13.07.2015 Aufrufe

Inserateanalyse - the fine art of thinking

Inserateanalyse - the fine art of thinking

Inserateanalyse - the fine art of thinking

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Stelleninserate Thema<strong>Inserateanalyse</strong>Zwischen den Zeilen lesenDie sorgfältige Analyse des Stelleninserats ist die Grundlage einer erfolgreichenBewerbung, sagt die Erwachsenenbildnerin und Mentaltrainerin Andrea Pachleitner.Im Gespräch mit dem «arbeitsmarkt» verrät sie Tipps, wie man versteckte Informationenherausliest und für den Bewerbungsbrief nutzbar macht.Interview Christian Keller Fotos Simone Gloorder arbeitsmarkt: Frau Pachleitner, Sie leiten als ErwachsenenbildnerinBewerbungskurse und betreuen in IhrerPraxis Stellensuchende in individuellen Coachings. Mit welchenFragen sollen diese an ein Stelleninserat herantreten?Andrea Pachleitner: Die Fragestellung beim ersten Durchleseneines Stelleninserats sollte sein: Entspricht dieser Arbeitgeber,entspricht die ausgeschriebene Tätigkeit meinem Charakter undmeinen Interessen, den beruflichen und den privaten, sodassmich die Stelle auch in Bezug auf meine Lebensziele unterstützt?Für die eigene Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit im Beruf istes entscheidend, dass Ihnen das Milieu entspricht, in das Sie sichhineinbegeben.«Eine ausbeuterische Haltung lässt sichaus dem Stelleninserat genauso herauslesenwie Wertschätzung und Respekt.»Sie geben der Vereinbarkeit von Beruf und persönlichenInteressen oberste Priorität.Ja, so ersp<strong>art</strong> man sich Frustrationen und wirkt auch möglichenStresserkrankungen entgegen. Einen Job auszuhalten, dereinem nicht entspricht, ist auf Dauer sehr schwierig. Auf Stellensuchebeugt man sich <strong>of</strong>t dem Druck der Existenz und geht Kompromisseein. Nach ein paar Jahren ist man dann ein Kandidat fürden Arzt oder Psychiater, weil einem das Milieu, die Tätigkeit, dieBedürfnisse des Arbeitgebers widerstrebten. Darum ist es wichtig,dass man rechtzeitig erkennt, ob eine Firma auch zu einem passt.Wie lese ich ein Stelleninserat richtig?Befragen Sie das Anforderungspr<strong>of</strong>il nach seinen drei Dimensionen:Entspricht die Stelle meinen Fachkenntnissen, meinerberuflichen Erfahrung und meinen persönlichen Qualitäten?Und dann: Bin ich genug belastbar, um die Aufgabe bewältigen zukönnen? Bin ich allenfalls bereit, Anstrengungen zu unternehmen,um mich für die Stelle fit zu machen? Können Sie dieseZur PersonAndrea Pachleitner, 1962 in Schweden geboren, ist in Deutschlandund in der Schweiz aufgewachsen. Nach dem Kunststudiumin Wien hat sie in Zürich ihr vorläufiges Zuhause gefunden. Heutewirkt sie als Mentaltrainerin und Ausbildnerin im persönlichkeitsbildendenBereich – als Kommunikationstrainerin, Teambildnerin,als Coach im Stress- und Konfliktmanagement. Als Leiterin vonStandortbestimmungs- und Bewerbungskursen für Stellensuchendeist sie mit den Spielregeln des Arbeitsmarktes bestensvertraut. Ihr persönliches Ziel ist, die menschliche Existenz, «dieSeele als Universum im Innern», noch besser verstehen zu lernen.www.<strong>art</strong>-<strong>of</strong>-<strong>thinking</strong>.chFragen für sich mit Ja beantworten, sollte eine sorgfältige Analysedes Inserats folgen. Dafür empfiehlt sich eine Gegenüberstellungvon Anforderungs- und Kompetenzpr<strong>of</strong>il: Welche Qualitäten sindgefordert, welche bringe ich mit? Hier ist das Bild der Waage hilfreich:Es geht darum, den gewünschten Anforderungen das eigeneKompetenzpr<strong>of</strong>il gegenüberzustellen. Beide müssen in einem ausgewogenenVerhältnis zueinander stehen. Diese Analyse des Inseratswird Ihnen später beim Abfassen des Bewerbungsbriefs vongrossem Nutzen sein, wenn es darum gehen wird, die Bedürfnissedes Arbeitgebers zu spiegeln.Was zeichnet ein seriöses Stelleninserat aus?Ein seriöses Unternehmen stellt sich immer zuerst vor. Esmacht von sich aus die Tür auf, damit sich Stellensuchende einBild von der Unternehmenskultur machen können. Der aussagekräftigenBeschreibung des Aufgabenbereichs folgt das Anforderungspr<strong>of</strong>il,bestehend aus «must» und «nice to have». Mit insInserat gehören auch die Leistungen, die das Unternehmen seinenMitarbeitenden bietet. Gute Firmen bieten etwa eine gründlicheEinarbeitungszeit, Weiterbildungsmöglichkeiten, zusätzlicheFerientage und überdurchschnittliche Versicherungsleistungen.Auch Benefits wie Firmenwagen, Fitness-Abo oder die Möglichkeit5_2007 der arbeitsmarkt 23


der Infrastrukturnutzung für private Zwecke können erwähntsein. Stellensuchende sollten sich fragen, ob das, was da versprochenwird, auch wirklich ein echtes Angebot ist. Oder ist nur vonden «üblichen Versicherungs- und Sozialleistungen» die Rede?Dann handelt es sich um eine Mogelpackung, denn diese sind javom Gesetz ohnehin vorgeschrieben.Sieht man denn einem Inserat an, wie seriös eine Firma ist?Sicher, das zeigt <strong>of</strong>t schon ein erster Blick: Wenn etwa eineFirma sich nicht vorstellt, zeugt das nach meiner Ansicht vonschlechtem Stil. Das ist für mich immer mit einem Fragezeichenverbunden. Mit Vorsicht sind auch hohe Gewinnversprechen zugeniessen.Gibt es noch mehr solche Beispiele, die unseren Argwohnwecken sollten?Aufpassen heisst es, wenn eine Stellenanzeige sehr forderndformuliert ist, wenn im Anforderungspr<strong>of</strong>il Formulierungen wie«Sie müssen» oder «Sie sollten» auftauchen, wenn das Inseratschlecht strukturiert oder das Stellenpr<strong>of</strong>il nicht klar beschriebenist. Wird «per s<strong>of</strong>ort eine selbständige, belastbare, flexible Persönlichkeit»gesucht, dann läuten bei mir die Alarmglocken. Oder dasWort «fleissig» – fleissig sind wir doch alle! Was für Erfahrungenhat man in dieser Firma gemacht, dass man glaubt, das explizitins Inserat schreiben zu müssen? Werden dann auch noch die«üblichen Sozialleistungen» geboten, dann ist das schon eher befremdend.Hinter solchen Inseraten verbergen sich <strong>of</strong>t Stellen, woder Mensch ersetzbar ist; solche Jobs finden sich gehäuft im Gastgewerbeund im Verkauf. Die ausbeuterische Haltung eines Arbeitgeberslässt sich aus dem Inserat genauso herauslesen wie Wertschätzungund Respekt.Und wenn man etwas mehr in die Tiefe geht und zwischenden Zeilen liest?Man kann ein Inserat immer danach befragen, ob es menschen-oder sachbezogen ist. Das kann sich schon in seiner Strukturzeigen: Ist es als Fliesstext abgefasst oder ist es im Wesentlicheneine tabellarische Aufzählung? Nüchterne Aufzählungensind meist sehr sachbezogen; so werden zum Beispiel Buchhaltergesucht. Ein ausformulierter Text dagegen ist tendenziell menschenbezogen,er stellt eine Beziehung zum Leser her. Auch dieäussere Form verrät einiges über ein Unternehmen; das Formatder Anzeige etwa sagt viel über das Selbstverständnis und dieMarktpositionierung einer Firma aus. Auf jeden Fall sollte das Inseratklar strukturiert sein. So sollten die drei Aspekte des Anforderungspr<strong>of</strong>ils,von denen ich gesprochen habe, nämlich Fachwissen,Erfahrung und Persönlichkeit, im Inserat unbedingt ausformuliertsein. Wenn nur von persönlichen Qualitäten die Rede ist,die fachlichen hingegen kaum angesprochen werden, kann dasbedeuten, dass bei diesem Arbeitgeber Probleme bezüglichKlarheit und Struktur vorliegen. Dann ist Vorsicht geboten, dennmit diesen Problemen würde man später im Berufsalltag immerwieder konfrontiert.Sie haben die Form des Stelleninserats angesprochen. Waskann man beispielsweise aus dem Format für Schlüsseziehen?Das Format zeigt das Selbstverständnis des Unternehmens,denn das Stelleninserat hat für ein Unternehmen immer aucheine PR-Funktion. Sucht eine Firma mit einem riesigen Inserateinen Bäcker, dann handelt es sich mit Sicherheit um ein Grossunternehmenund nicht um eine Qu<strong>art</strong>iersbäckerei. Die Grössedes Inserats sagt denn auch nichts über die Bedeutung derStellung oder die zu erw<strong>art</strong>ende Wertschätzung des Arbeitgebersaus, sondern spiegelt einzig die Positionierung der Firma imMarkt. Wichtig für den Stellensuchenden ist dagegen der Ton, indem ein Inserat formuliert ist: Drückt es Wertschätzung aus? Oderist es eher fordernd formuliert? Dies zur Kenntnis zu nehmen,hilft, sich zu entscheiden, ob das Betriebsklima, das sich da zeigt,zu einem passt und ob man sich in dem Milieu wohl fühlen undentwickeln kann.Und die grafische Aufmachung, lässt sie sich auch deuten?Es lässt sich auch im Stelleninserat ein Trend hin zur visuellenKommunikation ausmachen. Heute wird die Bildersprache gezielteingesetzt, weil man weiss, dass Bilder «hirngerechter» kommunizieren,als es die Sprache tut. Bilder wecken Assoziationen – siesprechen unsere Bedürfnisse, unsere Sehnsüchte an. Unternehmennutzen dieses Wissen, um künftige Mitarbeitende auf einepositive, aufbauende Art anzusprechen. Es sind auch im Stellenanzeigerdie Mittel des Marketings, die den Ton angeben: Manversucht, das Innerste anzusprechen, Emotionen zu wecken.Beispiel für eine persönliche <strong>Inserateanalyse</strong>Qualifikationspr<strong>of</strong>il: Sachbearbeiter/in Back<strong>of</strong>ficeAnforderungenMeine Qualifikationkaufmännische Grund- KV bei der Firma Bétacom Marketing, Bielausbildung2–3 Jahre Berufserfah- 3 Jahre Berufspraxis als Kundenbetreuerrung im Medienbereich; Werbeagentur SoloMedia, SolothurnKundenbetreuungOnline- und Printmedien, • Print: Erfahrung mit AuftragsabwicklungFlair fürs Internetund Druckereikontakt, SoloMedia• Online: Unterhalt unserer Vereinswebsite(CMS)Sprachen: Deutsch, • Deutsch: MutterspracheFranzösisch, Englisch • Französisch: 2. Muttersprache (bilingue)• Englisch: First Certificate; 6 MonateSprachaufenthalt in den USAselbständig undAls Mitarbeiter in einem kleinen Betrieb warmotiviertich <strong>of</strong>t auf mich allein gestellt und meineEigeninitiative war gefordert.exakte und saubere Sauberes und genaues Arbeiten warArbeitsweisein meiner Tätigkeit als Kundenbetreuerunerlässlich.teamorientiertAls Verteidiger beim 1. FC Zuchwil gewährleisteich in einem starken Team dieSicherheit im Hintergrund.5_2007 der arbeitsmarkt 24


Stelleninserate Themabis hin zum Namen der Betreuungsperson. Heisst es dagegen: «Sieerarbeiten sich selbständig die Grundlagen für Ihr neues Aufgabengebiet»,dann erschliesst sich der Sinn dieser Aussage zwischenden Zeilen. Das bedeutet doch im Kl<strong>art</strong>ext, dass man von Anfangan mausbeinallein ist und keinerlei Unterstützung erw<strong>art</strong>endarf.Wie soll man vorgehen, wenn man ein interessantes Inseratgefunden und für sich analysiert hat?Weglegen. Unbedingt weglegen und drüber schlafen. Amnächsten Tag sollte man das Inserat nochmals neu lesen und seineeigenen Notizen, die man sich bei der Analyse gemacht hat, noch«Wenn eine Firma sich im Stelleninserat nicht vorstellt,zeugt das von schlechtem Stil. Das ist fürmich immer mit einem Fragezeichen verbunden.»einmal durchgehen. Auf keinen Fall würde ich einen Bewerbungsbriefnoch am selben Tag aufgeben. In meiner Arbeit als Coach vonStellensuchenden erlebe ich immer wieder, wie über Nacht dieErkenntnis dämmern kann, dass eine Stelle für einen gar nicht inFrage kommt.Ist das Bild auch ein Mittel, um die richtigen Leute auf sichaufmerksam zu machen?Es wäre für den Arbeitgeber schön, wenn er die richtigen Kandidatenauf so einfache Art ansprechen könnte! Natürlich sollendie Bilder den Leser intuitiv ansprechen, doch die Bilder werdennach anderen Kriterien ausgewählt: Sie dienen dazu, das Unternehmenzu repräsentieren. Das kompetitive Unternehmen, beidem die Post abgeht, präsentiert sich mit dynamischen Bildern,während ruhige, statische Bilder etwa im Gesundheitsbereich zufinden sind. Das Bild verrät uns also, wo eine Firma steht, wie siesich im Markt positioniert. Das gesamte Erscheinungsbild erlaubtaber auch einen Blick auf die Struktur des Unternehmens. Darinzeigt sich die Unternehmenskultur, und das wiederum lässt aufden Umgang mit den Mitarbeitenden schliessen.Aber das sieht doch nur, wer seinen Blick dafür geschulthat.Wenn man sich damit beschäftigt und die Inserate darauf hinprüft, dann entwickelt man schnell ein Gespür dafür, ob eineFirma ihre Mitarbeitenden schätzt, wie sie sie fordert und fördert.Es sind einfache Formulierungen, die suggestiv von der Art desUmgangs erzählen. Ein Unternehmen, das seine Mitarbeiter alsKapital betrachtet und entsprechend pflegt, will diesen Teil derFirmenkultur, der Corporate Identity des Unternehmens, auchkommunizieren – gerade auch im Stelleninserat. Schliesslich willman ja die guten Leute für sich gewinnen.Und wie kommuniziert ein Unternehmen seine Kultur?Seriöse Arbeitgeber sprechen den Umgang mit den Angestelltenexplizit an. Einen guten Anlass, um die eigene Unternehmenskulturzu präsentieren, bietet die Beschreibung der Einarbeitung,die neue Mitarbeitende erw<strong>art</strong>et. Da wird nicht nur pauschal die«gründliche Einarbeitung» erwähnt, sondern es wird das komplettePaket mit Einführungskursen und Supervision aufgezählt,Warum passiert das?Wir sind beim ersten Lesen eines Inserats in einer <strong>of</strong>fenen Erw<strong>art</strong>ungund unser Hirn macht s<strong>of</strong>ort eine Verbindung mit unsereneigenen Vorstellungen. So lesen wir unter Umständen etwas,was gar nicht dasteht – weil wir hineininterpretieren, was wir eigentlichlesen wollen. Ich habe selbst diese Erfahrung gemacht:Ich hätte mich beinahe um einen Auftrag beworben, bei dem ichKurse nur noch konzipiert, aber nicht mehr selbst unterrichtethätte. Mein erster Eindruck von dem Inserat war aber, dass ich daauch unterrichte – weil ich es automatisch voraussetzte.Zum Schluss möchte ich noch einen Blick auf die Bewerbungspraxiswerfen. Wie kann man verwerten, was man ausder <strong>Inserateanalyse</strong> gewonnen hat?Die <strong>Inserateanalyse</strong> bildet die Grundlage des Bewerbungsschreibens.Sie zeigt mir, wo ich ansetzen muss. Denn im Bewerbungsbriefgeht es darum, zu spiegeln, dass man die Bedürfnisseder Firma erfasst hat und mit den eigenen Qualitäten und Kompetenzendieses Bedürfnis abdecken kann. Den Arbeitgeber interessiertam Bewerbungsbrief in erster Linie, ob der Bewerber, dieBewerberin erkannt hat, worum es ihm geht. Sie können denArbeitgeber als Marktteilnehmer sehen, der einen Auftrag zu vergebenhat, und den Bewerber oder die Bewerberin als Firma, diedas Gewünschte liefern kann. Im Stelleninserat <strong>of</strong>fenb<strong>art</strong> der potenzielleKunde ein Bedürfnis; der Bewerbungsbrief ist die Werbebotschaftdes Stellensuchenden, mit der er den Kunden überzeugenwill.Dann läuft alles darauf hinaus, dass man dieses Bedürfniserkennt und sich darauf bezieht.Genau. Es geht darum, dieses Bedürfnis zu reflektieren unddarauf einzugehen. Wenn ich mit Hilfe meiner <strong>Inserateanalyse</strong>den Bewerbungsbrief aufsetze, lege ich alles, was dem Stellenpr<strong>of</strong>ilentspricht, in die Waagschale, auch was im Inserat vielleichtnicht verlangt wird, wovon ich aber weiss, dass es für den Jobwertvoll ist. Entscheidend ist, dass Sie die Bedürfnisse des Arbeitgeberserkennen. Je besser Sie darauf eingehen, desto gehaltvollerwird Ihr Bewerbungsbrief, er enthält mehr Facts und wenigerFloskeln. Darum ist es auch so wichtig, einmal darüber zuschlafen. ❚5_2007 der arbeitsmarkt 25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!