 I 1/2013 109

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