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Die Geschichte vom Frosch Salomon - Anett Metz

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<strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>vom</strong> <strong>Frosch</strong> <strong>Salomon</strong>von Sandra Böttcher, Potsdam 2009Der junger <strong>Frosch</strong> saß in der Ecke und weinte. Da kam eine Frau desWeges. Sie war ganz in weiß gekleidet und trug ein violettfarbenes Tuch,das mit Strasssteinen versetzt war und im Sonnenlicht irisierend funkelte.Sie hockte sich hin und betrachtete den <strong>Frosch</strong> eine Weile. Der <strong>Frosch</strong>war nicht erschrocken und er hüpfte auch nicht weg. Er war so sehr inseine Traurigkeit versunken, dass es ihm egal war, wer ihn ansah oder obihn überhaupt jemand beachtete.Doch die Frau - sie war eine Zigeunerin - ließ nicht von ihm ab. Der kleine,traurige <strong>Frosch</strong> ging sie jetzt etwas an, da sie stehen geblieben und seineTraurigkeit erkannt hatte.Warum bist so traurig? fragte sie ihn. Der <strong>Frosch</strong> antworte nicht.Vielleicht hoffte er, dass ihr die Lust verginge, sich auf ihn einzulassen.Doch sie blieb und da antwortete der <strong>Frosch</strong>:Ich bin traurig, weil ich ein <strong>Frosch</strong> bin.Warum bist du deswegen traurig?Weil ich viel lieber jemand anders wäre.<strong>Die</strong> Zigeunerin hätte ihn nun fragen können, was er gerne sein wolle.Damit hätte sie seine Traurigkeit jedoch unterstützt. Stattdessen fragte sieihn, was ihm missfiel, ein <strong>Frosch</strong> zu sein.Das machte den kleinen <strong>Frosch</strong> nachdenklich und er versuchte, dierichtigen Worte zu finden:Ich bin so winzig, mich beachtet niemand. Ich bin so grün, dass schrecktjeden ab. Ich bin glitschig, darum mag mich niemand anfassen. Ich binnicht schön, darum bin ich bei niemandem beliebt.Da lachte die Zigeunerin. So? Du bist winzig, aber dafür sehr schnell. Dubist so grün wie das Gras, so schützt du dich vor Feinden. Du bistglitschig, darum kann man dich schlecht fangen.Ich finde, du bist schön.Der kleine <strong>Frosch</strong> antwortete nicht. Er saß noch immer in der Ecke, nichtgewillt, der Zigeunerin recht zu geben.Nun gut, wenn du wirklich jemand anders sein möchtest, sagte sie, sofrage ich dich: wer möchtest du sein?Der kleine <strong>Frosch</strong> <strong>Salomon</strong> überlegte. Groß möchte ich sein, sodassmich jeder sieht. Man soll mich schön finden und mir Beachtungschenken. Auch möchte ich, dass man mich respektiert. Ich möchte einRaubtier sein!1


Wenn das dein Wunsch ist, dann möchte ich ihn dir erfüllen. <strong>Die</strong>Zigeunerin, von Zauberkraft und Gottesanbindung beschenkt, verwandelteden <strong>Frosch</strong> in einen Tiger.Vor ihr stand nun der Tiger <strong>Salomon</strong>, der sein Glück kaum fassen konnte.Er strahlte sie an, und schmiegte sich an sie.Es dauerte keine fünf Minuten, da wurden zwei Jäger auf ihn aufmerksam.Sie flüsterten sich etwas zu, dann richteten sie ihre Gewehre auf ihn. DerTiger <strong>Salomon</strong>, der das noch nicht einordnen konnte, wandte sich an dieZigeunerin. Sie jagen dich. Weil du so schön bist. Dein Fell wird in alleWelt verkauft, jeder ist gierig darauf. Du musst jetzt um dein Lebenrennen.Und der Tiger <strong>Salomon</strong>, noch ganz erschrocken von einer so skrupellosenWelt, rannte um sein Leben.Natürlich war die Zigeunerin keine Frau, die ein Wesen aufgab, bei demsie sich entschieden hatte, sich um dessen Anliegen zu kümmern. So sahsie es als ihre Pflicht an, dem Tiger <strong>Salomon</strong> zu helfen, indem sie denJägern den Gar ausmachte. Mit ihren Händen wirre Bewegungen in derLuft vollziehend, spannte sie einen seidenen und doch recht straffenFaden, den sie am Boden befestigte und über das die Jäger fielen, als siedem Tiger nachrannten und so energisch nach ihm schossen, als sei seinTod eine Notwendigkeit, um das Überleben der Menschheit zu sichern.Umso verdutzter waren sie, als sie plötzlich zu Boden stürzten. <strong>Die</strong> Zeit,die verging, bis sie sich wieder aufgerappelt hatten und ihr Gewehrzurechtrückten, nutzte der verängstigte Tiger <strong>Salomon</strong>, um zuentkommen.Warum waren sie so böse? fragte der Tiger später ganz außer Atem. Ersaß unter einem Baum, weil er Schutz vor der brütenden Mittagssonnesuchte, die seinen erhitzten Leib austrocknete.<strong>Die</strong> Zigeunerin lächelte ihn an und antwortete mit weiser Stimme: So istdie Welt nun mal, wenn man beliebt und begehrt ist. Du bist in deinemHerzen noch ein <strong>Frosch</strong>, der zuhauf existiert. Der Tiger jedoch, in dessenLeib du nun steckst, ist rar und wird gejagt. Hier offenbart sich die wahreUnart der Menschenkraft: die Jagd nach dem Außergewöhnlichen. Jedermöchte etwas Besonderes haben. Und weil es einfacher ist, es sich zuerstehlen, anstatt es im Herzen zu tragen, wirst du gejagt.Und was machen die Menschen mit meinem Fell?Sie tragen es.Sie tragen es?Auf ihren Körpern.2


Der Tiger <strong>Salomon</strong> war nun ganz verwirrt. <strong>Die</strong> Menschen trugen Tierfell anihren Körpern, um sich als außergewöhnlich zu empfinden? Das war zuviel für den kleinen Tiger.Ich verstehe die Menschen nicht. Warum müssen sie mich töten, um sichhervorzuheben? Sie sind doch alle außergewöhnlich. Dazu bedarf es dochkeines Felles.Was fragst du mich? sagte die Zigeunerin und warf die Hände in dieLuft, denn selbst sie fand auf diese Frage keine Antwort. Zwar wandle ichin Gestalt eines Menschen durch diese Welt, meine Seele jedoch istuniversell. Sie ist weder Mensch, noch Tier, noch Pflanze. Sie ist alles ineinem. Doch wir wollen nicht von den Menschen reden, denn der Grund,wieso ich angehalten und mich dir zugewandt hatte, war ein ganz anderer.Ich möchte dir helfen, dass du zu dir selbst findest. Und ich möchte dichnicht unbefriedigt lassen. Du darfst dir noch etwas wünschen.Wirklich?Zutiefst dankbar, eine so gutmütige Zigeunerin vor sich zu wissen,überlegte der <strong>Frosch</strong> <strong>Salomon</strong> angestrengt. <strong>Die</strong>smal wollte er wohlüberlegt wünschen!Ich möchte gerne ein Zebra sein. Zebras sind schön, schnell und wissensich vor Feinden zu schützen.Nun gut, dann sollst du ab sofort ein Zebra sein.<strong>Salomon</strong> stand auf einem Pfad und scharrte mit den Hufen. Es war einherrlicher Tag mit einer wunderschönen klaren Luft. <strong>Die</strong> Vögelzwitscherten, die Blätter der Bäume raschelten im Wind. <strong>Salomon</strong> sah ansich herab: sein Fell glänzte in der Sonne, seine schwarz-weißen Streifenwaren intelligent auf seinem Körper verteilt. Er war groß und schön. SeineBeine waren lang und schlank - wie anmutig er doch aussah! Ganz andersals grüne glitschige Schenkel. Er fühlte sich rundum wohl, wieherteglücklich auf.Um ihm herum standen drei seiner Artgenossen: einer recht artig nebenihm, zwei direkt vor ihm. Sie sahen so schön aus wie er; ihre Körperwirkten stark und ästhetisch.Im Moment, als er sich der ersten Bewegung bemühte, um seinen neuenKörper zu erforschen, da merkte er, wie er von einer Kraft aus demHintergrund zurückgehalten wurde. Und bevor er sich versah, schlug ihmjemand mit einem mächtigen Peitschenhieb auf sein Hinterleib. Er jaulteauf.Stillgestanden, habe ich gesagt! tönte es von hinten.<strong>Salomon</strong> begriff zuerst nicht. Also bemühte er sich nochmals, seinen3


schönen Körper zu bewegen. Und nun folgten zwei Peitschenhiebe, nochkraftvoller, und sie brannten wie Feuer auf seiner Haut.Erst jetzt begriff er, dass er eingespannt war: Zügel hielten ihn fest,ebenso wie seine drei Gefährten. Er drehte seinen Kopf soweit er konnte,und sah einen Mann auf einer Kutsche sitzen. Sein Gesicht war mit Bartund Hut bedeckt, und er trug einen schwarzen Anzug. <strong>Salomon</strong> begriff,dass es ein Gespann einer Kutsche war.Was machst du? Du bringst uns alle in Schwierigkeiten, wieherte seinGefährte links neben ihm. Entschuldige, sagte <strong>Salomon</strong>.Der Graf kann sehr böse werden. Wir müssen gehorchen, ansonstenprügelt er uns halb zu Tode!Was das Zebra <strong>Salomon</strong> in den folgenden Tagen erlebte, war kaum einerBeschreibung fähig. Er litt Höllenqualen. Der Graf war unterwegs, um einGeschäft in einer vierhundert Meilen entfernten Stadt abzuschließen. Erreiste Tag und Nacht, und es gab für <strong>Salomon</strong> kaum Phasen, in denen ersich ausruhen, Wasser trinken oder seine müden Hufe beruhigen konnte.Nicht einmal umfallen konnte er vor Schwäche, denn er war festeingespannt! Tage später erreichte er einen Zustand völliger Resignationund wünschte sich insgeheim, er sei der Tiger geblieben und wäre vonden Jägern erschossen worden. Da hätte er weniger gelitten.<strong>Die</strong>se trüben Gedanken blieben nicht unregistriert. Jetzt war der Zeitpunktgekommen, an dem sich die Zigeunerin einschaltete. Sie fragte, ob<strong>Salomon</strong> wieder zum <strong>Frosch</strong> werden wolle. Und er antwortete, mit letzterKraft: Ja, ich möchte wieder <strong>Frosch</strong> sein.Wie froh war er, als er wieder in seiner gewohnten Umgebung war! Dennhier kannte er alles, nichts war fremd, alles war einzuordnen.<strong>Die</strong> Zigeunerin gab ihm zwei Tage, um sich auszuruhen. Dann kam siewieder zu ihm und fragte: Du warst nun ein Tiger, der gejagt wurde, undein Zebra, dass in Gefangenschaft lebte. Obwohl du stark und anmutigwarst: sage mir, warst du glücklich?Der kleine <strong>Frosch</strong> <strong>Salomon</strong> schüttelte seinen grünen Kopf. Er traute sichnicht, etwas zu sagen, so beschämt war er um seine Wünsche.Jetzt bist du ein <strong>Frosch</strong>. Nicht sehr hübsch, auch nicht beliebt. Aber sagemir: fühlst du dich wohl in deiner Haut?Da überlegte der <strong>Frosch</strong> sehr lange. Er war sicher und wurde nicht gejagt,aber: fühlte er sich wohl in seiner Haut? <strong>Die</strong> Antwort, die nun kam, warbedacht und ehrlich. Ja, ich fühle mich wohl. Eigentlich möchte ichniemand anders sein.Da nickte die Zigeunerin. Sie war sehr beruhigt, denn der <strong>Frosch</strong> hatte aus4


tiefstem Herzen und ganz ehrlich geantwortet. Sie fügte hinzu: Sicher,Frösche besitzen kein großes Ansehen. Aber wenn du beginnst, jemandanders zu sein, tauschst du nur deine Probleme aus. Als <strong>Frosch</strong> kennst dudeine Schwachstellen und kannst auf sie eingehen. Ist es nicht besserso?Ja, so ist es besser. Aber.. und der kleine <strong>Frosch</strong> <strong>Salomon</strong> atmete ganzaufgeregt, Warum fühle ich mich so leer? Warum bin ich so traurig, woich doch weder gejagt werde noch in Gefangenschaft leben muss.Du hast den Mut, ein Tiger zu sein. Du hast den Mut, ein Zebra zu sein.Aber den Mut, du selbst zu sein, den hast du nicht. Wie schade! Dabei istdas doch viel einfacher, als jemand anderer zu sein. In der Grundsubstanzbist du der kleine <strong>Frosch</strong> <strong>Salomon</strong>, aber du reicherst sie ständig mitneuem Leben an. Du erwirbst neues Wissen, du wirst besser. Das ist dochspannend! Du befindest dich auf der Reise zu dir selbst, in jedem Momentdeines Lebens. Es ist völlig egal, ob du ein glitschiger <strong>Frosch</strong> bist, solangedu dich bemühst, die erhabenste Vision deiner Selbst zu sein. DeineSeele ist auf einer ständigen Reise und verlangt danach, das Leben imhöchsten Sinne zu genießen. Aber du hast das bisher noch nie getan. Duwarst noch nicht richtig wach für das Leben. Aber nein, du hast Unrecht. Ich habe es doch versucht! protestierte derkleine <strong>Frosch</strong> <strong>Salomon</strong>. Er sträubte sich gegen die Ansicht der Zigeunerin,die er für sehr hart hielt. Nur die anderen wollen keinen Kontakt zu mir,weil sie finden, ich sei zu klein, zu hässlich, zu glitschig. Und wie soll ichdas Leben genießen, wenn mich niemand mag?Aber die Zigeunerin war viel zu weise, um sich von seinem Geplänkelbeeindrucken zu lassen.Wie sollen die anderen Frösche dich genießen, wenn du dich selbst nichtmagst? Ich redete von der eigentlichen Ansicht, dein Leben zu lieben.Dich zu lieben.Der kleine <strong>Frosch</strong> verstand nicht. <strong>Die</strong> Zigeunerin bückte sich und setztesich neben ihn. Wie sollen dich andere lieben, wenn dein Herz soverschlossen ist? Liebe ist die höchste Energie und sie kann - wenn duoffen dafür bist - sich überall hin ausdehnen und überall erscheinen. Dochdu musst zunächst beginnen, dich selbst als ihrer würdig anzusehen. Esgibt ganz viel Liebe auf diesem Planeten, die nur für dich bestimmt ist.Aber weil du Angst vor der mächtigsten Emotion hast, versucht du dich vorihr zu verstecken. Du gehst kein Risiko ein, Liebe zu erfahren, indem dudich ihr vorher schon verschließt. Du gehst kein Risiko ein, Ablehnung zuerfahren; indem du vorher schon ablehnst. Auf diese Weise ist dein Leben5


freudlos. Ich versichere dir: Liebe ist dafür da, um angenommen zuwerden. Liebe bedingungslos und Wunder werden geschehen!„Aber jetzt ist zu viel Zeit vergangen. <strong>Die</strong> anderen mögen mich längstnicht mehr. Ich hätte dich schon viel eher treffen sollen. Da schüttelte dieZigeunerin vehement den Kopf. „Sei dir bewusst, dass du dich in einemständigen Umwandlungsprozess befindest. Wenn du dich verändernmöchtest, hast du in jeder Minute deines Lebens die Möglichkeit dazu.Alles ist auf diesem Planeten in Bewegung. Dich zu einem freien undglücklichen Wesen zu entwickeln ist immer möglich. Bedenke: <strong>Die</strong>Möglichkeit ist immer größer als die Wirklichkeit. Irgendwann wird dieMöglichkeit eine Wirklichkeit. Freunde dich mit dir selbst an, verzeih dir dieFehler der Vergangenheit, und wirst sie kein zweites Mal begehen. Liebedich selbst und die ganze Welt wird sich dir öffnen!Der kleine <strong>Frosch</strong> begann bittere Tränen zu weinen. Es waren Tränen, dieden Wunsch ausdrückten, sein Leben nun auf eine andere Weise zuleben.Liebevoll streichelte die Zigeunerin den kleinen <strong>Frosch</strong>.Vergiss deine Vergangenheit niemals. Manchmal muss man sich demLeben verschließen, um zu erkennen, wie sehr man es eigentlich liebt.Manchmal musst du dich völlig verlieren, um zu erkennen, wer du wirklichbist.„Ich möchte wieder Kontakt zu den anderen Fröschen haben, schniefteder kleine <strong>Frosch</strong>.„Dann geh zu ihnen. Sie werden dich wieder aufnehmen. Glaube an dasGute!„Aber wenn sie mich ausstoßen!„Glaube an das Gute! Sei mutig, lass dich auf das Leben ein. Auf dasLeben als <strong>Frosch</strong> <strong>Salomon</strong>.Der kleine <strong>Frosch</strong> <strong>Salomon</strong> trocknete seine Tränen und nahm sich dieWorte der Zigeunerin an.Zwei Tage sollte es dauern, ehe er sich traute, zu den anderen Fröschenzu hüpften. Sie stießen ihn keineswegs ab, sondern begrüßten ihnwohlwollend! Er wollte nun niemand anders mehr sein und fühlte sich wohlin seiner Haut. Und fortan fühlten sich auch alle anderen Frösche wohl mitihm.6

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