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„Menschen sind, dass sie Freude haben können“Buch Mormon 2. Nephi 2: 25„Brüder, überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen!“Friedrich Schiller „Ode an die Freude“3


VorwortDie modernen Resultate der Geschichtsforschung ermöglichen uns einendeutlicheren Blick auf den Prozess der Entstehung der Reichskirche. Sielassen den Schluss zu, dass mit dem Begriff ‚Christentum’ die Zeit und dieGeschichte der Frühkirche vor etwa dem 3. Jahrhundert beschriebenwerden könnte. Was sich mit und nach Kaiser Konstantins Einmischung ininnerkirchliche Angelegenheiten zutrug, änderte alles. Wenigstens imNachhinein verlangt das eine Korrektur auch des Titels.Mit der Etablierung der Reichskirche zwischen 325 und 380, gerieten dieReste der Urkirche unter massiven Druck der „Orthodoxen“.Das Gesetz „Cunctos populos“ von 27. Februar 380 formulierte exakt dasGegenteil des Toleranzediktes Kaiser Galerius von 311, sowie das Reskriptder Kaiser Konstantin und Licinius von 313.Cunctos populos, - zumindest mit Billigung des Ambrosius von Mailandgeschrieben und veröffentlicht, - richtete sich nicht nur gegen die paganenReligionen, sondern ausdrücklich gegen alle dam<strong>als</strong>, auch zahlenmäßig,nicht unbedeutenden origenistisch-arianisch glaubenden Gruppen derKirche, sowie gegen Manichäer, Mandäer usw.Gewissenentscheidungen, die sich nicht mit den Sonderansichten desAmbrosius und dann mit den Kuriositäten des Augustinus von Hippodeckten, wurden für illegal erklärt.Aufsehenerregend ist in diesem Zusammenhang die Arbeit von Ana MariaC.M. Jorge “The Lusitanian Episcopate in the 4th Century. - Priscilian ofÁvila and the Tensions Between Bishops”Drei nachfolgend zitierte authentische Sätze umreißen dieAusgangssituation. Sie spornten mich an diese Broschüre zu schreiben,nämlich zu kommentieren was bedeutende Historiker herausfanden, sowiedas Ganze möglichst miteinander zu einem verständlicheren Ganzen zuverbinden.„In Nicäa (325) … befolgte die Kirche die Wünsche Konstantins, obwohlsie sie nicht billigte... Eben so wenig, wie Konstantin Christus erwähnt, istdie Kirche auf Christus bezogen...“ (1)„Konstantin ist verantwortlich für die Entstehung des katholischen undorthodoxen Christentums.“ (2)<strong>Gerd</strong> <strong>Skibbe</strong>, Melbourne, im März 2010_____________(1) Heinz Kraft, Habilitationsschrift „Konstantins religiöse Entwicklung“ Heidelberg -Uni Greifswald, 1954 S. 81 ff(2) Prof. Wolmeringer „Konstantin-Artikel“ vom 05.03.07 im Internet, S.24


Festigung der Position des ‚heiligen Stuhls’ diente. Nicht nur derDominikaner Tetzel auch andere Ablasshändler waren zu Luthers Zeitendurch die Lande gezogen und hatten jedem Sündenvergebung versprochen.Jedem! Es wurde seitens der Gläubigen nicht nur <strong>als</strong> eine in der Ewigkeitgültige Freisprechung vor Gott <strong>als</strong> Weltenrichter verstanden, es war auchso gemeint: nämlich, die Kirche kann dich von allen Sünden freisprechen,wenn du deine Vergehen bekennst.Da ist der Fall des Mordes des Statthalters der Lombardei, Azzo Viscontian seinem Oheim Marcus im 14. Jahrhundert. Papst Johannes XXII. nahmvon diesem Mörder Geld und erklärte, Gott gedenke seiner Sünden nichtmehr. Visconti sei nun mit dem Reich Gottes ausgesöhnt. (6)Dass Geld, auch schmutziges, jedes Tor im Reich Gottes öffnen könne,wollte Luther weder verstehen, noch unwidersprochen hinnehmen.Mit einer riesigen Kreuzesfahne, militärisch geschützt war Tetzel querdurch Deutschland bis in Luther Nähe gereist. Er kam bis Jüterbog. NachWittenberg wo Bruder Martin lehrte durfte er nicht gehen, denn KurfürstFriedrich der Weise hatte Tetzel untersagt Kursachsen zu betreten.Friedrich wollte nicht, dass sein Geld und das seiner Untertanenirgendwohin abwandert. Deshalb liefen die Wittenberger, abergläubischwie sie durch ihre Geistlichen erzogen worden waren, nach Jüterbog. Baldspürte Beichtvater Luther die Auswirkungen direkt. Er zeigte sich nichtgewillt, alle Männer und Frauen von ihren Sünden zu absolvieren, solangesie nicht aufrichtig Umkehr geübt hatten. Deshalb lautete seine 1. undvielleicht wichtigste These: „So unser Herr und Meister Jesus Christusspricht: Tut Buße, will er, dass das Leben der Gläubigen eine stete undunaufhörliche Buße sei.“In Bruder Martins Kopf und Herz stand an dieser Stelle das griechischeWort: metanoia, und das meinte innere Umkehr.Wie er glaubte, müsste das doch jedem einleuchten.Nur, wie sagte er das seinem Kaiser?Er hätte es leicht erklären können: Was hat eine Ehefrau davon, dass ihrMann bekennt, ich habe dich betrogen, solange sie nicht sieht, wie sehr esihm im Innersten weh tut, und solange sie nicht fühlt, er würde es niem<strong>als</strong>wieder tun. Erst echte Reue (Buße, wie Luther sie verstand) konnte allesbessern. Der Bußkatalog nannte statt Umkehr eine Geldsumme und dasbrachte Luther in Wut. Außerdem hieß es, Papst LeoX. hätte 1515 denAblass ausgeschrieben um seine Schulden beim Bankhaus der Fugger zubegleichen. Denn er liebte die große Kunst „von Raffael z.B. ließ er sichdie Wände seines Badezimmers mit der Göttin Venus und ihrem Sohn, dem________________(6) Schlosser, Weltgeschichte Bd VI. S. 390-3916


Liebesgott Cupido, bemalen und… laut seinen Zeitgenossen ... sei ein Teildes eingenommenen Geldes für die Aussteuer seiner Nichte MaddalenaCibò bestimmt gewesen...“ (7) Luther war auch nur ein normalerSterblicher, er durchlief einen Prozess. Das ganze Jahr 1516 hindurchglaubte er noch gutwillig, dass der Papst Christi Stellvertreter auf Erdenist. Selbst im Jahr 1517 sagt er noch: „Die freche Ablasspredigt macht,dass es auch gelehrten Männern schwer wird, des Papstes Ehre rein zuhalten von Verleumdungen oder wenigstens vor scharfen Fragen derGläubigen“ (8)Den Papst stellte man sich zugleich <strong>als</strong> Christi Stellvertreter und <strong>als</strong>Kaufmann vor. Er sammelte die guten Werke seiner Frommen ein,darunter die vielen Gebete die vor allem die Nonnen und dieBruderschaften, über das notwendige Maß zur eigenen Erlösung,gesprochen hatten. Über dieses Plus konnte der heilige Vater verfügen, erkonnte es verkaufen oder sogar <strong>als</strong> Gnade Christi verschenken.Supererogation nannte man das. Seit dem 13. Jahrhundert galt: „Es isttatsächlich ein ungeheurer Schatz an Verdiensten vorhanden, der sich ausden frommen Taten ... zusammensetzt, welche die Heiligen über das hinausvollbracht hatten, was zu ihrer Seligkeit notwendig ist... dass denTreuhänder dieses kostbaren Schatzes den römischen Pontifex ermächtigt,denen die er für geeignet hält, einen Teil dieser unerschöpflichen Quelledes Verdienstes zuzuerkennen... so ausreichend, dass die Übeltäter von derfür ihre Missetaten vorgesehen Strafe befreit werden.“ (9) Die Statistiken‚guter Werke’ wurden gewissenhaft geführt. Das „Vaterunser“ - das zwarnur wenige Worte umfasst - wurde in manchen Klöstern rund um die Uhrgebetet: Sieben Millionen Ave Maria hatte „die Bruderschaft der 11 000Jungfrauen auf Vorrat gebetet, dazu 200 000 Rosenkränze und 200 000TeDeum laudamus, sowie 3500 ganze Psalter“ (10)Luther war in der durchgekämpften Nacht vor diesem Verhör mancherleidurch den Kopf gegangen. Er fühlte sich elend und verlassen. Doch seitseinem Turmerlebnis - einer Erfahrung, nachdem er wieder einmal mitsich gerungen und doch im Kampf gegen die Lust unterlag - weiß er, dassTetzels Lehre und damit des Papstes Auffassung nicht richtig sind. Dennniemand, der voll Selbstgerechtigkeit ist, kann mit der GerechtigkeitGottes erfüllt werden. Dass jedermann sogar seine sündigen Vorfahren, die_________________(7) Maike Vogt- Lüerssen „Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance“(8) 82. These(9) James Talmage, „Jesus der Christus“ zitiert Mosheim, Geschichte der Kirche, XII.Jahrhundert II. 3:4(10) Gustav Freytag Deutsche Bilder 2, Leipzig, 1927, S. 3377


im Purgatorium große Qualen erleiden, freikaufen könne, hält er noch nurfür eine Übertreibung und das Tetzelwort: Sobald das Geld im Kastenklingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt, ist in seinem Augen einfacheine dreiste Werbung. Doch eigentlich hatte sich sein Bruch mit demPapsttum bereits einige Jahre zuvor vollzogen. 1515 war er nach Romgewandert. Mit hochgespannten Erwartungen fiel er angesichts der amHorizont auftauchenden Türme der ewigen Stadt auf die Knie und dankteGott: „Heiliges Rom!“ Unheiligeres sollte er nie wieder sehen, nie wiederso lästerliche Reden wie die seiner römischen Brüder hören, die die Messemit unbeschreiblich obszönen Redensarten verlachten und die sich denGedanken der Vorfreude hingaben, gleich danach Vergnügen in denArmen ihrer Geliebten zu finden.Gespannt starrte der bleiche Kaiser auf den Mund dieses Aufrührers, derwie er hörte so schlau gegen den Papst von der Gnade und dem Glauben anden Erlöser Jesus Christus sprach und der sich damit um Kopf und Kragenredete. Er starrte auf den Mund des Mönches, der seine Überzeugungengerade mit den Worten zusammenfasste: „Ich kann meinen Schriften nichtanders beistehen, <strong>als</strong> wie mein Herr Christus selbst seiner Lehre beistand,indem er dem Diener... der ihn ohrfeigte, antwortete: Habe ich übelgeredet, so beweise, dass es böse sei.“ (11) Martin stand nun im 36. Jahrseines Lebens, er ist Doktor der Heiligen Schrift, die er, wie sonst keiner,in diesem Raum, kannte und verstand. Er hatte sich nicht leichtdurchgerungen, mit klaren Worten abzulehnen was von ihm gefordertwurde, denn er hatte zu viel erfahren und gesehen. Die den Kaiserberatenden schwarz-weißgekleideten Dominikaner forderten angesichtsder übergroßen Geduld ihres Herrn und der trotzig-zögernden Haltung desAugustinermönches Luther, seine sofortige Bestrafung: „Er ist ein Ketzer,... ins Feuer mit ihm!“ Das hörten nicht nur die ihnen Nächststehenden.Martin ist sich darüber im Klaren, ein kleiner Wink des mächtigstenMannes der Welt genügte, um es auszuführen. Es ist wahr, er ist einKetzer! Keck hatte er in seinen Schriften behauptet, die Maximen desrömischen Klerus seien Pfründe und Vormacht. Er ist ein Ketzer mit demstark begründeten Anspruch die Wahrheit auf seiner Seite zu verteidigen.Er ist ein sonderbarer Ketzer, einer der intensiv um Toleranz warb, umwenig später selbst unbeugsam intolerant zu handeln. Bald wird er knappund ungnädig sagen: „Mit Ketzern braucht man kein langes Federlesen zumachen, man kann sie ungehört verdammen!“ (12)_____________(11) Wachsmann, „Die Dokumentenplattform: Luthers Verteidigungsrede auf demReichstag zu Worms.“(12) Tischreden, Bd.III. S. 1758


Der spanische Kaiser der Deutschen, vor dem Luther zu Kreuze kriechensoll, ist zwar jung, aber Karl V. hat sich nie darum geschert, was ihmFachleute rieten. Er wird sich, wie stets sein eigenes Urteil bilden. Er, <strong>als</strong>Imperator, hatte die heilige Pflicht vor Gott das Evangelium Roms zubewahren und dem Papst zu Dienste zu stehen. Doch auch er ahnt nicht,dass er, wie sein hagerer Gegenüber, sehr bald ins Gegenteil fallen wird. Erwird sechs Jahre später Truppen gegen Papst Clemens VII. schicken, derso unklug war, sich mit den Franzosen gegen ihn zu verbünden. Es sind dieeinmaligen Umstände die beide jeweils dahin bringen die eigentlich‚andere’ Rolle zu spielen.Mangelnde Besoldung der Söldnertruppen, schlechte Führungsarbeit undder allgemeine antipäpstliche Hass, zerbrachen während dieses kuriosenFeldzuges bald jede Disziplin.Ungestraft zogen die katholischen wie auch die lutherischen Soldaten KarlV. monatelang plündernd durch die Straßen der heiligen Stadt, begleitetvon üblen Spaßmachern. Darunter war einer, der mit einer Tiara gekröntund im Chormantel wie der Papst auftrat. Als „Sacco di Roma“ gingdieses Zwischenspiel, im römischen Drama, in die Geschichtsbücher ein.Luther, ehe er an diesem 18. April 1521 erneut zu Wort kam, betrachteteden nachdenklichen Kaiser mit seinen rotblonden Haaren nicht furchtlos.Er schaute nur kurz in die gewaltigen Augen seines Herrn, die aus einemungesund blassen Gesicht herausquollen.Ihm wurde bedeutet, er möge es nun in Deutsch wiederholen, damit auchbei den deutschsprachigen Hörern kein Missverständnis sei.Luther sprach lange.In seinem Kopf sind all diese Bilder seiner meist unguten Erfahrungen undder Geschichte, die ihn beunruhigen. Er muss diese Vergangenheit für sichund andere überwinden. So konnte es nicht weiter gehen.Die christliche Welt war am bisher tiefsten Punkt ihrer Verkommenheitangelangt. Es war die Zeit des spanischen Großinquisitors Torquemada,der die Juden und Mauren erbeben machte, indem er sie massenweiseverbrennen ließ. (13) Es war die hohe Zeit des religiösen Betrugs, derhysterischen Frömmigkeit, der Massenwallfahrten und einer weitverbreiteten Unwissenheit. Nicht wenige Klöster waren zu Herbergen vonGesindel geworden, andere zu Bordellen verkommen. Mancherorts war____________(13) Dieter Wyss, „Kain: Phänomenlogie und Psychopathologie des Bösen“,Königshausen & Neumann,1997: „Llorentes, Sekretär der spanischen Inquisitionberichtet, gestützt auf Archivmaterial, Torquemada habe 10 220 Menschen lebendverbrannt, sowie mit Unterstützung Ferdinands und Isabellas 114 300 Familien fürimmer ruiniert.“9


jeder dritte Mann ein Mönch oder Geistlicher der auf Kosten der geschundenenBauern lebte. Luther ist zuversichtlich. Er vertritt doch dieSache Jesu Christi. Andererseits weiß er von Jan Hus. Dem hatten sie zwarebenfalls freies Geleit und sichere Rückfahrt nach Prag zugesagt unddennoch waren 1415 Krone und Kurie darin überein gekommen: Hus mussbrennen. Ja, er hatte von dieser Prophezeiung des Hus gehört: „Sie werdenjetzt eine Gans braten (denn Hus heißt eine Gans) aber über hundertJahren werden sie einen Schwan singen hören, den sollen sie leiden." (14)Er war dieser Schwan.Zitternd war er einmal, in der Zeit seiner größten Römgläubigkeit, in einerProzession hinter einer Monstranz hergelaufen. Dr. Usingen, Lehrer seinesOrdens, der das bemerkte hatte ihn angestoßen und besorgt nachgefragt obMartin sich unwohl fühle. Da bekannte Luther, den Blick auf das Türleinder kristallenen Monstranz gerichtet, hinter der sich Jesu Fleisch in Formder geweihten Oblate, der Hostie, befand, wie sehr er sich fürchte dermaleinst diesem Weltenrichter gegenüber zu stehen und verurteilt zu werden...Dr. Usingen meinte es gut, doch Menschenworte, so gut sie auch gemeintwaren, konnten ihn nicht trösten. Erst der Römerbrief vermochte es, später.Er wollte durch Hungern, Frieren und Kasteiungen einen gnädigen Gottbekommen und stellte entsetzt fest, dass er sein starkes Naturell trotz derSchikanen die er sich antat, nicht kontrollieren konnte. Er fühlte sichschuldig und von Gott verdammt. Bis eines Tages, sein Blick auf denSchlüsselvers im Römerbrief 1: 17 fiel: „Der aus Glauben Gerechte wirdleben.“ Wie ein Blitz traf ihn dam<strong>als</strong> die Erkenntnis: Nicht durch guteTaten, sondern durch Glauben wird der Mensch gerettet. Das war daseigentliche Turmerlebnis. Der Kerngedanke seines neuen Glaubens undDenkens war geboren. Er fühlte es sofort freudig erregt, dies würde seinemLeben eine völlige Wende bringen. Er wollte nun „tapfer sündigen, abertapferer glauben!“Sich selbst zu fragen, ob die Wahrheit, - wie so oft, - vielleicht auchdiesmal in der Mitte liegen könnte, fiel ihm nicht ein. Und so sollte undwollte Luther aus einer Religion des übertriebenen Tuns, eine derKontemplation bilden.Während seiner 2. Rede vor dem Kaiser warb Martin erneut umVerständnis. Dann schloß er mit dem leuchtenden Bekenntnis: „Da mein____________(14) Die evangelische Kirche zu Ebersgöns: (2009): „Hus war auf dem KonstanzerKonzil zum Ketzer erklärt und zum Tode verurteilt und am 6. Juli 1415 verbranntworden. 1531 schrieb Martin Luther: "S. Johannes Hus hat von mir geweissagt, <strong>als</strong> eraus dem Gefängnis im Böhmerland schreibt: Sie werden jetzt eine Gans braten (dennHus heißt eine Gans) aber über hundert Jahren werden sie einen Schwan singen hören,den sollen sie leiden."10


Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, kann und will ich nichtswiderrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen dasGewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“Nicht nur das ganze Worms, halb Deutschland bejubelte Martins Mut,denn diejenigen, die freiheitlich denken konnten, hatten schon lange nacheinem Mann wie ihn Ausschau gehalten. Mindestens einer seinerZeitgenossen, Friedrich Mecum, sah Luther in einem tröstlichen Traum,nachdem ihn (Friedrich) die Mönche, <strong>als</strong> er noch sehr jung war, überredethatten ins Kloster zu gehen, was er bald sehr bereute. (15) Martin LuthersTheologie ist weit gespannt, sie ist auch für ‚Mormonen’ großartig, oftmissverstanden allerdings, aber auch offensichtlich nicht mehr schlüssig,wenn er sie auf sein „Sola gratia“ verkürzt. Wer jem<strong>als</strong> den Geist Christibewusst wahrnahm, der weiß, dass er reine Liebe und Freiheit ist. Siekommt auch in den Kunstwerken der Großen, wie ein Echo, zumAusdruck.Ohne diese Liebe, die Gott für uns empfindet, wären wir nichts. Insofernhat Luther nach dem Verständnis derer recht, die ihre Religion im Sinnedes berühmten alten Kirchenlehrers Origenes (185-254) begriffen.Ein idealer irdischer Vater liebt seine Kinder ebenfalls und würde seinLeben für sie hingeben, doch er fordert von ihnen tapfer zu sein und guteLeistungen zu zeigen. Bruder Martin, allerdings predigte nach seinemAuftritt in Worms, - den er trotz mancher Gefahren gut überstand - wo erkonnte, passiven Glauben. Er pfiff geradezu auf die Fähigkeit jedermannskraft des eigenen freien Willens richtige und notwendige Entscheidungenzu treffen. Der Mensch werde, wie ein Esel, entweder von Gott oder vomTeufel geritten. Sein Denken blieb dem Augustinischen Glauben von derallein seligmachenden Gnade Gottes verhaftet. Während Jesus das Tun desGuten am Nächsten verlangte; zogen fortan Luthers Jünger diePaulusaussagen - Menschen würden allein aus Glauben und Gnade selig -den Bestimmungen Jesu Christi vor. Das machte viele bedenklich, wasdann zu Absplitterungen führte. Bereits zu Lebzeiten des großenHeidenapostels (Paulus), wurde diese Sichtweise von einem Ranghöheren,nämlich von Jakobus, dem leiblichen Bruder Jesu attackiert: „MeineBrüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen dieWerke? Kann etwa der Glaube ihn retten?“ (16)Hunderte Millionen sollten das ‚Sola fide’ später, wie Martin, daher beten._____________(15) Gustav Freytag Deutsche Bilder 2, Leipzig, 1927, S. 339 „Sieben Jahre, bevorLuther die Reformation begann, war ihm das Bild des großen Mannes im Traumerschienen und hatte die Zweifel seines aufgeregten Herzens beruhigt.“(16) Jakobusbrief 2: 1411


Seine Gegenspieler, wie der spanische Konzilstheologe BartolomaeCarranza, (17) sagten: Luther hätte es besser wissen müssen. DiesesPauluszitat auf das sich seine Religionsphilosophie gründet: „Der ausGlauben Gerechte wird leben“ sei lediglich ein verstümmelter Satz ausdem Alten Testament, dem Buch Habakuk entnommen. Im Original lautetder Text: „Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, der Gerechte aberbleibt wegen seiner Treue am Leben!“ (18) Das ist zweierlei. Das Recht dazu schaffen, wo es fehlt, führt zur Erlösung, sagte der Prophet Habakuk.In unseren Tagen formulierte der Protestant Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) einleuchtender <strong>als</strong> Luther, worauf es ankommt: „Öffne deinen Mundfür die Stummen, für das Recht aller Schwachen. Öffne deinen Mund,richte gerecht, verschaffe dem Bedürftigen und Armen Recht.“ (19) Weil erlebte, was er glaubte wurde Bonhoeffer im 3. Reich Hitlers hingerichtetund wir bewundern ihn. Mit eben dieser Forderung, Recht zu schaffen hatder interessierte Leser zugleich die Moraltheologie des sogenannten„Mormonismus“ auf einen Blick vor sich. In seinem Zentrum steht derBegriff „Rechtschaffenheit“, das große Wort des Buches Mormon (65Zitate). (20)Gewiss wäre es besser um die Geschichte Europas bestellt gewesen, wennLuther, statt energisch auf seine drei engen Kernsätze ‚sola gratia’, ‚solascriptura’ und ‚solus Christus’, zu pochen, Habakuks und anderer,offensichtlich inspirierter Propheten Forderung nach Rechtschaffenheitzum Zentralbegriff aufgerufen hätte. Wenn er sowohl die Bauern, wie dieRitter dringlicher gemahnt hätte, bei ihrer Seele Seligkeit gerecht zurichten und Recht zu schaffen, vielleicht wäre es dann nicht zu den__________________(17) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz:„1559 wurde Carranza von der Inquisition, dessen Mitglied er selbst lange gewesenwar, in Torrelaguna bei Madrid verhaftet und in der folgenden Nacht nach Valladolidgebracht... Obwohl er an den Papst appellierte, blieb Carranza 8 Jahre in spanischerHaft, bis er auf Befehl Pius' V. nach Rom gebracht wurde, wo er noch 9 Jahre in derEngelsburg in Untersuchungshaft saß. Die Inquisition und Philipp II. verzögerten denFortgang des Prozesses, der endlich nach 17 Jahren durch Gregor XIII. zum Abschlusskam. Die Ketzereien, deren Carranza angeklagt war, konnten nicht bewiesen werden.“Carranza hatte gewagt Kaiser Karl V. auf dem Totenbett, mit Worten zu trösten die denLauschern lutherisch geklungen hatten.(18) Habakuk 2: 4(19) Sprichwörter 31: 8-9(20) z.B. 2. Nephi 9: 14 wir werden in der Auferstehung „eine vollkommene Kenntnisall unserer Schuld und unserer Unreinheit und Nacktheit haben, und dieRechtschaffenen werden eine vollkommene Kenntnis ihrer Freude und ihrerRechtschaffenheit haben, denn sie sind mit Reinheit bekleidet, ja mit dem Mantel derRechtschaffenheit.“12


nahezu deutschlandweiten Bauernkriegen gekommen, vielleicht wären der30jährige Krieg und andere Verbrechen ähnlichen Ausmaßes vermiedenworden.Es sind in der Christengeschichte immer wieder nur einzelne Begriffe, dievon christlichen Fanatikern beider Seiten wie Schlachtrufe missbrauchtwurden.Vor und zu Luthers Zeiten wollten die Christen durch ‚besonders guteTaten’ Erlösung finden, nämlich in Pilgerreisen, im Reliquienerwerb (dieohnehin überwiegend F<strong>als</strong>ifikate darstellten), in der Teilnahme an endlosenKreuz- und Kriegszügen gegen Islam, Heiden-, Ketzer- und Judentum. DasGutsein bestand aus Kasteiungen, langanhaltenden Wiederholungengewisser Floskeln und im geradezu blinden Gehorsam gegenüberjeweiligen kirchlichen Vorgesetzten. Das wirklich Gute bestand nicht imBilden einer glücklichen Familie, sondern in monastischem Leben -obwohl Gott geboten hatte: „Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei!“(21) Bis weit in die Neuzeit hinein, forderte die römisch-katholische Kirchevon nicht wenigen Ehepaaren, die Josephsehe zu leben, <strong>als</strong> wäre das derAusdruck von Frömmigkeit die Jesus gelehrt hatte. Dabei handelt es sicheher um eine schlecht begründete Annahme manichäisch-augustinischglaubender Katholiken, Maria sei so heilig gewesen, dass jede normaleeheliche Beziehung unvorstellbar wurde. Man war fromm, wenn manSexualität in jeder Form mied, oder wenigstens so tat <strong>als</strong> ob. Jesus hatdagegen ‚nur’ gefordert, dass die Ehepartner zu keiner Zeit Verlangen nachanderen zulassen - und das ist, wie jeder weiß, kein Selbstläufer.In Spanien galt es in den Tagen der Reformation noch ausgesprochenverdienstlich und gut vor Gott, bei Ketzerverbrennungen anwesend zu sein,das Brennmaterial heranzuschaffen, sowie den Maurisken, Juden undselbst einander das Leben zur Hölle zu machen.In seiner Summe war solches ‚Guttun’, natürlich exakt das Gegenteil derLehre und der Erwartungen Jesu, denn seine Frage lautete: „Ist dirbewusst... Was du einem meiner geringsten Brüder (Schwester) angetanhast, das hast du mir angetan?“ (22)Ihr kümmert euch um alles, ihr seid bis zur Kleinlichkeit genau, „... aberdas Schwerste im Gesetz, ... die Barmherzigkeit ...setzt ihr hintenan.“ (23)________________(21) Genesis 2: 18 „Dann sprach Gott, der Herr: Es ist nicht gut, dass der Mensch alleinbleibt, ich will ihm eine Hilfe geben“... Eva.(22) Matth. 25: 40(23) Matth. 23: 2313


Sie fühlten sich anscheinend erstdann gut, wenn sie einander bestraften.Nonnen, die das Gelübdeder Keuschheit gebrochen hatten, -manchmal mit dem Beichtvater inseiner selbstgewählten Funktion <strong>als</strong>Verführer, - wurden unmenschlichhart bestraft, gelegentlich eingemauert.Werke der Bigotterie und der Askese können Gott nicht dienen, behauptetdas Buch Mormon, in dem es sagt: “wir stehen nur dann im Dienste Gotteswenn wir unserer Mitmenschen dienen.“ (24) Damit befindet es sich imKontext der Bergpredigt: erfreue deine Mitmenschen, - redet nicht nur vomGuten, tut es. Dieses Wort: „Tue es!“, erscheint allein im Matthäus-Evangelium 23 mal. Dagegen war das, auch von Luther <strong>als</strong> unsinnigbetrachtete Sammeln von Reliquien, vor dem 4. Jahrhundert so gut wieunbekannt. Zu den ersten Reliquienverehrern und - sammlern („toterDing“, Luther) gehörte die Mutter Kaiser Konstantins, Helena, diesicherlich in guter Absicht, eine große Förderin jenes Scheinchristentumswurde, dem die Symbole des Glaubens bald wichtiger erschienen, <strong>als</strong> dervon den ersten Christen vertretene Glaube daran, das man seine Religionzu leben hat. Es ist ohnehin an der Zeit Helenas Schilderungen von derAuffindung des Kreuzes Jesu, 300 Jahre nach seinem Tod, entschiedenerzu hinterfragen. Nachzufragen ist auch, warum die Christen der ersten dreiJahrhunderte gar nicht daran dachten das Kreuz zum Gegenstand ihrerVerehrung zu erheben und warum sie sich, selbst nach Konstantinsangeblicher Kreuzesvision, noch weitere 100 Jahre weigerten, dasKreuzessymbol in ihre Kirche zu tragen. Erst nach dem Konzil zuEphesus, 431, sollte das geschehen. (25) Zu bedenken ist, dass derVeranlasser dieser gravierenden Änderung, der schließlich siegreiche Kopfdieses Konzils, Cyrill von Alexandria, immer noch unter der Anklageschwerster Menschenrechtsverletzungen steht. Da liegt der dringendeVerdacht der Anstiftung zum Mord in mindestens einem Fall vor, derVolksverhetzung, der aktiven Bestechung, der Hehlerei u.a. schwerer_______________(24) Mosia 2: 17(25) Jan, Thomas Otte, „Evangelischer Kirchenbote seit 1848“ für die Pfalz, Nr. 13,2007 „Das Christentum hat im Jahr 431 das Kreuz <strong>als</strong> zentrales christliches Symbolbeim Konzil von Ephesus eingeführt.“14


Vergehen. Die Verteidiger Cyrills von Alexandria sehen sich der Fragegegenüber, warum gerade er das Symbol der Todfeindschaft gegen Jesuszum zentralen christlichen Zeichen bestimmte. So weit wie zu blicken ist,vergrößerte das Kreuz bestehendes Elend. Selbst der berühmte ChristophKolumbus benutzte es, u.a. um illegal „Besitz“ von der Neuen Welt zuergreifen. Dieses Kreuz ging den größten Verbrechen voraus. Es führte zur„Christianisierung“ der Indianer, mit dem Resultat von Millionen Toten.Die im 5. Jahrhundert erfolgte ‚Verchristlichung’ des MarterinstrumentesKreuz ist aus mehreren Gründen abzulehnen.Obwohl wahr ist, dass Jesus gekreuzigt wurde, um uns den Ausweg ausdem Dilemma unserer nicht wieder gut zu machenden Übertretungen undder Sterblichkeit zu zeigen, indem wir ihm gehorchen, bewirkte dieKreuzesverehrung kaum mehr <strong>als</strong> Aberglauben. Mit Helenas Erfindung derGeburtsstätte Jesu verhält es sich nicht anders. Sie ließ über derangeblichen Geburtsstätte eine Memorialkirche errichten. Bis heute streitenchristliche Priester, manchmal sogar handfest um den Vorrang infragwürdiger Verehrung. Leider handelt es sich bei dem folgendenPressebericht nicht nur um eine reißerische Geschichte sondern um eineDarstellung von sich wiederholdenden Realitäten unserer Tage: „BizarreSzenen spielten sich am Donnerstag in der Geburtskirche in Betlehem ab:Rund 50 Geistliche in schwarzen Roben gingen mit Besen undEisenstangen aufeinander los. Der Streit zwischen armenischen undgriechisch-orthodoxen Priestern hatte sich aufgrund von Reinigungsarbeitenin der Basilika entfacht - die Armenier fühlten sich von Leiternder Griechisch-Orthodoxen gestört. Erst palästinensische Polizistenkonnten die Schlägerei beenden. Zwei Polizisten und fünf Priester wurdenim Krankenhaus behandelt. Die Geburtskirche zählt zu den heiligstenOrten des Christentums…” (26) Nicht nur ‚Mormonen’ meinen, Helenaund Konstantin hätten, mit ihrem anders gearteten Verständnis vonReligion, Jesus Christus das Konzept verdorben. Bevor Luther in Worms1521, sein berühmtes Schlusswort sprach, mit dem er den Kaiser starkbeeindruckte, stellte er diese große Aussage in den Raum: „Die Autoritätvon Papst und Konzilien allein überzeugt mich nicht, da sie offenkundig oftgeirrt und gegen Schrift und Vernunft gestanden haben.” Martin hättediese Behauptung gut begründen können, denn er kannte die Geschichteder Konzilien, aber er konnte nicht wissen, was erst die moderneForschung herausfand, nämlich dass die Kirche nach dem 1. ökumenischenKonzil zu Nicäa, 325, nicht von Christen, sondern im Wortsinn von Kaiser_________________(26) „Kurier“ Wien vom 17. Januar 200815


Konstantin ins Leben gerufen wurde, auf Kosten der Kirche Christi: „InNicäa … befolgte die Kirche die Wünsche Konstantins, obwohl sie sienicht billigte... Eben so wenig, wie Konstantin Christus erwähnt, ist dieKirche auf Christus bezogen... (27) Deshalb nahm sie mehr und mehr diesenunappetitlichen Ausdruck an, den niemand übersehen kann, der hinschaut.In Nicäa wurde der Rest an Klarheit zerstört, - nicht umgekehrt: „NamhaftePersönlichkeiten, wie Bischof Basilius, Teilnehmer des 1. ökumenischenKonzils 325, zu Nicäa, ... verglichen die nachkonziliare Situation sogar miteiner Seeschlacht in der Nacht, in der sich alle gegen alle schlagen, und ermeinte, infolge der konziliaren Dispute herrsche in der Kirche eine„entsetzliche Unordnung und Verwirrung“ und ein „unaufhörlichesGeschwätz.“ (28) Wären Luther die Details, wie uns, bekannt gewesen, erhätte den ersten 4 Konzilien der ‚ökumenischen’ Christenheit nicht denRang einer Heiligen Schrift verliehen.Im Grunde wissen alle, wer Konstantin war. Er „... machte sich (in Nicäa)zum Herrn der Kirche. In ihre Streitigkeiten griff er entscheidend ein undverteilte mit geschickten Fingern Recht und Unrecht. ...im Handumdrehenfüllte sich der Hof des Kaisers mit einer Menge von Persönlichkeiten, diemit ihrem Christentum Geschäfte machen wollten. Edlere Naturen konntenneben ihnen kaum noch hervorkommen. (Sie) zogen sich angewidertzurück. Die siegreiche Kirche“ (kam hervor.) (29) „...Konstantin hatte eineneue Idee von der Kirche, die er verwirklichen wollte: ... nach dem ihmvorschwebenden Bild formt er… sein Reich, seine Kirche…. Die DienerGottes, die Kleriker unterstützen den Kaiser, den Knecht Gottes dabei, dasgottgewollte Friedensreich herbeizuführen. Das Konzil ist einrepräsentativer Staatsakt, aber der Staat, der sich ihm darstellt, ist die vonKonstantin geführte Kirche (!), das Reich der Zukunft.“ (30) Dieses Reichder Zukunft, dass dem dam<strong>als</strong> einflussreichsten Mann der europäischenWelt vorschwebte, diese Mixtur aus der Soldatenreligion des Mithraismus,plus einiger aus dem Christlichen entlehnter Elemente konnte nichtüberleben, weil es auf Eidbruch, Gewalt und Täuschung gegründet wordenwar. Also zerfiel es, allmählich. Allerdings gab es am Rande nochjahrhundertlang christliche Gemeinden die sich einigermaßen vor demzerstörerischen Hauptstrom schützen konnten.______________(27) Heinz Kraft Habilitationsschrift „Konstantins religiöse Entwicklung“ Heidelberg -Uni Greifswald, 1954 S. 81 ff(28) Bischof Koch (katholische) Pfarrblätter, vom Oktober 2008.(29) Pfarrer E. F. Klein „Zeitbilder aus der Kirchengeschichte“, Berlin, Ackerverlag,1930, S. 144(30) Heinz Kraft, „Konstantins religiöse Entwicklung“, 1954, Heidelberg - UniGreifswald, S. 89 u 9916


Ludwig Hertling beschreibt - mit Imprimatur des Vatikans - in seiner„Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740 - die Gesamtsituation umund nach 400, nachdem das Konstantinische sich innerhalb der Kirchemehr und mehr breit machte: „Auf die Zeit der großen Kirchenväter(Athanasius, Hieronymus, Ambrosius, Chrysostomus, Augustinus, Gregorvon Nazians, Epiphanius usw. G. Sk.) folgten Jahrhunderte ohne Glanz.Die Kirche, und mit ihr die europäische Geschichte tritt, nachdem sie nochsoeben durch leuchtende Landschaften gereist ist, in einen dunklen Tunnelein, der nicht enden zu wollen scheint...Viele Umstände haben zusammengewirkt, um die antike Welt in diesen Zustand der Ohnmacht oderErstarrung zu bringen, der zeitweise einem wirklichen Sterben ähnlichsieht...“ ‚Die Kirche’ starb tatsächlich, und mit ihr die Stadt und das ReichRom. Auf den Trümmern enstand eine ganz andere Welt. Verwegene,lieblose Männer nannten sich Päpste und hielten ein gerettetes Fell hoch,hängten es sich um und behaupteten, sie wären jetzt das Lamm. MartinLuther und Jan Hus lebten in dieser anderen, eigentlich nachchristlichenWelt. „...Wenn die Kirche dem armen Laien wenig bot, so hatte sie dafüreinen zureichenden Grund: die Mehrzahl der Geistlichen besaß auch nichtviel mehr von Lehre und ...Inhalt des Glaubens. Das Amt des Bischofs warvöllig verweltlicht. Ihre Weiber, Gelage, die Jagd... waren ihreTagesinteressen. Es gab Kirchenfürsten und Äbte die kein Lateinverstanden und nicht lesen und schreiben konnten. Nicht viel besser erginges der Mehrzahl der Mönche und der Plebanen, den Pfarrgeistlichen,denen vorzugsweise die Seelsorge für die Laien oblag. Wenn sie beimGottesdienst Gebete und Reden lateinisch lesen mussten, so buchstabiertensie mürrisch, ohne Verständnis des Sinnes und der Worte, ihnen selbst warbarbarisch, was sie beteten, und das galt für natürlich, weil jederMüßiggänger und faule Bauch sich in den Priesterstand drängte (Bezug:Nic. De Clamengis De praesulibus simoniacis, ed J.M. Lydius, 1613, p.165)Der Franziskaner Bernhard Baptisè klagte in einer Predigt, die er aufdem Konzil in Costnitz vor den Kirchenfürsten und der versammeltenGeistlichkeit Europas hielt: „So schlecht sind unsere Geistlichengeworden, dass schon fast die ganze Geistlichkeit dem Teufel verfallenist.“ (Bezug: v.d. Hardt, Con.Const. T.I.P. XVIII. P.880 sq)... diehussitische Bewegung begann mit dem Zorn und Ärger über unredlicheGewaltakte der kirchlichen Partei... im Jahr 1392 wurde das Jubeljahr aufdem Vissegrad verkündet, von Latäre bis zu Kreuzerhöhung wallfahrtetezahlloses Volk zu den heiligen Stellen durch die Städte von Prag, spendeteund beichtete und erhielt dafür reichlichen Ablass. Großes Geld nahm dievornehme Geistlichkeit ein, die Beutel der Armen wurden leer. DieEinnahmen musste der Erzbischof mit dem König Wenzel teilen... auch17


Magister Johannes (Hus) gab seine letzten vier Groschen dem Beichtvater,so dass er zuhause nur trockenes Brot zu essen hatte... (31) Entschiedenhatten Kaiser Konstantin und seine christlichen Kollaborateure die breiteSchneise durch die Kulturlandschaft geschlagen. Es war so, dieserImperator hatte die Parole ausgegeben: Macht weiter so! Die ebenfalls weitvon Jesu hinweg-gekehrten Haupterben des konstantinischen Reiches,Konstantin II., Konstanz und Konstantius, legten nur wenige Monate nachdem Tod ihres Vaters zutage, von wem sie gelernt hatten. Beim erstenAnlass stürzten sie sich, wie verhungernde Löwen aufeinander. Derkatholische Constanz, vernichtete seinen 24jährigen Bruder BruderKonstantin II., 340, nur weil dieser in Italien Truppenbewegungenangeordnet hatte. Es gab fortan in den Metropolen Roms kaum Unterschiedezwischen weltlicher und kirchlicher Politik. Die Ziele, wie dieHandlungsweisen, waren grundsätzlich dieselben. ‚Papst’ Damasus bewiesschon im Jahr 366, dass er strikt konstantinisch dachte, <strong>als</strong> er seineStreitmacht mit Brechstangen und Streitäxten gegen den NachbarbischofUrsinus aussandte. Was zählte, war für den neuen Christentyp dermomentane Erfolg. Jesus hingegen wollte, dass die Menschen in die ferneZukunft blickten: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Weltgewönne, und nähme an seiner Seele Schaden?“ (32) Jesus wieswiederholt daraufhin, was geschehen würde, wenn materielle Werte, wieMacht und Geld in seiner Kirche höchster geistiger Werte zu wichtigwerden, - und Kaiser Konstantin hatte viele Privilegien und Geld zu bieten:„Der gute Hirte gibt sein Leben für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber,der nicht Hirt ist, und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe imStich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht.“ (33) Diese Aussagesteht unübersehbar im Gegensatz zu den Aktionen der von Konstantingeführten „ecclesia militans“, deren führende Kleriker er unter Gewährungsteuerlicher Vorteile und anderer Privilegien direkt und indirekt in seinenDienst gestellt hatte. (34)______________(31) Gustav Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit“ Zweiter Band. Leipzig,S. 218-219, 223(32) Markus 8:36(33) Joh. 10: 12(34) Ch. Müller Albert-Ludwig-Univ., Freiburg i Breisgau „Kurialen und Bischof,Bürger und Gemeinde in der gallischen Stadt des 4. bis 6. Jahrhunderts“ 2003, S. 15Ebenso:Sabine Hübner, „Der Klerus in der Gesellschaft des spätantiken Kleinasiens“ Fr.Schiller Universität, Jena, 197618


Kaiser Konstantin und die Basislehren der UrkircheGeboren wurde er zwischen 275 bis 285. „Die Zeitangabensind sehr unsicher.“ (35) Seine Mutter Helena stammte auseinfachen Verhältnissen. Wahrscheinlich kannte siechristliches Ideengut aus ihrer Jugendzeit, wenn auch nurbruchstückhaft. Konstantin war noch jung, <strong>als</strong> ihm MutterHelena oder eine andere ihm nahestehende Person von demgekreuzigten Gott Jesus Christus erzählt haben mochte. Was für ein Bild:ein gekreuzigter Gott <strong>als</strong> Sieger. Das bot Anlass zum Nachdenken: ein Siegnoch im Tod, ein Sieg sogar über den Tod! Das vermag nur eine absolutegeistige Gottheit.Vermutlich kamen bereits Jahre vor Konstantins Geburt in HelenasPferdwechselstation - inmitten des Balkangebietes - Missionare einerbereits uneinigen Kirche. Möglicherweise haben sie Helena belehrt, sie seidie Tochter Gottes, der im Himmel, hoch über den Sternen wohne undunvergleichlich herrsche. Sie sei zur Erde geschickt worden mit einemwichtigen Auftrag, denn darin, und in der Botschaft vom Auferstandenen,lag das Besondere der intensiv missionierenden christlich-gnostischenGruppen. Es ging ihnen darum, gerade diese Erkenntnis von derPräexistenz aller Menschen, (die nach Adam geboren wurden), zuvermitteln: „„Daher ist derjenige, der (Gnosis) Erkenntnis durchOffenbarung hat, einer, der von „oben“ stammt. Wenn man ihn ruft, hörter, antwortet er und wendet sich zu dem, der ihn ruft, steigt zu ihm emporund erkennt, wie man ihn ruft. Da er Gnosis (Erkenntnis) hat, vollbringt erden Willen dessen, der ihn gerufen hat... Wer so zur Erkenntnis gelangenwird, erkennt, woher er gekommen ist und wohin er geht. Er erkennt wieeiner, der trunken war und von seiner Trunkenheit abließ; er brachte dasSeine (wieder) in Ordnung, nachdem er zu sich selbst zurückgekehrt war...Die wahre Gotteserkenntnis beginnt mit der Erkenntnis des Menschen <strong>als</strong>eines gottverwandten Wesens...” (36) <strong>als</strong> Lehre von der Ewigkeit (37) des___________________(35) Prof. Wolmeringer „Konstantin-Artikel“ vom 05.03.07 im Internet, S.2(36) K. Rudolph, “Die Gnosis”, Koehler & Amelang, Leipzig, 1977, S. 139, 111(37) Arbeitskreis www.Origenes: „Wenn in der christlichen Theologie von "ewigemLeben" gesprochen wird, dann wird dort der Begriff nicht konsequent verwendet."Ewig" ist konsequent gedacht nicht nur ohne Ende, sondern auch ohne Anfang. DerBegriff Präexistenz umfasst alles Leben vor dem irdischen Leben. Damit ist in ersterLinie ein Leben in jenen Bereichen gemeint, in die wir auch nach dem irdischen Todwieder zurückkehren werden. Die Präexistenzlehre ist ein wesentliches Kernstück inder Theologie des Origenes.“19


Menschengeistes, dessen Kern nicht erschaffen wurde, noch hätteerschaffen werden können, - sagte auch der, wie er behauptet, von Gottinspirierte Joseph Smith, - sondern der vor Äonen von Gott dem Vatergeformt oder gebildet wurde. (38) (39) Ob Helena, Konstantins Mutter, jevom Perlenlied der Thomasakten hörte, weiß niemand; auszuschließen istes nicht, die Botschaft kannte sie wahrscheinlich. Es müsste ihr gefallenhaben, zu hören, dass man zum Reich des Vaters zurückkehren kann.Apostel Thomas, „der Zwillingsbruder des Christus, der Miteingeweihte indas verborgene Wort des Gesalbten (Christus)“, schildert die Situation ausder wir auf die Erde kommen:„Als ich ein kleines Kind war“ (nämlich in meinem vorirdischen Leben)„und im Reich meines Vaters wohnte und am Reichtum und der Prachtmeiner Erzieher mich ergötzte, sandten mich meine Eltern aus dem Osten,unserer Heimat mit einer Wegzehrung fort“ ... nämlich begabt mit einerUroffenbarung, mit Intelligenz, mit einem Gewissen, mit dem uns von Gottzugesagten Recht auf Entscheidungsfreiheit, (40) (41) „Wenn du nachÄgypten hinabsteigst“ d.h. wenn du zur Erde kommst, „und die Perle(findest und wieder-) bringst, die im Meere ist, das der schnaubendeDrache umringt, sollst du dein Strahlenkleid wieder anziehen...“ das duhier in deinem vorirdischen Elternhaus zurückgelassen hast und dessenerneuten Besitzanspruch du mit deinem Perlenfund erworben hast. „wirstdu mit deinem Bruder, unserem Zweiten, (Christus) Erbe in unserem Reichwerden.“... (42)K. Beyer, kommentiert hier in Übereinstimmung mit den Lehren derKirche Jesu Christi der HLT (Mormonen) das „Syrische Perlenlied: „DieBotschaft des Liedes lautet: Die unsterbliche menschliche Seele göttlicher_____________(38) ‚Mormonismus’ erläutert laut „Köstliche Perle“ Buch Abraham, 3: „Der Herrhatte ...Abraham, die Intelligenzen gezeigt, die geformt wurden ehe die Welt war...“(39) Lehre und Bündnisse 93: 29-30: „Intelligenz oder das Licht der Wahrheit wurdenicht erschaffen und könnte auch nicht erschaffen oder gemacht werden.“(40) H.S. Benjamins „Eingeordnete Freiheit: Freiheit und Vorsehung bei Origenes“ E.J.Brill, 1994, S. 53 : „Der Schöpfer gewährte den Intelligenzen, die er schuf, willensbestimmte,freie Bewegungen, damit in ihnen eigenes Gut entstehe, da sie es mit ihremeigenen Willen bewahrten.“(41) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, dritte völlig neu bearb.Auflage, vierter Band Kop-O, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen, 1960, S. 1696„durch die Kunst seiner Pädagogik wird Gott (seine Geschöpfe) doch noch dazubringen, dass sie dem Guten beständig anhängen.... Gottes Pädagogik und der freieWille der Logika, den Gott durch Erziehung fördern und nicht durch Zwangvergewaltigen darf, sind die eigentlichen Pole des origenistischen Systems.“42) Walter Rebell, Lehrbuch "Neutestamentliche Apokryphen und Apostolische Väter",1992, München; Thomasakten.20


Herkunft darf sich erst dann endgültig vereinen mit ihrem unvergänglichengeistigen Leib der gleichfalls von Gott abstammt, aber immerbei ihm bleibt, wenn sie zuvor auf der Erde in einem vergänglichenfleischlichen Leib und in feindlicher Umgebung mit göttlicher HilfeSelbsterkenntnis erlangt und mutig die ihr von Gott gestellte Aufgabeerfüllt hat. Das ist eine synkretistische Religion in der Nachfolge Platons,die sich auch leicht mit der christlichen Ethik verbinden lässt. Ihre Bilderteilt sie mit der Gnosis und den anderen antiken Erlösungsreligionen, ohnedass man sicher sagen kann, wer sie von wem übernommen hat. Das führtschließlich zu der Frage, ob der gnostische Anteil am spätantikenSynkretismus wirklich so hoch ist, wie meist angenommen wird. Denn, dassder Mensch die Erde <strong>als</strong> Fremde empfindet, ist ein weit verbreitetesLebensgefühl…” (43) Wir sind eben mehr <strong>als</strong> Fleisch und Blut (44) – undnicht nur von dieser Welt.Falls Helena diese Grundaussage vernommen, wenn auch vielleicht nichtverstanden haben sollte, so könnte sie doch ihren großen Sohn daraufhingewiesen haben. Dann ließe sich vieles besser erklären. Solche Ideebeträfe nach Konstantins Vorstellung vor allem seine persönliche Sendung.Er wird das Strahlenkleid und den Strahlenkranz der Macht auf der Erdeund im Himmel tragen, so wie es schon seine Vorgänger im Kaiseramt imalten Rom verstanden, wie es die Strahlenkrone des unbesiegten SonnengottesSol Invictus zum Ausdruck brachte. Er wäre dann der Sol Invictusseiner Zeit.Erstaunlich ist, dass nur wenige moderne Christen wissen, dass sich dieBasislehre des Urchristentums von der Präexistenz, bis in die ältestenZeiten (nachadamitischer) Menschheitsgeschichte zurückverfolgen lässt.Ihr Kern, weil ausgesprochen schön, wurde immer wieder neu beschrieben.Erst 500 Jahre nach Jesu Tod wurde sie, von Kaiser Justinian I.,543, auf der Ostsynode der Kirche <strong>als</strong> „originistisch-häretisch“ diffamiertund eliminiert. Justinian lehnte die wesentlichen ‚Origenes-lehren’sozusagen im Block ab. Angeblich folgten dam<strong>als</strong> 165 ‚heilige Väter’ (vonweitaus mehr <strong>als</strong> 3 000! Bischöfen) den kaiserliche Wünschen. ‚Papst’Vigilius habe die Ergebnisse ebenfalls gebilligt.Vigilius kam tatsächlich nach Konstantinopel, aber wider Willen. „DieBannflüche wurden ... unter dem unnachgiebigen Druck Kaiser Justinians_____________(43) W. Rebell, Lehrbuch "Neutestamentliche Apokryphen und Apostolische Väter",1992, München(44) Dr. Beat Imhof, 'Wegbegleiter' Nr. 3/2006 zitiert Hildegard von Bingen (1098-1179): „Die Seele stammt vom Himmel, der Leib von der Erde; die Seele wird durchden Glauben, der Leib aber durch das Sehvermögen erkannt.“21


von sämtlichen Patriarchen unterzeichnet, einschließlich Papst Vigilius’,der 544 eigens zu diesem Zwecke fast gewaltsam nach Konstantinopelgebracht wurde. Mit ihrer Unterzeichnung reihte die Kirche denbedeutendsten und herausragendsten Theologen des frühen Christentums,Origenes, aus weltlichen Gründen unter die ketzerischen Irrlehrer....“ (45)Vigilius bestritt jedenfalls, dass er die betreffenden Papiere freiwilligunterschrieben habe. (46)Im frühen Christentum (wie durch ihren allgemein anerkannten Schiedsrichterin Glaubensfragen, Origenes 185-254, vermittelt) (47) befanden sicheinige Elemente die keinem Mächtigen passten, wie etwa der Gleichheitsgrundsatz.Es hieß nämlich: „Gott hat... keine Vielzahl verschiedenerWesen geschaffen, sondern alle gleich... Es gibt keine... gesellschaftlicheRangbestimmung, der Wille des Einzelnen ist entscheidend, und das heißt:der autonome Wille des Einzelnen... Gnosis ist an keinerlei Zugehörigkeitzu irgendeiner gesellschaftlichen Gruppe gebunden... (48) Für die meistenChristen der ersten Zeit stand ohnehin fest, vor Gott würden dermal einstalle seine ins Fleisch geborenen Geistkinder, in jeweils dem Können desEinzelnen angemessener Weise, für ihr Tun und Lassen Rechenschaftablegen müssen. (49)„Im Zentrum der gnostischen Lehre steht die Idee des göttlichenLichtfunkens in allen Lebewesen... dazu gehört auch die Vorstellung jederMensch sei und bleibe selbst ein kleiner Gott ein deus, da alle Menschendurch den Logos ins Leben gerufen wurden.“ (50)Augustinus lehrte anders <strong>als</strong> Origenes, der eben die Nichtwillkür Gottespreist: „Alle Logika (Engel, Menschen und Dämonen) sind von gleicherNatur, ihre Unterschiede sind erst durch den Fall entstanden.“ (51) Wann___________(45) Hermann Bauer, „Der Einfluß Ostroms“, 1982.(46) Aloys Grillmaier u.a. „Christ in Christian Tradition“, 1995 „S. 426, Fußnote„Vigilius later spread it about that he has been forced to produce the indi<strong>ca</strong>tion andthat he had been insufficiently informed.“(47) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 1960 S. 1694„Origenes siedelte 231/32 nach Caesarea über, wo seine Lehrtätigkeit zur groesstenEntfaltung kam. Eine ganze Generation von Theologen ist hier durch seine Schulegegangen... mehrfach holte man Origenes zur Widerlegung von Häretikern, die sichseinen Argumenten meistens beugten...“(48) Franz Schupp „Geschichte der Philosophie im Überblick“ CCH Canadian LimitedBd 2 , 2005, S. 35(49) 2, Thess. 2: 12 „Alle müssen gerichtet werden, die nicht der Wahrheit geglaubt,sondern die Ungerechtigkeit geliebt haben“ Diese Aussage besagt im Kontext derOrigenes-aussagen, dass (Lippen-)Bekenntnisse vor Gott bedeutungslos sind.(50) Andreas Mohr „Beiträge zur christlichen Anthropologie“ Uni Kassel, 2007, S. 14(51) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft....22


diese Lehren tatsächlich aus den Gemeinden verschwanden ist nicht zusagen. Es gab immer Splittergruppen und Einzelne, die daran festhielten,darunter die meisten Katharer, deren Vorfahren infolge verübterGrausamkeit durch die ‚Rechtgläubigen’ jahrhundertelang ihres Glaubenswegen schwerste Leiden ertragen mussten. Einer der Ihren äußerte sich so:„Aus vielen Zeugnissen geht hervor, dass außer Origenes auch anderebedeutende frühchristliche Theologen, Philosophen und Kirchenlehrer - sozum Beispiel Justinus, der Märtyrer (100-165), Tatian (2. Jhd.), Clemensvon Alexandria (150-214), Gregorios von Nyssa (334-395), Synesios vonKyrene (370 413) ... und der Bischof Nemesios von Emesa (um 400-450)glaubten, dass die Seelen der Menschen schon vor der Entstehung dermateriellen Welt vorhanden waren.“ (52)Dagegen lautete der uns überlieferte Text der Verfluchung der Kernlehrendes Origenes durch die Ostsynode: „Wenn einer sagt oder dafürhält, dieSeelen der Menschen seien präexistent gewesen, insofern sie früherIntelligenzen und heilige Mächte gewesen seien; ... so sei er im Banne....“(53)Bemerkenswert ist die häufige Verwendung des Terminus „Intelligenzen“,unter den ersten Christen, der auch im Schriftgut der Kirche Jesu Christider HLT, insbesondere in den Zusatzschriften „Köstlichen Perle“ und„Lehre und Bündnisse“, erscheint. Solches Verständnis war jahrhundertelangder Stern christlichen Denkens und Glaubens. Allerdingsattackierten bereits zu Origenes (185-254) Lebzeiten gewisse ‚Heilige’ ausunterschiedlichsten Gründen die Basis ihrer Väter. Nie stand in diesemZusammenhang die Lehre von der Reinkarnation positiv zur Diskussion.Mitunter, um diese verschiedenen Lehr-Verurteilungen zu rechtfertigen,wird immer noch behauptet, die Kirche (d.h. Kaiser Justinian) hätte dam<strong>als</strong>eben die Origeneslehre von der Reinkarnation treffen wollen, da er sie <strong>als</strong>gefährlich betrachtete.... Doch „Origenes Lehre besagt, dass alleLebensumstände in die wir hineingeboren werden, die Auswirkungenunseres Verhaltens vor diesem irdischen Lebens sind...“ (54) Es gab quasi„Wanderungen“ im Vorherdasein, aber diesseits keine Wiedergeburten. (55)Balz u.a. weisen ebenfalls solche Deutung, wegen des von Origenes___________________(52) Ein Katharer im Internet www.thorstenczub.de/jesus2(53) Horst Robert Balz, Gerhard Krause, Gerhard Müller - TheologischeRealenzyklopädie - 2000 - Religion – S. 3 Google Books Result(54) ebenda, „damit fällt automatisch jede Seelenwanderungslehre.“(55) Bruce R. McConkie „Mormon Doctrine“: „It is appointed unto man to be borne,‚once to die’ Hebrew 9: 27, ‚once to be resurrected’ Book of Mormon: Alma 11: 45;12:18; Doctrine and Covenant 63:4923


überlieferten Kontextes, ab: (56) Zu diesem Schluss gelangten auch andereOrigeneskenner. (57) Die alten Ägypter waren davon überzeugt, dass wir einVorherdasein hatten, andere Weltreligionen ohnehin, auch die Juden: „DasPassah ist das Aramäische pa<strong>ca</strong>ch (paw-sakh) und bedeutet soviel wie'hinüber gehen'. … Im Ursprung war das 'Hinübergehen' die Bedeutungdes Hinübergehens des Menschen aus seinem Fleisch(lichen Körper)hinüber in die körperlose 'Welt', der Heimat der Seele. DiesesHinübergehen ist im Buche Exodus (Shemoth) der Juden, <strong>als</strong> der 'Auszugder Seele aus dem fleischlichen Körper' in dieser Welt in dasHinübergehen in die fleischlose Welt der Seele <strong>als</strong> Parabelniedergeschrieben, aber das Thema kehrt auch in vielen anderenGeschichten der Thora <strong>als</strong> Parabel auf. ... Symbolik ist eine Sprache,welche auch durch die Begriffe in den gesprochen Sprachen ausgedrücktwird. So ist das 'über den Jordan gehen' dieselbe Symbolik wie das Passah.Das Yardana, Jordon, ist im Aramäischen 'der Strom oder Fluss desLebens'. Abseits des Streites der Theologen kann man allein in derAramäischen Sprache Mosaiksteine finden, für ein Bild, das es erlaubtauch das Bewusstsein der Menschen besser nachvollziehen zu können. Sobedeutet im Aramäischen 'Bit Nitupta' das 'Haus der Präexistenz', wasunschwer erkennen lässt, dass die Menschen eine Präexistenzargumentierten, wovon die späteren Christen in Nicäa nichts wissenwollten und einen Fluch aussprachen gegen jene, welche das weiterargumentierten.“ (58)„Nach der Lehre Adams ist jeder Mensch Adam und ist aus der Sphäre desParadieses gefallen... Präexistenz meint, dass wir <strong>als</strong> handlungsfähigegeistige Wesen schon vor unserer Geburt existierten... in dieserVorexistenz haben wir uns alle eigenverantwortlich von Gott entfremdet...Ich denke, heute wird uns mehr und mehr bewusst, dass auch daschristliche Abendland neu darüber nachdenken muss.“ (59)_______________(56) Balz, Krause, Müller - Theologische Realenzyklopädie - 2000 - Religion – S. 3(57) : Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 3. Auflage, 4. Band,J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen, 1960 S. 1698: „Von der Seelenwanderungslehre“grenzt Origenes sich einmal dadurch ab, dass er nur eine Inkorporation nachdem Fall und bloße Verwandlung eines wenigstens im Grunde gleichbleibenden Leibeslehrt... ferner bestreitet O. dass Vernunftseelen sich in Tier- und Pflanzenseelenverwandeln. Mit Hilfe seiner Seelenwanderungslehre (=Entwicklungsstufen in derPräexistenz G.Sk.) kann Origenes die scheinbaren Ungerechtigkeiten der Vorsehung<strong>als</strong> Vergeltung für das frühere Verhalten der Seelen erklären...“(58) Volker Doormann, ‘PhilTalk Philosophieforen’ Thema „Präexistenz und zurPassah Symbolik“(59) Felix Gietenbruch „Der Sündenfall ein sinnvoller Mythos“ Kirchenbote lokal 200824


dennoch der alte Israelit an irgendeine Fortsetzung dieses irdischenLebens nach seinem Tode geglaubt. Er wusste von scheol, das dem Lebenauf Erden folgt, und er wusste, wer ins scheol hinab sank, war wohl „Auchwenn die ältesten Bücher der Bibel keine bestimmten Vorstellungen vonder Unsterblichkeit und vom Leben nach dem Tode vermitteln, hatabgeschnitten vom Leben, aber deshalb musste er nicht jedes Daseins barsein... Die Fragen der persönlichen Unsterblichkeit und der Präexistenzund des Fortlebens der Seele werden mit der Ewigkeit des jüdischenVolkes selbst verwoben. Alle Seelen, die je und je in einen jüdischenKörper eingehen werden, so heißt es in einem Midrasch, haben am Sinaigestanden und sind dort in den ewigen Verbund zwischen Gott und Israeleingetreten. „Wir Juden sind <strong>als</strong>o vom Sinai her beim Vater“,... Wenn einJude im Gottesdienst zur aktiven Teilnahme an der Vorlesung aus derThora hinzugezogen wird, wenn er, wie der Ausdruck lautet, „aufgerufen“wird, um über die zur Vorlesung geöffnete Thora-Rolle einenSegensspruch zu sprechen, so dankt er in diesem Segen Gott dafür, dass er„Leben der Ewigkeit in uns gepflanzt hat“. In jeden von uns und in uns <strong>als</strong>Israel. „Wir leben ewig“, mit diesem Gesang gingen Juden in die Gaskammern.“(60) Lebenslänglich lebte in mir selbst das Wort aus demHebräerbrief: „An unseren Vätern hatten wir harte Erzieher, und wirachteten sie. Sollen wir uns dann nicht erst recht dem Vater der Geisterunterwerfen und so das Leben haben?“ (61) Daraus resultiert, dass alleMenschen (nach Adam), „aus den Gefilden hoher Ahnen“(Goethe)stammen, (ob sie Weiße oder Schwarze sind).Goethe bekräftigte seine Überzeugung noch einmal kurz vor seinem Tod.Am 11. März 1832 sagte er im Gespräch mit Eckermann: „Wenn man dieLeute reden hört, so sollte man fast glauben, sie seien der Meinung, Gotthabe sich seit jener alten Zeit ganz in die Stille zurückgezogen und derMensch wäre jetzt ganz auf eigene Füße gestellt …Diese plumpe Welt auseinfachen Elementen zusammenzusetzen und sie jahraus jahrein in denStrahlen der Sonne rollen zu lassen, hätte ihm sicher wenig Spaß gemacht,wenn er nicht den Plan gehabt hätte, sich auf dieser materiellen Unterlageeine Pflanzschule für eine Welt von Geistern zu gründen. So ist er nunfortwährend in höheren Naturen wirksam, um die geringerenheranzuziehen. Goethe schwieg. Ich aber bewahrte seine großen und gutenWorte in meinem Herzen.”Schiller hat es wahrscheinlich ebenfalls empfunden. In seiner Ode an die_______________(60) Dr. phil. Kurt Wilhelm, jüdischer Religionsexperte, war Landesrabbiner 1925 – 29in Braunschweig, 1933-48 Rabbiner in Jerusalem „Jüdischer Glaube“ ,1961, S.94f.(61) Kap. 12: 925


Freude, beteuert er, dass die Freude eine Tochter des Himmels sei... „Seidumschlungen Millionen... Brüder, überm Sternenzelt muss ein lieber Vaterwohnen.“ Elysium war für ihn eine beglückende, jenseitige Realität. Die„Gefilde hoher Ahnen“ sind unsere eigentliche Heimat. Nun leben wir ineiner Welt der „derben Liebeslust“ und der Vergänglichkeit, obwohl sämtlicheElemente aus denen wir gebaut sind, von ewiger Dauer sind. Hiersind wir Stückwerk, finden nie wirklich was wir suchen. Faust bringt es ineiner Nebenpassage auf den Punkt. Fast verzweifelt ruft er aus: Da„taumel' ich von Begierde zum Genuss und im Genuss verschmacht ich vorBegierde,...“Falls Konstantin gehört haben sollte, dass im Zusammenhang mit denAussagen zu jedermanns Präexistenz der Erwählunsglaube steht, könnteauch das seine Aufmerksamkeit erregt haben. Immer wieder hieß es beiden Christen, die Menschen seien vor ihrem Fall schon kleine Göttergewesen und sie könnten Götter in der Ewigkeit sein, - wenn sie diegesetzten Bedingungen erfüllten. Das sollte Konstantin lebenslänglich beschäftigen,seine persönliche Vergottung. Origenes (185-254) lehrte eskeineswegs <strong>als</strong> erster, Jesus hatte es bereits formuliert: „Darum sollt ihrvollkommen sein, wie es auch euer Vater im Himmel ist.“ (62) „ImUrzustand waren alle Logika körperlose Geister und <strong>als</strong> solche Götter, diedem Logos <strong>als</strong> Trabanten anhingen... Nach dem Vorbild des Logos(Christus), der selbst das „Bild Gottes“ nach Genesis 1:26 ist, hat Gottsoviele Logika (Menschenseelen, eigentlich Geister, G.Sk.) erschaffen,(besser ausgedrückt: ‚geformt’ G.Sk.) wie er mit seiner notwendigbegrenzten Vorsehung regieren kann.“ (63) (64) Da wir „Menschen, die derFamilie Adams angehören“ (65) dem großen Elohim so nahe stehen, ist esmöglich, das Gebot seines Sohnes Jesus Christus ernst zu nehmen - imVerlaufe kommender Ewigkeiten: „...vollkommen zu werden, gleich wie ...euer himmlischer Vater.“ Das heißt mit den Worten Joseph Smiths: „Gottwar einst ein Mensch und wir können wie Gott werden.“ (66)___________(62) Matth. 5: 48(63) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 3. Auflage, 4. Band,J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen, 1960(64) Der analoge durch Joseph Smith überlieferte Text lautet: „Der Herr hatte mir,Abraham, die Intelligenzen gezeigt, die geformt (– nicht geschaffen – G.Sk.) wurden,ehe die Welt war...“ Nach Joseph Smith berief: „Am Anfang der oberste der Göttereinen Rat der Götter zusammen. Sie kamen zusammen und arbeiteten einen Plan aus,wie die Erde zu erschaffen und zu bevölkern sei.“(65) Buch Mormon, 2. Nephi 9: 21 + Mormon 3: 20 Nach Aussagen der Kirche JesuChristi der HLT betrifft das ausnahmslos alle heute lebenden Menschen.(66) Lehren des Propheten Joseph Smith, 1. Auflage, Max Zimmer Übersetzung, S. 24426


Mit solcher Lehre, obwohl sie - wie leicht nachzuweisen - altchristlich ist,stößt „Mormonismus“ in der Christenwelt auf massive Ablehnung. (67)Papst Benedikt XVI. verwies, ob gewollt oder nicht, die Kritiker indem ersagte: der Kern der Inkarnationslehre des Athanasius lautet: „Christus,das Göttliche Wort, „wurde Mensch, damit wir vergöttlicht würden...“(68)Eine andere Autorität erklärt: „... Der Gedanke der Vergottung ist derletzte und oberste gewesen; nach Theophilius, Irenaeus, Hippolit undOrigenes findet er sich bei allen Vätern der alten Kirche, bei Athanasius,bei den Kappadoziern, Appolinares, Ephraim Syrus, Epiphanius u.a (69) (70)Der jedoch auf die Erreichung solchen Ide<strong>als</strong> bedachte bedarf derimmerwährenden Führung durch den Geist und das Licht Gottes.Demgemäß soll jeder handeln: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, dender Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren undeuch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ (71) Es ist dasimmerwährende Trachten nach mehr Licht, und das Streben wahrhaftig,tolerant und gut zu sein, das zu dem aus Einsicht selbstbten Pflichtenkreis jedermanns gehören sollte. Die Lehre von derPräexistenz auszulöschen, bedeutete für Kaiser Justinian die Möglichkeit,die Gläubigen stärker in seine oft genug gefährlichen und zudemunredlichen Staatsangelegenheiten hineinzubinden. Die ganze WehrmachtJustinians wurde <strong>als</strong>o aus offensichtlich antichristlichen Beweggründenzum „Christenheer“ ernannt. Es entwickelte sich immer weiter! „Imlateinischen Abendland kam die Legitimierung des gottgewollten Kriegeserst mit den Kreuzzügen auf - („Dieu le veut“) Wie aus Leons Taktikhervorgeht, wurde im 9./10. Jahrhundert die Armee <strong>als</strong> das so genannte„Christusliebende Heer“ betrachtet, das nicht nur für die Interessen des_____________(67) z.B. schreibt der Präsident des Theologischen Seminars der südlichen Baptistender USA (<strong>ca</strong> 13 Mio Gläubige) Dr. Mohler, im Juni 2007, in Blogalogue - Debatesabout Faith „Mormonism Is Not Christianity“: „The Mormon doctrine of God does notcorrespond to the Christian doctrine of the Trinity. Mormonism rejects the central logicof this doctrine (one God in three eternal persons) and develops its own doctrine ofGod - a doctrine that bears practi<strong>ca</strong>lly no resemblance to Trinitarian theology. TheMormon doctrine of God includes many gods, not one. Furthermore, Mormonismteaches that we are what God once was and are becoming what He now is. That is indirect conflict with Christian orthodoxy... Here is the bottom line…”(68) Vatikan, Generalaudienz, 20. Juni 2007(69) Adolf von Harnack „Dogmengeschichte“, Mohr-Siebeck, 1990 S. 46(70)Anton Grabner-Haider-Maier „Kulturgeschichte des frühen Christentums“Vandenhoek & Ruprecht, 2008 : „Irenäus Werke gegen die „f<strong>als</strong>che Gnosis“..., inJesus Christus sei der Weltgott ein Mensch geworden, um die Menschen zuvergöttlichen.“(71) Johannes 14: 2627


Reiches, sondern auch für das Wohl der ganzen christlichen Ökumenekämpfte. Der Soldat (homo militaris) war sozusagen das Werkzeug, mitdem Gott (Sol Invictus G.S.) sein auserwähltes Volk und die christlicheÖkumene schützte und verteidigte. Byzanz galt <strong>als</strong> neues Israel undKonstantinopel <strong>als</strong> neues Jerusalem. Mit diesem Konzept konnte jeder vomKaiser geführte Krieg begründet werden.“ (72)Helena könnte beeindruckt gewesen sein, aus Christenmund zu hören dieAuserwählten würden ewige Götter sein, denn ihr Sohn war für sie einAuserwählter, schon Gott auf Erden um dann, wie sein Vater, Gott imHimmel, zu werden oder zu bleiben. Solche Denkweise entsprach, nachKonstantins späterem Verständnis völlig der Wahrheit. Er meinte schonfrüh, zu wissen ein Sohn Gottes zu sein, und: ein Teil seines Geistes.Er, der wohl <strong>als</strong> Geisel einige Jahre am Hof Kaiser Diokletians lebenmusste, wird dort in Nikomedien, (heutige Nordwesttürkei) mehrereChristen, wie den Gelehrten Laktanz kennen und schätzen gelernt haben,denn um 316/17 beruft er den großen Idealisten <strong>als</strong> Lehrer seines SohnesCrispus an den Hof in Trier. Laktanz, der Elitechrist, könnte ihm, dort vorOrt, ebenfalls erklärt haben, dass der Mensch ein Geist ist, der von Fleischummantelt wurde und, dass der Allmächtige die Auserwählten zu Götternerhöhen wird, vorausgesetzt sie befolgen seine Weisungen.Allerdings erlebte Konstantin am Hof Diokletians auch den Umschwungmit. Zunächst galten die Christen. selbst vor Kaiser Diokletian <strong>als</strong>geachtete Persönlichkeiten. Doch <strong>als</strong> sie an Zahl und wegen ihrerGrundsatztreue an natürlicher Macht zunahmen, riefen sie die Eifersuchtder Paganen herauf. Diese Wirkkraft der Christen einerseits undandererseits der geifernde Neid der pagananen Priester bildeten einenscharfen Kontrast, was zu einem schweren Konflikt führen musste.Man hätte es voraussehen können, obwohl sich die Christen mäßigzurückhaltend verhielten. Es gärte. Immer mehr Leute glaubten den nochehrenamtlich wirkenden christlichen Priestern.Zu einer Zeit <strong>als</strong> sich die Christen Roms noch in Bretterbudenversammelten, verfügten die Jesusgläubigen Nikomediens, zudem inunmittelbarer Hofnähe, über ein ansehnliches Gemeindehaus. Obwohlnoch weit davon entfernt liturische Kleidung (73) zu tragen, gingen sie bis_____________(72) Hermann Bauer, „Der Einfluß Ostroms“, 1982.(73) Hertling, „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740“ Morus-Verlag, Berlin S.45, 46 :„...Manche Bischofsstädte (um das Jahr 400 G.Sk.) hatten nur eine einzigeKirche, und diese besaß die Maße einer bescheidenen Dorfkirche... erst ab 589 gibt esliturgische Kleidungsstücke... Noch im Jahr 4o3 wurde es dem Patriarchen vonKonstantinopel <strong>als</strong> Eitelkeit ausgelegt, dass er sich beim Gottesdienst ein eigenesFestgewand anlegen ließ...“28


303 am Kaiserhof, selbstbewusst wie die Nobilissimi. Das konnte denBerufspaganen nicht gefallen. Ihre Gelegenheit kam <strong>als</strong> Diokletian, dieserauch in Konstantins Augen, abergläubische alte Mann, vor einer Schlachteine Eingeweideschau anbefohlen hatte: „Die Schau der Haruspices vorDiokletian misslang. Der Priester sagte, die Götter zürnten ihm wegen derAnwesenheit unheiliger Personen. Damit waren die Christen gemeint.Daraufhin mussten alle Beamten des kaiserliche Palastes den römischenGöttern opfern, oder sie wurden ausgepeitscht... Auch bei einer Befragungdes Apollo-Orakels in Milet antwortete der Gott seinen Priestern, dass dieChristen die Beziehung zu den Göttern störten. Daraufhin ließ der Kaiserin Nikomedia eine christliche Kirche niederreißen und deren heiligeBücher verbrennen. In einem Dekret, von 303, ordnete er an, in der ganzenProvinz sollte die Gebetshäuser und Bücher der Christen zerstört werden,die Christen sollten aus allen Ämtern entlassen werden und ihrePrivilegien verlieren. Als nun noch im Palast ein Brand ausbrach, wurdendie Christen dafür verantwortlich gemacht.“ (74)Die Welle der Verfolgung lichtete die Reihen der Treuen. Lactanz undviele andere bedeutende Christen mussten vor dem plötzlich wiederreligiös aktiven Diokletian in den Westen flüchten.Konstantin konnte sich durchaus auch ein Bild von den ihn betreffendenGedanken Kaiser Diokletian machen, denn nach der Hochzeit seinesVaters in Nikomedien im Jahre 292 mit Theodora, und nachdem sein VaterHelena verlassen hatte, verlassen musste, um höher in der Reichshierarchiehinaufzugelangen, hatte der (Ober-) Kaiser darauf bestanden, SohnKonstantin stets an seiner Seite zu sehen.Konstantin, noch jung an Jahren, sollte wohl auch seiner mit gewissenChristen zettelnden Mutter Helena entfremdet werden, und <strong>als</strong> Faustpfanddienen, <strong>als</strong> lebendes Garantiedokument für die Treue des für die Siege imWesten so unverzichtbaren Konstantinvaters Constantin Chlorus. Diesenfür Diokletian so widerlichen Allectus, der sich selbstherrlich zum KaiserEnglands aufgeworfen hatte, konnte, wie er glaubte, niemand sonst <strong>als</strong>Constantin Chlorus entmachten. (Allerdings wurde Allectus schon 292 vonseinem eigenen Gardechef ermordet, während Constantin Chlorus erst 293Adoptivkaiser wird)Nach den Angstträumen Diokletians könnte Konstantin Chlorus sichjedoch selbst zum Herrscher des Imperiums aufschwingen. Schließlichhielten ihn seine Militärs bereits jetzt für einen Gott. Das Attribut ‚göttlich’___________________(74) Anton Grabner, Haider, Johann Maier, „Kulturgeschichte des frühenChristentums“ Vandenhoek & Ruprecht 2008. S. 11329


stand aber nur ihm, Diokletian, zu! Er war der dominus et deus. EinLobredner schwärmte: „der Du denen gleichst die Dich zeugten, durch sieregierst Du die Welt unvergleichlich, Du der diis geniti et deorumcreatores, der von den Göttern gezeugte und Erzeuger von Göttern...in Dirleben die numina von Jupiter und Hercules - wir rufen Dich an, wir rufenDir zu, jeden Sieg zu erringen ist uns heilig und mit uns bist Du derpraesens deus - weshalb wir uns nicht fürchten, weshalb es uns eine Ehreist, Dir unser Leben zu Füßen zu legen – Heil dir! Deine Herrschaft istnicht nur durch die Erdgegenden begrenzt sondern sie reicht darüberhinaus in die Regionen ewiger Himmel. Wie wir auf Erden durch Dichglücklich werden, so <strong>als</strong> gelangten wir in Deine Gegenwart, stehen wirheute im Adyton - dem Allerheiligsten und spenden Dir unsere Treue. Wieder Weihrauch Deiner heiligen Priester umweben wir Dich.“ (75)Möglicherweise war Kaiser Diokletian während dieser Rede gar nichtanwesend, aber in solchem Fall hielt ein Jupiterpriester das Bild desImperators in die Höhe, denn es wurde spätestens seit dieser Zeit geglaubt,dass der Kaiser und sein Bild eins seien.Überliefert wurden auch die Worte: „Deshalb gleiche der Kaiser demGebieter des Weltalls.“ (76) Konstantin wird es vernommen und verstandenhaben. Solche Sätze haben Langzeitwirkung.Kurz vor dem Ableben seines schwer herzkranken Vaters, ConstantinChlorus, gelang ihm die Flucht. Er traf seinen Vater noch lebend an.Umgehend erhob die Armee Sohn Konstantin zum Cäsar, in jene Positiondie sein Vater 13 lange Jahre, in der von Diokletian geschaffenenTetrarchie eingenommen hatte.Er begründete „seinen Herrschaftsanspruch mit seiner Abstammung vomStaatsgott Constantius Chlorus, den er divinisieren und konsekrierenließ.“ (77)_______________(75) Alexander Demand „Diokletian und die Tetrarchie“ – „Aspekte einerZeitenwende“ Walter de Gruyter, 2004, S. 31(76) ebenda(77) Manfred Clauss „Kaiser und Gott“, - Herrscherkult im römischen Reich - KGSaur,2001, S 196 : „Konstantins Vater war Herrscher auf Erden und ist Gott im Himmel.“30


Konstantins ReligionIn den ersten Jahren seiner Herrschaft war Konstantin sich darüber nochnicht im Klaren mit welchem Titel er selbst leben soll. Noch am Vorabendder Schlacht an der milvischen Brücke, am 28. Oktober 312 betete er:„Wer bin ich?“ Was hast du mir bestimmt? Bist du in mir? „Sol Invictus:ich bitte dich, „offenbare mir wer ich bin! Reichst du mir deine Rechtezum bevorstehenden Kampf?“ (78)Der Grundwiderspruch lag damit offen zutage: Er selbst wollte der SolInvictus sein und betete zur gleichen Zeit: offenbare du mir die Wahrheit.War er zwei in Eins? Diese Ungereimtheit sollte in Nicäa, 325, insChristliche hinein transportiert werden, indem Konstantin autoritärhomousios an die Stelle von homo i usios setzte, (79) was zur Folge hatte,dass es die Christen verunsicherte. Sollten sie denken: Jesus habe sichunmittelbar vor seiner Verhaftung und dem schweren Ende seines Lebens,selbst angefleht? „Vater, wenn es möglich ist, dann lass diesen Kelch anmir vorüber gehen.“ (80)Diese Münze (81) stammt aus dem Jahre 313. Sie zeigtKaiser Konstantin und Sol, nicht Konstantin undChristus, der ihm 312 angeblich zu seinemfragwürdigen Sieg an der milvischen Brücke verholfen,haben soll. Sie gleichen einander, sie sind in derZweiheit eins. Noch ist er ausserstande das sichergebende Problem zu lösen: Er weiss nur, seit dem 3.Jahrhundert ließen sich alle römischen Kaiser <strong>als</strong> SolInvictus verehren. Unbestritten, Sol Invictus war auch der Gott seinesVaters Constantius Chlorus gewesen, der sich allerdings Christengegenüber manchmal tolerant verhielt. Eusebius bekennt diese wichtigeTatsache in VCI 28: „Konstantin hat (am Abend des 27. Oktober 312) denGott seines Vaters Constantinus Chlorus angerufen.“ Doch derselbeEusebius von Cäsaräa schreibt : „Nachdem Kaiser Konstantin Christ_______________(78) Schlange-Schöne „Konstantin der Große und der Kulturkampf“ 1997 S. 385(79) Hans Küng, „Kleine Geschichte der katholischen Kirche“: „Konstantin selber lässtdas nachher so sehr umstrittene unbiblische Wort wesensgleich griech. Homousios lat.‚consubstatialis einfügen... Die Unterordnung des Sohnes unter den einen Gott undVater (der Gott) , wie von Origenes und den Theologen der Vorzeit allgemein gelehrt,wird jetzt ersetzt durch eine wesenhafte, substantielle Gleichheit des Sohnes mit demVater“(80) Matth. 26: 39(81) Münze Bruno Blackmann „Konstantin der Große“ Rowohlt, 199631


geworden war, flehte er Gott an, ihm in bevorstehenden Kampf gegenMaxentius, den Tyrannen von Rom, beizustehen.“ Keinem Christen Romswäre, solange er an den Christus der „Frohbotschaft“ glaubte, je in denSinn gekommen den altrömischen Sol Invictus anzurufen, wenn erChristus meinte, denn Sol Invictus ist Sol Apollo und dieser ist Mithra.Ihre Begleiterin nennt sich Victoria. Victoria indessen steht für den Sieg imKrieg, während Jesus, wegen seiner Lehre von der Rechtschaffenheit, derFriedefürst genannt wird. Bis 325 glaubte eine überwältigende Mehrheitder Christen ‚origenistisch’- arianisch , dass Gott der Vater und Gott SohnJesus Christus zwei unterschiedliche Persönlichkeiten (Hypostasen) sind,sie ähneln einander, aber sie sind nicht wesenseins. Jesus sei dem Vaternachgeordnet (82) ... Aus Konstantins Wirrwarr, entstanden später‚christologische’ Diskussionen, die sich von einer Übersteigerung in dieandere verirrten. Darüber geriet das Hauptelement des Christentums: dieMenschenliebe, oder wie Jesus formulierte: „das Wichtigste, dieBarmherzigkeit“ (83) völlig ins Hintertreffen. Nachfolgender Mord undTotschlag waren nur die sichtbaren Elemente eines Christentums, dasdiesen Namen von da an, wohl nicht mehr verdiente.Goethe spottet über diesen Raub des Jota:„Denn eben, wo Begriffe fehlen,Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.Mit Worten läßt sich trefflich streiten,Mit Worten ein System bereiten,An Worte läßt sich trefflich glauben,Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.“ Faust INur ein schnell zupackender Griff und dann war es eben doch geschehen._______________(82) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft vierter Band Kop-O,J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen, 1960, S. 1695 Origenes lehrte: „Rangältestervon allen Geschöpfen ist der ewig aus dem Willen des Vaters gezeugte Sohn Gottes. Erist dem Vater nur „gleich“ im Sinne von ähnlich... der Sohn ist das Abbild (Kolosser 1:15) geringer <strong>als</strong> Gott selbst (Joh. 14: 28) an dessen Gottheit er nur Teil hat und dem er<strong>als</strong> der“ zweite Gott“ in jeder Hinsicht subordiniert ist... der Logos, die „Erlösung“...<strong>als</strong> Logos das Organ der weiteren Schöpfertätigkeit ...d.h. „Der Sohn ist dem Vaternachgeordnet, er ist dem Vater nur ähnlich, er ist eine andere Person.“Arbeitskreis Origenes. „Origenes lehrte die Trennung Gott Vater - Gott Sohn - GottHeiliger Geist.“R. P. C. Hanson „The Search for the Christian Doctrine of God“: „Kein Theologe vorder Entstehung des Arianischen Streits - weder in der Ost- noch in der Westkirche -betrachtete den Sohn nicht irgendwie <strong>als</strong> dem Vater untergeordnet.“(83) Matth. 23: 23 „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihrverzehntet die Minze, Dill und Kümmel, und lasst dahinten das Schwerste im Gesetz,die Barmherzigkeit.“32


Infolge dieses geraubten Jota verloren die Menschen in den Gemeindenden Frieden. Indem die athansianischen Fanatiker den Hass predigten,trieben sie den Geist Christi aus ihren Versammlungen hinaus. Selbst dieReformatoren erwiesen sich später <strong>als</strong> unbarmherzige Fanatiker dernicänischen Wortneuschöpfung. Erinnert sei an den berühmten Entdeckerdes kleinen Blutkreislaufes, Michael Servet, der 1553, auf Betreiben deskonstantinisch-athanasianischen Reformators Calvin zum Tode verurteiltund mit ausgewählt grünem Holz verbrannt wurde, nur weil der Gelehrtedarauf bestand, gut arianisch, (=mormonisch) zu sagen: „Gott hat einAntlitz!“ Er war durchaus nicht der Letzte, der wegen solcherÜberzeugung sterben musste, so, wie der spanische Bischof von Avila,Priscillian, nicht der Erste war der im Jahre 385 wegen seinernichtkonstantinisch-athanasianischen Gesinnung zu Tode kam, indem er inTrier, mit sechs seiner Glaubensbrüder, enthauptet wurde. (84) Hinter dernicänischen Neuerung (85) stand die schlichte und doch so komplizierteFrage: ist Gott eine geistige, ganz und gar formlose Wesenseinheit(griechisch homousios) oder handelte es sich um ein Gottheit von zwei(oder drei) himmlischen Personen, die homoiusios waren?Da dam<strong>als</strong> in der Kirche überwiegend griechisch gesprochen wurde, ginges <strong>als</strong>o um zwei Begriffe die sich lediglich durch das kleine I voneinanderunterschieden. Presbyter Arius der das I nicht preisgeben wollte verwiesdie Wankenden: wenn man das I aus dem Wort entfernte, dann verlor Gottsein Gesicht.Wie auch immer, es war ein Thema, sowohl für die ägyptische Kirche, wieauch für Konstantin, die sich aus sehr unterschiedlichen Gründen dendaraus hervorgehenden Fragen stellen mussten.Er konnte sich immer noch nicht entscheiden: war er selbst Gott per Amtoder gar die Inkarnation des Sol Invictus?Irgendwann gelangte Konstantin zudem zur Einsicht, er bedürfe derUnterstützung einer Kirche die ihn auch von seinen zahlreichenVerbrechen reinwaschen konnte. Schließlich kommandierte er, auf demvon ihm einberufenen und diktierten Kirchenkongress <strong>als</strong> Pontifexmaximus an, dass die Konkordienformel: fortan „homousios“ zu lautenhabe. So, anscheinend mit leichter Hand, schuf er dann die andere Kirche,________________(84) siehe Text S. 117(85) : Adolf von Harnack, „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ Mohr-Siebeck, 1990, S.232: (53) „Die grosse Neuerung, (nämlich das Athanasium G.Sk.) die Erhebung zweierunbiblischer Ausdrücke“ (Vater, Sohn und Heiliger Geist sind „unius substantiae“G.Sk.) zu Stichworten des Katholischen Glaubens sicherte die Eigenart diesesGlaubens... Im Grunde war nicht nur Arius abgewiesen, sondern auch Origenes...fortan musste die Kirche die Last einer ihr fremden Glaubensformel tragen.“33


die athanasianische, die katholische. Es sollte sich allerdings erweisen,dass selbst die willigsten Bischöfe und schon gar nicht ihre Mitglieder, mitdieser Kurzfassung der Formel wirklich glücklich leben konnten. (86)Jahrzehnte sollte es dauern bis sich wenigstens einige wenigeKirchenmänner beugten und der Unlogik das Wort redeten. Generationensollten kommen und vergehen bis es dem kleinen Mann völlig egal warwas die Profis ihnen einredeten.Es sollten viele Erklärungen und kleine Zusätze folgen, die mit roherVerbissenheit in jahrzehntelangem Ringen ausgehandelt wurden.Einigen konnten sie sich nie.Bis heute predigen die Geistlichen nahezu aller Kirchen, wenn überhaupt,einen gesichtslosen ‚lieben’ Gott, obwohl dieselben Prediger individuelleiner oft genug enorm abweichenden Auffassung anhängen.Die Spanne ist bekannt. Sie reicht vom totalen Unglauben bis zu denVorstellungen die in der alten Kirche vorherrschten. Das heisst, vieleAthanasianer glauben heute regelwidrig arianisch: Gott und Vater sindzwei unterschiedliche Götter - oder sie umgehen jede Stellungnahme.Katholische Gesangs- und Gebetsbücher sprechen vermehrt vom AntlitzGottes... gut, dass Calvin und Athanasius ihrer nicht mehr habhaft werdenkönnen.Länger <strong>als</strong> eine Stunde brauchte ein alter Jesuitenpater um mir 1967 inHubertushöhe/ Storkow, auf dem Gelände des dortigen Klosters der ‚armenSchulschwestern’, - die bis auf eine einzige Ausnahme allesamt verbissenund unglücklich aussahen, - sein Gottesbild zu erklären. Er malte mitseinem Stock eine Skizze in den märkischen Sand. Es war einmathemathisches Modell, das alles und nichts aussagte.______________(86) Ludwig Hertling SJ, „Geschichte der Katholischen K. bis 1740“ S. 73 „MancheBischöfe waren vom Konzil zu Nicäa unbefriedigt weggegangen.“34


Vier Bilder sollen das sehr theoretisch klingende Problemveranschaulichen:Die Dreifaltigkeitsikone von A. Rubljow (1370-1430)steht in der Russisch-orthodoxen Kirche in hohemAnsehen. Dieses Gemälde würde in etwa demarianischen bzw. dem ‚mormonischen’ Gottesbildentsprechen. 1215 verurteilte das 4. Laterankonzil unterLeitung Innozenz III. solche Vorstellung jedoch <strong>als</strong>unzulässig tritheistisch, während die RussischorthodoxeKirche die das Athanasium in dervorliegenden Form zwar nicht anerkennt, aber auchnicht missbilligt, solche Deutung zulässt. (87)Dagegen gibt dieses ‚konstantinisch-athanasianische’Symbol der Trinität das offizielle Gottes(un)bild auchheutiger Großkirchen wieder.(88)Tatsächlich gestattet die Theologie der konstantinisch orientierten Athanasianer,Gott quasi ausschließlich <strong>als</strong> mathematisches Modell zu denken:so etwa: (89) oder so : (90)Mit solchen In-Etwa-Ideen konnte Konstantin zwar annähernd seineeigenen Ahnungen ausdrücken, die Bilder der alten Kirche wie sieStephanus, Paulus und Jesus selbst zeichneten, sahen anders aus. Letzlicherzwang Konstantin die Unterschriften der Konzilsteilnehmer, zur Entfernungdes Jota, in der irrigen Überzeugung, nun sei, wenigstens für dieChristen das Problem gelöst. Welch ein Irrtum. Kenner der Szene wieBischof Basilius, Teilnehmer des 1. ökumenischen Konzils zu Nicäaverglich „...die nachkonziliare Situation sogar mit einer Seeschlacht in der________________(87) Wikipedia(88) ebenda(89) ebenda(90) ebenda35


Nacht.“.“ (91) Niemand vermochte jem<strong>als</strong> das Athanasium zu verstehen: Esgab und gibt wohl kaum Theologen die je konfliktfrei mit dem Athanasianumlebten. Prosper Alfaric, ein Expriester der Katholischen Kirche,schrieb: „Man kann einem Christen keinen größeren Streich spielen, <strong>als</strong>ihm die Frage zu stellen, was ist Gott?“ (92) Prof. Bernd Oberdorfer,Augsburg, gibt zu: „Verlegenheit ist noch das harmloseste, was vieleChristen (darunter nicht wenige Theologen) befällt, wenn die Sprache aufdie Trinitätslehre kommt. Muss, wer an Jesus Christus glaubt, sich auchdas paradoxe „Hexeneinmaleins“ (Goethes) zu Eigen machen, dass Gotteiner und drei zugleich ist?“ (93) Viele empfinden es <strong>als</strong> zumindest erstaunlich,dass einerseits das Wissen vorhanden ist, dass das NeueTestament die Trinitätslehre nicht kennt und andererseits die Tatsache,dass ein Nichtchrist den Christen keine Wahl ließ, indem er dieseunverständliche Lehre für richtig erklärte und anderes nicht gelten ließ.Nicht wenige murrten gleich, allerdings verstohlen. Dieser Fakt veranlassteden katholischen Kirchenhistoriker Hertling zu der Bemerkung: „...solange freilich Kaiser Konstantin lebte, durfte niemand wagen, gegen dasKonzil zu Nicäa und seine Definition aufzutreten...“(94) Sol Invictus = SolApollo stand schon vor Kaiser Aurelian (214-275) den Römern sehr nahe.(95) Viele fragen sich, warum in Nicäa 325, ein Mann dominierte, der nochum seine eigene Gottesvorstellung rang. (96) Er war doch ein Mann der in___________________(91) Bischof Koch (katholische) Pfarrblätter, vom Oktober 2008.(92) „Die sozialen Ursprünge d. Christentums“ Darmstadt, Progress-Verl., 1963, Vorw.(93) „Zeitzeichen“, evangel. Kommentare, Aug 2004(94) L. Hertling „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740“ mit ImprimaturRomae, 27. Nov. 1981 Morus-Verlag, Berlin S. 76(95) Anton Grabner-Haider-Maier „Kulturgeschichte des frühen Christentums“Vandenhoeck& Ruprecht S. 112: „Kaiser Aurelian stellte das Imperium unter denSchutz des unbesiegten Sonnengottes (Sol Invictus). Mit diesem Gott hatte er über dieParther gesiegt, dabei ließ er das Bild des syrischen Sonnengottes nach Rom bringen.Dieser Gott sollte mit dem griech Gott Helios, dem römischen Gott Sol und dempersischen Gott Mithras identifiziert werden. Der Kaiser verstand sich <strong>als</strong> Sohn(emanatio) dieses Gottes und <strong>als</strong> dessen Stellvertreter bei den Menschen.“ DerHinweis, durch William Seston „Verfall des Römischen Reiches im Westen“ S. 535,dass Konstantin sich fünf Jahre nach dem Konzil zu Nicäa <strong>als</strong> Helios darstellen ließ istbeachtenswert...(96) Adventskalender 2009 Ruhr-Uni-Bochum: „Erheblich populärer war zu dieserZeit die Gleichsetzung des orientalischen Mithras mit der Sonne und damit der Idee des"Guten“. Erst in der schweren Reichskrise des 3. Jh.s blieb es Aurelian (270 - 275)vorbehalten, <strong>als</strong> heidnisches Symbol einer Entwicklung zum "Ein-Gott-Glaube"(Henotheismus) und <strong>als</strong> religiöse Manifestation der Reichseinheit den Sol Invictuszeitweilig zum alleinigen Staatsgott und den Tag der Tempelweihung in Rom, den 25.Dez. 274, zum Feiertag zu erheben.“36


der Tradition seiner erzheidnischen Vorgänger stand, die weder verlassenkonnte, noch wollte. Der Name Sol Incictus stand im Innern Konstantinsebenso groß geschrieben, wie im Bewusstsein Kaiser Aurelians. Kurz vorseinem Lebensende ließ Imperator Aurelian dem Sol Invictus einenTempel bauen, „dessen Reste unter der Kirche San Silvestro liegen.“(97) Eshandelt sich dabei vor allem um den besonderen Geist dieses Gottes, derins Fundament der Kirche eingebaut wurde. Man wird eben die Geister dieman rief, nicht wieder los. (Goethe) Das läßt sich nicht leugnen. DieUnion der europäischen Konferenzen der höheren Ordensoberen/innenwagte es sich dieser Tatsache zu stellen und schrieb 2007 im Internet: „Alsdie Heiden nach einem Gedanken der Einzigartigkeit der Götter suchten,dachten sie nicht an Zeus, sondern an Apollo. Der einzige Gott dergebildeten und fast monotheistischen Heiden, gerade vor dem Aufkommendes Christentums, war Phebus Apollo oder Sol, der das Leben auf Erdenspendende Gott. Aurelian führte einen Versuch eines solchen heidnischenMonotheismus ein (während Konstantin den christlichen Monotheismuseinsetzen wird) mit Sol Invictus („die unbesiegte Sonne“) und Mithra beiden Soldaten, um spirituell dem Wedismus der Perser entgegenzuwirken.Aurelian wünschte, dass die Römer eine gleiche Religion hätten...“ (98)Nun war aber etwa drei Jahre vor der Schlacht an der milvischen Brückeein bedeutendes Ereignis in Konstantins Leben getreten, mit dessenAussage er ebenfalls leben musste: Im Jahr 309, war ihm nach den Wortenund dem Bericht eines Lobredners eine Vision im schönsten ApollotempelGalliens zuteil geworden. Dort waren ihm Sol Apollo und die Göttin desSieges, Victoria erschienen. Sie verhießen ihm eine dreißigjährigeHerrschaft, indem sie ihm die Siegeszeichen XXX gaben. Seine Priesterhatten ihm Ähnliches immer wieder verheißungsvoll eingeflüstert: „Dubist der Sol Invictus, - der unbesiegte Sonnengott - . An dir haben wir unsaufgerichtet. Du, Augustus, bist es! Du hast uns erleuchtet.“ (99) In diesenZeichen sollst du siegen! Du Konstantin!Andererseits gab es bei Hofe und in seinem Heerlager einflussreichePersönlichkeiten wie den spanisch-afrikanische Bischof Hosius undEusebius von Cäsaräa, die ihn bekehren wollten. Klug, jedoch nicht immerehrlich, wenn er zu schmeicheln begann, doch anscheinend immer in besterAbsicht, nutzte Eusebius sich ihm bietende Gelegenheiten auf gewisseÄhnlichkeiten der Grundansichten hinzuweisen.______________(97) Alexander Demand „Die Spätantike: römisches Geschichte von Diokletian bisJustinius 284-565“ Part III., 1989 S. 56(98) Dieses Statement erschien 2008 im Internet nicht mehr(99) Vittinghof „Konstantin der Große“37


Mit zunehmendem Alter lobte Eusebius den Kaiser mit umso größererErgebenheit. Bis er ihn kurz vor seinem Ende sogar mit dem Messiasvergleicht. Um 335 nennt er Konstantin den ‚Engel Gottes’ den ‚Führerund Herr’, das ‚Werkzeug Gottes’, das ‚Ähnlichkeiten mit dem Logos’(Christus) aufweise. (100)Er brachte damit auch die fernab vom Hof lebenden Bekenner der LehreChristi in schwere Verlegenheit. Seitdem Imperator Domitian (81-96)darauf bestand <strong>als</strong> „Herr und Gott“ angesprochen zu werden, fürchtetensie sich vor dem Tag an dem sie „zur göttlichen Verehrung des Kaisersgezwungen würden.“ (101)Was sich an jenem denkwürdigen Tag, dem 28. Oktober 312, am Vorabendder hochwichtigen Schlacht, gegen seinen Schwager Maxentius zutrug,und was Konstantin wirklich gesehen hat ist noch immer nicht klar.Dass, das Rho schon 312 eine Rolle spielte ist wenig wahrscheinlich, weiles auf den Feldzeichen der Armee erst 324 erscheint. Es hieß: „In diesemZeichen sollst du siegen!“ Du Konstantin! Nicht die Kirche. „In hoc signovincens!“ „Dieses“ Zeichen ist das des Querholzes über der senkrechtstehenden Lanze <strong>als</strong> Teil des Feldzeichens (des Labarums) der Legionäredes römischen Imperiums. Dieses Zeichen wurde seit Generationen vonKaisern im Feldlager beim Altar aufbewahrt. Später wurde das, ab 327/328leicht verändert dargestellte X, <strong>als</strong> „Christusmonogramm” bezeichnet, weilnun das griechische P (Rho) mitten durch das X ging. Zu beachten sindauch die beiden unterschiedlichen Halterungen der Koloss<strong>als</strong>tatueKonstantins zu Rom, im Palazzo dei Conservatori, die fragmentarischerhalten blieb „…und die mit dem von Eusebius beschriebenen Standbildidentisch sein dürfte…ihr „lassen sich gleich zwei rechte Hände zuordnen.Dieser Tatbestand ist wohl damit zu erklären, dass noch während der„Konstantin ließ lediglich eine Schlaufe an dervorhandenen Senkrechten anbringen.“ Doch trotz Hinzufügungder Schlaufe bleibt dieses X, das Zeichen des SolApollo, das Konstantin im Apollotempel gesehen hat. Ihm,dem Gott Sol Apollo, schrieb er seinen militärischen Erfolgzu, wie der Triumphbogen zu Rom beweist. (102)__________________(100) Patricia Just, „Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christlicher Kirche zwischendem 1. Konzil zu Nicea (325) und dem 1. Konzil zu Konstantinopel (381)“ , FranzSteiner Verl. 2003 , S. 23(101) Präambel der Einheitsübersetzung zur Offenbarung des Johannes.(102) Bruno Blackmann "Konstantin der Große” Rowohlt rororo 1996, S. 62, 6338


Regierung Konstantins die rechte Hand und damit auch die Insignie, dievon dieser Hand getragen wurde, ausgetauscht (!) worden ist…(denn) dasFeldzeichen war in der römischen Armee ungleich bedeutender <strong>als</strong> alleSchilddekorationen: Die ganze Soldatenreligion verehrte Feldzeichen,betete Feldzeichen an, schwor bei den Feldzeichen, zog die Feldzeichenallen Göttern vor, …Konstantin „machte es für die Christen attraktiver,indem er die Schlaufe an der senkrechten Linie nun deutlich zum oberenBogen eines griechischen Rho (P) umgebildet und damit die neueInterpretation <strong>als</strong> Abkürzung des Namens Christi erleichtert wurde.“ (103)Üblicherweise glauben Christen, Konstantin hätte in einer Vision dasKreuzeszeichen oder das Chi-Rho <strong>als</strong> Christogramm gesehen, - <strong>als</strong>Zeichen des Christentums. Doch einen Bezug zum Christentum hatte esvon Anfang an nicht. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass das ChiRho schon in jüdischen Schriften auftaucht und die Bedeutung von ‚fertig’oder ‚brauchbar’ hatte. (104) Eusebius fährt in seinem fragwürdigen Bericht,den er erst viele Jahre später erstellte fort. „Während der Kaiser inbrünstigflehte, erschien ihm (am 27. Oktober) ein wunderbares göttliches Zeichen.Hätte ein anderer von einer solchen Erscheinung berichtet, so würde manihm gewiss keinen Glauben schenken, da sie aber der siegreiche Kaiseruns, die wir diese Geschichte schreiben, lange Zeit nachher, <strong>als</strong> wir seinerFreundschaft und seines Umganges gewürdigt wurden, erzählte und seineWorte durch Eidschwüre bekräftigte, wer sollte da Bedenken tragen, dieserErzählung nicht zu glauben. Er versicherte zur Mittagszeit,<strong>als</strong> bereits der Tag sich neigte, schwebte am Himmel ein aus Feuer_____________(103) Bruno Bleckmann "Konstantin der Große” Rowohlt rororo 1996, S. 62, 63(104) Seeliger „Die Verwendung des Christogramms durch Konstantin im Jahr 312“ -Untersuchungen kath. Theol. Uni Tübingen S. 153, 154, 165: „Das Gotteszeichen wirdbei Laktanz beschrieben „transvere X littera, summo <strong>ca</strong>pite circumflexo“ derquergestellte Buchstabe X wurde an der oberen Stelle umgebogen“ Das ergibt eineZeichen das nicht dem uns bekannten Christogramm aus X und P, denAnfangsbuchstaben von XPICTOC entspricht und deshalb hat man diese Stelleverschiedentlich mendieren wollen ( <strong>als</strong> Fehler entfernen oder verbessern wollen). Wieaber die Diskussion gezeigt hat, ist dies völlig unnötig, denn das Zeichen mit denquergestellten Balken war durchaus bekannt... wir haben es statt mit einem Chi-Rhomit einem Tau-Rho zu tun, statt mit dem Christogramm mit dem Staurogramm. Diese istum 200 zum ersten Mal belegt... Zweifelsohne war das (mit dem Bogen oben)… nichtdas Zeichen welches Konstantin benutzte. Er benutzte das Christogramm … diesesZeichen ist vorkonstantinisch in vielfacher Weise nachzuweisen, allerdings nicht <strong>als</strong>Kürzel des Christogramms... Das Chi-Rho taucht schon in jüdischen (Dokumenten) des1. Jahrhunderts auf. Es sagt: fertig oder brauchbar.... Das Kreuz selbst ist inkonstantinischer Zeit noch nicht unter die Kaiserinsignien aufgenommen worden.“39


estehendes Kreuz, über der Sonne. An ihm sei die Inschrift befestigtgewesen: "In diesem Zeichen sollst du siegen!" ("In hoc signo vincens!")Mit eigenen Augen hätte er das gesehen. Über diese Erscheinung habe ihnund das ganze Heer, welches ihn auf seinem Marsche begleitete und dasWunder schaute, Staunen ergriffen. Mit Tagesanbruch stand der Kaiserauf und teilte seinen Freunden das Wunder mit. Darauf ließ erGoldarbeiter und Juweliere kommen, setzte sich mitten unter sie, beschriebihnen die Gestalt des Zeichens und befahl ihnen, in Gold und Edelsteinendasselbe nachzubilden... Dieses Zeichens unseres Erlösers bediente sichder Kaiser später <strong>als</strong> Schutzmittel gegen jede sich ihm entgegenstellendefeindliche Macht und ließ es später allen seinen Heerenvorantragen.“ (105) Prof. Stemberger wiegelt ohnehin ab: „Eusebius‘Bericht über die Anfertigung des Feldzeichens lässt sich kaum mit derSituation unmittelbar vor der Schlacht gegen Maxentius in Einklangbringen..." (106) Vor 326 kennt niemand diese Geschichte. 14 JahreSchweigen, bei solcher Wichtigkeit des Ereignisses? So oft kommt das janicht vor, dass Gott vom Himmel herab eine Botschaft sendet. (Auch wennKaiser Konstantin es gewohnt war mit den Unsterblichen, z.B. imApollotempel umzugehen.)Vittinghoff korrigiert denn auch Eusebiusdahingehend: Konstantin hat sich „...in den vielen Selbstzeugnissen, dieseinen unmittelbaren Umgang mit Gott und seine göttliche Auserwähltheitbetonen, nie auf das gallische Lichtwunder berufen ... Konstantin hat imJahre 312 keine ‚Bekehrung‘ im Sinn eines plötzlichen inneren Wandelsseiner religiösen und geistigen Haltung erlebt, jedoch unbestreitbar vonAnfang an dem Kreuz (X, G. Sk.) <strong>als</strong> magisches Zeichen der göttlichenHilfe den Sieg an der milvischen Brücke (Ponte molle) zugeschrieben....”(107) Raffael malte was Zeitgenosse Eusebius von Cäsaräa in seinerKirchengeschichte schildert: „En touto nika“Das Kreuz mit der Umschrift: „En touto nika“ kannKonstantin und seine Armee so und direkt neben derSonne nicht gesehen haben. Kein Soldat hat je davonberichtet.Der moderne Konstantin-Historiker RamseyMacMullen, schrieb: "If the sky writing was witnessedby 40,000 men, the true miracle lies in their unbrokensilence about it" (108)____________(105) H. J.Friedrichs, "Weltgeschichte eine Chronik" Naturalis Verlag, S. 72-73(106) Stemberger, „2000 Jahre Christentum", Karl Müller Verlag Erlangen S. 162:(107) Vittinghoff, „Konstantin der Große“ , 1966(108) Ramsey MacMullen, Constantine, 196940


In diesem Zeichen wirst du, Konstantin, siegen! Du! Vielleicht hat er nurgeträumt oder andere haben ihm einen Traum eingeredet. Einige Historikerglauben, nicht im Jahr 312, sondern erst unmittelbar vor seinerEntscheidungsschlacht gegen Mitkaiser und Schwager Licinius, 324,könnte Konstantin etwas Kreuzartiges am Himmel wahrgenommenhaben. Das würde erklären, warum die ersten Münzen mit demsogenannten Christusmonogramm erst in dieser Zeit geprägt wurden.Andererseits könnte er doch schon, im Oktober 312, unter Anleitung eingewisses Sternbild betrachtet haben. Dann ließe sich unterstellen, dassauch die Soldaten die auf dem bloßen Feld kampierten - wenn auchunbewusst - dasselbe gesehen haben. Dann könnte man Eusebius sogarwenigstens teilweise Glauben schenken.(109) Konstantin könnte am Abend des 28.Oktober des Jahres 312 mehr <strong>als</strong> zuvor christenfreundlichgedacht haben. Konstantin betete undes hat den Anschein, dass er in sein Gebet einVersprechen einflocht: er werde, wenn er gegendie beängstigende Übermacht seines RivalenMaxentius, den Sieg davonträgt, seinen Christenmehr Freiheit verschaffen,- trotz nicht weniger Bedenken die ihn gelegentlich anschlichen.Wie er selbst nach der großen Wahrheit strebte, so möge jeder für sichselbst herausfinden, was ihm mehr einleuchtet, und demgemäß darf jederrömische Bürger die Religion wählen die ihm <strong>als</strong> die richtige erscheint.Das würde er gewähren, allerdings unter einer Voraussetzung, natürlich,jeder Freie muss bedingungslos anerkennen, dass er Kaiser und Herrschervon Gottes Gnaden ist, nämlich „Gottes Stellvertreter auf Erden.“ (110)Man hatte ihm mitgeteilt: <strong>als</strong> Cäsar Galerius, der große ZiehsohnDiokletians vor einem Jahr starb, lauteten seine letzten Wortenrichtungweisend und wider alles Erwarten klar: ‚Sagt dem ChristenLaktanz, seine Gebete mögen dem helfen, der mir nachfolgt“ (111)wenngleich kaum jemand die Christen mehr gehasst hatte <strong>als</strong> Diokletianund Galerius. „Sol Apollo, Du gabst mir die Verheißung drei vollerJahrzehnte meiner Herrschaft. Drei Jahre ist es her. Ich bedarf deinesSegens mehr denn je!“ Konstantins Gebet, von Eusebius von Cäsaräa________________(109) Prof. Wolmeringer verweist in Konstantin der Große“ auf diese von Heilland,1948, errechnete Sternkonstellation in Professorenforum- Journal 2001(110) Frank Kolb „Herrscherideologie in der Spätantike“ Akademiev.Berlin 2001, S. 68(111) .... ???41


übermittelt, besagt, es sei Christus gewesen, an den er sich wandte. Dochdas ist völlig unglaubwürdig. Ihm war klar, dass auch sein Schwager undRivale im Rennen um die Weltmacht, Maxentius von Rom, Sol Invictus,Mars und Victoria um Hilfe bittet. Auch Maxentius glaubte, dass sie ihminnewohnende Numen sind. Konstantin sah die Widersprüche und wardennoch überzeugt, dass Sol Invictus und Victoria dem Besseren, demToleranteren, dem der mehr Tugend beweist, den Sieg geben würde.Immer wieder mussten ihm in diesem Zusammenhang die Christen in denSinn kommen. Ihre Hochherzigkeit, ihr Bestreben tugendhaft zu lebenfielen auf. Darüber hinaus weiß er, dass sich auch sein Todfeind Maxentiusum die Gunst der Christen bemühte. „Maxentius hatte dieChristenverfolgungen eingestellt und der römischen Kirche ihrenGrundbesitz zurückerstattet. Allerdings Maxentius sah sich beträchtlichenWirren und zum Teil blutigen Kämpfen innerhalb der ChristengemeindenRoms konfrontiert und deshalb gezwungen die Bischöfe Marcellus (307-309) sowie Eusebius (309) in die Verbannung zu schicken.“ (112)Auch seine Bischöfe zankten sich, das ist wahr, aber sie würden ihmgehorchen, das kalkulierte Konstantin ein. Er ahnte, er werde ihrerUnterstützung noch sehr bedürfen. Allerdings von blutigen Kämpfeninnerhalb christlicher Einheiten hatte er in seinem Herrschaftsbereichselbst nur wenig bemerkt. Die besseren Christen befanden sich <strong>als</strong>o anseiner Seite. Er konnte nicht ahnen, dass bald nach seinem Ableben, einebestimmte Christensorte, nämlich solche, die er erst groß machen sollte,die anderen Christen, der angestrebten Vormacht wegen, ungestraft mitKnüppeln und Äxten totschlagen werden.Eusebius könnte Kontakte zur Mutter des Kaisers gepflegt haben, Er wirdihr suggeriert haben: Die Kreuze die dem Imperator gegeben wurden,würden seiner Meinung nach eher auf den gekreuzigten Jesus Christushinweisen. Es sei noch einmal festgehalten, vor der Zeit Konstantins gab esin der gesamten Christenheit keine Kreuzesverehrung, - Predigten über dengekreuzigten Jesus gehörten dagegen sehr wohl zu den Gottesdiensten,wenn auch noch nicht in jener Weise, die in der Reichskirche üblichwerden sollte. Es lag allen Jesusnachfolgern fern, das Todesinstrumentzum Gegenstand andächtiger Betrachtung zu machen. Andererseits gab eseinige Andeutungen, Christensoldaten hätten sich schon um 299 Kreuzeauf die Stirn malen lassen. (113) War das nur ein Gerücht?_______________(112) Karl Christ „Geschichte der römischen Kaiserzeit“ C,H. Beck, 2002, S. 737(113) A. Demand „Die Spätantike: römisches Geschichte von Diokletian bis Justinius“Part III., 1989 S. 66: „Das war nach römischem Recht ein strafbarer Fall vonZauberei.“42


Andere fragten später, zu Cyrills Zeiten, nach dem Konzil zu Ephesus,431: wäre Jesus geköpft worden, befände sich dann ein Schwert an Stelleeines Kreuzes? Konstantin hatte in den Jahren in Nikomedien gesehen, wieviel Kraft die Jünger Christi in den Tagen harter Verfolgung undFolterungen entfalteten, wenn sie den Gekreuzigten anriefen. Das sagteihm sehr zu. Das Kreuz selbst schien anzudeuten, dass sein Mittelpunkteine Verschmelzung symbolisiere. Hier liegt die Nahtstelle zwischenechtem Christentum und der Kreuzesreligion der Paganen. Kreuzzeichengab es schon seit langem in der Armee. Auch war der Gedanke nicht neueine Symbiose von Staat und christlicher Kirche herbeizuführen. Er wurdeauf beiden Seiten entwickelt, doch bis Konstantin immer wiederverworfen. Die Idee blieb. Sie war verlockend, denn jeder Staat benötigtein stabiles Fundament, das nicht allein aus militärischer Macht undVerwaltungsstrukturen bestehen kann, sondern in den Köpfen und Herzender Menschen muss jene Ordnung herrschen, die der Kaiser bestimmt.Nicht viele Religionen, sondern möglichst nur eine, nicht mehrere Götter,sondern nur einem Einzigen, sollten Roms Bürger anhängen. EinigeKirchenpolitiker vom Typ des nach Nicäa verstärkt aufkommendenKonjunkturchristen hegten schon lange die Absicht, das Ideal einer‚christlich-staatlichen’ Einheitsreligion durchzusetzen. Sowohl Callist I.,einer der römischen Bischöfe, angeblich „Papst“ von 217 bis 217, <strong>als</strong> auchseinem Vorgänger Zephyrinus 199 bis 217 sind solche frühzeitigen Händelmit dem Ziel einer Vermischung von Staat und Kirche zuzumuten. Nochwaren es erste, zaghafte Versuche. Aber in eben dieser Zeit, etwaeinhundert Jahre vor Nicäa, begann es. „Callistus versuchte nachdrücklich,den Einfluss des Bischofs von Rom für die gesamte Kirche zu mehren...“Das sind Bestrebungen die durch nichts gerechtfertigt waren, die jedochverrieten um was es diesen Männern ging. Wenn es allerdings von einemOrt abhinge dem das Primat zustünde müsste es Jerusalem sein. (Küng)„...Callistus war der Überlieferung zufolge ein von Juden verbannterSklave, der zunächst mit betrügerischen Bankgeschäften von sich redenmachte. Der erste Gegenpapst der Kirchengeschichte, Hippolyt, erhob sichgegen ihn und beschuldigte ihn... eines unlauteren Vorlebens und derUnzucht ...“ (114)Um 200 verfasste Felix Minucius seinen Aufsatz "Dialog Octavius". Erschrieb was er davon hält, das Kreuz an dem Jesus starb und das Kreuz derKaiser und ihrer Legionen miteinander in Verbindung zu bringen undbeide, <strong>als</strong> Mix, zum Gegenstand auch ihrer Verehrung zu machen: „Kreuzebeten wir nicht an und wünschen sie nicht. Ihr allerdings, die ihr hölzerne_____________(114) Ökumenisches Heiligenlexikon:43


Götter weiht, betet vielleicht hölzerne Kreuze an <strong>als</strong> Bestandteil eurerGötter. Was sind sie denn anderes die militärischen Feldzeichen undFahnen <strong>als</strong> vergoldete und gezierte Kreuze? Eure (!) Siegeszeichen habennicht bloß die Gestalt eines einfachen Kreuzes, sondern sie erinnern auchan einen Gekreuzigten... bei euren religiösen Gebräuchen kommt (dasKreuz) zur Verwendung.“ (115) Er sah anscheinend eine negativeEntwicklung voraus. Die Basis jenes Streben war das von Jesusausdrücklich verurteilte. Noch kurz vor seiner Kreuzigung vor Pilatusstehend beteuerte der Erlöser: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt, wäremein Reich von dieser Welt, würden meine Diener kämpfen, nun ist abermein Reich nicht von dieser Welt.“ (116) Interessant ist, dass ihm dieweltliche Macht gleich zu Beginn seiner Laufbahn, <strong>als</strong> Rabbi, von seinemWidersacher angeboten wurde: „Das ‚alles’ will ich dir geben, wenn dudich vor mir niederwirfst…“ (117) Ein Niederfallen vor einem Kaiserbrächte den kompromissbereiten zwar die Machtteilnahme, aber die Kirchewürde aufhören, das Licht der Welt zu sein. Wie sehr es den frühenChristen darum ging Jesu Willen zu tun und nicht den der Herrschenden,geht aus dem gesamten Geschehen hervor. Das missfiel auch den‚christlichen’ Kaisern von Anfang an. Ihre Untergebenen sollten nichtnachdenken, sondern parieren. Die Tapferen ließen sich ihr Recht nichtnehmen. Was in den Ältestenkollegien diskutiert wurde, ist dennochweithin unbekannt. Nur gelegentlich, wie im Streitfall zwischen demalexandrinischen Bischof Alexander um 318 und seinem Presbyter Arius(260-336), erfahren wir etwas mehr. Hinzukommt, dass viele Dokumente,auch aus der vorkonstantinischen Ära, vernichtet oder von den Fälschern„bereinigt“ (118) wurden, um die von Konstantin gezeichnete Linie nicht zugefährden. Lange Zeit stemmten sich die meisten Mitglieder derGemeinden, wenn auch vergeblich, gegen alles, was sie <strong>als</strong> Widerspruchzu ihrer Religion empfanden. Das brachten die Mutigen auch zumAusdruck. Deshalb verbot Kaiser Markion 451, <strong>als</strong> Konzilsvorsitzender inChalkedon, den Gläubigen das Denken und Diskutieren ganz und gar. (119)Es wäre interessant Briefe der Nichtbischöfe zu lesen die zwischen 200_______________(115) Stemberger „2000 Jahre Christentum“, Karl Müller Verlag, Erl. 1990 S. 146.(116) Joh. 18 : 36(117) Matth.4: 8 u 9(118) Thomas Frenz „Papst Innozenz III. Weichensteller der Geschichte Europas“Franz Steiner Verlag Stuttgart, 2000, S. 133 „...im Mai 1198, hat er an der Kurie selbsteine ganze Bande von Urkundenfälschen ausgehoben...“(119) K. Leo Noethlichs „Die Juden im christlichen Imperium Romanum“ Studien,Akad. Verl. 2001 S. 44 : „Das Verbot gilt gleichermaßen für Kleriker, Staatsbedienstete,Freie und Sklaven, die bei Verstoß entsprechend differenziert betraft werden.“44


und 400 geschrieben wurden. Nachdem Konstantin gesiegt hatte, veröffentlichteer 313 das Mailänder Toleranzreskript, d.h. er erneuerte dasseit 311 bestehende Toleranzedikt des Kaisers Galerius. „Nachdem wirbeide, Kaiser Konstantin und Kaiser Licinius, durch glückliche Fügung beiMailand zusammenkamen, um zum Wohle aller ... zu regeln ... sowohl denChristen <strong>als</strong> auch allen Menschen freie Vollmacht zu gewähren ... ihreReligion zu wählen ... damit die himmlische Gottheit uns und allen ...gnädig und gewogen bleiben kann... In der Erkenntnis, dass dieReligionsfreiheit nicht verwehrt werden dürfe“ (120) Damit gewann er dasVertrauen der Christen und der Paganen. Bald allerdings wird er selbst dasabsolute Machtzentrum sein und festlegen, was er unter Religionsfreiheitversteht. Himmelszeichen natürlicher Art, sind die eine Seite, eine ganzandere ist ihre Deutung, falls es überhaupt etwas zu deuten geben sollte.Vetranio der nur zehn Monate lang römischer Kaiser war, - von März bisDezember 350 - soll „die Erscheinung eines mehrere Stunden langsichtbaren, kreuzförmigen Himmelszeichen über Jerusalem“ gesehenhaben, aber für die Kirche hat er nichts bewirkt, zudem war er mit Kriegenbeschäftigt.“ (121) Auch Vetranio wurde dieselbe Verheißung wieKonstantin gegeben: In diesem Zeichen sollst du siegen... nur, wie gesagt,es galt ihm persönlich (122)Rückseite einer Münze des UsurpatorsVetranio, geprägt 350 in Siscia. Der Kaisermit dem Labarum wird von der griech.Göttin des Sieges Victoria bekränzt. Dielateinische Umschrift lautet: „Mit diesemZeichen wirst du Sieger sein.“ MünchenStaatl. Kunstsammlung.Waren das nicht die Worte, die angeblich Kaiser Konstantin <strong>als</strong> Worteseines Gottes vernommen hatte? Auch da hieß es: „Dieses Zeichenunseres Erlösers…“ Von dieser Zeit an hätte Konstantin sich zunehmendchristenfreundlich verhalten? Nur, dann erhebt sich die Frage, warumlautet eine der gängigsten Konstantin-Legenden, die während einigerJahrhunderte gepredigt und verbreitet wurde, völlig anders? „... Der__________________(120) Stemberger „2000 Jahre Christentum“ K.Müller Verlang Erlangen 1990 S. 163(121) Manfred Clauss „Die römischen Kaiser“ „55 historische Portraits von Cäsar bisJustinian“ C.H.Beck, 2005(122) Münze Bruno Blackmann „Konstantin der Große“ Rowohlt, 199645


Kaiser (es wird von Konstantin gesprochen! G.Sk.) habe <strong>als</strong> Heide zu Romgrausam die Christen verfolgt und sich, zur Strafe vom Aussatz befallen,nach einem Traumgesicht an den auf den Berg Soracte geflüchteten PapstSilvester gewandt und Heilung erlangt, <strong>als</strong> er sich von Silvester taufenließ. Zum Dank habe er ... Kirchen gestiftet und den römischen Bischofzum Oberhaupt der Geistlichkeit bestimmt... Diese in den Actus Silvestriwohl am Ende des 4. Jahrhunderts in Rom niedergelegte Legende fand inlateinischen, griechischen und orientalischen Fassungen großeVerbreitung und ist sowohl in die Symmachianischen Apokryphen vomEnde des 5. Jahrhunderts (z.B. Constitutum Silvestri) <strong>als</strong> auch in den LiberPontifi<strong>ca</strong>lis eingegangen.“(123) Silvester I., der 33. in der Reihe der‚Päpste’, dessen angebliches Pontifikat von 314-335 dauerte, weiß wederetwas von einer Heilung Konstantins, noch von der Taufe, er weiß nichtsvon Konstantins Kreuzesvision vom Jahr 312, ihm ist nichts von einerÜbereignung des Lateranpalastes an die Kirche bekannt, die auf 312 datiertwird. Bereits ‚Papst’ Miltiades der 311 Papst wurde und bis 314 amtierte,hätte eine Fülle von Akten hinterlassen müssen. Aber es liegt nichts vor.Das Ökumenische Heiligenlexikon schreibt: „Miltiades wurde 311...Bischof. Verdienst erwarb er sich in der Bekämpfung des Montanismus.“Mehr weiß es nicht zu berichten, und von seinem Nachfolger heißt es nur:„Silvester I., (war) Bischof von Rom, ... (jedoch ) Über sein Leben undWirken ist nur wenig bekannt, es fehlt jeder schriftliche Nachlass...“ (124)Jedoch gemäß katholischem Legendengut wird Silvester 314 von(125) (126) (127)___________________(123) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(124) ebenda(125) Silvester zieht in Rom ein und wird von Kaiser Konstantin empfangen. Fresko,1246, in der Silvester geweihten Kapelle der Kirche SS. Quattro Coronati in Rom .(126) Kölner Werkstatt: Silvester wird durch Konstantin <strong>als</strong> Papst gekrönt. Detail vonder nördlichen Chorschranke im Dom in Köln, um 1332(127) Fresko: Silvester bekommt von Konstantin die Papstkrone und einen Schimmelüberreicht, 1246, im Kloster SS. Quattro Coronati in Rom46


Kaiser Konstantin zum ‚Papst’, gekrönt, zum Dank dafür, dass dieser ihnheilte. Konstantin hätte dem Papst einen Schimmel geschenkt.Im Gedächtnis nicht weniger Mönchs- und Bürgergenerationen wurdendiese inkorrekten, für einen bestimmten Zweck frei erfundenen Überlieferungenfestgeschrieben. Die Absicht verstimmt. Der Mangel anDokumenten und an historischer Wahrheit im Sinne Roms wird bereitskurz nach Nicäa deutlich empfunden.Konstantin sei der Mann der dem Christentum zum Sieg verhalf? War esnicht vielmehr so, dass er stets nur seinen sehr persönlichen Sieg suchteund zwar mit Hilfe jener Christen die willens waren zur gleichen Zeit zweiHerren zu dienen – und die ihm bald wie ihrem eigenen Gott Ehrfurchterwiesen?Am Tage der feierlichen Einweihung Konstantinopels, am 11. Mai 330, -5, bzw. 3 Jahre nach Nicäa gab es zu seinen Ehren „Festspiele im Zirkus.Soldaten mit Kerzen in der Hand geleiteten die Statue Konstantins, die ihnin der Haltung und im Gewand des Sonnengottes darstellte, durch dasSpalier kniender Menschen und am Fuße der Porphyrsäule, auf die siehinaufgeschoben wurde ließ man Weihrauch verbrennen… im Sockel derKonstantin-Helios Statue, auf dem Forum wurde das solange und soehrfürchtig gehütete Palladium der Vestallinnen (Priesterinnen derrömischen Göttin des Herdes) aufbewahrt… Dieses war das Unterpfanddes göttlichen Schutzes des Reiches, und der Kaiser selber betrachtete sich<strong>als</strong> seinen Hüter.“ In seiner Hauptstadt „wurde (auch) eine Statue derGlücksgöttin Nike (=der römischen Victoria) errichtet, KaiserKonstantinließ sich mit dem Zepter, der Lanze, der Siegesgöttin Nike unddem Reichsapfel darstellen.“ (128) „Seit der 2. Hälfte des 4. Jahrhundertsentwickeln sich christliche Legenden“ (129) Viele waren fasziniert von derAllmacht ihres Kaisers, vor allem diejenigen die von dem Ausbau desNeuen Rom profitierten.„Wenn wir die Ebene der theoretischen Erörterungen verlassen und unsden Glauben der ‚kleinen Leute’ anschauen, dann verwischen sich dieUnterschiede zwischen paganaer und christlicher Frömmigkeit rasch,dann erfährt Konstantin göttliche Verehrung von Anhängern der altenheidnischen, wie der neuen christlichen Kulte.“ (130)___________________(128) William Seston „Verfall des Römischen Reiches im Westen“ S. 535(129) Karl-Leo Noethlichs „Die Juden im christlichen Imperium RomanumStudienbücher Akademie-Verlag 2001(130) Manfred Clauss „Kaiser und Gott“, - Herrscherkult im römischen Reich -KGSaur, 2001, S 20547


Das ‚Salz der Erde’ oder das ‚Licht der Welt’ (131) bewirkte nicht das,wozu Jesus sie bestimmt hatte, sondern umgekehrt; die Umwelt dunkeltezunehmend das Christentum ab. Nicht die Christen gewannen an Wirkkraftsondern die Anhängerschaft des neuartigen Religionsgemenges. Nicht dieVerinnerlichung des Guten nahm auf diese Weise zu, worauf es den ErstenChristen ankam, sondern die Veräusserlichung, - das Kultische - .Anscheinend starrten selbst sonst scharfsichtige Christen nur aufs Fell,statt den zu erkennen der darunter steckte. War es dam<strong>als</strong> tatsächlichunmöglich Konstantin zu durchschauen?Konstantin vermochte es, zu blenden und Optimismus zu verbreiten.„Nach übereinstimmendem Zeugnis byzantinischer Geschichtsschreibunggab Konstantin bei der Einweihung ...der Stadt Konstaninopel dieser denNamen Anthousa, die Blühende... unter dem griechischen Namen... weihteKonstantin seine neue Stadt auf geheime Weise der römischen StadtgöttinFlora“ (132) Es war eine Zeit der Blüte, dem goldenen Zeitalter Spaniensvergleichbar, die Karl V. und Philipp II. ihrem Weltreich bescherten, überdem nie die Sonne unterging. Doch hier wie da war es derselbe aufrücksichtslose Ausbeutung der Ressourcen anderer Völker und derSchwachen innerhalb der Grenzen herrührende Glanz. Der Anschein trog,und verführte. Konstantin selbst schlief schlecht, solange es Personen gabdie seinen Rang gefährden konnten. Auf ihre Geschäfte bedachte Christenfanden all diese Widersprüche nicht aufregend.Vor allem in der Ostkirche ahmten sie ab dem 5. Jahrhundert seinen Stilzunehmend nach. Bis heute nähert sich der schlichte Gläubige einemgriechischen Bischof in Kriechhaltung, der Proskynese, während derKirchenfürst auf dem kostbaren Stuhl thront.Nachdenklich macht immer wieder, das Bemühen nicht weniger Autoren,in Konstantin einen Förderer des Christentums zu sehen. Allzu deutlichliegt auf der Hand, dass er ein Doppelspiel zugunsten seines immerwährendenGottstatus, trieb. Auf Seiten der Paganen, sowie der Christengab es dennoch Leute die ihn <strong>als</strong> ihren Feind erkannten. Er änderte alles.Kraft seiner außergewöhnlichen Autorität presste Konstantin sowohl denGeist, wie die Inhalte des Heidentum ins Zentrum des Christlichen.Gold kann man nicht veredeln, aber verunreinigen.Bereits bei Grundlegung des ‚Neuen Rom’, - Konstantinopel - einererheblichen Erweiterung des alten Byzanz, die angeblich erfolgte, weil ihm‚Gott’ in einem Traum erschienen sei und das gewollt habe... „assistierte________________(131) Matth. 5: 13-14(132) Hans Reinhard Seeliger Untersuchungen „Die Verwendung des Christogrammsim Jahre 312“ kath.theolog. Uni Tübingen S. 16548


ihm eine Schar heidnischer Priester bei der Zeremonie.... Als obersterPriester (des Sol Apollo – Helios – Mithras, und nicht des Christus G.Sk.)umschritt Konstantin die projektierte Stadt. Mit einem Stab zeichnete er dieStadtgrenze in den Boden... Seiner auf dem Reißbrett entstandenen, nachden städtebaulichen Idealen der Spätantike gebaute Stadt, versuchteKonstantin durch antike Bildwerke das Antlitz einer gewachsenen Strukturzu geben. ... Aus dem ganzen Land ließ er Kunstwerke zur Ausschmückungbringen. Tempelstatuen und Weihgeschenke wurden ihres religiösen Sinnsentweiht. ... Dieser Vorgang wurde zuweilen <strong>als</strong> ein „schändlicher undmassenhafter Kunstraub der Geschichte“ kritisiert... Indiz für dasWeiterleben heidnischer Traditionen in der angeblich christlichen Stadt.“(133) Eigentlich müsste man es ihm zugetragen haben, dass ihn selbst einigeseiner Senatoren kritisieren, den Dioskurentempel zu aufwendig finanziertzu haben, andere hingegen lobten ihn dafür. Konstantins Religion ließ abernicht zu, dass er die Wirkkraft irgendeines Numen leugnete. Die Dioskurensind Zeussöhne und Reitergottheiten. Sie kämpften an Konstantins Seite...„...die beiden jugendlichen Reitergottheiten hatten ‚Rom’ schon oftgeholfen und sind seine Schlachthelfer im Krieg gegen (Schwager)Licinius gewesen, folglich waren sie auch <strong>als</strong> Schutzgötter des ‚NeuenRom’ geeignet... Christen und Heiden erhielten in der neuen Hauptstadteinen gleichberechtigten Status.“(?) (134) „Es wird berichtet, dass dieKoloss<strong>als</strong>tatue Constantins auf der Porphyrsäule... von Heiden und wieChristen verehrt wurde und letztere versuchten das Bild Konstantins ... mitOpfern gnädig zu stimmen und mit Lampenfesten und Räucherwerk zuehren, (sie) beteten ihn wie einen Gott an und leisteten Fürbitten die vorschrecklichen Dingen Abwehr schaffen sollten... Constantin <strong>als</strong> Apollo-Helios entsprach der Darstellung Christi <strong>als</strong> Sonnengott...“ (135) Zunächstwollte er nur Christi Stellvertreter sein, dann gelangte er zur Überzeugunger sei auch Jesus Christus. Die Forschung stellt nur sachlich fest:„Konstantin wollte sich erst spät, gegen Ende seines Lebens taufenlassen... im Jordan... wo schließlich auch der getauft worden war, der ersein wollte: Christus. Ob Konstantin je getauft wurde wissen wir nicht.“(136)_______________(133) Monika Schuol, „Constantinopolis – die Stadt Konstantin des Großen“ FUBerlin, 2004(134) Manfred Clauss „Konstantin der Große und seine Zeit“ S. 91 (Status???)(135) Frank Kolb „Herrscherideologie in der Spätantike“ Akademieverlag, Berlin, 2001S 83-84(136) Manfred Clauss „Kaiser und Gott“, Herrscherkult im römischen Reich KGSaur,2001, S 45949


Alle Umstände, sogar die über seinen Tod hinausreichenden bestätigen,dass er der ewige Gott der Christen sein wollte. „Er selbst hat … den Platz(seiner letzten Ruhestätte) ausersehen... Die eigentliche Beisetzung wirddann durch Constantius vollzogen. Er und seine Heeresabordnungengeleiten den Sarg in die Apostelkirche... Konstantin hatte vorgesehen,dass der Wert der Gebete die hier zu Ehren der Apostel gesprochenwürden, auch ihm zugute kommen. Deshalb ordnete er an, hier Kirche zuhalten, und er stellte einen Altar mitten hinein... (137) ... so, wie sonstChristus in der Mitte der Apostel steht… Zwölf Grabmäler wie heiligeSäulen richtete er dort auf zu Ehren und zum Gedächtnis des Apostelchors;in die Mitte aber stellte er seinen eigenen Sarg, auf dessen beiden Seiten jesechs der Apostel sich befanden.“(138)Gewollt oder nicht, Konstantin stiftete gegen Jesus nicht nur eine neue‚Gottesdienstordnung’ die teilweise bis heute Bestand hat, aber aus vielenGründen keinen Bestandsschutz verdient, sondern er schuf eine völlig neueReligion, der er lediglich den christlichen Mantel umhängte.„Konstantin ordnete an, (dass in seinem Mausoleum G.S.) Kirchegehalten wird. Er ließ einen Altar (139) hineinstellen...“ (140)Weil er persönlich verehrt werden wollte, hatte Kaiser Konstantin denAltar in die Kirche gestellt. Er ist der Täter, Christus das Opfer.Dörries fügt diese Bemerkung Otto Weinreich’s aus „Konstantin derGroße“ an: „Wie die Apostel an die Stelle der zwölf Götter getreten sind,so Konstantin an die ihres Führers, des dreizehnten Gottes... SeinenSarkophag… stellte …man in die Mitte zwischen die zwei Apostelgruppen,… So wie sonst, Christus in der Mitte der Apostel steht.“ Er (Weinreich)versichert, „darüber kann kein Zweifel sein... dass Konstantin zusammenmit den Aposteln verehrt werden wollte und dass an dem Altar für ihn____________(137) Bertelsmann-Universal-Lexikon „Bis ins 3. Jahrhundert gab es im Christentumkeinen Altar.“ Da liegen die Wurzeln für die katholische Messe, (die das alteChristentum nicht kannte, sondern statt dessen das Abendmahl). Jahrhundertelangwurden deshalb in den Kirchengebäuden an vielen Altären gleichzeitig Messen gelesen,auch wenn keine anderen Teilnehmer <strong>als</strong> die lesenden Priester anwesend waren. K-P.Hertzsch, „Theologischen Lexikon", Union –Verlag, Berlin, 1977. S.13: „Es geht umdas Sitzen um den Tisch. Wobei wieder deutlich wird, dass es in einer christlichenKirche eigentlich keinen Altar geben kann, sondern nur einen Abendmahlstisch.“(138) Hermann „Das Selbstzeugnis Kaiser Konstantins", 1954, Göttingen, S. 416 ff.(139) Anton Grabner-Haider-Maier „Kulturgeschichte des frühen Christentums“Vandenhoeck& Ruprecht S. 91 „Ab dem 4. Jahrhundert finden wir feste Altäre undOpfertische(140) Heinz Kraft Habilitationsschrift „Konstantins religiöse Entwicklung“, HeidelbergUni Greifswald, 1954 S. 15650


und die Apostel Gottesdienst abgehalten werden sollte.“ (141) Dörrieserwähnt auch die Arbeit von A. Heisenberg „Grabeskirche undApostelkirche, zwei Basiliken“ Konstantin I., Leipzig 1908, mit dem Zitat:„An der Spitze der Apostel wollte er ruhen, der divus imperator, der denchristlichen Staat gegründet, wollte begraben und nach seinem Todeverehrt sein nicht anders <strong>als</strong> der Sohn Gottes, der die christliche Religiongegründet hatte." Schließlich „wurde Konstantin nicht nur divinisiert,sondern auch konsekriert“ (142) Eusebius von Cäsaräa hat, obwohl Arianerund hoch gebildet, seinen Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet. Er warwohl der Erste unter den bedeutenden Christen seiner Zeit der den Mannder Schlachten und der rücksichtlosen Machtausbreitung sowie dergnadenlosen Machtbewahrung maßlos hochlobte. Andererseits hatKonstantin nichts was seinen Zielen dienen konnte, jem<strong>als</strong> verschmäht.In diesen Zeichen sollst du siegen! Du Konstantin. Es gab bei Hofe undauch in seinem Heerlager mehrere einflussreiche Persönlichkeiten die sichzu Christus bekannten, wie den spanisch-afrikanischen Bischof Hosius, dieihm ihre Loyalität erwiesen. Ihre Sympathie für sein Tun konnten einigeanscheinend konfliktfrei äußern, weil ihr Wunsch darauf gerichtet war, denKaiser zu bekehren. Geradezu euphorisch (143) wird Eusebius, später, denBeginn des wichtigsten, weil folgenreichsten aller Konzilien mit denWorten beschreiben: „Nun trat der Kaiser selber mitten in dieVersammlung (der Konzilsteilnehmer zu Nicäa, 325) wie ein Engel Gottesvom Himmel her, leuchtend in seinem glänzenden Gewande wie vonLichtglanz, strahlend in der feurigen Glut des Purpurs und geschmückt mitdem hellen Schimmer von Gold und Edelgestein…“ (144) Man meint eineSteigerung sei nicht mehr möglich. Eusebius konnte sich, wie sein Herr,nicht mehr zurücknehmen. Fünf Jahre nach Nicäa berichtet er„ausgesprochen billigend, dass auf Beschluss von Senat und Volk vonKonstantinopel ein Gemälde angefertigt wurde, auf welchem derverstorbene Kaiser auf dem Himmelsgewölbe thronend dargestellt wurde.(145) Eusebius scheute nicht zurück. Viele Standhafte zerbrachen, weil siesich nicht verbiegen lassen wollten. Nachdem bedeutende Kirchenführer inihrem Denken Konstantins Herrschaft über sich anerkannten, etwas das die___________________(141) Hermann Dörries, „Das Selbstzeugnis Kaiser Konstantins", 1954, Göttingen(142) Manfred Clauss „Kaiser und Gott“, - Herrscherkult im römischen Reich -KGSaur, 2001, S 203(143) Patricia Just, „Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christlicher Kirche zwischendem 1. Konzil zu Nicea (325) und dem 1. Konzil zu Konstantinopel (381)“ , FranzSteiner Verl. 2003 , S. 23 Er nennt ihn: „den Engel Gottes“, „den Führer und Herr“...(144) Hanns Joachim Friedrichs „Weltgeschichte eine Chronik“(145) F. Kolb „Herrscherideologie in der Spätantike“ Akademieverl., Berlin, 2001 S 6951


ersten Christen enorm standhaft verweigert hatten, obwohl ihnen dasseitens der Behörden vehement zugemutet vollzogen hatten, rechtfertigtensie diesen Schritt mit gewagten Konstruktionen: „Das irdische ImperiumRomanum (sei), allein von Gott erwählt, der Kaiser ist nicht nur derDiener Gottes, sondern auch sein Stellvertreter auf Erden... während derLogos Christus im Himmel herrscht, erfüllte Constantin die gleichenAufgaben auf der Erde.“ (146) Dabei handelt es sich nicht um eine schlichtüberzogene Vorstellung sondern um Überzeugungen die den nun in dieKirche drängenden Geschäftemachern das Gefühl geben sich richtigentschieden zu haben. Dass damit die Gegenposition, welche die von Jesusgegründete Kirche zur weltlichen Ordnung einnehmen soll, aufgehobenwurde, kümmerte zwar noch einige Vertreter der Urkirche, die mit derLehre vom Reich Gottes, welches tief innerlich im Menschen sein soll (147)gut vertraut waren, doch dieser Personenkreis war machtlos. Der vonKonstantin gestiftete ‚absolutistische Cäsaropapismus’ (Mommsen)reduzierte die Würde des Einzelnen, er war vom Geist, Selbstverständnisund in der Praxis das glatte Gegenteil der Kirche der Prinzipien Christi.Unverständlich aus heutiger Sicht ist, dass Männer wie Laktanz, Eusebiusund Bischof Hosius sich nicht ihrer Zustimmung enthalten haben. War ihrRespekt vor dem Kaiser größer <strong>als</strong> ihr Glaube? Oder hatten sie einen nurzeitweiligen Verlust ihrer Einsichtsfähigkeit erlitten? (148) Was trieb sie inKonstantins Arme? War es pure Angst? (149) Es war dennoch exakt das,was die ersten Glaubenszeugen so entschieden verweigert hatten. DerVersuchung sich zu unterwerfen, konnten sie nicht widerstehen. Eusebiusvon Caesarea steigerte sich mit der Zeit, um diese Tatsache zu verdecken:Konstantin weise sogar „Ähnlichkeiten mit dem Logos (Christus) auf“.(150) Eusebius hielt seine Lobreden keineswegs bevor, sondern nachdemder Kaiser, zum eiskalt rechnenden Vielfach-mörder und zum Verderberder eigenen Familie geworden war. Sonderbar,gleich nach seinem Amtsantritt, 306, hatte Konstantin das strikte, noch vonseinem Vater Constantin Chlorus ausgesprochene Versammlungsverbot fürChristen aufgehoben. (151) Schon diese Kleinigkeit zeigt, dass Helena_______________(146) F. Kolb „Herrscherideologie in der Spätantike“ Akad.verl., Berlin, 2001 S 83-84(147) Lk. 17: 21 „Denn siehe, das Reich Gottes ist inwendig in euch.“(148) Präambel der Einheitsübersetzung zur Offenbarung des Johannes: „Der Verfasserrechnet damit, dass der Zwang zur göttlichen Verehrung des Kaisers, in nächstenZukunft zu einer schweren Verfolgung der Kirche führen wird.“(149) Hosius trug die Narben der Folter sichtbar.(150) P. Just, „Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christlicher Kirche ...“ , S. 23(151) Bettina von Engel „Konstantin und seine Familie in Trier“ (151) Vortrag bei derAscoli Piceno-Trier Gesellschaft, 200752


Einfluss genommen haben wird. Ihr musste es gefallen, dass dieChristenlehre die Demütigen und die Gedemütigten ansprach, (152) dienicht nur sie damit umwarb, denn sie wurde wegen ihrer niederenAbstammung, von den heidnischen Damen der oberen GesellschaftsschichtenTriers gemieden, abgelehnt und oft hinterhältig verspottet, sie seinur eine verstoßene Konkubine und ehemalige Magd gewesen. Auf dieseWeise hatten sich die Paganen eher unbeliebt bei Konstantin gemacht, derseine Mutter, schon deshalb liebte weil er frühzeitig von ihr getrennt unddie er wie den Vater vermisst haben wird, <strong>als</strong> er gezwungen wurde inNikomedien, quasi <strong>als</strong> Gefangener Diokletians, zu leben. Sie indessenkönnte, in diesen Jahren in oder nahe Trier gewohnt haben.Die vornicänische GemeindeDie Gemeinde der Christen in Trier war klein aber sie wurde von großenPersönlichkeiten wie Laktanz und wahrscheinlich manchmal von Helenabesucht, auch Theodora, die Witwe des Constantin Chlorus, soll Christingewesen sein, folglich müsste auch sie an den Abendmahlsversammlungenteilgenommen haben. Constantin Chlorus war entgegen der Annahmeeiniger, kein Christ. Er ließ „christliche Gotteshäuser zerstören und einVersammlungsverbot...), (ergehen, vielleicht,) um nach außen hinDiokletians Vorschriften zu befolgen.“ (153) Wäre er Christ gewesen,zudem in unanfechtbarer Position, hätte er keine Gemeindehäuser zerstört...Konstantin hatte seine Mutter Helena zu sich geholt, „die von da andie wichtigste Frau am Hofe wurde.“ (154) Wie die beiden Damen ihrChristentum lebten ist ihre Angelegenheit, dass es ein unchristlichesVerhältnis war, geht aus den wenn auch kargen Berichten hervor: Helenaverdrängte „Theodora, die legitime Witwe des Constantius Chlorus samtihren Kindern und zwang sie rachsüchtig, die Stadt zu verlassen.“ (155) DieSituation war für die Gemeinde, abgesehen von diesem innern Zwist, umund bis 306, wegen der bestehenden Verbote ohnehin nicht einfach. Weiterkam Konstantin seiner Mutter noch nicht entgegen. Selbst bis 319 warendie Christen Triers wahrscheinlich nur geduldete Leute. Sie trafen sich wieanzunehmen ist, in einer Privatwohnung, denn über ein eigenes Haus oder____________(152) Matth 11: 28 „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich willeuch erquicken.“(153) Bettina von Engel „Konstantin und seine Familie in Trier“(154) ebenda(155) ebenda53


gar eine Kirche verfügten sie vor dem nizänischen Konzil nicht. (156) Dasmusste auch nicht unbedingt sein, denn das Reich Gottes - die KircheChristi - war im wesentlichen unsichtbar. Sie befand sich in den Herzenderer, die von ihrem früheren Übeltun abgelassen, (157) und sich vom allzunatürlichen Streben zu einem vernunftgemäßen (stets selbstbeherrschten)Handeln gewandt hatten, die statt der bitteren Früchte des Streites, desNeides, der Mißgunst, der Unzucht (158) die besseren hervorbrachten:Freundlichkeit, Güte und Treue. (159) Dam<strong>als</strong> war für die meisten Christenklar, dass sie, erst recht wegen ihrer Mitgliedschaft in der Urkirche zumFühren einer harmonischen Ehe verpflichtet sind, das galt vor allem für dieBischöfe = Gemeindevorsteher (160) Von einer ‚Josephsehe’ wussten sieallesamt nichts. Es ging für sie nur darum, dass ihnen sexuelleBeziehungen ausschließlich innerhalb der Ehe gestattet waren, und zwarausdrücklich nicht nur zum Zweck Kinder zu zeugen. (161) Sie glaubten„durch Fasten und Wohltätigkeit ... vor Gott gute Werke erzielen, (zukönnen, selbst) die zweite Eheschließung nach dem Tod eines Partners warerlaubt... und ... wir erkennen die Tendenz zur egalitären Bewertung derGeschlechter.“ (162) Das es männlichen Mitgliedern bis Ende des 5. Jahr--hunderts generell erlaubt war (nach dem Tod ihrer Ehefrau) eine zweiteEhe zu schließen, geht aus dem Verbot des ‚Papstes’ Gelasius I. , von 494hervor. (163) Der Hinweis im 1. Thimotheusbrief der „Bischof sei einesWeibes Mann“ wurde bald so verstanden, dass ein Bischof nur einmalheiraten dürfe. Aber „Theodos von Mopsvesta... erwähnte, dass zur Zeitdes Apostel Paulus ... noch viele Juden in polygamen Verhältnissen gelebt________________(156) Bettina von Engel „Konstantin und seine Familie in Trier“ : „neueste Forschungspricht von dem Bau der (Trierer) Basilika bzw. Fertigstellung von 330 – 340...,erwähnt wird das Abhalten ihrer Gottesdienste in nichtöffentlichen Räumen...“(157) Titus 3: 3 Paulus schreibt: „Brüder,... früher waren wir unverständig und ...Sklaven aller mögliche Begierden und Leidenschaften, lebten in Bosheit und und Neid,waren verhaßt und haßten einander... <strong>als</strong> aber die Güte und Menschenliebe Gottes,unseres Retters erschien, hat er uns gerettet...“(158) Galater 5: 19(159) Galater 5: 22(160) 1. Thim. 3: 1-7 „... er soll ... eines Weibes Mann... und ein guter Familienvatersein und seine Kinder zu ... Anstand erziehen, er soll rücksichtsvoll sein... wie will erfür die Kirche sorgen , wenn er seinem eigenen Haus nicht vorstehen kann.“(161) 1. Kor. 7:1-7 „Entzieht euch einander nicht, außer im gegenseitigenEinvernehmen...“(162) Anton Grabner-Haider-Maier Kulturgeschichte des frühen Christentums“Vandenhoeck& Ruprecht S. 77(163) J., A. Theiner „Die Einführung der erzwungenen Ehelosigkeit und ihre Folgen“Altenburg, 1828, S. 34054


hätten, diese seien es (nachdem sie Christen und zu diesem Amt berufenwurden, G.Sk.) die der Apostel meinte...“(164) Weil es auf die Beobachtungder Christusgebote ankam (und nicht auf das Ertragen der vonüberspannten Persönlichkeiten ausgedachten Zusatzlasten), war es fastbelanglos wo sie ihre ‚Schule der Tugend’ abhielten. (165) Das war dam<strong>als</strong>in Trier nicht anders: „Die Christen beteten für den Kaiser (nicht zuihm)... nach den Versammlungen gingen sie auseinander <strong>als</strong> ob sie auseiner Schule der Tugend kämen.“ (166) „Sie strebten nachSelbstbeherrschung und Gerechtigkeit“ (167) Auch „Nach Lactanz ist Jesusder Lehrer der Tugend und Gerechtigkeit.“ (168) Das zeigt ihre Nähe zuOrigenes, besser gesagt zum Frühverständnis des Begriffes Christentum:„Erst aufgrund der Tugend wird man ein Kind Gottes und erst in derErwerbung der Tugend durch eigenen Eifer erwirbt der Mensch dieÄhnlichkeit Gottes. Unentbehrlich für das Erreichen der Gottähnlichkeitist <strong>als</strong>o die Entscheidungsfreiheit.“ (169) Hippolyt sagte dasselbe: „Aufdie Erkenntnis der Wahrheit müssen ... immer die Taten der Liebe folgen!“(170) Im Dialog des Bardesanes (etwa) im Jahr 200 heißt es: „dass dasChristentum eine neue, alle völkischen Unterschiede unter sich lassendeLebensordnung, (ist) der sich die Menschen von sittlichem Willen freudigunterstellen... diese Auffassung vom Ziel der sittlichen Willensfreiheit <strong>als</strong>einer Lösung des Menschen vom Zwang irdischer Bindungen“ (171) SolcheDenkweise stand im direkten Gegensatz zur Auffassung des nur siebzigJahre nach dieser Zeit wirkenden Ambrosius von Mailand, der KaiserGratian beriet und der die Schutz suchenden Goten des Donaugebietes 378obwohl sie Christen sind – allerdings Arianer – brüsk zurückwies. Obwohldiese seine Mitmenschen in Todesgefahr vor den sie attackierendenHunnen standen, betrachtete er es <strong>als</strong> notwendig, sie ‚die Feinde’ Gottesund des Imperiums zu nennen, die militarisch zu schlagen sind.Offensichtlicher konnte die Abwendung von der ursprünglichen Lehrenicht sein. Jesu Lieblingsjünger Johannes, hatte in seinem 1. Brief 4: 20,klar den immer gültigen Grundsatz formuliert: „Wenn jemand sagt, erliebe Gott und hasst doch seinen Bruder, der ist ein Lügner!“ Es gab keine_________________(164) Johann J. Ignaz von Döllinger „Hippolytus und Kallistus“ 1853, S. 148(165) J. Köpke „Die italienischen Bischöfe unter ostgotischer Herrschaft“, 2006(166) Anton Grabner-Haider-Maier „Kulturgeschichte des frühen Christentums“ S. 76(167) ebenda(168) Hans Lietzmann „Geschichte der alten Kirche“ de Gruyter 1999. S. 153(169) H.. Benjamnins „Eingeordnete Freiheit; Freiheit und Vorsehung bei Origenes.“E.J. Brill, 1994, S. 13(170) A. Grabner-Haider-Maier „Kulturgeschichte des frühen Christentums“ S. 85(171) Hans Lietzmann „Geschichte der alten Kirche“ de Gruyter 1999. S. 267 u 56855


Ausnahmen, jedem Christen hatte sein Mitchrist, gleichgültig welchenIrrtümer er noch unterlag, oder welcher Herkunft und Sprache er seinmochte, <strong>als</strong> Bruder zu gelten. Die Eroberungspolitik des Ambrosius folgteden Intentionen Konstantins und nicht des Christus. Ambrosius Fußtapfenfolgten sie alle. Kaisers Justinian, der Eliminator der Goten, so weit seinArm reichte, war noch nicht der Schlimmste. Durch lange Jahrhunderte bisKaiser Wilhelm II. sind die Imperatoren der ‚christlichen’ Welt treueVerehrer der Christusmaske des Sol Invictus. Ambrosius, obwohl er dieverheerden Resultate seiner Nichtversöhnungspolitik voraussehen musste,blieb stur auf dem uralt römischen Kriegskurs. Bis zum Konzil zu Nicäawar der Sinn jeder Zusammenkunft der Getauften die zu nehmendeVerinnerlichung der Christusbotschaft. Umgekehrt trachtete der ‚Zeitgeist’- was immer das sein mag - nach der Veräußerlichung des „Christentums“womit die Contrareligion Konstantins unterstützt wurde. Dieser Strömungfolgend, erschien es notwendig immer größere Prachtgebäude zu errichten.(172) In welchem Maße und mit welcher Geschwindigkeit Veränderungenüber uns hereinbrechen können, zeigten die 30er Jahre des vergangenenJahrhunderts und nicht zuletzt der Zusammenbruch des übermächtigenSowjetsystems. Nichts bleibt wie es ist. Das Gesetz des Lebens fordertunerbittlich Wachstum oder den Tod. Also richtete sich Jesu Lehre auf dassittliche Wachstum des Einzelnen. (173) Es gibt wohl niemanden, der ingesellschaftlicher Verantwortung steht, der dieses Hochziel allerPädagogik nicht wünschte, oder sogar nach Kräften fördern würde. „Dieersten Bischöfe von Trier... ab 250 n.Chr. ... (waren) Eucharius, Valeriusund wohl Maternus... Sie konnten ihre Gemeinde ungefährdet durch die________________(172) Schlosser, „Weltgeschichte“ Bd. 3, S. 576 „Für die große Menge bestand diechristliche Religion nur im äußeren Gottesdienste, in welchem Gott auf pomphafteWeise wie ein orientalischer Despot verehrt … wurde. …Das Christentum, seitdem manes zur Staatsreligion erhoben hatte, ward seinem eigentlichen Wesen und Zwecke völligentfremdet…Man verwandelte die Lehre des Evangeliums in gelehrte Dogmatik.”(173) 1912 schrieb die Lutherübersetzung 1. Petrus 2: 9: „Ihr aber seid das auserwählteGeschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, daßihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zuseinem wunderbaren Licht;...“1980 formuliert die sonst ausgezeichnete Einheitsübersetzung statt dessen: „...damit ihrdie großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbaresLicht gerufen hat.“ Der Unterschied ist beträchtlich, die Auswirkung ebenfalls..Joseph Smith schrieb in seinem berühmten Brief Lehre und Bündnisse 121: 45 „...lassTugend immerfort deine Gedanken zieren; dann wird dein Vertrauen in der GegenwartGottes stark werden, und die Lehre des Priestertums wird auf deine Seele fallen wie derTau vom Himmel...“56


schwierigen Zeiten steuern und die Mitgliederzahlen vermehren.“ (174) Zudieser Zeit galt ‚kirchenweit’ noch jene Gemeindeordnung wie Hippolytvon Rom (217-235) sie beschrieb. (Hippolyt gilt <strong>als</strong> ‚Gegenpapst’ aber dereinzige dieser Kategorie der heilig gesprochen wurde). Noch „waren dieBischöfe einfach die Vorsteher im Kreis der Ältesten und hatten keinebesonderen Rechte... (175) Allem Anschein nach trugen, schon wegen desurchristlichen Gleichheitsgrundsatzes, (176) alle <strong>als</strong> würdig betrachtetenMänner das Priestertum, wenn auch unterschiedliche Grade: „„Der Bischofbestimmt den in der Gemeinde zum Presbyter, (Ältesten oder PriesterG.Sk.) der sich nach seiner Ansicht für dies Amt eignete, und der ihmgefiel oder dem sein Märtyrertum von vornherein diese Würde verlieh...Bei der Ordination von Diakonen durch den Bischof verspricht dieser,wenn der Diakon tadellos gedient hat, kann er später „das erhöhtePriestertum" empfangen...“ (177) Es ging und geht in der Kirche Christi, umein Priestertum, das jeder Mann, auch wegen des Gleichheitsgrundsatzes,innehaben kann und sollte. Erst <strong>als</strong> Konstantin seine eigenen Ideen zumPriestertum äußerte, änderte sich das. Er verpflichtete immer mehrPriestertumsträger zugunsten seiner Staatsreligion zu operieren, imGegenzug gewährte er den Bereitwilligen Vorteile. Der Nachteil für dieKirche liegt auf der Hand, diese „Privilegierung der Kleriker führte...unmittelbar zur Beschränkung des Zugangs zum Priestertum.“ (178)Diese Feststellung bestätigt noch einmal, dass das Priestertum ursprünglichallen gegeben wurde die sich an die zu Apostel Zeiten gegebenenRichtlinien hielten. Hinzugefügt werden muss, dass die Mitarbeit derFrauen zu Hippolyts Zweiten ebenfalls organisiert war, allerdings konntenFrauen nicht Älteste und Priester werden. Handelte es sich doch um einRollenspiel. in ihm vertritt der Priestertumsträger Jesus und der war einMann. Ausdrücklich sei wiederholt, dass es sich in den ersten dreiJahrhunderten ausschließlich um Ehrenämter handelte!Von hauptamtlichen Klerikern ist erst nach Nicäa die Rede – obwohl esauch zuvor schon Ausnahmen gab. Um 220 tadelte Hippolyt die„schismatische“ Gemeinde der Theodotianer in Rom die ihrem Bischof___________________(174) Bettina von Engel „Konstantin und seine Familie in Trier“: Anscheinend ließConstantin Chlorus sie gewähren. „Christ war er nicht“, aber möglicherweise gehörteseine Ehefrau Theodora dazu.(175) Jungklaus, Full Text of: „Die Gemeinde Hippolyts dargestellt nach seinerKirchenordnung“(176) ebenda(177) ebenda(178) J. Martin „ Spätantike und Völkerwanderung“ Oldenburg, 2001 , S 2257


ein monatliches Gehalt zahlte. Das sei eine gräuliche Neuerung. (179) Vor319 hatte niemand den Bischofsstuhl ‚bestiegen’. Inthronisierungen gab eserst nach Nicäa. Danach kam es zu regelrechten Wettrennen um einenBischofssitz: „Konstantin (hatte) die Verfügung getroffen, Angehörige desKlerikerstandes generell von curialen Lasten zu befreien, das dürfte einigeder Curiales (den Stadtadel) dazu verführt haben, die städtischenVerpflichtungen abzustreifen und eine Position im Klerikerstandanzustreben.“ (180) Der Klerikerstand kam hervor. Steuerflucht durchTaufe, war ein Straftatbestand den einige Kaiser später aus der Weltschaffen wollten. Ambrosius jedoch verteidigte die Übertreter allerdingsvehement. (181) Er hatte sogar geprahlt, bereits „um 384 sei der Senatmehrheitlich mit Christen besetzt worden“(182) Aber Stolz ist unangebracht.Gerade die Feststellung: „die Bischöfe (seiner Zeit) rekrutierten sichüberwiegend aus der städtischen kurialen Schicht.“ (183) ist schockierend.Geld, statt innere Überzeugung, das konnte nicht gut gehen. (184) Man warzuvor nicht christlicher Priester von Berufs wegen, sondern wegen seinerBerufung und die leistete man aus Überzeugung umsonst. Gerade die___________(179) Jungklaus, Full Text of: „Die Gemeinde Hippolyts dargestellt nach seinerKirchenordnung“(180)(181) Jörg Köpke „Die italienischen Bischöfe unter ostgotischer Herrschaft 490-552“,2006 „Während ein Konzil in Illyricum im Jahr 375 offiziell die Ordination voncuriales verurteilte und Papst Innocentius I. (407-412) sich aus religiösen Gründen inähnlicher Weise äußerte, brachte der mediolanische (mailändische) Bischof Ambrosius384 und 388/89 lautstark sein Unbehagen darüber zum Ausdruck, wie schwer es dencuriales von staatlicher Seite gemacht würde, in hohen kirchlichen Positionen zuverbleiben und ihren angestammten Privatbesitz zu behalten... Ein Posten im höherenKlerikat, speziell die Bischofswürde, offerierte dem Amtsinhaber die Kontrolle übernicht unerhebliche Geldmengen, auch wenn sich diese offiziell nicht im persönlichenBesitz des Bischofs befanden. Natürlich konnte sich der Staat auf Dauer nicht leisten,die für das Eintreiben der munizipalen Steuern verantwortlichen Curialen und derenGüter an die Kirche zu verlieren. So verwundert es nicht, dass im Westen unter denKaisern Valentinian III. und Maiorian 439, 452 und 458 Versuche unternommenwurden, das absolute Ordinationsverbot für Decurionen zu reaktivieren“.(182) Peter Gemeinhardt, „Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung“Mohr-Siebeck, 2007, S. 143(183) Ebenda S. 151, Fußnote(184) Lietzmann „Geschichte der Alten Kirche“, Walter de Gruyter, S. 283 „UnterKonstantin war es Sitte gewesen, die dem christlichen Klerus aus den städtischenEinkünften zustehenden Verpflegungsgelder auch an die Witwen und heiligenJungfrauen zu zahlen...Kaiser Julian (Apostata) verlangte später die Rückzahlung derBeträge... das gab natürlich ein lautes Klagen.“58


Ehrenamtlichkeit war ja der Beweis für die Überzeugung. Andere Leutewünschte niemand zu hören. Obendrein zahlten diese ‚Freiwilligen’ einenTeil ihres Einkommens der Kirche.Anders herum verführten die dann aufkommenden Vergütungen und diePrivilegien nicht wenige, so zu tun, <strong>als</strong> wären sie von Herzen gewendete.Denen fiel es nicht ein zu hinterfragen, ob sie im Sinne dessen handelte,der die Kirche ins Leben gerufen hatte oder nicht.Sie nahmen das Geld der Witwen und Waisen.Zuvor gaben alle ihr Geld freiwillig her. Bis dahin Gleichberechtigte,sollten die ‚einfachen’ Mitglieder nun Kirchensteuer zahlen. Tertullian(160-220) schreibt: „dass jeder einmal im Monat gibt, oder wann er will,wenn er überhaupt will, und wenn er kann; denn es wird niemandgezwungen“ (185) Die finanzielle Sonderstellung der ‚Kleriker’ musste auchdas nichtchristliche Volk bezahlen. „Konstantin hatte im Jahre 326 eineGold- und Silbersteuer eingeführt, die auri lustralis collatio oder auchchrysargyrion genannt wurde, die jeder zahlen musste, der ein Gewerbebetrieb. Sie wurde zunächst alle fünf, im 5. Jh. alle vier Jahreveranschlagt. Libanios beklagte kurz nach 387 n.Chr. die Ungerechtigkeitdieser Gewerbesteuer, die zu großem Leid und Schrecken führte.Handwerker, ... Gärtner, Fischer, zur See reisende Händler, Kaufleutesowohl in der Stadt <strong>als</strong> auch auf dem Land (vgl. CTh 13, 1, 10) und auchProstituierte. ...Die Höhe der Steuer berechnete sich nach dem imGewerbe tätigen Kapital des Betroffenen. Dazu zählten Werkzeuge, Vieh,Sklaven, sie selbst und ihre Familienangehörigen... Zunächst sorgten dieKurialen und hafteten wohl auch für die Eintreibung dieser Steuer bei denHändlern und Handwerkern ihrer Stadt (Gr. Naz., ep. 98), ab 399 solltensich die Händler dann jedoch geeignete mancipes aus ihrer Mitte zurSteuereinsammlung wählen, damit nicht länger den Kurialen diese Lastaufgebürdet würde. Für die Verwaltung der eingegangenen collatiolustralis war der praefectus praetorio, deren Vikare oder Statthalterzuständig (Jones, LRE I, 434). Reiche Fernhändler, die diese Steuer zahlenkönnten und sollten, setzten sich über See ab, zurück blieb nur der armeHandwerker mit seinem Werkzeug, mit dem er sich kaum ernähren könne...Hunde setzten die Steuereintreiber den fliehenden Händlern undHandwerkern nach, so dass es sogar vorkam, dass Eltern ihre Kinder indie Sklaverei verkaufen mussten, um die Steuer aufzubringen. AuchZosimus zeichnete das gleiche Schreckensbild wie Libanios. Immer wenndie Zeit der Steuererhebung näher rückte, so Zosimos, erhob sich Jammerund Wehklagen in jeder Stadt. Die, die aufgrund ihrer Armut nicht zahlen_______________(185) Ludwig Hertling SJ, „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740“ S.5059


konnten, wurden mit Peitschen und Martergerät gefoltert. So kam es, dassMütter ihre Kinder verkauften und Väter ihre Töchter an Männer feilboten,um den Steuereintreiber das chrysargyrion liefern zu können. Jones hieltnach Auswertung der einschlägigen Quellen trotz der vielen Klagen derZeitgenossen über die annona die Belastungen durch die collatio lustralisfür härter... Wie eine Stelle aus der Vita des Johannes Eleemon schildert,war in Alexandria neben den öffentlichen Steuern und der Miete für denLaden zudem noch ein Handgeld für den Marktaufseher, der diese Geldereintrieb, üblich. Hinzu kam für die in Kollegien organisierten Handwerkerund Händler, zu denen ein Großteil der städtischen Gewerbetreibendengehörte, die Verpflichtung zur Leistung von munera, deren Durchführungvon den Kurialen der Heimatstadt organisiert wurde... Schuhmachergalten offenbar <strong>als</strong> besonders arme Männer, doch selbst auf ihrSchustermesser <strong>als</strong> ihr einziges Kapital würde, so Libanius, die Steuer vonunerbittlichen Steuereintreibern erhoben (Lib., or. 46, 22).“ (186)Konstantins Nachfolger behielten diesen Kurs der Spaltung derGesellschaft und der Kirche bei. Natürlich betrafen diese radikalenBevorzugungen zunächst nicht die Gemeinden am Rande des Geschehens.In der Ferne, weitab der Metropolen ergab sich eine Mischsituation.Dennoch ist zu erkennen, dass es für die Träger priesterlicherLegitimationen ganz normal war, auch nachdem sie Presbyter gewordenwaren, ihrem Beruf nachzugehen. (187)______________________(187) Sabine Hübner, „Der Klerus in der Gesellschaft des spätantiken Kleinasiens Fr.Schiller Uni, Jena, 1976, S.155: „Durch ein Edikt von 346 wurde wiederum bekräftigt,dass Kleriker keine munera sordida leisten und nicht für die Instandhaltung der Wegeund Brücken aufkommen müssten. Allen im Handel tätigen Klerikern wurde wiederumauch die Befreiung von der Gewerbesteuer zugesichert, nun aber mit der hinzugefügtenEinschränkung, dass sie mit ihren erwirtschafteten Gewinnen die Armen unterstützensollten. Dieses Gesetz ist ein erster Hinweis darauf, dass offenbar vieleGewerbetreibende in den Klerus strömten und man einen Missbrauch verhindernwollte. Es ging den Kaisern jedoch nicht darum, mögliche Steuerverluste durch reicheHändler im Klerus zu vermeiden, denn deren erwirtschaftete Überschüsse sollten jaden Bedürftigen und nicht dem Fiskus zukommen. Es sollte aber augenscheinlichverhindert werden, dass sich erfolgreiche und wohlhabende negotiatores allein wegender Steuervorteile zu Klerikern ordinieren ließen, um fortan abgabenfrei ihre Geschäftebetreiben und noch höhere Gewinne erzielen zu können. S. 157: Viele gingen nachihrer Weihe ihrem Gewerbe auch weiter nach, Diakone und Presbyter ebenso wieLektoren. Sie dachten vermutlich auch nicht daran, (ihr Gewerbe) aufzugeben.“60


Es gab im Jahr 1830, neben der Kirche Jesu Christi der HLT, keine zweitein der jedes männliche Mitglied, - das entsprechende Alter undpersönliche Würdigkeit vorausgesetzt,- sowohl das niedere, wie späterdas höhere Priestertum empfangen konnte. (188) (189)Sämtliche Kirchentätigkeiten müssen nach dem Tageswerk erledigtwerden.Organisatorisches, wie Weihen, wurden zu Hippolyts Zeiten zweckmäßigund nicht pompös vollzogen, jedes Gemeindemitglied nahm seinMitspracherecht wahr:„Ehe man die Weihe (Einsetzung, Ordination) eines ... neugewähltenBischofs vornahm... wurde die Gemeinde ausdrücklich noch einmal um ihrEinverständnis gebeten... Bischöfe (anderer Gemeinden) kamen und legtendie Hände aufs Haupt während das Presbyterium (Ältestenkollegium)ruhig dabeistand... in diesem Gebet wird besonders der Führer der denAposteln innewohnt auf ihn herabgefleht... ‚gemäß der Macht die du denAposteln gegeben hast’... “ (190) Unter dem in diesem Gebet erwähnten„Führer“ verstanden die Betreffenden die „Macht des Heiligen Geistes“von der Jesus gesprochen hatte, <strong>als</strong> er sagte: „Es ist der Geist derWahrheit, den die Welt (den derjenige, der weltlich nach Macht und Geldtrachtet) nicht empfangen kann...“(191) Da dam<strong>als</strong> immer mit neuenVerfolgungswellen zu rechnen war, glaubten die neu berufenenFührungskräfte der noch jungen Kirche daran, dass sie sinnvolleEingebungen und Warnungen durch die Macht des Geistes erhaltenwürden. Sie wünschten, wenn sie lehrend arbeiteten, den richtigen Ton zufinden, und stets bei der schlichten Wahrheit zu bleiben. Sie glaubten andie Verheißung „der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namensenden wird, der wird euch alles lehren“, (192)Ihnen war klar, dass die Führung durch Gott den Feinsinn für solche___________________(188) Zusatzschrift der Kirche Jesu Christi der HLT (Mormonen): Lehre und Bündnisse107: 1-5 „In der Kirche gibt es zwei Priestertümer, nämlich das Melchisedekische unddas Aaronische, welches das Levitische Priestertum einschließt...“(189) Chr. Müller „Kurialen und Bischof, Bürger und Gemeinde in der gallischen Stadtdes 4. bis 6. Jahrhunderts“ 2003 S. 254: „Die Vorgänge nach dem Tod des BischofsPetronius im Jahre 463 bezeugen zur Genüge, dass mit der Designation einesNachfolgers allein noch keine definitive Entscheidung gefallen sein musste. Petronius´letztem Willen zufolge sollte ihm sein Bruder Marcellus, Mitglied des dortigen Klerusund bereits mit den Weihen eines Leviten versehen, nachfolgen.“(190) Hippolyt Gemeindeordnung(191) Johannes 14: 17(192) Johannes 14: 2661


Wahrnehmung vorausgesetzt und den man, wenn man ihn nicht hatteentwickeln sollte. Zu diesem Zweck sprachen die einsetzenden Bischöfedas erwähnte Gebet.Der Zeitfond aller Bischöfe war entsprechend Hippolyts Beschreibung sehrbegrenzt, eben weil sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten mussten. Siebedurften vieler Mitarbeiter.Von bischöflicher Repräsentation war zu Hippolyts Zeiten noch langenichts zu spüren, von harter Arbeit sehr wohl. Wenn man bedenkt wievielefestgeschriebenen Pflichten, nach Hippolyt, auf Bischofsschultern ruhten,(193) wird im Nachhinein klar, dass diese Verantwortung sich wohl kaumüber jeweils mehr <strong>als</strong> 500 Mitglieder (pro Gemeinde) erstrecken konnte.Jungklaus sagt: „Wenn es bei einer so feierlichen Handlung, wie die ersteEntgegennahme vom Abendmahl, passieren kann, dass nicht einmalgenügend Presbyter vorhanden sind, war ihre Zahl (pro Gemeinde)unmöglich sehr groß... Der Bischof selbst teilt das heilige Sakrament aus,... während die Presbyter ihm zu Diensten stehen. Ihre Aufgabe ist es… nurim Vertretungsfall sollen die Diakone diesen Dienst übernehmen ... derBischof leitet die Gemeinde. An seiner Seite stehen zwei Ratgeber sowiedas Ältestenkollegium...“ (194) Hippolyt legte dar: „... (Wenn es sich) umeine auszuübende Kirchendisziplin handelte... bildete der Bischof mit demPresbyterkollegium (Ältestenkollegium) das Richterkollegium... DerBischof ist bei jeder Taufe, bei jedem Abendmahl und bei Ordinationenanwesend... die Diakone besuchen jene Kranken und Alten die der Bischofnicht erreichen kann, aber sie erstatten ihm einen Bericht.“ (195) (nachTertullian „(vgl. de bapt.18) ist (die Taufe) bis dahin keine Taufe vonSäuglingen, sondern von reiferen Kindern oder Erwachsenen durchUntertauchung). (196)Alleine das Anhören der Berichte konnte u.U. Stunden beanspruchen. DerBischof und seine beiden Ratgeber ergänzten einander, nahmen einanderdie Lasten ab.“Wenn jemand in der Gemeinde des Hippolyt Mitglied werden wolltewurde er zuerst befragt, warum er das wünscht. Oft musste er seinen Berufaufgeben der ihn verunreinigte, dazu gehörten Künstler, die Götterbilder________________(193) Jungklaus, Full Text of: „Die Gemeinde Hippolyts dargestellt nach seinerKirchenordnung“ ebenda....(194) ebenda. Diese Struktur ist charakteristisch für die Kirche Jesu Christi der HLT.(195) ebenda(196)Anton Grabner-Haider-Maier „Kulturgeschichte des frühen Christentums“Vandenhoeck& Ruprecht S. 92: „In der Frühzeit wurden nur Erwachsene getauft“(196) Jungklaus. Wieder ist es spiegelbildlich: Der Bischof ist auch in der Kirche JesuChristi der HLT ein Richter (in innerkirchlichen Belangen)62


herstellten, Zirkusbesucher, Götzenpriester, Rosselenker (wahrscheinlichsind hier Arenakämpfer gemeint G.Sk.) Ein Mann musste seine Konkubineaufgeben oder sie dem Gesetz gemäß heiraten...“(197)So ist es in der Kirche Jesu Christi der HLT: Niemand darf getauft werden,wenn er quasi im Konkubinat lebt, weil das die Frau herabsetzt, weil esdem Prinzip der Gleichwertigkeit widerspricht. „... Nach der Taufe kommtes zur Handauflegung: welche die Gabe des Heiligen Geistes vermittelnsoll. Der Bischof vollzieht Salbungen der Stirn. Dann erst darf derNeugetaufte das Abendmahl empfangen... Am Sabbat und Sonntag soll derBischof, wenn es irgend möglich ist, mit eigener Hand das Brotverabreichen. War es dem Bischof nicht möglich zu kommen, (z.B.- wenner krank war G.Sk.) dann hatten die Presbyter dieses Recht... und, alleTeilnehmer (einer Versammlung G.Sk.) bekräftigen das Gebet mit einem“Amen.... Brot und Wein wird durch die Diakone auch den Abwesendenüberbracht.“ (198) Vor allem wacht der Bischof über die Reinheit derGemeinde, darauf legte Hippolyt besonderen Wert: „wusste er doch, dasses im Lager Kallists nicht stets mit rechten Dingen" zuging: Leute, die er,Hippolyt wegen Ehebruch oder wegen anderer Vergehen ausgeschlossenhatte, wurden von Callist aufgenommen....“ (199) Es konnte jedoch nicht zuden Aufgaben eines Bischofs gehören, die von den Kirchenführern des 1.Jahrhunderts festgelegten Richtlinien und Strukturen aufzuweichen.Hippolyt schreibt contra Kallist: ,,Die sind verderbt die vom rechten Wegeabwichen und die Lehre der Apostel verfälschten." (200) Der Prozess derÜberfremdung urkirchlicher Lehre durch jeweilige Sonderinteressenaktiver Bischöfe nahm seinen Lauf. Es hat den Anschein, wenn wir allesüber die Meinungen der Bischöfe ab dem zweiten Jahrhundert wüssten,dass wir dann vor einem brodelnden Chaos stünden. Zunehmendbezichtigten viele ‚die anderen’ der Häresie. Sie versuchten Koalitionen zuschmieden. Für die Zeit um 250 ist wohl unbestritten, dass es z. B. in Rommehr <strong>als</strong> 1 000 Christen gab. (Wahrscheinlich weit unter 8 000 aberhöchstens 16 000) Der katholische Historiker Ludwig Hertling (201) gehtdagegen für die Zeit um 250 sogar von über 50 000 römischen Christenaus, er hält selbst 100 000 Mitglieder für möglich. Alle in einer Gemeinde?Hertlings Rechnung ist aus zwei anderen Gründen unrichtig:_______________(197) Jungklaus, „Die Gemeinde Hippolyts dargestellt nach seiner Kirchenordnung“(198) ebenda(199) ebenda(200) ebenda(201) Ludwig Hertling SJ, „Geschichte der Katholischen K. bis 1740“ S. 3463


1.) Die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten hätten nicht zugelassen,dass sich mehr <strong>als</strong> 500 höchstens 1 000 Leute in einer ‚Kirche’versammeln konnten: Jungklaus bekräftigt das: „Während sich früher dieChristen, <strong>als</strong> ihre Gemeinden noch klein waren, in Privathäusernzum Gottesdienst zusammenfanden, war dies im Anfang des III.Jahrhunderts anders geworden. Jetzt hatte fast jede größere christlicheGemeinde ihr eigenes Gotteshaus... Wir werden uns zu Hippolyts Zeit dieseKirchen noch aus Holz gefertigt oder <strong>als</strong> große Räume ohne Seitenschiffe,Säulenreihen u. dgl. zu denken haben. Achelis geht entschieden zu weit,wenn er sich die gottesdienstlichen Gebäude schon im zweiten Jahrhundert<strong>als</strong> Basiliken vorstellt. Wie primitiv noch die Gotteshäuser im Anfang desIII. Jahrhunderts waren, können wir am besten aus dem Bericht desLampridius, vita Alex. 49, g entnehmen. Danach bewarben sich unterAlexander Severus (im Jahr 230) die Christen um einen öffentlichen Raum,auf den nur noch die Garköche Anspruch erhoben.“(202) „Selbst in Rom ...mit dem absolut größten Anteil von Christen an der Bevölkerung lässt sichbis heute kein einziger christlicher Versammlungsort für die Zeit vor derkonstantinischen Wende (um 325) nachweisen .... (203)2.) Hertling dachte in Kategorien des Berufspriestertums. Seine Zahlenberuhen auf den Aussagen eines Briefes aus dem Jahr 250 den BischofCornelius geschrieben hat. Cornelius spricht nämlich von insgesamt 154Ordinierten. Es gab zwar 43 Presbyter und 56 Diakone (204) aber nur einekleine Kirche? Oder vielleicht noch eine zweite (nämlich noch dieDionysioskirche) (205) Bei nahezu einhundert autorisierten Gemeindebeamtenwären sogar zehn Gemeinden denkbar (und daraus folgt, dass esdurchaus unterschiedliche Lehrrichtungen in Detailfragen gab) Hertlingrechnete hoch: 154 mal 600. D. h. ein Kleriker der katholischen Kirchekann durchaus 600 Gläubige betreuen. (2009 kommen in Europa auf einenkath. Priester etwa 1 200, in Asien 2 500 Gläubige, in Lateinamerika sogar7 000.) Die historische Situation war allerdings eine andere.Hippolyts Gemeindeordnung lässt es nicht zu, dass es im Rom des 3.Jahrhunderts nur eine einzige christliche Gemeinde gab. Zudem wird „für_______________(202) Jungklaus, Full Text of: „Die Gemeinde Hippolyts ...nach seiner Kirchenordnung(203) Christoph Müller, Inaugural Dissertation Albert-Ludwig-Universität in Freiburg„Kurialen und Bischof...“ 2003, S. 13(204) Adolf von Harnack „Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den erstendrei Jahrhunderten... S. 177(205) Peter Grossmann „Christliche Architektur in Ägypten“ Brill, 2002 S. 16 Fußnote:„ Nach einer unverdächtigen Notiz bei Abu l-Makarim wurde hier (in Alexandria) vondem späteren Bischof Theonas um 275 die erste selbstständige Kirche gegründet.Vorher hatte man sich zu den Versammlungen nur in Privathäusern getroffen.“64


das Jahr 250 ... die Anzahl 100 italienische Bischöfe angegeben.“ (206) InItalien bestanden 100 christliche Gemeinden, aber nur eine in Rom?Obwohl sich die Bevölkerungszahlen wie 0.6 : 8 verhalten und nicht wie1:100. (Rom noch mit einer Einwohnerschaft von etwa 600 000 und Italienges. etwa 8 Millionen. Nach dem ‚Atlas of World’ lebten um 250 etwa 36Millionen Menschen in ganz Europa. Es ist kaum anzunehmen, dass es imweiten Land prozentual mehr Mitglieder, <strong>als</strong> in Rom gab. Es muss dort 6-8Gemeinden gegeben haben, wenn nicht zehn und mehr. Wenigstens, abereben mehr <strong>als</strong> nur eine!Nach Verkündung des Toleranzreskriptes 312 strömten die Menschenschon von sich aus, den Umschwung bemerkend, in diese Kirche die sichihrer materiellen und seelischen Probleme annahm, wie viel mehr war dasnach 319, und mit dem Konzil zu Nicäa von 325 der Fall. Vor allem inden Metropolen, wie in Rom und Trier machte sich das bemerkbar. Manmuss rechtzeitig kommen, weil der Weg zu einer reicher gefülltenFutterkrippe bald überlaufen sein wird. All das half, - meinten diedamaligen Statistiker, während diejenigen, denen es um die ursprünglicheSache Christi ging weniger glücklich mit solcher Trendwende waren.Herumgesprochen hatte sich, nach seinen Siegen an der milvischen Brückeund gegen seinen Schwager Licinius, das Gerücht, Gott habe an seinerSeite gekämpft und dieser Gott könnte, vielleicht Jesus gewesen sein.Einige bestritten das allerdings.Das Vorspiel zum 1. ökumenischen Konzil der Christenheitzu Nicäa, 325, und einige seiner AuswirkungenIm Jahr 325 wollte und sollte die Staatsmacht der Kirche dieunumkehrbare Wende aufnötigen. Einerseits lagen vor den Christenscheinbarer Ruhm und andererseits weitere Verfolgungen, denen alleMitglieder verständlicherweise aus dem Weg gehen wollten.Für Konstantin gab es mehrere dringender Gründe die Bischöfe desImperiums nach Nicäa, seinem Sommersitz, einzuladen. Er hatte vielerlebt, das er einordnen musste.Ein weiterer Grund für Konstantins Eingreifen bestand darin, dass seineMutter Helena ihren großen Sohn drängte zu Ehren der Sache und desKreuzes Jesu mehr zu unternehmen.Das Christentum bot ihm zudem einen echten Ansatz zur Hoffnung, dieauseinanderstrebenden Kräfte zusammenzubinden. Nur, selbst die Christen_________________(206) Henry Chadwick „Die Kirche in der antiken Welt“ de Gruyter, S. 6765


waren uneins. In Rom schlugen sie sich wegen Nichtigkeiten gegenseitigdie Schädel ein. In Ägypten zankten sie sich ob Jesus ein anderer <strong>als</strong> derVater ist. In der Gemeinde Alexandria wurde der Älteste Arius (260-336)durch Bischof Alexander exkommuniziert, weil er darauf bestand seineeigene Überzeugung zu verbreiten .Bischof Alexander hatte sich heftig zu verteidigen, weil dieser PresbyterArius erhebliches Ansehen unter den Bischöfen seines Landes genoss....Jedenfalls, um Ruhe zu stiften und nachdem er gewisse ‚Erfolge’ seinerReligionspolitik sah, schrieb Kaiser Konstantin an die 1 800 Bischöfe desReiches und lud sie ein, auf Staatskosten nach Nicäa in Kleinasien zukommen. Wahrscheinlich wurde nicht jeder angeschrieben, aber sicherlichdie Mehrheit. Mit diesen Bauern, Unterbeamten und Bäckergesellen hatteer ein ernstes Wort zu reden. (Bischof Spyridion von Zypern, zumBeispiel, war ein Schafhirte.) Sie hatten zusammen zu rücken und eineEinheit zu bilden, und nicht zwei oder drei Formationen anzunehmen.Welche Ehre für die überwiegend ‚kleinen’ Leute, in den DörfernPalästinas und Kleinasiens, die den bis dahin nur innerhalb der Kirchegeachteten Rang eines Bischofes trugen, eine Einladung vom mächtigstenMann der Welt zu erhalten.Für viele jedoch gab es schwerwiegende Bedenken, nicht anzureisen,obwohl die Versuchung groß war, berühmt zu werden. Sie, die vonPaganen oft genug verspottet wurden, hätten jetzt auftrumpfen können:„Seht die Einladung vom Kaiser!“, und dann noch umsonst mit derkaiserlichen Post daherzufahren und etwas von der Welt zu sehen, dasstellte schon eine gewisse Versuchung dar. Viele Mutige wollten sich nichtkompromittieren und lehnten dankend ab.Einem bekanntlich grausamen Sol – Invictus - Verehrer den Gefallen zutun, zu Kreuze zu kriechen, kam für sie nicht in Betracht. Das war doch derMann von dem man wusste, dass er gefangene Offiziere, und derUnfreiheit widerstrebende Germanenfürsten, im Amphitheater von wildenTieren zerreißen ließ, etwa in einer Arena in Trier. Alle wussten es: „...auch mit der Zivilbevölkerung kannte er keine Gnade und hinterließ inden unterworfenen Gebieten Tod und verbrannte Erde.“ (207) Gerade inKleinasien wird es gebildete Bischöfe gegeben haben, die selbst dieSchriften studieren konnten, und die argwöhnisch die gesamteEntwicklung verfolgten und bemerkten, dass Konstantin, im Sinne deralten Kaiser agierte, dass er danach trachtete persönlich ihren allmächtigen_____________(202) Bettina von Engel : „Konstantin und seine Familie in Trier“66


Gott zu verdrängen, der aber nichts tun würde seinen Rang zu behaupten,weil er ihnen versprochen hatte, niem<strong>als</strong> ihr Recht auf freie Entscheidunganzutasten, immer unter der Prämisse, „abgerechnet wird zuletzt“, diesesLeben ist erst eins zum ausprobieren.... Vielen schien es frivol zu sein, dassder heidnische Pontifex maximus sich anmaßte der Kirche ChristiWeisungen geben zu wollen.Zudem gab es da eine Prophezeiung des Apostel Paulus, die soungeheuerlich war, die man, falls man sie auf eine noch lebende Personbezog, nur hinter vorgehaltener Hand erwähnte: „Lasst Euch nicht soschnell aus der Fassung bringen..., wenn in einem prophetischen Wort...oder in einem Brief, der angeblich von uns stammt, behauptet wird, derTag des Herrn sei schon da. Lasst Euch durch niemanden täuschen! Dennzuerst muss der Abfall von Gott kommen und der Mensch derGesetzwidrigkeit erscheinen, der Sohn des Verderbens, der Widersacher,der sich über alles, was Gott oder Heiligtum heißt, so sehr erhebt, dass ersich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich <strong>als</strong> Gott ausgibt...“ (208)Nicht auszuschließen war für einige, dass dieser kaiserliche Unhold dervorhergesagte Antichrist war. Die Christen in Trier wussten wie süchtigKonstantin nach Gesten der Unterwürfigkeit war und warum„Konstantin... nach seiner angeblichen Vision in einem Apollotempel miteiner Prophezeiung, die ihm 30 Jahre Kaisertum vorhersagte, sich fortanauf Münzen mit dem Sonnengott darstellen ließ, dem Sol Invictus, der mitApoll identifiziert wurde, und der Konstantin eine neue sakraleHerrschaftslegitimation lieferte. Er stellte sich so ... Gott gleich undübernahm dessen Unbesiegbarkeit für sich selbst. Er übernahm auch dasaus dem Orient kommende Hofzeremoniell, das schon Diokletianeingeführt hatte: wenn er Bittsteller oder Gesandte empfing, trug er einDiadem auf dem Kopf und schwere bestickte Kleidung aus Damast undSeide, die bis zum Boden reichte. Jeder, der sich ihm näherte, musste sichzu Boden werfen und den Saum des Kleides küssen, ehe der Kaiser ihmerlaubte, sich wieder aufzurichten. In Rom, <strong>als</strong> einstiger Verkörperung derRepublik, wurde die Proskynese natürlich verachtet“ (209)Das 1. ökumenische Konzil besuchten maximal ein Achtel der Bischöfe.Von den 1 800 Bischöfen innerhalb des Imperiums folgten nur etwa 220dem Kaiserruf. Die in der Literatur erwähnte Zahl 318 ist wahrscheinlich_______________(208) 2. Thess. 2: 2-8 In der biblischen Anmerkung zu diesem Text heißt es in derEinheitsübersetzung: „Die Wendung, sich in den Tempel Gottes setzen, ist wohlbildhafter Ausdruck dafür, dass der Antichrist Gott verdrängen und sich an seine Stellesetzen will.“(209) Bettina von Engel : „Konstantin und seine Familie in Trier“67


keine reale, sondern eine symbolische. Sie ist auf die 318 KnechteAbrahams zurückzuführen. Allerdings brachten die Bischöfe auch ihre(männliche) Begleitung mit. Mehrheitlich ungebildet standen siekeineswegs Diözesen vor. Alles bis zu diesem Zeitpunkt war schlicht undeher ärmlich. Auch danach änderte sich das nur langsam.Der katholische Historiker Ludwig Hertling sagt es ausdrücklich: Allesnahm sich bescheiden aus: die Häuser, in denen sich die Christen selbstnoch Jahre nach Nicäa trafen, waren klein. „...Manche Bischofsstädtehatten nur eine einzige Kirche, und diese besaß die Maße einerbescheidenen Dorfkirche...“ Vor Nicäa tagten sie in Holzbaracken die derArmee gedient hatten. Oft zeigen Bilder die Konzilsteilnehmer zu Nicäamit Mitren, doch „...erst ab 589 gibt es liturgische Kleidungsstücke...“ (210)Alles war anders <strong>als</strong> es die Gemälde zeigen. Die Bischöfe gingen ineinfacher Straßenkleidung. Nichts unterschied sie äußerlich von anderenBürgern. Ob sie alle eine Festtagstoga zu eigen hatten, ist zu bezweifeln.„Noch im Jahr 4o3 wurde es dem Patriarchen von Konstantinopel <strong>als</strong>Eitelkeit ausgelegt, dass er sich beim Gottesdienst ein eigenes Festgewandanlegen ließ...“ (211) Grundf<strong>als</strong>ch sind auch andere Vorstellungen, die vieleChristen sich von den Umständen und Größenordnungen machen:Es gab eben nur knapp 2 000 Gemeinden im Reich, viele mit kaum 100Mitgliedern. Um 310 gehörten wahrscheinlich nur 3 bis 4% derGesamtbevölkerung des Römischen Reiches von vielleicht „55 MillionenMenschen“ der Kirche an. (212) Aber da sehr wahrscheinlich fast allewürdigen männlichen Personen, die älter <strong>als</strong> 12 (oder wie in der Synagoge13) Jahre waren, das Priestertum erhielten, war selbst bei einer Rate vonnur etwa fünfzig Prozent aktiv tätiger Mitglieder und bei etwa 1.5 - 2 Mio.Christen mit etwa 160 - 200 000 handlungsfähigen Männern zu rechnen.Rom rechnete immer, das entsprach seinem Wesen. Selbst in den bestenZeiten hielt das Imperium nur 150 000 Legionäre unter Waffen, zur Zeitder Machtergreifung durch Konstantin, 306, gab es zwar 60 Legionen,doch insgesamt nur 60 000 Legionäre sowie einige andere militärischeEinheiten. Die Christengemeinschaft erschien einigen, vor allem denpaganen Staatsbeamten <strong>als</strong> ein Block von erheblichem Gewicht, der zudempermanent wuchs. Besonders in den Metropolen gab es auffallendeMitgliederkonzentrationen, - soweit wir wissen, waren die Christen der_______________(210) Hertling, „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740“ Berlin S. 45(211) ebenda S. 43(212) Sarai Kahle, Einführung in die Humanökologie - Universität Bremen Institut fürGeographie, WS 2004/ 2005: „Zu Beginn unserer Zeitrechnung im Jahre 14 hat dieerste Volkszählung des Römischen Reiches stattgefunden. Diese ergab schätzungsweiseeine Bevölkerung von 55 Millionen für das Römische Reich.“68


ersten beiden Jahrhunderte allesamt Freunde des Judentums, der Religiondes Tuns. Man hatte staatlicherseits versucht „das christische Ding“ zuzertrümmern, aber das war misslungen. Von außen war diesemwachsenden „Ungeheuer“ nicht beizukommen. Folglich musste es demReich einverleibt werden. Diözesen gab es dam<strong>als</strong> noch nicht, ein Begriffder aus dem Verwaltungsprogramm Kaiser Diokletians aus dem Jahr 300stammt. Dagegen wird es Bündnisse und enge Beziehungen benachbarterChristengemeinden gegeben haben. Möglicherweise hatte die italienischeKirche einen Primus, doch der saß nicht in Rom. Allerdings gab esrömische Regionen in denen das Christentum kaum Mitglieder zählte. EinBeispiel dafür ist Gallien: noch „um 350 gibt es nur spärliche Hinweiseauf einzelne gallische Christen... Gemeinden und Bischöfe tretenüberhaupt nicht in Erscheinung... Hilarius von Poitier ein Anti-Arianer ...ist neben Pholbadius von Agen der einzige gallische Bischof des 4.Jahrhunderts... die gallischen Bischofslisten so zahlreich sie aucherhalten sind, halten einer Kritik nicht stand... der Briefverkehr zwischenRom und Gallien setzt erst mit Bischof Damasus (366) ein.“ (213)Die Umstände des Jahres 327, nachdem der Kaiser zum Sohnesmördergeworden war, würden den ganzen Hergang des Konzils zu Nicäaplausibler erscheinen lassen.Es scheint, dass das Konzil erst 327 stattgefunden hat. Es gibt keinProtokoll von diesem, dem wahrscheinlich wichtigsten Konzil aller Zeiten.Stattdessen sind einige Berichte vorhanden. Einer der Berichterstatter istEusebius von Caesarea der häufig übertreibt.Das Konzil tagte angeblich vom 20. Mai bis zum 25. Juli 325 in einemSaal des kaiserlichen Sommerpalastes in Ni<strong>ca</strong>ea. Das Hauptthema lautete:Sind Jesus und der Vater eines Wesens oder nur einander ähnlich? Derstrikte und hochintelligente Monotheist Konstantin sagte es gleich um wases ihm geht: „Als ich wider alles Erwarten von eurem Zwiste vernahm,hielt ich, was ich hörte nicht für unbedeutend... Dass durch meineVermittlung Abhilfe geschaffen werde, rief ich ohne Verzug euch allezusammen... Zögert <strong>als</strong>o nicht, o geliebte Diener Gottes und getreueKnechte des gemeinsamen Herrn und Erlösers von uns allen, dieVeranlassung zu eurem Zwist jetzt gleich vorzubringen und die ganze Kettevon Streitigkeiten durch Gesetze des Friedens zu lösen.“ (214)_______________(213) Chr. Müller Inauguraldissertation „Kurialen und Bischof...“ Uni Freiburg i.Breisgau, S. 137(214) Eusebius von Caesarea „ Vier Bücher über das Leben Kaiser Konstantins“,generiert von der elektr. BKV von Gregor Emmenegger69


Die Frage warum Berichterstatter Eusebius an dieser Stelle unterschlägt,dass Konstantin nur einen Gott kannte: nämlich sich selbst, kann wohl nurder beantworten, der dam<strong>als</strong> durch eine Periode grausamer Verfolgunggehen musste. Wenn er es nicht schon zuvor war, wurde Konstantin füreinige Konzilsteilnehmer im Verlaufe der Tagung der gemeinsame Herrund Erlöser. Nach Eusebius werde Konstantin zu Recht mit der Sonne derGerechtigkeit verglichen. Welch ein geschickter Schachzug: Das Fest desunbesiegten Sonnengottes wurde bald darauf zum Geburtstag Jesu Christierklärt. Es gab und gibt eine Fülle von Ungereimtheiten. MancheKonzilsteilnehmer, benommen von der Pracht, die sie in Nicäa umringt,zeigten sich sehr bald kooperativ. Sie forschten in den Mienen des Kaisers,willig den enorm Jähzornigen nicht zu reizen, sondern ihm möglichstgefällig zu sein. Arius Vortrag musste vor dem Kaiser durchfallen, dennArius hielt sich an die von Origenes (185-256) zusammenfassenddargestellten Lehren der Urkirche: „... Manche schätzen nicht, was wirsagten, indem wir den Vater <strong>als</strong> den einen wahren Gott hinstellten undzugaben, dass andere Wesen neben dem wahren Gott Götter werdenkonnten, indem sie an Gott teilhatten.“ (215) Arius glaubte, dass Gott eineGestalt hat. Das geht deutlich aus den späteren Schimpfreden desAthanasius hervor: „Sie, die sich Christen nennen, (die Arianer),vertauschen die Herrlichkeit Gottes mit der Ähnlichkeit eines Bildes voneinem vergänglichen Menschen.“ (216) Welcher Hohn zu sagen: „Sie diesich Christen nennen!“ Dieser Ton hätte jedem rüden Agitator des 20.Jahrhunderts gefallen. Es muss erlaubt sein zu fragen: Wenn es eineIntelligenz vom Range des ewigen Vaters gibt, soll sie unfähig sein sichselbst eine bleibende Form zu geben?Eine ‚körperliche’ Existenz Jesus <strong>als</strong> eines dem Vater nachgeordnetenGottes, würde den gerade aufkommenden Monotheismus in Frage stellen,einen Monotheismus den – allerdings nur scheinbar - auch die Bibel mitden Worten verlangt: „ICH BIN der Herr dein Gott... du sollst nichtandere Götter haben neben mir“ (217) Jedoch, und das wäre die Lösungdes Widerspruchs, glaubten die ersten Christen, Jesus und der große ICHBIN sind ein und dieselbe Person. (218) Dieser große ICH BIN, gesandt vonseinem Vater, sprach zu seinen Lebzeiten immer von diesem Auftrag.______________(215) Origenes Kommentar zu Joh.: 2:3 bei Wikipedia unter Arianismus(216) Bibliothek der Kirchenväter, Vier Reden gegen die Arianer (Orationes contraArianos, RFT Information, 1. Rede, Teil 2(217) Exodus 20: 1-3(218) Johannes Kap 8: 48-59 „... Jesus antwortete ihnen: ICH BIN von keinem Dämonbesessen, sondern ehre meinen Vater... ICH BIN nicht auf meine Ehre bedacht... Amenamen ich sage euch: noch ehe Abraham wurde BIN ICH.“70


Auch andere frühchristliche Autoritäten sahen darin keinen Verstoß gegendas erste der zehn Gebote. Selbst Joh. Adam Moehler erwähnte es: „DerSohn ist nach Justin weder bloßer Mensch, noch eine unpersönliche KraftGottes, sondern der Zahl nach ein anderer. Er ist Gottes Sohn imeigentlichen Sinne. Er hat zu Moses aus dem Dornenbusch gesprochen:‚Ich bin, der ich bin, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“... Apol. J. C.65. ... „Er ist der Jehova des Alten Testaments, der Allmächtige.“ (219)Jesus war der einzige Gott mit dem Israel und wir es, <strong>als</strong> unserem Erlöserzu tun haben. Neben Ihm dem großen „Ich Bin“ sollten sie und wir keineanderen Götter haben, indessen aber stets den Vater anbeten und zwar imNamen Jesu Christi: (220) Weil der Herr Christus beteuert hatte, er sei derICH BIN, wäre er beinahe den Tod der Steinigung gestorben. (Hätte mandann in der Christenheit einen Stein zum Symbol des Christentumserhoben?) Der Berichterstatter erzählt im Johannes-Evangelium, dass Jesusein längeres Gespräch mit streitbaren Juden geführt hatte, indem ermehrfach seinen Namen ‚ICH BIN’ erwähnte, in dem er sagte: „Auch ineurem Gesetz heisst es, erst das Zeugnis von zwei Menschen ist gültig. ICHBIN es, der über mich Zeugnis ablegt, und auch der Vater, der michgesandt hat, legt Zeugnis ab über mich...“ (221) Die Kontroverse weitetesich aus. Das Jesus den Gottes-Namen für sich beanspruchte, warentsprechend dem Verständnis orthodoxer Juden eine Gotteslästerung unddarauf stand nach altem Gesetz die Todesstrafe. Die Pharisäer, die Jesus inder Nacht verhafteten, fielen fast in Ohnmacht, <strong>als</strong> er bekannte: ICH BINes! (222) Mormonen glauben dasselbe: „Jehova, der Gott des AltenTestaments, ist Jesus Christus, der große ICH BIN.“ (223)Eben diese Basislehre des Urchristentums, Christus sei dem wahren Gottnachgeordnet missfiel dem Vater der Orthodoxie, Kaiser Konstantin.Nachgeordnet wollte er - der Christus - nicht sein. Zudem widersprachenseine Absichten denen der Urkirche. Die Frage nach dem Wesen Gottes,war und ist immer noch von grundlegender Bedeutung. Kaum ein anderermoderner Wissenschaftler hat sich häufiger zum Thema Gott geäußert <strong>als</strong>__________________(219) Joh. Adam Moehler „Athanasius der Große und die Kirche in seiner Zeit“ Mainz1844, S. 33(220) Epheserbrief 5: 20(221) Joh. 8:17-18(222) Joh. 18: „Auch Judas, der Verräter stand bei ihnen. Als Jesus wiederholte: Ichbin es! wichen sie zurück und stürzten zu Boden und er fragte sie aberm<strong>als</strong>: Wen suchtihr? Sie sagten: Jesus von Nazareth. Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, dass ICHes BIN.“(223) Lehre und Bündnisse 29:171


der große Einstein. Auf die Frage eines New Yorker Rabbiners "GlaubenSie an Gott?" antwortete Einstein fast ausweichend: „Ich bin keinAtheist… Das Problem ist für unseren begrenzten Geist zu gewaltig.“Einstein glaubte an einen Schöpfer, aber nicht an einen persönlichen Gott.Für ihn war das Wort „Gott“ die Summe aller Gesetze und Ordnungen,nach denen diese Welt entstand und weiterbesteht. Das käme sowohl IsaakNewtons Denken nahe, wie auch dem der Athanasianer. Doch IsaakNewton war ein Anti-Athanasianer. „Athanasius verabscheute er.“ (224)Der Theologe Dr.Dr. Dieter Hattrup formulierte es jedoch so: „In denletzten drei Jahrzehnten, von 1925 bis zu seinem Tod 1955, erkenntEinstein, dass die Wissenschaft nicht leisten kann, was er von ihr erwartethatte, <strong>als</strong> er sich ihr verschrieb. Ja, umgekehrt, die Physik ist dabei, dasPersonale <strong>als</strong> den Grund aller Wirklichkeit plausibel zu machen. Wenn dieWelt nicht nach einem mechanischen Plan abläuft, wenn es neben denharten Gesetzen der Naturwissenschaft auch Ereignisse gibt, die vondiesen Gesetzen nur ungefähr vorausgesagt werden, dann wird SpinozasFormel hinfällig. Dann ist Gott nicht mit der Natur gleichzusetzen. Dannliegt es eher nahe zu sagen, der Grund der Welt, mit üblichem Namen Gottgenannt, ist frei und handelt nach Plan. Sein Handeln in der Welt ist nichtdurch Naturgesetze festgelegt, sondern er bestimmt die Gesetze.“ (225)Hätte Gott sich nicht den Inspiration suchenden (226) offenbart, wir wüsstennichts von ihm. Alles wäre reine Spekulation. Arius bestand darauf, dassMenschen fortwährend der Inspiration Gottes bedürfen, <strong>als</strong> Kinder Gotteshätten und haben wir, unter Bedingungen, Anspruch auf Erleuchtung.Andererseits zeigten die gewaltigen Ereignisse und Folgen derFranzösischen Revolution, soweit sie atheistisch bestimmt waren, ebensowie die Folgen der atheistischen Bewegungen Osteuropas wohinatheistisches Denken verführt. Dostojewski nahm es vorweg: „Wenn eskeinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt.“ (227 )_______________(224) Harro Heuser: „Der Physiker Gottes – Isaac Newton oder Die Revolution desDenkens“, 1. Auflage. Herder, Freiburg im Breisgau, 2005 „Gegen das Trinitäts-Dogma seiner Kirche hatte sich der junge Isaak Newton verstohlen in den Arianismushineinstudiert. Athanasius verabscheute er. Den Trinitarismus denunzierte erleidenschaftlich <strong>als</strong> ‚f<strong>als</strong>che, infernalische Religion‘, seine Bekenner seien‚Götzenanbeter, Gotteslästerer und geistige Hurer‘, die bösartigste und verkommensteSorte Menschen auf der Erde.“(225) Die Tagespost, kath. Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. 16.03. 2004:(226) Matth. 7: 7-11 „Wer bittet, der empfängt...“, Jakobus 1: 5 „So jemand unter euchWeisheit mangelt, der bitte Gott und ihm wird gegeben werden...“(227) Dostojewski „Die Brüder Karamasow“72


Tertullian spricht tiefgründiger vom Warum der Unsterblichkeit derMenschenseele und dem (innersten) Wesen unseres Schöpfers... „in derGottheit sei ein geistiger Körper (Corpus etsi spiritus) der göttliche Vaterhabe die Fülle, der Gottheit in sich, im göttlichen Sohn sei nur ein Teildavon.“ (228) Arius könnte es so formuliert haben: Wir sind trotz unseresvergänglichen Kleides mit dem uns innewohnenden „nobilus ingenitus“(229) allesamt kleine Götter, wegen der uns eigenen Intelligenz und wegendes freien Willens über den wir verfügen „und wären wir in Kettengeboren“ (Schiller), aber wir sind in die Sterblichkeit gefallene Götter, diesich aus dieser Falle aus eigener Kraft unmöglich befreien können. Nurdurch Gehorsam unsererseits, gegenüber den Christusgeboten und mitHilfe der Weisungen Jesu, können wir, die im dichten Nebel derUngewissheit stecken, herausgeleitet werden. Wir sind allesamt gefährdeteSchiffe auf dem treibenden Meer. Manchmal fällt es uns schwer unserenStandort zu bestimmen.Wir bedürfen eines Kompasses und eines Kartenwerkes.Auch das ist Arianismus: „Suche ohne Unterlass die Erleuchtung.“ (230)Gottes ‚Welt’ ist eine andere, uns auf ‚grobstoffliche’ Weise nichtzugängliche. Von der „anderen Welt“ wissen wir nichts. Es sei denn wirverinnerlichen uns und empfangen entsprechend unserem Bemühen um dieWahrheit, Inspiration. Auch darum ging es in Nicäa, 325. Konstantinlehnte jedoch weitere übernatürliche Offenbarung ab. „In denSpekulationen Konstantins nach denen Gottes natürliche Offenbarungvollkommene Erkenntnis vermittelt, besteht eigentlich kein Bedürfnis nachder übernatürlichen Offenbarung …“ (231) Wenn ich schon zugebe, dassda ein wahrer Gott im Weltall ist, oder der in Bereichen ‚neben’ demWeltall existiert, dann muss ich auch anerkennen, dass er mir einen Wegzu bereiteten vermag, ihn und mich selbst zu erkennen. Wenn schon nichtim Labor, kann ich ihn dennoch erfahren. Das haben zahllose Menschenunterschiedlichster Religionen bestätigt. Aus ‚mormonischer ´Sicht sind_______________(228) Anton Grabner-Haider-Maier „Kulturgeschichte des frühen Christentums“Vandenhoeck& Ruprecht S.. 85(229) Michael Landmann „Philosophische Anthropologie“ de Gruyter, 1982 S. 106 u78: „Für Platon stammt der Geist aus einer höheren Welt und hat sich im Leben nurvorübergehend inkorporiert... auch bei Pelagius hat zwar der Mensch seine Erlösung(von den Folgen des Falles in die Sterblichkeit und der Möglichkeiten sittlicherFehlentscheidungen G. Sk.) nicht selbst in der Hand, er bedarf einer supranaturalenErgänzung. Dennoch wohnt uns allen ein nobilatas ingenita ein...“(230) Matth. 7: 7-11(231 Heinz Kraft in Habilitationsschrift „Konstantins religiöse Entwicklung“Heidelberg - Uni Greifswald, 1954 S. 81 ff73


deshalb die folgenden Sätze aus dem Nag-Hammadi-Schrifttum des 2.nachchristlichen Jahrhunderts überaus zutreffend – sie zu wiederholenlohnt sich: „Die wahre Gotteserkenntnis beginnt mit der Erkenntnis desMenschen <strong>als</strong> eines gottverwandten Wesens.” (232)„Wenn einer derer, die hier sind, zu erkennen vermag, dass er ein vomVater stammendes Abbild ist, von oben herabgekommen, hier eingekörpert,so wie ein Lamm im Mutterleibe... ganz dem Vater im Himmel gleich, sowird ein solcher dahin aufsteigen. Wer jedoch diese Lehre nicht erhält...wird wie eine Fehlgeburt zur Nacht geboren und (auch) zur Nachtzugrunde gehen.“ (233)Über solche Aussagen nachzudenken, halten einige für überflüssig.Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sehen insolchen Formulierungen jedoch eine Ermutigung sich nicht mit demzufrieden zu geben, was sie schon erkannt haben, sondern weiter zuforschen, darüber nachzudenken, sich zugleich aber am geschriebenenGotteswort orientierend, um nicht zu Spinnern zu werden.Die im Nag-Hammadi-Text stehende Voraussage: „...wer diese Lehrenicht erhält wird zur Nacht geboren und zur Nacht zugrunde gehen.“ istbeachtenswert.________________(232) K.Rudolph, “Die Gnosis”, Koehler & Amelang, Leipzig, 1977, S. 139(233) ebenda S. 134, Rudolph zitiert Hippolyt, „Refutatio“ V 1774


Konzilstheologe KonstantinDie Russisch - orthodoxe Kirche betrachtet Konstantin <strong>als</strong> Heiligen; sie hatden 21. Mai zu seinem Gedenktag erklärt, der von der römischkatholischenund von der evangelischen Kirche übernommen wurde.Andererseits verleiht z.B. das ‚ökumenische Heiligenlexikon’ dem‚heiligen’ Imperator die Merkmale eines lupenreinen Stalinisten:„Konstantins Handlungen waren durchweg geleitet vom Ziel, die Machtauszubauen; seinen Schwiegervater, Kaiser Maximianus, ließ er 310erhängen, seinen Schwager Licinius erwürgen, dessen Sohn degradierte erzum Sklaven und ließ ihn tot schlagen; Crispus, seinen Sohn aus ersterEhe, und Fausta, seine Frau, ließ er 326 ermorden, weil er die beidenverdächtigte, eine Beziehung miteinander eingegangen zu sein. Folge desTodes von Fausta (234) war, dass ihr gesamter Besitz aus dem Erbe derLaterani endgültig an den Papst kam. Der bedeutende Historiker JacobBurckhardt nannte Konstantin einen Macchiavellisten, Voltaire meinte,er sei „ein politisch nicht unbegabter Krimineller" gewesen.“Konstantin erschien der Charakter des Gottes des Ältesten Arius fremd undsein Bild unvereinbar mit seinen eignen Vorstellungen. BischofAlexanders Rede gefiel ihm. Sie wurde geschickt unterstützt von dessenDiakon Athanasius. Ja, so stellte er sich das vor: Gott ist völliger Geist...„Athanasius verglich die Beziehung zwischen Gottvater und Gottes Sohnmit jener zwischen dem Kaiser und seinem Bild...“ (indem man sich denGott <strong>als</strong> anwesend vorstellte) ...den Vater könne man im Sohn erblickenund die Göttlichkeit des Vaters erkenne man im Sohn... Kaiser und Bildsind eins.“ (235) Tagelang, wochenlang rangen die Arianer um eine Formeldie Konstantin und ihrem Glauben gerecht wird. Von der Grundlinieabzuweichen, die Origenes und andere Autoritäten so klar vorgezeichnethatte, hielten sie für inakzeptabel. Niemand hätte es (dam<strong>als</strong>, in Nicäa) (236)____________(234) Josef Engemann: „Konstantin... heiratete 307 in Trier Fausta ... die zehnjährigeTochter Maximianus „(235) A. Demand „Diokletian und die Tetrarchie“ Walter de Gruyter, 2004, S. 32(236) - Arbeitskreis Origenes: Origenes der 231, mit 46, zum Presbyter geweiht wurderief den Widerspruch des für die Weihe zuständigen Demetrius von Alexandria auf,deshalb übersiedelte Origenes von Alexandria nach Cäsaräa. Hier gründete er eine neueSchule und Bibliothek, dass Origenes sich selbst verstümmelte ist nicht erwiesen, eskönnte eine Behauptung des Demetrius gewesen sein. - Guna Avatara Premyoga „ThePath of Love“ zitiert Ronald Zürrer: „… Bischof Demetrius ...war später der erste, derOrigenes der Irrlehre bezichtigte, wobei seiner Handlungsweise jedoch offensichtlichein rein egoistisches Motiv, nämlich gekränkte Eitelkeit und Neid, zugrunde lag:75


gewagt, Origenes anzutasten, bis auf vielleicht einen Punkt seinerTheologie. Dieses „Vielleicht“ genügte dem Imperator. „Ferrandus,Diakon von Karthago, äußert: ‚Was einmal im Konzil verfügt ist, mussewige Geltung behalten… Die allgemeinen Synoden, vollends wenn sie dieZustimmung der römischen Kirche gefunden haben, stehen an Ansehen nurden kanonischen Büchern nach. Trotz mancher Anfeindungen stand dieLehre des Origenes in den ersten Jahrhunderten in hohem Ansehen. ,’Biszum Ende des 4. Jahrhunderts äußerte sich die Mehrzahl der Stimmen inder Kirche für den berühmten Alexandriner.’ Noch Papst Siricius (384—399) hatte nichts gegen den Origenismus einzuwenden, was ihm Vorwürfeaus den Reihen der Gegner des Origenes einbrachte.“ (237) KonstantinsZielrichtung war nicht die Verdammung aller Origeneslehren, sondern nurdas, was ihn persönlich nicht hervorhob, musste fallen. (238) Es ging zudemum die Erhaltung des Gleichheitsgrundsatzes, und damit um unserMenschenrecht auf Entscheidungsfreiheit, das nicht erst Konstantin einDorn im Auge war; ein Recht, das wir zu allen Zeiten gegenüber jederAnmaßung von Agitatoren und Diktatoren zu verteidigen haben. (239) Dieersten Christen jedenfalls verstanden es so. Der Geist der Freiheit ist Teildes Geistes Gottes. den wir erhielten und zu bewahren haben. (240)Hoch und heiß ging es zu: Arius hatte sich gut vorbereitet, aber Athanasiusnicht minder. Nach teilweise heftigem Hin und Her mischte sich eines________________(237) Waltraud Große „Entwicklung der Theologie in den ersten Jahrhunderten bis zurAblehnung der Lehre des Origenes durch das 5. Konzil in Konstantinopel 553“(238) Franz Schupp „Geschichte der Philosophie im Überblick“ CCH CanadianLimited Bd 2 , 2005, S. 34: „Gnosis ist an keinerlei Zugehörigkeit zu irgendeinergesellschaftlichen Gruppe gebunden... , Peri Archòn II Praefatio 9.5; 9.6 „...geradedieser antiautoritäre Zug bei Origenes... rief später die autoritäre Reaktion der aufMachtprinzipien Beharrenden hervor, dass schließlich alle zur Gnosis gelangenwürden, war mit dem kirchlichen Gnaden- und Wahrheitsmonopol nicht vereinbar, wiees seit Augustin beansprucht wurde.“(239) Buch Mormon Alma 43: 45 „Die Nephiten waren durch eine bessere Sacheangefeuert, denn sie kämpften nicht um Monarchie oder Macht, sondern sie kämpftenum ... ihre Freiheitsrechte, um ihre Frauen und ihre Kinder, um ihr alles...“Ebenda 61: 15 „Darum, mein geliebter Bruder Moroni, laß uns dem Bösenwiderstehen, ... damit wir unsere Freiheit behalten, damit wir uns am großen Vorzugunserer Kirche und an der Sache unseres Erlösers und unseres Gottes erfreuen können.... gemäß dem Geist Gottes, der auch der Geist der Freiheit ist, der ihnen innewohnt.“Alma 43: 8-9 Die Absicht (der) Lamaniten war ... sich große Macht über (die Nephiten)anzueignen... Und nun war die Absicht der Nephiten... ihre Frauen und ihre Kinder ...vor den Händen ihrer Feinde zu bewahren, ... ja, und auch ihre innere Freiheit, damitsie Gott gemäß ihren Wünschen anbeten konnten.“(240) Joh. 8: 32 „Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch freimachen.“76


Tages Nikolaus von Myra ein. Verärgert darüber, dass die Arianer nichtklein beigeben wollten. Der fünfundsiebzigjährige Arius hatte wiederholtOrigenes (185-254) Wort für Wort zitiert und dabei wiederholt betont, dassdies die bislang unwidersprochene Lehre der Urkirche war. Als Arius dannnoch auf Nachfrage bekräftigte, dass er Origenist bleiben würde, und dasser dabei bleibe Gott Vater und Gott Sohn trügen menschliche Zügerutschte dem vierzigjährigen Nikolaus von Myra die Hand aus. Sie traf dasGesicht des Greises Arius. Das Ökumenische Heiligenlexikon schwächthier zwar ab, indem es von einer Legende spricht, dass Arius von demHeißsporn geschlagen wurde. Doch ihrem ganzen Wesen nach dienten diein Umlauf gesetzten Fabeln der Kirche nach Nicäa dazu, negativeEreignisse zu beschönigen, eine Anpassung zu ermöglichen oderUngezogenheiten zu verniedlichen. So offensichtlich auch hier. Es scheint,dass es sich wirklich so abgespielt hat. Das würde auch den rapidenmoralischen Verfall der Kirche erklären. Dass sich Abgeordneteaneinander vergreifen, kommt in weltlichen Parlamenten vor, nicht aberunter gleichberechtigten Bischöfen der Kirche Christi. Nach Jesus verlangtsolche Entgleisung die Exkommunikation, (241) doch der Herr JesusChristus war tot, er hatte in und nach Nicäa nicht mehr mitzureden. DieseRolle übernahmen zuerst die Kaiser, dann die Päpste. Die Athanasianerhielten solche Bekenntnisse, wie Arius sie abgab, selbstverständlich fürblanken, allen Christen verbotenen Polytheismus. Das war - ihrer Meinungnach - strafwürdige Häresie. Aber war es wirklich eine ‚Abweichung’? Einfragender Blick zum Imperator hinüber bestätigte Athanasius, er befindesich auf der Linie des Kaisers. Was wollte er mehr? Fest stand, an seinerspeziellen monotheistischen (henotheistischen) Grundeinstellung würdeKonstantin nicht rütteln lassen. Das würde ihren gemeinsam erstrebtenSieg ermöglichen. „Nun ja“, mochte Athanasius, möglicherweise denken‚„der Kaiser glaubt leider noch Gott Apollos Geist wohne in ihm. EinesTages wird auch er begreifen, dass es der Geist Christi ist, der in ihmHeimstatt gefunden hat.“ Die meisten Bischöfe wankten auch aus Gründender Höflichkeit (und aus Furcht) hin und her. Viele dachten: „Reden istSilber, Schweigen ist Gold.“Wie mag sich der Schafhirte und Bischof Spyridion von Zypern imKaiserpalast gefühlt haben? Die Stunde der definitiven Entscheidung kamherauf. Nur knapp lautete die wiederholte Einlassung des gefährlichenImperators: „Niemand sollte (darf) die absolute Geistigkeit der Gottheit_______________(241) Matth 5: 22: „Ich sage euch, jeder seinem Bruder auch nur zürnt, soll demGericht verfallen sein, und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll demSpruch des Hohen Rates verfallen sein...“77


gefährden...“. (242) Endlich begriff das auch der Dümmste: Der Kaiserhatte gesprochen: Ein Geist ist gestaltlos, unbeschreiblich, <strong>als</strong>o unvorstellbar.Punktum. Das war das Ende der Diskussionen. Beiseite geschobenwurde mit einer einzigen abschließenden Bemerkung, dass Jesus, <strong>als</strong>Auferstandener, das Gegenteil gesagt hatte, indem er die Jünger beruhigtedenen er begegnete: „Seht meine Hände und Füße an: ICH BIN es selbst.Fasst mich doch an und begreift: kein Geist hat Fleisch und Knochen, wieihr es bei mir seht.“(243) Der Theologe Adolf von Harnack resümiert: „DerWille des Kaisers entschied.“ So kam es zur Aussage: Gott ist homousios.Die Kirche musste parieren und den Raub des kleinen Vok<strong>als</strong> akzpetieren.Jedenfalls war das der Wunsch Konstantins und der Männer desAthanasiuskreises. Wegen dieses homousios, dieser Wortneuschöpfung,bar des Jota’s, ging es 1500 Jahre zu, wie auf einem Schlachtfeld. Esrollten die Köpfe, zumindest in den Schlachten, die der byzantinischeGeneral Belisar für seinen Kaiser Justinian gegen die arianischen Vandalenin Nordafrika und gegen die arianischen Goten in Italien schlug. Goethekommentierte den Verlust des Vok<strong>als</strong> so:„Denn eben, wo Begriffe fehlen,Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.Mit Worten läßt sich trefflich streiten,Mit Worten ein System bereiten,An Worte läßt sich trefflich glauben,Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.“Nur ein schnell zupackender Griff und dann war es eben doch geschehen.Infolge dessen verloren die Menschen den Frieden. Indem sie mit Hass dieneue Botschaft predigten, trieben sie den Geist Christi aus ihrenVersammlungen hinaus. Es war so, <strong>als</strong> hätte jemand über Nacht die Fensterverhängt. Offensichtlich bis in die Gegenwart gilt es für Christen sich zuducken und möglichst wenige kritische Fragen zu stellen. Da, auf Seitendes Arius, war ein Gott, wie ihn die Bibel kennt, während hier mitAthanasius ein undefinierbares dreiheitliches Wesen zur Geltung kam.Wohlgemerkt, wer diesen Unterschied zugunsten Athanasius nicht machte,oder bis zu dieser Stunde nicht nachzuvollziehen vermag, kann nichtselig werden, - sagen die Katholiken und einige ökumenischen Christen....„Wer da selig werden will, der muss vor allem den katholischen Glaubenfesthalten. Jeder, der diesen nicht unversehrt und unverletzt bewahrt, wirdohne Zweifel ewig verloren gehen...“ nämlich, „ (es) sind nicht dreiGötter, sondern ein Gott. So ist der Vater Herr, der Sohn Herr, der Heilige________________(242) Adolf von Harnack, Dogmengeschichte S. 232(243) Lukas 24: 3978


Geist Herr. Und doch sind es nicht drei Herren, sondern ein Herr. Dennwie uns die christliche Wahrheit zwingt, jede Person einzeln für sich <strong>als</strong>Gott und <strong>als</strong> Herrn zu bekennen, so verbietet uns der katholische Glaube,von drei Göttern oder Herren zu sprechen...“ (244) Vor der angemaßtenDrohung des sogenannten Athanasiums, mussten Jesu Kriterien, auf welchemWege ewiges Glück erreicht werden kann, ins zweite Glied treten:Seine Prüfsteine, an denen wir vorüber zu gehen haben, lauten allerdingsanders: „Was hast du mit dem Licht gemacht, das ich dir gab?“ (245) „Hastdu versucht, die Last des anderen zu erleichtern?“ (246) „Hast du dieTalente entfaltet, die ich dir gab?“ (247) Sein Maßstab sind die Früchte:„Jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen undins Feuer geworfen werden“. (248) Vom Hervorbringen der Güte, <strong>als</strong> guteFrucht wird mehr <strong>als</strong> eintausend Jahre nach Athanasius kaum noch geredet.Sie behaupten mit dem Begriff Hölle, ein Wort, dessen Ausmaß sie nichtkennen: ewig! Ewig verloren! Welcher Barbarismus! Unter Athanasianerngilt <strong>als</strong> ausgemacht, wer nicht wie sie glaubt, kommt in die Hölle und zwarfür ewig. Alleine diese Idee zeigt ihren Hang zum Unmenschlichen undihre Jesusferne. Nach Origenes (249) hingegen ist ein Wurf ins Feuer nur einBild für eine zeitliche begrenzte Pein des Gewissens, etwas Endliches(nicht eine „unendlich zu erleidende“ ‚Höllen-Strafe’ – das Gefängnisselbst ist ewig, ein Aufenthalt darin ist es nicht.) Athanasianisch -Augustinisch formuliert verfiel sogar die Seele jedes ungetauftenSäuglings dem ewig peinigenden Feuer. Völlig lichtlos bekräftigte dasKonzil zu Florenz eintausend Jahre später, 1440: „Die Seele derjenigen,welche in der Erbsünde aus dem Leben scheiden, fahren zur Hölle herab,auch die kleinen ungetauften Kinder.“ Selbst 500 Jahre nach demFlorentiner Konzil, galt solche Formel <strong>als</strong> absolut wahr. Ähnliches, heutenoch, für bare Münze nehmen zu können, würde einen gewissenpsychischen Defekt voraussetzen. Konzilien werden von Menschengemacht. Dennoch steht immer noch in zahllosen Kirchenbüchern in fastallen Sprachen der Welt geschrieben: wer nicht nicänisch - athanasianischglaubt, wird ohne Zweifel ewig verloren gehen, <strong>als</strong> handele es sich dabei_______________(244) Essenz des Athanasiums(245) Matth. 5:14(246) Galaterbrrief 6: 2(247) Matth. 25: 14-30(248) Matth. 7: 19(249) Handwörterbuch für Theologie S. 1697 „Gottes Pädagogik hilft (im Prozess dervorgesehenen Vervollkommnung seiner Kinder) „durch das Läuterungsfeuer im Hadesnach. Es erscheint in der Bibel <strong>als</strong> ewige Verdammung, es besteht jedoch in einerzeitlich begrenzten, qualvollen Gewissenspein.“79


um unumstößliches Offenbarungsgut. Der rüde Ton lässt darauf schließen,dass es bei diesem Gott, der eines Wortes - oder nur eines Jotas wegen -Menschen verurteilt, tatsächlich um einen anderen <strong>als</strong> den von Jesusverkündeten handelt. Dieser öffnet die Arme und eilt dem entgegen, dersein Erbe leichtsinnig durchbrachte, aber einsieht... jener fühlt sich gutdabei, auch nur ein einziges seiner Geschöpfe ewig leiden zu lassen.Das Feuer der Gewissensqual ist nur von dem zu erdulden der wissentlichMenschenrechte verletzte: Nun, Raffgieriger, musst du leiden bis zu demTag, an dem du wünschst, du könntest das Ungute, das du bewusst überandere gebracht hast, wieder gutmachen. Es wird dir vorkommen, <strong>als</strong>würdest du in ein Gefängnis geworfen: „Amen, das sage ich dir: dukommst dort nicht heraus, bis du den letzten Pfennig deiner Schuld bezahlthast.“ (250) Lasse dir aber andererseits von niemanden weißmachen, ichbezahlte für dich, was du mutwillig zerstört hast. „„Irrt euch nicht! Gottlässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.“(251) Deshalb „verschaffe dem Bedürftigen und Armen Recht.“ (252) Vergissnie, „dass ich die Heuchelei hasse“. Kein Dirigent würde ein Konzertbeginnen, ehe nicht sicher gestellt ist, dass Kammerton A eingestimmtwurde - und den gibt Jesus vor. Seit Nicäa jedoch war den Konzilstheologender Geist der Brüderlichkeit, der zwischen ihnen herrschensollte, nicht mehr so wichtig wie das „Recht haben“. Die an sichgutwilligen, aber mit Athanasius nicht zufriedenen „Konzilstheologen“Nicäas hatten sich bald umgarnt gesehen, viele sahen zu spät und ratlos dieFalle, in die sie trotz oder eben wegen der unmäßigen Lobhudelei einigergeraten waren. Trotz des ariusfreundlichen Eusebius und seines Einflussesauf den Kaiser, konnten viele ihre Sache nicht behaupten, weil sichAthanasius wahrscheinlich schon recht früh für seine eigene Karriere, unddamit für den Kaiser, entschieden hatte, um irgendwann die Nummer Einsder Kirche zu werden. Spätere Berichte und Dokumente belegen das.Athanasius wollte persönlich hoch hinaus. Er wünschte Metropolit zuwerden. Jeden Preis würde er dafür entrichten. Triumphierend sindAlexander und sein Diakon Athanasius zunächst heimgereist,. Ihr Gefühlsagte ihnen: Diesen Sieg würde ihnen niemand mehr streitig machen!Adolf von Harnack bemerkt allerdings: Die Formulierung: „Vater, Sohnund Heiliger Geist seien (wesenseins) „unius substantiae“, hatte denmeisten ‚Konzilsvätern’ gar nicht gefallen“,jedenfalls nicht in dem Sinne dem Athanasius folgte. Aber es waren die______________(250) Matth 5: 26(251) Galater 6: 7-10(252) Sprichwörter 31: 8-980


abschließenden Worte eines Kaisers gewesen. „Nach einem Brief, denEusebius von Caesarea an seine Gemeinde schrieb, war den meistenBischöfen die Streitfrage ob Jesus mit dem Vater wesensidentisch ist, zuhoch.“ (253) Fast alle kuschten, und dafür belohnte Konstantin sie. DasAbschlussmahl versetzte die Bäckergesellen, den Hirten und die kleinenLandwirte in höchstes Entzücken. Sie lagen mit dem weltbedeutendstenImperator zu Tische und ließen sich bedienen: „Wünschen die Noblissiminoch Pfauenzungen? Vielleicht noch etwas griechischen Wein?“Geschafft! dachten der Imperator und der ehrgeizige Athanasius. Das Werkwar gelungen. Sie waren, bis auf zwei Ausnahmen, so klug gewesen, ihm(ihnen) nicht zu trotzen. Damit hätte die Sache <strong>als</strong> ‚beigelegt’ betrachtetwerden können. Doch <strong>als</strong> die anderen Bischöfe, die nicht nach Nicäagereist waren, von dem ‚Konzilsbeschluss’ erfuhren, und die Gemeindender Befürworterbischöfe hörten, was da im Dunstkreis des Mörderkaiserspassiert war, ging der Streit, wenn auch örtlich unterschiedlich, erst richtiglos. Bischöfe stehen ihren Gemeinden ja nicht <strong>als</strong> Generalautoritäten vor,sondern die jeweiligen Ältestenkollegien sind in ihrer Gesamtheit derBischoftschaft ebenbürtig. Und dann, <strong>als</strong> dritter Teil, haben auch dieanderen Mitglieder der Gemeinden mitzureden. Manche Gemeindenbestanden vollzählig aus Christen, die sich nur in den Glaubens- undGedankenbahnen des Origenes und Arius bewegen. Sie lehnten dasNicänum gelassen ab. Sie wußten was in der Schrift geschrieben steht, undahnten, wie es zu dem fraglichen Ergebnis kam.Vor dem Kaiser fürchteten sie sich nicht, vor dem Geist der ihn beseeltesehr wohl. Im Gegensatz zu vielen Christen unserer Zeit sowie derJahrhunderte nach dem 4. ökumenischen Konzil zu Chalkedon kannten siegroße Teile der Heiligen Schriften auswendig. Sie wussten, dass Origenes(185-254) oft genug <strong>als</strong> Vermittler von nah und fern liegenden Gemeindenzu Hilfe gerufen wurde, wenn Differenzen in der Auslegung der Schriftauftraten. Die Literatur bestätigt wiederholt, dass die meisten der von ihmberatenen Mitglieder der Kirche sich seinem Urteil beugten. Und ebendieser Meistertheologe der Urkirche beteuerte, dass es wahre Christenlehresei zu sagen: „Die Trinität besteht aus 3 Hypostasen, <strong>als</strong>o aus dreiwirklich existierenden Wesen, die auch hinsichtlich ihrer Naturverschieden sind. … Vater und Sohn sind 2 Götter…”. (254)Natürlich haben nahezu alle Christen immer geglaubt, dass es eine aus dreiPersonen bestehende Gottheit gibt, die eins im Willen und der Absicht ist.Auch die später von Athanasius verfolgten Melitianer glaubten (zunächst),_____________(253) A. von Harnack, „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ Mohr-Siebeck, 1990 S. 236(254) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft,... S. 169681


wie die Arianer, die Gottheit bestünde aus 3 Hypostasen. Deshalb sind dieArianer und ihre Freunde keineswegs Antitrinitarier, wie so oft behauptetwird. Sie empfanden es <strong>als</strong> Angriff auf ihre Glaubensfreiheit, was diesermonotheistische Heidenkaiser sich erlaubte. Was für eine Verdrehungschlichter Glaubenswahrheit, zu verkünden, drei sei eins und eins ist drei.So blieben fast alle Christen des gesamten 4. Jahrhunderts Origenisten oderArianer - Athanasius und dem Kaiser zum Trotz. „Das Ansehen desOrigenes (und damit des Arius G.Sk.) war noch in der ersten Hälfte des 5.Jahrhunderts in weiten Kreisen ein unbedingtes.“ (255) Die bis zur Stundeständig wiederholte Aussage, der Arianismus sei eine Häresie ist unhaltbar.Sie stellt die Fakten auf den Kopf. Die Gegenthese lautet bis heute, derArianismus spricht Jesus Christus nicht die „volle“ Gottheit ab.Jeder Vater ist für eine Periode seines Lebens seinem Vater nachgeordnetgewesen, das spricht doch nicht gegen des Sohnes volle Gleichberechtigung.Im athanasianischen Gedankenspiel sind mehrere Fehler enthalten, vorallem dieser: er meint es sei in Ordnung die Ellenbogen einzusetzen, -etwas das Arius Freunde bitter erfahren mussten. Auch rein sachlichgesehen sieht man, dass die Unterstellungen der Athanasianer inkorrektsind. Der berühmte Arianer Wulfila der im 4. Jahrhundert wirkte,bekräftigte, was er von Arius gelernt hatte „Jesus ist der „filius unigenitus,Dominus et noster... (M Pl. Suppl. I. 707) ... er glaubt an Gott den Vaterund an seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn und Gott, Werkmeisterund Bildner der gesamten Kreatur, der seinesgleichen nicht hat.“. (256)Die Athanasianer finden keine Unterstützung bei ihren Vätern. (257)Mit dem „Athanasium“ wurde eine Abweichung und damit eine Häresie<strong>als</strong> Kirchenlehre festgeschrieben! Theologen wie Adolf von Harnackverweisen wiederholt, wenn auch nur indirekt, darauf, dass katholischeGeschichtsschreibung ernsthaft anzufragen ist: „Es gab nachweisbar imOsten und noch mehr im Westen zahlreiche Bischöfe, die sich um denBeschluss (zu Nicäa) nicht kümmerten, für welche derselbe gar nichtexistierte. Im Abendland kam man erst nach dem Jahr 850 (!) zum_______________(255) A. von Harnack, „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ Mohr-Siebeck, 1990 S. 28(256) (Gert Haendler „Die Rolle des Papsttums in der Kirchengeschichte bis 1200“Vandenhoeck & Ruprecht, 1993 S 56,141: „Einer ist der Gottvater aller, der auch derGott unseres Gottes ist... Christus ist wohl Gott, aber er ist dem Vater unterordnet.“....(257) www. dogmatic. Uni-Bonn, S. 145: „Die vornizäische Theologie“, 2009 :„Irenäus stellt das Gottsein von Sohn und Geist klar heraus , „beiden kommt einpersonales Sein zu, da sie gemeinsam mit dem Vater handeln.“82


Nachdenken über das Nicäanum.“ (258) Das Athanasianum drückte gegendie Urkirche. Es war eine ihr zutiefst fremde Glaubensformel. Kaum dasser wieder in Alexandria anlangte, bohrte und drängte Athanasiusverschärft, alle hätten zu glauben seine Neuheit sei althergebracht: „Eifertalle für den Herrn und jeglicher halte am Glauben der von den Väterngekommen ist, fest... keiner nehme die auf, die gegen den Glauben vonNicäa versuchen Neues aufzustellen.“ (259) Bischof Alexander half ihmenergisch. Gemeinsam wünschten sie das Kirchenschiff in eine andereRichtung zu lenken. Alexander predigte gewaltig. Er und sein Diakonvertieften vereint den neuen Trend und Charakter des nachkonstantinischenChristentums. Irgendwann fallen von den Lippen Bischof Alexanders,wahrscheinlich in seiner Basilika, die welthistorisch wichtigen Worte:„Dem Arius muss man Widerstand leisten bis aufs Blut“ (260)Bischof, diese deine Aufforderung ist eine Kriegserklärung... ‚bis aufsBlut’. Bald darauf stirbt Alexander. Zu spät. Er kann nichts zurücknehmen.Die Negativkraft wirkte enorm: Das Echo ist bis weit ins 18. Jahrhundertzu hören: Dem Arius muss man Widerstand leisten bis aufs Blut... der Tagmusste kommen, an dem alle Vernunft und Intelligenz vor dem Fanatismuszurückwich... unter Innozenz III. (1198 - 1216) werden die Athanasianeralles niedermetzeln was ihnen verdächtig vorkommt... (261) Begonnen hattees scheinbar harmlos, mit den Vorwürfen: „Sie, die sich Christen nennen(die Arianer), vertauschen die Herrlichkeit Gottes mit der Ähnlichkeiteines Bildes von einem vergänglichen Menschen.“ (262)_____________(258) A. von Harnack, „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ Mohr-Siebeck, 1990, S. 235(259) Simon Gerber „Theodor von Mopsuestia und das Ni<strong>ca</strong>enum“ Studien, Brill, 2000(260) Ernst Ferdinand Klein, „Zeitbilder“ Ackerverlag, Berlin 1930, S. 153(261) James D. McCabe, "Cross and Crown", 1881 National publishing Co. New York:”Little children were torn from the arms of their mother, dashed against the rocks and<strong>ca</strong>relessly <strong>ca</strong>st away. The sick or the aged were either burned in their homes or hackedin pieces, mutilated half-murdered and flayed alive. They were exposed, in dying state,to the heat of the sun, or to flames, or to ferocious beasts; others were tied, in a state ofnakedness, into the forms of a human ball, the head between the legs, and in this statewere rolled down the precipice. Some of them, torn and bruised by the rocks fromwhich they had rebounded, remained suspended from some projecting rock, or thebranch of some tree, and still groaned forty-eight hours afterwards. Women and younggirls were violated, impaled, set up naked upon spikes at the corners of the roads,buried alive, roasted upon lances, and cut in pieces by these soldiers of the faith, as by<strong>ca</strong>nnib<strong>als</strong> Two of the most infuriated of these fire-raisers were a priest and a monk ofthe order of St. Francis… These persecutions continued until Feb. 1848, when the Kingof Sardinia granted the Vaudois the right to exercise their religion and to enjoy civiland politi<strong>ca</strong>l rights, and to attend schools, colleges, and universities…(262) Bibliothek der Kirchenväter, Vier Reden gegen die Arianer (Orationes contraArianos, RFT Information, 1. Rede, Teil 2)83


Manche Sätze bohren sich tief ins Gedächntnis: „Sie, die sich Christennennen.“ Unsensibel sprach Athanasius den Anhängern der Urkirche, denOrigenisten-Arianern, den Status Christ zu sein ab. „Der Kaiser! DerKaiser!“ „Was geht uns dein Kaiser an?“ lautete die Antwort der meisten,vor allem der Melitianer. (263) Die Melitianer verstanden sich <strong>als</strong> Kirche derMärtyrer. Melitus von Lykopolis, Oberägypten sah sich selbst <strong>als</strong> denRepräsentanten der Kirche. Als er begann, auch in gemischten GemeindenÄlteste und Priester zu ordinieren rechneten ihm einige Bischöfe das <strong>als</strong>Kompetenzüberschreitung an. Damit „verletze er die göttliche Ordnungund die kirchliche Regel.“(264) Arius fand nach Nicäa bei den MelitianernRückendeckung, allerdings gab es bald Meinungsverschiedenheiten. Sieschwächten sich ohne sichtbare Gründe gegenseitig. Schließlichunterliegen die Melitianer im Kampf mit dem Athanasianismus. IhreSpuren verlieren sich im 8. Jahrhundert.„Die melitianischen Wirrenentzündeten sich... an der Wahl und Weihe des Athanasius... dies war eineWahl die gemäß Kanon 4 von Nicäa ... nicht mehr von Presbytern derStadt sondern durch ägyptische Bischöfe vorgenommen wurde... wobeiVereinbarungen mit den Melitianern gebrochen wurden... von den 34melitianischen Bischöfen verweigerte sich ein erheblicher Teil ...außerdem besaßen die Arianer in der Pentapolis eine starke Stellung...“(265) Athanasius Kritiker bemängelten bereits frühzeitig, dass diePrivilegien die sein Bischof Alexander vom Kaiser erhalten hattevorausblickend auf seinen Diakon zugeschnitten worden waren und dassdabei nichts Gutes herauskommen konnte. Das Herrschen-wollenentsprach nicht dem Geist der seit Alters in der Kirche gepflegt wurde.______________(263) K. D. Schmidt, E. Wolf und R. Lorenz „Die Kirche in der Geschichte“ einHandbuch Vandenhoeck & Ruprecht, 1992 S. C 149 u 141-143: „Von den 34melitianischen Bischöfen in Ägypten... hatte sich ein erheblicher Teil nach Nicäa nichtunterworfen...die Melitianer ... erhoben Klage gegen die GewalttätigkeitenAthanasius... in der Fastenzeit 332 brachte Athansius den Presbyter Ischyras (einenseiner Kritiker G.Sk.) durch eine politische Denuziation (er hätte Steine gegen eineKaiserstatue geworden) beim Präfekten Hyginus ins Gefängnis. Ischyras kaufte sichdurch ein ‚Geständnis’ frei... alle Anklagen gegen Athanasius seien erlogen... erwiderrief es später...“ Die Gewalttätigkeiten gegenüber Melitianern hielten an „...334ließ Athanasius eine Zusammenkunft melitianischer Bischöfe und Kleriker mit brutalerGewalt sprengen... Straßenkrawalle der christlichen Jungfrauen toben... Der Brief(Kaiser) Konstantius ( nach dem Athanasius eine Vorladung der tyrischen Bischöfeerwirken soll) ist mit O. Seek <strong>als</strong> eine Fälschung des Athanasius anzusehen, welche das(ariusfreundliche G.Sk.) Urteil jedes Ansehens berauben soll.“(264) Rudolf Lorenz „ Die Kirche in ihrer Geschichte – das vierte Jahrhundert“,Vandenhock & Ruprecht, 1992, C 140(265) ebenda84


Paulus z.B. attackierte Petrus öffentlich, den er durchaus <strong>als</strong> denPräsidenten der Kirche anerkannte, indem er ihn, sowie Johannes undJakobus „die Säulen“ nannte. (266) Wie er Petrus tadelt war blamabel. DochPetrus schlägt nicht zurück: er lobte Paulus später, nachdem dieser vieleBriefe verfasst hatte die sich teilweise scharf gegen Petrus Kurs richteten.Bei allen Meinungsverschiedenheiten blieb der Ton des Petrus brüderlich.(267) Athanasius wollte entschieden mehr sein, <strong>als</strong> ein treusorgender Vaterseiner Gemeinde; eine Rolle, die der im Alter von knapp dreißig Jahren,wahrscheinlich allein stehende Mann, vielleicht, mit klugen Ratgebern anseiner Seite, hätte spielen hätten. Doch jeder der es je mit ihm zu tun hatte,sah wie machtgierig er war.Da gab es die jederzeit Opferwilligen, die bereit waren für die Sache derFreiheit und der Menschenliebe Jesu ihr Leben hinzugeben, die nie danachgetrachtet hatten ‚mächtig’ zu werden, und nun lebte hier ein junger, auchäußerlich kleiner Mann der schnell zu mehr Einfluss und Ansehen kommenwollte. Er mischte sich in die weltlichen Angelegenheiten mit demselbenZiel ein: Macht! Ungeniert trachtete er danach sich die nichtjüdischenSeeleute zu Freunden zu machen, - das wäre ohnehin seine Pflicht <strong>als</strong>Christ gewesen, aber er operierte damit gegen die hebräischen Reeder.Tatsache ist „dass die Kirche von Alexandria seit dem 4. Jahrhundertnachweislich <strong>als</strong> Reederin aufgetreten ist“ (268) Er trachtete, ebenfalls auspolitischen Gründen danach, sich die Paganen gewogen zu machen indemer ihnen Frieden zusicherte. Wahrscheinlich wurde in den melitianischenGemeinden um 328 auch in den Gottesdiensten bald mehr von und überAthanasius gesprochen, <strong>als</strong> von der Wichtigkeit den Geist christlicherFreundlichkeit zu bewahren. Das vor allem Arius dahinter steckte, wennman ihn tadelte, schien für Athansius ausgemachte Sache zu sein.Kurios bei allem ist, dass sich Athanasius im Grunde, seines persönlichenAnti-arianismus nicht wirklich gewiß war: Inspiriert, im Sinne der Kirche,war er nicht. Das gibt er selbst zu. Eigentlich hätte ihn der Geist Gottesgeradezu einhüllen und ihn erleuchten müssen, wenn das wirklich wahrgewesen wäre, was er so nachdrücklich und im Namen Jesu Christi, lehrte:„Je mehr ich nämlich schreiben wollte und mich anstrengte über dieGottheit des Sohnes, desto mehr entfernte sich seine Erkenntnis von mir________________(266) Galater 2 Vers 9.(267) 2. Petrus 3: 15-16 : „Seid überzeugt, dass die Geduld unseres Herrn eure Rettungist. Das hat euch auch unser geliebten Bruder Paulus mit der ihm geschenkten Weisheitgeschrieben; es steht in allen seinen Briefen, in denen er davon spricht. In ihnen istmanches schwer zu verstehen...“(268) Jörg Köpke „Die italienischen Bischöfe unter ostgotischer Herrschaft 490-552“,2006 S 5385


und ich sah ein, dass ich in dem Maße von derselben verlassen würde, <strong>als</strong>ich sie zu erfahren schien.“ (269) Athanasius ignorierte dieseWahrnehmung. Dagegen ging es seinem Intimfeind Arius stets darum, zusagen, dass Christen sich vom Geist Gottes leiten lassen sollten. Eben weilsie Geistkinder Gottes seien, sind sie fähig die innere Verbindung zu ihrem‚himmlischen’ Vater zu halten. Das ist ohnehin eine immer gültige Regel,niemand möge sich äußern, ehe er nicht zur inneren Klarheit gelangte.Athanasius missachte dieses Prinzip offensichtlich. Sein Vorurteil und seinBeharren darin, musste zu vermehrter Intoleranz führen. In innererDunkelheit Entscheidungen zu treffen, sollte man unterlassen.Das von Bischof Alexander gegen Arius in die Welt gesetzte Wort, von derWiderstandsleistung „bis aufs Blut“, sollte sich Schritt für Schritt zumProgramm der Orthodoxie entwickeln: „Ein wahres Spießrutenlaufenerlebte Lucius, einer der Gegenspieler des Athanasius, <strong>als</strong> er 367 die Stadtverlassen mußte. Damit ihn nicht das Schicksal seines Vorgängers ereilte,den die athanasianische Menge gelyncht hatte, wurde er unter militärischerBewachung aus Alexandria geleitet: "Alle schrien mit einerStimme und eines Sinnes im Chor von dem Haus, aus dem er [Lucius]abgeholt wurde, durch die Stadt hindurch bis zur Wohnung desMilitärbefehlshabers; sie stießen Beleidigungen und Anklagen aus undriefen: ´Werft ihn aus der Stadt“. (270) Mit solchem Verhalten verließen dieOrthoxen definitiv den Raum des Rechtes. Im Jahr 432 wird denbedeutenden Patriarchen Nestorius, dasselbe Schicksal ereilen. Damittrotzten sie dem Geist Gottes, der „auf dem Messias liegt...“ von dem der‚allein wahre Gott’ voraussagte: „Er wird den Völkern das Rechtverkünden. Er wird nicht zanken und nicht schreien, und man wird seineStimme nicht auf der Straße hören. Das geknickte Rohr wird er nichtzerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen, bis er dem Rechtzum Sieg verholfen hat“ (271) Am Maßstab ‚Erkenntnisumsetzung und -bewahrung’ sind wir sicherlich allesamt zu messen. Sind nicht eigentlichdiejenigen die Häretiker die sich gegen das Bemühen des Anderen umWahrhaftigkeit wenden? Was war es, was nur 50 Jahre nach Nicäa, denChristen Ambrosius bewegte Kaiser Theodosius I. zu ermutigen, dasGesetz zum Glaubenszwang gegen das Toleranzreskript von Mailand zu_______________(269) bei Joh. Adam Moehler, „Athanasius der Große und die Kirche in seiner Zeit“ 2.Aufl. Mainz 1844 Verlag Kupferberg, ep.ad Monach. C. 1-2. fol 343(270) Manfred Clauss „Alexandria, Schicksale einer antiken Weltstadt“ 2. Aufl. 2004zitiert Athanasius, Historia Arianorum, 5,13(271) Matth. 12: 18-2086


novellieren? „Alle Völker, über die wir ein mildes und maßvolles Regimentführen sollen sich, so ist unser Wille, zu der Religion bekehren, die dergöttliche Apostel Petrus den Römern überliefert hat, wie es der von ihmkundgemachte Glaube bis zum heutigen Tage dartut und zu dem sich derPontifex Damasus klar bekennt...“ (272)Wer war dieser Damasus und wozu hat er sich klar bekannt? Diese beidenFragen hat, wie wir sehen werden, die Geschichtsforschung nichtzugunsten des Pontifex Damasus, beantwortet.Athanasius Hetzreden und die KonsequenzenDer bekannte Theologe Schleiermacher kann jedenfalls nicht umhinfestzustellen, dass „Athanasius... das Signal zu den Verfolgungen gegebenhat. Schon auf dem Nicänischen Konzil mag er die Hauptursache desstrengen konstantinischen Dekrets gewesen sein... Er fängt überall mitSchimpfen und Heftigkeit an und ist unfähig und unbeholfen imDisputieren.“ (273)Bereits in seiner zuverlässig überlieferten 1. Rede gegen die Arianer töntAthanasius: „Wenn man sie aber logisch untersucht, so wird es sichherausstellen, dass sie (die andersdenkenden Christen) bitteren Spott undHohn verdienen..., verdienen sie nicht allen Haß?” (274)Auch Hans Lietzmann stellt fest: „Er wird die nicänische, orthodoxeLeitfigur der kommenden Kämpfe.“ (275)Das Buch Mormon lehrt gegen diesen Trend zum Inhumanen: „Es ist nichtmeine, (Jesu), Lehre, dass den Menschen das Herz zum Zorn aufgestacheltwerde, sondern es ist meine Lehre, dass es derartiges nicht mehr gebensoll. ...Wer den Geist des Streites hat, ist nicht von mir...“ (276)Athanasius Anklagen verstummten nie wieder:„Unter Rückgrif auf typische Formen der Polemik greift Athansius seineGegner an und diskriminiert ihre Handlungsweise grundsätzlich.... dassdie Arianer sich wie dauernd umherschwirrende Stechmücken verhalten,ist eine Metapher. Die Athanasius immer wieder verwendet.“ (277) Von da____________(272) Aus dem Text des Staatsgesetzes „Cunctos populos“ von Februar 380.(273) Joachim Boekels, Dissertation: Schleiermacher <strong>als</strong> Kirchengeschichtler - 1993Google Books Result(274) Maßgebliche Werke des Hl. Athanasius in der Übersetzung der "Bibliothek derKirchenväter" (auch in RTF-Format)(275) Hans Lietzmann „Geschichte der Alten Kirche“, de Gruyter, 1999, S. 8(276) Buch Mormon 3. Nephi 11: 30 + 29(277) Annette von Stockhausen „Athanasius von Alexandria Epistula ad afros.“ Walterde Gruyter Uni Erlangen 2001 S. 186-18787


an, so urteilt auch Adolf von Harnack, erfüllte „die Sprache das Hassesdie Kirchen.“ (278)Schon die Art, wie Athanasius nach dem Tode seines Bischofs Alexander327 sich „in einer Art Husarenritt von einer Minderheit zu seinemNachfolger“ wählen ließ, hätte auch seine Sympathiesanten stutzig machenmüssen. Jetzt will er Metropolit und mehr werden! Bösartig provoziere erden Widerstand seiner Gegenspieler um sich selbst wichtiger zu machen.Seine Reden wurden immer schärfer. Im scharfen Ton eineskommunistischen Kommissars der 20er Jahre gegen Kulaken undangebliche Konterrevolutionäre hetzte der Häretiker: „Ich glaubte, dieHeuchler des arianischen Wahnsinns würden sich auf das, was ich bisherzu ihrer Widerlegung und zum Erweis der Wahrheit vorgebracht habe,zufrieden geben und nunmehr sich ruhig verhalten und bereuen, was sievom Heiland übel gedacht und geredet haben. Sie aber geben inunbegreiflicher Weise auch jetzt noch nicht nach, sondern wie Schweineund Hunde in ihrem eigenen Auswurf und Kot sich wälzen, so erfinden sievielmehr für ihre Gottlosigkeit neue Wege.“ (279) Man spürt, wes Geistesdieser Mann ist. Wer nicht glaubt wie er, der ist gottlos, die „…Arianer(sind) keine Christen... Sie sind die Erfinder von Gotteslästerungen und inWahrheit die Gottesfeinde, da sie sich, um den Sohn nicht <strong>als</strong> Bild desVaters anerkennen zu müssen, vom Vater selbst leibliche und irdischeVorstellungen machen...“ (280)Bald brachte der alexandrinische Volksmund das Sprichwort auf:Athanasius contra mundum. Athanasius gegen die Welt.Er hält sich für den großen Sachverständigen und folgert messerscharf:„...Wenn aber Gott nicht wie ein Mensch (aussieht), er ist es nämlich nicht,so darf man auf ihn keine menschlichen Eigentümlichkeiten übertragen...Vergebens <strong>als</strong>o sannen die Unverständigen auch dies aus, sie, die vomVater das Bild loslösen wollten, um den Sohn der Kreatur gleichzustellen.Indem nun die Anhänger des Arius nach der Lehre des Eusebius ihn in dieReihe des erschaffenen Wesen stellten und ihn dem gleichgearteterachteten, was durch ihn entsteht, so weichen sie von der Wahrheit ab,und indem sie sich trügerische Sprüchlein schmiedeten, gingen sie imAnfang, <strong>als</strong> sie diese Häresie schufen, überall herum...“ (281) AberAthanasius, der geborene Politiker sucht Verbündete, auch unter den_________________(278) A. von Harnack „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ Mohr-Siebeck, 1990 S.236(279) Maßgebliche Werke des Hl. Athanasius in der Übersetzung der "Bibliothek derKirchenväter" (auch in RTF-Format) Aus der 1. Rede(280) ebenda(281) ebenda88


Paganen, er bedarf der Unterstützung aller Kreise die ihm irgendwannnützlich sein könnten. Darin ist er nicht erfolglos. Man spürt jedoch, wer erist. Kaiser Konstantin ist indessen verärgert, <strong>als</strong> er vernimmt, was seinChefideologe da im fernen Alexandria treibt. Konstantin mag zu denrücksichtslosesten Machtmenschen aller Zeiten gezählt werden, doch anFrieden und Stabilität in seinem Reich lag ihm, aus wiederum egoistischenGründen, viel. Kaiser einer Horde Barbaren zu sein, wäre wenigschmeichelhaft für ihn gewesen.Beschwerden über Athanasius, <strong>als</strong> Kirchenfürst und heimliches HauptAlexandrias, waren bei Hofe eingegangen. Deshalb ordnet der Imperatorbereits 328 Ruhe an, und was den Intimfeind des Athanasius angeht „dassArius wieder in die Kirchengemeinschaft Alexandrias aufgenommen wird,... „doch Athanasius weigerte sich aus Gründen der Rechtgläubigkeit...“Nach Manfred Jacobs erhebt sich hier jedoch die wichtige Frage „ob esAthanasius wirklich entscheidend um die Rechtgläubigkeit gegangen sei,sondern darum, seine Stellung <strong>als</strong> Metropolit Alexandria zu festigen undauszubauen...“ (282) Als Arius um 330 ankündigte, er werde nun doch eineranderen Kirche angehören <strong>als</strong> Athanasius, und <strong>als</strong> Konstantin vernimmt,dass dieser kleine junge Mann ihm trotzt erregt sich der Kaiser. Nochrichtet sich sein Zorn nicht gegen Athansius. In seiner Wut, da er einsehenmuss, dass das Konzil zu Nicäa letztlich nur den Hader vergrößert hat,während er Athanasius theologisch nicht widersprechen darf, wenn er sichselber nicht unglaubwürdig machen will, „befiehlt Konstantin nun dieBücher des Arius zu verbrennen und seine Anhänger fortan„Porphyrianer“ zu nennen. Das heisst, sie den schlimmstenChristusfeinden gleich zu setzen... Die Besitzer arianischer Bücher sollensogar mit dem Tode bestraft werden.“ Das berichtet SokratesScholasticus. (283) So „ verfolgte (Konstantin) die Arianer, - und dieOrthodoxen haben das gebilligt.“ (284) Dann kippt die GrundhaltungKonstantins. Er der viele Probleme zu lösen hat, befiehlt definitiv Ruhe an.Aber Athanasius ist taub, er geht stur voran. Er rechtfertigt sich vor demKaiser mit Beteuerungen, der Kaiser und er seien die Opfer arianischerVerleumdungen. Die Forschung weiss es besser und es ist anzunehmenauch Konstantin : „Die These von der Opferrolle des Athanasius kann...aufgrund der 1913 u 1914 von H. J. Bell aufgefundenen Papyri bezweifeltwerden, in denen die beiden melitianischen Kleriker Callistus und Pagenus_______________(282) Manfred Jakobs, „Die Reichskirche und ihre Dogmen...“, Kleine Vandenhoek-Reihe 1987, ,S.30(283) Rudolf Lorenz, „Das vierte Jahrhundert“, 1992, S. 143, Google Book R(284) A. von Harnack „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ Mohr-Siebeck, 1990 S. 23589


über die Brutalität berichten, mit der Athanasius die Melitianer verfolgthabe.“ (285) Unter diesen Vorzeichen beginnt die Synode zu Tyrus 335.Christoph Markschies sagt: „Wir kennen ein (für Athanasius) wenigschmeichelhaftes Stimmungsbild der Situation in Alexandria aus der Federeines Melitianers aus dem Jahr 335: ein Bischof dieser Gemeinschaft ausLeontopolis, der in die Hafenstadt gekommen war, wurde von betrunkenenSoldaten überfallen und sein Begleiter inhaftiert. Es gab Tote. Nach KarlHoll handelte es sich um ‚Maßnahmen’, die Athanasius ergriff, um dasTreffen einer melitianischen (arianischen G.Sk.) Synode in seinerHeimatstadt zu verhindern.“ (286) „Fünf melitianische Bischöfe beschuldigtenAthanasius in Tyrus 335, dass er sie habe prügeln lassen.“(287) Konstantin konnte es nicht mehr ertragen. Was bildete sich der‚schwarze Zwerg’, ein. Er verbannt ihn nach Trier, stellte ihn unterAufsicht seines ältesten Sohnes Konstantin des Jüngeren. (288)„Das Ergebnis der Synode von Tyrus brachte... den endgültigen Bruchzwischen Athanasius und Konstantin.“ (289) Unter „Androhung derVerbannung war Athansius zum Erscheinen aufgefordert worden. Dabeihatte er zu seiner Unterstützung 48 ägyptische Bischöfe mit nach Tyrusgenommen, die nicht eingeladen waren“ (290 )– es half ihm alles nichts. Erwar zu weit gegangen. Einfluss auf diesen Gang der Ereignisse wird auchKonstantins Halbschwester Konstantia genommen haben. Bereits zumZeitpunkt des 1. ölumenischen Konzeils 325, erkannte Konstantin, dass eran ihr einiges gut zu machen habe. Er hatte seinen Eid gebrochen den erihr geleistet, indem er ihren Ehemann Mitkaiser Licinius ermorden ließ,nachdem er ihn entmachtete. 312 waren sie Waffenbrüder gegenMaxentius gewesen, 313 hatten sie gemeinsam das Toleranzreskript vonMailand unterschrieben, aber dann kam es zu den abzusehendenSpannungen weil Konstantin sich außerstande sah zu teilen. DieUniversalmonarchie oder nichts! Diese Idee muss ständig durch das_______________(285) Patricia Just, „Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christlicher Kirche zwischendem 1. Konzil zu Nicea (325) und dem 1. Konzil zu Konstantinopel (381)“ , FranzSteiner Verl. 2003 , S. 54(286) Christoph Markschies, „ Alta Trinita Beata: Gesammelte Studien zuraltkirchlichen Trinitätstheologie“ Mohr Siebeck, 2000, S. 187(287) Rudolf Leeb, „Konstantin und Christus“ Walter de Gruyter 1995 S. 179(288) Christoph Markschies „Alta Trinita Beata“ Mohr Siebeck , 2000(289) Patricia Just, „Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christlicher Kirche zwischendem 1. Konzil zu Nicea (325) und dem 1. Konzil zu Konstantinopel (381)“ , FranzSteiner Verl. 2003 , S. 56(290) Rudolf Lorenz „Die Kirche in ihrer Geschichte – Das vierte Jahrhundert“90


Hirn des Machtgenies gezuckt sein. 324 schlägt der stärkere Schwager denSchwächeren. Das von Jesus verachtete Wolfsgesetz, das er überwindenwollte, kam erst mit und in Konstantin zu voller Geltung.Nicht genug damit dass er Licinius töten ließ, auch dessen Sohn musstebeseitigt werden, damit die Konstantindynastie die ganze Beute erbt.In dieser Geisteshaltung betrat der angeblich bekehrte Imperator 325 diechristliche Bühne. Dieser Hero der Brachialgewalt wollte und sollte allerRömer Herr und einziger Gott werden. Dass Konstantins Sinn sichirgendwann nach Nicäa gewandelt hätte, ist zweifelhaft. Er ging seinenWeg, allmählich allerdings duldete er gewisse arianische Tendenzen. „Aufihrem Totenbett... anempfahl Konstantia ihrem Bruder ... einenarianischen Presbyter der in ihrem Haushalt lebte.... Athanasius beklagtesich (später) über die Macht der Antinizäer mit den Worten... sie hättenwegen der Frauen die Unterstützung des Kaisers“ (291) Nicht zu vergessenist, dass „die Gruppe die Arius einst unterstützt hatte und auf dem Konzilzu Nicäa wegen ihrer sehr verschiedenen Haltung zur ‚fides ni<strong>ca</strong>ena’auseinandergebrochen war wieder zusammen gefunden hatte. (sie)verfügte nicht einmal 3 Jahre nach ihrer Katastrophe wieder über nahezualle ihre Machtpositionen.“ (292) Athanasius wohl genug Realist,einsehend, dass er nicht der Erste werden kann, trachtete nach gutenBeziehungen mit Rom. Gegenseitig unterstützten sie sich, Bischof Julius I.und er. Das war das Erfolgsrezept. Athansius anerkannte Julius, einwichtiger Schritt zum dauernden Primat Roms. So „wird Rom zumSprecher des Abendlandes... Bischof Julius zögert keinen Augenblick dieBesonderheit der Lage zu nützen... er hält es für Recht, dass man sich inFragen die die Bischöfe betreffen nach Rom wende. Aus der Gelegenheiteines ökumenischen Streites sucht Rom für sich die Stellung einerkirchlichen Oberinstanz der Ökumene zu gestalten“ (293) Im Jahr 340beruft Julius nach Rom eine Synode ein, um Athanasius, der vom seinemneuen Kaiser, Constantius II., einem - leider fanatischen - Arianer und Herrdes Ostens, nicht geliebt wird, <strong>als</strong> rechtmäßigen Bischof Alexandrias zubestätigen. Doch bereits im nächsten Jahr, findet „die Synode zu Antiochiastatt. Die Orientalen kommen zusammen und verurteilen Athansius undseinen Anhang erneut. Diese Synode weist den Vorranganspruch Romsab.“ (294) Constantius II. macht Athanasius später den Vorwurf „er habeihn und seinen Bruder (Constanz der ein Athanasianer und Kaiser des______________(291) Rudolf Leeb, „Konstantin und Christus“ Walter de Gruyter 1995 S. 163(292) Christoph Markschies „Alta Trinita Beata“ Mohr Siebeck , 2000, S. 177(293) M. Jakobs „Die Reichskirche und ihre Dogmen“, Kl. Vandenh.-Reihe 1987, S. 34(294) ebenda91


Westens war) bewusst entzweit.“ (295) Der Patriarch von KonstantinopelGregor von Nazians äußert sich über diese Periode: „Ich gehe jederVersammlung von Bischöfen aus dem Weg. Ich habe noch nie erlebt, dassdabei etwas Gutes herausgekommen ist und dass einem Übel ein Endegesetzt worden sei... es gibt immer nur Streit und Herrschsucht.“ (296) AlsAthanasius Jahre zuvor ‚seinem’ Kaiser Konstantin drohte, er habe sovielEinfluss, dass er die Getreideschiffe von Ägypten aufhalten könnte, die inRom dringend erwartet wurden, verbannte Konstantin denGrößenwahnsinnigen 335 nach Trier.Die Kaiser nach Konstantin - vor allem der Konstantinsohn Constantius,ein Arianer - erkannten ebenfalls, welch ein Unruhestifter dieser kleineMann war. Sie sahen, dass Athanasius allenfalls von einem Zehntel derBischöfe des Reiches getragen wurde. Sie setzten den Mitschöpfer desorthodoxen Christentums wiederholt matt, indem sie ihn aus Alexandriaentfernen ließen. Constanz hatte klugerweise, für 343, „ein gemeinsamesSchlichtungskonzil nach Serdi<strong>ca</strong> an der Grenze der beiden Reichsteileeinberufen und sein Bruder (Constantius) ging darauf ein. Die Bischöfedes Westens bestanden auf einer Teilnahme des verbannten Athansius.Daraufhin verweigerten die Orientalen ihre Mitwirkung. Beide Gruppenexkommunizierten sich gegenseitig. Bei der nächstfolgende Schlacht umden Stuhl von Konstantinopel soll es 3510 Tote gegeben haben...“Constantius war zu Kompromissen bereit „... nach dem Sturz des(katholischen) Constanz durch Magnentius 350 suchte Athanasius bei demUsurpator Unterstützung gegen Constantius. Diese hochverräterischenBeziehungen kamen ans Licht, und der Kaiser ließ Athanasius durch 2Synodalbeschlüsse 353 und 355 in Mailand zum 3. Mal absetzen.“ (297)Doch Athanasius fiel immer wieder auf die Beine. Die gesamtpolitischenUmstände waren ihm günstig. Sein Hauptanliegen, seine persönlicheGottesvorstellung durchzusetzen, sollte schließlich mit Hilfe rücksichtsloser,vorrangig politisch orientierter Christen gelingen. Dass dabei die vonGoten gestiftete deutsche, arianische Kirche vernichtet wurde ist einanderes Blatt im Geschichtsbuch._________________________(295) M. Jakobs „Die Reichskirche und ihre Dogmen“, Kleine Vandenhoek-Reihe1987, S. 31(296) ebenda S 47(297) A. Demand „Geschichte der Spätantike“ , 2008, C.H. Beck S. 11392


Die Synode zu Rimini 359Politisch war Athanasius auf die Dauer gesehen erfolgreich. Wie stark oderschwach indessen seine theologische Position war und ist belegt dergesamte Verlauf der Rimini-Synode. Unter Umständen lassen Menschensich leicht beeinflussen, auch diejenigen, die so tun <strong>als</strong> wäre ihreÜberzeugung hart und echt wie ein Diamant.Viele Nation<strong>als</strong>ozialisten und sogar eigentlich eher unpolitische Offiziereund Soldaten gingen 1941 für ihren Führer noch durchs Feuer. Drei Jahrespäter wünschten sie daran nicht mehr erinnert zu werden.Prof. Hans Lietzmann schildert den Verlauf der Riminisynode lebhaft: „InRimini kamen über 400 Abendländer zusammen... die ... Mehrzahl derBischöfe erklärte, von dem nicäischen Bekenntnis nicht abgehen zukönnen... es kam schnell zu einer Scheidung der Parteien, und die Kaiser(Constantius II. einem Arianer) zustimmende Minderheit von 80 Bischöfeverließ die große Kirche und verlegte ihre Sitzungen in einenleerstehenden Saal. Am 21. Juli 359 wurden Bischof Valens von Mursa,Ursacius und Gaius <strong>als</strong> Häretiker und Feinde des nicäischen Glaubensverdammt... Beide Seiten schickten je 10 Bischöfe oder Deputierte zumKaiser. Das Schreiben der (größeren) Synode lehnte jede Erörterung dergemachten Vorschlage ab und forderte Erlaubnis zur Heimreise. Diekaiserliche Antwort lautete: „Der Monarch sei zur Zeit nicht in der Lagedie Deputation zu empfangen... er habe aber angeordnet das die Herren inAdrionopel warten sollten bis er zurückkehre...“Sie aber drängten, sie müssten zurückkehren... doch sie saßen in Nikeeinem kleinen Nest bei Adrianopel fest... bekamen fleißig Unterricht überdie theologischen Anschauungen Bischof Valens von Mursia, bis sieendlich am 10. Oktober bereit waren, ihren Auftrag zu verleugnen, dieAbsetzung des Valens und Genossen zu widerrufen, inKirchengemeinschaft mit ihm zu treten und das vorgelegte Symbol zuunterzeichnen.... Das Aktenstück enthält 14 Namen. Jetzt durften siezurückreisen und von ihren theologischen und höfischen Erfahrungenberichten. Dort (zurückgekehrt nach Rimini) erfuhren sie auch, der hoheStaatskommissar der Praefectus Praetoriio Taurus, (sei angewiesenworden), die Bischöfe nicht eher nach Hause reisen zu lassen, bis sie sichgeeinigt hätten. Als Belohnung war ihm das Consulat des nächsten Jahresin Aussicht gestellt... (wenn alle unterzeichneten) Ein hartnäckiger Restkönne in die Verbannung geschickt werden, es dürften aber nicht mehr <strong>als</strong>15 Bischöfe sein... einer nach dem anderen sah ein, dass er eigentlich garkeine Ursache habe zum Märtyrer des nicäischen Bekenntnisses zu93


werden. Es war ja freilich <strong>als</strong> Parole ausgegeben worden, aber doch erstseit wenigen Jahren und nur zum kirchenpolitischen Gebrauch: Imkirchlichen Leben des Abendlandes spielte es gar keine Rolle, und werkonnte überhaupt diese griechischen Spekulationen verstehen? Ossius(über einhundertjährig) und Liberius hatten ja schließlich auch mit sichreden lassen, und es werde allmählich kälter und der Heimweg war weit....(Vielleicht, war einer da, der darauf verwies, dass daheim die liebenEhefrauen sich bald von anderen Männern trösten lassen könnten. Siewaren ja fast ausnahmslos Verheiratete. G.Sk.) „Scharenweise wechseltendie milde gewordenen hinüber, schließlich blieb eine Gruppe von 20Aufrechten übrig, aber auch sie erlagen am Ende dem Zureden des Valens(gemeint ist hier der antinizänische Bischof Valens von Mursa G.Sk.) undsie schickten eine Erfolgsmeldung an den Kaiser, sie möchten nun endlichnach Hause entlassen werden.“ (298)Heiliggesprochene Unheilige und ein von Christenhandgeköpfter Heiliger.Die in Frage zu stellenden Namen einiger der Heiliggesprochenen lauten -stellvertretend für viele andere - :Damasus der 366 Papst werden will,Ambrosius von Mailand der zwischen 374 und 397 die antike Welterschüttert, sowie Augustinus von Hippo und Epiphanius beide um 390und Innozenz I. um 410, dessen angebliches Pontifikat von 402 – 417dauerte, sowie Cyrill von Alexandria der um 431 unselig agiert.Priscillian von Avila, der 385 von Christenhand geköpfte, ist der andere.Eine Anzahl Arianer Roms gingen am frühen Morgen des 26. Oktober desJahres 366 in ihre kleine Julii-Kapelle (heute: St. Maria in Trastevere). Siekamen wahrscheinlich ahnungslos zum Gottesdienst, um zu singen und zubeten, über ihr Leben nachzudenken und was sie an diesem Tag bessermachen konnten <strong>als</strong> zuvor. Sie dachten über ihr Verhältnis zu Licht undWeisheit nach. Das war ihr Fehler. Sie hätten sich keine Gedanken machensollen. Sie hätten einfach blindlings glauben sollen was allen Christen seitNicäa zugemutet worden war. Wie kann man nur so dumm sein und sichein eigenes Bild von den Dingen und vom lieben Gott machen zu wollen.Das Denken über theologische Fragen stand denen zu, die sich auskannten,wie Kaiser Konstantin, der Inspirator und Herr des nicänischen Konzils.Die römischen Arianer hätten, ehe sie sich an diesem Morgen in ihr______________(298) Hans Lietzmann, „Geschichte der Alten Kirche“, S. 226-22894


schlichtes, kreuz- (299) und altarloses (300) Gemeindehaus begaben,vorsichtiger <strong>als</strong> sonst sein müssen und die zunehmenden Drohungen ernstnehmen sollen. Das war ihnen doch nicht entgangen, dass sich BruderDamasus über ihren Bischof Ursinus enorm geärgert hatte, sie wusstendass Damasus der Erste Mann der Kirche sein wollte. Es hieß doch, erhabe auf dem Stuhl Petri Platz genommen der - entweder <strong>als</strong> Idee oder <strong>als</strong>Gegenstand - gerade aus Antiochien (301) angekommen sei. Dieser Stuhl,den nach Aussagen maßgeblicher Katholiken, vor 360 kein Römer kannte,besaß angeblich magische Kräfte. Wer auf ihm Platz nahm, der regierte anPeters (Petrus) Stelle. Sie haben es doch vernommen: Damasus werdenicht erlauben, das Bruder Ursinus, dieser unverbesserliche Arianer ihmirgendwie im Wege steht. Er werde ihm eine Lektion in Sachen Disziplinund wahrer Religion erteilen. Bischof Ursinus hätte vor der Tür stehen undsie warnen sollen: Ich habe heute Nacht schlecht geträumt; dass er völligahnungslos war, scheint unwahrscheinlich. Aber, so waren sie nun einmaldiese Arianer, sie vertrauten auf Gott, der sie, wie sie leichtfertigerweisemeinten, nicht im Stich lassen würde. Die Arianer fürchteten zwar, dochnoch wussten sie nicht, dass die Athanasianer, sobald ihrem angemaßtenVormachtsanspruch widersprochen wird, weder Gnade noch Rechtkannten. Deshalb rückte „(um) acht Uhr morgens, Damasus mit seinemgottlosen Anhang heran. ... mit (dem) gesamten Klerus, alle mit Beilen,Schwertern und Knitteln bewaffnet...“ (302) Unverschämtes Rumoren störteihre Andacht. Das Pochen an ihrer Kirchentür lässt die Versammeltenzusammenfahren. Die Mütter legten ahnungsvoll und fürsorglich, dochvergeblich die schützenden Arme um ihre Kinder. Ein Ältester hob dieHände zum Gebet, da krachte das Holz. „Sie werden doch nicht?“ Und ob,sie werden! Mit ihren Knüppeln und Äxten fuhren sie dazwischen.„Wer nicht nicänisch glaubt ist kein Christ!“ Nüchtern resümiert derBericht: „während kein einziger Damasianer fällt erliegen 160 Ursinaner“(303) dem Angriff. Ursinus entkommt mit einigen Freunden,__________________(299) Die Christen vor Konstantin kannten das Kreuz <strong>als</strong> christliches Symbol nicht.Erst das Konzil zu Ephesus 432, erklärte es dazu. Das Kruzifix kam erst nach demachten Jahrhundert auf.(300) K-P. Hertzsch, „Theologischen Lexikon", Union –Verlag, Berlin, 1977. S.13: „Esgeht um das Sitzen um den Tisch. Wobei wieder deutlich wird, dass es in einerchristlichen Kirche eigentlich keinen Altar geben kann, sondern nur einenAbendmahlstisch.“(301) Gabriel Rabo „Geschichte der Syrisch-Orthodoxen Kirche“, Uni Göttigen, 2006:„der Stuhl Petri zu Antiochien ist älter <strong>als</strong> der Stuhl Petri zu Rom.(302) Martin Rade lic. Theol. „Damasus, Bischof von Rom“, 1882, S. 14.(303) ebenda95


wahrscheinlich durch einen Hinterausgang. Die anderen liegen in ihremBlut, verstümmelt und leblos. In den vielen Gemeinden Großromsentschließen sich auf diese Schreckensnachricht hin, die Arianer zumWiderstand. Sie werden nicht zulassen, dass Barbaren ihre Frauen undKinder wegen eines frommen Vorwandes hinschlachten.Noch liegen einige Tatsachen im Dunkel. „...es (kam jedoch) zu einemdreitägigen Blutvergießen (vgl. Coll. Avell. I, 5).“ (304) KaiserValentinianus I. wird zwar unterrichtet, doch ihn plagten andere Sorgen.Seine Präfekten werden es schon zu händeln wissen. Einzelheiten wurdenvertuscht, das Resultat lautete: „Erst aufgrund der Unterstützung desStadtpräfekten Viventius und des praefectus annonae Julianus gelingt esDamasus schließlich, die Oberhand in Rom zu gewinnen.“ (305) Der erstenäher bekannte Krieg der Athanasianer gegen Arianer muss gedauerthaben. Wie viel Bestechungsgelder durch Damasus gezahlt wurden um,schlachtentscheidend, den Stadtpräfekten auf seine Seite zu ziehen wissenwir nicht. Bekannt ist dagegen. dass der wegen seiner ‚Verdienste’ bei derBekämpfung der Arianer heilig gesprochene Damasus wenig später in Sausund Braus lebt und in kostspieligen Kutschen durch die Stadt reist.Zeitgenosse Hieronymus, Damasus späterer Sekretär, <strong>als</strong> Bibelübersetzerberühmt geworden, berichtet nur, dass „jener Heide Prätextat, der imJahre 367 so energisch wider die Ursinianer einschritt, scherzend zuDamasus zu sagen pflegte: „Macht mich zum Bischof der Stadt Rom undich will sofort Christ werden!... (Noch war ja das Gesetz zumGlaubenszwang nicht verabschiedet worden, noch durfte ein römischheidnischerPräfekt so reden und spötteln ohne Gefahr für sein Lebenbefürchten zu müssen. Zwanzig Jahre später hätte er das nicht mehrgewagt. G.Sk.) ...Im Munde des Prätextatus war das ein sehr bezeichnendesWort, denn er war der erste und reichste Senator und seineJahreseinkünfte betrugen mindestens eine Million und 152 000 Thalerunseres Geldes ... Und ich leugne nicht, wenn ich den Pomp derstädtischen Verhältnisse ins Auge fasse, dass hiernach (d. i. nach derrömischen Bischofswürde) gierige Männer mit aller Anspannung ihrerKräfte um die Erlangung des Ersehnten ringen müssen. Denn wenn sie ansZiel gelangt sind, kann es ihnen gar nicht fehlen, dass sie durch dieGeschenke der Frauen zu reichen Leuten werden, mit prächtigen Kleidernangetan in Kutschen fahren und so verschwenderische Gastmähleranrichten, dass ihre Diners es selbst der königlichen Tafel zuvortun." (306)________________(304) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(305) ebenda(306) M. Rade lic. Theol. „Damasus, Bischof von Rom“ 1882, Mohr-Siebeck Verlag,96


Damasus aufwendiger Lebensstil unterschied sich nicht nur von dem derersten Jünger, er widersprach den verbindlichen Weisungen die in derUrkirche galten: „Haltet euch fern von jedem Bruder, der einunordentliches Leben führt... Wir haben bei euch kein unordentlichesLeben geführt und bei niemanden unser Brot umsonst gegessen, wir habenuns gemüht und geplagt, Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinemvon euch zur Last zu fallen... <strong>als</strong> wir bei euch waren, haben wir euch dieRegel eingeprägt: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. Wir hörenaber, dass einige von euch ein unordentlichen Leben führen und allesMögliche treiben, nur nicht arbeiten. Wir ermahnen und gebieten ihnen imNamen Jesu Christi, des Herrn, in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihrselbstverdientes Brot zu essen... wenn jemand auf unsere Mahnung indiesem Brief nicht hört, dann merkt ihn euch und meidet den Umgang mitihm... weist ihn zurecht.“ (307)Damasus schätzte sich glücklich und nur darauf kam es ihm an. Offiziellheißt es weiter von ihm: „Damasus setzte sich durch mit Hilfe zweierReskripte der Kaiser Valentinian I. und Gratian, die die römischeDisziplinargewalt anerkannten. (308) Von Bedeutung ist die generelleToleranzbereitschaft Kaiser Valentinians, der wahrscheinlich das Wesendes Streites unter Bischöfen nicht verstand und der beiden Hauptrichtungenwohl gesonnen war. Da Kaiser Gratian sich später auf dieRatschläge Ambrosius einlässt, ist es kein Wundern, dass er die römische„Disziplinargewalt anerkennt.“ Nicht wer die Wahrheit oder diemenschlich bessere Lösung auf seiner Seite hat, sollte gewinnen, sondernwer die Staatsgewalt hinter sich bringen konnte.Den anderen Bischöfen wird angesichts des Barbarismus diesesUnheiligen, der Schreck in die Knochen gefahren sein. Sollte sein BeispielSchule machen? Zwei Jahre später „im Jahre 368, verursachte (‚Papst’Damasus) auch einen Überfall auf die Ursinaner in St. Agnes.“ (309)________________(307) 2. Thess. 3: 6-13 .(308): Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz: DieKaiser ordneten die „Mithilfe der staatlichen Beamten beim Vollzug kirchlicher Urteilean. Damasus bekämpfte den Arianismus... Ursinus wurde mit den beiden, ihnunterstützenden Diakonen aus Rom verbannt. ... die für ihn eintretenden Presbyterverhaftet. Weitere blutige Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beiderParteien in Rom lassen sich jedoch nicht vollständig unterdrücken. Nachdem sich dieLage vorerst etwas beruhigt hat, können Ursinus und seine Anhänger nach Bitten beimKaiser (Valentinianus I.) am 15. September 367 <strong>als</strong> Begnadigte triumphal nach Romzurückkehren. Wenig später, am 16. November 367, erlässt der Stadtpräfekt jedocherneut eine Ausweisungsorder“(309) Martin Rade lic. Theol. „Damasus, Bischof von Rom“ 1882, Mohr-SiebeckVerlag, S. 2997


Wohin mochte solche Brachialgewalt noch führen? Um was ging esfortan? Man müsste annehmen, die ganze christliche Welt würde nuneinhellig protestieren. Doch die betreffende Notiz lautet: „in dieser Zeitwird Damasus in der Epistula ad afros besonders wegen seiner Aktivitätengegen arianische Bischöfe gefeiert.“ (310) Damasus hielt es für geraten,seinen Taten im Nachhinein wenigstens den Anstrich von Rechtmäßigkeitzu geben. „Marcellin und Faustin erzählen in ihrer Präfatio: ‚Dieseschreckliche Grausamkeit (des Damasus) missfiel den Bischöfen Italiensallzu sehr. Als er sie nun zu seinem Geburtstag (dem Jahrestag seinerAmtserzwingung <strong>als</strong> Bischof) feierlich eingeladen hatte und einige auchwirklich gekommen waren (<strong>als</strong>o diejenigen die sich noch <strong>als</strong>kompromissbereit erwiesen) bestürmte Damasus sie mit Bitten undGeschenken (Bestechungsversuchen) ein Urteil über den heiligen Ursinuszu fällen. Da antworteten sie: Wir sind zum Geburtstag gekommen, nichtum (jemand) ungehört zu verdammen. So hatte Damasus Intrige nicht dengewünschten Erfolg.“ (311) Macht begehrte er und Macht erlangte er.„Damasus wird mit kaiserlichem Einverständnis der Oberrichter derKirche...“ und obenauf kommt ein weiteres Privileg, das er wahrscheinlichAmbrosius zu verdanken hat: „Der römische Bischof soll (allein) dempersönlichen Gericht des Kaisers unterstehen.“ (312) Die quasi Immunitätdes ‚römischen Bischofs’ zu erwirken sollte sich <strong>als</strong> Missgriff desmächtigen Kaiserberaters Ambrosius, (374 getauft) erweisen, das beweistder Verlauf der Kirchengeschichte. Nicht nur Damasus, der ganzenKirchenführung aller Zeiten, vor allem dem ‚kleinen Mann’ hätte es gutgetan, gemäß dem Rechtsgrundsatz „Vor dem Gesetz sind alle gleich“behandelt zu werden, wie Paulus lehrte „Ihr seid alle einer in Christus“(313), Ambrosius war geradezu besessen von der Idee, Rom sei der Nabelder Welt und die vom römischen Bischof geführte Kirche könne nichtsündigen. Wies sehr er irrte hat gerade auch Damasus Handeln bewiesen:„Die Angabe des Pontifi<strong>ca</strong>lbuches, dass man Damasus wegen Ehebruchverklagt habe, wird auf guter Tradition beruhen... doch der klagende JudeIsaak hatte keine Beweise. Er wird (von der Synode von 44 italienischenBischöfen) verwiesen, (sie) lobhudeln, preisen die Gerechtigkeit undFrömmigkeit des Kaisers Gratian..., es trieft vor Ergebenheit.“ (314)_________________(310) Annette von Stockhausen „Athanasius von Alexandria Epistula ad afros.“ Walterde Gruyter Uni Erlangen 2001 S. 186-187(311) ebenda S. 49(312) Martin Rade, „Damasus, Bischof von Rom“, 1882, S. 31(313) Galater 3: 28(314) Martin Rade, „Damasus, Bischof von Rom“,1882,98


Dass es Damasus weder um den Glauben noch um die Menschen gegangenwar, muss man <strong>als</strong> bedauerliche geschichtliche Tatsache hinnehmen, nichtunbedingt jedoch, dass dieser Mann <strong>als</strong> Heiliger Verehrung findet. Dierömisch- katholische Kirche widmet ihm den 11. Dezember <strong>als</strong> seinenGedenktag, ebenso die armenische Kirche. Seiner (ursinischen) Brüdergedachten nur die Nichtathanasianer. Ihr Schicksal kümmert viele bis zurStunde nicht. Hieronymus, der von 382 bis 385, <strong>als</strong> Sekretär des PapstesDamasus gearbeitet hatte, wusste wem er diente. Auch der neue Stil denDamasus <strong>als</strong> Briefeschreiber anschlägt, müsste ihm zumindest anmaßendvorgekommen sein, wenn nicht frech und f<strong>als</strong>ch: „In den Verlautbarungenvon Damasus... an die Adresse anderer Bischöfe fällt ein bis dahinungewohnt autoritärer Ton auf. An die Stelle von Rat und Bitte traten jetzthäufig Weisung und Befehl... er schrieb: „dadurch, dass eure Liebe demapostolischen Stuhl die schuldige Ehrerbietung erweist, ehrt ihr uns ammeisten, geliebte Söhne, denn wenn wir auch besonders in der Kirche zurLeitung berufen sind, in welcher der heilige Apostel sitzend lehrte, wie wirdas Steuerruder, das wir empfangen haben, lenken müssen, so gestehenwir doch dieser Ehre nicht würdig zu sein.“ (315) Was denkt Hieronymus,von alledem? Im Jahr 365 oder 66, neunzehn Jahre alt, vor denStraßenschlachten, die sein späterer Arbeitgeber provozierte, ließ er sich inRom taufen. (316) Dann geht er nach Trier um seine Studien fortzusetzen,unterstützt von seinen wohlhabenden Eltern – oder war es Flucht vor denGräueltaten des Mannes der ihm irgendwann danach eine einträglicheStellung anbietet? Während dem flieht auch Ursinus, der von Damasusverfluchte Bischof (angeblich <strong>als</strong> Gegenpapst) im selben Jahr nach Gallienund später nach Mailand. Dort „in Mailand sucht er die Gemeinschaft derArianer.“ (317)Hieronymus der bewundernswert fähige Übersetzer der Bibel aus denUrtexten Hebräisch und Griechisch ins Lateinische (Vulgata) „beherrschtesieben Sprachen.“ (318) Lange Zeit hielt er sich zurück. Es heißt nur, vonihm sei, „mehr <strong>als</strong> ein bitteres Wort über die römische Kirche überliefertworden“ (319) Schwieg er zum Thema päpstliche Gewalt, weil der reiche_____________(315) Gert Haendler „Die Rolle des Papsttums in der Kirchengeschichte bis 1200“Vandenhoeck&Ruprecht, 1993, S.19(316) Stefan Rebenich, „Hieronymus und sein Kreis“ Franz- Steiner-Verlag, Stuttgart,2 000, S. 29 : es gibt Hinweise, „dass Hieronymus unter dem Episkopat des Liberius,d.h. vor 366 getauft worden sei.(317) M. Rade, „Damasus, Bischof von Rom“ 1882, Mohr-Siebeck Verlag, S.49(318) Ökumenisches Heiligenlexikon(319) G. Haendler „Die Rolle des Papsttums in der Kirchengeschichte bis 1200“Vandenhoeck&Ruprecht, 1993, S.13499


Kirchengewaltige ihn förderte? Wollte Hieronymus etwa selbst Papstwerden? Er diente dem ‚Papst’ jedenfalls bis dessen Tod. DiePiusbruderschaft St. Pius X. Distrikt Deutschland weiß zu berichten:„Nach dem Tode des heiligen Damasus am 11. Dezember 384 wurde derheilige Hieronymus nicht zu dessen Nachfolger gewählt, wie er esvielleicht erwartet hatte. Zu heftig war seine Kritik an der Verweltlichungdes römischen Klerus gewesen.“ (320) Vielleicht gingen seine frühenDamasus-kritiken verloren, wie das dam<strong>als</strong> üblich wurde, wenn sie nichtins Bild passten. Dennoch war er ein Opportunist, denn „er hatte vonOrigenes gelernt“, den er ... „später in seinen Werken verleugnete undkritisierte.“ (321) Dieser Trend des Hieronymus ist nicht zu leugnen. „Wohlab 393 bekämpfte der heilige Hieronymus die Theologie des Origenesmündlich und schriftlich, da er sie durch den greisen Bischof Epiphaniusvon Salamis <strong>als</strong> Irrlehre erkannt hatte“ (322) Allerdings erhebt sich dieFrage: war Hieronymus unfähig oder unwillig zwischen Intrigantentumund Streben nach Wahrhaftigkeit zu unterscheiden? Sich an und nachEpiphanius auszurichten war und ist wohl kaum zu empfehlen. DieForschung lässt jedenfalls im Wesen und in den Ansichten des sonderbarenHeiligen Epiphanius nur wenig Gutes erkennen. Dieser Mann „Epiphaniusließ 392 die meisten paganen Tempel Zyperns zerstören.“ (323) Epiphanius,der Zerstörer von Heiligtümern, der oft gelobte Metropolit Zyperns gehörtezu den entschiedensten Konstantinianern (Nicäern) überhaupt – obwohl ernie Origenes Präexistenzlehre in Frage stellte. Aber er hasste dieTugendlehre und Freiheitslehre des Origenes. und deshalb ist er daraufversessen das Glaubensgebäude der Origenisten und derer die ähnlichdachten, zu zerschmettern; straflos, zunächst. Epiphanius operierte gewolltbrutal. Die hellenische Welt klagt ihn scharf an: „Epiphanius …verfolgte__________________(320) Internet-Information am 20. Februar 2010(321) Ökumenisches Heiligenlexikon(322) Die Piusbruderschaft St. Pius X. Distrikt Deutschland: „...Bischof Epiphanius vonSalamis (habe den Origenismus) <strong>als</strong> Irrlehre erkannt hatte. Darüber kam es zum Streitmit seinem ebenfalls in Palästina lebenden, langjährigen Freund Rufinus und mitJohannes, dem Bischof Jerusalems (386 / 387 - 417), dem Nachfolger des heiligenCyrill (18.3.). Vorläufig wurde dieser Streit durch den Patriarchen Theophilus vonAlexandria (385 - 412) 397 beigelegt, doch dann begab sich Rufinus nach Westen, vonwo aus er die origenistische Theologie mittels seiner lateinischen Übersetzung zuverbreiten begann. Der Streit flammte erneut auf und erfasste selbst den heiligenJohannes Chrysostomos (27.1.) in Konstantinopel. Die Theologie des Origenes aberwurde endgültig 553 durch das fünfte ökumenische Konzil zu Konstantinopel <strong>als</strong>Irrlehre verurteilt.“(323) Vlassis G. Rassias, “Christian Persecution against the Hellenes“ Athen 2 000100


tausende Menschen paganen Glaubens.“ (324) Jesu Christi Lehre, Freundund Feind Respekt zu erweisen, verlor sich im Dschungel des Fanatismus.Origenes, der das allseitige Gutsein verlangte, hatte zu verschwinden,zumal er die Unantastbarkeit des freien Willens jedermanns auch mitdiesen Worten lehrte: „Erst ... in der Erwerbung der Tugend durcheigenen Eifer erwirbt der Mensch die Ähnlichkeit Gottes. Unentbehrlichfür das erreichen der Gottähnlichkeit ist <strong>als</strong>o die Entscheidungsfreiheit.“(325) Im berühmten Dialog des Syrers Bardesanus, um 200 aufgezeichnet,heißt es ganz im Sinne der Urkirche und Origenes: „alles sittliche Handelnerfolgt durch die Entscheidung des Willens zum Gutsein oder zum Bösen.Der Mensch kann sich von allem Schicks<strong>als</strong>zwang lösen und die Freiheitgewinnen, Gottes guten Geboten zu folgen, die dem Wesen des Menschenentsprechen und von ihm freudig ergriffen werden.“ (326)Auch die nächstgenannten Autoritäten bewerten den von den Hellenengetadelten und von Benedikt XVI. gelobten (327) Epiphanius negativ, wennauch unterschiedlich.Der Altsemistist Kurt Rudolph urteilt: „Epiphanius gilt <strong>als</strong> einer dereifrigsten Verfechter der Orthodoxie seiner Zeit und hat in dentheologischen Streitigkeiten wiederholt eine wenig schöne Rolle gespielt.Er ist es gewesen, der den Kampf gegen den Origenismus erst richtigentfachte... er ist der „Patriarch der Orthodoxie“... alle Häretiker(bezeichnet er) <strong>als</strong> wilde und giftige Tiere, deren Gift die Reinheitdes Glaubens gefährdet... Seine Sucht, möglichst viele Sekten undSektennamen anzuführen, ließ ihn völlig unkritisch bei der Behandlung derFakten verfahren und verleitete ihn sogar zu Erfindungen und_________________(324) Vlassis G. Rassias, “Christian Persecution against the Hellenes“ Athen 2 000(325) H.. Benjamnins „Eingeordnete Freiheit; Freiheit und Vorsehung bei Origenes.“E.J. Brill, 1994, S. 13(326) Hans Lietzmann „Geschichte der alten Kirche“ de Gruyter 1999. S. 267 u 568(327) Ansprache von Papst Benedikt XVI. am 16. Juni 2007: „Als guter Hirte zeigtEpiphanius (von Zypern G.Sk.) der ihm von Christus anvertrauten Herde dieWahrheiten, die zu glauben sind, den Weg, der zu gehen ist, und die Klippen, die zumeiden sind. Das ist eine Methode, die auch heute für die Verkündigung desEvangeliums gilt, besonders bei den jungen Generationen, die stark unter dem Einflußvon Denkströmungen stehen, die dem Geist des Evangeliums widersprechen. DieKirche findet sich heute, am Anfang des 3. Jahrtausends, vor Herausforderungen undProbleme gestellt, die sich von denen, die Epiphanius vorfand, nicht sehrunterscheiden. So wie dam<strong>als</strong> gilt es auch heute, aufmerksam zu wachen und das VolkGottes vor f<strong>als</strong>chen Propheten, vor Irrlehren und vor der Oberflächlichkeit vonAngeboten zu warnen, die nicht der Lehre des göttlichen Meisters, unseres einzigenErlösers, entsprechen.“101


unwahrscheinlichen Angaben... (das) wirft kein gutes Licht auf ihn. FürEpiphanius sind alle Häretiker, „ruhmsüchtig“, „eitel“ und „schlechtgesinnt“,ihr Abfall von der reinen apostolisch- kirchlichen Lehreverdammt sie zum Untergang... Stellenweise scheint er der Phantasiedabei die Zügel schießen zu lassen und der Lüsternheit zu frönen... hierliegen offenbar... böswillige Verleumdungen vor.“ (328)Die Folgen einer Verleumdung sind selten aufzuhalten, ihr Gift vermagden besten zu töten. Nachdem später das Wort von den brunnenvergiftendenJuden in die Köpfe der Leichtgläubigen gefallen war, wirktees sich auf den Straßen bald <strong>als</strong> üble Judenjagd aus.Der Übersetzer Josef Herman bekräftigt Rudolphs Urteil: „Im Jahr 392blieb es leider nicht beim sachlichen Kampfe; (den Epiphanius führte) eswurde ein persönliches Streiten mit allen Bitterkeiten ein unschöner Zwist,der die klaren Linien der Meinungen und Charaktere verzerrte....Epiphanius sah im Origenismus die gefährlichste aller Häresien. Nicht dieEwigkeit der Schöpfung, nicht die Präexistenz der Seelen und nicht dieallgemeine Apokatastasis oder die allegorische Auslegung gewisserSchrifttexte bildeten den größten Stein des Anstoßes, sondern ganzbesonders die Anklage: der Origenismus sei durch seinesubordinatianische Logoslehre der geistige Vater des Arianismusgeworden. (329)Wieder ist es ein Hinweis auf den Kern des Problems. Arius und seinAnhang gelten den Primitiven <strong>als</strong> Sündenböcke, die zu prügeln jedem‚Athanasius-Christen’ eine Ehre sein soll. Die hier wieder erwähnte Lehreder Urkirche, - wie sie durch Origenes und Arius vertreten wurde, - (dassder Vater eine andere Person <strong>als</strong> der Sohn ist,) sei ketzerischesubordinatorische Logoslehre; man habe sie, wie die Pest, zu hassen undzu bekämpfen. Man könnte sagen und fragen: Wegen solcher Kleinigkeit -unterschiedlich zu bewerten in welchem Grade der Sohn, der ohnehin demVater die Ehre gab (330) unter der liebevollen Hand seines Vaters stehtschlagt ihr eure Brüder? Aber für Fanatiker gibt es keine Kleinigkeiten.Unter dem Oberbegriff Athanasianismus gewann so der Ungeist derRechthaberei immer mehr an Einfluss. Eremiten in ihre grauen undbraunen Gewänder gekleidet, schürten bereits zu Epiphanius Zeiten_______________(328) Kurt Rudolph „Die Gnosis“ Koehler & Amelang, Leipzig, 1977, S. 23-24, 258(329) Josef Herman, „E. v. Salamis gegen die Antidikomarianten“ Kempten, München1919, Übersetzer aus dem Griechischen(330) Joh. 8: 28 „Ihr werdet erkennen, dass ich nichts in meinem eigenen Namen tue,sondern nur das sage, was mich der Vater gelehrt hat.“102


(um 390) die ohnehin erhitzte Stimmung. Langbärtig und ungepflegt fallensie <strong>als</strong> Vorhut der eigentlichen Streitmacht über das Land her. Sie stürmtenmit Brechstangen voran und zerschlugen alles was ihnen satanisch vorkam.Die verstümmelten Gesichter auf den Reliefs des heute in Berlin stehendenPergamonaltars sind nicht das Resultat christlichen Glaubens, auch wenneine Berufung auf einen Satz in der Offenbarung Johannes darauf verweist,dass in Pergamon der Sitz Satans stünde. (331) sondern die blinde Wut derKonstantingläubigen.Ebenso wenig wie wir imstande sind zu begreifen, warum die MassenHitler zujubelten obwohl er grob, dumm und offen von seinenunmenschlichen Zielen sprach, sind wir ausserstande das von Damasusund Epiphanius initiierte Treiben zu verstehen. Wenigstens dieIntellektuellen hätten dam<strong>als</strong> wie in junger Vergangenheit dieUnvernünftigen abblitzen lassen müssen. Kaum eine Spur davon, vonwenigen Mutigen abgesehen. Immer wieder ist es dieses Muster vonVerbohrtheit, das uns auffällt. Es ist der fatale Hang vieler sich fastbedingungslos einem Starken und Mächtigen unterwerfen zu wollen.Vernunft und Nachdenklichkeit verblassen vor jemandem der schon vorder Schlacht wie der Sieger aussieht.Die sogenannten „Deutschen Christen“ unter Führung des ReichsbischofsMüller, schworen dem Verführer Hitler, obwohl er primitiv und bösartigauftrat, die Treue, nicht weil sie blind waren, sondern weil sie nicht sehenwollten. „Der Vertrauensrat der Deutschen Evangelischen Kirche gabgegenüber Hitler der Hoffnung Ausdruck, ‚dass in ganz Europa unter IhrerFührung eine neue Ordnung erstehe und aller inneren Zersetzung, allerBeschmutzung des Heiligsten, aller Schändung der Gewissensfreiheit einEnde gemacht werde’ ... Verschwörer gegen Hitler wie DietrichBonhoeffer und Jesuitenpater Alfred Delp blieben Außenseiter, die manbewusst isolierte.“ (332)Jedem Normalbürger müssten die Haare zu Berge gestanden haben, <strong>als</strong> dieJudenverhaftungen in Deutschland begannen, doch: „Weder die evangelischennoch die katholischen Kirchenleitungen konnten sich aufraffen,offen für die verfolgten Juden einzutreten. Die Kirchen selbst waren voneinem latenten Antisemitismus durchsetzt. Nur dort, wo die eigeneSicherheit und Macht auf dem Spiel standen, traten die Kirchen dem NS-Staat entgegen…das Schicksal jüdischer Minoritäten war demgegenüberzweitrangig. Unter den Christen gab es etwa 300 000 Juden <strong>als</strong>______________(331) 2: 13(332) Pfarrer Hartwig Weber Jugendlexikon „Religion“ rororo, Rowohlt 1988, S. 330103


Gemeindemitglieder. 1933 standen 29 Juden in kirchlichem Dienst…1941forderte die Kirchenkanzlei der Deutschen Evangelischen Kirche dieKirchenbehörden dazu auf, „geeignete Vorkehrungen zu treffen, dass diegetauften Nicht-Arier dem kirchlichen Leben der deutschen Gemeindenfernbleiben…“ (333) und sie blieben schließlich sehr fern.Weil Epiphanius ähnlich unbrüderlich handelte, erhielt er von seinenGesinnungsgenossen den Titel ‚Rechtgläubiger’ oder ‚Orthodoxer’ -obwohl es zutreffender wäre ihn <strong>als</strong> den Prototyp der Rechtsradikalen zubezeichnen. Scheinbar unangefochten steht er heute noch in Ehren. DasKloster Gra<strong>ca</strong>ni<strong>ca</strong> im Kosovo zeigt ihn mit Heiligenschein und einemGewand, das mit Konstantinkreuzen XXX bedeckt ist.Zur Zeit des blutigen Sieges des Damasus wirkte in Mailand der dam<strong>als</strong>knapp noch nicht getaufte 30 jährige Ambrosius zunächst nurverwaltungspolitisch. Er wird jedoch von dem berühmten FlüchtlingUrsinus gehört haben, der Damasus entkommen konnte.Vierundreißigjährig wurde Ambrosius durch Kaiser Valentinian I. (demEhemann seiner späteren Erzfeindin Justina) zum Statthalter von Ligurienernannt. Noch sind die arianischen Glaubensgenossen des seit Herbst 366flüchtigen Ursinus bis zum Jahr 374 und auch danach noch in Mailandstark vertreten. Das allerdings sollte sich bald ändern. Noch ahnteAmbrosius nicht, dass er der Verursacher großer Veränderungen und desnamenloses Leids zehntausender Arianer sein wird.Er wird wegen seiner künftigen Wahl und Entscheidung zugunsten der‚orthodoxen’ Christen, die gesamte römische Welt in die Tiefen derUnkultur stürzen. Er wird das Aussehen der antiken Welt völlig verändernund schließlich zerstören. Noch allerdings sagte ihm die Kirche nicht viel,obwohl er schon an einigen Unterweisungen teilgenommen hatte. DasGezänke zwischen den beiden Christengruppen missfiel demOrdnungsmenschen, natürlich. Er „...war erst kurze Zeit Statthalter vonOberitalien mit dem Sitz in Mailand, <strong>als</strong> 374 der dortige arianischeBischof Auxentius starb. Er eilte in die Kirche, um den anlässlich derBischofswahl heftig entbrannten Streit der Arianer und Orthodoxen zuschlichten, war aber völlig überrascht <strong>als</strong> er nun von den beiden Parteienzum Bischof gewählt wurde, obwohl er widersprach und nochKatechumene, <strong>als</strong>o noch nicht getauft, war....“ (334) Ambrosius sah die sichöffnende Tür vielleicht erstaunt, erkannte jedoch, dass er selbst mit der________________(333) Pfarrer Hartwig Weber Jugendlexikon „Religion“ rororo, Rowohlt 1988, S. 49(334) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Verlag Traugott Bautz104


Kirche an Bedeutung zumehmen wird. Wie Konstantin erkannte erzugleich die Notwendigkeit, diese Kirche zur Einheit zu führen, - und seies mit Gewalt. Wie Konstantin in Nicäa, erschien ihm die athanasianischeVariante der Kirche <strong>als</strong> die geeignetere, um Reich und Glauben zuvereinen. Nachkomme eines der ältesten Adelsgeschlechter Roms, einfähiger Machtmensch, ehrgeizig, geradlinig denkend, sollte und wollte erlebenslänglich bleiben, was er zu Beginn seiner ‚christlichen’ Laufbahnwar: ein kalter, eloquenter und konsequenter Weichensteller. Die lapidareNotiz: „Ambrosius ließ sich von einem orthodoxen Bischof 30.11. 374taufen und 7.12. zum Bischof weihen...“ (335 ) hört sich nur harmlos an.Wahrscheinlich glaubte er zu Beginn an die Möglichkeit eine Kompromissformelfinden zu können. Das jedoch war in der Vergangenheit nichtgelungen, es sollte sich auch in der Zukunft <strong>als</strong> unmöglich erweisen. DieArianer ließen in allem mit sich reden, in der Frage, wer Gott ist, beharrtensie darauf, einen Gott den man sich nicht vorstellen kann, den gibt es nicht.War das Starrsinn? Auch weil er sich über Justina, die in Mailandwohnende Ehefrau Kaiser Valentinians ärgerte, die bekennende Arianerinwar, legte Ambrosius bald eine härtere Gangart vor. Wie Konstantinkannte er nur einen Gott, nicht eine aus drei Persönlichkeiten bestehendeGottheit. Und noch etwas kam zu erheblicher Bedeutung: sein Gott warmilde und gut, - zu den Orthodoxen - die sturen Arianer ärgerten ihn.Doch noch lässt der brillante Staatsrechtler, Politiker und Athanasianernicht seine Wut an den (bald durch ihn zu Staatsfeinden erklärten)Arianern aus. Er hatte stets Roms Größe vor Augen, dachte von Anfang an:was dem Staat dient, dient auch der Kirche und umgekehrt. Für ihn gab eskeine wesentlichen Unterschiede zwischen Strukturen und Zielen beider.Von ihm stammt der deutlich gegen Geist und Buchstaben der GrundsätzeChristi zielende Satz: „Wer den Glauben (d.h. das nicänische Bekenntnis)verletzt, bleibt nicht ungestraft.“ (336)Er redet auch schon bald so, wie Konstantin. Jede Verkündung aus seinemMund sei wie ein Gotteswort.Er ist der geborene Sieger. Elitär denkend beanspruchte er für sich und die‚Sache’ von Anfang an Sonderechte. Es ist das willkürlich zu Rechterklärte Unrecht, das er in die Welt setzen wird, denn Jesu umfassende____________________(335) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(336) Günther Gottlieb, Vandenhoek & Ruprecht, 1973 „Ambrosius von Mailand undKaiser Gratian“105


Freiheitsidee die niemanden ausschloss, blieb ihm zeitlebens wesensfremd.Andersdenkenden Christen und den Paganen aller Spielarten gestand er einIndividualrecht, wie sich erweisen sollte, entschieden nicht zu. Als Juristvon Format setzte er voraus, dass „Rechtgläubigkeit“ die „Nicht-Rechtgläubigkeit“ nicht zulassen darf..., aber ihm scheint nicht klargewesen zu sein, dass solche Einstellung zum Terrorismus führen muss.Erinnern wir uns: Jesus hatte gegen jedes machtpolitische Kalkül ein fürallemal verkündet, was sein Evangelium ist: „Mein Reich ist nicht vondieser Welt!... Gott hat mich gesandt ...den Gefangenen zu predigen, damitsie frei werden, ... ” (337)Da wurde das römische Reich, im Sommer 378, heftiger <strong>als</strong> je zuvor vonden Goten bedrängt. Seit einigen Jahren auf der Flucht versuchten imGebiet nördlich des Schwarzen Meeres lebende germanische Stämme sichvor den absolut rücksichtslosen und besser bewaffneten Hunnen südlichder Donau in Sicherheit zu bringen. Damit beginnt jene Völkerwanderung,die auf Europa befruchtend hätte einwirken können, denn wo es Goten gabgedieh, ihrer toleranten Grundhaltung wegen die Kultur. Die in Panikgestürzten Flüchtlinge sahen keine Möglichkeit auszuweichen. Soversuchten sie im römischen Reich Schutz zu finden.Kaiser Valens, dem arianischen Glauben nahe, erlaubte ihen zuerst dieDonau zu überschreiten, denn viele Goten hatten das Christentum derarianischen Richtung akzeptiert. Zumal die Goten gemeinsam mit denLegionen ihre neue Heimat verteidigen wollten.„Mit Kähnen kamen sie über die Donau... die Goten sollten (allerdings)für ihre Aufnahme ins Reich bezahlen, zu viel, (was sie nicht leistenkonnten) so nahmen die Kommandeure die Kinder der Goten. Darüberkam es (378) zum Kampf ... und in der Schlacht bei Adrianopel in derKaiser Valens fiel, siegten die Goten ...“ (338)Dass die römischen Kommandeure, die im allgemeinen die Kampfkraftder Germanen schätzten, ihren neuen Verbündeten, wie behauptet wird,die Lebensmittellieferungen sperrten, oder ihnen die Kinder wegnahmenmacht keinen Sinn. Angeblich ihrer Kinder wegen oder aus Hunger eineRevolte anzuzetteln konnte die Goten nur in neue Gefahren bringen.Valens habe die gotische Empörung niederschlagen wollen. Somarschierten sie gegeneinander, aber warum wirklich?_________________(337) Johannes 18: 36 und Lukas 4: 18(338) Leopold von Ranke „Werk und Nachlass“106


Gemeinsam mit Valens dem Kaiser im Osten sollte Gratian die Gotenzurückschlagen, um sie aus dem Balkangebiet zu verdrängen, doch dieUmstände hinderten Gratian daran Valens rechtzeitig die zugesagte Hilfezu leisten während Valens die Schlacht von Adrianopel verlor. Daraussollte mehr <strong>als</strong> eine unglücklich verlaufene Schlacht werden, nämlich einverlorener Krieg.Der Tod Kaiser Valens, der jüngere Bruder Valentinians I. (der wiederumein Halbbruder Kaiser Gratians war) in der Schlacht von Adrianopel, kamden Athanasianern sehr gelegen. Nun war der Weg frei für Gratian den19jährigen, <strong>als</strong> Gesamtkaiser, der unter Ambrosius Aufsicht stand.Alle Umstände deuten auf Absprachen hin.Gratian wünschte Frieden zu schließen.Ambrosius sagte nein!Er behauptete, die Goten seien Gottesfeinde. Er war Gratian an innererAutorität und Intelligenz überlegen. Er warnte ihn eindringlich, viele derGoten seien zwar getauft, aber damit auf den f<strong>als</strong>chen Glaubenverpflichtet, sie seien nur ‚christusfeindliche’ Lippenbekenner. Sie seienFeinde Roms. Ambrosius stemmte sich mit seiner kompletten Ideologiegegen eine friedliche Lösung des Problems Er wünschte nicht zu denken,dass viele dieser Goten, seine Brüder waren, Antinicäer sind keineChristen. Durch Wulfila, den berühmten Gotenbischof zum Arianismusbekehrt, mussten sie nach Ambrosius Vorstellungen unbedingt durchGratians Armee geschlagen werden, wenn die Einheit des Reiches Bestandhaben sollte: Kaiser Gratian stand vor dem Ausbruch des für ihn erstenKrieges, vor vielen Fragen. Innerhalb seines Hoheitsgebietes lebtenzahlreiche nichtgotische Arianer. Wie werden diese Kräfte im Kriegsfallreagieren und warum waren die beiden Christengruppen überhaupt tödlichverfeindet? Und wie hatte er die zwiespältige Haltung seines Ratgeberseinzuordnen? Er bedurfte wirklich des Rates. Ambrosius der wegen undmit seiner geschickten Argumentation und Politik berühmt geworden war,wollte und sollte ihm das plausibel machen. Gratian neigte von sich aus zurToleranz, die ihm sein Vater Valentinian I. angeraten und vorgelebt hatte.Natürlich, dieser eminent kluge Ambrosius von Mailand hatte in ManchemRecht. Er solle ihm diese Unstimmigkeiten der Situationen sowie dieoffenen Fragen ausräumen und ihm den richtigen christlichen Glaubenerläutern. Hatte er, Gratian, doch in Sirmium gerade erst sein Gesetz zur„Freiheit aller Glaubensrichtungen“ (339) veröffentlicht. Warum wolltensich die Frommen nicht daran halten?_________________(339) Leopold von Ranke „Werk und Nachlass“, S. 29107


Und so schrieb Ambrosius in diesem kritischen Sommer 378 alles auf eineKarte setzend, für Gratian zwei Bücher („De fide“) Klipp und klar heißt esda: „Die Arianer (Italiens und die Goten G.Sk.) haben sich gegen dieKirche Gottes verschworen!“ (340) Er malte Schwarz-Weiß, er entmischtenicht. Untrennbar gehörten für ihn Staat und Kirche zusammen.Dem jungen Kaiser suggerierte er: „der (richtige) Glaube des Herrschers(gewährleiste) mehr <strong>als</strong> die Tapferkeit der Soldaten den Sieg...Ambrosiusbehauptete: „Jesus Christus soll das römische Heer führen!“(341)Das klang genau so <strong>als</strong> hätte er verkündet „Jesus Christus werde dasrömische Heer führen“.Welches Bild! Auch Feldherr Hindenburg stellte sich eintausendfünfhundertJahre später den lieben Gott <strong>als</strong> auf einer Wolke sitzend vor,der den deutschen Truppen huldvoll zulächelt, während diese die Söhneund zukünftigen Ehemänner russischer Frauen, allesamt, die einen wie dieanderen Christen, in die tödlich-tückischen masurischen Sümpfe treiben.(342) Ambrosius hätte wissen müssen, mit Jesus dem Fürsten des Friedensund seiner Lehre der Versöhnung hatte das ganze Treiben nichts zu tun.Reiner Konstantinismus war das. Angesichts der Tatsache, dass diemeisten Goten sich auf den Namen Jesu Christi hatten taufen lassen, waseiner Verpflichtung auf seine Lehre von der Rechtschaffenheit gleichkam,wäre er zwingend dazu verpflichtet gewesen angemessene diplomatischeSchritte einzuleiten. Schließlich wünschten die Goten nur Sicherheit fürihre Familien. Seitdem die Asiaten den Reflexbogen <strong>als</strong> Waffe erfundenhatten, war ihnen kein europäisches Heer mehr gewachsen. Gratian ließsich überzeugen, gegen seine Bedenken zu handeln und daran ist zuermessen, wie sehr Ambrosius dem jungen Verantwortung tragendenMann geistig überlegen war. Es hieß nur: fortan „wies er die Arianer abund folgte Ambrosius.“ (344)Ambrosius wusste was Gratian tun muss und er hatte dabei <strong>als</strong>entscheidende Autorität die Bibel aufgerufen: „Der Kaiser soll gerüstetmit dem Schwert des Glaubens, dem Sieg entgegen ziehen... der Krieg_______________(340) Leopold von Ranke „Werk und Nachlass“, S. 21(341) ebenda, S. 15,(342) Theo 29 dor Lessing, „Hindenburg“: „dieser alte Mann glaubt Wort für Wortalles, was er da sagt: da ist kein unlauterer Klang. Das glaubt er allen Ernstes: nachdem Tode kommt er zu Gott; sitzt auf einer Wolke; betrachtet sich von bevorzugtemSitze aus Deutschland und segnet meine siegreichen Jungen“Belesen war er nicht, das muss dem Christen Paul von Hindenburg jemand so in etwagepredigt haben. Bilder dieser Art, in skurriler Weise antitrinitarisch, sind in Spanien zubesichtigen.(343) Leopold von Ranke „Werk und Nachlass“ S. 29 Fußnote108


gegen die Goten und der Sieg über sie seien von Hesekiel geweissagtworden. Die Goten sind Gog, von denen der Prophet (Hesekiel) schreibt,dass er mit Gottes Hilfe vernichtet werde. Es ist nicht zweifelhaft, dass die‚<strong>ca</strong>tholici’ welche die Strafe für den Unglauben anderer ertragen haben,bei Gratian Hilfe für den rechten Glauben finden. Der Glaube an Gott unddie Treue zum imperium Romanum können nicht voneinander geschiedenwerden...(die Goten) die ‚Häretiker’ sind die ‚antichristi’; diese Häresiesammelt ihr Gift aus allen anderen Häresien.“ (344)Ambrosius hatte verlangt der Kaiser müsse sich ganz den militärischenAktionen widmen „und daran denken die Siegeszeichen aufzurichten... sowollte Ambrosius „den Kaiser für seine kirchenpolitischen Ziele gewinnenund den Gegnern der (katholischen Kirche) den Kampf ansagen.“ (345)Diese Siegeszeichen hatte Victoria bereits Konstantin gegeben. Es stelltsich erneut die Frage, wann die Christen aufhören werden, das sogenannteChristusmonogramm der von Victoria verführten Kaiser <strong>als</strong>„Siegeszeichen“ (der ecclesia triumphans) und damit <strong>als</strong> christlichesSymbol zu betrachten.Gratian hätte bei seiner ursprünglichen Gesinnung bleiben sollen. Daswäre, für das kriegsmüde Volk dies- und jenseits der römischen Grenzender bessere Weg gewesen, Der Staat hat sich, erst recht nach Jesu Worten(346) aus innerkirchlichen Angelegenheiten herauszuhalten, wie die Kircheaus den machtpolitischen Anliegen des Staates, sonst handeln auch dieMenschen die in seiner Nachfolge stehen, aus Klugheit und Berechnungund nicht aus innerer Überzeugung. Demgegenüber ist Christi Religiondarauf ausgerichtet staatsübergreifend Frieden und Harmonie zu stiften,(347) etwas, dass bei einer unseligen Verbindung der Kirche mit demjeweiligen Thron und seinen nach Vormacht süchtigen Inhabern undInteressen nicht mehr zu leisten ist. Der Staat wirkt von außen nach innen,(echte) Religion von innen nach außen. Die Katastrophen undUngerechtigkeiten jagten nun einander, während gemäß der Botschaft derBibel „der Friede die Frucht der Gerechtigkeit ist“. Diese Aussagen teilteHabakuk gemeinsam mit den Propheten Israels. Sie forderten die__________________(344) Günther Gottlieb „Ambrosius von Mailand und Kaiser Gratian“ S. 13 (320)Piusbruderschaft St. Pius X. Distrikt Deutschland, 2010(345) G. Gottlieb, „Ambrosius von Mailand und Kaiser Gratian“ V. & Ruprecht, 1973S.19 Sie unterlagen, obwohl sie Konstantins Siegeszeichen aufgerichtet hatten.(346) „Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist.“(347) Galater 3: 28 . „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven undFreie...ihr alle seid einer in Christus...“ Das ist ja gerade das Ziel, die eigensüchtigenInteressen hinter das Allgemeinwohl zurück zu setzen. Joh. 14: 27 „Ich gebe euchFrieden... nicht einen Frieden wie die Welt ihn gibt ...109


Rechtschaffenheit – die Schaffung von neuem Recht, indem es mit demalten in Harmonie bleibt. (348) Es ist nun einmal ein Gesetz des Himmels,dass alles Neue wenn es siegreich sein will, auf dem Boden des Bewährtenstehen muss. Die Unrechtschaffenheit dagegen bringt den nächsten Krieghervor. Man fragt sich, warum Ambrosius nach der Katastrophe von 378und nach dem Tod Gratians, seinen Einfluss bei den römischen Offizieren,dem Heer und vor Theodosius I. (der schon kurz nach dem Desaster, imJanuar 379 von Gratian zum Augustus erhoben worden war) nicht verlor.Das war doch in ihren Kreisen nicht vergessen, dass er die nichterfolgreichen militärischen Parolen gegeben hatte: „der (richtige) Glaubedes Herrschers (gewährleiste) den Sieg.“ und: „Jesus Christus soll dasrömische Heer führen!“ Mit seinem Buch „de fide“ hatte Ambrosius dieLegionen in die Kämpfe hinein gehetzt, dann da sprach er: „mit Gewissheitvon den zu erwartenden Erfolgen des Kaisers gegen die Goten...“ und ersprach von den „Strafen welche die Gegner des Glaubens und desrömischen Imperiums treffen werde...“ (349) Entgegen der ProphezeiungenAmbrosius „bot das römische Heer keinen Widerstand mehr... überallzogen die Goten ... durch das Land... bis an die Grenze Italiens herrschtensie nach Belieben.“ (350) Alles wankte, Ambrosius stand. Noch blieb ihmja Italien. Wie ein leichtfertiger Kaiser zog er nicht die Konsequenzen,sondern konnte mit diesen Niederlagen leben. Er konnte seine Macht nachinnen sogar noch ausbauen, weil die Goten mit dem Erreichten widerErwarten zufrieden waren und ihren Arianismus nirgendwo mit Gewaltdurchsetzen wollten. Ambrosius vermochte es gar nach Gratians frühemTod , 383, (er soll auf der Flucht vor dem Rebellen Magnus Maximus, vonunbekannter Hand erschlagen worden sein) Kaiser Theodosius I. zuüberzeugen, dass nun erst recht strenge Maßregeln gegen Arianer undandere Nichtkatholiken ergriffen werden müssten. Offiziell und wieselbstverständlich heißt es: „Ambrosius ‚überwand’ den Arianismus…durch die Synode zu Sirmium, auf der er 6 Arianer verurteilen ließ, und381 durch die Synode zu Aquileja, die den der arianischen Häresieangeklagten illyrischen Bischof Palladius samt seinem PresbyterSecundinus schuldig sprach und absetzte.“ (351)_______________(348) Jesaja 32: 17; u. Vers 5 „das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, derErtrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer...Der Dummkopf wirdnicht mehr edel genannt, und der Schurke wird nicht mehr für vornehm gehalten.“Dieser Satz steht im Kontext desselben Kapitels, mit den auf Jesus zielendenEingangsvers: „Ein König wird kommen, der gerecht regiert...“(349) Günther Gottlieb „Ambrosius von Mailand und Kaiser Gratian“ S. 15(350) ebenda S. 16(351) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz110


Ambrosius hatte nur noch einen ernst zu nehmenden Gegner, Justina. Seitseiner Taufe 374 stand die überzeugte Arianerin und Kaisergattin gegenihn. Der vermutlich katholische Bearbeiter der Eintragung imKirchenlexikon, lobt, Ambrosius sei „tapfer“ aufgetreten und er habe „mitder orthodoxen Bevölkerung dem Befehl, (Justinas) Kirchen an die Arianerauszuliefern, erfolgreich Widerstand geleistet.“ (352)Dam<strong>als</strong> lebte sie noch unter dem Schutz ihres Mannes, Kaiser ValentiniansI. (der ein Jahr später, 375, starb) Danach hatte sie nicht die Spur einerChance sich gegen den mächtigen Kaiser’berater’ durchzusetzen, zudemwar sie tolerant wie ihr Ehemann. Justina erzog ihren Sohn Valentinian II.der <strong>als</strong> vierjähriger Kaiser Roms wurde, natürlich in ihrem Sinne. SiebenJahre lang widerstand Justina ihm. „Sie war verärgert, weil Ambrosius(drei Jahre nachdem Tod ihres Gatten) um 379 ihre Bemühungen vereitelte...einen Arianer auf den Stuhl zu Sirmium zu befördern“(353)Ambrosius muss sie permanent genervt haben. Was nahm sich dieserEmporkömmling gegen sie heraus. Sechs Jahre später 385 „verweigertAmbrosius Justina die Erfüllung ihres Wunsches den Arianern Mailands 2Kirchen zu überlassen.“ (354) Das war zuviel für die Kaiserwitwe. In derOsterwoche dieses Jahres kommt es zu tumultuarischen Szenen. Soldatenumzingeln die Basili<strong>ca</strong> Porciana, die Kirche der Athanasianer. Justina,nicht Ambrosius, muss der Gewalt weichen. Das sie sich nicht durchsetzenkonnte ist leider wahr, aber nach Augustinus „Bekenntnissen“ (355) war esumgekehrt. Ambrosius hätte um sein Leben fürchten müssen. Doch wennes so gewesen wäre, dass sie die Militärs auf ihrer Seite hatte, warumunterliegt sie dann den angeblich Schwachen?Wie auch immer, Ambrosius blieb, wie eigentlich nicht anders zu erwartenwar, der ‚Sieger’ in Glaubenssachen! Andererseits ist schon denkbar, dassJustina in ihrer ohnmächtigen Wut versucht hatte ihre gotische (arianische)Leibgarde aufmarschieren zu lassen, denn Augustinus lügt nicht. Natürlichmacht bedenklich, dass Augustinus in seinen Bekenntnissen mit____________________(352) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(353) F-L. zu Stolberg-Stolberg „Geschichte d. Religion Jesu Christi“ Wien 1818 S. 56(354) ebenda S. 53(355) Augustinus von Hippo, Neuntes Buch - Siebentes Kapitel :„... Ein Jahr war es ungefähr oder vielleicht auch etwas länger, da verfolgte Justina,die Mutter des jungen Königs Valentinian, deinen Anhänger, den Ambrosius, um ihrerKetzerei willen, zu der sie von den Arianern verführt worden war. Das fromme Volkblieb die Nacht hindurch in deiner Kirche, bereit, mit ihrem Bischof, deinem Diener, zusterben... Dort war auch meine Mutter, deine Magd; vor allen eifrig im Sorgen undWachen, lebte sie nur dem Gebete. Wir, noch nicht erwärmt von der Glut deinesGeistes, wurden doch von dem Bangen und der Verwirrung der Stadt mit ergriffen...“111


märchenhaftem Text fortfährt, <strong>als</strong> sei es dringend notwendig Ambrosiuswieder aufzuwerten: „Dam<strong>als</strong> offenbartest du deinem Bischof, dem schonerwähnten Ambrosius, wo die Leiber der Märtyrer des Protasius undGervasius verborgen ruhten, die du so viele Jahre hindurch im Schoßdeiner Verborgenheit unverwest verwahrt hattest, um sie zur rechten Zeitzur Bändigung der Wut jenes Weibes, das doch eine Kaiserin war,hervorzubringen. Denn <strong>als</strong> sie aufgefunden und ausgegraben mit den ihnenzukommenden Ehren zur Basilika des Ambrosius gebracht wurden, dawurden nicht nur die, welche von unreinen Geistern besessen waren, nachdem Bekenntnis ihrer Dämonen selbst, geheilt, sondern auch einangesehener Bürger, der mehrere Jahre hindurch blind war. Als diesernämlich nach der Ursache fragte, warum das Volk vor Freude jauchzte,und es hörte, da sprang er hinaus und bat seinen Führer, ihn dorthin zuführen. Nachdem er in die Kirche eingetreten war, bat er um dieErlaubnis, mit seinem Schweißtuche die Bahre der Heiligen berühren zudürfen, deren Tod ist wert gehalten vor dem Herrn. Als er dies tat unddann seine Augen damit berührt hatte, da wurden sie sogleich ihmaufgetan. Der Ruf davon aber verbreitete sich weit und breit; alles warvoll deines Lobes, und der Sinn jener Feindin wurde, wenn auch nicht zugesundem Glauben fortschreitend, doch von der Wut zurückgehalten. Dankdir dafür, o mein Gott!“ (356)Da mischen sich Wunschdenken und Absicht. Auch Augustinus erwecktwiederholt, wenn er von Gott spricht den Eindruck, dass dieser wenigÄhnlichkeit mit Jesus Christus hat, denn der Gott dem Augustinus zudienen meint, hat „Nur eine relativ kleine Zahl von Menschen (zurWiederauffüllung der durch den Engelsfall entstandenen Lücke!) ... zurSeligkeit vorausbestimmt. Die anderen seien eine ‚Masse derVerdammnis’.“ (357) Während Jesus ausnahmslos alle Menschen einlud:„Kommt her zu mir die ihr mühselig und beladen seid, Ich will eucherquicken,“ (358) Ein Jahr nach seinem Sieg über die Kaiserin, hältAmbrosius am Palmsonntag eine Rede gegen den ArianerbischofAuxentius: „Dieser Mensch wagt es mich um Verhandlungen zu bitten, woer von Blut trieft und klebt?...“ Das lässt auf die Härte der Tumulteschließen. Wahr ist, auch die Arianer waren entschlossen ihre Rechte zuverteidigen, dabei verloren sie den ursprünglich für sie so kennzeichnendenGeist gegenseitigen Respektes. Ambrosius der sich gar anmaßt gegen_________________(356) Aurelius Augustinus „Bekenntnisse“ neuntes Buch(357) Hans Küng „Kleine Geschichte der katholischen Kirche“, S. 76(358) Matth. 11: 28-30112


Valentinian II. und dessen ihm anerzogene arianische Grundhaltung zuwenden, schließt diese Rede contra Arianismus mit den Worten: „Kannman dem Kaiser eine größere Ehre antun, <strong>als</strong> wenn man ihn ‚Sohn derKirche’ nennt... der Kaiser ist in der Kirche, aber er ist nicht über ihr.“(359) damit richtet er sich an Theodosius I. und an den Sohn Justinas.Die Athanasianer trumpften auf. Ihre Kirche stand nun gar über demImperator. Der Rest der Menschheit bedeutete ihnen ohnehin nichts, wasdiese vertraten und wofür sie lebten war vor ihnen wie Schund, wertlos. Zudiesem Schund gehörten die Freiheiten sämtlicher Hellenen, die Rechte derPaganen aller Richtungen, die Religionen der Manichäer, Mandäer undanderer gnostischen Gruppen, wie die der harmlosen Buddhisten, sowie dieLebensweise der hochchristlichen Priscillianisten und die Hoffnungensämtlicher bereits genannten urchristlichen Splittergruppen und die derGoten. Schätzungsweise 85 Prozent der damaligen Bevölkerung desrömischen Herrschaftsbereiches sollten kuschen. Die Goten kümmern sichnicht um diese gegen sie zielenden Verfluchungen, noch kann man ihnennichts anhaben, noch sind sie zu stark.Noch haben sie andere Sorgen. Und weil sie sich nicht einmischen in diekaiserliche Religionspolitik, die in Wahrheit von Ambrosius bestimmt wirdkann Kaiser Theodosius I. 384 „dem engagierten Christen, Praetorianprefect Maternus die Weisung geben mit den örtlichen Bischöfen zukooperien um die Tempel der Heiden in Nordgriechenland und Kleinasienzu zerstören... 389 kommen hunderte Eremiten aus der Wüste undzerstören Statuen, Altäre, Bibliotheken und pagane Tempel. 391 wird derTempel des Gottes Serapis gestürmt und geplündert. 392 lässt der heiligeEpiphanius (der fanatische Antiorigenist) die meisten paganen TempelZyperns zerstören. 396 erklärt (Kaiser Ar<strong>ca</strong>dius) Paganismus <strong>als</strong>Hochverrat.“ (360)Wer hier und wiederum der Drahtzieher war, ist unschwer zu erraten.Diejenigen die Ambrosius folgten, schreckten vor nichts zurück.Nur Hitlers und Stalins Geheimpolizei sollten diese Brutalität später nochüberbieten. Allerdings mit einem Unterschied, die Nazis und dieKommunisten haben ihre Grobiane nicht <strong>als</strong> Heilige bezeichnet.Dass er die nicänische Rechtgläubigkeit gegen den Arianismus verteidigteist sein gutes Recht. Aber die Mittel derer Ambrosius sich bediente sindvom Übelsten.________________(359) Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg „Geschichte der Religion Jesu Christi“Wien 1818 S. 51(360) V. G. Rassias „Christians persecution against the Hellenes.” Greek Athen 2000113


Basis solchen Treibens war das Gesetz Cunctos populos. Mit seinerVeröffentlichung im Februar 380 erhielten alle Gewalttäter das Instrumentausgehändigt mit dem sie mühelos reich werden konnten. Mit diesem Textin der Hand verfolgten sogleich einige spanische Kleriker Priscillian den inweiten und gebildeten Kreisen sehr angesehenen Bischof von Avila. Sietrachten danach dem Arianer eine empfindliche Niederlage zuzufügen.Justina wird sich gegen das Unrechtsgesetz gesperrt haben. Umsonst! Siewusste sehr wohl, Ambrosius widersetzte sich mit Cunctos populos derurkirchlichen Rechtsprechung entschieden, indem er auf diese Weise dasMailänder Toleranzedikt von 313 effektiv aufhob und es in Theorie und inder Praxis in sein Gegenteil verkehrte, indem er verkündete: „Alle Völker,über die wir ein mildes, gnädiges Regiment führen, sollen (müssen)das istunser Wille, die Religion annehmen die der göttliche Apostel Petrus denRömern gepredigt hat, und der wie wir sehen werden, auch BischofDamasus von Rom sich anschließt... wer diese Gesetz befolgt soll denNamen eines katholischen Christen führen, die andern aber... sollen dieSchmach ... tragen, ihre Versammlungshäuser dürfen nicht Kirchengenannt werden; sie selbst aber unterliegen der göttlichen Strafe...“ (361)(Es ist nicht zutreffend dass Kaiser Theodosius I. die Freiheit gehabt hätte,gegen Ambrosius Willen ein Gesetz dieser Dimension zu verabschieden.)Es sollte sich effektiv <strong>als</strong> Todesurteil für Millionen Menschen auswirken.Das so etablierte Diktat einer völlig veränderten Kirche über diejenigen diesich bemühten näher am Original zu bleiben, sollte denn auch länger <strong>als</strong>eintausend Jahre die Menschen West- und Südeuropas gängeln.Allein, dass der unselige Gesetzestext einen Bezug zu Damasus <strong>als</strong> Vorbildherstellt, erregte Aufmerksamkeit und den Protest derer die weiter sehenkonnten. So hatte dieser päpstliche Gewalttäter bereits 366 gedacht: „, ihreVersammlungshäuser dürfen nicht Kirchen genannt werden; sie selbstaber unterliegen der göttlichen Strafe...“ Sehr hat Damasus die ungöttlicheStrafe erteilt, mit Äxten in der Hand von Totschlägern, die zu seinerPrivatarmee gehörten.Wahrscheinlich erscheint es nicht nur dem Humanisten zwingend, zufragen von wessen Gottes Strafe hier die Rede ist. Das einzige‚strafwürdige’ Verbrechen, das die so Bedrohten wagten, war, buchstäblichzu glauben, dass Jesus immer noch zur Rechten des Vaters sitzt, vonGestalt wie ein Mensch. Sowohl das Athanasium wie Cunctos Populosebneten auf diese Weise den Weg zu einer Falle für alle, auch der treuestenKatholiken, denen die Freude genommen wurde, selbst die Wahrheitherauszufinden.________________(361) Sternberger 2 000 Jahre Christentum, S. 165114


Diesen Ungeist der Bevormundung, konnten selbst die Reformatoren nochnicht überwinden. Sogar ein Johannes Calvin blieb diesem diktatorischenTrachten verhaftet. Einige Reformatoren übernahmen einfach dasUnrechtsgesetz von 380: sie beharrten in diesen Punkten auf derAmbrosius- Gelasius- und Bonifaciuslinie: die Kirche habe den Staat zuregieren. Ambrosius unterwirft sie sich ausnahmslos (und damit derKirche) indem ausgerechnet er, so gut wie unwidersprochen,hinaustrompetet: „der Kaiser ist ein demütiger Sünder vor Gott.“ (362) Erlügt, indem er die Wahrheit sagt. Ambrosius schiebt den Namen Gott vor,wo er die Kirche meint. Das erklärt sich aus seinem Charakter. Und sodenkt Calvin, eiskalt wie der große Kaiserberater des ausgehenden 4.Jahrhunderts. Auch Calvins Executive mischte sich in alles ein: „Wo dieCalvinisten in der Mehrheit waren... regierte die Kirche weitgehend denStaat. Durch die vom Konsistorium ausgeübte strenge Aufsicht über dieSittlichkeit wurde das Leben der Gemeindemitglieder einer äußerst starkenKontrolle unterworfen. Die Ältesten hatten das Recht auf ungehindertenEintritt in jedes Haus zu jeder Zeit. Das bedeutete praktisch: keine Türdurfte verschlossen werden, um die Ältesten nicht zu behindern. Dasbedeutete auch; Vorhänge an den Fenstern hat nur nötig, der etwas zuverbergen hat...“ (363)Es war und ist das bislang nicht widerrufene Gesetz zum Glaubenszwang,(das seine scheinbare Berechtigung aus dem athanasianischen Glaubensbekenntnisbezieht,) dessen fragwürdiger Monotheismus keck, noch bis zudieser Stunde, droht: „Wer auch immer gerettet sein will, der muss vorallem den katholischen Glauben festhalten: Wer diesen nicht unversehrtund unverletzt bewahrt, der wird zweifellos auf ewig zugrunde gehen(nämlich diejenigen treffend, die nicht glauben, dass drei eins ist).Alle Änderer des urchristlichen Systems, wie Callixt I., Ambrosius vonMailand und Augustinus, samt ihrem Anhang, müssen sich die Fragegefallen lassen, was vom Christentum übrig bleibt, wenn es zur Gewaltgreift. Schon Laktanz hatte gewarnt „Das jemand unter Zwang etwasverehrt, das er im Ernst gar nicht verehren will, kann nur zur Heucheleiund Simulantentum führen.“ (364) Vom Martin Luther-King stammt derbekannte, allzeit gültige Satz: „Gott hat absolute moralische Gesetze insein Weltall eingebaut. Wir können sie nicht ändern, wenn wir sieübertreten werden sie uns zerbrechen.“______________(362) Alexander Demand „Diokletian und die Tetrarchie“ – „Aspekte einerZeitenwende“ Walter de Gruyter, 2004, S. 56(363) Günter Stemberger „2000 Jahre Christentum“, Erlangen, 1990 S. 833(364) Hans Maier, „Compelle intrare“ Uni München, 2009115


Die Reichkirche sollte schließlich zerbrechen, besser gesagt, sie zerbröseltean den ambrosianischen (athanasianischen, damasischen...) Übertretungen.Ohne Luther gäbe es sie schon längst nicht mehr. Ohne Luther hätte eskeine Gegenreformation gegeben, die hart mit den ärgsten innerkirchlichenÜbeln aufräumte, ohne sie wäre nichts anderes <strong>als</strong> böse Erinnerungen übriggeblieben.Die Katholiken haben Luther zu verdanken, dass aus den Trümmern etwasBesseres entstand. Dem Athanasium ist es zuerst anzulasten, dass es zu denbarbarischen Entwicklungen kam, weil mit ihm unser gemeinsamer Gottden Menschen entfremdet wurde. Alles andere war die logische Folge.Es kann sein, dass Ambrosius besonders an einem Satz des ‚Papstes’Sixtus I. (Xystus), der von 116-125 <strong>als</strong> römischer Bischof amtierte,Gefallen fand. Diese Behauptung lautet: „Die Kirche ist immer heilig,ganz gleich wie sündig ihre Priester sind.“ (365) Ambrosius rundete auf:„Es kann keine noch so verruchte Schandtat begangen oder gedachtwerden, welche die heilige Kirche nicht nachlassen könnte.“ (366)Solche markanten Aussagen richteten sich direkt gegen die WeisungenJesu: „jeder Baum der keine guten Früchte bringt wird abgehauen.“(ausgeschlossen, exkommuniziert) (367)Die Priesterbeichten dienten nach Ambrosius dazu einander das Gewissenzu erleichtern, nicht um ein bestehendes Problem zu lösen, wozu sieursprünglich gedacht waren. Es ist Ambrosius Mitschuld, dass Bischöfeder katholischen Kirche 1 600 Jahre lang, weltweit ihren PriesternKindsmissbrauch u.a. schwere Verfehlungen wie Fälschungen undGewaltanwendung vergaben, statt nach der Regel zu handeln die Paulusgab: „Schafft den Übeltäter weg aus eurer Mitte“ (368)Er sagte allerdings nicht „verbrennt ihn“...Die arianisch-melitianisch-novatianischen Gemeinden handhabten solcheFälle wie vorgeschrieben. Schon Callixt I. (angeblich Papst von 218-222)hatte jedoch versucht, das Prozedere aufzuweichen.Geradezu entlarvter Zynismus ist, wie der katholische Kaiser Honorius aufdie Nachricht von der Eroberung Roms reagiert, wie wenig ihn - darinAmbrosius ähnlich - eigentlich das Schicksal der Menschen berührt: „Alsder der Gote Alarich 410 die ewige Stadt erstürmt hatte und der__________________(365) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(366) Gerhard J. Bellinger „Der Catechismus Romanus und die Reformation“ GeorgOhm Verlag, Paderborn, 1970, S.159(367) Matth. 7: 20(368) 1. Kor. 5: 13116


Oberhühnerwächter dem Kaiser die Nachricht brachte ... es sei vorbei mitRoma, bekam Honorius einen gewaltigen Schrecken. Der Wärter abertröstete ihn: es sei die Stadt Rom, nicht die Henne Roma.“ (369)Später, <strong>als</strong> die arianischen Goten auf dem Boden des altrömischen Reicheseigene Strukturen errichteten, sollten bessere Früchte hervorkommen. DieRömer konnten sie weder militärisch noch kirchlich daran hindern.Ironie des Schicks<strong>als</strong> kann man es nennen. Exakt einhundert Jahre nachden programmatischen Erläuterungen Ambrosius von Mailand gewinnendie Goten die Oberherrschaft über ein zerstrittenes und weithinathanasianisches Italien. Der Arianer Theoderich der Große bringt, wasnach Athanasius nicht zu erwarten gewesen wäre, dem Land denlangersehnten Frieden. Er übte dreißig lange Jahre weder Gewalt an denUnterlegenen, noch berührt er die Landesverwaltungen. Er tolerierte diekatholische Kirche. Erst daran zeigte sich, wie sehr Ambrosius sichverrannt hatte <strong>als</strong> er sagte: „Die Feinde des Reiches sind auch die Feindeder (katholischen) Kirche“ (370)Allerdings „ließ Theoderich (ganz anders <strong>als</strong> Ambrosius G.Sk.) nicht zu,dass der Reichtum der Kirche unverhältnismäßig stark zu Lasten andereranstieg.“ (371)Priscillian von Avila geboren 340 starb 385 den von Ambrosiusmitverschuldeten Märtyrertod. Er wurde enthauptet wegen seinerarianischen Ansichten, nachdem „beide Kirchenfürsten (Ambrosius undDamasus ihm, dem schutzsuchenden Spanier) „die kalte Schulter,“ (372)gezeigt hatten. Er war ein Mann noblen Charakters. Das mussten ihmselbst seine Feinde zugestehen. Andererseits waren „… es die schlechtestenElemente des spanischen Episkopats, die gegen Priscillian invordersten Front standen. Ithiacus wird <strong>als</strong> schamloser und sittlichverkommener Schwätzer bezeichnet und Ydascius wurde von seinemeigenen Presbyterium (Ältestenkollegium) in den Anklagezustand versetzt,sein Lebenswandel kam weiterhin in schlechten Ruf... Priscillian (dagegen)lebte der Welt vor, was er lehrte.“ (372) „Durch Folterungen und„inquisitorische Technik des Präfekten Euodius gelang es, Priscillian unddie seinen das Verbrechen der Magie und der organisierten Unzuchtgestehen zu lassen... (Sie wurden in Trier, im Jahr385, G.Sk.) „mit dem________________(369) A. Demand, „Das Privatleben der römischen Kaiser“ C.H. Beck 1996 S. 79(370) ebenda, S. 15(371) Jörg Köpke „Die italienischen Bischöfe unter ostgotischer Herrschaft 490-552“,2006 S.59(372) Lietzmann: „Geschichte der Alten Kirche“ W.De Gruyter, 1999 S. . 66117


Schwert hingerichtet.“ (373) Natürlich war Ambrosius hinterher betroffen.So ist das in der Politik und im realen Leben, erst legt man radikale Regelnfest und dann wenn sie sich verheerend auf den eigenen Ruf auswirken,würde man am liebsten alles dämpfen, allerdings nicht um jeden Preis.Dass es im Falle Priscillians darum ging den Arianismus auszurotten,zugunsten des Konstantinismus, geht auch aus der Arbeit von Ana MariaC.M. Jorge Center for the Study of Religious History (CEHR) PortugueseCatholic University (UCP) hervor. (374)Das bestätigt, wenn auch nicht auf den ersten Blick erkennbar, auch dieseAussage: „Die Priscillianisten verwechselten mit Sabellius die dreiPersonen der Dreieinigkeit.“ (375)Wie sie dahin schreiten zum Hauklotz, auf den Mann zu mit seiner Axt inHänden, kann jeder sehen, der sich versucht in die Lage der Betroffenen zuversetzen. Nur noch wenige Minuten und sie werden im Jenseits ihrenBericht zu Protokoll geben, der ihrer Überzeugung nach einmal aufgerufenwerden wird... Unter der Folter hatten sie gestanden unzüchtige Zaubererzu sein. Kein Mensch der Priscillian und die Seinen kannte, schenktediesem ungeheuren Vorwurf jem<strong>als</strong> Glauben, (der abergläubische KaiserMagnus Maximus vielleicht).Als die sieben Köpfe zu Boden fielen freuten sich nur wenige. SelbstAmbrosius hielt den Atem an...Ob Ambrosius auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwendete,welches Verbrechen er zuvor begangen hatte, <strong>als</strong> er das vor seiner Zeitwenigstens formal gültige Recht jedes Bürgers auf freie Wahl seinerReligion abschaffte?Da hieß es noch: „Wir gewähren den Christen, ... um des Friedens willenauch anderen Religionen, das Recht der öffentlichen und freien Ausübungihres Kultes..., auf dass jeder, wie es ihm gefällt, die Möglichkeit zur freien________________(373) Lietzmann: „Geschichte der Alten Kirche“ W.De Gruyter, 1999 S. 64(374) Ana Maria C.M. Jorge “The Lusitanian Episcopate in the 4 th Century. - Priscilianof Ávila and the Tensions Between Bishops”: “Priscillian helps us to achieve a betterunderstanding of the Christianization process and the orthodox/heterodox debate in lateantiquity. …Against a background of the progressive “Constantinization” of the church,bishops become key figures who centralize the main forces of the day. … Theconfrontation between rival Christian communities – Priscillianist and NiceanCatholicism – reve<strong>als</strong> an important facet of the position adopted by Christians in theirrelations with civil authorities, as well as the close ties between Christianity, the top ofthe ecclesiasti<strong>ca</strong>l hierarchy and the Empire. It <strong>als</strong>o gives a clear picture of the work ofthe bishop of a city in antiquity, in which the emphasis was on the militant view of thekerigma.”(375) Alban Butler „Leben der Väter und Märtyrer“ Mainz 1825118


Anbetung habe ... um des Friedens willen...“ Das Mailänder Edikt,verbunden mit der Jesuslehre von der Selbstdisziplin (376) wäre dasFundament für ein irdisches Paradies aller gewesen. (377)Ein Paradies allerdings, das aufzurichten enorm viel Zeit und individuellesBemühen und ständiges Trachten nach dem Licht Christi verlangt hätte.Der Arianismus, wenn man dieses Teilstück der ursprüngliche Kirche sonennen will, drückt ja nur aus, was alle denken: einen Gott den man sichnicht vorstellen kann, den gibt es eigentlich nicht: er ist allenfalls etwasnebulöses. - Aber! Ein Rest von Gefühl sagt jedem Menschen: es gibt ihn,den lebenden und liebenden, den guten, freiheitschenkenden Großen, deruns zumutet das Chaos zu ordnen, und vor dessen Intelligenz und Güte wiruns alle neigen! Auf dieses uns innewohnende Wissen, dass uns nichtimmer bewusst ist, weil wir in die „Seinsvergessenheit“ (378) fielen, bauenletztlich alle Kirchen weltweit auf. Viele wünschen die Einheit derChristenheit. Sie sind immer noch lediglich gut bearbeitete Bruchstückedes ehemaligen Ganzen. Es scheint offensichtlich, wenn sie sich nicht vomGeist und Text des Athanasiums trennen, werden sie nicht wirklichzusammenfinden.Priscillian sagte es auf seine Weise. Es komme nicht darauf an Gott zufeiern, sondern seine Gebote zu halten.Athanasius und Alexanders Drohungen waren leider keineswegs nur Wortegeblieben, sondern sie stellten eine Generalanweisung dar, der Folgegeleistet wurde. Deshalb rollten die Köpfe prominenter, untadliger Arianer,deshalb brannten später die Scheiterhaufen (die Kirche vergießt kein Blut)Priscillian von Avila und seine sechs Freunde gehören nur zu denbekanntesten Märtyrern des Urchristentums die, sechzig Jahre nach demSchlachtruf des Alexandriners, fünf Jahre nach der Verabschiedung vonCunctos populos, von anderen Christen, alleine wegen Nichtakzeptanz desnicänischen Bekenntnisses hingerichtet wurden. Um die Zeit der_____________(376) Text der Bergpredigt(377) W. Keller „Und wurden zerstreut unter alle Völker“ Knaur 1966: „... wenn dassiegreiche Christentum die Milde seines Stifters zur Wahrheit gemacht hätte. Aberseine Herrschaft, welche in der Weltgeschichte einen entscheidenden Wendepunktbildet, brachte über das Judentum nur neue, schwere, langanhaltende Prüfung“ S. 117(378) Hartmut Böhme: “Natur und Subjekt“ Frankfurt am Main 1988. II.Subjektgeschichte:: „Es ist genau dieser Blick und dieses Leiberleben, das den in dieSeinsvergessenheit (Phaidros 250a) gefallenen irdischen Menschen zurückholen soll indie Erinnerung an die überhimmlische Heimat der Seele.“119


Ermordung Priscillians, 385/386 „trat Ambrosius dem unter dervormundschaftlichen Regierung der arianischgesinnten Kaiserin-MutterJustina († 388) unternommenen letzten Versuch, das arianische Bekenntniszu erneuern,... entgegen...“ (379) Und so bestätigt dieser Mann noch einmal,dass er die Freiheit des Gewissens nicht duldete. Als Athanasianerwar Ambrosius dem Geist Konstantins gefolgt. Mit Jesu Namen wohlvertraut, widerstand er dem der gesagt hatte: „Mein Reich ist nicht vondieser Welt, wäre mein Reich von dieser Welt, würden meine Dienerkämpfen, nun ist aber mein Reich nicht von dieser Welt.“ (380) Dass er aufder anderen Seite kämpfte bewies er „im Jahr 388…“ dam<strong>als</strong> „…zerstörten Christen in Kallinikum, im Zweistromland die Synagoge derdortigen Orientjuden. Kaiser Theodosius I. sieht es <strong>als</strong> gerechtfertigt an,ihnen den Wiederaufbau dieser Synagoge <strong>als</strong> Strafe aufzuerlegen.Ambrosius bestimmt den Kaiser, dieses Dekret zurückzunehmen und dastumultuarische Verbrechen an den Juden ungesühnt zu lassen“ “(381) Manmuss an sich halten, wenn einem bei solchen Aussagen dieReichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 in den Sinnkommt. Vom 7. bis 13. November 1938 wurden etwa 400 Menschenermordet oder in den Selbstmord getrieben. Das war der zeitgleich erfolgte,aber selten kritisierte Start in den Untergang des 3. Reiches.Paulus hatte noch gelehrt: „Und wenn ich prophetisch reden könnte undalle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alleGlaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber derLiebe nicht, wäre ich nichts!“ (382) Ambrosius fühlte, dachte und handelte<strong>als</strong> orthodoxer Christ. Er spielte seine niederträchtige Vorbildrolle … undkonnte nur zerstören.Schließlich erringen um 550 die Orthodoxen, mittels der HeerscharenKaiser Justinians den Pyrrhussieg. Das Heidentum, und die Gotenverschwinden im sechsten Jahrhundert von der ‚christlich’ dominiertenBildfläche. Das Resultat war vorauszusehen. Die Großstadt Rom und dasflache Land verödeten. Zwar residieren die Päpste im Lateranpalast nochlange danach, mit einer Schar Eingeschworener, inmitten von Ruinen undhielten sich großspurig für die Sieger der Geschichte.Gespenstisch ging es zu, wo einst 1 Million Bürger wohnten, hausen im13. Jahrhundert nur noch ein paar tausend Leute. (383) Einige wenige, unter_________________(379) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(380) Joh.: 18: 36(381) Fr.L.zu Stolberg-Stolberg „Geschichte der Religion J. Christi“ Wien 1818 S. 52(382) 1, Kor. 13: 2(383) L. Hertling SJ, „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740“, S. 134120


diesem verlorenen Haufen, hielten sich allerdings für den Nabel der Welt.Niemand muss da lamentieren. Das war es, was Konstantin zwar nichtgewollt hatte, aber doch wahrscheinlich mit gewisser Häme gesehen hätte.Sie haben sich eben nicht gänzlich auf ihn eingelassen, sie ehrten ihnindem sie ihm über weite Strecken folgten, rühmten seine Politik,erinnerten sich seiner dankbar an Festtagen –im Osten wurde er gar heiliggesprochen. Statt nur die reine Konstantinlehre zu predigen, hatten sie sichfür einen Mix entschieden. Sie zitierten, wenn auch in lateinischer SpracheJesu Worte. Diese Botschaft verstand, von Ausnahmen abgesehen,allerdings niemand. Die zur Kirche kamen, mussten auch gar nichtverstehen, sondern nur um so fester glauben.Roms Kleriker glaubten, aller Vernunft zum Trotz, sie säßen im Vollbesitzder Wahrheit und an einem wichtigen Ort. Weil sie einander mit Blindheitschlugen, fühlten sie sich wie Kapitäne auf großer Fahrt. Dass ihr vor sichhinrottendes Schlachtschiff auf Grund gelaufen war, bemerkten sie langeJahrhunderte nicht. Erst Luther sagte ihnen, wo und wie sie sich befanden.Sie hatten ihre Kommandos gegeben, aber keiner hörte auf sie. Fast dasganze neunte, zehnte, elfte und zwölfte Jahrhundert ging an ihnen vorüber<strong>als</strong> gäbe es die Päpste nicht. Da wurden keine Dokumente geschrieben.Zweihundert Jahre lang, von 998 bis 1197 gibt es nicht ein einzigesPapstregister (384)Das Märchen von der apostolischen Sukzession beteten sie dennoch umsolauter, je weniger von der Legitimationskette etwas zu bemerken war.Offen erklärt der katholische Kirchengeschichtsschreiber Hertling: Um890 „war die Verwirrung so groß, dass wir von manchem dieser Päpstedie oft nur Wochen oder Tage im Amt waren, nur die Namen wissen undnicht einmal immer feststellen können, ob sie rechtmäßige Päpste waren.“(385)Anmaßung und f<strong>als</strong>che Prämissen, allem voran das Athanasium verführtenund leiteten sie in die Katastrophe. Als sie das erkannten, hätten siebekennen müssen, geirrt zu haben. Dann wäre ihr Ruf gerettet worden.Stattdessen begannen sie die Dokumente zu ‚bearbeiten’ und grobeFälschungen anzufertigen. Die wichtigsten Leute Roms, fast allesNachkommen großer Adelsgeschlechter, wollten sich vor allem jeneMacht sichern, die schon ihre Väter errungen, die ihnen den Erhalt ihres______________(384) „Thomas Frenz “Innozenz III. Weichensteller der Geschichte Europas“ Franz-Steiner-Verlag 2000, S. 14(385) L. Hertling SJ mit Imprimatur. Romae, vom 27. Nov. 1981 „Geschichte derKatholischen Kirche bis 1740“, Morus-Verlag, Berlin, S. 134121


luxuriösen Lebens versprach, obwohl ihnen der Kern des Glaubens – densie angeblich hochhielten nie gesehen - dies strikt untersagte.Damasus, Callixt I., Ambrosius und viele andere entschieden sich fürdiese Variante sehend. Dekrete waren ihre Sache. Neben der untauglichenIdee, die sie wie später Augustinus von Hippo hegte, man könne dieMenschen zu ihrem Glück zwingen, glaubten und predigte sie sicherlichauch viel Gutes. Aber wie wir selbst, müssen auch diese Persönlichkeitender Reichskirche, an ihrem Tun und Lassen gemessen werden und wenigeran ihren Worten.Zahllose Opfer, Heiden, Juden, Arianer, Manichäer, Donatisten,Pelagianer, Novatianer, Bogumilen, Katharer, Waldenser und andere‚Ketzer’, die auch nach den Überzeugungen der Täter <strong>als</strong>Geistpersönlichkeiten immer noch existieren, strecken die Hände aus undfragen: „Warum, ihr Männer, habt ihr uns das alles angetan? Schlug euchnicht das Gewissen, <strong>als</strong> ihr das Fundament für ein Werk legtet, daszielgerichtet unsere Entscheidungsfreiheit und schließlich unser Leben unddas Leben unserer Kinder und Frauen vernichten sollte?“„Warum legtet ihr den Grund für die verbrecherische Inquisition?“Augustinus und Ambrosius sind nicht organisch in den Anti-Origenismushineingewachsen, sondern sie entschieden sich zu einem sehr frühenZeitpunkt der Entwicklung gegen den Grundsatz: Die Würde desMenschen ist unantastbar.Grausamkeiten verwandeln sich nicht in Wohltaten, auch falls diese mitcleveren Argumenten einem Gottesplan zugerechnet werden sollen.Es sei klar gesagt: Ambrosius und Augustinus widersprechen Christus. Sieleugneten effektiv, dass Gott allen Menschen die Freiheit gewährte, sichf<strong>als</strong>ch entscheiden zu dürfen.Ambrosius redete die Sprache des größten Widersachers Jesu: Wenn duden Menschen vollen Spielraum gibst, dann werden sie ihre Wahlfreiheitunweigerlich missbrauchen.Andererseits steht fest: unter Dauerdruck stehend kann die Seele sich nichtentfalten.Deshalb ist, nach ‚mormonischem Verständnis der gesamte Text derHeiligen Schrift ein Apell an den freien Willen: (386)Gemeinsam mit allen Christen, sind wir überzeugt, dass es eines Erlösersbedarf, der eine Zwischenstellung einnimmt und der über genügend Macht_____________(386) Josua: 24: 15 „Gefällt es euch aber nicht, daß ihr dem Herrn dient, so erwählteuch heute, wem ihr dienen wollt...“122


verfügt allen Gutwilligen, welcher Herkunft sie auch sein mögen, eineBrücke zwischen zwei Teilstücken der Ewigkeit zu bauen, die für siebegehbar ist.Es gab, - das glauben Mormonen aus guten Gründen, - bereits in unseremvorirdischen Dasein, zu eben diesem Thema, eine heftigeAuseinandersetzung, intellektueller Art, die schließlich nicht friedlich,zugunsten unserer persönlichen Entwicklung durch Mehrheitsentscheidungbeendet wurde.Wegen der hartnäckig vertretenen Idee Menschen zum Guten zwingen zuwollen, wurde – wie es Joseph Smith nach eigenem Zeugnis ‚sah’, ausLuzifer, dem Lichtträger, Satan : Jener Satan, dem du im Namen meinesEinziggezeugten geboten hast, ist derselbe, der von Anfang an gewesen ist;und er trat vor mich und sagte: Siehe, hier bin ich, sende mich. Ich willdein Sohn sein, und ich will die ganze Menschheit erlösen, dass auchnicht eine Seele verlorengehe, und ich werde es sicherlich tun; darum gibmir deine Ehre.Aber siehe: Mein geliebter Sohn, der mein Geliebter und Erwählter vonAnfang an war, sprach zu mir: ‚Vater dein Wille geschehe, und dein seidie Herrlichkeit immerdar.’Darum weil der Satan sich gegen mich auflehnte und danach trachtete dieEntscheidungsfreiheit zu vernichten, die ich, der Herr Gott denMenschenkindern gegeben hatte und weil ich ihm auch meine eigeneMacht geben sollte, ließ ich ihn durch die Macht meines Einziggezeugtenhinabwerfen, und er wurde der Satan, ja nämlich der Teufel...“ (387)Alleine die Ideen stehen sich feindselig gegenüber. Das erklärt wohl auchdiesen von Johannes dem Offenbarer stammenden Text: „Und es entstandein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit demDrachen. Auch der Drache und seine Engel kämpften; aber sie siegtennicht, und es wurde für sie kein Platz mehr gefunden im Himmel. So wurdegeworfen der große Drache, die alte Schlange, genannt der Teufel und derSatan, der den ganzen Erdkreis verführt, geworfen wurde er auf die Erde,und seine Engel wurden mit ihm geworfen.“ (388)Erstaunt ruft der inspirierte Jesaja aus: „Wie bist du vom Himmel gefallen,o Luzifer, Sohn des Morgens! Bist du niedergehauen zur Erde, der du dieNationen schwächtest!Denn du hast in deinem Herzen gesprochen: Ich werde zum Himmelhinaufsteigen; ich werde meinen Thron hoch über die Sterne Gottes________________(387) Köstliche Perle Mose 4: 1-4(388) Offb. 12,7-9123


erhöhen; ich werde mich auch auf den Berg der Zusammenkunft im hohenNorden setzen.Ich werde über die Wolkenhöhen emporsteigen; ich werde demAllerhöchsten gleich sein!Doch wirst du in die Hölle hinab geworfen, in die allertiefste Grube.Die dich sehen, werden dich scharf anblicken und werden dich wägendbetrachten und werden sprechen: Ist dies der Mann, der die Erde haterzittern lassen, der Königreiche erschüttert hat?Und die Welt zur Wildnis gemacht und die Städte darin zerstört hat unddas Haus seiner Gefangenen nicht geöffnet hat?“ (389)Aus dieser Erkenntnis oder Einstellung heraus, schrieb Joseph Smith ausdem Gefängnis zu Liberty, wo er, im Winter 1838, willkürlich monatelangfestgehalten wurde, die unvergleichlichen Worte: „...wenn wir auch nur imgeringsten Maß von Unrecht irgendwelche Gewalt, Herrschaft oderNötigung auf die Seele der Menschenkinder ausüben – siehe dann ziehensich die Himmel zurück, der Geist des Herrn ist betrübt, und wenn erweggenommen wird, dann ist es mit dem Priestertum oder der Vollmachtdes Betreffenden zu Ende.” (390)Origenes stellte uns indirekt die Frage Gottes vor, die er sich selbstvorgelegt hatte: „wie bringe ich meine Kinder wieder unbeschadet zurück,nachdem sie in die Welt der Gegensätze fielen um durch eigene Erfahrungzu lernen zwischen Gut und Böse, zwischen Elend und Heiligkeit zuunterscheiden. Etwas das man im Vaterhaus Gottes nicht erleben kann.Wahr ist, wir schätzen das Gute oft genug erst, nachdem wir es verloren.Jesus, der Logos, bot sich selbst <strong>als</strong> Opfer an, für den Teil unsererÜbertretungen zu bezahlen, den wir zwar sehr bereuen aber den wir nichtrückgängig machen können. Das war eben der Anlass der Fragen Luthersvor dem Turmerlebnis. Und das war die klare Antwort: Trotz all unsererBemühungen - die für Gott und uns selbst unverzichtbar sind – ist letztlichalles was uns schließlich aus der Misere heben kann, die Macht der Gnade.Der zuverlässige Kommentator des Fachartikels über Origenes, F. H.Kettler, fasst die phänomenale Gesamtschau des Origenes (185-254) die imFreiheits- und Allversöhnungsgedanken der frühen Christenheit ihrenHöhepunkt findet, einleuchtend zusammen. Dass dieser Kern sich in_________________(389) Jesaja 14: 12-17 Buch Mormon Text. Die Bezeichnung Satans "Glanzstern"entspricht dem lateinischen Luzifer = "Lichtträger". Im Hebräischen = Hillel("Glänzender, Leuchtender") = Nahasch, die Schlange im Paradies Genesis. 3:1(390) Lehre und Bündnisse 121: 38-40124


Übereinstimmung mit den Lehren des „Mormonismus“ befindet,empfinden wir <strong>als</strong> erfreuliche Bestätigung: Gott „... stand vor der Wahl,ihnen (seinen Geistkindern) entweder gar keinen freien Willen zu gebenoder die Möglichkeit ihres Falls in Kauf zu nehmen, und zog das Letzterevor, (er) wird sie aber schließlich (nach vielen Rückschlägen...) und durchdie Kunst seiner Pädagogik doch noch dahin bringen, dass sie dem Gutenbeständig anhängen.Gottes Pädagogik und der freie Wille der Logika, den Gott nur durchErziehung fördern und nicht durch Zwang vergewaltigen darf, sind (nachHal Koch) die eigentlichen Pole des origenistischen Systems.“ (391)Wir sind Götterkinder, niemand darf uns ungestraft zwingen. Wir werdenimmer mit den Unterlegenen fühlen, weil wir das göttliche Erbe derFreiheitsliebe in uns tragen. Es lässt sich nicht unterdrücken.„Mormonen“ glauben an diese Überlieferungen, weil sie Sinn machen. Einwenig anders, <strong>als</strong> in den Bekenntnissen und Auffassungen andererGemeinschaften lauten deshalb unsere Schlussfolgerungen: Alleine derGlaube an die Notwendigkeit, die von Jesus gesetzten Gebote zu befolgen -<strong>als</strong>o das glaubensvolle Bemühen tugendhaft, liebevoll und wahrhaftig zusein, - kann uns von den Folgen des Falles in die Gottesferne erlösen. (392)_______________(391) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, dritte, Auflage, vierterBand Kop-O, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen, 1960 S. 1692 – 1702,(392) Johannes 14: 21: „Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist es der mich liebt.Wer mich aber liebt der wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werdeihn lieben und mich ihm offenbaren“125


Die Lehrentscheidungen Innozenz I. (401-417)Die abwärts geneigte Linie der innerkirchlichen Entwicklung führt immerüber Callixt I., Konstantin, Alexander von Alexandria, Athanasius,Damasus, Ambrosius zu Augustinus, dem Häretiker par excellence in dieFinsternis der Verließe der Inquisition und zu den Scheiterhaufen, sie führtzur Massenvernichtung der Indianer, der Juden, der unentschuldbarenKriege gegen Katharer, der Bogumilen, der Waldenser, der Vaudois undzur generellen Beeinträchtigung der Vernunft. Niemand durfte sich mehrsein eigenes Bild von den Dingen machen. Wer Marias ewigeJungfernschaft vernehmlich bezweifelte wurde während des Mittelaltersverbrannt.Es ist dieses Einheitsmaß aller Schritte in die Zukunft, das zwingendvorgegeben wurde: etwas, das dem katholischen Rom nicht dient, umgehtman nicht, es ist niederzutreten. Innozenz I. verstärkte in seiner Amts-Zeit,402 – 417 diesen Trend. Er „ließ <strong>als</strong> erster römischer Bischof dieNovatianer verfolgen.“ (393) Er wird in der derzeitig gültigen Papstliste<strong>als</strong> 40. aufgeführt. Offiziell heißt es: „Innozenz I. Heiliger, istwahrscheinlich der Sohn seines Vorgängers Anastasius I. (was erneutbeweist, dass es selbst dam<strong>als</strong> noch bischöfliche Normalität war verheiratetzu sein G.Sk.) Neben Siricius, Leo I. und Gelasius I. ist er derbedeutendste Papst des 4. und 5. Jh. Innozenz baute zielstrebig dasrömische Primat in der Gesamtkirche aus ...(weil es eben von Beginn annicht so war! G.Sk.) er forderte nicht nur oberstes Verordnungs- undAufsichtsrecht, sondern beanspruchte auch das Recht zurLehrentscheidung, bekämpfte wiederholt Häretiker.“ (393) Wer einHäretiker ist bestimmte Innozenz I.. Seine Lehrentscheidungen zubetrachten, ist lehrreich. Als Maßstab zur Bewertung einer Häresie, zog erdie Konzilsbeschlüsse heran, sowie die in Mode kommendenaugustinischen Neuheiten. So weit zu sehen ist, wurde selten eineDiskussion auf Grundlage der Heiligen Schrift geführt. Das Recht zurLehrentscheidung in der Kirche Christi, (- vorausgesetzt man glaubt daran,dass es ihn immer noch gibt -) steht jedoch allein dem auferstandenenJesus Christus zu. Kaum ein konsequenter Christ wird das ernsthaftbestreiten. Wenn ein Papst sagt und glaubt, dass er das Mundstück Jesu ist,(Unfehlbarkeit in Lehrfragen, ex <strong>ca</strong>thedra) wird jeder an denAuswirkungen der Entscheidung erkennen, ob das tatsächlich der Fall war.________________(392) Steffen Diefenbach „Römische Erinnerungsräume“ S. 253(393) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott126


„Bischof Innozenz I. verlangt, dass überhaupt jede wichtige Angelegenheitnach ihrer Behandlung auf Synoden dem römischen Bischof zurEntscheidung vorgelegt werde, das Evangelium, so behauptet erunbekümmert um die Wahrheit (Gegenbeispiele Nordafrika, Frankreich,Spanien) sei in die übrigen westlichen Provinzen einzig und allein vonRom aus gelangt; dies soll die jetzt einsetzende liturgische Uniformierungbegründen.“ (394) Die Geschichtsforschung fand das Gegenteil heraus,nämlich dass „die aus Jerusalem Vertriebenen z.Zt. der Apostel dasEvangelium auch nach Ägypten brachten. (395) Innozenz I. war proAugustinus, - aber Augustinus erwies sich mehrfach <strong>als</strong> eigensinnigerErfinder neuer Lehren, z.B. <strong>als</strong> er zum Zeitpunkt seiner Taufe 387beschloss, statt die Mutter seines Sohnes Adeodatus zu ehelichen,grundsätzlich keinen Beischlaf mehr zu haben, weil ‚Geschlechtslust umihrer selbst willen’ sündhaft sei.1. Vom Zwang oder einer Notwendigkeit einem ‚normalen’ Eheleben zuentsagen steht in der Bibel kein Wort. Die Heilige Schrift verbietet nur dieaußerehelichen sexuellen Beziehungen. Augustinus ist es der aus derPhilosophie des sinnvollen Verzichts, eine Lehre der Einengung vonMenschenrechten schafft - und Innozenz I. widerspricht ihm nicht!Augustinus persönliche Konsequenz lautete: er werde künftig quasimönchisch leben. (Mutter Monika hat daran ihren Anteil.) Doch dieseRücksichtslosigkeit beider gegenüber seiner bisherigen Lebensgefährtinbewirkte den unverantwortlichen Aufschwung monastischen Lebens, zudem später allzu oft junge Leute überredet wurden, die keine Ahnunghatten was sie wirklich erwartete. Sie gerieten mehrheitlich in eine Falle, -in ein klösterliches Gefängnis - aus der es kein Entrinnen gab. „Gottschalk(Godes<strong>ca</strong>lc) der Sachse (G. von Orbais), Theologe und Dichter, * um 803<strong>als</strong> Sohn des sächsischen Grafen Bern, † um 869 in Hautvillers beiEspernay. - wurde (<strong>als</strong> Kind G.Sk.) dem Kloster Fulda übergeben.... DurchHrabanus Maurus erhielt der vielseitig begabte Grafensohn eineausgezeichnete Ausbildung. Gottschalk wollte nicht im Kloster bleiben;aber sein Abt Hrabanus Maurus zwang ihn gegen seinen Willen zurTonsur...Mit Unterstützung seiner Verwandten wandte sich_______________(394) Hans Küng Kleine Geschichte der katholischen Kirche“ S. 68(395) Friedrich Heyer „2000 Jahre Christengeschichte des Heiligen Landes“ Lit. VerlagMünster-Hamburg-Berlin S. 4127


Gottschalk an den Erzbischof Otgar von Mainz. So wurde die Streitsachevor der Mainzer Synode im Juni 829 erörtert und Gottschalk zwar dieFreiheit, aber nicht die Rückzahlung des väterlichen Erbes zugestanden.Gegen dieses Urteil protestierte Hrabanus Maurus ...830 ist Gottschalk <strong>als</strong>Mönch im Kloster Corbie (Nordfrankreich) bezeugt. Er ging bald ausunbekannter Ursache in das nahe gelegene Kloster Orbais. Hier suchte erTrost für sein tragisches Geschick in der Beschäftigung mit denWissenschaften. Gottschalk wurde <strong>als</strong> Mönch zum Priester geweiht undtrat <strong>als</strong> Lehrer hervor. Er studierte eifrig die Schriften des Augustinus...und machte sich dessen Lehre von der ...Prädestination des Menschen zueigen. ... (Weil Gottschalk einsehen musste, dass er dem Klosterleben auflegale Weise nicht entkommen konnte, nahm er Zuflucht zu derVorstellung es sei Gottes unabänderlicher Wille (Prädestination) dass er zudenen gehöre die errettet werden sollen... G.Sk.) Er verteidigte seinePrädestinationslehre vor der Synode gegen Erzbischof Hrabanus Maurus,seinen früheren Abt, der in zwei Schriften sich gegen sie gewandt hatte.Doch die Synode, auf der Hrabanus Maurus Vorsitzender, Ankläger undRichter in einer Person war, sprach das Verdammungsurteil über G. ausund schob ihn zur Vollstreckung des Urteils an Erzbischof Hinkmar vonReims (s. d.) ab, zu dessen Diözese Orbais gehörte... Wikipedia erläutertdie Situation umfangreicher: „Ohne dass seine Argumente recht zurKenntnis genommen wurden, verurteilte man ihn zu lebenslangerKerkerhaft und stetem Schweigen, zwang ihn, die eigenen Schriften zuverbrennen, und geißelte ihn danach öffentlich halb zu Tode. DieseVerurteilung und ihr Vollzug waren schwere Rechtsbrüche, denn dieSynode im Ostreich hatte dazu keine kirchenrechtliche Befugnis. Dannüberstellte man ihn dem Erzbischof Hinkmar von Reims.“ (396)Selbst der noble Franziskus verfasste seine Klosterregel mit Blick aufdiesen Punkt: „Es soll niemanden gestattet werden den Orden zuverlassen.“ (397)Die Erzwingung eines Lebens in Keuschheit, wie speziell Augustinus esfür richtig hielt, hat wahrscheinlich mehr Menschen zerstört, <strong>als</strong> beglückt.Obwohl die Katholische Kirche das offiziell so nicht lehrt wird immerwieder seitens Einzelner versucht zu unterstellen, dass schon in Nicäa, 325,gemäß Kanon 3 die Ehe für Geistliche verboten wurde. Das ist nichtzutreffend. Auch Wikipedia erteilte z.B. im Januar 2010 wörtlich diese_________________(396) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(397) .....128


sachlich f<strong>als</strong>che Auskunft: „Das Konzil verbietet absolut, dass Bischöfe,Priester und Diakone mit einer Frau zusammenleben, ausgenommennatürlich ihre Mutter, Schwester oder Tante oder eine über jeden Verdachterhabene Frau.“Der Text von Kanon 3 lautet jedoch: “Die große Synode hat strengverboten, dass ein Kleriker mit einer Konkubine oder einer anderen Frauzusammenlebt, ausgenommen, es handelt sich um die Mutter, seineSchwester oder Tante, oder eine Person die jenseits allen Verdachtes ist.“(398) Sowohl dieser Unterschied wie auch der Versuch zu täuschen istbezeichnend und enorm. Gegenüber der Sexuallehre Augustinus steht dieLehre der Kirche Jesu Christi der HLT: „Das Gesetz der Reinheit(Keuschheit) besteht darin, dass man keine sexuellen Beziehungen hat,außer mit seinem rechtmäßig und gesetzlich angetrauten Ehepartner...(des anderen Geschlechts).“ Nicht weniger, aber auch nicht mehr! Diebuchstäblich ewige Familie ist das Ideal jedes überzeugten ‚Mormonen’.Gesetze die homosexuelle Ehen legitimieren, werden aus mehrerenGründen abgelehnt. Doch nicht nur in diesem Punkt haben ‚Mormonen’Übereinstimmung mit der heutigen entschieden gewendeten katholischenKirche, freiheitlich-amerikanischen Typs! Eine Botschaft an denPräsidenten unserer Kirche Thomas S. Monson vom September 2008bekräftigt dies. (399)________________________________(398) Orthodox Church of Estonia “Canon of the First Ecumeni<strong>ca</strong>l Council: „Thegreat Synod has stringently forbidden any bishop, presbyter, deacon, or any one of theclergy whatever, to have a subintroducta dwelling with him, except only a mother, orsister, or aunt, or such persons only as are beyond all suspicion.”(Subintroducta=Konkubine)(399) “Dear President Monson, On behalf of the members of the Ad Hoc Committeefor the Defense of Marriage of the United States Conference of Catholic Bishops, I amwriting to express prayerful support and steadfast solidarity with the Church of JesusChrist of Latter-day Saints and its members in view of recent events. We have watchedwith great distress in recent weeks as some members of society have reactedintemperately, and sometimes even violently, to the decision of the voters in support ofProposition 8 in California. We have been especially troubled by the reports of explicitand direct targeting of your church personnel and facilities as the objects of hostilityand abuse. We pray that prudence and healing may prevail. The members of theCommittee offer you our profound gratitude for your role in the broad alliance of faithcommunities and other people of good will who joined together to protect marriage,while at the same time, witnessing to the honor and respect due to every human personcreated in the image and likeness of God.lkFraternally yours in Christ, Joseph E. Kurtz, Archbishop of Louisville Chairman, AdHoc Committee for the Defense of Marriage129


Die Kirche, deren originäre Aufgabe, gemäß Jesu Lehren, auf Förderungund Stabilität sozialer Bindungen gerichtet ist, errichtete - unter frommemVorwand - effektiv zahlreiche Hindernisse für funktionierende Ehen undFamilien. Nicht zu reden vom Schicksal schwangerer Nonnen und derenKinder sowie von jenen Kindern die durch zölibatär lebende Geistliche indie Welt gesetzt wurden und werden. Ein Makel der, nach dem Urteilvieler voll zu Lasten augustinischer Befürworter zölibatären Lebens geht,denen der angebliche Ruf der Kirche <strong>als</strong> ‚heilige’ Instanz wichtiger ist, <strong>als</strong>die Zukunft von Kindern die ihr Leben lang unter den Folgen desLiebesentzugs zu leiden haben.„...noch in den apostolischen Canonen (wird klar gesagt) ... ein Bischof,Presbyter, oder Diakon, der aus f<strong>als</strong>cher Religiosität, seine Gattinverstößt, soll stillgelegt werden, beharrt er dabei, so treffe ihn dieAbsetzung.“ (400)In der Bibel ist kein Wort und kein klarer Hinweis zu finden, derAugustinus Annahme stützt. Besonders beachtenswert wirkt, in diesemZusammenhang, das Wort des Berichterstatters des Buches 1. Könige:„Der Herr wurde zornig über Salomo“ - der mehrere hundert! Frauengeheiratet hatte - aber der Gott Israels, der große ICH BIN, waranscheinend nicht speziell darüber erbost, sondern; „weil sich SalomosHerz von Gott abgewandt hatte, obwohl er ihm zweimal erschienen war.“(401) Allerdings fanden die nephitischen Schreiber des Buches Mormon:„... David und Salomo hatten wahrhaftig viele Frauen und Nebenfrauen,und das war ein Gräuel vor dem Herrn.“ (402) Geradeaus gesagt, wollteAugustinus es besser wissen <strong>als</strong> der allmächtige Gott, der die Eheeingesetzt hatte, weil es „nicht gut ist, dass der Mensch alleine sei“ (403)Augustinus, der noch zu Beginn seiner christlich-schriftstellerischenTätigkeit denken konnte, dass der Mensch ein ewiges vorirdisches Daseinbei Gott hatte, war sich später nicht mehr darüber im Klaren, dass der FallAdams, ein Fall aus der Sphäre des Paradieses in die Welt der Sterblichkeitwar. (404) Es ist eine glatte Spekulation des Augustinus anzunehmen EvasVerführung des Adam hätte irgendetwas mit Geschlechtslust zu tun. DieseAuffassung wird ad absurdum geführt durch die Tatsache dass ohne Blutsexuelle Erregung nicht möglich ist, - denn in der Sphäre des Paradieseshatten die ‚Menschen’ kein Blut, sie waren unsterblich <strong>als</strong> Geister geformt______________(400) Johann J. Ignaz von Döllinger „Hippolytus und Kallistus“ 1853(401) Kapitel 11: 9(402) Jakob 2: 24(403)Genesis2:18(404) „Wenn ihr von der verbotenen Frucht esset, werdet ihr sterben.“ D.h. ... werdetihr sterblich. ‚Origenismus-Mormonismus’ siehe <strong>Gerd</strong> <strong>Skibbe</strong>: „Alles war anders“ 2008130


worden. Sehr wohl jedoch waren sie Wesen unterschiedlichen Geschlechtes.(405) Nicht wie Augustin und mit ihm Innozenz I. glaubte,sondern unser Wunsch eigene Erfahrungen zu sammeln, zog den „FallAdams“ nach sich.Gott hat das Böse ebenso wenig erschaffen, wie den Teufel <strong>als</strong> Archetypus.Beide sind das Ergebnis intellektueller Fehlentscheidung, der bewusstenAuflehnung einer Anzahl präexiste nter Intelligenzen gegen Gott.Die ewige Geschlechtlichkeit des unsterblichen Geistes gestattet‚Mormonen’ zu glauben, dass es im Bereich des Möglichen liegt, einebuchstäblich ewige Ehe zu führen, mit eigenen Geistkindern (womit einneuer Ewigkeitskreis beginnen würde. So macht die schon erwähnteebenfalls urchristliche Vergottungslehre erst Sinn. Sogar Martin Luthersprach von der Deifikation (406)An dieser Stelle wird die Kritik an dem Komplex der Lehren der KircheJesu Christi der HLT zwar noch entschiedener, doch eher unbegründeterhoben, wie die Dogmengeschichte belegt. Erneut zeigt sich, dass früheFeinde der Kirche Christi bereits im zweiten oder dritten Jahrhundert damitbegannen ursprüngliches Lehrgut zu verdrängen. Kein Geringerer <strong>als</strong>________________(405) „Die Familie – eine Proklamation an die Welt“ von der Ersten Präsidentschaftder Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. „...Alle Menschen - Mann undFrau - sind <strong>als</strong> Abbild Gottes erschaffen. Jeder Mensch ist ein geliebter Geistsohnbeziehungsweise eine geliebte Geisttochter himmlischer Eltern und hat dadurch eingöttliches Wesen und eine göttliche Bestimmung. Das Geschlecht ist ein wesentlichesMerkmal der individuellen vorirdischen, irdischen und ewigen Identität undLebensbestimmung...“(406) Nikolai Krokoch zitiert Tuomo Mannermaa der darauf verweist, daß das Wortder Theosis (deifi<strong>ca</strong>tio) öfters bei Luther vorkommt <strong>als</strong> der Hauptbegriff seinerwährend der berühmten Heidelberger Disputation (1518) formulierten Heilslehrenämlich die theologia crucis. „Wenn in Luthers Epistelkommentaren undWeihnachtspredigten die inkarnatorische Wahrheit auf besondere Weise zum Ausdruckkommt, dann meint er ähnlich wie die orthodoxe Heilslehre die reale Teilhabe an derGottheit Jesu: ,,Wie das Wort Gottes Fleisch geworden ist, so ist es gewiß notwendig,daß auch das Fleisch Wort werde. Dann eben darum wird das Wort Fleisch, damit dasFleisch Wort werde. Mit anderen Worten: Gott wird darum Mensch, damit der MenschGott werde. Also wird Macht machtlos, damit die Schwachheit mächtig werde. DerLogos zieht unsere Form und Gestalt, unser Bild und Gleichnis an, damit er uns mitseinem Bilde, mit seiner Gestalt und seinem Gleichnis bekleide. Also wird die Weisheittöricht, damit die Torheit Weisheit werde, und so in allen anderen Dingen, die in Gottund in uns sind, sofern er in all dem das Unsere annimmt, um uns das Seine zuvermitteln.“ Luther nimmt hier den Vergöttlichungsgedanken des Hl. KirchenvatersAthanasius auf…” Tuomo Mannermaa “Luther und Theosis”, Band 16Veröffentlichungen der Luther-Akademie Ratzeburg, Helsinki/Erlangen 1990, S. 11:“Theosis <strong>als</strong> Thema der finnischen Lutherforschung…131


Tertullian (160-220) sagte noch: „Die Ehen der Christen werden nichtdurch den Tod des einen Teils getrennt, sondern dauern über das Grabhinaus an“ (407) (408) Von daher rührt die christliche Auffassung von der‚Unauflöslichkeit’ der Ehe. Aus einem wunderbaren Element desChristentums wurde jedoch im Verlaufe der Durchsetzung deraugustinischen Version des Christentums, ein Ballaststein geformt, der amH<strong>als</strong> zahlreicher Menschen hing. Es gab praktisch keine Ehescheidungen,wo immer die Kirche unumschränkte Macht ausüben konnte. Dass eineEhe, in diesen Jahrhunderten, sogar zu einer Falle für Unschuldige werdenkonnte, ist unbestritten. Falls eine Ehefrau dam<strong>als</strong> einen sadistischenAlkoholiker ertragen wollte, war das ihre Sache, aber wenn sie dem darausentstehenden Chaos entgehen wollte, hatte sie praktisch keine Chance,dieser Situation ehrenhaft zu entkommen. Das war es sicherlich nicht, wasJesus mit seinen Ausführungen zum Thema Ehescheidungen ausdrückenwollte. Er verteidigte das Recht der Frau, das der ohnehin privilegierte undauf eine andere Partnerin lüsterne Ehemann, nicht mit Füßen treten darf.(409)_______________(407) Dr. K.A. Heinrich Kellner, Tertullian „Über die einmalige Ehe“ Kap 10:Davon ist später nicht mehr die Rede. Eher wurde auf Matthäus 22:23-33 hingewiesenJesus selbst habe gesagt: "Ihr kennt weder unsere Bibel noch wisst ihr was von derMacht Gottes. Wenn die Menschen von den Toten auferstehen, werden sie nichtheiraten und sich nicht heiraten lassen, sondern sie sind wie die Engel im Himmel."und der Frankfurter Pfarrer Helwig Wegner, vom MEDIENHAUS der EvangelischenKirche in Hessen und Nassau folgert aus diesem Jesuswort: „Die Ewigkeit ist in allemganz anders <strong>als</strong> das Leben auf dieser Welt. Auferstehung heißt auch nicht, dass die mitUhren zu messende Zeit ins Unendliche verlängert wird. Unsere kleinen Ordnungenund unsere engen Vorstellungen zählen dort nicht mehr und selbst die Ehe gilt nichtsim Himmel: "Sie sind wie die Engel", nicht Mann, nicht Frau, ja vielleicht ganz ohneGestalt.“ Pfarrer Wegner hat nicht bedacht, dass Adam und Eva unsterblich <strong>als</strong> Mannund Frau erschaffen wurden....(408) Der Protestant Goethe schrieb mancherlei gegen die Schul-Theologie. Er folgteseiner Intuition. Singt nicht der Engelchor am Ende des berühmten „Faust 2“ geradedas Lied vom höchsten Glück? Goethe hat wiederholt „Mormonen-Typisches“, wie dieLehre von der Möglichkeit ewig vermählt zu sein, direkt und indirekt beschrieben.:„Der Teufel will Besitz von Faustens Seele ergreifen. Nun aber zeigt es sich, dassMephisto f<strong>als</strong>che Schlüsse gezogen hat. Engel vom Himmel steigen hernieder undtreiben ihn mit seinen der Hölle entstiegenen Hilfsscharen durch geweihte Rosenzurück. Faust ist nicht der Unterwelt verfallen. Die Engel singen: „Wer immerstrebend sich bemüht, den können wir erlösen!" Sie ergreifen FaustensUnsterbliches, bringen es zu den Füßen der Gottesmutter, wo Gretchen <strong>als</strong> BüßerinGnade gefunden, und vereinigen die Frühgeliebten. „Führer durch das Schauspiel“ vonLeo Melitz(409) Matth.19: „... nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch erlaubt, eure Frauenaus der Ehe zu entlassen....“132


2. Augustinus schuf die Lehre von der Erbsünde. Er entwickelte sie ausseiner sexualfeindlichen Grundeinstellung heraus.„Die Erbsünde (diesen Begriff kennt die Bibel nicht G.Sk.) wird... durchden Geschlechtsakt... auf jedes neue Menschenwesen übertragen. Deshalbist nach dieser Theologie schon jeder Säugling dem ewigen Tod verfallen -wenn er nicht getauft wird.“ (410) (411) Das durch solche Aussagenverursachte Leid betroffener Eltern, die 16 Jahrhunderte lang, solchenBehauptungen Wert beimaßen, wenn ihr Kinder vor dem Empfang derTaufe starben, kann nicht mit Worten ausgedrückt werden. Die Kirche JesuChristi der HLT lehrt deutlich dagegen: dass, es „ein feierliches Gespöttvor Gott ist, wenn ihr kleine Kinder tauft.“ (412) Augustinus Ansatz führtezu einer ganzen Reihe von Schlussfolgerungen die sich allesamt <strong>als</strong>nachteilig auf die kirchlich orientierte Welt auswirkten.3. Die Kinds-(Säuglings)taufe ist zudem ein Ausdruck der Missachtungvon Persönlichkeitsrechten. Ein Säugling ist keine Unperson.„Die Kindstaufe wurde um 545/6 durch Kaiser Justinianzwangseingeführt, die Nichtbeachtung mit dem Verlust von Eigentum undBürgerrecht bestraft, das Festhalten am „hellenischen“ Glauben bzw. dieApostasie nach der Taufe mit der Todesstrafe. Dies war ein entscheidenderSchritt, da nun praktisch jeder Reichsbewohner bereits <strong>als</strong> Kind getauftwurde und ein Abfall vom Christentum <strong>als</strong> grundsätzlich todeswürdigesVerbrechen galt.“ (413) So kam der Sieg des Christentums zustande!______________(410) Hans Küng Kleine Geschichte der katholischen Kirche, S. 76(411) Katholische Nachrichten 05. Okt. 2006 Dr. Joh. M. Schwarz: „Der limbuspuerorum“: Kinder, die vor der Taufe sterben, haben keine persönlichen Sünden. Sieleiden lediglich an der Zustandssünde, die Erbsünde genannt wird - <strong>als</strong>o den Zustanddes Mangels heiligmachender Gnade. Diese Gnade wird normalerweise in der Taufeerlangt.“(412) Buch Mormon Moroni 8: 8-9; 23 „Höre das Wort Christi, deines Erlösers, deinesHerrn und Gottes: siehe, ich kam in die Welt, nicht um die Rechtschaffenen zur Umkehrzu rufen, sondern die Sünder; die Gesunden brauchen keinen Arzt, sondern die, diekrank sind; kleine Kinder aber sind gesund, denn sie sind nicht fähig, Sünde zubegehen; darum ist in mir der Fluch auf Adam von ihnen genommen, so dass er keineMacht über sie hat; und das Gesetz der Beschneidung ist in mir abgeschafft...... Es istein Gespött vor Gott, wenn man die Barmherzigkeit Christi und die Macht seinesHeiligen Geistes leugnet und Vertrauen in tote Werke setzt.“(413) Kommentar zu Codex Justinianus I 11,10 bei Wikipedia133


4. Augustinus Lehre von der doppelten Prädestination wirkte sich <strong>als</strong>Schwächung der Leistungsfähigkeit des menschlichen Willens aus.„Nur eine relativ kleine Zahl von Menschen (zur Wiederauffüllung derdurch den Engelsfall entstandenen Lücke!) sei zur Seligkeitvorausbestimmt. Die anderen seien eine ‚Masse der Verdammnis’... dieseLehre stellt den Gegenpol dar zu der Lehre des Origenes von einer amEnde zu erhoffenden Allversöhnung. Sie wird in der abendländischenChristenheit ebenfalls eine unheimliche Wirkung erzielen und unendlichviel Heilsangst und Dämonenfurcht verbreiten bis hin zu den ReformatorenLuther und besonders Calvin, der diese Lehre rücksichtslos zu Endedenken wird.“ (414) Die Kirche Jesu Christi der HLT lehrt ebenso wie dieaus dem Jüdischen hervorgekommene Urkirche (415), dass es einVorherwissen Gottes gibt. (416) Wir haben das Recht, uns souverän zuentscheiden und von der Art dieser Entscheidung hängt es ab, welcher Artder Platz unseres nachirdischen Lebens sein wird. Der Mensch ist zwar freiaber für sein Tun und Lassen rechenschaftspflichtig. Joseph Smith lehrte,entschieden anders <strong>als</strong> Augustinus, Innozenz I. oder Luther: „DieMenschen sollen sich voll Eifer einer guten Sache widmen und vieles ausfreien Stücken tun und viel Rechtschaffenheit bewirken; denn es ist in ihrerMacht, selbständig zu handeln und, wenn die Menschen Gutes tun, werdensie ihres Lohnes keineswegs verlustig gehen..“ (417) Glück oder Seligkeitsind die bewusst wahrgenommenen Ergebnisse unserer Leistung, gemäßden Weisungen Christi gehandelt zu haben.Das entspricht wiederum der Theologie der Alten Kirche, wie Origenesbelegt: „Zwar sind alle Geschöpfe ganz auf Gott angewiesen, eigeneAnstrengungen werden durch seine Gnade weit überwogen. Aber dieVorsehung hat alle Regungen des freien Willens von Ewigkeit vorausgesehenund eingeplant, und sie werden gerecht vergolten.“ (418)_________________(414) Hans Küng Kleine Geschichte der katholischen Kirche, S. 76(415) Josua: 24: 15 „Gefällt es euch aber nicht, dass ihr dem Herrn dient, so erwählteuch heute, wem ihr dienen wollt.“(416) Buch Mormon Alma 13:3 „Und diese Priester wurden nach der Ordnung seinesSohnes ordiniert, ... Und dies ist die Weise, nach der sie ordiniert wurden, sie warenvon Grundlegung der Welt an gemäß dem Vorherwissen Gottes und aufgrund ihresaußerordentlichen Glaubens und ihrer guten Werke berufen und vorbereitet;zuallererst war es ihnen überlassen, Gut oder Böse zu wählen; weil sie nun das Guteerwählt und überaus großen Glauben ausgeübt haben, sind sie durch eine heiligeBerufung berufen, ja, durch jene heilige Berufung, die zusammen mit einervorbereitenden Erlösung und gemäß derselben für so jemand bereitet worden ist.“(417) Lehre und Bündnisse Abschn. 58: 27-28 k(418) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft ... S. 1692 – 1702,134


Wieder ist der Bezug ein intelligentes Leben vor der irdischen Periode desDaseins. Unser jenseitiger Grad des Fleißes bestimmte in welcheUmstände wir nun hineingeboren werden. Das Einzelwesen muss, weil eskann, sich jetzt zwischen Gut und Böse - oder zwischen dem Besseren unddem Schlechteren - entscheiden. Wenn es das Gute wählt, kann ihmniemand einen Vorwurf machen, selbst Gott nicht. Wegen der von Jesusverkündeten Gerechtigkeitsprinzipien, gibt es keine Prädestination, aberein Vorherwissen Gottes. Aus dieser Position heraus plante der Schöpferunseren Einsatz: (419)5.) - Verhängnisvoller <strong>als</strong> alle vorgenannten Lehren des ‘Heiligen’Augustinus sollte sich sein Einverständnis mit dem Zwang zum Glaubenerweisen. „Augustinus meint schließlich doch auch Gewalt gegenHäretiker und Schismatiker theologisch rechtfertigen zu können und zwarmit Berufung auf das Jesuswort: ‚Zwinge (statt nötige) siehereinzukommen, die draußen sind...’ Augustinus, der so überzeugend vonGottes und der Menschen Liebe zu reden wusste... wird so in fataler Weisedurch die Jahrhunderte zum Kronzeugen für die theologischeRechtfertigung von Zwangsbekehrungen, Inquisition und heiligen Krieggegen Abweichler aller Art – was wir im christliche Osten in dieser Weisenicht finden.“ (420) Wegen Augustinus „Compelle intrare“(Zwingt sie,nötigt sie) starben bereits bis zur Jahrtausendwende mehrerehunderttausend Menschen. Die ambrosianisch-augustinische Idee, manmüsse die Menschen zum Guten nötigen, griffen, wenn auch unter anderenVorzeichen, im 20 Jahrhundert die Kommunisten noch einmal auf, mitdenselben verheerenden Ergebnissen. Dieser Härte steht der besorgte Vatergegenüber, der seinem eigensinnigen Sohn bekümmert hinter herschaut. Erhält ihn nicht auf, tadelt ihn auch nicht, <strong>als</strong> er geschlagen heimkehrt, fragtnicht, er weiß, der verlorene Sohn sah selbst ein, dass er sich f<strong>als</strong>chentschieden hatte. Origenes Theologie steht unter dem Eindruck diesesBildes, Gott gibt dem Menschen Handlungsfreiheit, damit in ihnen Gutesentstehe. Die vorliegenden Diplomarbeiten die zum Thema „AugustinusCompelle intrare“ geschrieben wurden, und die jeder im Internet___________________(419) Epheser 1: 3-12 „Denn in ihm (Christus) hat er uns erwählt vor der Erschaffungder Welt... durch ihn sind wir auch <strong>als</strong> Erben vorbestimmt und eingesetzt, nach demPlan dessen ... der es in seinem Willen (nicht in seiner Willkür G. Sk.) beschließt...“ DieUrsache zur Annahme einer Prädestination im Sinne Augustinus entfällt wenn man dieErwählung - (eine bestimmte Aufgabe im Diesseits... nach dem Plan dessen... zuerfüllen G.Sk.) in das Vorherdasein verlegt, - an ihre Stelle tritt das VorherwissenGottes. Zumindest ergibt solches Denken mehr Sinn.(420) Hans Küng „Kleine Geschichte der katholischen Kirche“ S. 73135


abrufen kann, erwecken den Eindruck, dass Augustinus Berufung auf denLukastext, Kapitel 14: 23, „Jesus sagte: nötigt sie hereinzukommen... umam Festmahl teilzunehmen“ eher positiv auszulegen ist: „sagt ihnen ichlade sie dringend ein an meinem Fest teilzunehmen.“ Eine Peitsche zuschwingen, wenn es doch um die Festtagsstimmung geht, das passt nichtzueinander.Demgegenüber steht zudem die Lehre der Kirche Jesu Christi der HLT diedeutlicher und menschenfreundlicher nicht sein kann: „Die Rechte desPriestertums sind untrennbar mit den Himmelskräften verbunden undkönnen nur nach den Grundsätzen der Rechtschaffenheit beherrscht undgebraucht werden… (falls wir Menschen nötigen) ist es mit demPriestertum oder der Vollmacht des Betreffenden zu Ende.” (421)Nur wenige Elemente des sogenannten ‚Mormonismus’ wirkten auf michstärker und erhellender <strong>als</strong> diese. Glücklicherweise wenden sich immermehr katholische Theologen von den hier beschriebenen Thesen des vonAmbrosius beeinflussten Augustinus ab.Augustinus Frömmigkeit ist ‚Mormonen’ völlig fremd, sie denken (obwohlihnen das selten bewusst ist) eigentlich origenistisch-arianischpelagianisch.Das heißt Origenes, Arius und Hippolyt, Novatianus, undPelagius vertraten die andere Linie des Christentums, nämlich die desabsoluten Vorrangs der Menschenrechte. In unglaublich rücksichtsloserWeise wurden dieser Kurs, und allzu oft sogar die von dieser Art Religionüberzeugten Menschen verfolgt. Wer für Augustinus ist und wie er denktund glaubt, kann die Lehren der Kirche Jesu Christi der Heiligen derLetzten Tage nicht lieben.Auch dies ist ein Grund für die Ablehnung, die meine Kirche erfährt. Essind die rhetorischen und die daraus entstehenden praktischenÜbertreibungen, die in einem Jahrhunderte währenden Prozess schwereDeformationen verursachten, die uns trennen, weniger die großen aktuellenAnliegen beider Seiten. Diese Tatsache wird die besten Kräfte der seit demVati<strong>ca</strong>num 2 (1965-65) im Umbruch befindlichen römisch-katholischenKirche und die der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tageimmer näher zusammen bringen, das deutet sich an. Dem kommt diegenerell positive Einstellung der Katholiken und der ‚Mormonen’ zurSelbstdisziplinierung entgegen. Übrigens, Augustinus durch Ambrosiusvon Mailand bekehrt, würde sich auch darüber wundern, in der Kirche_________________(421) Lehre und Bündnisse 121: 35-40136


Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, seines Vorbildes Symbol derBotschaft Christi, den Bienenkorb, wiederzusehen.Dies ist gewiss ein Phänomen. Die positiven Änderungen, die modernePäpste durchsetzten, bemerkten wir alle bewundernd. Doch noch Pius IX.verwirft 1864 - ein viertel Jahrhundert nach dem von Joseph Smithverfassten, berühmten 11. Glaubensartikel (422) entschieden jeden Ansatzzu eigenem Denken. Papst Pius IX. ächtete (423) diesen Satz, (der sotypisch für „Mormonismus“ ist, und der dem Sinn des MailänderToleranzreskriptes des Jahres 313 entsprach, ausdrücklich. Da hieß esnoch:) „Es steht jedem Menschen frei, diejenige Religion anzunehmen undzu bekennen, die man, vom Lichte der Vernunft geführt, für wahrerachtet.“ 1888 forderte Papst Leo XIII. dagegen diktatorisch : „Freiheitfür die Wahrheit, aber keine Freiheit für den Irrtum.“ (424) Doch PapstJohannes Paul II., ein Pole, der unter deutschen Schikanen, sowie sowjetrussischemDiktat gelitten hatte, änderte 1979 die bisherige Einstellung derrömisch-katholischen Kirche, indem er in seiner Antrittsenzyklika, einwenig beschönigend erklärte: „Die Religionsfreiheit, manchmal nochbegrenzt oder vergewaltigt, ist Voraussetzung und Garantie für alleFreiheiten, die das Gemeinwohl der Menschen und der Völker sichern...Die Religionsfreiheit bringt nämlich wie kein anderes Menschenrecht denVorrang der menschlichen Person gegenüber jeder politischen Ordnungund ihre Offenheit für das Gute zum Ausdruck.“ (425)Es war bis in unsere Zeit hinein das Drohen mit der Hölle, das denKirchenautoritäten das Regieren leicht machte. Die Hölle erwartetediejenigen die auf ihre Freiheitsrechte pochten, auch diejenigen dieoffensichtlich ein besseres Los verdient hätten. Augustinus Drohen klangnoch grauenvoller: „es gibt Individuen, die Gott von vorne herein für dieHölle vorbestimmt hat. (Patrologia Lavina 40, 533; praedestinavit adaeternam... die gesamte Theologie des Mittelalters folgte deraugustinischen Auffassung von der Hölle und ihren ewigen Qualen...__________________(422) „Wir beanspruchen für uns das Recht, Gott den Allmächtigen zu verehren, wie esuns das Gewissen gebietet, und wir gestehen allen Menschen das gleiche Recht zu,mögen sie verehren, wie oder wo oder was sie wollen.“(423) Enzyklika „Quanta cura“, 1864.(424) Enzyklika „Libertas praestantissimum“ in: Die Katholische Sozialdoktrin in ihrergeschichtlichen Entfaltung, 4 Bde., hg. v. A. Utz u. B. v. Galen (Aachen 1976) Rd. nr.II/59. bei Konrad Hilpert „Die Anerkennung der Religionsfreiheit“, 2005(425) „Redemptor hominis“, 1979 bei Konrad Hilpert „Die Anerkennung derReligionsfreiheit“, 2005137


Seit dem Zeitalter der Aufklärung verstummen die Argumente gegen dieHölle nicht. Ideologiekritisch wird darauf hingewiesen, dass die Lehrenvon der Hölle für die Priester von größtem Nutzen ist; sie bildet dieGrundlage ihrer Macht und die unerschöpfliche Quelle ihrer Reichtümer,erlaubt sie doch dem Klerus die Bevölkerung mit Höllendrohungeneinzuschüchtern.“ (426) Erneut zeigt sich der Wandel: Der Katechismus derKatholischen Kirche von Papst Johannes Paul II: am 11. Oktober 1992veröffentlicht, lehrt mit Artikel 1037: „Niemand wird von Gott dazuvorherbestimmt, in die Hölle zu kommen.“ Aber es ist nicht vergessen, dieLehren der christlichen Kirchen zeigten fast anderthalbtausend Jahre eineHölle die vom schuldig gesprochenen Individuum endlos (ewig) zuerleiden ist. Joseph Smith - wie er behauptet inspiriert - sagte, Jesus habeerklärt: „Gewiss muss jeder Mensch Umkehr üben oder leiden, denn ich,Gott, bin endlos, darum nehme ich die Urteile, die ich sprechen werde,nicht zurück... doch steht nicht geschrieben, dass diese Qual kein Endehaben wird, sondern es steht geschrieben endlose Qual...., ewige Strafe istGottes Strafe.“ (427)Joseph Smith und Origenes wissen: Es gibt viel mehr <strong>als</strong> nur Schwarz undWeiß, mehr <strong>als</strong> nur Hölle und Himmel (plus Fegefeuer oder Limbo).Konsequenter Konstantinismus kennt nur hier die Hölle und da denHimmel und das Purgatorium. Die einen kommen ohne eigeneAnstrengung ins Reich Gottes und erfüllen es mit nie endendenLobgesängen, die anderen verfallen dem ewigen Verderben, obwohl sie ihrLeben lang bemüht waren, Gutes zu tun, oder obwohl sie völlig schuldlossind, fallen sie in die lodernden Höllenflammen, um ewig zu brennen. Nurweil sie nie die Chance hatten, den Namen „Jesus Christus“ zu hören, weilsie das Athanasianum ablehnten oder weil sie ungetauft gestorben sind.Jahrhundertelang galt das Purgatorium <strong>als</strong> Vorhölle, nun avancierte derBegriff zum Vorhimmel. Auch darin zeigt sich, dass die Zeiten absoluterVorherrschaft kirchlich-engen Denkens (in der ganzen christianisiertenWelt) endgültig abgelaufen sind.Im Nachhinein erhebt sich die Frage, ob Augustinus die Lehre von derErbsünde vor allem ersann, um das Mittel Furcht auszuschöpfen, um alleEltern moralisch unter Druck zu setzen? Denn wer „compelle intrare“ <strong>als</strong>Kampfruf ausgibt, dem ist auch das zuzutrauen._________________(426) Bernhard Lang, „Himmel und Hölle“ Jenseitsglaube von der Antike bis heute.C:H: Beck 200357 S. 85(427) Lehre und Bündnisse 19: 6138


Schier endlose Zeitabschnitte regierte die Kirche mit Hilfe desUngöttlichen. Das wird es, nach Lage der Dinge, aus der Sicht des 21.Jahrhunderts nie wieder geben. Das 2. ökumenische Konzil vonKonstantinopel 553 hatte aus rein politischen Beweggründen,konstantinisch-ambrosianisch denkend einen Kanon verabschiedet, indemdie Allversöhnungslehre Origenes strikt abgelehnt wurde, „Wenn einersagt oder meint, die Bestrafung der Dämonen und der gottlosen Menschensei zeitlich (begrenzt) und werde zu irgendeiner Zeit ein Ende haben... dersei ausgeschlossen.“ Dem Inhalt dieses Kanons stimmt die katholischeKirche noch immer zu. Die Hölle ist der ewige Platz derer, die nichtglauben, was Rom lehrt. Origenes indessen sprach deutlich von einerzeitlich begrenzten Gewissensqual, die durchaus <strong>als</strong> höllisch empfundenwird, aber die nur dem einen Zweck dient, den Einzelnen zur Einsicht zubringen, das Schlechtsein gegenüber anderen f<strong>als</strong>ch ist und letztlichunglücklich machen muss. Mit dem XVII. Artikel des AugsburgischenBekenntnisses schloss sich die evangelische Kirche dem JustinianischenAnliegen der Verdammung des Origenes an: „Auch wird gelehrt, dassunser Herr Jesus Christus am Jüngsten Tag kommen wird, um zu richtenund alle Toten aufzuerwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewigesLeben und ewige Freude zu geben, die gottlosen Menschen aber und dieTeufel in die Hölle und zur ewigen Strafe verdammen wird. Deshalbwerden die verworfen, die lehren, dass die Teufel und die verdammtenMenschen nicht ewige Pein und Qual haben werden.“ (428) Wie ein roterFaden zieht sich die Idee durch die Geschichte: Der Zweckheilige die Mittel. Das Echo des Nein der Unterdrückten vieler Zeiten istdagegen unüberhörbar. Unsere gottähnliche Seele erträgt unter keinenUmständen Einengungen, es sei denn das eigene Gewissen gebietet das.Richtig kann auch deshalb nicht sein, die mit dem Konzil zu Nicäa 325endende Geschichte der Urkirche <strong>als</strong> christliche zu bezeichnen und die aufgrundsätzlichem Gegenkurs sich entwickelnde Gegenkirche ebenfalls.Ein typisches Beispiel für empörende Amtsausübung liefert uns Cyrill vonAlexandria, der zu Beginn des 5. Jahrhunderts im Geiste einiger seinerunrühmlichen Vorgänger rigoros amtiert. Das Dreiecksverhältnis zwischender Kaiserin Pulcheria und Nestorius, sowie Cyrill ist von Beginn anvergiftet. Sie sind zwar lupenreine Athanasianer, aber mit ihrem jeweilsabsoluten Machtanspruch mussten sie aneinander scheitern.______________________(428) Das Augsburger Bekenntnis von 1530 (Confessio Augustana)139


Cyrill von Alexandria, Herr des Konzils zu Ephesus 431, dieselbsternannte Kaiserin Pulcheria und Patriarch NestoriusCyrill gehört zu den schillerndsten Persönlichkeiten des Altertums. Er istklug und gewissenslos. Er stichelt und agiert gegen die in Alexandria hochangesehenen Novatianer, - eine Restgruppe der Gemeinde der „Heiligender Letzten Tage“ (429), schließt deren Kirchen und gibt sie derPlünderung durch den alexandrinischen Mob preis. Die Szenen die sichdabei abspielen zeigen, dass Cyrills Anhang zu jeder Schandtat bereit war.Sokrates ein <strong>als</strong> zuverlässig geltender Historiker der Antike, spricht vonder ohnehin allgemeinen Gewaltbereitschaft der Einwohner Alexandrias,die Cyrill sich dienstbar machte. (430) Straßenrandale, Zänkereien undhetzerische Predigten, gehörten zur Tagesordnung.Begonnen hatte es mit Alexander von Alexandrias Aufruf zur Verfolgungdes Arius bis aufs Blut. Sein Ziehsohn Athanasius setzte den Kurs fort,aber einen vorläufigen Höhepunkt setzte Cyrills Onkel, BischofTheophilus, im Jahr 391. Dieser wollte den vollständigen Sieg des„Christentums“ wohl noch zu seinen Lebzeiten sehen. Er erwirkte eineVerfügung des Kaisers Theodosius I. die Tempel der Hellenen zuAlexandria zerstören zu dürfen. Alles solle nach seinem Gutdünkengeschehen! Das dies Theodosius Wille war, erscheint sehr fragwürdig. Esgibt keinen Beleg dafür. Noch aber lebte und wirkte Ambrosius vonMailand!„…Als Theophilus diese Erlaubnis erhalten, wandte er Alles an, um dieMysterien der Hellenen zu beschimpfen, und er reinigte das Mithreion undwarf das Serapeion nieder, und die phönizischen Mysterien des Mithreionsverhöhnte er öffentlich...Als nun das Übel gestillt war, kamen demTheophilus zur Zerstörung der Tempel der Präfect von Alexandria und derAnführer der Truppen zu Hilfe. Die Bilder der Götter aber wurden zuBechern und zu anderen Bedürfnissen der Kirche von Alexandriaeingeschmolzen, (obwohl) der Kaiser die Götzen zum Unterhalt der Armengeschenkt hatte... Dieser Tempel – Serapeion - war aber an Schönheit undGröße der glänzendste, auf einer Anhöhe gelegen. . Von den Wänden desInnern Heiligtums glaubte man, dass sie zuerst mit goldenen Plattenüberzogen seien, darüber mit silbernen und zuletzt mit ehernen, die zumSchutze der edlen Metalle dienten... In dem zerstörten und entblößten________________(429) Friedrich Loofs „Dogmengeschichte“ Halle/Saale 1950 S.133, „... die neueProphetie... bestrebte sich ... die Gemeinde der Heiligen der Letzten Tage zu sammeln.“(430) Sebastian Schurig „Die Theologie des Kreuzes beim frühen Cyrill vonAlexandria“, Uni Jena, 2001, Mohr Siebeck, S. 16140


Tempel des Serapis ...wurden in Stein gehauene Schriftzeichen gefunden,die man hieroglyphisch nennt. Es waren aber Zeichen, welche die Formvon Kreuzen hatten. Als Christen und Hellenen dies sahen, eignete jederdieselben seinem Glauben an. Denn die Christen, indem sie sagten, dasKreuz sei das Zeichen des heilbringenden Leidens Christi, meinten...dieHellenen aber..., es bestehe etwas Gemeinsames zwischen Christus undSerapis, wenn das Kreuzeszeichen einerseits von den Christen,andererseits von den Hellenen zum Symbol gemacht werde. Während dieseaber stritten, sagten einige von den Hellenen, die zum Christentumübergetreten waren und die hieroglyphische Schrift verstanden, indem siedas Kreuzeszeichen erklärten, dass es das zukünftige Leben bedeute. Indemdie Christen dies vollständig für den eigenen Glauben ergriffen, benahmensie sich umso prahlerischer. Als aber noch durch andere hieroglyphischeSchriften kundgetan wurde, dass der Tempel des Serapis ein Ende nehmenwerde, wenn das Kreuzeszeichen erscheine, ... gingen noch viel mehr zumChristentum über.“ (431)Es gibt den interessanten Hinweis Serapis sei jener Joseph gewesen, derAgypten vor einer Hungersnot bewahrte. (Pharaos Traum von den 7 fettenund den 7 mageren Kühen) Wenn das zutreffen sollte, bestünde tatsächlichGemeinsames zwischen dem großen ICH BIN der Israeliten durch dessenLicht Joseph die Bedeutung eines Traumes des Pharao erkannte sowie derReligion und Wertschätzung gewisser Hellenen die sie Joseph erwiesen.erscheint aufgesetzt. Den meisten Hellenen wird die Kreuzesprophezeiungdüster und trostlos vorgekommen sein.408 erging ein „Verbot des Hofdienstes für alle Nichtkatholiken“. (432) Aufganzer Frontlänge gingen die Siegreichen mit Schikanen gegen ihreMitmenschen vor.Vier Jahre später betritt Cyrill die Bühne: „„Sobald (er) sich 412 auf denersten Patriarchenstuhl der damaligen orientalischen Kirche erhoben sah,ließ er auch sogleich erkennen, was man von seinem Eifer zu erwartenhabe. Die Bischöfe von Alexandrien hatten dam<strong>als</strong> auch einen Teil derweltlichen Regierungsgewalt inne, und Cyrill handhabte dieses Ansehenmehr <strong>als</strong> seine Vorfahren, und wenigstens nach dem Bericht des ihm________________(431) Full text of „Quellen der byzantinischen Kunstgeschichte“ übers. von FriedrichWilhelm Unger, Wien,1878, KuK Hof u Univ. Buchhändler, 22 Erster Abschnitt:Socrat, V.(432) Johannes van Oort und D. Wyrwa Peeters, „Heiden und Christen im 5.Jahrhundert“ 1998141


allerdings nicht günstigen Sokrates war er nicht zufrieden, über seinenKlerus unumschränkte Macht zu üben, sondern mischte sich auch sehr indie weltlichen Angelegenheiten. Demgemäß vertrieb er sogleich dieNovatianer aus der Stadt, ließ ihre Kirchen schließen, nahm die darinbefindlichen Schätze und beraubte ihren Bischof Theopemptus seinesganzen Besitztums.“ (433)Unbestritten ist, dass die Nachfolger Novatians, die Cyrill zu Boden wirft,sich ernsthaft darum bemühten rechtschaffen zu sein. Die Novatianerhatten sich nichts zu Schulden kommen lassen, was unehrenhaft gewesenwäre. Besonders wichtig war ihnen die gegenseitige Treue der Ehepartner.Sie führten sich anders auf <strong>als</strong> die Orthodoxen. Vielleicht neigten einigeNovatianer zu einigen praktischen Übertreibungen. Aber sie warentolerant. Wiederholt stellten sie das unter Beweis: „Als die Nicäner ( zurZeit des arianischen Bischofs von Konstantinopel, Makedonios, um 390,)ihre Kirchengebäude verloren,... zogen sie es vor zusammen mit denNovatianern Gottesdienste abzuhalten... Papst Coelestin (422-432) entzogihnen jedoch... ihre Kultgebäude (Versammlungsräume G.Sk.) und diekaiserliche Gesetzgebung schloß seit dieser Zeit auch die Novatianer unterdie häretischen Gruppen.“ (434) Die Duldsamkeit der Novatianer war fürCyrill Grund genug sie zu diffamieren, mit dem Ziel sie auszulöschen.Dabei hatten sie sich nur geringfügig von den nicänischenGlaubensbegriffen distanziert. Eigentlich müsste er sie <strong>als</strong> seine Freundebetrachten. (435) Nur, diese Freunde waren so kühn gewesen einige seinerGemeindemitglieder für sich zu gewinnen. Das hätten sie unterlassensollen. Er durfte das, nur er.Cyrills „gnadenloser Kurs richtete sich gegen alle, deren Standpunkte er__________________(433) Heinrich Hand, „Cyrillus von Alexandria“ Vorwort, Kempten 1879(434) Steffen Diefenbach „Römische Erinnerungsräume“ S. 253(435) Sabine Hübner, „Der Klerus in der Gesellschaft des spätantiken Kleinasiens“,Dissertation Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2005 S.117-222„Hätte (Kaiser) Theodosius nicht die Novatianer aufgrund ihres homousischenGlaubensbekenntnisses begünstigt, hätte er auch sie, die sich <strong>als</strong> Kaqaroi/, <strong>als</strong> „dieReinen“, bezeichneten, (sie unter die Sekten G.Sk.) nennen müssen.Sie wollten... die Leute durch die Vorspiegelung einer probata fides und einespropositum <strong>ca</strong>stior täuschen (eines rechtschaffenen Lebens) an sich ziehen und siedabei vergessen lassen, dass es sich (bei ihnen) in den Augen der katholischen Kircheum Häretiker handelte. Dieses Edikt zeigt, dass die offene Nennung des Sektennamens(Novatianer) Anstoß bei der Orthodoxie erregte und diese (ähnlich gearteten G.Sk.)Sekten <strong>als</strong> eine ernsthafte Bedrohung wahrgenommen wurden. Da diese Sekten denAnspruch erhoben, dem christlichen Ideal näherzukommen <strong>als</strong> die Großkirche und einreineres und gottgefälligeres Leben zu führen, fürchtete man offenbar, Anhänger andiese Gemeinschaften zu verlieren.“142


<strong>als</strong> unverträglich mit der christlichen Gemeinde der Stadt erachtete. Soveranlasste er die Plünderung …der Kirchen der christlichen Gruppe, (derNovatianer) die von dem römischen Priester Novatian im 3. Jahrhundertgegründet wurden. Als Vergeltung für jüdische Angriffe stachelte er dieChristen von Alexandria zu einem Judenpogrom an, der das Ende derjüdischen Gemeinde in dieser Weltstadt bedeutete...“ (436)Unvergessen: der hier <strong>als</strong> ‚römischer Priester Novatian’ bezeichnete Mannwar laut offizieller Liste ein Papst! der von 251 - 258 amtierte, allerdings<strong>als</strong> Bischof in Rom, der, wegen seiner urchristlichen, vielleicht etwasstarren Haltung wegen, im Nachhinein zum Gegenpapst degradiert wurde.Mit Degradationen war man dam<strong>als</strong> schnell zur Hand. Nur, wir leben ineiner besseren Zeit, in der alle alten Dokumente erneut auf Stichhaltigkeitvon unparteiischen Gelehrten untersucht werden. Die Quellen berichtenimmer dasselbe: „Der Patriarch von Alexandria, Cyrill (Kyrill) bekämpftJuden und Häretiker gleich in den ersten Jahren nach seinem Amtsantritt412,... der Grund (von Vertreibungen und Plünderungen) warengegenseitige christliche-jüdische Provokationen innerhalb der für Aufruhranfälligen alexandrinischen Bevölkerung.“ ... konkreter Anlass zublutigen Auseinandersetzungen ist ein nächtlicher Überfall auf Christen,die aufgrund der gezielten F<strong>als</strong>chmeldung die Alexanderkirche brenne,aus den Häusern eilen. Die auf sie einschlagenden Juden tragenFingerringe aus Palmrinde... um sich im Dunkeln kenntlich zu machen. ImGegenzug nimmt am nächsten Tag Kyrill den Juden ihre Synagogen weg,vertreibt sie die seit Alexander den Großem hier wohnen aus der Stadt undlässt ihren Besitz plündern... 423 wird die große Synagogen von Antiochiadurch Christen zerstört.“ (437) Die Lehren und der Geist der Urkirchekonnte in diesem Umfeld selbst bei größter Anstrengung Einzelner kaumbewahrt bleiben. In dieser Stadt mochte man die Lichtgestalten nicht.Starken Charakteren mit guten Absichten standen zu viele anders gearteteLeute gegenüber: „Kaum eine Bischofswahl im streitsüchtigen Alexandriawar unproblematisch, diejenige Cyrills Patriarch von 412-444 bildete dakeine Ausnahme. Es hatte innerkirchlichen Dissens und sogar einenGegenkandidaten gegeben, den der Präfekt Abundatius favorisiert hatte;nach dreitägigen Diskussionen triumphierte Cyrill mit Hilfe des Mobs...Cyrill seiner Position nicht sicher... war der erste einer Reihe vonKirchenfürsten der Stadt, die den alexandrinischen Klerus und alles was_________________(436)ÖkumenischesHeiligenlexikon(437) Karl-Leo Noethlichs „Die Juden im christlichen Imperium“ RomanumStudienbücher Akademie-Verlag 2001 S.143


mit kirchlicher Organisation zusammenhing, zu einem im Wortsinnschlagkräftigen Instrument ausbauten... anschließend ging Cyrill gegenjene christlichen Gruppierungen vor, die man aufgrund staatlicher Gesetze<strong>als</strong> Sektierer, Häretiker oder Schismatiker bezeichnete. Besonders hart trafes die Novatianer, die in der Bußpraxis noch rigoroser waren <strong>als</strong> dieMelitianer, deren Kirche Cyrill ebenso konfiszieren ließ wie ihreliturgischen Geräte, um sein eigenes Kirchenvermögen aufzubessern...“(438) Im Jahr 415 strebte die alexandrinische Kirchengeschichte einemneuen Tiefpunkt zu. Kaiser Honorius (Kaiser des Westens und einKatholik ersten Ranges, G.Sk.) ließ all das nicht nur zu er „verfügte mitCodex Theodosius 16,10,20 harte Maßnahmen gegen heidnische Priesterin Afrika. Sie mussten bis 01. November alle Metropolen verlassen... alleGrundstücke die heidnischen Kultausübungen dienten wurden kaiserlichesEigentum... Nach Const. Sirm. 6 (Sirmondianische Konstitutionen) von425,,,“ heißt es „Weil wahrhaft religiöse Menschen nicht durchAberglauben verdorben werden dürfen, so befehlen wir, dass dieManichäer, alle Häretiker (alle, die durch staatlich-kirchliche Willkür zuHäretikern erklärt worden waren G.Sk.) Schismatiker, (alle die es wagtenGewissensentscheidungen höher zu stellen <strong>als</strong> doktrinären Zwang G. Sk.)Zauberer (und solche die man dazu stempelte, weil sie unbequeme Fragenstellten G. Sk.) und jede dem katholischen Glauben feindliche Sekte geradevom Anblick der Städte ausgeschlossen werden müssen, um (die anderen)nicht durch verpestende Anwesenheit von Kriminellen zu verunreinigen.“(439) Alexander Solschenizyn beschreibt in seinem Werk “ArchipelGulak” Vergleichbares für den Beginn der kommunistischen Ära. Cyrilltrieb sein ungutes Spiel weiter, er jagte die große jüdische BevölkerungsgruppeAlexandrias aus niederen Motiven in den völligen Ruin, und erträgt an der Ermordung der edlen heidnischen Philosophin Hypatiazumindest Mitschuld, indem er gegen ihre ‚Zauberei’ predigte. Und wieim Jahre 415 die kluge Frau umgebracht wurde! „Die schändlichsteGrausamkeit verübten... Mönche ... gegen die liebenswürdige PhilosophinHypatia. Zur Fastenzeit rissen die Mönche sie aus ihrem Wagen, zogen sienackend aus und schleppten sie wie ein Opferlamm in die Kirche. Hierermordete man sie auf die grausamste Weise... (440) Der PhilosophinHypatias prominentester Schüler und Bewunderer war der Christ undspätere Bischof Synesios von Kyrene (370-413), ein kluger und toleranterMann. Mit ihm stand sie im Briefverkehr. Auch das könnte Cyrill___________________(438) Manfred Clauss „Alexandria, Schicksale einer antiken Weltstadt“ 2. Aufl. 2004(439) Karl-Leo Noethlichs „Kaisertum und Heidentum im 5. Jahrhundert“ S. 15(440) Arnulf Zitelmann „Hypatia Taschenbuch – Beltz144


missfallen haben. Es heißt: „Alle christlichen Quellen geben dem Kyrill dieSchuld oder Mitschuld, obwohl die Masse des Volkes oft durchaus nichtauf der Seite des Kyrill stand. Der wahre Grund der Ermordung warmöglicherweise, dass Hypatia nicht nur mit dem praefectus augustalisOrestes zusammenarbeitete, sondern eine einflussreiche Frau innerhalbder Opposition gegen Kyrill insgesamt war.“ (441) Das ist doch jedesMenschen Recht anders zu urteilen <strong>als</strong> eine dominierende Persönlichkeit.Dieses Recht nahmen die Propheten Israels ausnahmslos für sich inAnspruch. Wegen Wahrnehmung dieses Rechtes entstand letztlich dieBibel. Ihre Aussagen richten sich unentwegt kritisch an das eigene Volk.(442) Die Heilige Schrift warnt und ermutigt. Insbesondere weist sieimmer wieder darauf hin, dass dem Unrechttun der Entzug der Liebe unddes Lichtes Gottes folgt.Kaplan Dr. Fendt gibt zu bedenken, die Juden hätten von einem ,,Brief derPhilosophin Hypatia" an Cyrill gesprochen; erst „durch des NestoriusZweinaturenlehre (443) sei sie bekehrt worden, darin bekennt sie, nie habesie verstehen können, wie Gott gekreuzigt werden konnte.“ (444) Nestoriusvermochte wozu Cyrill unfähig war? Unerhört!Er wird sich das merken._______________(441) Karl Leo Nöthlich: Johann Hahn „Gewalt und religiöser Konflikt“ AkademieVerlag,2004(442) Jeremia 7: 2-7 „Hört das Wort ganz Juda... bessert euer Verhalten und euer Tun,dann will ich bei euch wohnen hier an diesem Ort (dem Tempel) Vertraut nicht auf dietrügerischen Worte: der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn ist hier,...nur wennihr euer Tun von Grund auf bessert, wenn ihr gerecht entscheidet im Rechtsstreit, wennihr die Fremden, die Waisen und Witwen nicht unterdrückt, unschuldiges Blut nichtvergießt... dann will ich bei euch wohnen.“(443) Der Begriff der Zweinaturen bedeutet, dass Jesu unsterbliche Intelligenz in einensterblichen Leib geboren wurde. Nach ‚mormonischem’ Verständnis sind alleMenschen – die zur Familie Adams gehören - Doppelwesen. Sie sind eine Kombinationaus fein- und grobstofflicher Materie und bilden vereint die Seele.(444) Leonhard Fendt, „Die Christologie des Nestorius“ kath.theol. Fakultät der KaiserWilhelm Universität zu Straßburg, 1909, Kempten, S. 104145


NestoriusEr kam aus Antiochia, vorbelastet mit dem Ruf er sei ein kompromissloserDraufgänger. „Er war jung, rothaarig, mit großen Augen und einemschönen Gesicht; man hätte ihn einen zweiten David nennen können. Auchwar der Klang seiner Stimme sehr angenehm. Er hielt allerlei Anreden(Ansprachen) bei der heiligen Kommunion, und viele kamen nur zurKirche, um den Ton seiner Stimme zu vernehmen.“(445) „Allein man hattesich in Nestorius allgemein getäuscht. Bemerkenswert sind von ihm schondie in seiner gleich nach der Ordination gehaltenen Rede an den Kaisergerichteten Worte: „Verschaff’ du mir, o Kaiser, eine von Ketzerngereinigte Erde, und ich will dir dafür den Himmel verschaffen; hilf du mirin Niederwerfung der Ketzer, und ich will dir helfen in Niederwerfung derPerser!“ (446)Diejenigen die ihn näher kannten, wussten, dass er nicht zu Bewunderernder augustinischen Lehren gehörte. Einige rechneten ihm übel anPelagianern Schutz geboten zu haben, weil er überzeugt war, dass dieLehre von der Erbsünde, wie sie der Bischof von Hippo lehrte, unbiblischsei. Im Jakobusbrief stand es schwarz auf weiß geschrieben: „Wer <strong>als</strong>o dasGute tun kann und es nicht tut, der sündigt.“ (447) Ihm tat es gut logischzu denken. Eigentlich konnte es niemanden geben der solche Definitionnicht verstand. Ein Säugling hatte zwar die Neigung zu Tugenden undUntugenden von seinen Eltern geerbt, aber nicht deren Schuld vor Gott.Indessen horchten die Opportunisten gleich auf. Das war doch antikatholischerWind der zu blasen begann. Mit wem sollten sieübereingehen? Ist Nestorius stark genug, wird er die Mehrheit der Klerikerhinter sich bringen?Nein.Rom hatte zahlreiche Bischöfe die nicht oft genug der Gnade Gottesbedurften. Sie hatten sich bereits deutlich zu Augustinus bekannt. Unterdiesen Umständen war es nur zweitrangig eigene Erwägungen anzustellen.Wenn Rom gesprochen hatte, war eine Sache erledigt.Dazu eine kurze Anmerkung: Selbst ‚Papst’ Zosismus war zuerst keinFreund der augustinischen Lehre von der Erbsünde, aber sein VorgängerInnozenz I. hatte sich dazu bekannt. Dam<strong>als</strong> kam es zu einer Provinzi<strong>als</strong>ynodein Mileve, Nordafrika, über die Augustinus präsidierte.Der britische Mönch Pelagius der, wie wir sahen, gegen Augustinus Idee__________________(445) Christian Pesch „Nestorius <strong>als</strong> Irrlehrer“ Full text Paderborn 1921(446) Bibliothek der Kirchenväter „Das Leben des heiligen Cyrill“(447) 4:17146


stand, die Säuglinge müssten von der Erbsünde durch die Babytaufegereinigt werden, wird nun stellvertretend für diejenigen Bischöfegeprügelt, die seiner Meinung sind, aber zu schüchtern um das laut zusagen. Zosismus wankte. Pelagius wird schließlich verurteilt. Das„Ökumenische Heiligenlexikon“ legt dar: „Augustinus kommentierte 417in einer Predigt (Sermo 131, 10): „Causa finita est - utinam aliquandofiniatur error”, „die Angelegenheit ist erledigt - wenn doch irgendwanndas Irren aufhörte”… Das sei eine Äußerung, die „spätere ApologetenRoms tendenziös in „Roma locuta, <strong>ca</strong>usa finita”, umfälschten. Der Sinn istein ganz anderer: „Rom hat gesprochen, die Angelegenheit ist erledigt”Früher hielt einige das Zitat: „Rom hat gesprochen, die Angelegenheit isterledigt“ für echt. Das muss man den Apologeten übelnehmen, uns immerwieder anzulügen.Die Umstände hatten es mit sich gebracht, dass der verwaistePatriarchenstuhl in Alexandria 428 von einem ganzen Mann besetzt wurde,der die unehrlichen unter seinen Kollegen und der vor allem die KaiserinPulcheria bald durchschauen und verärgern sollte.Nestorius gehört zu den Leuten, die erst nachdenken und dann reden. Dasverlieh seiner Stimme Gewicht. Zudem war er grundehrlich und leiderintolerant. Vielleicht nur um die Bedenken einiger auszuräumen und umseine Orthodoxie zu beweisen, wollte Nestorius: „Schon am fünften Tagenach seiner Ankunft ein Bethaus der Arianer, wo sie im geheimen ihreAndacht verrichteten, zerstören und brachte sie dadurch außer sich. Denn<strong>als</strong> sie sahen, dass ihr Bethaus zerstört wurde, warfen sie Feuer hinein undverbrannten es. Das Feuer griff aber weiter um sich und erfasste auch diebenachbarten Häuser. Dadurch entstand Aufregung in der Stadt, und dieArianer sannen (angeblich) auf Rache... Seit der Zeit hieß er nicht nur beiden Arianern, sondern auch bei seinen eigenen GlaubensgenossenFeuerbrand. Denn er gab keine Ruhe, sondern kehrte, soviel an ihm lag,das Unterste zu oberst. Er wollte auch den Novatianern zusetzen, weil esihn wurmte, dass einer ihrer Bischöfe, Paulus mit Namen, wegen seinerFrömmigkeit überall gerühmt wurde. Indessen die Ermahnungen derMachthaber zügelten seinen Ungestüm.“ (448) Die Machthaber dieser Jahrehießen Theodosius II. und Eudocia. Es scheint, dass die frühere,unbeschränkte Herrscherin, Pulcheria, die ehrgeizige Schwester desKaisers, bereits seit der Hochzeit ihres Bruders 421, einen allmählichzunehmenden Machtverlust hinnehmen musste. Sieben Jahre später gegenEnde der zwanziger Jahre, horchte man hin, wenn Eudocia etwas zu sagenhatte. Nestorius war eindeutig ein Athanasianer, ein Orthodoxer. Er__________________(448) Christ. Pesch „Nestorius <strong>als</strong> Irrlehrer“ Full text Paderborn 1921 S 2 u S. 41.147


verfügte über suggestive Redegewalt. Cyrill von Alexandria beobachtetekeineswegs entzückt, dass Nestorius sehr wahrscheinlich dafür sorgenwird, dass Konstantinopel seinen zweiten Rang ausbaut. Das hatte bereitssein persönliches Vorbild Athanasius verdrossen. Cyrill wollte dieses prokonstantinopolitanischeVormachtstreben so gut er konnte erschweren undauf sich aufmerksam machen. Ein bereits kurz nach seiner Ankunft veröffenlichterAnschlag an der Kirche verkündete dem Volke, Nestorius seiein „Gesinnungsgenosse des (ebenfalls wegen einer theologischenBelanglosigkeit) vor 160 Jahren verdammten Paul von Samosata" Esscheint diese Erregung aber hernach wieder abgeflaut zu sein. (449)Patriarch Cyrill sah Ursache sich doppelt vor Nestorius zu fürchten, dennseine Vergangenheit war, wie in der Kirche allgemein bekannt, nichtsauber gewesen, (wenngleich Alexandrias Kleriker alles beschönigten).Umgekehrt genoss Nestorius moralische Autorität. Dieser Mann musstefallen. Zudem verübelte Cyrill „Nestorius, das dieser ihm (wahrscheinlichim Jahre 412) keine Weihegeschenke (zu seiner Wahl) übersandt und einerGruppe angehört, die eine nicht näher definierte Klage gegen ihn (Cyrill)erhoben hatten... (‚Papst’) Coelestin und Cyrill durften beide in Sorgegewesen sein, was diese Entwicklung anbelangte. Doch beide hatten sichschon bald darauf geeinigt, der (zu erwartenden) Drohung dadurch zubegegnen, dass sie Nestorius Orthodoxie in Frage stellten...“ (450)Verwegen warfen ihm seine Feine Feinde Laxheit in der Begriffswahl vor.Nestorius würdige den Status Marias, der Mutter Jesu nicht hinreichend.Eher künstlich wurde diese Sache aufgebauscht. Cyrill züngelte undzündelte wo er konnte. Schließlich legte Papst Coelstin die strittigeAngelegenheit ausgerechnet in die Hände dieses Mannes, der <strong>als</strong> Letzterhätte unparteiisch sein können.„Coelestin (waren) sowohl von Nestorius <strong>als</strong> von Cyrill Materialien zurBeurteilung des Streites zu(gegangen). Eine römische Synode stellteNestorius (vor die Wahl) zwischen Anathema und der Widerrufung seinerPredigten und Briefe. Der Patriarch von Alexandria (Cyrill) kurz zuvornoch in Erregung über verschiedenen in der Hauptstadt kolportierte(umgehende Gerüchte) und ihm zur Last gelegte Gewalttätigkeiten, sahsich wohl mit Befriedigung mit der Durchführung jenes Urteilsbeauftragt.“ (451) Daraus folgte sofort, dass Nestorius stürzen wird. Dass_______________(449) Leonhard Fendt, Inauguraldissertation „Die Christologie des Nestorius“kath.theol. Fakultät der Kaiser - Wilhelm - Universität Straßburg, 1909, Kempten(450) Josef Lössl, „Julian von Aeclanum, Studien zu seinem Leben, seinem Werk, einerLehre“ Brill, 2001, S. 311(451) Leonhard Fendt148


Nestorius Feinde jedoch die Orthodoxie eines Superorthodoxen in Fragestellen wollten, wirft eine Reihe Fragen auf. Aber das war denn auch, wiesich zeigen sollte, die Achillesferse des neuen Patriarchen. Er wollte ineiner Zeit heillosen Wirrwarrs der Lehren und der Meinungen einPerfektionist sein. Welch ein Spiel! Später rechtfertigt Papst CoelestinNestorius, der nun wirklich kein Arianer war, aber eben ein Freund derPelagianer. Hinzu kommt, dass Coelestin im Fall des Nestoriuseingestehen musste „er habe seine Briefe nicht beantworten können, da sieerst ins Lateinische übersetzt werden müssen... seit Konstantin <strong>als</strong>overschwand die griechische Sprache aus Rom.“ (452)Irgendwann musste Coelestin eingesehen haben, dass es sich in dieserStreitsache nur um pure Gehässigkeiten Cyrills handelte. Die Pelagianersprachen nach Cyrills Geschmack zu viel von der Freiheit des Christen undzu wenig von der Gnade Gottes. Darin bestand zwar Nestorius Frevel,doch das reichte nicht ihn zu stürzen. Das vorsichtige Taktieren endetabrupt, <strong>als</strong> Nestorius Pulcheria bei einer Übertretung ertappt. Er mussAugenzeuge eines vielleicht nicht vollendeten Liebesaktes gewesen sein.„Pulcherias Gegner dichteten ihr sieben Liebhaber an... der magisterofficiorum Paulinus galt <strong>als</strong> ihr Favorit.“ (453) An anderer Stelle heißt es:„Es gab ein Gerücht von einer unerlaubten Beziehung der Pulcheria zueinem Hofmann.“ (454)Es können nicht nur Gerüchte gewesen sein, obwohl der Hofklatsch allerZeiten sich verheerend auswirken konnte. Andererseits sind selbst frommeHofleute auch nur Menschen. Anders ist kaum zu erklären, dass er sichherausnimmt das Bild der Kaiserin das über dem Altar an die Wand derkaiserlichen Basilika gemalt worden war zu löschen. Nestorius muss ganzsicher gewesen sein. Er war doch nicht dumm. Pulcheria konnte in ihrerRache schrecklich sein, das haben einige Eunuchen bei Hofe sehr zuspüren bekommen. In ihrer Wut wird sie ihm gesagt haben: Nestorius, ichwerde dich vernichten, dass du die Gottesmutter nicht ehrst, wird dichstürzen. Wahr ist, Nestorius hatte wiederholt in seinen Predigtenempfohlen Maria die Christusgebärerin (Christotokos) zu nennen und nichtdie Gottesgebärerin (Theotokos) zumal der Muttergotteskult der Heidenüberhand nahm. „In Ephesus, der Stadt der Diana, hatte man ohnehineinen Hang zum Marienkult.“ (455) Nestorius mochte sich sagen, er werde_________________(452) Leonhard Fendt, Inauguraldissertation(453) A. Demand, „Das Privatleben der römischen Kaiser“ C.H. Beck 1996 S. 100(454) Leonhard Fendt, Inauguraldissertation(455) Günther Rigobert „Römische Kaiserinnen zwischen Liebe, Macht und Religion“149


wegen heidnischer Gepflogenheiten keineswegs einknicken. Vielleichtlachte er sie miteinander aus. Die Klagen die nun gegen ihn erhobenwurden zielten auf diese Zusammenhänge: „Nestorius habe bei seinerAnkunft in Konstantinopel viele Unordnungen vorgefunden, sei aber sostürmisch gegen diese vorgegangen, dass alle Welt über ihn murrte.2. Nestorius habe rebellische Geistliche, (pelagianische Bischöfe) die ausAlexandrien nach Konstantinopel kamen, aufgenommen.3. Früher habe die Kaiserin Pulcheria mit ihren Nonnen am Sonntag nachder heiligen Kommunion im bischöflichen Palast gespeist. Nestorius wolltedas nicht zugeben, wodurch er Klerus und Hof gegen sich aufbrachte.4. Nestorius ließ das Bild der Pulcheria, das über dem Altar gemalt war,auskratzen, wofür er beinahe aus der Kirche verjagt wurde.5. Nestorius ließ ein Gewand der Pulcheria, das bald auf dem Altarausgebreitet war, bald von ihr getragen wurde, wegnehmen.6. Am Ostertage pflegte der Kaiser im Chor der Kirche die Kommunion zuempfangen, und Pulcheria hatte vom Bischof Sirinnius. die Erlaubniserhalten, das gleiche zu tun. Als Nestorius eines Tages sah, dass sie wiederauf das Chor zuschritt, fragte er, was das bedeuten solle. Der ArchidiakonPetrus erklärte es ihm. Da eilte Nestorius herbei und verhinderte dieKaiserin am Eintritt in den Chor. Die Kaiserin wurde unwillig und sagte:Lass mich doch der Gewohnheit gemäß eintreten. Er aber sprach: DieserOrt darf nur von den Priestern betreten werden. Sie sagte: „Vielleicht,weil ich nicht Gottes Mutter bin?“ Er sprach: „Des Teufels Mutter bistdu; und er jagte sie weg.“ (456) Diesem ungeheuren Schimpf muss <strong>als</strong>o, <strong>als</strong>ein nicht zu leugnender Vorfall, eine massive Übertretung Pulcheriasvorausgegangen sein. Kaplan Dr. Fendt verweist ebenfalls auf diesenSchwerpunkt: „Wenn... die Daten des Briefes „an Kozma, Haupt derGläubigen in Antiochien" (ed. 0. Braun, Zeitschrift der deutschenmorgenländischen Gesellschaft 54, (1900) auf Richtigkeit beruhen sollten,hätte Nestorius nicht die Religiosität, sondern den Herrscherinnenstolz derPulcheria beleidigt: „Pulcheria. und ihre Nonnen pflegten am Sonntagnach Empfang der Kommunion (im Hof des Gemeindehauses?) zufrühstücken. Nestorius aber empfing (sie) nicht. .; das Bild der HerrinPulcheria, das über dem Altare gemalt war, löschte Nestorius aus . . .; die(oroh?) der Pulcheria, die bald zur Zeit des Opfers auf dem Altareausgebreitet war, bald von ihr getragen wurde, entfernte Nestorius" (457)Dieser Altar von dem hier die Rede ist war nicht irgendeiner „er bestand________________(456) Christian Pesch, „Nestorius <strong>als</strong> Irrlehrer“ Paderborn 1921, Verlag Schöningh(457) Leonhard Fendt, Inauguraldissertation, kath.theol. Fakultät der Kaiser-Wilhelm-Universität zu Straßburg, 1909, Kempten, S.71.150


aus Gold und Edelsteinen und war von Pulcheria und ihren beidenSchwestern – die angeblich ebenfalls gelobt hatten jungfräulich zu leben -<strong>als</strong> äußeres Zeichen ihres Gelübdes geweiht worden…“ (458)„Seit Sirinnius empfing Pulcheria wie der König die Kommunion imAllerheiligsten; Nestorius ließ sie nicht ein; bei dieser Gelegenheit„ergrimmte gegen ihn Pulcheria. . . . und sprach zu ihm: Warum habe ichnicht Gott geboren? Er sprach zu ihr: Du, den Satan hast du (?) dageboren". (459) Zur Kommunion überhaupt und zudem an besonderem Platzzugelassen, wurden nur Personen die nicht übertreten hatten. UnterÜbertretung verstand man fast immer das Eine – es sei denn, es handeltesich um Häresie. Häretisch zu sein hätte Pulcheria sich niem<strong>als</strong> erlaubt. Ihrimmer gültiger Maßstab befand sich in Rom und an Rom hat sie sich nieversündigt. Nestorius sah schwerwiegende Gründe die mächtigste,allerdings schon geschwächte, Person des östlichen Imperiums derartschroff zu behandeln. Die herrschgewaltige Dame die schon früherfolgreich gegen den übermächtigen Eunuchen Chrysaphius aufzutretenwusste, um die Macht an sich zu ziehen, wird sich <strong>als</strong> 30jährige nicht voneinem dahergelaufenen Herrn Nestorius demütigen lassen.„Du hast den Satan in dir!“oder „Du bist des Satans Mutter!“ aus demMund eines in den heiligen Schriften bewanderten Mannes zielte das aufdas Wort Jesu: „Der Teufel ist der Vater der Lüge, ... ein Mörder.“ (460)Sie sei <strong>als</strong>o eine Lügnerin, die Genossin eines Mörders? Andererseits warsie immer noch die mächtigste Frau der Welt und kein Mensch hättegewagt ihr den kleinsten Fehler vorzuwerfen, es sei denn es sei einePersönlichkeit vom Format des Nestorius der seiner Sache völlig sicherwar. „Sie ging voll Unmut zum Kaiser und erzählte ihm das Vorkommnis.Da sprach der Kaiser: „Bei deinem Leben, Schwester, und bei der Kroneauf meinem Haupte, ich werde nicht ruhen, bis ich Rache an ihmgenommen habe..." (461) Das klingt nicht echt. Theodosius war an Intrigendesinteressiert. Er spielte lieber mit den Pfauen und fütterte seineLieblingstiere, dachte an seine Jagdvergnügungen, er kannte doch seineSchwester. Er werde nicht ruhen? Sie würde nicht ruhen. Immerhin, aufihre Intervention hin: „verklagten die Mönche Basilius, Thalassius undihre Genossen in einem Bittschreiben an die Kaiser ihren BischofNestorius, er heiße die heilige Jungfrau nicht Theotokos und leugne, ‚dassder Christus wahrer Gott von Natur sei’ So habe er gesprochen: ‚Maria______________(458) Günther Rigobert „Römische Kaiserinnen zwischen Liebe, Macht und Religion“(459) ebenda, S.99(460) Johannes 8: 44(461) Pesch „Nestorius <strong>als</strong> Irrlehrer“ Paderborn 1921, Verlag Schöningh151


gebar nichts <strong>als</strong> einen uns wesensgleichen Menschen’ und: ‚Das aus demFleische Erzeugte ist Fleisch’.“ (462) Damit war dieser Teil des Vergehensdes Patriarchen Nestorius aktenkundig. Nestorius fand an seiner Seitenatürlich auch Freunde. So einfach konnte niemand eine Anklage vonGewicht gegen ihn zustande bringen. Fendt verweist zudem darauf, dasssowohl: „Kleriker wie Laien aus Konstantinopel äußerten: der Bischoflehre nichts anderes, <strong>als</strong> was in der Apostel und Väter Lehre enthaltensei.“ (463) Dass Pulcheria sich nach mehr Bundesgenossen umsah, ist, wennman sich in ihre Situation versetzt, ebenfalls verständlich: „... um Ostern429 (hielt es) Cyrill von Alexandrien für geraten, seinen Mönchen durchein Schreiben theologische Waffen gegen des Nestorius Aufstellungen indie Hand zu geben. Das beleidigte den Patriarchen, von Konstantinopel.Ein Briefwechsel, von Cyrill anfangs verbindlich, von Nestorius <strong>als</strong>baldwegwerfend und überlegen geführt verschärfte die Lage. Von Alexandriensandte man Darlegungen des allein orthodoxen alexandrinischenStandpunktes an Theodosius II. und seine Damen, welche die Zustimmungder Augusta Pulcheria fanden, den Kaiser aber verstimmten.“ (464)„In dem „Buch des Heraklid" werden jene Anklagen kaum berührt.Nestorius sagt, er habe mit den Ketzern Geduld geübt, die Kaiserin habeer zwar gegen sich aufgebracht, aber sie sei ein streitsüchtiges, verdorbenesWeib gewesen, und er habe Mitleid mit ihrer Seele gehabt.“ (465)Der zeitgenössische Historiker Sokrates, den Novatianern nahestehend,und ein allem Anschein nach ein ehrlicher Berichterstatter, findet dasselbe:„dass die Zanksucht und wechselseitige Animositäten prägend für dieAuseinandersetzungen in (Cyrills) Zeit sind, theologische Gründe sindhingegen nur vorgeschoben.“ (466)Fendt sagt zunächst parteiergreifend zugunsten Nestorius aus: „DieBekämpfung des Gegners ist (seitens Nestorius G.Sk.) immer energischund nachdrücklich, aber nie eine solche mit vergifteten Waffen. SelbstCyrillos gegenüber wird nicht zur Beschimpfung gegriffen, die noch so oftim dogmatischen Streit des Ostens erklingen sollte... Allein dort (bei densyrischen Blättern der Nestoriusschriften) handelt es sich zum großen Teilum Fragmente, die die Willkür der Gegner ausschnitt, um Kampfmaterial(zu haben)... Warum greift auch er (Cyrill G.Sk.) so oft zu gewalttätigen_______________(462) Leonhard Fendt, Inauguraldissertation(463) ebenda(464) ebenda(465) Christian Pesch „Nestorius <strong>als</strong> Irrlehrer“ Paderborn 1921, Verlag Schöningh(466) Sebastian Schurig, „Die Theologie des Kreuzes beim frühen Cyrill vonAlexandria“ Dissertation Uni Jena, 2001, Mohr Siebeck, S. 12152


und ungerechtfertigten Ausdeutungen mancher nestorianischen Thesen?Es ist unrichtig, dass Nestorius nie den Terminus e'ycoaig (?) anwendet;unrichtig, dass er nur eine Verbindung durch Ehre und Würde lehre, undes liegt ihm unendlich fern, des Josue Gottesfreundschaft mit demMysterium Christi zu vergleichen. Dass er gar den Erlöser auf die Liniedes persischen Königtums herabwürdige, ihn dem Cyrus und Moseszugeselle, das ist nichts <strong>als</strong> Erfindung. Wenn Nestorius behauptet, Mariahabe nicht die Gottheit geboren, so lässt Cyrill ihn sagen: Maria hat nichtGott geboren. ... Ferner weiß Cyrill ausdrücklich von der Statuierungeiner Verbindung der Naturen unter ein einziges Prosopon : wieso kann erdies so nebenbei abtun und bei Nestorius nur eine Einigung des Willensund Wohlgefallens kennen wollen? Wo nimmt Cyrill die Berechtigung her,seinem Gegner die Ansicht zuzuschreiben, es sei der Mensch gestorbenund auferstanden... Oder es sei Christi Fleisch und Blut eben nurMenschenfleisch und Menschenblut? und wenn Cyrill selbst solche kennt,„welche den aus Gott Vater gesprossten Logos verwandelt werden lassenin der Knochen und Sehnen und des Fleisches Natur", so sollte er denNestorius nicht einen Heuchler oder verdeckten Ketzer schelten, sobalddieser seine Trennungslehre mit der Furcht vor Vermischung undVernichtung der Naturen begründet. Überhaupt liebt es Cyrill, durchAndeutungen da und Klagen und Befürchtungen dort den Nestorius <strong>als</strong>Repristinator des samosatenischen „Abgesandten des Teufels" erscheinenzu lassen, ihn in die Nähe aller derer zu rücken, die in Christus nurirdische Beschränktheit sehen. Und Basilius, Thalassius, Proklus,Schenute, Akacius, Theodot haben den Schall dieser Anklage weidlichverstärkt, indem auch sie Stimme und Feder dem Verdachte liehen,Nestorius lehre eines bloßen Menschen Vergottung...“ (467)Um Missgunst, Vorteilsuche und Rache ging es, nicht um eine Korrekturder zudem unrichtig dargestellten „Irrlehre“ des Nestorius.Nestorius muss gewusst haben welche Rolle Cyrill im Jahr 415 gespielthatte, in dem die berühmte Philosophin Hypatia von einem christlichenKlüngel grausam ermordet wurde. Wahrscheinlich würde sich gegen Cyrillnichts Handfestes beweisen lassen. Dieser Mann trug immer weißeHandschuhe doch war er der spiritus rector bei allen wichtigenVorkommnissen in der überaus nervös reagierenden HafenstadtAlexandria. Dass es Cyrill zudem ums Geld, und was dasselbe ist, umHandelsprivilegien ging, wird später völlig klar. Auch deshalb war inAlexandria die Situation von Beginn an äußerst zugespitzt, nämlich: „Zu_________________(467) Leonhard Fendt, Inauguraldissertation, kath.theol. Fakultät der Kaiser-Wilhelm-Universität, Straßburg, 1909, Kempten153


den Aufgaben der (Bischöfe) bzw. Patriarchen (Alexandrias) gehörte es,die Getreidelieferungen nach Konstantinopel sicher zu stellen.“ (468) Eshat den Anschein, <strong>als</strong> sei dieses einträgliches Privileg bereits während des1. ökumenischen Konzils zu Nicäa 325 ausgehandelt worden, <strong>als</strong>Belohnung für Athanasius und seinen Bischof Alexander, denn es heißtschon wenig später, nachdem sich die Auseinandersetzungen zwischenArianern und Athanasianern enorm zugegespitzt hatten: „sechs führendeEusebianer... erklären dem Kaiser (Konstantin), „Athanasius habe dieUnterbindung der ägyptischen Getreidelieferungen nach Konstantinopelangedroht.“ (469) Das mag ja eine gewagte Behauptung gewesen sein.Doch durch diese, nicht für nichts erteilten, kaiserlichen Zugeständnisseder Kontrolle der wichtigsten Handels- und Umschlagplätze durch denalexandrinischen Bischof, wird die Fülle der Möglichkeiten angedeutet dieein „nun-nicht-mehr-einfacher-Gemeindevorsteher“ schon im 4. Jahrhundertausnutzen durfte. Jetzt waren sie Staatsangestellte. Deshalbverfügten die Metropoliten schon bald über ihre eigene Privatarmee, wiebereits Damasus 366, der sie ‚erfolgreich’ gegen Ursinus aufmarschierenließ. Es waren <strong>als</strong>o wirtschaftspolitische Erwägungen Cyrills die denschwelenden Hass zwischen ihm <strong>als</strong> Bischof, ‚seinen’ Christen und denJuden verschärften. Wegen der Fruchtbarkeit des Nildeltas war der undGetreidehandel eine wichtige Aufgabe, diese aber hätte eigentlich keinekirchliche sein dürfen. Wohin solche Vernetzung führen musste, zeigtSebastian Schurig: „Ein Beispiel für wirtschaftliche Konflikte ist dieKonkurrenz zwischen Seeleuten der alexandrinischen Getreideflotte undder jüdischen Handelsgesellschaft. Die Juden waren von der Versorgungder Getreideflotte befreit, was ihnen wirtschaftliche Vorteile verschaffte.Die Seeleute gehörten andererseits im 4. und 5. Jahrhundert zu denUnterstützern der Bischöfe... zudem wurden die Juden durch ParteigängerCyrills provoziert.“ (470)Die dazugehörigen Bilder von Überfällen übermütiger junger Matrosen aufjüdische Passanten Alexandrias, ähneln denen die Juden noch 1940 in derSowjetunion erlebten. Wehe den „Gottesmördern“ wenn sie sich an einemKarfreitag auf die Straße wagten. „Sie rannten um ihr Leben“ (471)Es musste Cyrill schmecken, dass er vom Papst nicht <strong>als</strong> Täter betrachtet___________________(468) Schmidt u Lorenz „Die Kirche in ihrer Geschichte“ Vandenhoeck & R. S. C 143(469) ebenda(470) Sebastian Schurig „Die Theologie des Kreuzes beim frühen Cyrill vonAlexandria“ Dissertation, Uni Jena, 2001, Mohr Siebeck, S. 16(471) mündlicher Bericht des Bundestagsabgeordneten Heinrich Fink, <strong>als</strong> Augenzeuge,2002, in Neubrandenburg, in einer PDS-Veranstaltung, zu der ich eingeladen wurde.154


wurde, sondern <strong>als</strong> Richter. Er wird dem Konzil zu Ephesus vorstehen,nicht der Papst oder unabhängige päpstliche Legaten. „Nach GrillmeiersDarstellung zu urteilen war das Zusammengehen Roms mit Cyrill entwederrein politisch (<strong>als</strong>o nicht theologisch) motiviert, oder Rom hatte zwar eintheologisches Anliegen, aber ein konfuses und verließ sich daher völlig aufCyrill.“ (472)Das 3. ökumenische Konzil von Ephesus (431 n.Chr.) kam Rom insofernentgegen weil eine breite Front zur Verurteilung des Pelagianismus zuerwarten stand. Mit solcher Entscheidung würde den Lehren desAugustinus der endgültige Sieg zugesprochen. Unter diesen Vorzeichenergingen an die wichtigen Bischöfe Einladungen Ende Mai in Ephesus zuerscheinen. Umstände verhinderten, dass die Männer des syrischenRaumes, die Unterstützer des Nestorius, nicht pünktlich sein konnten.Cyrill zögerte ein paar Tage. Um Cyrill zu rechtfertigen muss man sagen,er hat wahrscheinlich zwei Wochen gewartet, um sicher zu stellen, dassalle die kommen wollten und durch widrige Umstände aufgehalten wurden,ihre Chance bekommen. Dann aber hielt Cyrill sich nicht mehr zurück.Er legte los, startete die Synode eben ohne die Antiochener. „In Ephesuswurde am 22. Juni 431 in der Marienkirche die Szene damit eröffnet, dassCyrill und seine Suffragane Nestorius exkommunizierten. 4 Tage danachkam die Syrer an... versammelten sich unverzüglich zu einer Synode undsetzten Cyrill... ab... zuletzt trafen die römischen Legaten ein und schlossensich entsprechend den Weisungen ( des Papstes) Coelestin, Cyrillan... dienächste Synode Cyrills verdammte den Pelagianismus... undverabschiedete eine Resolution die jeden Zusatz zum NicänischenBekenntnis untersagte...“ (473) Kaplan Fendt verurteilt dieses Verhalten:„Cyrill hat dadurch, dass er das Eintreffen Johanns von Antiochien undder Seinen nicht abwartete, für immer den Verdacht der Illoyalität auf sichgeladen.“ (474)Die verspätet angelangten „Syrer versammelten sich unverzüglich, zu einereigenen Synode und setzten Cyrill ab... Zwei rivalisierende Synoden hatten(nun) einander gegenseitig verflucht... zuletzt trafen die römischen Legatenein und schlossen sich entsprechend den Weisungen (des Papstes)Coelestin Cyrill an... die nächste Synode Cyrills verdammte denPelagianismus (der sich im wesentlich gegen Augustinus Erbsündenlehre,__________________(472) Josef Lössl , „Julian von Aeclanum, Studien zu seinem Leben,...“ 2001, Brill S.311(473) Henry Chadwick „Die Kirche in der antiken Welt“ de Gruyter. 1967, S. 232(474) Leonhard Fendt, Inauguraldissertation,155


sowie dessen Prädestinationslehre richtete)... und sie verabschiedete eineResolution die jeden Zusatz zum Nizäischen Bekenntnis untersagte....Sehr wider seinen Willen... fiel die Entscheidung (Nein! nicht dem Papst!sondern) dem Kaiser zu. Beide Seiten sandten Delegationen an den Hof vonChalcedon, und der Kaiser bestätigte die gegenseitigen Absetzungen vonNestorius und Cyrill und Memnon... Alle drei wurden in Gewahrsamgenommen. Unterdessen wandte Cyrill ungeheure Summen <strong>als</strong>Bestechungsgelder für einflussreiche Persönlichkeiten im Palast auf undNestorius begann plötzlich Boden zu verlieren Nestorius hatte genug, erwünschte in sein Kloster nach Antiochien zurückzukehren. Sein Angebotwurde angenommen... Cyrill selbst entwischte aus dem Gefängnis undbelohnte seinen käuflichen Wärter durch Aufnahme in denalexandrinischen Klerus.“ (475) Eudocia könnte ihren EhemannTheodosius II. beraten haben, sowohl Rom wie auch Augustinus und Cyrillabblitzen zu lassen, um ihrer Rivalin eins auszuwischen. Freilich Cyrillverfügte über Unsummen, die aus den Vermächtnissen reicher Witwenstammten, sowie aus den Plünderungen der paganen Heiligtümer, wie demSchatz des Serapistempels, auch das was er den Novatianern genommen,was er dann in die Waagschale legte.Coelestin I. der 43. in der Reihenfolge der Päpste, dessen angeblichesPontifikat von 422 – 432 dauerte, blieb im Einvernehmen mit Cyrill, undbis heute preist die offizielle katholische und die koptische Welt den Siegerin diesem Kampf.Benedikt XVI. fand erstaunlicherweise gute Worte für ihn. Anlässlichseiner Generalaudienz vom 03.10.07 sagt der Papst: „… dem Bischof vonAlexandrien (Cyrill) ist es bald gelungen, dass Nestorius wiederholtverurteilt worden ist: (auch) durch eine Reihe von zwölfAnathematisierungen, die er selbst verfasst hatte und schließlich vomdritten ökumenischen Konzil, das 431 in Ephesus abgehalten wurde. DieVersammlung, bei der heftig hin und her diskutiert wurde, ging mit demersten großen Triumph für die Marienfrömmigkeit zu Ende sowie mit demExil des Bischofs von Konstantinopel, welcher aufgrund einer irrigenChristologie, die Christus selbst teilte, der Jungfrau Maria den Titel„Gottesmutter“ nicht zuerkennen wollte. Nachdem Cyrill so über seinenRivalen und dessen Lehre gesiegt hatte, (was heißt das „so“? G. Sk.)wusste er bereits im Jahr 433 eine theologische Formel des Kompromissesund der Wiederversöhnung mit Antiochia zu finden. ... Bedeutsam sindweiter die zahlreichen Lehrwerke, in denen wiederholt der Glaube an die_________________(475) H. Chadwick „Die Kirche in der antiken Welt“ de Gruyter. 1967, S. 232156


Dreifaltigkeit gegen die arianischen Thesen sowie gegen die ThesenNestorius verteidigt wird. Die Grundlagen der Lehre Cyrills sind diekirchliche Tradition und besonders, die wie ich bereits angedeutet habe,die Schriften des Athanasius, seines bedeutenden Vorgängers auf dem Sitzvon Alexandria.“Was sind die ganzen „umsichtigen Bündnisse“ wert, wenn ihr Held nurUnheil sät?Nicht weil es ihm um die Wahrhaftigkeit ging, hatte „Cyrill vonAlexandria, im Jahre 431, 1 500 Pfund Gold Bestechungsgelder anHöflinge in Konstantinopel gezahlt, um sein Amt zu stützen“ (476)So lapidar gesagt, so bedeutungsvoll.Und die Heiligenverehrer bekennen sich trotz alledem zu ihm. Dieser kaltrechnende Kirchenpolitiker „Bischof Cyrillus wurde trotz seinerVerbrechen heilig gesprochen und 1882 von Papst Leo XIII. sogar zumKirchenlehrer ernannt – ein Ehrentitel, der bisher nur an 32 ausgewählte‚Heilige’ vergeben wurde.“ (477)„Pelusium schrieb (dam<strong>als</strong>) an den Bischof von Alexandrien (Cyrill):„Zuneigung schärft den Blick nicht, Abneigung aber macht blind. Wenn dudarum von beiden Sehhindernissen frei bleiben willst, dann fälle keineGewaltsprüche, sondern wäge in gerechtem Urteil die Gründe ab Dennviele der in Ephesus Versammelten höhnen über dich, <strong>als</strong> ob du einePrivatfeindschaft austrügest, nicht aber rechtgesinnt suchtest, was JesuChristi ist.“ (478)Die folgende Anmerkung scheint einen legitimen Vorgang abzuschließen,es heißt lapidar: „Coelestin I. ließ den Patriarchen von Konstantinopel,Nestorius, exkommunizieren.“ (479)Auch die koptische Kirche steht hinter Cyrills und Cölestins Tun.Wir Heutigen indessen wären erstaunt, wenn wir den „Gesang der Möncheam Kaiserpalast nach dem Bekanntwerden der Absetzung des Nestorius(hören könnten der menschenfeindlicher kaum sein konnte G.Sk.): ,,Verachtet bist du, an welchem Orte du auch seiest; verflucht bist du vorGott, o Jude! Der Christ ist siegreich alle Zeit! Gebt den Juden jetzt denJuden, gebt den Verräter den Juden!"; das Volk schrie: „Man mögeNestorius, den Juden, verbrennen, ihn und Anastasius mit ihm" (480) Noch_______________(476) A. Demand „Geschichte der Spätantike“ , 2008, C.H. Beck S. 453(477) www.schulfach-ethik.de 2 „Hypatia von Arnulf Zitelmann“ Taschenbuch – Beltz,7. März 2002LK(478) Christian Pesch „Nestorius <strong>als</strong> Irrlehrer“ Paderborn 1921, Verlag Schöningh(479) Ökumenischen Heiligenlexikon(480) Leonhard Fendt, Inauguraldissertation157


ein Jahr zuvor hatte Nestorius einen Brief von Johannes von Antiochienerhalten „der ihn darüber informierte, dass Coelstin und Cyrill einenAbsetzungsbeschluss gegen ihn vorbereitet hätten... Johannes riet zurVorsicht und empfahl Nestorius doch noch die Annahme des BegriffesTheotokos Gottesgebärerin (statt Christotokos Christusgebärerin aufMaria) anzuwenden, den so schon die Väter bezeugt hatten... Nestoriushielt im Dezember 430 zwei Mariapredigten in denen er auch den Begriffder Gottesgebärerin benutzte.“ (481)Fendt hat klar herausgearbeitet was Nestorius glaubte und lehrte: „Wie einKleid liegt die Menschheit am Herrn, wie ein Kleid trägt der Gottlogos(Jesus G.Sk.) die menschliche Form; <strong>als</strong> einen Tempel und ein Zeltbewohnt er sie. „Bei uns weilte leiblich der Christus". Diesen seinenTempel ließ der Logos zerstören, und er selbst hat ihn am dritten Tagewieder auferweckt. Die Seele Christi aber ging in die Unterwelt undbefreite die Geister der Verstorbenen; Das ist die erste reine Darstellungder „antiochenischen" Christologie... Nestor, ein syrischer Mönch, (seit428) Patriarch von Konstantinopel, abgesetzt, wiederum Mönch, zuletztausgestoßen, gestorben und verscharrt im Wüstensande...“ (482)Mit Dr. Fendt, trauern wir um alle diejenigen die von bösartigen Strebernzugrunde gerichtet wurden. Es muss uns weh tun, damit wir lernen nichtähnlich hartgesotten zu handeln.Buße muss innerlich wehtun.Zu verstehen, dass der Sinn dieses Lebens auch darin besteht, aus Fehlernzu lernen, ist den Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen derLetzten Tage (Mormonen) wichtig. Deshalb sollen wir uns mit derGeschichte unserer Heimat, der Welt und der Kirchen vertraut machen.Niem<strong>als</strong> dürfen sich Geschehnisse wie der Holo<strong>ca</strong>ust wiederholen, dassagen alles, aber ebenso darf niem<strong>als</strong> vergessen werden, dass der Krieg denInnozenz III. gegen die Katharer führte ein Verbrechen war.__________________(481) Torsten Krannich „Von Leporus zu Leo dem Großen“ Studien Mohr-Siebeck,2005 S. 8 Fußnote(482) Leonhard Fendt, Inauguraldissertation, kath.theol. Fakultät der Kaiser - Wilhelm- Universität zu Straßburg, 1909, KemptenDiese Lehre von der Befreiung der Geister in der Unterwelt, entspricht dem Bild, dasdie ersten Apostel häufig gebrauchten und ebenso die Missionare der Kirche JesuChristi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen): der Leib Christi ist, wie unser Leib,einem Zelt vergleichbar, einer Wohnung, einem Haus oder einem Kleid. Das machtnatürlich nur Sinn. wenn dem die Lehre von unserer ewigen Präexistenz vorausgeht.Diese Lehre von <strong>als</strong> urkirchliches Denken klar dargestellt, wurde aber bald offiziell vonder Kirche geächtet. Durch Kaiser Justinians Synode, 543, kam es bekanntlich zurVerfluchung dieser von Origenes verkündeten Basislehre.158


Es muss uns im tiefsten Innern aufwühlen sich vorzustellen, dass diepäpstlichen Truppen die besten Männer ihrer Zeit in Felsenhöhleneinsperrten, deren Zugänge sie zumauerten.Rache zu üben, verbietet uns das Gesetz, (483) wie es uns verbietetgleichgültig zu sein (484) oder unser Urteil zurückzuhalten: Untaten müssenerkannt und benannt und bestraft werden. (485)Wir glauben, dass Gott niemanden verdammt der gewillt ist innerlichumzukehren und fortan auf die Stimme seines Gewissens zu hören. Dasschönste Wort, das ein Übertreter hören kann lautet: Dir ist vergeben. Dasbedeutet aber nicht, dass irgendein Priester, gleich welcher Kirche, einenMenschen von seinen Vergehen frei sprechen kann, wenn das nicht inÜbereinstimmung mit dem Willen Gottes ist.Fromme Blicke auf den Gekreuzigten, wenden eine böse Geschichte nochlange nicht zum Guten. Zudem ist es wohl an der Zeit, zu sagen:Nehmt endlich den Mann vom Kreuz herunter, der unser Gott und Erlöserist. Er ist auferstanden und lebt.Das römische Kreuz konnte der Welt nur Streit und Unrecht bescheren,zudem wissen alle, dass ausgerechnet Cyrill von Alexandria, zu Ephesus,432, beschließen ließ, das Kreuzzeichen (486) zum offiziellen Symboljenes ‚Christentums’ zu erklären, das buchstäblich ganze Völker ausrottete.Zuvor gehörten der Fisch und das Lamm zu den geliebten Symbolen, - und(kurioserweise) der Bienenkorb des Ambrosius von Mailand .Betrug und absolute Menschenverachtung bildeten die Basis der anderenKirche, der Gegenkirche, die mit der Konstantinisch-Ambrosianisch-Augustinischen Botschaft herrschen wollte. Der Frohbotschaft Christistand damit die unfrei und unfroh machende gegenüber. Sie überredete dieMenschen sich freiwillig hinter kalten Mauern einsperren zu lassen, weil_______________(483) Lehre und Bündnisse 64: 10 „Ich, der Herr, vergebe, wem ich vergeben will,aber von euch wird verlangt, dass ihr allen Menschen vergebt.“(484) Jesaja 5: 20 „Wehe denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen.“(485) Sprichwörter 31: 9 „Öffne deinen Mund, richte gerecht, verschaffe demBedürftigen und Armen Recht.“.(486) Bischöfliches Ordinariat Regensburg, 2010 im Internet. „Als allgemeinverbreitetes und verwendetes Symbol der Christen lässt sich das Kreuzzeichenallerdings erst in der Zeit der Völkerwanderung (375 n. Chr. – 568 n. Chr.)nachweisen. 423 n. Chr. findet sich z.B. eine Kreuzigungsdarstellung am Portal derBasilika Santa Sabina auf dem Aventin in Rom.“Ebenso informiert das: Kath.-Kirchenblatt Vorarlberg 27. Febr. 2005 „Das Kreuz <strong>als</strong>Zeichen des Christentums ist seit dem 5. Jahrhundert (431, Konzil zu Ephesos)...weltweit verbreitet.“159


sie da angeblich dem „lieben Gott“ näher kämen, <strong>als</strong> in einer Familie, fürderen Bildung und Erhaltung sie mit Leib und Seele geschaffen wordenwaren.Die Nicht-Frohbotschaft brachte die verrücktesten Ideen auf:Simeon Stylites (390 - 459) der sich im Jahr 422 bis zu seinem Tod aufeine 4 Quadratmeter kleine Plattform in drei Meter Höhe begab - die baldauf 17 Meter erhöht wurde, - wo er ununterbrochen betete, hatte(wahrscheinlich zu Beginn seiner Karriere <strong>als</strong> Säulenheiliger, <strong>als</strong>Pulcherias Machtkampf mit Schwägerin Eudocia noch nicht entschiedenwar G.Sk.) „mit einem Brief an den Kaiser erfolgreich Einspruch gegendie heiden- und judenfreundliche Politik des praefectus praetorioAsklepiodotus, des Mutterbruders der Kaiserin Eudocia (erhoben). (487)Diese Säule die er in den nächsten drei Jahrzehnten nicht wieder verließwurde auf 17 Meter erhöht. „So konnte ihm niemand mehr Fäden, denenman wundertätige Eigenschaften zusprach, aus der Kutte ziehen. SymeonsLeben bestand fortan aus ständigem Beten, das von rhythmischenKniefällen begleitet war.“ (436) „Als Simeon - von den Leuten drei Tagelang unbemerkt - 459 - auf seiner Säule gestorben war, war sein TodAnlass zu Unruhen. 600 Soldaten kamen aus Antiochia, damit sein Körpervon den Verehrern nicht in Stücke gerissen wurde. (488)Es scheint, dass der Geist dieser Zeit länger <strong>als</strong> tausend Jahre wirken sollte:Bei der Translation der Leiche der spanischen Nonne Theresa von Avila1585 standen Mönche umsonst Wache, damit sie ihr nicht die erhofftwundertätigen Knochen aus dem Leib reißen. „Zu Rom befindet sich zu St.Maria de la S<strong>ca</strong>la ein Fuß, und der Zeigefinger der rechten Hand imKloster Regina Coeli daselbst, zu Lissabon ihre linke Hand; dasunverwesene Herz, welches einen himmlischen Geruch von sich gibt, undder linke Arm ruhen zu Avila; der Mittelfinger der rechten Hand kam nachParis, wohin auch ihr Mantel gebracht wurde; ein kleiner Finger wurdeden Karmelitinnen in Brüssel, ein anderer Finger denen zu Sevillageschenkt.“ (489)Die Politik des byzantinischen Hofes wird mit Ausnahme der Jahre 447 bisBeginn 450 maßgeblich von Pulcheria bestimmt. Anscheinend nimmt dieGattin Theodosius II., Eudocia, die aus dem Hellenentum stammt, in denersten Jahren ihrer Ehe mäßigenden Einfluss auf die Gesetzgebung die imNamen des eigentlich eher uninteressierten Kaisers erfolgt. Anders istkaum das Hervorkommen des mit Codex Theodosianus 16,10,24 benannte________________(487) Wikipedia(488) Ökumenisches Heiligenlexikon(489) Stadlers Heiligenlexikon160


Schutzgesetz des Jahres 423 zu erklären. Es fällt aus dem Rahmen:„unauffällig und ruhig lebende Heiden (und Juden) (sind) vor christlichenÜbergriffen (zu) schützen; entstandene Schäden (seien) drei- bis vierfachzu ersetzen.“(490) Üblicherweise ist die gnadenlose Hand Pulcherias zuspüren: so im Heidengesetz „des Codex Theodosianus, vom 14. November435... es sollen die Stätten heidnischen Kultes sofern heute noch welchebestehen, nach Abbruch der Gebäude mit dem christlichen Kreuzeszeichenentsühnt werden.“ (491) Theodosius II. lässt wie gewohnt seine Schwesterin seinem Namen, grundsätzlich und intolerant agieren. Er „unterschriebgrundsätzlich alles was Pulcheria ihm vorlegte, ohne es zu lesen …einmalverfasste sie ein Schreiben, das die Schenkung seiner Gattin Aelia Eudocia<strong>als</strong> Sklavin beurkundete - er unterschrieb auch dies.“ (441) Pulcheriakonnte jedoch nicht verhüten, dass ihr Bruder Theodosius II., 438, <strong>als</strong>osieben Jahre nach der Vertreibung Nestorius, den Eunuchen Chrysaphioszu seinem Kammerherrn berief. Dieser Mann gewann mehr und mehrEinfluß auf den Imperator. Von 443-450 regierte er. Das wurdewahrscheinlich dadurch möglich indem er den Kaiser vor Pulcheriaabschirmte. Unter diesen Umständen wird verständlich, dass Cyrill sichsowohl an Chrysaphios, d.h. an den Kaiser wandte und an Pulcheria: „UmNestorius zu stürzen schickt Cyrill zwei Schriften an den Hof, von denendie eine an den Kaiser und seine Gattin, die andere an Pulcheria gerichtetist. Er bewies damit, dass er entweder den Hof in zwei Parteien zu spaltensuchte, oder einen Zwiespalt dort schon <strong>als</strong> bestehend voraussetzte.“ (442)Zwei Jahre nach seiner Berufung, 440 stachelt Chrysaphios dieKaisergattin Eudocia auf, ihrer allmählich zurückgedrängten Schwägerin„Pulcheria zu unterbreiten eine Diakonin <strong>als</strong> Kammerzofe zu nehmen.“(443) Die Reaktion Pulcherias ist heillose Wut. Ihr Bruder misstraue ihr,hielt er ihre Keuschheit für zweifelhaft? Die vierundvierzigjährige weicht443 ins Exil nach Jerusalem aus, danach lebt sie... abgeschieden im PalastHebdomon (495) der in der Nähe liegt, aber getrennt vom Regierungssitzwo sicherer denn je Chrysaphios auf seinem Posten <strong>als</strong> Regierender sitzt.Als Pulcherias hochgeborener Bruder 450 bei einem Jagdunfall stirbt, stehtder bislang allmächtige Eunuche Chrysaphios schutzlos der rachsüchtigenPulcheria___________________(490) Johannes van Oort und D. Wyrwa Peeters, „Heiden und Christen im 5.Jahrhundert“ 1998 über Karl Leo Noethlichs „Heidentum im 5. Jahrhundert“(491) ebenda S. 15(492) Günther Rigobert „Römische Kaiserinnen zwischen Liebe, Macht und Religion“(493) Ferdinand Gregorovius, „Athenais /XV“(494) ebenda(495) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz161


gegenüber, die mit großen Aufwand Markian heiratet „weil sie nachrömischer Sitte nicht regierende Kaiserin sein kann“ Unter MarkiansSchutzmacht darf sie endlich das tun kann worauf sie schon lange gewartethatte. Sie lässt den vollen Zorn heraus, den ihr erstarkter Bruder mit Hilfeseiner Frau und seines Regierungschefs, des Eunuchen Chrysaphios, zudämpfen vermochte. Nun trumpft sie wieder auf. „sie rechnet mitChrysaphios ab, lässt ihn zu Tode prügeln.“ (496) Dass sie, wie behauptet,mit Markian eine „Josefsehe“ führte, ist nicht auszuschließen, aber sehrunwahrscheinlich. Die Legende will es jedoch so. Heermeister Aspar, der<strong>als</strong> Ehekandidat wohl infrage gekommen wäre, durfte sie nicht heiratenweil er arianisch glaubte. (497)Nun, nach dem Tode ihres Bruders Theodosius II., und nach ihrerEheschließung führt sie aus, was ihr solange versagt blieb: in Konstantinopelwandelte sie „eine Synagoge im Stadtteil Chalkoprateion, woJuden seit 132 Jahren lebten und das Kupferhandwerk betrieben, in eineMarienkirche um.“ (498) Von ihr getrieben berief „Kaiser Markian ...für den8. Oktober 451 das 4. ökumenische Konzil nach Chalkedon ein, gegenübervon Konstantinopel auf der kleinasiatischen Seite des Bosporus“ (499) DassMarkian alle Ratgeber Theodosius enthaupten ließ ist, nicht sicher, fallssich die Grausamkeit belegen ließe, käme dabei sicherlich zum Vorschein,dass Pulcheria in die Vorgänge verwickelt wäre.Nicht umsonst begrüßten die in Chalkedon anwesenden Bischöfe Pulcheria<strong>als</strong> die neue Helena. (500) Alle Nichtkatholiken werden vor ihr zittern. Cyrillentmachtete und vernichtete schon neunzehn Jahre zuvor, 431, Nestoriusden Patriarchen Konstantinopels, mit Unterstützung Pulcherias, beidehandelten aus reinem machtpolitischen Kalkül.Pulcherias Charakter kann man <strong>als</strong> einzigartig bezeichnen.Jungfrau, im augustinischen Sinne, war sie wahrscheinlich nicht, eineIntrigantin sicherlich, die bislang anscheinend nervenlosen Männern dasFürchten lehrte. Bereits <strong>als</strong> ihr Vater 408 starb übernahm Pulcheria, alleAufgaben für ihren zwei Jahre jüngeren Bruders Theodosius II. Als erstvierzehnjähriges Mädchen ließ sie den bisherigen Leiter derStaatsgeschäfte ablösen. Zu dieser Zeit leistete sie öffentlich das Gelöbnisder Jungfernschaft und überzeugte auch ihre jüngeren Schwestern wie zuleben, - besser gesagt, so lautet die nie unangefochtene Überlieferung.________________(496) G.Rigobert „Römische Kaiserinnen zwischen Liebe, Macht und Religion“ 2002(497) ebenda S. 43(448) ebenda(449) ebenda(500) ebenda162


„421 vermählte Pulcheria (ihren 19jährigen Bruder Kaiser TheodosiusII.) mit Eudocia-Athenais, die zu einer großen Frauengestalt derFrühkirche heranwuchs und noch heute in der Ostkirche sehr verehrt wird.(501) Diese, Pulcherias Wahl war aus ihrer späteren Sicht ein Missgriff.Nachdem die schöne Griechin auf den Namen Eudocia getauft wordenwar, blockte sie den massiven Einfluss ihrer Schwägerin auf ihrenEhemann allmählich ab. Vielleicht wollte Eudocia mehr <strong>als</strong> Pulcheria,dass der <strong>als</strong> tadellos geltende Christ Nestorius den Bischofssitz inKonstantinopel einnimmt.Die Heiligenlegende nach Josef Dirschl schildert Pulcherias Wesen völliganders <strong>als</strong> ihr Gegenspieler Nestorius.„Geboren 399 in Konstantinopel, (Istanbul) starb Pulcheria 453 <strong>als</strong>(hochgeachtete) Heilige, die ... dem Herrn gedient... welche der heiligeBischof Cyrillus „die keuscheste Braut Christi, die Zierde des Erdkreises,den Schmuck der Kirche;” nannte. Die Väter des Konzils vonChalcedon(gaben ihr den Titel): „die Wächterin des Glaubens, dieStifterin des Friedens, die Bekämpferin der Ketzer, die neue Helena”nannten. Sie war die Tochter des Kaisers Arkadius. Erst neun Jahre alt,war sie schon eine Waise. Allein Gott, der sie <strong>als</strong> Werkzeug seinerheiligen Pläne gebrauchen wollte, zog gnadenvoll ihr Herz an sich,verlieh ihr frühe schon die Gabe der Weisheit, Liebe zum Gebete und zurEinsamkeit und männlichen Mut. Ihren kleinen Bruder Theodosius, dereinstens Kaiser werden sollte, lehrte sie, wie eine fromme Mutter, beten,unterrichtete ihn in der heiligen katholischen Religion, führte ihn fleißig indie Kirche und brachte ihm alles bei, was ihn zu einem frommen Fürstenmachen konnte. Ebenso vertrat sie Mutter- und Vaterstelle an ihren zweikleineren Schwestern. Sie hatte den göttlichen Heiland Jesus so lieb, dasssie ihm das Gelübde machte, immer Jungfrau zu bleiben, und auch ihrebeiden Schwestern dazu vermochte dasselbe zu tun. (502)_______________(501) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(502) „Im Alter von 15 Jahren wurde sie mit ihrem Bruder Theodosius zur Würde einer Beherrscherindes Reiches erhoben, und musste nun im Namen des Bruders das Land regieren. Obwohl nun Kaiserin,immer beschäftigt mit den wichtigsten Angelegenheiten des Reiches, wegen ihrer Weisheit allgemeinbewundert und gelobt, blieb sie doch immer demütig und bescheiden. Wenn sie irgendeine wichtigeEntscheidung traf, so tat sie dies immer im Namen ihres Bruders, damit dieser die Ehre hätte, sie aberunbeachtet bliebe. Der kaiserliche Palast, früher ein Ort prachtvoller Feste, war unter ihrer Aufsicht wieein Kloster an strenger Zucht und Ordnung. In ihr und ihrer Schwestern Gemach durfte keineMannsperson eintreten. Männer sah und sprach sie nur öffentlich. Wenn die Staatsgeschäfte sie nichthinderten, betete, las oder verrichtete sie mit ihren Schwestern Handarbeit. Auch kasteite sie ihren Leibdurch fasten und Nachtwachen, und entsagte mit Freuden den Vergnügungen des Hofes. Wenn sie irgendeinen Befehl zu geben, ein wichtiges Geschäft zu vollbringen hatte, flehte sie zuvor zu Gott umErkenntnis, fragte dann weise Männer um Rat, und dann erst ging sie an die Ausführung. Obwohl sieeine schwache Jungfrau war, so regierte sie doch das weite Reich mit solcher Weisheit und Kraft, dass163


die Untertanen nie so zufrieden und glücklich, und der römische Name von den fremden Völkern nie sogefürchtet und geehrt war, <strong>als</strong> unter ihrer Herrschaft. Sie war wahrhaft eine Zierde des Erdkreises.Als ihr Bruder Theodosius das zwanzigste Jahr erreicht hatte, suchte sie für ihn eine würdige Gattin.Dies war die schöne und geistreiche Athenais, die, da sie noch eine Heidin war, den christlichenGlauben annahm und nach empfangener Taufe vom Kaiserlichen Jüngling zur Ehe genommen wurde. Inder heiligen Taufe erhielt sie den Namen Eudocia. Diese Frau nun ließ sich unglückseliger Weise durcheinen Schmeichler am Hofe gegen die sanfte und wohlmeinende Pulcheria aufreizen und fasste den Plan,sie zu stürzen. Deshalb begünstigte sie auch die Ketzer, welche dam<strong>als</strong> zahlreich waren, sich aber vorPulcheria fürchteten, die am heiligen katholischen Glauben festhielt und ihn aus allen Kräften in Schutznahm. Ja sie ging endlich soweit, Pulcheria ganz aus der Gunst und Liebe ihres Bruders des KaisersTheodosius, zu verdrängen, und gab ihm deshalb den Rat, seine Schwester zur Diakonissin einer Kirchezu machen, und dadurch von seinem Hofe zu entfernen. Doch der heilige Bischof Flavian willigte in dasAnsinnen des Kaisers nicht ein, sondern entdeckte vielmehr den abscheulichen Plan der heiligenPulcheria, und diese, welche sich schon lange nach Ruhe und Einsamkeit sehnte, und den Frieden überalles liebte, zog sich auf ein Landgut zurück, wo sie fern von der Welt dem Gebete, der Lesung undBetrachtung der heiligen Schrift oblag, und im innigster Vereinigung mit Gott lebte.Mittlerweile aber wich auch der Segen Gottes mit der Entfernung der heiligen Pulcheria von derRegierung des Kaisers und vom Reiche. — Die Ketzer durften frei und ungehindert ihre schändlichenLehren verbreiten und die guten Katholiken verfolgen. Überall entstand Verwirrung und Unordnung.Pulcheria schmerzte dies wohl; allein sie hatte sich dem Willen Gottes vollkommen ergeben. Sie wolltedie Welt vergessen — und auch von der Welt vergessen sein. Daher hatte sie auch keinen Groll gegen dieKaiserin und ihren Bruder Theodosius, den sie herzlich bedauerte, weil er sich so betrügen ließ. Indessenwurde die Verwirrung im ganzen Lande allgemein, Gewalttaten über Gewalttaten von Seiten der Ketzerhäuften sich, es schien um die Wahrheit geschehen zu sein. Da wandte sich der heilige Papst Leo an dieheilige Pulcheria, und forderte sie in mehreren Briefen auf, die Sache Gottes und seiner heiligen Kirchezu verteidigen. Nun durfte sie nicht länger mehr in der geliebten Einsamkeit weilen. Sie machte sich auf,begab sich an den Hof des Kaisers und verlangte eine Unterredung mit ihm. Ihr kaiserlicher Bruder ließsie vor sich, und nun zeigte sie ihm so klar, wie sehr er betrogen und in welchen Abgrund des Verderbensman ihn zu stürzen versucht habe, dass er den Ratgeber der Kaiserin Eudocia, einem Kämmerling,verbannen und dann hinrichten ließ. — Bald darauf starb der Kaiser; Eudocia, seine Gemahlin, zog sichin das heilige Land zurück, wo sie bußfertig lebte und starb, und die heilige Pulcheria wurde nunAlleinherrscherin des morgenländischen Reiches. Da aber das Reich ringsum von Feinden bedrängt war,und sie, <strong>als</strong> schwaches Weib, der Gefahr nicht gewachsen war, so drangen die Großen des Reiches in sie,sich zu verheiraten. Das war eine neue Prüfung für die edle Jungfrau, denn sie wollte ihrem Verlöbnistreu bleiben. Endlich sah sie sich genötigt, dem Markian, einem erfahrenen, gottesfürchtigen undglaubenseifrigen Kriegsmanne die Hand zu reichen. Er war Witwer und zeichnete sich durchaußerordentliche Liebe zu den Armen aus. Bevor sie aber mit ihm getraut wurde, entdeckte sie ihm, dasssie dem Heilande versprochen habe, immer Jungfrau zu bleiben, und dass sie <strong>als</strong>o auch in der Ehe diesesGelübde halten wolle. Der fromme Markian willigte ein und verpflichtete sich, mit ihr wie Joseph undMaria zu leben. Beide hatten kein anderes Ziel im Auge, <strong>als</strong> die Untertanen glücklich zu machen, überallim Reiche Religion und Frömmigkeit zu befördern, heilig zu leben und selig zu sterben.Als sie sahen, welch schreckliches Unheil die Ketzerei im Lande anrichtete und die ganze Kircheverwirrte, gingen sie freudig auf den Vorschlag des Papstes ein, ein allgemeines Konzil zu berufen. Diesversammelte sich auch in der Stadt Chalcedon, im Jahre 451. Vier Gesandte des Papstes und 250Bischöfe waren zugegen, auch der Kaiser Markian wohnte mehreren Sitzungen bei, und die Ketzerei,welche gegen die Gottheit Christi, seine heilige Menschwerdung, gerichtet war, wurde einstimmigverdammt. Die heilige Pulcheria und ihr Gemahl wurden <strong>als</strong> Verteidiger des heiligen Glaubensallgemein gelobt und gepriesen, und diese bemühten sich auch, die Beschlüsse des Konzils überallgeltend zu machen.So gelang es endlich der heiligen Kaiserin, die Ruhe im Reiche wieder herzustellen und dem Drangeihres Herzens, recht viel Gutes zu stiften, Genüge zu leisten. Sie erbaute Kirchen, stiftete Spitäler undstattete sie reichlich aus. Die Armen besuchte sie selbst und half ihren Nöten ab. Wenn ihr die164


Staatsgeschäfte Zeit ließen, zog sie sich zurück, um beten, geistliche Bücher lesen, die Kirchen besuchenzu können. Gott verlieh ihr auch reichliche Gnaden. In einer Erscheinung, die sie im Gebete hatte, wurdeihr das Grab der vierzig Märtyrer gezeigt. Sie erhob mit größter Feierlichkeit ihre Gebeine und ließ siein einem kostbaren Sarge beisetzen.Endlich, 54 Jahre alt, rief sie Gott zu sich, um ihr zu lohnen, was sie für die Erhöhung seiner heiligenKirche getan. In ihrem Testament zeigte sie sich <strong>als</strong> wahrhafte Mutter der Armen. All ihre Güter, überdie sie frei verfügen konnte, vermachte sie den Notleidenden und Kranken. — Ihr Gemahl, Markian,befolgte pünktlich ihren letzten Willen und starb 2 Jahre danach, gesegnet von allen Untertanen seinesReiches.“Man könnte gerührt sein, wären nicht die Berichte anderer Zeitzeugenvorhanden. Es sieht nicht gut aus, für viele der althergebrachten Bilder.Auch das des Nestorius muss sicherlich revidiert werden.„An der grundlegend rechtgläubigen Intention der (Christologie desNestorius) wird man aus heutiger Sicht jedoch nicht mehr zweifeln können.Seine Christologie ist gegen den Apollinarismus gerichtet. Mag seinEinheitskonzept auch ontologisch nicht zufriedenstellend sein, die ihmgemachten Vorwürfe stellen allemal eine stark vergröberte Position dar.“(503) In einer Konsultation des Pro Oriente-Dialogs sagte Prof. ElicKahlife-Hachem von der maronitischen Universität Kalik im Libanon: dass„Nestorius zu Ephesus ungerechtfertigt verurteilt wurde…“ er bedaueredessen Rufschädigung innerhalb der römischen Oekumene … vieles was inder Kontroverstheologie <strong>als</strong> nestorianische Lehre beurteilt wurde, wurdeihm von seinen Gegnern zugeschrieben. Und was den Patriarchen vonAlexandria betrifft, das „Martyrologium Sancrucense“ gibt jedenfalls zu:„Cyrill, 412 Patriarch von Alexandria... ist in den Augen der Kircheheilig, freilich weniger wegen seiner Taten.“ (504)Gibt es eine Heiligkeit die sich nicht in Taten und Gefühlen derBarmherzigkeit und der ehrlichen Freundlichkeit ausdrückt?Ausschreitungen, wie sie vielfach bezeugt wurden, den Gruppen derBogumilen, Paulikaner, (beide arianisch - freundlich,) dem Zeitgeistzuzuschreiben kann nicht zur Ehrenrettung Cyrills beitragen. Es geht nichtum das imaginäre Etwas einiger Nörgler, sondern um den Charakter desPatriarchen Cyrills und damit um seine Glaubwürdigkeit. Die ihm nichtgenehmen Gemeinden konnte Cyrill erledigen, die Lehren der Kirche derNovatianer und der Nestorianer nicht. Sie finden sich nochjahrhundertelang im Glaubensgut verschiedener Ostkirchen und in denender Vaudois und der Waldenser und Katharer. Es gab sie noch im 12.________________(503) Martin Tamcke „Die Christologie des Nestorius“ Studien zur orientalischenKirchengeschichte 2003, S. 190 siehe auch Leonhard Fendt(504) Pater Karl Wallner OCist „Martyrologium Sancrucense“ Heiligenverzeichnis fürdas Zisterzienser-Kloster Heiligenkreuz, 2. Auflage 2008, S. 230165


Jahrhundert in Deutschland, sowie auf dem Balkan u.a. Ländern und siesind in einigen aber wichtigen Passagen im Glaubensgut der Kirche JesuChristi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) lebendig.Papst’ Coelestin und Cyrill mussten dam<strong>als</strong> tatsächlich die Wucht derArgumente des geradlinigen Nestorius fürchten, der gerade auf denPatriarchenstuhl zu Konstantinopel gelangt war. Denn Coelstin hätte nieund nimmer zu den vielen anrüchigen Ereignissen in Alexandriaschweigen dürfen. Bereits Zosismus (bis 418 Roms führender Bischof)oder Bonifatius I. hätten, wenn sie denn verantwortungsbewusste Päpstegewesen wären umso mehr, Cyrill nach Rom zitieren müssen. Was da inAlexandria geschehen war, das widersprach jeder Regel der frühen Kirche.Das waren, in den Augen seiner Kritiker Schläge ins Angesicht JesuChristi: Cyrill schielte mit beiden Augen aufs Geld, denn die Macht nachder er trachtete, hatte einen hohen Preis.Roms ranghöchste Christen haben kaum jemanden zur Rechenschaft gezogender Unrecht tat, was päpstliche Pflicht gewesen wäre. Doch solangesolche Bosheit die Macht der römischen Kurie sicherte und ihr diente, warsie läßlich. Der Vorsatz gewisser römischer Bischöfe, das Evangelium derFreiheit, größerer Machtteilhabe willen preis zu geben, wird von nun anunübersehbar. Buchstäblich jedes Mittel war ihnen zu diesem Zweckheilig. Geld floss und muss fließen. Wahrhaftigkeit verkam zumFremdwort: „Die historische Forschung hat... gezeigt, dass die Päpstegerade seit dem 5. Jahrhundert mit ausgesprochenen Fälschungen ihreMacht entschieden erweitert haben.“ (505)Bis auf den Urgrund müssen sie zurückgehen um offensichtliche Mängelzu kaschieren. „Eine Nachfolge Petri durch den Bischof von Rom sieht(Papst) Leo begründet in einem Brief des Papstes Clemens an denHerrenbruder Jakobus in Jerusalem: demzufolge habe Petrus in einerletzten Verfügung Clemens zu seinem alleinigen legitimen Nachfolgergemacht. Doch der Brief ist eine Fälschung vom Ende des 2.Jahrhunderts.“ (506) Falls sich bestätigen sollte, dass Cyrill vonAlexandria entscheidende Mitverantwortung für die ihm hier angelastetenVerbrechen trägt, würde sein Fall die römisch-katholische Kirche imNachhinein wegen aktueller Begünstigung von Kapitalverbrechenerschüttern, - nicht jedoch die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft.Im Gegenteil! Das intuitive Sträuben vieler Persönlichkeiten der Heutzeitgegen die christliche Religion rührt ja von den ungesühnten, unent-__________________(505) Hans Küng „Kleine Geschichte der katholischen Kirche“, Berliner TaschenbuchVerlag S. 88(506) ebenda, S. 84166


schuldigten und unentschuldbaren Verstößen der Kirchen her. Nicht genugdamit, nun rücken andere Episoden ins Blickfeld, getrieben vonRangstreitigkeiten. Nachdem einigermaßen der Vorrang Roms abgestecktworden war, ging es um die Vormacht zwischen Konstantinopel undAlexandria. Wenn die alexandrinischen Patriarchen schon nicht mehr dieNummer eins in der Kirche werden konnten, dann wollten sie wenigstensden zweiten Platz einnehmen: Cyrill ärgerte ein gewisser Kanon, den erumschreiben will, der bereits drei Jahrzehnte vor dem Beginn seinesWirkens auf dem Konzil zu Konstantinopel im Jahre 381 erlassen wordenwar: „Der Bischof von Konstantinopel soll nach dem Bischof von Rom denEhrenprimat besitzen, denn diese Stadt ist das neue Rom... Dieser Kanonrichtete sich noch nicht gegen Rom, sondern gegen die alten Patriarchatein Alexandrien und Antiochien, die <strong>als</strong> apostolische GründungenKonstantinopel weit überlegen waren, nun aber zurückgestuft werdensollten“ (507) All das verschärfte die Situation. Papst Cölestin wird mitEingaben und Klagen zugeschüttet. Nestorius, gerade Patriarch vonKonstantinopel geworden verweist auf Cyrills Vergehen und umgekehrtbeschwert Cyrill sich über den von Nestorius vertretenden Pelagianismus.Welch ein Gegenstand. Verrückt, wie die meisten Streitpunkte indamaliger Zeit sind auch die meisten Argumente gegen den britischenMönch Pelagius. Um 410 erhoben sich innerkirchliche Stimmen die mitder gerade aufkommenden Theologie des Bischofs von Hippo, Augustinus,nicht anfreunden konnten. Pelagius dam<strong>als</strong> 50jährig gehörte zu denführenden Köpfen des Widerspruchs. Er verstand Christi Schlussworte derBergpredigt <strong>als</strong> klaren Auftrag an die Vernunft: „Der Mensch kann sichbessern, wenn er will!“ Das war die Kernbotschaft Pelagius. Damit vertrat„er eine andere Gnadenlehre <strong>als</strong> der große Kirchenlehrer Augustinus.Pelagius lehrte die sittliche Freiheit (liberum arbirtrium) zum Bösen wiezum Guten und hielt deshalb den Menschen für frei und imstande, das Gutevon sich aus zu tun... Da zum rechten Tun die Kenntnis des Gesetzesgehört, rät Pelagius zur Schriftlektüre: ohne Gottes Wort ist jedeGerechtigkeit unsicher...“. (508) Augustinus stellte sich gegen Origenes: erstritt auch ab, dass ein Gottesgericht reinigenden Charakter habe... DieTheologische Realenzyklopädie gibt weitere Auskunft über dieUnterschiede augustinischer und pelagianischer Lehren. Augustinus sagt:Die Erkenntnis des Guten bewirkt noch nicht von sich aus, dass das Gute___________________(507) P. Neuner, „Kleines Handbuch der Ökumene“, St. Benno-Verlag Leipzig 1984 S.32-33(508) Die evangelisch-Freikirchliche Gemeinde, Hohenstauffenstraße, Berlin167


auch gewollt sei und dass der Mensch zum Guten unfähig ist, wenn dieGnade Gottes ihm nicht hilft.Andererseits wehrt Pelagius die seiner Meinung nach augustinischmanichäischeAuffassung ab, dass der Mensch eine gute und eine schlechteNatur habe, verteilt auf Seele und Leib. In diesem Punkt gibt das BuchMormon jedoch Augustinus recht, wenn es sagt: der naturhafte Mensch seiein Feind Gottes, nur gegen Augustinus betonten seine Schreiber, dieFähigkeit des Menschen, sich aus freier Entscheidung den Eingebungendes Heiligen Geistes zu folgen. Dies ist die Trennlinie „Denn dernatürliche Mensch ist ein Feind Gottes und ist es seit dem Fall Adamsgewesen und wird es für immer und immer sein, wenn er nicht denEinflüsterungen des Heiligen Geistes nachgibt und den natürlichenMenschen ablegt und durch das Sühnopfer Christi, des Herrn, ein Heiligerwird und so wird wie ein Kind, fügsam, sanftmütig, demütig, geduldig, vollvon Liebe und willig, sich allem zu fügen, was der Herr für richtig hält,ihm aufzuerlegen, so wie ein Kind sich seinem Vater fügt.“ (509) Das derMensch wegen der ihm innewohnenden Intelligenz diese Macht hat, isteine Schlüsseleinsicht, die ihm sowohl Origenes wie das Buch Mormonund Pelagius bestätigen, dieser sagt: „der Geist, der nobilitas ingenita,stammt aus einer höheren Welt...“ (510)Pelagius und Augustinus sagen aber gemeinsam: die Manichäer irren,wenn sie... Gott, den Schöpfer aller Natur, (<strong>als</strong>o auch <strong>als</strong> Schöpfer desBösen, letztlich für ) schuldig halten müssen.“ (511)Schließlich erneuert Papst Gregor VIII. 1567 „kraftvoll“ ...dieaugustinischen Feststellungen über die Erbsünde, und die völligeUnfähigkeit des Menschen zum Guten (wenn es nicht) die vorauslaufendeGnade.“ gäbe. (512)In diesem Spannungsfeld wird Augustinus sich <strong>als</strong> der Erfolgreicheerweisen. Nachdem die ursprüngliche Voraussetzung: „das ewigevorweltliche Sein des Menschen“, durch den heute noch von derkatholischen Kirche vertretenen Kreatianismus (d.h. Gott schafft jede Seeleim Zeugungsakt neu) verdrängt wurde, mussten die augustinischenTheologen zu solchen Fehlschlüssen gelangen, wie sie Papst Gregor VIII.autoritär äußerte.Wegen des uns innewohnenden Gotteserbes „sind wir... nicht ganz unbeteiligtan unserer Erlösung... Augustinus (dagegen) fasst die_____________(509) Buch Mormon, Mosia 3: 19(510) M. Landmann „Philosophische Anthropologie“ de Gruyter, 1982, S. 106 u 78:(511) Gerhard Krause, Gerhard Müller „Theologische Realenzyklopädie“ 2003(512) ebenda168


Sündhaftigkeit <strong>als</strong> eine Grundbeschaffenheit des Menschen die Gott überuns verhängt hat und an der wir daher von uns aus nichts ändern können,sondern die wiederum durch Gott, (nur) durch seine Gnade behobenwerden kann. Gute Taten mögen wir begehen oder nicht, zurHerbeiführung der Gnade tragen sie nicht bei...“ (513) Und Martin Lutherglaubte ihm. An dieser Stelle schaltet sich das Gedächtnis erneut ein: Jesushatte den Prüfstein gesetzt: das Leben selbst wird bestätigen ob eine Lehref<strong>als</strong>ch oder richtig ist: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“Also auch aus realpolitischer und pädagogischer Sicht gesehen, ist dieaugustinische Betrachtungsweise strikt abzulehnen, sie führt wie wir ausErfahrung wissen zur Einstellung: „liebe Gott und tue was du willst.“Es sind die rhetorischen Übertreibungen des Augustinus, die Schadenanrichten, obwohl er es offenbar gut meint.Pelagius Klarheit steht gegen Augustinus Fatalismus von der Vorherbestimmungder menschlichen Seele.Luther, der ehemalige Augustinermönch konnte diese Schule nichtverleugnen oder überwinden – er machte allenfalls kleine Zugeständnisse.In diesem Mangel liegt die Bitterkeit der historischen Ereignisse,verursacht durch das Nichtstun, (der Kontemplation). Glaube nur! DeinHandeln ist allemal vor Gott zwecklos, es trägt nicht zu deiner Erlösungbei.„ob alles noch so reine menschliche Bemühen unzulänglich und eitel istund wir nur durch die irrationale Gnade (sola gratia) gerettet werden,oder ob wir uns der Gnade wenigstens ein Stück weit entgegen bewegenkönnen und den Boden für sie vorbereiten können, das bildet denStreitpunkt zwischen Augustinus und Pelagius...“ (514) Wie bei denNovatianern und vielen anderen ähnlichen Gruppen stand bei denPelagianern die von Jesus geforderte sinnvolle Vervollkommnung jedesEinzelnen obenan, während es bei Augustinus die Ergebenheit in denRatschluss Gottes war.Unsinnige Vervollkommnung übten die Styliten, Eremiten usw. manchestellten sich auf ein Bein und verharrten so stundenlang in der Anbetung,indischen Fakiren vergleichbar, sie erreichten geradezu artistischePerfektion, die sie für gottgefällig hielten, so, wie es für den BischofAugustinus <strong>als</strong> gottgefällig galt, seinen Sohn Adeodatus mit sich zu________________(513) M. Landmann „Philosophische Anthropologie“ de Gruyter, 1982, S. 106, 78(514) ebendaDer Tenor des Buches Mormon ist allemal pelagianisch: 2. Nephi 1: 14 „Erwacht! underhebt euch aus dem Staube.“169


nehmen und dessen Mutter im Stich zu lassen, damit er selbst frömmerwerde. Grundsätzlich wurde Kirche, von allen dem Urchristentumnahestehenden Gemeinschaften <strong>als</strong> die Gesellschaft der Vollkommenenverstanden…„Der Streit um die Thesen des Pelagius begann, nachdem 410 n.Chr. dieGoten unter Alarich Rom nahten und Pelagius zusammen mit seinemFreund und Gesinnungsgenossen Caelestius nach Nordafrika flüchtete.Caelestius, ein ehemaliger Sachwalter, bestritt noch schärfer <strong>als</strong> Pelagiusdie Erbsünde und die Notwendigkeit der Kindertaufe zur Vergebung derSünden. Im Jahre 411 n. Chr. bewarb sich Caelestius in Karthago um eineStelle <strong>als</strong> Priester, wurde jedoch wegen seiner pelagianischen Ansichten<strong>als</strong> Häretiker abgelehnt und exkommuniziert, denn in Nordafrikabestimmte zu dieser Zeit Augustinus die theologische Diskussion...Pelagius, der inzwischen in den Osten des römischen Reiches weitergereistwar, warb dort für seine Auffassungen und ließ sie sich von zweipalästinischen Synoden (415 n.Chr.) <strong>als</strong> rechtgläubig bestätigen, wurdedann jedoch zusammen mit Caelestius durch den römischen BischofInnozenz I. exkommuniziert. Dessen Nachfolger Zosimus von Rom hob dieExkommunikation allerdings wieder auf... Seit 420 n.Chr. war Julian vonEclanum der Führer der Pelagianer. Er vertrat einen sehr weltlichmoralistischen Rationalismus und kämpfte noch folgerichtiger <strong>als</strong> derMönch Pelagius gegen die mönchische Erbsündenlehre und für das Rechtder Ehe. Julian musste aus dem Abendland weichen und fand mit seinenGenossen bei Theodor von Mopsuestia Aufnahme. In Nestorius vonKonstantinopel gewannen die Pelagianer einen weiteren Gönner. Dasdritte ökumenische Konzil von Ephesus (431 n.Chr.) kam schließlich Romentgegen und machte sich die Verurteilung des Pelagianismus zu eigen.Mit dieser Entscheidung verlieh man der Verdammung des Pelagianismusallgemeine Geltung...“ (515) Die Namen der pelagianischen Bischöfe diebei „Nestorius Schutz fanden“ sind bekannt. „Julianus, Florus, Orontiusund Fabius.“ (516) Pelagius kämpfte zwar fair gegen AusgustinusPrädestinationslehre, doch das half ihm nicht, es führte zu seinerExkommunikation. Aus der Tatsache, dass sich die heutige katholischeKirche immer mehr von dieser augustinischen Sicht entfernt, lässt sichvielleicht ableiten, dass irgendwann eine Rehabilitation des Pelagiuserfolgt.Ein ungenannter Theologe stellte bei Wikipedia diese zutreffende________________(515) Die evangelisch-Freikirchliche Gemeinde, Hohenstauffenstraße, Berlin(516) Chr. Gotthold Neudecker, „Allgemeines Lexikon der Religions- und christlicherKirchengeschichte, 1834 Ilmenau Voigt, S. 698170


Erklärung ins Internet: Von einer asketischen Lebensführung geprägt, warPelagius <strong>als</strong> Prediger in Rom empört über die moralische Lässigkeit in derGesellschaft, wie er sie dort erlebte. Des Weiteren widersprach er inseinen Predigten auch den Aussagen zur Theologie der göttlichen Gnade,wie sie von Augustinus von Hippo gepredigt wurden: Pelagius war derAuffassung, dass Augustinus’ Lehre darauf hinauslief, den Manichäismusin das Christentum einzuführen. Er klagte Augustinus an, dem Bösen dengleichen Rang wie Gott einzuräumen und heidnischen Fatalismus zulehren, <strong>als</strong> sei es eine christliche Doktrin. Obwohl er <strong>als</strong> Urheber desPelagianismus angesehen wird, kann auch dargelegt werden, dass derMönch niem<strong>als</strong> diese Doktrin vertreten habe und nur derjenige gewesensei, an dem die Gegner dieser Ansicht ihre Darlegungen festgemachthätten. Pelagius hat im Gegensatz zu Augustinus eine positiveAnthropologie vertreten, durch Askese und permanente Übung sei diemenschliche Natur zu stärken, gemäß der Formel "Du kannst, weil duwillst".„Nach 412 unterstützten der Bischof von Jerusalem, Johannes, derrömische Bischof Zosimus sowie die Anhänger des Origenes denPelagianismus, während die Konzile von Karthago 418 und Ephesus 431(!) diese Lehre verurteilten.“ (517) Eine andere Quelle schreibt: „Pelagiusgeboren360 stirbt 420 Von Papst Zosimus wurde Pelagius zunächstrehabilitiert. Durch ein Edikt des Kaisers Honorius (30.4. 418) erfolgteseine Verbannung aus Rom. Im selben Jahr erneuerte eine Synode inKarthago die Verurteilungen gegen die Pelagianer und verabschiedeteacht antipelagianische Kanones (DH 222-230). In der »Epistulatractoria«, 418, billigte Papst Zosimus die Beschlüsse dieser Synode undexkommunizierte Pelagius, der danach auch aus Palästina vertriebenwurde.“ (518) Augustinus der ebenfalls die Lehre vom Vorherdasein desMenschen verworfen hatte fand in Cyrill von Alexandria einenausdrücklichen Verteidiger, dessen Zorn auf Nestorius auch durch denUmstand wuchs, dass Nestorius den Pelegianismus ehrte.„Papst Coelestin empörte sich, dass Nestorius in Konstantinopel „einigevon Rom verurteilte pelagianische Ketzer aufnahm. CyrillsBevollmächtigter in Rom stellte Nestorius eifrig <strong>als</strong> einen Rationalistendar, der die Gottheit Christi und die Notwendigkeit der Gnade für denMenschen leugne.“ (519) ‚Papst’ „Coelestin von Rom bestätigte 431 dieBeschlüsse und ermahnte den Patriarchen von Jerusalem Maximianus_____________(517) Ökumenisches Heiligenlexikon(518) Biographisch- Bibliographische Kirchenlexikon Verlag Bautz(519) Henry Chadwik „Die Kirche in der antiken Welt“ de Gruyter 1967 S. 230171


dafür zu sorgen, dass alle welche dem Pelagius folgen aus dermenschlichen Gesellschaft vertrieben würden.“ (520) Pelagius Lehre befandsich indessen in voller Harmonie mit Jesu Forderungen: Tu es! Du kannst!Allerdings leugnete er nie, dass: „Der freie Wille ein Geschenk der GnadeGottes ist... Pelagius setzt (auch gegen die Mutmaßungen undUnterstellungen seiner Widersacher) die ‚versöhnende Wirkung des TodesJesu voraus’.“ (521)Wegen seiner pelagianischen Ansichten und weil er sich sehr bald, nachseiner Ankunft in Konstantinopel mit der amtierenden Kaiserin Pulcheriaanlegte, musste Patriarch Nestorius, der rothaarige Feuerkopf im Kampfgegen Cyrill unterliegen.Aber, die nicht nur von Rom attackierten Lehren des britischen TheologenPelagius lauteten ganz anders, <strong>als</strong> sie von seinen katholischen Feindendargestellt wurden: Ebenso erging es Nestorius. Seine Theologie „wurdevöllig entstellt wiedergegeben, wenn man ihm vorwarf er lehre Christus seinur ein inspirierter Mensch gewesen.“ (522)Ähnlich erging es Paulus von Samosata: Über ihn „weiß man so gut wienichts... überhaupt scheint man in der alten Kirche Paulus besonders wasseine häretishen Lehren anging, nicht allzu genau Bescheid gewusst zuhaben. Das hat es wahrscheinlich erleichtert, ihn zum Erzvater faktischaller seit dem 4. Jahrhundert auftretenden Ketzereien zu machen... “ (523)Das Grundproblem bestand in der Urkirche darin, dass dieKommunikationswege zu lang waren. Zudem mangelte es nach dem Todder ersten Apostel an allgemein anerkannten Autoritäten. ZwischenJohannes der auf Patmos um 100 sein Wirken einstellt und Origenesklaffen etwa 120 Jahre anscheinender Führungslosigkeit. Danach ist esnoch schlimmer. Blanker Zufall, statt redlich erworbene Einsicht entschiedoft genug.Der römische Anspruch auf Berechtigung in Lehrfragen für die ganzeKirche zu sprechen, wurde erst weit nach Origenes aufgebaut. Er wurde,bis heute, nur durch Legendengut gestützt...Die ‚richtige’ Schule zu sein behaupteten im vierten und fünften Jahrhundertzeitgleich Alexandria, Rom, Konstantinopel und Antiochia.„451 erleidet (Papst Leo) auf dem ökumenischen Konzil zu Chalkedon einebittere Niederlage, seinen 3 Legaten wird der beanspruchte Vorsitz (vom_________________(520) Chr. Gotthold Neudecker, „Allgemeines Lexikon der Religions- und christlicherKirchengeschichte, 1834 Ilmenau Voigt, S. 698(521) ebenda S. 699, 701(522) ebenda S. 230(523) H. Chr. Brennecke „Ecclesia in republi<strong>ca</strong>“ Theologiegeschichte, de Gruyter S. 6172


Ehemann der Pulcheria, Markian, G.Sk,) glatt verweigert“ Neu-Rom(Konstantinopel) wird „derselbe Primat zuerkannt wie der altenReichshauptstadt.“ (524)Von daher rührten weitere Vormachtstreitigkeiten die allesamt durch dienicht enden wollende theologische Streitigkeiten noch geschürt wurden.Pulcheria und Markian saßen in Konstantinopel, deshalb sollte von diesemOrt aus die Welt und die Kirche regiert werden. Das konnte den gewieftenSöhnen der alten Senatoren nicht gefallen. Nur Bischofsrang einzunehmenwar ihnen nicht genug. Für sie galt allemal: der Thron der Wahrheit standin Rom. Kaiser „Markian verbietet im Anschluss an das Konzil vonChalkedon... das er einberufen hatte öffentliche Diskussionen übertheologische Fragen. Denn die Beschlüsse von Chalkedon stünden imEinklang mit dem Konzil von Nicäa... solche Diskussionen verstoßendemnach nicht nur gegen den Glauben an sich, sondern diskreditieren diechristliche Religion in den Augen der Juden und Heiden. Das Verbot giltgleichermaßen für Kleriker, Staatsbedienstete, Freie und Sklaven, die beiVerstoß entsprechend differenziert betraft werden.“ (525)Es blieb dabei, die Kaiser entschieden die fundamentalen Fragen, wie es325 in Nicäa geschah und das Fußvolk parierte.Brennecke bestätigt eine wohl bekannte Tatsache noch einmalnachdrücklich: „Noch mehr <strong>als</strong> dreißig Jahre später lehnen dieHomöusianer das nicänische homousious unter anderem deswegen ab,weil Konstantin in Nicäa der Unterschriften der Bischöfe mit Gewalterzwungen hatte... seitdem die Kaiser anfingen Christen zu sein, hingenvon ihnen die Angelegenheiten der Kirche ab...“ (526) Man kann davonausgehen, dass um 360 die ganze Kirche (abgesehen von einer handvollverbissen kämpfender Kleriker) das Athanasium (den Begriff ‚homousios’)ablehnten. Und wenn sie schon in geringem Umfang mitbestimmten, dannwar es allemal noch so, dass die „theologischen Debatten zwischenverschiedenen theologischen Schulen auf Synoden ... über kurz oder langzur Verurteilung der oft nur zufälligen Minderheit... durch eine ebensozufällige Mehrheit der Vertreter einer anderen theologischen Schule aufSynoden führen.“ (527)________________(524) H. Küng „Kleine Geschichte der katholischen Kirche“, S 84(525) Karl Leo Noethlichs „Die Juden im christlichen Imperium Romanum“Studienbücher, Akademie Verlag 2001 S. 44(526) H. Chr. Brennecke „Ecclesia in republi<strong>ca</strong>“ Theologiegeschichte, de Gruyter S.47, 48, 30 Homöusianer halten Vater und Sohn für wesensähnlich, aber <strong>als</strong> Personenunterschiedlich... sie lehnten das konstantinische ‚homousios’ <strong>als</strong> gottlos ab.(527) ebenda173


Es ist nicht zu leugnen, dass Zufälle und Unfälle, aber auch Bosheitengrößten Ausmaßes, die Kirche des Mittelalters hervorbrachten. Wären wirKinder dieser Zeit gewesen, wir hätten sehr wahrscheinlich ebenso wieunsere Vorväter an geistiger Blindheit gelitten.Erstaunlich ist nur, bei gegenwärtigem Wissensstand, dass die großenKirchen, Europas Männer der Zerstörung, mit Gedenktagen ehren.Athanasius (295-373) am 2. Mai, seinem Todestag (katholisch,anglikanisch, evangelisch), Damasus (305-384) am 11. Dezember, undzwar die Katholiken. (528)Viele andere Persönlichkeiten mit fragwürdiger Vergangenheit zählen zuden Geehrten, darunter Cyrill von Alexandria (380-444) dessen Gedenktagauf den 27. Juni, seinen Todestag gelegt wurde, (katholisch, anglikanischund orthodox) (529)Andererseits stehen dieselben Großkirchen ihrer eigenen Geschichtegegenüber wesentlich kritischer gegenüber <strong>als</strong> das noch vor wenigenJahren der Fall war:Der liebenswürdige Papst Johannes XXIII. dem das Volk wegen seinerHerzensgüte den Titel ‚il papa buono’ - der gute Papst - verlieh, gab allenein großartiges Beispiel <strong>als</strong> er kurz vor seinem Tod im Juni 1963 öffentlichum Vergebung für das kirchliche Vergehen an den Juden betete: „Wirerkennen heute, dass viele Jahrhunderte der Blindheit unsere Augenverhüllt haben, so dass wir die Schönheit Deines auserwählten Volkesnicht mehr sehen und in seinem Gesicht nicht mehr die Züge unsereserstgeborenen Bruders wiedererkennen. Wir erkennen, daß ein Kainsmalauf unserer Stirn steht. Im Laufe der Jahrhunderte hat unser Bruder Abelin dem Blute gelegen, das wir vergossen, und er hat Tränen geweint, diewir verursacht haben, weil wir Deine Liebe vergaßen. Vergib uns denFluch, den wir zu unrecht an den Namen der Juden hefteten. Vergib uns,daß wir Dich in ihrem Fleische zum zweitenmal ans Kreuz schlugen. Dennwir wußten nicht, was wir taten.“Gewiss wird der Tag kommen, an dem wir alle um Vergebung bittenwerden.Das jedoch ist kein Grund die Augen zu verschließen. Wir haben genauhinzuschauen. Zu den wichtigsten Fragen aller Zeiten gehört auch diese:________________(528) Ökumenisches Heiligenlexikon(529) ebenda174


Apostolische Sukzession ?Mormonen glauben, Joseph Smith (1805-1839) habe, geführt von Gott,lediglich wiederhergestellt was verloren ging und damit gründete er keine‚neue’ Kirche sondern restaurierte die alte, die Urkirche.Niemand muss uns darin folgen, dass wir überzeugt sind, Gott habe durchihn, eben jene durch priesterlichen Missbrauch abhanden gekommenenSchlüsselvollmachten wiederhergestellt, - doch zumindest der Gedankedaran ist interessant. Er erinnert an Lessings Ringparabel. „der echte Ringvermutlich ging verloren. Befürworter der römischen Machtentwicklungmögen bedenken, dass bereits der Anfangsanspruch sehr fragwürdig ist.Wegen der Möglichkeit, dass Petrus Bischof in Rom war – oder, was eherwahrscheinlich ist, dass Petrus <strong>als</strong> Repräsentant der Kirche in Rom geweilthaben könnte, - abzuleiten, dass fortan in Rom immer die richtigen Männerder Kirche saßen, ist unglaubwürdig. Vor dem Hintergrund der bekanntenTatsachen ist es eine durch nichts begründete Behauptung. Es gab <strong>als</strong>o dieNotwendigkeit etwas vorzutäuschen, was den offensichtlichen Widerspruchzwischen Wunschdenken und Realität überdeckte.Die von Jesus gesetzten Kriterien für Führerschaft (530) erfüllte wohl nichtviele der oft in Raufhändel verwickelten römischen Bischöfe. Sie liebtensich selbst und die Macht. Das belegen die Daten und die Lebensläufe,ebenso ihre Briefe, ihre Entscheidungen, Fehden und Kriege. Nur einBeispiel aus der Fülle selbstzerstörerischer Aktionen soll andeuten, dassdie bittere Wahrheit anders aussieht <strong>als</strong> gutmeinende katholische Christensich das vorstellen: (531) Wie wenig der römischen Kurie die ‚Schafe’bedeuteten, zeigen die Schwerpunkte die sie im Kampf um Rang einssetzen. „Gewiss, “ schreibt Hans Küng „das päpstliche Rom ist nicht aneinem Tag erbaut worden. Aber zielstrebig und machtbewusst weiten dierömischen Bischöfe des 4. und 5. Jahrhunderts ihre Amtsbefugnisse inRichtung Universalprimat aus. Die von ihnen erhobenen Ansprüche sindzwar ...ohne biblisches und theologisches Fundament, gingen aberdennoch im Lauf der Jahrhunderte per viam facti in das Kirchenrecht ein...Noch für Augustinus „sind alle Bischöfe grundsätzlich gleich, demPapalismus leistet er keinen Vorschub.“ (532)________________(530) Johannes 21: 15-17 „Liebst du mich? und Johannes 14: 21: Wer meine Gebotehat und hält sie, der ist es der mich liebt.“(531) Ludwig Hertling SJ, „Geschichte der Katholischen K. bis 1740“ S. 189:„Während des Pontifikates Innozenz III. führte die Stadt Rom Krieg mit der gleichfallspäpstlichen Stadt Viterbo.“(532) Küng „Kleine Geschichte der katholischen Kirche“ 2002 Berliner Taschenbuch -Verlag S S81175


Zudem weiß man über die wichtigsten Persönlichkeiten der Kirche die inRom in den ersten 220 Jahren amtiert haben sollen, so gut wie nichts.Gemäß einem im Mittelalter vielverwendeten Bildes, erhebt sich die Frage:Wenn die Kirche das rettende Schiff ist, dann bildet die Ankerkette dieVerbindung vom Boot zum Anker, der Jesus Christus versinnbildlicht. DieKette wird <strong>als</strong> apostolische Sukzession verstanden, es ist die Legitimationskette.Was jedoch, wenn sich herausstellt, dass ein einzigesKettenglied fehlt? Der Effekt ist nicht größer, <strong>als</strong> wenn zehnVerbindungsglieder fehlen. Tatsächlich sind einige nicht vorhanden.Bereits beim ersten Glied erheben sich Zweifel. Petrus angeblichesPontifikat soll bis 64 n. Chr. gedauert haben. Nach Hans Küng bezeugen„der Clemensbrief um 90 sowie Bischof Ignatius von Antiochien um 119,dass Petrus am Ende seines Lebens in Rom war, und dort den Martertoderlitt. (Doch) Sein Grab unter der vatikanischen Basilika ließ sich ... nichtidentifizieren... es gibt kein zuverlässiges Zeugnis dafür, dass Petrus inRom“ je <strong>als</strong> ... Bischof diente. (533)Der erste Petrusnachfolger soll Linus gewesen sein. Seine Amtszeit hättezehn Jahre gedauert, nämlich von 64 - 74. Doch allem Anschein nach gabes keinen Papst oder Bischof dieses Namens und zu dieser Zeit in Rom:denn „alle Linus zugeschriebenen Aufzeichnungen wurden <strong>als</strong> Fälschungenund Irrtümer entlarvt.“ (534) Die meisten Quellen - insbesondere das"Liber Pontifi<strong>ca</strong>lis" - sprechen zwar von einem Märtyrertod. Doch da zuder Zeit seines Todes keine Christenverfolgung in Rom erwähnt wird,halten das die meisten Historiker für eher unwahrscheinlich. (535) Und dasdritte Glied der Kette? - „Man weiß so gut wie nichts über Anaklet“ derangeblich von 79 bis 90 oder 92 regiert haben soll. (536)_______________(533) Küng „Kleine Geschichte der katholischen Kirche“ 2002 Berliner TBV S. 33(534) Ökumenisches Heiligenlexikon(535) Catholic enzyclopedia: “The explanation given by Severano of this discovery"Memorie delle sette chiese di Roma", Rome, 1630, 120, is that probably thesesarcophagi contained the remains of the first Roman bishops, and that the one bearingthat inscription was Linus's burial place…But from a manuscript of Torrigio's we seethat on the sarcophagus in question there were other letters beside the word Linus, sothat they rather belonged to some other name (such as Aquilinus, Anullinus). The placeof the discovery of the tomb is a proof that it could not be the tomb of Linus (De Rossi,"Inscriptiones christianae urbis Romae", II, 23-7)Auch Hermann Griesar „Geschichte Roms und der Päpste im Mittelalter“ „die Legendeschlingt ...dichte Ranken um einen wenig kenntlichen Stamm.“(536) Catholic enzyclopedia: Pope St. Anacletus is the second successor of St. Peter…Tertullian omits him altogether. …That he ordained a certain number of priests isnearly all we have of positive record about him, but we know he died a martyr, perhapsabout 91.176


‘Papst’ Clemens angebliches Pontifikat von 90/92-101 ist (ebenfalls) reineErfindung (537) Selbst „über ‚Papst’ Evaristus Amtsführung (99/100- 107)ist nichts Sicheres auf uns gekommen....“ (538) Die Quellen sagen,ungesichert ist ob ‚Papst’ Alexander, (107-116) <strong>als</strong> Märtyrer starb undtatsächlich unter Kaiser Trajan enthauptet wurde. Die Identität AlexandersI. mit einem gleichnamigen römischen Märtyrer wird wohl mit Rechtbestritten. Telosphorus soll von 125-138 <strong>als</strong> ‚Papst’ regiert haben. Dochauch die Telephorusakten sind nicht echt. (539)Sein möglicher Vorgänger im Bischofsamt Hyginus war vielleicht einerder Gemeindevorsteher Roms von 138 – 142: „Sein geschichtlichesWirken ist (aber desgleichen) nicht fassbar... Obwohl Hyginus <strong>als</strong>Märtyrer gilt, bestätigt dies keine Quelle.“ (540) Von einer Kette gibt eskeine Spur. Unbenommen jedoch ist, dass es in Rom seit den Tagen desPaulusbesuches führende Mitglieder der Kirche in der Reichshauptstadtgab. Von diesem Fakt ausgehend könnte jede andere Gemeinde reichsweitund darüber hinaus gleich lautende Vormachtansprüche erheben. „Diewenigen Briefe, die unter ‚Papst’ Pius' (142-155) Namen existieren, sindFälschungen... er war wohl der erste eigentliche Bischof von Rom. Zuvorwaren die Bischöfe einfach die Vorsteher im Kreis der Ältesten und hattenkeine besonderen Rechte… (541) So unsicher und unwahrscheinlich wie derStart ist die Fortsetzung: „Aniketus angebliches Pontifikat soll von154/155-166 gedauert haben:„Er wird <strong>als</strong> Märtyrer bezeichnet, obwohl keine Legende dies ausführt...“Mehr ist nicht bekannt. (542) F<strong>als</strong>ch ist auch, dass ‚Papst’ Soter (166-174)den 2. Clemensbrief verfasste. Für sein Martyrium unter Kaiser MarcAurel entsprechend der späteren Verehrung gibt es keinen Anhaltspunkt.“(543) „Das „Liber Pontifi<strong>ca</strong>lis”, das „Papstbuch” aus dem 6. Jahrhundert_____________(537) Catholic enzyclopedia: “Of the life and death of St, Clement nothing is known.”In Wikipedia schreibt ein ungenannter Fachmann: “Sein Pontifikat wird auf 88 bis 97datiert, ist jedoch, wie viele Daten der ersten Jahrhunderte, reichlich unsicher. Da dieAnnahme eines monarchischen Bischofsamtes bereits im 1. Jahrhundert den Quellenwiderspricht – auch im Brief des Clemens an die Korinther finden sich nur Hinweiseauf Älteste, aber kein Hinweis auf einen monarchischen Bischof – ist die Frage nachder Datierung des Pontifikats ohnehin irrelevant.“(538) Stadlers vollständiges Heiligen-Lexikon(539) Catholic enzyclopedia: “None of the statements in the "Liber pontifi<strong>ca</strong>lis" andother authorities of a later date as to liturgi<strong>ca</strong>l and other decisions of this pope aregenuine.(540) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(541) Ökumenisches Heiligenlexikon(542) ebenda(543) ebenda177


erichtet sodann vom angeblich nächsten Sukzessor von Eleutherius' (174-189) und seinen vorgeblichen Beziehungen zum britischen König Lucius,der den Wunsch hegte, sich taufen zu lassen. Diese Legende hat offenbarkeine historische Basis.” (544)Victor I. soll der 14. in der Reihenfolge der römischen Päpste gewesen sein(angebliches Pontifikat) 189-199. Doch es heißt auch von ihm nur: „Erwar römischer Bischof von 189 bis 199.“ (545)Selbst Zephyrinus (angebliches Pontifikat) 199-217 ist weithin unbekannt.„Zephyrinus ... war offenbar kein gebildeter und wohl auch kein charakterfesterMann” (546) Das ist zu mager, um <strong>als</strong> ‚Papstbiographie zudienen. Joseph Langen schreibt: „Wir dürfen die Zeit Zephyrins nichtverlassen, ohne noch einen Blick auf die Persönlichkeit dieses Mannesgeworfen zu haben. Er ist der Erste unter den römischen Bischöfen, vondem wir eine Charackterschilderung durch einen Zeitgenossen (allerdingsseines Kontrahenten) besitzen. Nach einer Schilderung Hippolyts (Phil. IX,11) war Zephyrin ein unwissender und ungebildeter Mann, der diekirchlichen Bestimmungen nicht kannte und sich ganz in den Händen desschlauen und boshaften Callistus befand. Dieser vermochte ihn zu allem,(zu bewegen G. Sk.) besonders durch Geschenke, da Zephyrin bestechlichund geldgierig war. (547) Sonderbar verwirrend muss es um die ganzeKirche Roms bestellt gewesen sein. Zephyrinus soll bereits für 200Geistliche und Kirchendiener (Priestertumsträger) und für 1500 ArmeSorge getragen haben. (548) Im Kontext bedeutet das, Zephyrinus sei trotzseiner Beschränkungen, in etwa der Erzbischof Roms gewesen (– in derKirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) entsprächedas dem Pfahlpräsidenten der die Aufsicht über mindesten fünf Gemeindenleistet.) Denn „wir wissen aus Optatus, dass um das Jahr 311 einige 40Basiliken (Gemeinderäume G.Sk.) in Rom waren“ (549) Da es jedoch keineHinweise für eine einzige Basilika vor der Konstantin-aera in Rom gibt,könnte es in Rom durchaus 40 Gemeinden gegeben haben, die sichwahrscheinlich in gemieteten Räumen versammelten. Dass diese Zahl derWahrheit nahe kommt geht auch aus dieser Information hervor: „Für___________________(544) Ökumenisches Heiligenlexikon(545) ebenda(546) ebenda(547) Joseph Langen „Geschichte der römischen Kirche“ Uni Bonn, 1881(548) Johann J. Ignaz von Döllinger „Hippolytus und Kallistus“ 1853(549) ebenda178


das Jahr 250 wird die Anzahl 100 italienischen Bischöfe angegeben.“ (550)Dann hätten in jeder Gemeinde 5 Prebyter, (Älteste, Priester und Diakone)sich um jeweils etwa 40 Bedürftige kümmern müssen. Eine beachtlicheLeistung.Nach etwa siebenjähriger Amtszeit gibt Zephyrinus auf oder er stirbt.Ziemlich sicher ist, dass er keine Aufwandsentschädigung für seineLeistung erhielt, - obwohl ihm über 200 „Geistliche“ unterstanden, - dennum 220 beklagte Hippolyt, dass die „schismatische“ Gemeinde derTheodotianer in Rom, ihrem Bischof ein monatliches Gehalt zahlte. (551)Hippolyt würde sonst, drei Jahre nach Zephyrinus Abschied, nicht gesagthaben: dies sei „eine gräuliche Neuerung“ (552)Es sollte grundsätzlich unterschieden werden zwischen Trägern desPriestertums und Klerikern. Kleriker treten erst im nächsten Jahrhundertauf, von da an sind sie hauptamtliche Kirchenführer.Priestertumsträger dagegen wirkten ehrenamtlich.Nun kommt erneut Callixt I. ins Gespräch, ein Mann von dem man mehrweiß, <strong>als</strong> Fabeln: Callistus oder Calixtus I. war Zephyrinus Nachfolger, der16. in der Reihe der angeblichen Päpste. Sein bischöfliches Pontifikatdauerte von 217-222. Diese Angabe soll laut L. Hertling sicher sein. Aberwodurch wurde Callistus bekannt?„Callistus war der Überlieferung zufolge ein von Juden verbannter Sklave,der zunächst mit betrügerischen Bankgeschäften von sich reden machte.Der erste Gegenpapst der Kirchengeschichte, Hippolyt, erhob sich gegenihn und beschuldigte ihn... eines unlauteren Vorlebens und der Unzucht. ...„Callistus versuchte nachdrücklich, den Einfluss des Bischofs von Rom fürdie gesamte Kirche zu mehren“ (553)Zur selben Zeit wird Hippolyt Bischof der Leiter einer anderen (Zentral-) ?Gemeinde in Rom, vielleicht war er ein Anwärter auf den Rang eines ‚ErzoderOberbischofes’.Hippolyt sollte Calixtus auf die eine oder die andere Weise überleben, derum 222 stirbt oder seinen Platz räumen muss. Hippolyt überlebte auchUrban I. . Es war ein echter Überlebenskampf gewesen.Hippolyt war wahrscheinlich der erste Bischof dem seine Gemeinde ein______________(550) Henry Chadwick „Die Kirche in der antiken Welt“ de Gruyter, S. 67 siehe auchFußnote 172(551) Jungklaus, Full Text of: „Die Gemeinde Hippolyts dargestellt nach seinerKirchenordnung“(552) ebenda(553) Ökumenisches Heiligenlexikon179


Denkmal setzte, und das die Jahrhundert überdauerte. (554) Welche einePersönlichkeit er doch gewesen sein muss. Hippolyt lehrte, soweit wie zusehen ist, schriftgemäß. Daran kam die katholische Kirche nie vorbei.Deshalb zählt sie diesen ‚Gegenpapst’ zu den Heiligen. Er wurde etwa 170in Kleinasien oder Alexandria geboren und starb, 66jährig in derVerbannung auf Sardinien. Schon unter ‚Papst’ Victor I. (189-199)unterstützte er <strong>als</strong> Presbyter (Ältester) die Gemeindearbeit offensichtlichvorbildlich, immer wieder wusste er zu überzeugen, dass Dienst in derKirche ehrenamtlich zu leisten ist. Damit bewies er moralische Stärke.Er war im Verlaufe der Zeit <strong>als</strong> „ein Schüler des Irenäus”, (555) zurführenden Persönlichkeit in der Christenheit Roms aufgestiegen. Das wirdihm heute noch bestätigt: „Hippolyt hatte unter Bischof Victor I. ... großenEinfluss im Klerus von Rom.“ (556)Origenes der 212 nach Rom reiste, hörte Predigten Hippolyts, der ihneingeladen hatte, weil er den Rat des zwar 15 Jahre jüngeren aberkirchenweit anerkannten Gelehrten suchte. Die Streitigkeiten zwischen ihmund Callixt I. waren bereits im Gange. Hippolyts Standpunkt stimmte imwesentlichen mit den Schriften und der Tradition überein, andere sagendirekt und indirekt dasselbe: das Chaos entstand nicht durch ihn, „dieVerwirrung, welche ... in der römischen Kirche entstand, (wurde) vonKallistus verschuldet... (557)Hippolyts Urteil über (Callixt I.) Callist lautet zunächst nicht ungünstig: Ersei „ ein bedeutender, mit Talent, Energie und Unternehmungsgeistausgerüsteter Mann, der, ein Sklave von Geburt, durch schwereSchicks<strong>als</strong>schläge gestählt und gewitzigt, unter den ungünstigstenUmständen sich bis auf den römischen Bischofsstuhl emporgearbeitethatte. (558)Andererseits erhob Hippolyt, wenig später schwere Beschuldigungengegen ihn, weil Callixt in die ‚Kirchendisziplin’ Änderungen einführte.„Vor allem die, dass er, den Lüsten der Menschen entgegenkommend,allen ihre Sünden nachlasse. Wenn Jemand, der bis dahin einer andernKirchengemeinschaft angehört, gesündigt habe, werde ihm die Sünde nichtangerechnet, wofern er nur zu des Kallistus „Schule'', d. i. zu seinerKirchengemeinschaft sich bekannte. Viele mit beflecktem Gewissen und_______________(554) Johann J. Ignaz von Döllinger „Hippolytus und Kallistus“ 1853(555) Ökumenisches Heiligenlexikon(556) ebenda(557) Joseph Langen „Geschichte der römischen Kirche“ Uni Bonn, 1881,S. 245:(558) ebenda180


von vielen Sekten ausgestoßen sowie einige auch von ihm, Hippolyt, ausder Kirche verwiesen, füllten seine „Schule". (559)Hippolyt lehnte vor allem Callixt Auffassung ab, dass ein Bischof selbstwenn er „bis zum Tode' sündige“, doch nicht abgesetzt werden soll. (560)Das konnte kein von der Sache Christi überzeugter Christ hinnehmen. Jehöher jemand stand, desto dramatischer war sein Fall.Zu den Todsünden gehörten Ehebruch und Verrat. Hippolyt weist durchsein Gesamtverhalten darauf hin, dass die Ehe, von Jesus unter besonderenSchutz gestellt, den Menschen ein sicheres Zuhause bieten soll. Ehebruchzerstört mehr <strong>als</strong> nur das Vertrauen. Ehebruch ist ein wissentlicher Verstoßgegen Gottes Gebot, auch wenn die Tat im Taumel der Erregung geschieht.Manchmal zerbricht sie das Glück harmonischer Gemeinsamkeit auf dasjeder Mensch nach Jesus (Jehova) einen immerwährenden Anspruch hat,irreparabel. (561)Diese Welt ist nur ein Jammertal weil die Übertretungen und der Unglaubesie dazu machen.Das Verständnis der Alten lautete deshalb schriftgemäß, man kann nichtMitglied der Kirche Jesu Christi bleiben, nachdem man seine Bündnissebrach. Die meisten Christen der Frühzeit verstanden sich selbst wie diealten Israeliten, <strong>als</strong> Kinder des Bundes, (562) es sind mindesten zweigebrochene Bündnisse wenn jemand eine Seele zerstört. Weiter heißt esvon Hippolyt: „Als Schüler des Irenäus von Lyon widmete sich Hippolyt.dem Abwehrkampf gegen häretische Strömungen wie der Gnosis, demChiliasmus, dem Adoptianismus und dem Modalismus. Vor allem dietrinitarischen Modalisten Noetus und dann Sabellius waren seineHauptgegner. Mit Bischof Zephyrinus (199-217) entfremdete er sich vorallem wegen dessen Ernennung des Callixtus zum Diakon. Für Hippolytwar Zephyrinus fortan ein Sprachrohr des Häretikers Callixtus... (gegenden er den) Vorwurf der Laxheit erhob ...Jedoch fiel u. a. wegen derStrenge seiner Kirchenzucht nach kurzer Zeit ein großer Teil der AnhängerHippolyts (von ihm) ab...“ (563)Callixt wollte die Übertreter natürlich ermahnen und wohl nur die________________(559) Joseph Langen „Geschichte der römischen Kirche“ Uni Bonn, 1881(560) ebenda(561) Deuteronomium 28: 1-14 „Wenn du auf die Stimme deines Gottes hörst, indemdu alle meine Gebote, auf die ich dich heute verpflichte achtest und sie hältst, wird dichder Herr dein Gott über alle Völker der Welt erheben...“(562) 1. Petrus 2: 9 „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königlichePriesterschaft... ein Volk das sein besonderes Eigentum wurde... einst wart ihr nichtsein Volk, jetzt aber seid ihr Gottes Volk...“(563) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz181


ständigen Wiederholungstäter exkommunizieren, Hippolyt bestand eherauf Kirchenausschluß, vor allem wenn der Schuldige ein Bischof war, denner hatte das Vorbild zu sein. Sie unterschieden sich in Fragen der dervKirchendisziplin und der Lehre. Natürlich muss durch den Bischof allesgetan werden um die gebrochenen Ehen und Herzen zu heilen. Daranbestand auf beiden Seiten kein Zweifel. Es ist nicht zutreffend, dassHippolyt weniger mitfühlend <strong>als</strong> Callixt war. Gerade er und Origenesglaubten, entschieden mehr <strong>als</strong> ihre Gegenspieler an die Allversöhnung...dass nach einer angemessenen Zeit der Gewissensqual (Hölle) alles ! durchGott vergeben wird. Nur Gott könne vergeben, wann und wie er will, nichtder Bischof, auch Bischöfen ist unmöglich ins Herz zu schauen. (DieAuseinan-dersetzung geht knapp 25 Jahre später im Kampf zwischenNovatian, - der Hippolyts Linie vertritt - und ‚Papst Cornelius sowieseinesgleichen um 250 weiter...)Hippolyt beteuerte nur: Kein Bischof habe das Recht die von Jesusbestimmten Grenzen auszuweiten.Darüber ereiferten sie sich. „Über die Anmaßung einiger Hierarchen,selbst die schwersten Verbrechen, wie Götzendienst, Ehebruch, Unzucht zuvergeben, ergeht sich... Origenes in ... Klagen, dass man sich sofort derbald zu besprechenden Beschuldigungen erinnert, welche in dieserHinsicht Hippolytus gegen Kallistus erhebt. An Origenes fand <strong>als</strong>oHippolytus einen willkommenen Bundesgenossen, der ihm auch in derFerne treu blieb, sein römisches Schisma begünstigte und endlich dasSchicksal der Ausschließung durch die römische Kirche mit ihm teilte.“(564) Mit Origenes teilte Hippolyt auch die wesentlichen Eckpunkte derchristologischen Lehre. Dem Anschein nach wird bereits vier Generationenvor dem 1. ökumenischen Konzil zu Nicäa dessen Kernthema diskutiert.Noch glaubten die meisten Bischöfe wie Origenes, aber die neueChristologie, die den Menschen von Gott entfernt, weil entfremdet, istbereits auf dem Weg. Noch war es klar und ließ sich schlicht formulieren:Es sind vier Eckpunkte deren Positionen, nach Hippolyt und Origenes nieverlassen werden dürfen.1. Gott der ewige Vater formte alle Intelligenzen, - er gab ihnen eineGestalt - deren erster Jesus oder Jehova ist. Wir Kinder aus der FamilieAdams hatten ein intelligentes, vorirdisches Dasein, durch den Fall insFleisch haben wir alles vergessen. (565)2. Jesus ist dem Vater nachgeordnet_______________(564) Joseph Langen „Geschichte der römischen Kirche“ Uni Bonn, 1881,S. 245:(565) Seinsvergessenheit...182


Hippolyt lehrte: „Durch das Sichtbarwerden in der Welt wurde er ein…Anderer, <strong>als</strong> der Vater; ... Der Logos trug die Ideen des Vaters in sichund brachte auf dessen Geheiß die Schöpfung hervor... Durch den Logosbrachte Gott Alles hervor, und anders <strong>als</strong> es gemacht wurde, konnte esnicht gemacht werden. Den Menschen schuf er <strong>als</strong> solchen; will derMensch Gott werden, so muss er ihm gehorchen. Der Logos besitzt, weilaus Gott seiend, das Wesen Gottes... Das Böse entsteht aus dergeschöpflichen Freiheit, und besaß ursprünglich keine Existenz. Der Logoswurde Mensch, um uns ein Beispiel zu geben und den Beweis zu liefern,dass der Mensch frei sei und sich des Bösen enthalten könne. Zu diesemZwecke nahm er das Wesen des Menschen an. Er wurde leidens- undtodesfähig, um die Menschen von ihren Leiden aufzurichten. Durch dierichtige Erkenntnis, ermahnt Hippolytus (c. 34) zum Schlusse, werde mander Höllenstrafe entgehen und die Unverweslichkeit des Leibes nebst demHimmelreiche empfangen <strong>als</strong> Genosse Gottes und Miterbe Christi. Denndann wird der Mensch Gott. Als Mensch war man leidensfähig; was manaber dann erhält, empfängt man <strong>als</strong> vergöttlicht und unsterblich gemacht.Christus, der Gott ist über Alles, reinigte den Menschen von der Sünde undschuf den alten Menschen zu einem neuen um. Wenn man seine Gebotehält, wird man ihm ähnlich. Gott macht den Menschen zu Gott zu seinerEhre... die Subordination des Logos unter den Vater (ist) <strong>als</strong> notwendiggegeben… Von einer Genugtuung oder stellvertretenden Sühne ist bei ihmnoch nicht die Rede. Nur von einer Reinigung und Umschaffung desMenschen durch Christus. Die Menschwerdung hat den Zweck, das Idealeines Menschen tatsächlich zu verwirklichen. Geht der Mensch mit seinemdes Guten fähigen, freien Willen auf diese Umgestaltung seines Wesensein, so wird er <strong>als</strong> Adoptivbruder des Gottmenschen vergottet.“ (566)Daraus folgt:3. Wegen ihrer Verwandtschaft mit Gott können diejenigen, die tun wasGott von ihnen verlangt, - und die wissen was er verlangt - und <strong>als</strong> richtigerkannt haben, - selbst Götter werden. (Nur wer gegen sein eigenesGewissen handelt und darin zu lange reuelos verharrt kann dieses Zielnicht erreichen.)4. der von Gott den Intelligenzen geschenkte freie Wille, darf vonniemanden angetastet werden.Es kam zu weiteren Spannungen wegen dieser und anderer Grundsätze,Kallistus und sein Anhang nannten sich (indessen) die katholische Kirche“(567) auch mit Pontianus dem Nachfolger von Callixt I. sollte es zunächst____________________(566) Joseph Langen „Geschichte der römischen Kirche“ Uni Bonn, 1881,S. 245(567) Johann J. Ignaz von Döllinger „Hippolytus und Kallistus“ 1853183


zu erheblichen Differenzen kommen. „Schließlich machte KaiserMaximinus Thrax (235-238) dem Streit in Rom ein Ende, indem erkurzerhand Hippolyt samt seinem Gegner Pontianus 235 nach Sardinienverbannte. Eine Aussöhnung auf Sardinien ist wahrscheinlich, beideVerbannten blieben bis zu ihrem Tod auf der Insel. (568)Die erwähnte Einschätzung des Ökumenischen Heiligenlexikons:„Callistus versuchte nachdrücklich, den Einfluss des Bischofs von Rom fürdie gesamte Kirche zu mehren“ mag zwar gut ins nachträglich erstellteKonzept passen, doch Callixt I. Tun beschränkte sich darauf, dass er fürsich und seine Gemeinde die Latte niedriger legte, auf eine Höhe die denUnterscheid zwischen einem Heiden und einem Christen fast verwischte.Während der 16. ‚Papst’, Hippolytus 217-235, später zu einem Gegenpapsterklärt wurde. Hippolyts Spuren sind immer noch deutlich. Sein Bemühendas alte Niveau zu bewahren ist bemerkenswert. Er weiß, man kann dieBedingungen für eine Mitgliedschaft in der Kirche Christi nicht, wie ineiner rein menschlichen Organisation, den eigenen Wünschen anpassen.Das sieht Callixt zwar ähnlich, aber doch anders. Hippolyt muss und willdie Tradition achten. Alle Neuerungen lehnt er ab.Nur <strong>als</strong> Kettenglied in der Papstreihe taugt er nicht, die Kirche hat ihn zwarheilig gesprochen aber nicht anerkannt. Er lehrte ein vom Überlieferungsgutder katholischen Kirche grundverschiedenes „Evangelium“. An ihmmüssen ich alle anderen messen lassen, weil seine Lehrsätze undadministrativen Hinweise dem Original sehr nahe kommen. OrigenesLehrgut spielte für Hippolyt die entscheidende Rolle.Dass ein persönliche und gute Beziehung zwischen beiden Männerbestand, wird auch von anderer Seite bekräftigt:„Origenes sei den Kämpfen des Hippolytus unter Zephyrin und Kallistusnicht fern geblieben, sondern habe für ihn Partei ergriffen. Auch hält er(Döllinger) es nicht für unmöglich, dass die bekannten scharfenÄußerungen des Origenes über den Hochmut und die Anmaßungen derBischöfe großer Städte, sich speziell auf den römischen Stuhl beziehen.Wichtiger noch ist, dass Origenes scharfen Tadel über Bischöfe ausspricht,welche, um Gott zu verherrlichen, zwischen dem Vater und dem Sohneeinen bloßen Namensunterschied annehmen. ...Eusebius berichtet freilich,Origenes habe die Romreise angetreten, um die uralte römische Kirche zusehen. Sollte nicht vielleicht Hippolyt diesen ungeachtet seiner Jugendberühmtesten Kirchenlehrer damaliger Zeit eingeladen haben, die dortigenZustände aus eigener Anschauung kennen zu lernen, um an ihm eine Stützeund für seine Anhänger eine neue, beruhigende Autorität zu gewinnen? Auf________________(568) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz184


diese Weise gewänne die Erwähnung des berühmten fremden Theologen ineiner Homilie, wenn auch unter andern Umständen schon denkbar, eineerhöhte Bedeutung... So hätten denn ungeachtet ihres verschiedenenStandpunktes im Einzelnen die drei größten Theologen damaliger Zeit,Tertullian, Hippolytus, Origenes in dem Kampfe gegen den römischenStuhl gemeinsame Sache gemacht, und wären auch nach einander von demgleichen Schicksale der Exkommunikation betroffen worden. Tertullianund Hippolytus wurden in Folge dessen Häupter separierterKirchenparteien, jener einer montanistischen Gemeinschaft in Afrika,dieser schismatischer Bischof einer römischen Gemeinde, währendOrigenes, ungeachtet seiner Exkommunikation durch die Synoden vonAlexandrien und Rom bei den Bischöfen Palästina' s nichts von seinemAnsehen verlor. Einerseits stand Tertullian dem Hippolytus am nächsten.Denn in der Trinitätslehre sind sie beide völlig Gesinnungsgenossen undkämpfen in derselben Weise gegen dieselben Gegner.“ (569)Hippolyt nannte ‚Papst’ Calixt einen Räuberhauptmann, Heuchler undHäretiker. Kein Wunder, Callixt liebte es beide Augen zuzudrücken.So beschäftigten die kuriosen Auseinandersetzungen und Spekulationendie Christenheit mehr <strong>als</strong> der eigentliche von Jesus erteilte Auftrag <strong>als</strong>Kirche über alle Landes- und Kulturgrenzen hinaus Lebenshilfe zurVersöhnung zu geben. (570)Sein Nachfolger Pontianus, der von 230 – 235 Bischof einer römischenGemeinde (oder ein quasi Erzbischof Roms) war, wurde von einigen seinerAmtsbrüder angehalten etwas gegen den ‚origenistischen’ Trend zuunternehmen. Dahin musste es kommen, denn Origenes legte seinen Fingerauf die Inhalte der Bergpredigt Christi, die den Willen des Einzelnenansprachen. Origenes ging es um die Verinnerlichung des Menschen, dieandern schauten darauf wann sie fordern sollten, dass die Abendmahlsgefäßemöglichst vergoldet sein müssten.Bischöfe die nicht stark genug waren bescheiden zu bleiben, hatten ihreProbleme mit diesem alexandrinischen Gelehrten. Es scheint, dass einigesich mehr und mehr auf die sühnende Rolle Christi beriefen. Mit CallixtusKurs__________________(569) Joseph Langen „Geschichte der römischen Kirche“ Uni Bonn, 1881,S. 245(570) Matth 7: 14; 5: 10; 5:5; 5: 48 Vergebt einander! Macht diese zerstrittene Welt zueinem besseren Platz. Seid Friedensstifter. Übt niem<strong>als</strong> Gewalt. Vervollkommnen solltihr euch185


wurden auf diese Weise die Grundideen der späteren „Blut- undKreuztheologie“ angestoßen, die Origenes und mit ihm die Urkirche indieser Intensität nicht kannte.Pontianus war aber eher <strong>als</strong> Callixt zur Harmonie bereit. Das beweist er inder Verbannung. Er versöhnt sich dort mit Hippolyt.Er amtierte <strong>als</strong> römischer Bischof von Juli 230 bis September 235.Während dieser Periode überlässt er sich dem Calixtinischen Strom:„Unter seinem Episkopat stimmte eine römische Synode (231/32) derVerurteilung und Absetzung des Origenes zu; ein diesbezüglichesSchreiben Pontianus an den alexandrinischen Bischof Demetrius istverlorengegangen. Während der Christenverfolgung unter MaximinusThrax im Jahr 235 (sei Pontianus) zusammen mit dem GegenbischofHippolyt nach Sardinien verbannt; damit ist das Schisma Hippolyts gegenCalixt I. und dessen Nachfolgern Urban I. ... beseitigt. Das Datum desRücktritts ist der früheste »terminus certus« der Papstgeschichte. Der nochim Jahr der Verbannung Verstorbene wurde später in derCalixtuskatakombe beigesetzt. Pontianus wird <strong>als</strong> erster Märtyrerpapstverehrt.” (571)Die Frage, ob die Verurteilung des Origenes auf verleumderischeNachrede durch seinen Bischof Demetrius zurückzuführen ist, oder aufOrigenes angebliche Selbstverstümmelung oder ob sie vor allem auf einernicht weiter begründeten und trotzdem ablehnenden Haltung einerrömischen Mehrheit der Origenes-Lehren beruht, beantwortet keinGeringerer <strong>als</strong> Hieronymus, der Bibelübersetzer: „In einem Brief an Paulasagt er, Origenes sei nicht wegen neuer Lehren oder häretischerMeinungen... verurteilt worden, sondern weil man den Glanz seinerBeredsamkeit und Wissenschaft nicht habe ertragen können.“ (572)Dass Origenes Neider hatte ist bekannt. Es macht zudem misstrauisch, dass„ein diesbezügliches Schreiben Pontianus an den alexandrinischen BischofDemetrius verlorenging.“ Wieder einmal gibt es kein Dokument, wo es amdringendsten erforderlich gewesen wäre.Roms führende Priester stellten sich so bereits zu einem sehr frühenZeitpunkt gegen den „Rest“ der Kirche, ins Abseits.Zudem scheint der Begriff ‚römische Synode’ erneut zu bestätigen, dass estatsächlich zeitgleich mehrere römische Bischöfe gab, die sich – vielleicht!- mehrheitlich gegen Origenes äußerten. Doch selbst wenn sich alleBischöfe Italiens gegen Origenes gestellt hätten, wäre dies kein Beweis_______________(571) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(572) Johann J. Ignaz von Döllinger „Hippolytus und Kallistus“ 1853 S. 259186


für die Behauptung, Origenes sei ein Häretiker. Wahrscheinlich ist zudem,dass es außerhalb Roms einen Primas der Kirche gab. Das wird um 366sichtbar: (573)Zu viel Wichtiges ist unklar. Wollte Pontianus einem nicht bekannten, aberexistierenden Primas der Kirche, der irgendwo in der Provinz lebte, denRang ablaufen? Wenn sich das bestätigen sollte, dann würde derPrimatsanspruch Roms sofort kippen. Es heißt ferner: „...Während derChristenverfolgung unter Maximinus Thrax im Jahr 235 verzichtetPontianus auf den Bischofsstuhl“; (574) doch, erstens gab es keineChristenverfolgung unter Kaiser Thrax, zweitens erhebt sich die Frage, werPontianus zum Verzicht nötigte. Warum musste Pontianus verzichten,wenn er doch ohnehin in die Verbannung ging? Wem <strong>als</strong>o unterstandPontianus? Wir hören, Pontianus wurde zusammen mit ... Hippolyt nachSardinien verbannt..., aber warum tatsächlich? Wer hatte das veranlasst?Kaiser Thrax, fernab der Heimat, in eigene Sorgen und Kriege verwickelthat sich um diesen Fall sicherlich nicht gekümmert. Die Forschung nimmtjedenfalls an, dass es ein entsprechendes Thraxedikt eher nicht gab. Gab esvielleicht einen bestochenen (christlichen?) Beamten, der eine Verbannungim Interesse der Antiorigenisten anordnete? „Ein Edikt des MaximinusThrax ist durch Euseb, KG VI überliefert. Darin wird die Todesstrafe fürKleriker angeordnet. Aber auch die Echtheit dieses Dokuments ist eherzweifelhaft, da es keine anderen direkten Belege für einen solchen Erlassgibt und ein Abrücken von der Praxis bei Trajan nirgends sichtbar wird...“(575) Dreizehn Jahre vorher, 222, endete die Amtszeit des Callistus (CalixtI.); endete sie weil er starb? Das nimmt man an, aber ohne jeden Grund.(Kein Vergleich zu heute.) Calixt I. war, nach dem Zeugnis seinerZeitgenossen, ein von der Idee der Macht besessener Charakter, einLebemann. Kurz gesagt, er war möglicherweise nicht würdig Bischof zusein, weshalb er nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit Übertreternnachsichtig umging.Es ist wohl eine irrige Annahme, dass die römischen Bischöfe jeweils biszum Lebensende amtierten. Später mag das der Fall gewesen sein. Auchaufgrund der Jerusalemer Bischofsliste ist anzunehmen, dass kaum jemandauf Lebenszeit <strong>als</strong> Bischof amtierte. Bis zum Jahr 138 werden dort 15Bischöfe aufgeführt, was auf eine durchschnittliche Amtzeit von etwas__________________(573) Martin Rade lic. Theol. „Damasus, Bischof von Rom“, 1882, S. 13 : „DerBischof von Ostia ordinierte Damasus zum Bischof.“(574) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(575) www.basiswissen.christentum. de „Die Verfolgung von Christen von Nero bisDiokletian“187


mehr <strong>als</strong> 6 Jahren schließen läßt. (576) Entschieden anders, von Ausnahmenabgesehen, - Leo amtierte 21 Jahre -, ist es in Rom auch nicht. In 500Jahren zählt man dort 50 Bischöfe.Zusammenfassend lässt sich sagen:A.) Callistus Vorstellung von Gott ähnelt dem der späterenAthanasianer.B.) Hippolyts Vorstellung von Gott entspricht dem der späterenArianer.C.) Callistus ist der erste Mann der anscheinend eine Vorahnung vomkünftigen Papsttum hegt und es rigoros anstrebt.D.) Hippolyt erhob keine Machtansprüche.E.) Bischof Callistus Anliegen ist das Wachstum seiner Gemeinde.(Quantität)F.) Bischof Hippolyts Anliegen ist die Reinheit seiner Gemeinde.(Qualität)G.) Callistus feierte das EvangeliumH.) Hippolyt trat dafür ein es zu leben.Was würde ein Mann dieser Klasse, (Calixt I.) tun, sollte er seines Amtsnicht mehr sicher sein?... Bekannt ist, dass sich nämlich auch Pontianusgegen Calixt I. Laxheit ausgesprochen hatte: „Nach dem ersten Schismader Kirchen, das sich auch an der Frage entzündet hatte, ob selbstUnzuchtssündern eine zweite Buße ermöglicht werden soll, stellte sichPontianus gegen die positive Antwort seines Vorvorgängers Callistus I.,und wurde deshalb (? vom Kaiser, von Maximinus Thrax?) gemeinsammit Gegenpapst Hippolyt 235 auf die Insel Sardinien verbannt. SeinRücktritt am 28. September 235 ist das früheste exakt nachweisbare Datumder Papstgeschichte. In Sardinien mussten beide im Bergwerk arbeiten, anden Strapazen starben sie... Der noch im Jahr der Verbannung verstorbenePontianus wurde später in der Calixtuskatakombe beigesetzt.“ (577)Ausgerechnet in der Calixtuskatakombe? Es blieb nur übrig zu______________(576) Eckhard J. Schnabel „ Urchristliche Mission“ Brockhaus 2002 S. 28 u. 10 : „Bis Hadrian die Juden besiegte gab es jüdische Bischöfe in Jerusalem... Jakobus derBruder des Herrn, Simeon der zur Zeit Trajans starb, Justus, Zachäus, Tobias,Benjamin,Johannes, Matthias, Phippus, Senekas, Justus, Levi, Ephus, Josef, Judas...danach erscheinen die Namen von Heidenchristen.... Bischof Makarios von Jerusalemsteht auf der Unterschriftenliste zu Nicäa Er war dem Metropoliten von Cäsaraä, derdam<strong>als</strong> führenden Stadt Palästinas untergeordnet....(577) Ökumenisches Heiligenlexikon188


sagen: Pontianus wird <strong>als</strong> erster Märtyrerpapst verehrt. War er <strong>als</strong> Märtyrerein Opfer seiner Brüder, weil man seine Auffassung von Kircheinakzeptabel fand? Beide Männer, Pontianus und Hippolyt unterstütztenspäter einander und sie hatten einen gemeinsamen Feind: Herrn Calixt, denLebemann, der es anderen ebenfalls gönnte, zugleich Mitglied der Kircheund unangestrengt zu leben. Päpste waren sie keineswegs.Zu dieser Zeit war jeder römische Bischof nicht mehr <strong>als</strong> jeder andere.„Naiv ... meint de Rossi Roma sott. II, 306 sq., auf den Grabsteinen der„Päpste" in den Katakomben finde sich nur der einfache Titel „Bischof",weil man dam<strong>als</strong> keinen andern Titel für sie gewusst habe; papa sei mehrein Ausdruck des Affektes <strong>als</strong> der eines amtlichen Verhältnisses, pontifexmaximus aber ein heidnischer Amtstitel gewesen. Hier scheint desVerfassers erfindungsreicher Geist plötzlich versiegt zu sein. Warumnannte man die Bischöfe von Rom denn nicht episcopus episcoporum,episcopus universalis, antistes totius ecclesiae, episcoporum princeps,pater omnium fidelium? Die Liste der möglichen Bezeichnungen ist jakaum zu erschöpfen. Aber nirgends auch nur eine Andeutung dieser Art. Indiesem Falle ist das Schweigen der Steine ein sehr beredtes. Man nanntedie Bischöfe von Rom dam<strong>als</strong> einfach „Bischöfe", weil sie nichts weiterwaren <strong>als</strong> die Bischöfe der römischen Kirche, der angesehensten unterallen, <strong>als</strong>o die Inhaber des hervorragendsten bischöflichen Stuhles, dessenKirchengewalt sich aber ebenso örtlich beschränkte, wie die einer jedenandern bischöflichen Kathedra. (578)„Von Urban I.“ ‚Papst’ von 222-230, <strong>als</strong>o noch zu Amtszeiten Hippollytsund vor Pontianus berichten sowohl der Geschichtsschreiber Eusebius(<strong>ca</strong>. 260-340) <strong>als</strong> auch der Liberianische Katalog (4. Jh.), daß er sein Amtacht bzw. knapp neun Jahre innehatte. Wahrscheinlich war Urban Römerund Sohn eines gewissen Pontianus. (war dieser ‚gewisse’ Pontianus, derVater Urbans und sein Nachfolger im Bischofsamt? Das ist nichtauszuschließen, eben weil die Amtszeiten nicht immer mit dem Tod desBetreffenden endeten.) UrbansDas Böse entsteht aus der geschöpflichenFreiheit, und besaß ursprünglich keine Existenz. Der Logos wurdeMensch, um uns ein Beispiel zu geben und den Beweis zu liefern, dass derMensch frei sei und sich des Bösen enthalten könne. Pontifikat fiel ganz indie Regierungszeit des Kaisers Alexander Severus (222-235) und warsomit frei von Verfolgungen. Unter Urban dauerte das Schisma desHippolyt fort. Über sein Pontifikat ist sonst nichts weiteres bekannt.Berichte über sein Martyrium, seine Anordnung, heiligen Gefäße nur aus_________________(578) Joseph Langen , „Geschichte der römischen Kirche“ Uni Bonn, 1881189


Silber anzufertigen, einen Brief an alle Christen und ein Dekretale beiPseudo-Isidor sind unglaubwürdig. Diese unrichtigen Angaben im LiberPontifi<strong>ca</strong>lis beruhen z.T. auf der legendären Passio der hl. Cäcilia und aufnicht vor dem 9. Jh. entstandenen Martyrerakten. Die in LibPontaufgestellte Behauptung, Urban sei in der Praetextatus-Katakombebeigesetzt worden, beruht auf einer Verwechslung (579) Ob echt oder nichtdie Tendenz zur Übertreibung der Feierlichkeiten beim Abendmahl istschon zu erkennen.Der 19. ‚Papst’ Anteros hatte ein angebliches Pontifikat von 235-236. Er„war der erste historisch gesicherte Amtsinhaber auf dem „Stuhl Petri”,…Angeblich wurde er hingerichtet, weil (?) er die Akten der Märtyrersammeln und aufbewahren ließ... Sein Martyrium ist zweifelhaft.” (580)Fabianus, der 20. in der Reihe amtierte von 236-250. „Bei der anstehendenWahl sei eine Taube herab geflogen und habe sich auf seinen Kopf gesetzt- worauf man ihn spontan und einstimmig zum Bischof von Rom gewählthabe... Er förderte die Tendenz zu einer hierarchischen Struktur derKirche.“ (581) Der Aberglaube spielte seine große Rolle. Der Redekünstlerwar gefragt. Und die Leute glaubten, weil sie meist ungebildet waren. DieUnwissenheit hielt bereits Origenes für ein Grundübel. EinhundertfünfzigJahre später musste Johannes Chrysostomos festschreiben, dass(wenigstens) Bischöfe (fortan) die Mindestanforderung lesen zu könnenerfüllen sollten. (582) Wie wollten sie in einer Sache, die Weltrangbeanspruchte, mitreden, wenn sie nicht tägliches Schriftstudium undWissenserwerb in allen Bereichen betrieben? (583)_________________(579) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(580) ebenda(581) ebenda(582) Jörg Köpke „Die ital. Bischöfe unter ostgotischer Herrschaft 490-552 n Chr.“Hamburg, 2006 S 11(583) Brockhaus Konversations Lexikon 14. Auflage 1894-1896: „Die alte Kirche hatdie Heilige Schrift niem<strong>als</strong> dem Volke vorenthalten; Kirchenlehrer, wie Chrysostomus,Hieronymus und Augustinus, namentlich auch Papst Gregor d. Gr., ermahnten dieLaien eifrig zum Bibellesen. Erst der hierarchische Geist des Mittelalters führte dazu,den Gebrauch der Heiligen Schrift im Volke zu beschränken. Aus Anlass derVerfolgungen gegen die Waldenser und Katharer wurde zuerst von Innocenz III. 1199,dann auf den Synoden zu Toulouse 1229 und zu Béziers 1233 den Laien das Besitzenund Lesen der Schrift in der Volkssprache untersagt, und auf der Synode zu Tarragona(1234) jeder für einen Ketzer erklärt, der eine Bibelübersetzung nicht innerhalb achtTagen seinem Bischof zum Verbrennen abliefere. Ähnliches wurde in England gegendie Wiclifiten z. B. auf der Synode zu Oxford 1408 erlassen.“190


Unwissenheit war der Nährboden für Legendenbildung. Viele glaubteneinfach alles, wenn ihnen in der Kirche etwas erzählt wurde. Das sollte imVerlaufe der Zeit nur noch schlimmer werden. Die sich über andereAnsichten <strong>als</strong> die gerade aktuellen empörten, waren möglichst zu meiden.Sie waren zu allem fähig. Wenn sich dennoch jemand zur Kritik aufraffte,wurde er sofort der Häresie beschuldigt. Es war das einfachste Mitteleinen guten Kopf zum Schweigen zu bringen.Zeitgenosse Origenes „mag wohl seinen eigenen Bischof Demetrius imAuge gehabt haben“ <strong>als</strong> er tadelte, die „Bischöfe der großen Städte wolltenselbst ihren (besten) Mitgliedern nicht gestatten, mit ihm zu sprechen. Undbald danach redet er (Origenes) von Bischöfen und Prebytern, denen dievornehmsten Sitze anvertraut seien und die ganze Kirche an ungeeignetePersonen übergaben, die die unrechten Männer zu Gebietern machten.“(584) Wahrscheinlich meint Origenes Callixt I. indem er sagt: „Es gibteinige, die, ich weiß nicht wie sie sich das herausnehmen, was diebischöfliche Gewalt übersteigt... sie rühmen sich, dass sie auchGötzendienst vergeben, Sünden des Ehebruchs und der Unzuchtnachlassen können“ (585)Niemand wird sagen, dass alles was Callixt I. tat unrecht sei und Hippolytwäre der absolut perfekte Mann. Callixt gehörte zu den ersten Bischöfendie immerhin den Mut aufbrachten, „eine Ehe zwischen einer freien Frauund einem Sklaven zu gewähren und einzusegnen,... denn nach römischer(staatlicher) Ansicht... waren Sklaven, da ihnen die Persönlichkeit fehlte,unfähig unter sich oder mit Freien ein wirklich eheliches Verhältniseinzugehen“ (586) Das ungute Spiel zwischen Callixt und Hippolyt solltesich zwanzig Jahre später zwischen Cornelius und Novatian wiederholen.Novatianus der von 251 bis 258 einer römischen Gemeinde vorstand giltebenfalls <strong>als</strong> Gegenpapst. Behauptet aber nicht bewiesen wurde, Corneliussei der echte Bischof Roms. Seitens der katholischen Kirche wirdbehauptet, dass er „die Mehrheit vertrat gegen eine starke Minderheit umden römischen Priester Novatian (oder Noviatanus), dem Kopf derNovatianer:...“ (587) Warum sollen wir glauben, dass die „starkeMinderheit“ überhaupt eine Minderheit war? Wer zählte das aus? Undwenn schon, ist denn die Wahrheit eher auf Seiten der Mehrheit zu finden?Nachdem Hitler, der Schreckliche, 1940 den_________________(584) Johann J. Ignaz von Döllinger „Hippolytus und Kallistus“ 1853, S. 257(585) ebenda, S. 256(586) ebenda, S. 183, 167(587) Ökumenisches Heiligenlexikon191


Frankreichfeldzug siegreich beenden konnten, standen wohl mehr <strong>als</strong> 90Prozent aller Deutschen hinter ihm.- Die Kriterien Wahrhaftigkeit undReinheit müssen in einer Gemeinde dominieren, sonst gehört sie nicht zurKirche Jesu Christi, sagte Paulus indirekt und schärfer: „Wer den GeistChristi nicht hat, der gehört nicht zu ihm.“ (588) Und um eben dieseGrundwerte ging es Novatian, vor allem stemmte er sich gegen die in derKirche zunehmende Lockerung der Disziplin.„Novatianus hielten (viele) aus mehr <strong>als</strong> einem Grunde für denwiedererstandenen Hippolytus, so erscheint er uns <strong>als</strong> ein hochgebildeterund ehrgeiziger Mann ... Novatian habe sich getrennt, weil Cornelius dielapsi wiederaufgenommen ; er habe sich ferner an alle Kirchen gewandtmit der Erklärung, die Todsünden seien mit lebenslänglicherAusschließung zu bestrafen, und habe man die Verzeihung derselben Gottallein zu überlassen. Novatian und Cornelius hätten dann mit Schriftstellenfür ihre beiderseitigen Ansichten gekämpft die Sittenstrengen dagegenhätten zu Novatian gehalten. Dieser selbst sei unter Valerian <strong>als</strong> Märtyrergestorben. Vorstehende Ausführung beruht insofern auf Wahrheit, <strong>als</strong> dieForderungen Novatians eben nicht neu waren, sondern die größereStrenge früherer Zeit repräsentierten. Sokrates selbst rechnet zwar diespäteren Novatianer unter die Sektierer, hebt aber wiederholt hervor, dasssie im Glauben völlig mit den Katholiken übereinstimmten, und sprichtsich eifrig für ihre Duldung aus.“ (589) Immerhin war Novatian ein ganzerMann, und er „war der erste Papst, der seine Schriften in Lateinverfasste.“ (590)„Der gelehrte Presbyter Novatian vertrat... die traditionelle Auffassung,dass die Kirche keine Macht habe, des Mordes, des Ehebruchs und desAbfalls Schuldigen die Vergebung zu gewähren, sondern dass sie nur Gottum Erbarmen und im Gericht bitten können. Der weniger strengeCornelius vertrat die Auffassung, dass der Bischof auch Todsündenvergeben könne. Diese Spaltung von 251 (ist ein) Zusammenstoß zwischender ursprünglichen Auffassung von der Kirche <strong>als</strong> einer Gemeinschaft vonHeiligen... und der jetzt aufkommenden Anschauung (die Kallixt) vertretenhatte, das sie ein Erziehungsanstalt für die Sünder sein soll.“ (591)Einesteils muss gefolgert werden, dass die Kirche ihrer vom Stifter, Jesus,zugewiesene Rolle <strong>als</strong> Erzieherin nicht gerecht wird, wenn sie in Bausch_________________(588) Römer 8:9(589) Joseph Langen , „Geschichte der römischen Kirche“ Uni Bonn, 1881 S. 293(590) Ökumenisches Heiligenlexikon.(591) Henry Chadwick, Die Kirche in der antiken Welt“, S.134192


und Bogen die Übertreter behandelt, anderenteils kann das sensible Themanur von solchen Geistlichen annähernd ‚richtig’ behandelt werden, wennsie jeden Fall <strong>als</strong> einmalig betrachten.Die Geschichte kennt Fälle von Klerikern die sich an Unmündigen sexuelloder <strong>als</strong> Gewalttätern vergangen hatten und die von ihren Bischöfenlosgesprochen, manchmal nur in andere Orte versetzt wurden wo sie imalten Stil fortfuhren. (592)Novatian stieß überall auf Widerstand. Seine Getreuen konnten sich inRom nicht lange halten. Um 420 wurden die sogenannten ‚Novatianer’ inÄgypten durch Maßnahmen des Cyrill von Alexandria ihrer Versammlungshäuserberaubt. Die urkirchlichen Prinzipien lebten jedoch inden Gemeinden der Bogumilen, der Katharer, der Waldenser und derVaudois weiter, alles Gruppen die trotz brut<strong>als</strong>ter Verfolgung etwa zur ZeitInnozenz III. (1216-1227) nie ganz ausgerottet werden konnten.Mehr <strong>als</strong> einhundert Jahre nachdem Bischof Novatian zur Amtsaufgabegezwungen wurde, hatte der ränkeschmiedende Papst Damasus (nach 366)versucht, die Novatianer in sein System „zu integrieren“. Seiner Meinungnach war bereits „Hippolyt ... ein novatianischer Kleriker... während dieLuziferaner Hippolyt <strong>als</strong> ihren Heiligen betrachteten.“ (Die Luciferanerwaren keineswegs Satansverehrer, sondern wurden nach ihrem BischofLucifer = Lichtträger, so genannt.) (593) Die Entschiedenheit mit derNovatian die Lehren des Origenes und Hippolyts verteigite missfiel seinemWidersacher Cornelius. „... Cornelius stellte sich entschieden auf die Seiteder Nachsichtigen und Vergebungsbereiten, diese Haltung entsprach derdes Bischofs von Karthago ... Cyprian.“ (592) Die Frage lautet tatsächlichanders, nämlich: war Cornelius allzu nachsichtig und allzu_____________________(592) Mir selbst wurde in Zeugen Gegenwart ein Fall berichtet, in dem ein Kaplan inder Tschechoslowakei, um 1938, nahezu alle Mädchen einer Klasse, sexuellmissbrauchte und nach Klage der Eltern nicht exkommuniziert, sondern lediglichversetzt wurde. Das Gesetz der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage(Mormonen) in Lehre und Bündnisse Abschnitt 42 lautet mit den entsprechendenPassagen: Vers 22- 25: „Du sollst deine Frau mit deinem ganzen Herzen lieben undsollst an ihr festhalten und an niemandem und nichts sonst. Und wer eine Frau ansieht,dass es ihn nach ihr gelüstet, der wird den Glauben verleugnen und wird den Geistnicht haben; und wenn er nicht umkehrt, soll er ausgestoßen werden. Du sollst nichtEhebruch begehen; und wer Ehebruch begeht und nicht umkehrt, soll ausgestoßenwerden. Aber dem, der Ehebruch begangen hat und mit seinem ganzen Herzenumkehrt und davon lässt und es nicht mehr tut, sollst du vergeben.“(591) Henry Chadwick, Die Kirche in der antiken Welt“, S.262 „Luziferianer“ (sindeigentlich Waldenser) nach einer Information von historicum. Net,Geschichtswissenschaften im Internet, 2010(592) Ökumenisches Heiligenlexikon193


vergebungsbereit und zwar weil er selbst schwach geworden war?Gemessen an Lehre und Praxis in der Kirche Jesu Christi der Heiligen derLetzten Tage, gibt es klar definierte Ausschlusskriterien, doch eine 2.Taufe ist möglich. (Ein Kirchenausschluß ist bei den ‚Mormonen’ zugleich dieEinladung zur 2. Taufe) Mir persönlich ist der an sich unglaubliche undwahrscheinlich einzige Fall einer 3. Taufe bekannt, die nach mehr <strong>als</strong> zehnJahren Bewährung erfolgte. Bischof Cyprian mochte aus denselbenGründen die Cornelius vertrat zur Laxheit neigen. Dass Cyprian sich zudiesem Thema äußert, ist sein gutes Recht, Aber wenn zwei Leute dasPrinzip der Aufweichung von Normen vertreten, bedeutete das doch nicht,dass sie damit die Linie der Kirche Jesu Christi behaupten. Noviatianersind Gefolgsleute des Hippolyt, das spricht für sie. Hippolyt und Noviatiansahen welche Gefahren es mit sich bringen würde die Messlatte immerniedriger zu legen. Es heißt, von anderer Quelle: die angebliche„Minderheit wählte Novatian zum zweiten Gegenpapst derKirchengeschichte; auf der römischen Synode von 251 wurde er aberwieder abgesetzt.“ (593) Das Ganze klingt ebenso erfunden wie die dazugehörige Märtyrerlegende seines Gegenspielers Cornelius. DasBiographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon bekennt denn auch:„Cornelius starb in der Verbannung wohl nicht <strong>als</strong> Märtyrer“. Obwohl eskeinen Hinweis für das Märtyrertum des Cornelius gibt, wird sein Kopf -der wahrscheinlich der Kopf einer anderen Person ist - im Cornelimünsterzu Aachen bewahrt. (594) Bislang hatten wir es im Wesentlichen mitwenig Fakten und all zu vielen Märchen zu tun. Fest steht, Novatianusamtierte <strong>als</strong> Bischof in Rom von 251-258. An ihm und Hippolyt lässt sichfestmachen, welcher Gesinnung die Urkirchlichen waren und dass Druckseitens der nach mehr Macht trachtenden zeitgenössischen Bischöfe auf sieausgeübt wurde. Andererseits verteidigte Novatian seine Position undkonterte gegen den um die Führungsrolle ringenden Cornelius. Er„behauptete, Cornelius... habe sich in der Verfolgung unter Decius gegenGeld von den Beamten eine Bescheinigung verschafft, dass er gemäß demEdikt von 250 geopfert habe; (Novatian) erklärte, dass Cornelius darumkein Recht habe... (595) Bischof zu sein... „Streitigkeiten über dieWiederaufnahme der lapsi, der Abgefallenen, führten zum endgültigenBruch.“ Es heißt: „...Die noviatianische Kirche genoss im 4. Jh. wegenihrer orthodoxen (?) Position in den christologischen______________________(593) Ökumenisches Heiligenlexikon(594) ebenda: „Cornelius' Martyrium ist aber tatsächlich nicht wahrscheinlich.“(595) Biographisch- Bibliographische Kirchenlexikon Verlag Bautz194


Auseinandersetzungen auch bei Katholiken ein gewisses Ansehen ... späterfolgte eine gewaltsame Unterdrückung, doch können sich bis ins 7. Jh.novatianische Gemeinden halten.” (596)Auch diese Aussage enthält zwei Fehler. Erstens, wie im Folgendendargelegt wird, gibt es bis heute Novatianer, allerdings, so weit bekannt,nicht unter diesem Namen, sondern sie hießen zunächst die Paulikianer,Bogumilen, Katharer, Waldenser, Vaudois usw. Aus diesen uneinheitlichenRichtungen kamen auch die Hussiten, dann die Unitarier usw.hervorZweitens, dass die Novatianer eine orthodoxe Position einnahmen istinkorrekt! Noviatian lehrte nicht trinitarisch! „Noviatian (<strong>ca</strong>. 200-258)sagte zu Joh. 10:30 (Ich und der Vater sind eins) „... sie sind ‚eins‘,(imSinne von „einig“ G.Sk.) und die Häretiker sollen bedenken, dass er nicht‚einer‘ sagt. Als Neutrum bezeichnet ‚eins‘ nämlich die Harmonie in einerGemeinschaft und nicht die Einzigartigkeit der Person ... die Aussage‚eins‘ jedoch sollte auf den Einklang untereinander und dieÜbereinstimmung im Denken und die Verbundenheit in der Liebe gehen.Deshalb bilden wirklich Vater und Sohn eine Einheit durch ihreEinmütigkeit und Liebe“ (597)Mit Novatian lehrte ein weiterer, sogenannter Gegenpapst ‚mormonisch’!Diejenigen, die Christen wie Noviatian bekämpften, tragen teilweise großeNamen, wie Ambrosius und Cyrill (der Urvater der koptischen Kirche).Damit zeigten sie nur, dass sie kühn und ‚erfolgreich’ in machtpolitischenKategorien dachten, dass sie zwar ‚Jesus’, Jesus’ sagten, und doch nichtwie Jesus glaubten und lehrten. Sie schufen sich eben ihre eigenenInstitutionen und Lehren, die sie eifersüchtig aufeinander „Kirchen“nannten, Ambrosius von Mailand (339-397) meinte er er wüßte es besser<strong>als</strong> alle anderen. Er, „widerlegte die Häresie der Novatianer die demHerrn allein die Gewalt der Sündennachlassung (Sündenvergebung)vorbehalten wissen wollten... alle müssen nach katholischer Glaubenslehrefesthalten: Wer immer dem Priester ordnungsgemäß seine Sünden bekennt,dem werden sie kraft der Schlüsselgewalt der Kirche vollzählignachgelassen und vergeben. Diese Gewalt ist auf keine bestimmten Sündenund Zeiten beschränkt. Es kann keine noch so verruchte Schandtatbegangen oder gedacht werden, welche die heilige Kirche nicht nachlassenkönnte.“ (598) Außer dem Athanasium hat kaum eine andere Lehre den_____________________(596) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(597) Novatianus ,„De Trinitate - Über den dreifaltigen Gott“, Kapitel 27(598) Gerhard J. Bellinger „Der Catechismus Romanus und die Reformation“ GeorgOhm Verlag, Paderborn, 1970, S.159195


Gläubigen und der katholischen Kirche mehr geschadet. Mit ihr wurden<strong>als</strong>o gleichsam im Vorübergehen die Sünden der Gewalttaten, derSexualvergehen, der Fälschungen, - die uns ein klares Bild auf diewirklichen Ereignisse verwehren wollen, - und vieles andere einfach‚vergeben’.Geistliche erteilten in Kriegsgefangenenlagern den Insassen gelegentlichsogar Generalabsolution.Auf diese von Ambrosius von Mailand vielleicht gutgemeinte Verheißungbauend vergaben die Päpste den Kardinälen, diese den Erzbischöfen, bisschließlich der sündige Priester dem Übeltäter alles vergab, und das schonbald nicht mehr auf ein Bekenntnis hin, sondern für Geld.Wegen dieser Lehre versteckten die Klöster, 1945, die flüchtigenHauptverbrecher vor der Nachkriegsjustiz. Sie ‚schafften die Übeltäter ausihrer Mitte’ anders allerdings <strong>als</strong> Paulus (599) sich das dam<strong>als</strong> vorstellte,indem sie diese Leute nach Südamerika geleiteten, statt beizutragen sie vorein ordentliches Gericht zu stellen.So praktizierte ‚die Kirche’ die eigentlich von ihr abgelehnte origenistischeLehre von der Allversöhnung, mit dem riesigen Unterschied, dass beiOrigenes diesem Großereignis die tiefe innere, angemessen dauerndeUmkehr voraus geht, die von echt gefühltem Leid über das persönlicheVersagen verursacht wird.Die Gerechtigkeit Gottes läßt sich nicht beugen.Das Buch Mormon sagt es mit unvergleichlicher Klarheit: „...es ist einGesetz gegeben und eine Strafe festgesetzt und eine Umkehr gewährt; aufdiese Umkehr erhebt Barmherzigkeit Anspruch; andernfalls erhebt dieGerechtigkeit Anspruch auf das Geschöpf und wendet das Gesetz an, unddas Gesetz verhängt die Strafe; wäre es anders, so würden die Werke derGerechtigkeit zerstört, und Gott würde aufhören, Gott zu sein.Aber Gott hört nicht auf, Gott zu sein, und die Barmherzigkeit erhebtAnspruch auf die Reumütigen, und die Barmherzigkeit wird wegen desSühnopfers zuteil; und das Sühnopfer bringt die Auferstehung der Totenzuwege; und die Auferstehung der Toten bringt die Menschen in dieGegenwart Gottes zurück; und so werden sie in seine Gegenwartzurückgebracht, um gemäß ihren Werken gerichtet zu werden, gemäß demGesetz und der Gerechtigkeit. Denn siehe, die Gerechtigkeit macht alleihre Forderungen geltend, und die Barmherzigkeit beansprucht auch alldas Ihre; und so wird niemand <strong>als</strong> nur der wahrhaft Reumütige errettet.Wie, meinst du etwa, die Barmherzigkeit könne die Gerechtigkeit_______________(599) 1. Kor. 5: 13196


erauben? Ich sage dir: Nein, nicht das kleinste Teil. Sonst würde Gottaufhören, Gott zu sein.“ (600)Unglaublich, dass die meisten Theologen die ambrosianischen Behauptungenfast 1600 Jahre lang widerstandslos akzeptierten. Jetzt wird auchdeutlicher, warum ‚die Kirche’ sich später immer häufiger gegen Origeneswandte, denn dieser lehrte: Die „Sünde wider den Geist ist eine schwereSünde, die wiedergutgemacht werden muss, <strong>als</strong>o nicht aus GnadeVergebung finden kann. Es ist - nach Origenes - die Sünde gegen denNächsten, welche diesen in seinen von Gott in seinen von Gott verliehenenRechten verletzt. Alles, was dem Nächsten ... (vorsätzlich) angetan wird ,... ist Sünde wider den Geist. Solche Sünde muss in einem nächsten Leben -oder möglicherweise bereits im derzeitigen - durch ein entsprechendesSchicksal oder Leid gesühnt werden.“ (601)Wie es Novatian und Hippolyt verstanden, ist auch in der Kirche JesuChristi der HLT (Mormonen) der Bischof ein Richter, (602) - in FragenKirchendisziplin, - aber, nicht anders <strong>als</strong> ein weltlicher Richter hat er sichan gesetzte Prinzipien zu halten.Wenn er erkennt, dass die vergebungsuchende Person in ihrem Inneren,mit Gott und dem eigenen Gewissen, nicht im Reinen ist, darf er nichtsagen: es ist vergeben. Er soll „durch den Geist erkennen“, ob derBußfertige jenen Schmerz fühlt, der alleine eine Wiederholung seines Tunsverhüten kann.Ambrosianisches Verständnis reduzierte das Gewissen.Das ist das Problem! Ambrosianisches Denken setzt ein geradezu kuriosesGottes- und Buß- und Beichtverständnis voraus. Das von Jesu gesteckteHochziel: der Mensch solle vollkommen gleich wie Gott werden, wirdunterlaufen, wenn dieser Prozess des allmählichen Werdens durchvorgetäuschte Reue unmöglich wird. Ob ein Ehebrecher wirklich Reueempfindet, kann nur er selbst wissen, doch der christliche Priester sprachihn allzu oft frei, wenn die Zunge des Übertreters die erwarteten Wortesagte. Letztlich hat Jesus das Prinzip der Vergebung offenbart, indem ersagte: „Schließe ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner, solange du___________(600) Alma Kapitel 42:22-25(601) Arbeitskreis Origenes(602) Lehre und Bündnisse 107: 76 „Aber ein buchstäblicher Abkömmling Aarons hatein gesetzliches Recht auf die Präsidentschaft dieses Priestertums, auf die Schlüsseldieses geistlichen Dienstes, darauf, das Amt des Bischofs selbständig auszuüben, ohneRatgeber, außer in einem Fall, wo gegen einen Präsidenten des Hohen Priestertumsnach der Ordnung Melchisedeks vorgegangen wird, darauf, <strong>als</strong> Richter in Israel zusitzen.“197


noch auf dem Weg zum Gericht bist. Sonst wird dich dein Gegner zumGericht bringen... und du wirst ins Gefängnis geworfen. Amen, das sageich dir: du kommst da nicht heraus, bis du den letzten Pfennig bezahlthast“ (603) Wir haben an unserem Gegner wiedergutzumachen oder wirmüssen zahlen. Der Bischof mag, wie er meint, den Priester der ein Kindin die Welt setzte freisprechen. Aber dieses Kind hat Anspruch auf denVater. Gott kann nicht machen, dass dieses Kind nicht nach der Elternliebedürstet. In welche Tiefen der Verkommenheit die „von Gott geliebteKirche“ (Ambrosius) wegen ihrer ursprünglich nur schiefenBetrachtungsweise stürzte, zeigt die Geschichte. Wenn es so sein sollte,wie meine Kirche eher andeutet <strong>als</strong> sagt, dass unserer unsterblicher Geistmit jedem niederträchtigen Gedanken den wir zulassen und bewusstausbauen Dunkel-Elemente aufnimmt, schaffen wir so die eigentlicheBasis unseres Unglücks selbst. Oder wir bauen unser ewiges Glück, wennwir mit Wohlwollen und Ehrlichkeit gegenüber anderen Menschen, Lichtin uns sammeln. Wir werden später am Helligkeitsgrad unserer späterenExistenz erkannt, sagte mir ein Mann, Mitglied der Kirche Jesu Christi, derviele Jahre unschuldig in russischen Konzentrationslagern einsitzend, überdiese Dinge gebetsvoll nachgedacht hatte.Ob Freier oder Sklave unserer Leidenschaften (Shakespeare), wir gehenspäter mit denen, die uns gleichen. Ob das Himmel oder Hölle sein wird,bestimmt nicht Gott, sondern wir selbst.Ob, dass wirklich so sein wird, wird sich zeigen, aber solche Kausalitätenwürden Sinn machen. Was für eine Strafe würde ein Mann erleiden, derwährend seines Erdenleben eine hoch angesehene, aber niederträchtigePersönlichkeit war, plötzlich von denen gemieden wird, die ihm bislangschmeichelten und der nun erkennen muss, dass er, der früher so Große nurein kleiner, unbedeutender, dunkler Wicht ist. Das korrespondiert mit dererwähnten Sichtweise des Propheten Jesaja, der, <strong>als</strong> er den elenden undnun entmachteten Mephistopheles sieht, erstaunt ausruft: „ist das derMann der die Königreiche erzittern machte? (604)Die Reformatoren brachten mehr Licht, weil sie begannen die Vernunftanzusprechen. Doch sie entflochten Staat und Kirche nicht, noch war ihreigenes Freiheitsdenken unterentwickelt. Wie wenig die Regierenden allerZeiten vor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 undvor der Französischen Revolution von 1789, von der Botschaft desEvangeliums Jesu Christi verstanden, zeigten sie wieder und wieder mitihren Dekreten: So schrieb Schwedenkönig Gustav Wasa seinen_____________(603) Matth. 5: 25-26(604) Jesaja 14: 12-17198


Untertanen noch 1536 in Helsingland: „Ihr habt euch zum Luthertum zubekehren, wenn nicht, lasse ich ein Loch in den Delensee schlagen undeuch darin ersäufen.“ (605) J.Josef Ignaz von Döllinger in „Papsttum“Natürlich wollte er selbst von Rom unabhängig werden. SeineUntergebenen durften aber noch nicht mitreden. Noch konnten sich dieMenschen nicht aus dem teilweise selbst bereiteten Gefängnis nichtbefreien. Tatsächlich wäre die Rückkehr zu den ursprünglichen Idealen,Lehren und Individualrechten im 16. Jahrhundert kaum möglich gewesen,weil die Strukturen und Machtverhältnisse von der nachnicäischen Kircheauf die Belange ‚des konstantinischen Kirchenstaates’ zugeschnittenworden waren und eben nicht auf die Bedürfnisse des kleinen Mannes.Noch hing alles Unselige zusammen. Dagegen wollten sich Origenes,Hippolyt und Novatian rechtzeitig stemmen, <strong>als</strong> hätten sie es geahnt.Deshalb verfluchte die Kirche sie. Deshalb wurde „die konträre Auffassungin der Bußfrage zum Unterscheidungsmerkmal zwischen den„Reinen“ (kaJaroi), wie sie sich nannten, und der katholischen Kirche...“(606) So begann die tragische, und <strong>als</strong> ungeheure Anklage gegen Romstehende Geschichte der Vaudois bzw. der Bogumilen, bzw. der Waldenserund der Katharer (die Reinen). Sie entstand mit Cornelius, <strong>als</strong> er gegenNovatian gewann.Ihnen ging es nicht, wie Konstantin, um ‚die Macht’. Viele von ihnenwollten durch ihre Haltung, gemäß Jesu Vorbild zeigen, wieviel mehr‚Ohnmacht’ unter Umständen vermag.Sie sagten: Unser aller Gott ist ein Gott der Freiheit. Sie stimmten mit ihmüberein: Er sei der Weg, das Licht der Welt, die Wahrheit und das Leben.Ihr Wahlspruch hieß : Das Licht leuchtet in der Finsternis – lux lucet intenebris.Weil sie den Eingebungen ihres Gewissen folgten, wurden sie durch PapstInnozenz III., dem sogenannten Weichensteller Europas, soweit sein Armreichte vernichtet.Peter de Rosa (607) kennzeichnete diesen Mann mit wenigen Strichen:Innozenz III. „war die Reinkarnation Konstantins... mit vor Gold undEdelsteinen leuchtenden Gewändern bestieg er ein weißes mit Scharlachbedecktes Pferd... (schon da, zu Beginn seiner Papstkarriere) plante erseinen Lieblingstitel ‚Beherrscher der Welt’ zu einer Realität zumachen...“Die Begründung seiner Kriegerklärung gegen die Vaudois soll ihm der______________(605) J.Josef Ignaz von Döllinger in „Papsttum“(606) Biographisch- Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz(607) Peter de Rosa, „Gottes erste Diener“ Knaur, 1988, S. 85199


Mord an seinem Legaten Petrus von Castelnau geliefert haben. InnozenzIII. unterstellte sofort, dass der oder die Täter in den Reihen der frommenNichtkatholiken des Alpengebietes zu suchen seien. Als ihm dasblutbefleckte Habit seines Gesandten gezeigt wurde, beschloß der Papstdessen Heiligsprechung, die sofort erfolgte. Damit war das Schicksal derVaudois besiegelt, obwohl Innozenz nichts über den Hergang wissenkonnte. De Rosa zitiert aus ein Brief dieses Papstes (Innonzenz III.): „Indieser ganzen Region sind die Prälaten die Witzfiguren der Laien. Dochdie Wurzel des Übels ist der Erzbischof von Narbonne. Dieser Mann kenntkeinen anderen Gott <strong>als</strong> das Geld und hat eine Börse dort, wo sein Herzsein sollte... (man kann) Mönche und Kanoniker sehen, die ihre Habiteabgelegt und Ehefrauen oder Geliebte genommen haben und von Wucherleben.“ (608) kjkjKLKLKLKLKLKLKLLLLLLKLPeter von Castelnau war: „hart gegen Häretiker und deren Umkreisvorgegangen, schritt auch gegen Bischöfe, wegen deren nachlässigenHaltung bei der Ketzerbekämpfung ein, so enthob er die Bischöfe vonToulouse und Beziers. Sein ungeduldiges, hartes, undiplomatischesVorgehen zog ihm Haß von allen Seiten zu. Trotz intensiven Bemühens, erzog <strong>als</strong> Bettelmönch mit Dominikus gegen die Häresie predigend durchSüdfrankreich, gelangen ihm keine Erfolge gegen die Häretiker. 1207exkommunizierte er Graf Raimund VI von Toulouse wegen seinesmangelnden Einsatzes. 1208 kam es zu einer erfolglosen Besprechung mitRaimund VI in St. Gilles, die in Streit endete. Am 14.1. 1208 verließ er denOrt und wurde am nächsten oder übernächsten Tag von einemGefolgsmann Raimunds erstochen. D(ies)er Mord legte den Grund zumAlbigenser Krieg (1209-1219).“ (609) Ein Vorwand <strong>als</strong>o, etwas an dem dieVaudois völlig unschuldig waren, führte zu deren fast kompletterAusrottung .Dominikus, Gründer des nach ihm benannten Predigerordens 1203begleitete Bischof Diego ins Gebiet der Mark Brandenburg.Noch kennen wir den Grund dafür nicht. Doch die beigefügte Karte lässtihn uns erahnen.Die bedeutenden Kirchenneubauten Mitteleuropas fallen denn auch indiese Zeit. Die nun im gotischen Stil errichteten Kathedralen sollten denDominikanern und später anderen Bettelorden <strong>als</strong> Predigerkirchen dienen.Weltgerichtstagspredigten jagten den Menschen Angst ein. Neben den______________(608) „Gottes erste Diener“ Knaur, 1988, S.189(609) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz200


(610) Verbreitungsgebiete der Waldenser um 1200wackligen Hütten der Bewohner ragten die festen Kirchtürme in denHimmel und das wirkte auf die Gemüter. Schritt für Schritt wurde das, wasRom für die Wahrheit hielt, <strong>als</strong> Pflichtreligion ausgegeben: „Christus willheute gar zornig sein!“ ... wenn Ihr Euch nicht dem heiligen Vaterunterwerft!Bekannt ist, u.a. dass das Konzil von Reims 1148 unter Androhung desAnathems und des Interdiktes verbietet, Ketzer (Arianer und sogenannteAntitrinitarier verschiedener Spielarten) zu verteidigen, zu unterstützenoder ihnen Zuflucht zu gewähren. „Das Decretum Gratiani erklärt, es seirechtmäßig, Ketzer zur Rückkehr zum wahren Glauben zu zwingen, auchmit weltlicher Gewalt.“ (611)„Im Jahr 1163 nennt ein Domherr zu Köln die verfolgten Wahrheitssucherseiner Zeit spöttisch „Katharer“, abgeleitet vom griechischen katharos,(‚rein’)... Gervasius von Tilbury, ein junger Mann, Kanonikus in Reims...ritt eines Nachmittags im Gefolge seines Erzbischofs... da fiel sein Blickvoll Wohlgefallen auf ein niedliches Mädchen, das alleine im Weinbergarbeitete... seine Liebeswerbung wurde abgewiesen. Sie sagte... wenn sieseinen Anträgen Gehör schenke... würde sie ohne Gnade verurteiltwerden... Eine so strenge Tugend war ein offenbares Zeichen von Ketzerei,weshalb der Erzbischof <strong>als</strong> er herankam, das Mädchen sogleich inGewahrsam bringen ließ... Seiner Meinung nach musste sie zu denKatharern gehören. ... Im Verhör ... zeigte sie eine so vollendeteGeschicklichkeit in der Verteidigung ihres Glaubens... dass man keinenZweifel hegte, sie sei vom Satan inspiriert... sie und ihre Lehrerin wurdeneinstimmig zum Scheiterhaufen verurteilt... das Mädchen blieb ...unempfindlich... sowohl gegen Versprechungen von Reichtum wie gegen____________(610) Quelle: Evangelischer Gesamtverband Oberweser-Brücke online(611) Sascha Ragg, „Der Albigenserkreuzzug“ Kurs Sommersemester 2004201


Androhungen von Strafe (es) wurde ... verbrannt. Seine Qual ertrug esheiter und ohne Stöhnen.“ (611)Ein mit den Lehren dieser arianischen Splittergruppe vertrauter Autorunterrichtet uns in diesem Zusammenhang: „Die Religion der Katharer isteine christliche. Sie glauben an Christus, lesen das neue Testament undbeziehen daraus ihr Glaubensfundament. Ihre Lehre geht davon aus, dassdas Gute und das Böse sich die Welt aufteilen. Und von diesem Prinzipausgehend stellt sich die fundamentale Frage: Warum und auf welcheWeise hat ein unendlich guter und barmherziger Gott das Böse schaffenkönnen, wenn er doch der Inbegriff der Güte ist? Es gibt nur eineneinzigen Gott, den Gott des Guten, der das ewige Reich des Geistes schuf,aus welchem die Lebensfunken stammen: die Seelen.... die Seele gehörtdem Reich des Guten, der Körper zur verdorbenen Welt des Diesseits. DasHeil besteht für die Katharer folglich darin, sich von der Welt des Bösenzu befreien, um ins Reich des Guten zu gelangen. Die Katharer erwartenvom Tod nicht die automatische Befreiung ihrer Seele. Diese kann erstdann in, das Reich des Guten eingehen, wenn sie ihre ursprünglicheReinheit wiedergefunden hat d.h. zur Erkenntnis ihres göttlichenUrsprungs gelangt ist. Es ist der von Gott gesandte Christ(us), der denMenschen die rettende Erkenntnis offenbart. Letztere kann nur durchHandauflegen und durch den Geist erworben werden: DasKonsolamentum. Diese geistige Taufe verleiht den Katharern dasVerständnis des Guten. Sie spielt eine dreifache Rolle: Offenbarung,Priesterweihe und letzte Ölung. Die Handauflegung symbolisiert denEintritt ins religiöse Leben und die Anerkennung des heiligen Geistes vonder in einer fleischlichen Hülle eingesperrten Seele.“ (612)Allerdings unterscheiden sie die Waldenser von den Katharern dadurch,dass Erstere nicht den scharfen Dualismus mit den Katharern teilen. Einekleine Gruppe Waldenser schloß sich 1850 gleich zu Beginn ihrer Italien-Mission den ‚Mormonen’ an. (613)_________________(611) H.Ch. Lea „Geschichte der Inquisition im Mittelalter“ Eichborn, Bd. 1, S.123(612) www.roussillon-france.com/katharer(613) „Die History of John Paul Cardon“ die durch dessen Enkelin Rebec<strong>ca</strong> CardonHickman Peterson, dem Gener<strong>als</strong>ekretär der Genealogischen Gesellschaft der KircheJesu Christzi der HLT (Mormonen)), Archibald F. Bennett, übergeben wurde, erschienim Januar 1948 <strong>als</strong> Artikel in der "Improvement Era“A. Bennett schrieb dazu einleitend: „... es waren einmalige, kämpferisch mutigeLeute,“... „John Paul Cardon (1839-1891), wurde in einem Dorf in den PiedmontValleys geboren, man nannte den Ort Prarustin, in Italien. Seine Vorfahren gehörten zuden Vaudois, die auch <strong>als</strong> Waldenser bekannt sind. Seit der Zeit Christi waren dieseMenschen bereit ihr Leben für die Sache Christi hin zu geben.“202


Unser Gott hat es uns oft wissen lassen, dass er kein Anseher der Personist, und schon gar nicht ihr Unterdrücker. Er fragt nicht welche Religionwir gewählt haben, sondern ob wir uns auf sein Licht zu bewegen und obwir bereit sind mehr zu empfangen.Die allesüberwindende Liebe die wir allesamt manchmal <strong>als</strong> höchste Kraftempfinden, mit Vernunft und der Freiheitsidee zu verbinden, ist einweitgestecktes Ziel. Ein anderes kann ein Christ nicht haben. Dass es mehrist <strong>als</strong> eine Wunschvorstellung, bewies Jesus. Er lebte uns dieses Ideal vor.„Kommt her zu mir die ihr mühselig und beladen seid, Ich will eucherquicken, lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig: sowerdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch drückt nicht undmeine Last ist leicht.“ (614)______________(614) Matth. 11: 28-30PS. Einige Originaltexte ( stets kursiv geschrieben) stehen nach partiellerEingabe in die Google-Suchleiste zur Überprüfung zur Verfügung.203


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