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Zeitreise mit Heidi Hetzer - Friebe, Sabine

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SPEED QUEENPasst der Anlass, ist<strong>Heidi</strong> <strong>Hetzer</strong> dabei: alsOpel-Fahrerin, <strong>mit</strong> ihremeigenen Doktorwagen,noch führerscheinlos imBeiwagen des Vaters ...bei der Panamericana<strong>mit</strong> gebrochenem Arm,das Lächeln unverändert.Am Kfz-Kennzeichenist abzulesen, welcheEinsatzfahrzeuge aufSiegfried <strong>Hetzer</strong> oderseine Tochter angemeldetwaren. Mit dem Kapitänüberschlug sie sich aufder Avus so, dass dieBenzinzufuhr erst nachgutem Zureden wiederwusste, wo oben undunten istRASTLOSViel Zeit, um sich hinzusetzenund ein wenig überihr Leben nachzudenken,nimmt sie sich nicht. <strong>Heidi</strong><strong>Hetzer</strong> hat Pläne, keineZeit für Nostalgie. Ordnerund Kisten voller Fotos hatsie nur für diesen Artikelherbeigeschleppt. Schon<strong>mit</strong> einer kleinen Auswahlder Aufnahmen ließe sichein Dutzend Bücher füllenAb 1953 erlernt sie das Handwerk professionell.Im Familienbetrieb, dem Opel-Autohaus <strong>Hetzer</strong>,lässt sie sich zur Kfz-Mechanikerin ausbilden undmacht sich <strong>mit</strong> einer Autovermietung in Berlin-Wedding selbstständig. Nach drei harten Jahrengibt sie ihr Geschäft auf, um an ei nem Autohändler-Austauschprogrammteilzunehmen. Ein Ford-Händler in Kalifornien nimmt sie auf – das ersteMädchen im Programm. Ein halbes Jahr späterwechselt sie zu einem Chevrolet-Händler. »Dorthabe ich eine Menge gelernt, wovon ich heute nochprofi tiere! Als ich aus Amerika zurückkam, habeich erst mal ei nen Ami geheiratet. 1969 starb meinVater. Erst danach bin ich die erste Rallye MonteCarlo gefahren, 1975, weil wir da den Kadett hatten.Das war das erste sportliche Auto von Opel. MeinVater hat also gar nicht mehr <strong>mit</strong>erlebt, dass ichgrößere Sachen gefahren bin. Schade! Der hättesich gefreut.«Vor der Rallye Monte Carlo ist sie 20 Jahre <strong>mit</strong>dem Motorrad gestartet, dann 20 Jahre <strong>mit</strong> Neuwagen,gefolgt von 20 Jahren bei Oldtimer-Veranstaltungen,mehrfach bei 2000 Kilometer durchDeutschland, auch Mille Miglia, Carrera Panamericana,Panama-Alaska-Rallye, 2007 die Rallye Düsseldorf-Shanghaiin einem 1964er Opel Rekord ACoupé und neulich <strong>mit</strong> ihrer 1957er Corvette beimGrand Prix in Memorial Rudolf Caracciola.Wird frau denn bei einer Rallye als Frau wahrgenommen?»Generell ja, sehr. Nur in Mexiko fi eles mir auf. Da war vorher wohl nie eine Frau gefahren,also ka men auch keine Journalisten! Wir warenzwei Frauen und dachten: wie schön! Endlich malkein Wind um uns. Sonst, wenn sich alle anderenin Ruhe vorbereiten, müssen wir immer Interviewsgeben. Bei der Panamericana waren wir als Frauennichts Besonderes. Freundliche, hilfsbereite Menschen,schönes Wetter, schöne Landschaft – da binich am liebsten gefahren. Aber jede Rallye ist aufihre Art schön. Die WM-Läufe haben mir am meistenSpaß gemacht. Was heute stattfi ndet, macht keinenSpaß mehr. Das sind Winke-Winke-Rallyes,weil man auf den Straßen nicht mehr brettern darf.Auf Gleichmäßigkeit fahren muss man üben. Ichhabe nie geübt, weil ich das blöd fi nde.«Auch das Unternehmersein hat <strong>Heidi</strong> <strong>Hetzer</strong> niegeübt. Als Mutter von zwei kleinen Kindern arbeitetesie nebenbei als Sekretärin ihres Vaters. Als derstarb, wurde sie <strong>mit</strong> 32 über Nacht zur Chefi n desAutohauses – verantwortlich für 150 Mitarbeiterund vier Millionen Euro Schulden. »Das war hart.Ich war ganz unsicher, aber ich habe mir nie eineSchwäche anmerken lassen. Geht nicht gibt’s nicht!«Mit diesem Motto machte sie ihr Unternehmen zueinem der größten Autohäuser Berlins.»Ich habe sehr viel verändert, indem ich denBetrieb vergrößert habe. Dann habe ich angefangen,die Werbung zu machen. Außen an unseremAutohaus an der Stadtautobahn habe ich ein riesengroßesBanner angebracht. Darauf habe ich inFarbe meine Sprüche geschrieben. Immer etwas<strong>mit</strong> aktuellem Bezug, worüber die Leute gelachthaben: ‚Berlin hat einen neuen Senator‘. Oder:‚Vorne Schnauze, hinten Klappe‘. Die Leute habenschon immer auf den nächsten Spruch gewartet.Der letzte war dann, als wir 2008 die Problemehatten – jetzt habe ich Probleme ...«, stoppt ihrRede fl uss. Unver<strong>mit</strong>telt abgewürgt. Sie weint.Dann fasst sie sich. Und weiter: »Da habe ichgeschrieben: ‚Danke für das Vertrauen. Opel hatZukunft und <strong>Hetzer</strong> hat <strong>Heidi</strong>‘.«Die Bankenkrise 2007 traf sowohl Opel alsauch das Autohaus <strong>Hetzer</strong> schwer. »Meine Bank wardie GMAC von General Motors. Die waren selbstpleite. Die Kfz-Briefe, der Kredit von der Bank fürzweihundert Autos wurden über Nacht gestrichen.»GM muss sich zuOpel bekennen.Ich habe immerdavon geredet,dafür gekämpft,nichts erreicht«Das hat mich in die Krise gebracht. Mein Sohn hatseinen Job gekündigt und ist zu mir gekommen –weil man <strong>mit</strong> 72 Jahren nicht mehr als kreditwürdiggilt. Wir mussten das Unternehmen verkleinern. Bisalles wieder in Ordnung war, hat es drei Jahregedauert. Bei Opel ist es nicht besser ge worden. Diehätten sich auch jedes Jahr etwas verkleinern müssen,in Bochum. Das ist zu verkraften. Aber derBetriebsrat hat das nicht zugelassen. Nun wird dasganze Werk geschlossen. Das haben sie jetzt davon.«Welche Rolle spielt die Mutter General Motorsdabei? »Die lassen Opel nicht gehen, weil die Entwicklungin Deutschland ist. Die Köpfe sitzen hier.Aber wenn GM so weitermacht wie bisher, wirdOpel irgendwann umbenannt. Das wollen sie, glaubeich. Als General Motors 1929 Opel gekauft hat,gab es einen Opel Regent. Ich hole weit aus. DerOpel Regent war wie ein Rolls-Royce: ein tolles, teures,hochtechnisches Objekt. Davon hat Opel so30 Stück hergestellt. Die hat GM von jedem Besitzerzurückgekauft und alle eingestampft. Alle! Es gibtnicht ein Auto mehr davon. Diese Philosophie hatsich bis heute fortgesetzt. Sie wollen keine Konkurrenzzu ihrem Cadillac oder im eigenen Haus. DieJapaner wären in Amerika nie groß geworden,wenn GM reagiert hätte. GM hatte doch kleineAutos, ihre eigenen hier in Deutschland. Die hättensie nur rüberbringen müssen. Haben sie nicht gemacht.GM muss sich zu Opel bekennen. Opelmüssten in aller Welt verkauft werden ... und esmuss auch Opel dranstehen. Wo Opel dran ist, istauch Opel drin! Auf den Namen kann man stolzsein. Ich habe mein Leben lang davon geredet, dafürgekämpft, nichts erreicht.«Nach der überwundenen Krise ist <strong>Heidi</strong> <strong>Hetzer</strong>sSohn Dylan in seinen eigentlichen Beruf zurückgekehrt.Schweren Herzens zieht sie die Konsequenzen.Sie verkauft das 93 Jahre alte Familienunternehmenan das Autohaus Dinnebier.Mehr Zeit hat die 76-Jährige trotzdem nicht.»Als die Firma weg war, habe ich mich gefragt, waswillst du jetzt eigentlich noch? Ich habe so viel aufzuräumenhier, das macht keinen Spaß. Aber ichwollte immer eine Weltreise machen. Wie ClärenoreStinnes, von der mir mein Vater schon er zählt hat:Eine Unternehmertochter, die auch Rallyes gefahrenist, aber das Pech hatte, dass ihre Brüder sienicht akzeptierten. Und die hatte sich zum Zielgesetzt, einmal um die Welt zu fahren. Auf demkürzesten Weg. Nur rum. Für mich ist es sicherlichdie letzte Reise in meinem Leben. Ich möchte wassehen! Ich lehne meine Route an ihre an, aber ichfahre viel weiter. Doppelt so viel. In einem HudsonGreat Eight. Von GM!«, lacht sie lauthals.Der Hudson wird für die Reise noch umgebaut,um Platz für Werkzeug und Ersatzteile zu schaffen.Einen zusätzlichen Wagen für Ausrüstung wird esnicht geben: »Natürlich bereden mich die Leute, ichsoll einen Servicewagen <strong>mit</strong>nehmen. Aber ich willselbst überlegen, was ich machen kann. Und nichtso: Madame legt sich in die Badewanne, und dieJungs können reparieren! Ich will frei sein. Menschen,die ich weltweit ansprechen und kennenlernenmöchte, sind die Oldtimer Clubs, die Lions unddie Botschafter. Das sind meine Aufhänger. Undnatürlich mein Beifahrer, ein Mechaniker, den ichschon sehr lange kenne. Der muss <strong>mit</strong> dem Lebenabgeschlossen haben. So wie ich. Wir haben jetztdieses eine Ziel. Davon kann uns nichts abbringen.«Die Weltreise von <strong>Heidi</strong> <strong>Hetzer</strong> und dem HudsonGreat Eight wird dokumentiert. Wie und vonwem ist derzeit noch offen. Nur so viel ist klar: Einekontinuierliche Verfolgungsfahrt von einem Kamerateamwird es ganz bestimmt nicht.<strong>Heidi</strong> <strong>Hetzer</strong> will im Sommer 2014 starten. DieVorbereitungen kann man aber jetzt schon onlineverfolgen: unter heidi-um-die-welt.com. Viel Glück –und gute Fahrt!116 SEPTEMBER 2013 OCTANE OCTANE SEPTEMBER 2013 117

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