verständigen und zu integrieren. Ansonsten bleibst du nur unter d<strong>ein</strong>en Leuten. DerSpracherwerb ist die Hauptaufgabe für Migranten, die sich <strong>ein</strong>bürgern lassen wollen.”Viele Ratsuchendeim <strong>Aktionsbüro</strong><strong>Einbürgerung</strong> sindüberfordert. Dochnicht nur mangelndeSprachkenntnissesind <strong>ein</strong> Problem.Auch der“Paragraphendschungel” und die Frage nach der nationalen Identität, da stimmen Minh undihr Chef Kenan Araz über<strong>ein</strong>, seien bestimmende Faktoren ihrer Beratungsarbeit. Dabei spieltauch die sogenannte “Optionspflicht” häufig <strong>ein</strong>e große Rolle. Diese besagt, dass sichMenschen mit doppelter Staatsangehörigkeit vom 18. bis zum 23. Lebensjahr für <strong>ein</strong>eStaatsbürgerschaft entscheiden müssen. Eine doppelte Staatsbürgerschaft ist danach nichtmehr möglich.Hier r<strong>ein</strong>hören (AUDIO): Minh zum ParagraphendschungelWird diese Entscheidung nicht rechtzeitig gefällt, droht der Verlust des deutschen <strong>Pass</strong>es. Bei<strong>ein</strong>er Entscheidung für die deutsche Staatsangehörigkeit muss man sich dagegen um dieEntlassung aus der ausländischen Staatsbürgerschaft kümmern. Das Optionsmodell wurde imRahmen <strong>ein</strong>er Ver<strong>ein</strong>fachung des Staatsrechts im Jahr 2000 unter der rot-grünenBundesregierung <strong>ein</strong>geführt.Es ermöglichte erstmalig, dass auch Kinder zweier ausländischer Elternteile ohne EU-<strong>Pass</strong>schon mit der Geburt direkt deutsche Staatsangehörige werden. “Es war gut gem<strong>ein</strong>t, aber esist zu kompliziert. Bei der Entlassung liegt das Problem”, so Araz. Ein Abo für <strong>ein</strong>e Zeitunglässt sich problemlos kündigen. Doch bei der Nationalität sieht es da weitaus schwieriger aus.“Es wird zu großer Druck aufgebaut”Kenan Araz betrachtet die Optionspflicht als Ärgernis. Foto:Christian TeichmannJunge Menschen, die oftmals ihr ganzes Leben in Deutschlandverbrachten, treffen bei dem Entlassungsverfahren auf dieBürokratien zweier Länder. Araz bemängelt die Gesetzeslage:“Diese jungen Menschen sind in diesem Alter ja noch auf derIdentitätssuche. Es wird zu großer Druck aufgebaut.” Dies kannauch der familiäre Druck, nicht die Nationalität der Elternabzugeben, oder die Angst vor dem Verlust der eigenen Kulturs<strong>ein</strong>.
Häufig halten auch der jahrelange Spießrutenlauf zu Konsulaten, <strong>ein</strong> verpflichtenderMilitärdienst im Herkunftsland oder hohe Ausbürgerungskosten die jungen, potentiellenneuen BRD-Bürger vor der <strong>Einbürgerung</strong> ab. Es ist ebenfalls <strong>ein</strong> offenes Geheimnis, sagtAraz, dass viele der “Nationalitätskündigungen” in den Botschaften der Herkunftsländer nurmit dem Geldbeutel, also mit Korruption, zu beschleunigen seien.Sinkende <strong>Einbürgerung</strong>szahlenDie <strong>Einbürgerung</strong>szahlen in Deutschland sinken seit dem Jahr 2000 – auch weil beigesichertem Aufenthaltsstatus ohne deutsche Staatsbürgerschaft nur wenige Nachteilebestehen. Die sozialen und wirtschaftlichen Rechte sind b<strong>ein</strong>ahe dieselben wie bei Deutschen,dazu gehört auch der Anspruch auf Fürsorge durch den Sozialstaat.Doch die Staatsbürgerschaft hat auch <strong>ein</strong>en zentralen, politischen und staatsrechtlichen Kern:Erst mit dem deutschen <strong>Pass</strong> darf man wählen und so an der Demokratie teilhaben. DerSachverständigenrat der deutschen Stiftungen für Integration und Migration warnt deshalb imJahresbericht 2010 vor der Gefahr <strong>ein</strong>es Demokratiedefizites, wenn sich immer wenigerMigranten <strong>ein</strong>bürgern lassen. Der Sachverständigenrat fordert, dass Bund, Länder undKommunen für mehr <strong>Einbürgerung</strong> werben sollen.Mit diesem Plakat wirbt das <strong>Einbürgerung</strong>sbüro. Plakat: ABE“Wir kassieren ihren Personalausweis <strong>ein</strong>“Minh, die heute selber Menschen auf dem Weg in die deutscheGesellschaft und zur deutschen Staatsangehörigkeit unterstützt,kann sich noch gut an ihre persönliche Fahnenwahl erinnern.Denn sie ist ebenfalls von der Optionspflicht betroffen:“Derzeit habe ich noch die deutsche und die vietnamesischeStaatsangehörigkeit. Kurz nach m<strong>ein</strong>em 18. Geburtstag wurdeich zum Bürgerbüro <strong>ein</strong>geladen”, berichtet Minh.“Da wurde ich gefragt, welche Staatsbürgerschaft ich behaltenwill. Mir wurde dann auch direkt gesagt: ,Wenn Sie es nicht bis zum 23. Lebensjahr schaffen,sich aus der vietnamesischen Staatsbürgerschaft zu befreien, stehen wir vor ihrer Haustür undkassieren ihren Personalausweis <strong>ein</strong>.’”Hier r<strong>ein</strong>hören (AUDIO): Minh zur Doppelten StaatsangehörigkeitIhre Wahl fiel auf Deutschland. Schließlich ist es ihre Heimat. Sie lebt gerne in diesem Landund ist glücklich über die vielen Möglichkeiten, die sie hier hat. Sie mag ihr multikulturellesLeben. Doch wie viele der Betroffenen wäre sie über <strong>ein</strong>e doppelte Staatsangehörigkeitglücklicher.“M<strong>ein</strong>e Wurzeln sind <strong>ein</strong>fach in Vietnam. Ich finde es schade, dass ich den <strong>Pass</strong> abgebenmuss, denn ich fühle mich beiden <strong>Kulturen</strong> zugehörig. Da hätte ich auch gerne beideStaatsangehörigkeiten.” So ist die Abgabe des <strong>ein</strong>en <strong>Pass</strong>es für die Annahme <strong>ein</strong>es neuennicht nur <strong>ein</strong> Austausch von Papier. Er kann auch <strong>ein</strong>en emotionalen Bruch mit der Kultur derEltern bedeuten.