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Physiotherapeutischer Untersuchungsbogen zur ...

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PRAXIS_ERFAHRUNG<strong>Physiotherapeutischer</strong> <strong>Untersuchungsbogen</strong> <strong>zur</strong>Bewegungsentwicklung im ersten LebensjahrTeil 2: Untersuchung in Bauchlage Barbara Zukunft-HuberDer erste Teil der Testreihe (pt 2_2008)stellte bereits die Untersuchung inRückenlage vor. Es folgen hier die weiterenTests <strong>zur</strong> Bauchlage, die oftmalsskeptisch betrachtet wird. Für dieBewegungsentwicklung ist diese Ausgangsstellungjedoch von großerBedeutung. So können mit diesenTests Bewegungseinschränkungen derWirbelsäule und der Hüftgelenke bereitssehr früh ausgeschlossen werden.Mit Bildern werden die Untersuchungenillustriert.INTERNETDer <strong>Untersuchungsbogen</strong> steht imInternet unterwww.zukunft-huber.de<strong>zur</strong> Verfügung. Bitte gehen Sie dort aufdie Rubrik Veröffentlichungen. Dortkann der <strong>Untersuchungsbogen</strong> heruntergeladen werden. Die Fotos sind inFarbe abgebildet.In Bauchlage haben Neugeborene einegrößere Auflagefläche als in Rückenlage.Bei extremen äußeren Einflüssen – wiezum Beispiel ein lautes, starkes Geräusch– können Arme und Beine schonlagebedingt nicht in die Abstreckbewegungenausfahren. Deshalb ist dieBauchlage nicht so instabil wie die Rückenlage.Für die Aufrichtung undStreckung der Wirbelsäule ist die Bauchlagevon großer Bedeutung. Die Besonderheitder anatomischen Zusammensetzungund Funktion der autochthonenMuskulatur wird in Bauchlageersichtlich. Die autochthone Muskulaturbesitzt im Gegensatz zu den anderenSkelettmuskeln keine fasziale Bekleidung.Der bindegewebige Anteil istenorm groß und übersteigt 25 Prozentder jeweiligen Muskelmasse (Vojta &Peters 1997). Dadurch wird die Stabilitätder Wirbelsäule erhöht und vor äußerenEinwirkungen geschützt. Vojta undPeters beschreiben den wichtigerenAnteil dieser Zusammensetzung in dergegenseitigen Anbahnung der kontrahierendenMuskulatur folgendermaßen:»Kontrahiert sich diese segmentalorganisierte Muskulatur zum Beispielauf der linken Seite, werden die Muskelnauf der rechten Seite über einen direktenDehnungszustand in eine nachfolgendeKontraktion fazilitiert. Nicht nur dasMuskelgewebe wird gedehnt, sondernauch der bindegewebige Anteil. Diespannende Kraft wird auch im bindegewebigenAnteil gespeichert. Beim Nachlassender Muskelkontraktion auf derlinken Seite wird die gespeicherte Kraft,bei gleichzeitiger Muskelkontraktionrechts, rechts freigegeben. Damit wirdder Muskel auf der linken Seite in einenDehnungszustand versetzt und derganze Prozess wird dann von der anderenSeite gesteuert«.Aufgrund der Diskussion über denplötzlichen Säuglingstod ( _S. 270) inBauchlage und der Empfehlung, dieSäuglinge zum Schlafen auf den Rückenzu legen, betrachten Eltern die Bauchlagemit Skepsis. Dies hat <strong>zur</strong> Folge, dassEltern ihre Kinder selten auf den Bauchlegen und die Säuglinge diese Lagekaum noch tolerieren. Betrachtet mannun die fazilitierende Besonderheit derautochthonen Muskulatur, dann wirdersichtlich, wie wichtig die Bauchlagefür die Rückenstreckmuskulatur und dieAufrichtung ist. Hebt der Säugling mitcirca viereinhalb Monaten in Bauchlageeinen Arm von der Unterlage ab, so verlagerter sich auf die gegenüberliegendeSeite, stützt sich mit dem anderen Beinauf das Knie und fazilitiert mit dembelasteten Ellbogen den Stütz des gegenseitigenArms. Die Streckmuskulatur derWirbelsäule wird so durch die Bewegungsentwicklungoptimal für den342 pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten_60 [2008] 3


PRAXIS_ERFAHRUNGStand vorbereitet. Wie in Teil eins bereitsbeschrieben, überprüft man in Rückenlagedie Hör- sowie Sehfähigkeit des Säuglingsreflektorisch mit dem Reflex Akustikofazialis(RAF) und dem Reflex Optikofazialis(ROF). Die Mundmotorikkann mit dem Saug- und Suchreflexgetestet werden. Eine Saug- und Trinkschwächekann man durch Befragen derEltern herausfinden. Ein wichtigerAspekt ist hier, wie lange der Säuglingzum Trinken braucht.Die folgenden Tests in Bauchlage überprüfendie Beweglichkeit der Wirbelsäuleund der Hüftgelenke, um Einschränkungso früh wie möglich auszuschließen.9. Test: KopfdrehungJeder Neugeborene kann in Bauchlageden Kopf zu beiden Seiten drehen. Dadie Bauchlage wegen der Angst desplötzlichen Kindstods fast gar nichtmehr angeboten wird, tolerieren Säuglingediese Lage auch nicht gut. DieKopfdrehung <strong>zur</strong> Seite muss beidseitsaktiv und passiv frei sein (Abb. 1). DerSäugling sollte während des Tagesimmer wieder auf den Bauch gelegt werden,denn in der Bauchlage werden Wirbelsäulenasymmetrienverbessert (Mau1981). Nachts sollten die Kinder in Rückenlageschlafen.10. Test – zweiter Meilensteinin Bauchlage: Gleichgewicht inBauchlageMit vier bis fünf Monaten sollten Säuglingeden zweiten Meilenstein erreichthaben (Abb. 2).Abb. 2_Zweiter Meilenstein in BauchlageDer Ellbogen-Beckenstütz ist durch folgendeAspekte charakterisiert:• Die Ellbogen stützen vor der Schulterlinieund das Becken liegt auf derUnterlage• Die Hände sind locker geöffnet• Die Oberschenkel liegen abgespreizt,die Unterschenkel sind locker gebeugt• Die Füße berühren sich in der Luft• Schulter- und Beckengürtel stehenparallel zu einander• Die Wirbelsäule bildet eine Linie vonder HWS bis <strong>zur</strong> Analfalte• Der Säugling hat stabiles Gleichgewicht.Bei Erschütterung von außen –zum Beispiel beim Wegziehen des Lakens– kippt er nicht in die Rückenlage• Die Körpersymmetrie ist erreichtFoto: cder Säugling in Bauchlage den Ellbogen-Beckenstütz beherrscht (Vojta 1988). Kindermit einem Hypertonus (Abb. 3) liegennicht stabil in Bauchlage. Die Ellbogenkönnen eventuell vor derSchulterlinie liegen, aber sie werdennicht zum Stützen benutzt. Die Händesind gefaustet. Die Beine sind nichtaußenrotiert und abduziert. Die Unterschenkelkönnen nicht ohne Mitreaktiondes Beckens – Beckenbeugung – angewinkeltwerden. Meist ist die Mund-Zungenmuskulatur mit betroffen unddies äußert sich in einer Trinkstörung.Kinder mit einem Hypotonus (Abb. 4)können sich nicht gegen die Schwerkraftaufrichten. Arme und Beine liegen lokkerneben dem Körper. Meist ist derMundschluss ungenügend und es kanneine Trinkschwäche beobachtet werden.Abb. 3_Dieses Kind mit 18 Monaten hatden Meilenstein in Bauchlage nicht erreichtFoto: dAbb. 1_Die Kopfdrehung <strong>zur</strong> Seite solltebeiderseitig frei seinFoto: aHyper- und hypotone Kinder erreichenden zweiten Meilenstein nicht (Abb. 3und Abb 4). In diesem Alter kann dieBauchlage als ein empfindliches Diagnostikumangesehen werden (Vojta 1988).Zeigt ein Säugling in diesem Alter nochleichte Abstreckreaktionen der Armeund Beine in Rückenlage, so sind diesenicht als pathologisch anzusehen, wennAbb. 4_Kinder mit einer Hypotonie könnenden Kopf nicht heben – zu beachten ist deroffene Mund>>>Foto: dpt_Zeitschrift für Physiotherapeuten_60 [2008] 3 343


PRAXIS_ERFAHRUNGb Zukunft-Huber B. 2005. Der kleine Fuß ganzgroß. München: © Elsevier GmbH, Urban undFischer Verlag Münchenc Zukunft-Huber B. 2002. Die ungestörte EntwikklungIhres Babys. Stuttgart Trias Verlagd Persönliche Bilder von Barbara Zukunft-HuberAbb.10_Collis-BeckenzeichenAbb.11_Beim Anwinkeln der Unterschenkeldarf das Becken nicht abgehoben werdenFoto: aFoto: aAbb. 12_Collis-BeckenzeichenAbb.13_Hier ist das Collis-Beckenzeichen positivund dies weist auf eine Spastik hinFoto: dFoto: dLITERATURBrandt I. 1983. Griffiths Entwicklungsskalen (GES).Weinheim/Basel: Beltz VerlagCoenen W. 1995. Kopfgelenk- und ISG-Blockierungals Therapiehindernis bei Vojta- und Bobath-Behandlung. Z. f. Krankengymnastik 47,2: 162-72Flehming I. 1983 Normale Entwicklung des Säuglingsund ihre Abweichungen New York:ThiemeFries G. & Tönnis D. 1981. Hüftluxation und Hüftdysplasieim Kindesalter. Uelzen: MedizinischeLiterarische Verlagsgesellschaft mbHHefti FR, Brunner R, Fliegel C, Freuler F, Jundt G,Laer v.L. 1998. Kinderorthopädie in der Praxis.Berlin/Heidelberg: Springer Verlagder funktionellen Überprüfung eingeschränkt,dann sollte nach genauer ärztlicherDiagnostik eine Therapie erfolgen.Die Beckenbeughaltung des Neugeborenensollte beispielsweise mit drei bis vierMonaten verschwunden sein. Dies bedeutet,dass das Collis-Beckenzeichenmit vier Monaten nicht mehr auslösbarist und der Säugling bei positivem Collis-Beckenzeichenschon ab dem drittenbis vierten Monat <strong>zur</strong> Therapie überwiesenwerden kann. Je früher der Säuglingmit der physiotherapeutischen Behandlungbeginnt, desto besser könnenPathologien abgebaut werden. Mit derTestreihe in Rücken- und Bauchlage könnenHaltungsauffälligkeiten der Wirbelsäule,Schiefhals, Skoliose, Hüftauffälligkeiten,Fußstörungen, Bewegungsstörungen,Entwicklungsrückstände sowieHör- und Sehstörungen früh genugerkannt werden. Durch die Dokumentationder einzelnen Punkte haben PhysiotherapeutInnenzugleich auch Richtlinienfür die therapeutischen Maßnahmen. –BILDMATERIALmit freundlicher Genehmigung vona Zukunft-Huber B. 2005. Babygymnastik – sounterstützen Sie Ihr Kind. Stuttgart: TriasVerlagLESER FEEDBACKÜber Kritik und Anregungen würde ichmich sehr freuen:praxis@zukunft-huber.deBUCHTIPPZukunft-Huber B. 2002. Die ungestörte EntwicklungIhres Babys. Stuttgart: Trias VerlagZukunft-Huber B. 2005. Babygymnastik – sounterstützen Sie Ihr Kind. Stuttgart: TriasVerlagZukunft-Huber B. 2005. Der kleine Fuß ganzgroß. © Elsevier GmbH, Urban und FischerVerlag MünchenBARBARA ZUKUNFT-HUBERPhysiotherapeutin. Seit 1977 selbstständig in Biberach. Fortbildungen in den Bereichen Bobath, Vojta, CastilloMorales, Montessori Ausbildung, Manualtherapie, Therapie nach Brunkow, Craniosacral Therapie, E-Technik undangewandte Kinesiologie – touch for health. Autorin mehrerer Fachbücher. Sie behandelt erfolgreich die unterschiedlichstenFußdeformitäten bei Säuglingen und Kindern mit der von ihr entwickelten Methode »dreidimensionalemanuelle Fußtherapie auf neurophysiologischer Grundlage«.>>>pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten_60 [2008] 3 345


PRAXIS_ERFAHRUNGHellbrügge Th, Lajosi F, Menara D, Schamberger R,Rautenstrauch T. 1978. Münchner funktionelleEntwicklungsdiagnostik. München: Urban &SchwarzenbergMau H & Gabe I. 1981. Die so genannte Säuglingsskolioseund ihre krankengymnastischeBehandlung. Stuttgart: Georg Thieme VerlagPikler E. 1988. Lasst mir Zeit. München: RichardPflaum VerlagPiper MC, Darrah J. 1994. Motor Assessment of theDeveloping Infant. W.B. SaundersVojta V & Schweizer (genaues Jahr unbekannt -Ende der 70 iger) Das 1. Lebensjahr, Tabellenach Vojta, fotografische Tabelle. Lübeck:Hansisches Verlagskontor H. SchefflerVojta V & Peters A. 1997. Das Vojta Prinzip. Berlin/Heidelberg:Springer VerlagVojta V. 1988. Die zerebralen Bewegungsstörungenim Säuglingsalter. Stuttgart: EnkeWinter S. 1996. Bericht über die fünfjährigeBehandlung eines Mädchens mit Beals-Syndrom.Z. f. Krankengymnastik 48,10: 1539-44Zukunft-Huber B. 2002. Die ungestörte EntwicklungIhres Babys. Stuttgart: TriasZukunft-Huber B. 2005. Der kleine Fuß ganz groß.München: Urban und FischerZukunft-Huber B. 2005. Babygymnastik. Stuttgart:TriasZukunft-Huber B. 1990. Plakat Baby-Geräte im Vergleich<strong>zur</strong> normalen Bewegungsentwicklung.Stuttgart: Trias/ThiemeZukunft-Huber B. 1990. Neue Gesichtspunkt <strong>zur</strong>Bewegungsentwicklung. Z. f. Krankengymnastik42,3: 282-5346 pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten_60 [2008] 3

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