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Workshop zur Interaktion zwischen Tierpflegern und Wissenschaftlern

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<strong>Workshop</strong> <strong>zur</strong> <strong>Interaktion</strong><strong>zwischen</strong> <strong>Tierpflegern</strong> <strong>und</strong><strong>Wissenschaftlern</strong>von Petra Blasch 1 , Tanja Wolf 2 , Verena Behringer 3 <strong>und</strong>Thomas Geissmann 4 (Eds.)1 Zoo Frankfurt, Frankfurt a. Main; 2 Deutsches Primatenzentrum, CognitiveEthology Lab, Göttingen; 3 Department Primatologie, Max-Planck-Institutfür evolutionäre Anthropologie, Leipzig; 4 Anthropologisches Institut, UniversitätZürich-IrchelAnlässlich der 11. Affenpflegertagung, die vom 7. bis 10.Oktober 2010 im Zoo Apenheul (NL) stattfand, moderiertenwir am 9. Oktober 2010 einen <strong>Workshop</strong> <strong>zur</strong>Beziehung <strong>zwischen</strong> <strong>Tierpflegern</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaftlern</strong>.Die Teilnehmer wurden eingeladen, sich an einer Diskussionsr<strong>und</strong>ezum Thema “Welche Probleme erschwerendie <strong>Interaktion</strong> <strong>zwischen</strong> <strong>Tierpflegern</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaftlern</strong>,<strong>und</strong> wie könnte sie verbessert werden?” zubeteiligen. Da sich sowohl Tierpfleger wie auch Wissenschaftleran der Diskussion beteiligten, konnte dieFragestellung aus beiden Perspektiven beleuchtet werden(Abbildung 1).Die Teilnehmer der Diskussionsr<strong>und</strong>e (soweit bekannt)waren, in alphabetischer Reihenfolge: Dennis Appels,Verena Behringer, Martina Bergmann, Petra Blasch, JanJouke Brouwer, Melissa Engelke, Jan Finster, SimoneGeier, Thomas Geissmann, Petra R. Gotzler, RubenGralki, Harald Lauer, Tjerk ter Meulen, Markus Moskon,Heinke Scherbartt-Wagner, Klaus Schüling, Judith vander Loo, <strong>und</strong> Tanja Wolf.Dieser Artikel fasst einige der Ansichten <strong>und</strong> Anregungen,die aus der Diskussionsr<strong>und</strong>e hervorgingen, zusammen.Da es sich um eine Affenpflegertagung handelt,konzentrieren sich die Diskussionsbeiträge <strong>und</strong>Beispiele vorwiegend auf die Haltung <strong>und</strong> die Forschungan Affen.Forschung im Zoo: Ja oder nein?Zu Beginn der Diskussionsr<strong>und</strong>e wurden die Teilnehmergebeten, sich für oder gegen die Einbindung von Forschern<strong>und</strong> Forschungsprojekte im Zoo zu äußern <strong>und</strong>ihre Ansicht zu begründen. Im Prinzip befürworteten alleTeilnehmer die Forschung im Zoo. Ein Konsens bestandaber auch darin, dass die Frage differenzierter besprochenwerden muss: Was für Forschung ist gemeint?Handelt es sich um Forschung, die den Einsatz derTierpfleger erfordert, weil die Tiere umgesperrt werdenmüssen, Tierpfleger bei der Durchführung dabei stehenmüssen oder sich die Routine im Haus verändert, oderum Forschung, bei der die Forschenden lediglich dieTiere beobachten <strong>und</strong> für die Tierpfleger kein zusätzlicherAufwand entsteht.In diesem Zusammenhang wurde auch erwähnt, dassForschung eine der Schwerpunktaufgaben <strong>und</strong> internationalerAufträge eines modernen Zoos ist, durch dieZoos unter anderem allgemein ihre Daseinsberechtigungbegründen. Schon allein deshalb wäre eine Ablehnungvon Forschung im Zoo eher schwierig vertretbar.Bei der Beurteilung der Forschungsprojekte im Zookommt es sehr darauf an, um welche Projekte es sichhandelt. Je invasiver, arbeitsintensiver <strong>und</strong> zeitaufwendigerein Projekt ist, desto weniger Zustimmung findetes. Negative Auswirkungen wie die Beeinträchtigungdes Wohlbefindens der Tiere, Störung der Individualentwicklungoder die Kollaps der Gruppenstrukturwerden befürchtet. Am meisten Zustimmung erhaltenreine Verhaltensbeobachtungen, auch Untersuchungenzum Thema behavioural enrichment finden eine relativbreite Akzeptanz, während zum Beispiel „Kaspar-Hauser-Versuche“(die mit der Isolation von Tieren verb<strong>und</strong>ensind) so gut wie keine Unterstützung erhalten.Ein Konsens herrschte darüber, dass ForschungsprojekteSinn machen müssen <strong>und</strong> idealerweise auch denTieren etwas bringen sollten. Manche Zoos gestattengr<strong>und</strong>sätzlich keine direkten <strong>Interaktion</strong>en <strong>zwischen</strong>Forschern <strong>und</strong> Tieren. Diese Haltung wird auch von vielen<strong>Tierpflegern</strong> geteilt. Rein nicht-invasive Beobachtungsstudienwerden bevorzugt. Es gibt auch Forschungrein beobachtender Natur, die den Tieren <strong>und</strong> dem Zooetwas bringen könnte. Von Forscher-Seite wurde indiesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Resultatedeskriptiver Gr<strong>und</strong>lagenforschung, die sich mitreiner Beobachtung erheben ließen, in der heutigen Zeitals weniger relevant angesehen werden <strong>und</strong> sichschlechter publizieren lassen, als Resultate experimen-9Blasch, V., Wolf, T., Behringer, V., and Geissmann, T. (2011). <strong>Workshop</strong> <strong>zur</strong> <strong>Interaktion</strong> <strong>zwischen</strong> <strong>Tierpflegern</strong> <strong>und</strong><strong>Wissenschaftlern</strong>. Arbeitsplatz Zoo 22 (2): 9-11.


Teilnehmer am <strong>Workshop</strong> <strong>zur</strong> <strong>Interaktion</strong> <strong>zwischen</strong> <strong>Tierpflegern</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaftlern</strong>, Zoo Apenheul, 9. Oktober2010. (Foto: T. Wolf)teller Studien. Es sollte nicht nur Forschung der Forschungwegen betrieben werden, sondern <strong>zur</strong> Beantwortungvon Fragen die meist nicht mehr rein durchBeobachtung beantwortet werden können.Probleme aus ZooperspektiveEin Hauptproblem, das Forschung im Zoo für Tierpflegermit sich bringt, ist zusätzliche Arbeit. Um den Arbeitsaufwandder Forschungsprojekte für die Tierpfleger zukompensieren, wäre eine Mithilfe der Wissenschaftlerbei der Arbeit des Tierpflegers denkbar. Manche Zoosfordern diese Form der Kompensation. Ist diese Mithilfeunqualifizierter Arbeitskräfte im Zoo bei den <strong>Tierpflegern</strong>tatsächlich willkommen <strong>und</strong> eine wirkliche Hilfe? Zudieser Frage wurde kein Konsens gef<strong>und</strong>en.Das Sammeln von Proben (wie zum Beispiel Urin) solltenie die Aufgabe der Studenten, sondern ausschließlichdiejenige der Tierpfleger sein. Gerade bei großen Affenartenkann das Arbeiten im Tierpflegerbereich auchdurchaus riskant sein.Ein weiteres Problem, das die Forschung dem Zoo anscheinendregelmäßig beschert, ist die Lagerung <strong>und</strong>Kühlung von Proben. Dies beansprucht oft sehr vielPlatz. Zudem werden die Proben oft nach Beendigungdes Projektes einfach von den Forschern im Zoo vergessen,während man sich dort nicht darüber im Klarendarüber ist, ob die Proben weiterhin benötigt werdenoder ob sie entsorgt werden dürfen.Die Zahl der Projekte, die an einer Affengruppe durchgeführtwerden, kann nicht beliebig hoch sein. Wie vielForschung tolerierbar ist, hängt zum Beispiel vomStresszustand in der Gruppe ab, oder auch davon, wiestark die Tiere für eine Kollaboration motiviert sind <strong>und</strong>von der Art der verschiedenen Projekte.Forscher können Zootiere stressen, aber es gibt auch„positiven Stress“ (zum Beispiel Stimulation). Die Abschirmungder Zootiere gegen Einflüsse von außenkann auch übertrieben werden.Tierpfleger werden oft mangelhaft über Projekte <strong>und</strong> diedaraus resultierenden Ergebnisse informiert.Tierpfleger beanstanden oft, dass die Forscher im Zooarrogant seien <strong>und</strong> sich für „etwas Besseres“ hielten.Bei den Forschenden im Zoo lassen sich grob zweiGruppen unterscheiden: (1) Studenten <strong>und</strong> (2) Dozenten/Professoren.Meistens haben die Tierpfleger mit denStudenten zu tun. Sie leisten in der Regel die eigentlicheForschungsarbeit <strong>und</strong> verbringen dafür je nachProjekt sehr viel Zeit im Zoo. Die Dozenten oder Professorensind es, die sich in der Regel die Forschungsprojekteausdenken, diese an Studenten vergeben, <strong>und</strong> dieDurchführung der Projekte betreuen. Meist haben sieaber kaum etwas mit der Datenerhebung zu tun.Viele Studenten sind absolute Neulinge ihres Fachs. Siemüssen ihr Metier erst erlernen, bevor ihre Arbeit demZoo was nützen kann. Diese Möglichkeit sollte ihnenaber auch geboten werden. Eine Investition in dasWissen <strong>und</strong> die Arbeitsfähigkeit der Studenten im Zookann sich langfristig auch für den Zoo lohnen.Nicht alle, die Forschung im Zoo betreiben, sind gleichermaßenmotiviert <strong>und</strong> kompetent. Dozenten müssenmanchmal auch Kurse anbieten, die nicht ihrerspeziellen Kompetenz entsprechend, <strong>und</strong> Studentenbekommen auch nicht immer die Forschungsprojekte,die sie gerne hätten.10


Probleme aus ForscherperspektiveEs wird empfohlen, dass Forscher vorerst die Machbarkeitihrer Projekte überprüfen, bevor sie mit der Durchführungbeginnen. Beispiele: Sind die baulichen Voraussetzungenim Zoo kompatibel mit dem Projekt?Kann der Mehraufwand an Arbeit von den <strong>Tierpflegern</strong>überhaupt bewältigt werden <strong>und</strong> ist er für den Zoovertretbar? Steht mein Projektaufwand in einem sinnvollenVerhältnis zu den erwarteten Ergbnissen?Wissenschaftliche Vorstellungen von relevanter Forschung<strong>und</strong> von Machbarkeit decken sich nicht immermit der Zooperspektive. Forscher lassen sich manchmalvon Projekten inspirieren, die in Tierlaboren <strong>und</strong> Primatenzentrendurchgeführt wurden, die aber in einemZoo <strong>und</strong>enkbar wären.Studenten sind oft mit ihren Projekten überfordert. Siesind zum Beispiel nicht mit den Zoostrukturen vertraut(Hierarchie, Informationsfluss, Zahl der Tierpfleger ineinem Revier, Arbeitsaufwand der Tierpfleger, usw.),manchmal auch nicht mit den Verhaltenseigenschaftender zu untersuchenden Zootiere. Ebenso werden siemachmal von ihren Universitätsbetreuern auch nurmangelhaft informiert oder mit Projekten beauftragt, diesich im Zoo nur schwierig realisieren lassen.Oft erhalten Studenten vom Zoo auch keinen Forschungsvertrag,der Haftung, Kompetenzen, Verpflichtungen<strong>und</strong> Versicherungsschutz festlegt. Ein solchersollte aber vorgängig zu jedem Projekt vorliegen, dassich nicht auf reine Verhaltensbeobachtungen beschränkt.Studenten, die Zooprojekte durchführen, beanstandenoft, dass die Tierpfleger ihnen Arroganz vorwerfen <strong>und</strong>ihre Scheu <strong>und</strong> Unsicherheit als Belege für Überheblichkeitinterpretieren.Studenten müssen lernen, dass im Zoo nicht immer allessofort machbar ist. Die Tiere zeigen nicht immer dasgewünschte Verhalten, <strong>und</strong> die Tierpfleger müssen nebender Forschungshilfe auch ihr normales Arbeitspensumbewältigen <strong>und</strong> sind daher auch nicht immer sofortverfügbar.Vorschlag: Merkblatt für ZooforscherEin Merkblatt, das der Zoo für angehende Zooforscherausarbeitet <strong>und</strong> an diese <strong>und</strong> ihre Betreuer abgibt,könnte einige der oben gelisteten Probleme lösen oderentschärfen. Es wäre auch denkbar, dass das Merkblattvon der zooeigenen Website zum Herunterladen angebotenwird.Nachfolgend werden einige Punkte genannt, die ineinem solchen Merkblatt enthalten sein könnten:• Wer ein invasives wissenschaftliches Projekt im Zoodurchführen will, braucht einen Forschungsvertragmit dem Zoo (dieser regelt Haftung, Kompetenzen,Verpflichtungen, Versicherungsschutz, Publikationsrecht…).• Wer ein wissenschaftliches Projekt im Zoo durchführenwill, stellt sich <strong>und</strong> das Projekt im Zoo vor,besonders auch den <strong>Tierpflegern</strong>. Die Uhrzeit solltedementsprechend gewählt werden.• Namen <strong>und</strong> Kontaktadressen der Bezugspersonenauf Zoo- <strong>und</strong> Forscherseite sollten allen am Projektbeteiligten zugesandt werden.• Ergebnisse sollen am Schluss einer Forschungsarbeitauch <strong>Tierpflegern</strong> vorgestellt werden. Es reichtnormalerweise nicht aus, ein Exemplar der Arbeit aneinen Kurator senden. Dies kann zum Beispiel imRahmen eines Vortrages im Zoo erfolgen.• Die am Forschungsprojekt Beteiligten sollten gr<strong>und</strong>sätzlichnicht darauf vertrauen, dass Informationenautomatisch an alle anderen Beteiligten weitergeleitetwerden. Sie sollten selber dafür sorgen, dassInformationen an alle Empfänger gelangen, sowohlim Zoo als auch im Forschungsinstitut.• Probenaufbewahrung im Zoo wird zeitlich limitiert.Zum Beispiel kann der Zoo eine Richtlinie aufstellen,wonach zwei Monate nach Abschluss des Projektesalle nicht abgeholte Proben im Zoo entsorgt werden.Dieser Zeitrahmen wurde hier rein willkürlichgewählt.Weitere VorschlägeAuch Zoomitarbeiter (inklusive Tierpfleger) können Forschungsprojektevorschlagen, die sie für hilfreich oderrelevant erachten. Es würde sich also lohnen, Verbindungenzu entsprechenden Kontaktstellen an den Forschungsinstitutenzu etablieren.Zoos könnten davon profitieren, eine Schaltstelle <strong>zwischen</strong>Pflegern <strong>und</strong> Forschern ein<strong>zur</strong>ichten, einenForschungs-Koordinator. In britischen Zoos ist dies einegängige Funktion. Diese Person überprüft im Vorfeldeiner Zoostudie die Qualität der Studenten, aber auchdie Intensität der Betreuung von der Universitätsseite,sowie auch die Durchführbarkeit der Projekte. DiesePerson sorgt auch dafür, dass die Mitarbeiter tatsächlichin Präsentationen über die Resultate der Projekteinformiert werden. Für einen Pfleger ist es schwieriger,eine Zusammenkunft des Personals zu planen.DanksagungWir danken Carsten Knott für die Anregung <strong>zur</strong> Durchführungdieses <strong>Workshop</strong>s, allen Mitwirkenden an derDiskussion für das Einbringen von Vorschlägen <strong>und</strong>Anregungen, sowie Constanze Melicharek für hilfreicheKommentare zum Manuskript.11

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