<strong>4.</strong> berlin biennale für zeitgenössische kunst„Von Mäusen und Menschen“25.03. – 28.05.2006PRESSEMITTEILUNG<strong>23.03.2006</strong>Die von Maurizio Cattelan, Massimiliano Gioni und Ali Subotnick kuratierte <strong>4.</strong> berlin biennalefür zeitgenössische kunst erreicht mit der Ausstellung „Von Mäusen und Menschen“ ihrenHöhepunkt. Vorausgegangen sind 18 Monate an Aktivitäten und Vorbereitungen,einschließlich einer Kolumne im Stadtmagazin Zitty, monatlich wechselnden Ausstellungen inder Gagosian Gallery, <strong>Berlin</strong> und die Veröffentlichung der Publikation Checkpoint Charley.Die Ausstellung„Von Mäusen und Menschen“ zeigt das Leben als eine Reihe von Traumata und Kunst alsein Rätsel, das Momente der Desorientiertheit und Zustände der Unsicherheit undZerbrechlichkeit einfängt. Angst und Paranoia, eine undurchdringliche Dunkelheit und einbedrohliches Gefühl des In-der-Schwebe-Seins sind einige in der Ausstellungwiederkehrende Stimmungen. In Anlehnung an John Steinbecks Romantitel – der diesenTitel selbst vom schottischen Dichter Robert Burns aus dem 18. Jahrhundert übernommenhatte – bietet „Von Mäusen und Menschen“ Reflexionen über die conditio humana imSpannungsfeld von Angst und Unterwerfung, von Unbehagen und Offenbarung, aber auchspontane, lichte Intermezzi des Schönen. Ausgehend von Themen wie Geburt und Verlust,Tod und Aufgeben wirken bei „Von Mäusen und Menschen“ über 70 KünstlerInnen aus vierGenerationen mit, die mit verschiedenen Medien und in unterschiedlichen Disziplinenarbeiten. Daraus ergibt sich ein absurdes Theater, in dem Tiere, Menschen und Geister ihretragische Rolle spielen. „Von Mäusen und Menschen“ ist keine themenbezogeneAusstellung, sondern lässt Probleme anklingen, ohne sie allzu direkt anzusprechen: Siebeschäftigt sich mit dem Wesentlichen, aber fürchtet das Absolute.Die VeranstaltungsorteEiner der grundlegenden Aspekte der Ausstellung „Von Mäusen und Menschen“ ist, dass siesich buchstäblich über eine ganze Straße, die Auguststraße, erstreckt und dabei dieBesucher durch eine ganze Reihe von Räumen führt, von einer Kirche bis zu einem Friedhof,und dabei häusliche Umgebungen, ehemalige Fabriken und leerstehende Gebäude besetzt.Erstmals in ihrer Geschichte findet die <strong>Biennale</strong> sowohl in öffentlichen als auch in privatenRäumen statt, darunter Wohnungen, Büroräume und ein Ballsaal. Die meisten dieser Ortewurden noch nie als Ausstellungsräume genutzt: Alle wurden mit Bedacht aufgrund ihrerhistorischen und symbolischen Bedeutung ausgewählt. Es sind im Grunde die Orte, andenen wir unseren Alltagsbeschäftigungen nachgehen – essen, beten, tanzen, lernen undsterben. Es sind Orte, an denen sich verschiedene Übergangsriten und Schlüsselmomentein unserem individuellen und kollektiven Leben ereignen.Die Innenräume und Umgebungen dienen auch als Metaphern für einige der durch dieArbeiten in der Ausstellung heraufbeschworenen Stimmungen. In der Tat scheint eineTendenz in Richtung Intimität, Rückzug und Angst vorzuherrschen, da auch das Leben und
die Arbeit vieler heutiger KünstlerInnen von Isolation oder gar dem Gefühl trostloserEins<strong>am</strong>keit durchdrungen ist.Der größte der zwölf Veranstaltungsorte in der Straße – die Ehemalige JüdischeMädchenschule – öffnet erstmals seit ihrer Schließung vor zehn Jahren ihre Pforten für dieÖffentlichkeit. Die abblätternden Tapeten, die verblassten Anschläge, Wandgemälde undGraffiti, die herausgerissene technische Einrichtung in den naturwissenschaftlichen Laborenund die Klettergerüste in der Turnhalle sind Kennzeichen und Hinweise auf eine bewegteVergangenheit. Als stiller Zeitzeuge hat die Ehemalige Jüdische Mädchenschule beinahe 80Jahre deutscher Geschichte durchlebt. Nachdem sie 1942 von den Nazis geschlossenworden war, wurde das Gebäude erst nach dem Krieg wieder als Schule genutzt. Zu DDR-Zeiten war hier die Bertolt-Brecht-Oberschule untergebracht, die 1996 geschlossen wurde.Mit ihrer strengen Fassade beherrscht die Ehemalige Jüdische Mädchenschule dieAuguststraße wie ein Monolith aus alten Zeiten, ist aber auch ein Denkmal für die Zukunft: Inihren Räumen scheint das Leben still zu stehen.In anderen Räumlichkeiten – wie dem Ballhaus – liegt eine nostalgische Stimmung in derLuft, und in den Privatwohnungen ist häufig die Präsenz der früheren oder gegenwärtigenBewohnerInnen zu spüren. Diese Orte wurden nicht als Kommentar zum Einzug desBürgertums oder zum sozioökonomischen Wandel in diesem Bezirk gewählt; es sind Orte,zu denen jede/jeder einen Bezug hat, mit denen sich jede/jeder identifizieren kann. Dieges<strong>am</strong>te Straße kann als ein Mikrokosmos einer ganzen Gesellschaft betrachtet werdenoder als ein fiktiver Schauplatz für einen Roman. „Von Mäusen und Menschen“ ist zuverstehen als eine Reise durch Zeit und Raum, bei der die BesucherInnen eingeladen sind,Kunst und die Zus<strong>am</strong>menhänge, in denen die Arbeiten ausgestellt werden, zu erfahren – alsöffneten sie eine Reihe von Zeitkapseln. Es wurde sorgfältig darauf geachtet, die Räume sozu erhalten, wie sie vorgefunden wurden.Ausgewählte Arbeiten der Ausstellung„Von Mäusen und Menschen“ präsentiert 30 exklusiv in Auftrag gegebene Werke, Arbeitenvon 20 KünstlerInnen, die noch nie in Deutschland ausgestellt haben, und 50 Arbeiten oderNeubearbeitungen, die noch nie in <strong>Berlin</strong> zu sehen waren. Des Weiteren gibt es mehrereortsspezifische Projekte von Michael Beutler, <strong>Berlin</strong>de De Bruyckere und Cathy Wilkes;Ian Kiaers neue Installation ist durch den Architekten der Ehemaligen JüdischenMädchenschule, Alexander Beer, inspiriert. So unterschiedliche KünstlerInnen wie JeremyDeller und Shirana Shahbazi haben neue Projekte in Verbindung mit dem aktuellen Lebenin der Auguststraße realisiert. Kai Althoff und Lutz Braun lebten in einem derAusstellungsräume und verwandelten ihn in eine Art totales environment. Trisha Donnellypräsentiert eine neue Soundinstallation, die einen Aufeinanderprall von Raum und Zeitanstößt. Der holländische Künstler Erik van Lieshout fuhr mit dem Fahrrad quer durchDeutschland und hielt seine Begegnungen auf einem Video fest, das er in einem gemietetenund auf der Auguststraße geparkten Container vorführt. Pawel Alth<strong>am</strong>er versucht, einerEinwanderin zu einem Visum, einer sicheren Unterkunft und einer Beschäftigung zuverhelfen.Andere neue Werke in der Ausstellung sind u.a. eine Skulptur, die Florian Slotawa aus derEinrichtung einer Privatwohnung zus<strong>am</strong>menbaute, ein exzentrisches Experiment einerInneneinrichtung von Sergej Jensen, Felix Gmelins Videoinstallation Sound and Vision;eine aktualisierte und dystopische Version von Walter de Marias Earth Room von Bouchet,ein neuer Film von Tacita Dean über Nonnen in Irland und die Premiere von Aïda Ruilovasneuem, in der Wohnung von Jean Rollin in Paris aufgenommenen Video.Die Ausstellung zeigt auch mehrere wichtige Kunstwerke in neuem Zus<strong>am</strong>menhang, so z.B.Michael Schmidts außerordentlich grundlegende Photoserie EIN-HEIT (1991-94), BruceNaumans Rats & Bats (Learned Helplessness in Rats II) von 1988 und eine Auswahl vonetwa 30 Photographien aus der bahnbrechenden Photoserie Evidence (1977) von Mike