13.07.2015 Aufrufe

Fähnlein Unverzagt - Pfadfinder Dieblich

Fähnlein Unverzagt - Pfadfinder Dieblich

Fähnlein Unverzagt - Pfadfinder Dieblich

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Nr. 33 DIE ZEIT S. 11SCHWARZ cyan magenta yellow11 DIE ZEIT Nr. 33 9. August 2007DOSSIER<strong>Fähnlein</strong><strong>Unverzagt</strong>Hundert Jahre <strong>Pfadfinder</strong>: Harald Schmidt gehörte zu ihnen, Hillary Clintonauch. Weil sie das klassische Abenteuer in der Gruppe bieten und dennochmit der Zeit gehen, sind sie immer noch attraktiv VON MARKUS WOLFFalle Fotos: Andre Zelck für DIE ZEITAUF FAHRT GEHEN: Pfingstlager Exploris in Schwalmtal in diesem Frühjahr. Junge <strong>Pfadfinder</strong> bei der Ankunft, im Wald und beim Aufbau einer JurteAm Fahrradständer an der Turnhallefindet der Wettkampf meist montagsstatt – nach einfachen Regeln: DasPausenläuten ist der Start. Dann treffensich dort die Schüler mit den Bürstenschnittenund auch die mit den Gelfrisuren,rauchen die Zigaretten bis zum Filter herunter undversuchen, mit Erlebnissen vom Wochenende zupunkten. Frederiks Gartenparty. Oder der Sprungvon der Brücke in den Kanal, mit Arschbombe.Seltsam wirkt es, wenn dann der einzige <strong>Pfadfinder</strong>in der Runde erzählt, weil zwischen »Party« und»Arschbombe« das Wort »<strong>Pfadfinder</strong>« so verlorenklingt wie Pfeifen im Wald.Es sind Schüler der Hauptschule Westerfilde,und Westerfilde im Norden Dortmunds ist zwarkein sozialer Brennpunkt, aber auch nicht geradeder Stadtteil, in dem man <strong>Pfadfinder</strong> vermutenwürde. Aus Mehrfamilienhäusern fällt der Blickauf Mehrfamilienhäuser, dazwischen liegen leereStraßen. Ein Ort, an dem Erlebnisse nicht seltenzweidimensional sind und mit »Highscore« endenund die Welt auf Plateausohlen steht. Wo »nachdraußen gehen« ein Synonym für »Trinkhalle« seinkann und im Schaukasten an der Endhaltestelleder U-Bahn ein Zeitungsausschnitt hängt, demzufolge»ein Ausflug ins Grüne viele positive Effekteauf den Körper hat«. So ist Westerfilde.Sebastian Ebendorff ist hier aufgewachsen, ein15-Jähriger mit federndem Gang, bei dem Größeund Gewicht schon immer ein wenig miteinanderim Clinch lagen. <strong>Pfadfinder</strong> ist er, seit Mitgliederdes Stammes Vagabunden des Bundes der <strong>Pfadfinder</strong>innenund <strong>Pfadfinder</strong> (BdP) zur Werbung inseine ehemalige Grundschule kamen und er nachherdachte: »Krass, Feuermachen und Zelten, dasist genau was für mich!«Acht Jahre ist das her. Seitdem tauscht er regelmäßigdas Polo-Shirt gegen die »Kluft« genannteKombination aus blauem Hemd und Halstuch,die er anfangs oft unter der Jacke versteckt hielt.Weil es ein bisschen peinlich war, <strong>Pfadfinder</strong> zusein. An die Kluft und selbst an den Spitznamen»Klößchen« hat er sich inzwischen gewöhnt, genauwie an die Kommentare der Mitschüler: »<strong>Pfadfinder</strong>knutschen Bäume« oder: »Iiiih, eklig, anderesThema!« Was wissen die schon?Und wer weiß überhaupt was?Eine eigentümliche Welt scheint die der <strong>Pfadfinder</strong>für Uneingeweihte zu sein, mutmaßlich bevölkertvon pummeligen Außenseitern oder kauzigenJugend-forscht-Typen, die sekundenschnellein Feuer entzünden und aus zwei Kaffeetassen einNachtsichtgerät basteln können. Ein Geheimbundmit codierter Sprache, in dem Ortsgruppen »Stämme«heißen und Kleingruppen »Sippen«. Ein altmodischerJugendkosmos aus ewigem Lagerfeuer,Volksliedern und kalten Nudeln.Der »Scout« war ursprünglichein Nebenprodukt des KriegesEtwa 300 Millionen Menschen sollen in ihrem Lebendieser Organisation angehört haben. AuchJohn F. Kennedy, Hillary Clinton, Harald Schmidt.Und Neil Armstrong trug bei seinem Mondgang,das wird von den Mitgliedern der Bewegung gernerzählt, unter seinem Anzug das Abzeichen desWeltpfadfinderverbandes WOSM.Eine globale Marke ist das Unternehmen <strong>Pfadfinder</strong>geworden, nur noch ohne Filialen in Andorra,China, Kuba, Laos, Myanmar und Nordkorea.38 Millionen Mitglieder auf fünf Kontinenten,rund 220 000 in Deutschland, verteilt auf über100 große christliche und interkonfessionelle Verbände,kleine Organisationen und »VW-Bus-Bünde«– das sind die, die zum Transport ihrer Mitgliedernicht mehr als einen Bulli benötigen.Robert Stephenson Smyth Baden-Powell, derGründer der Bewegung, war zunächst Soldat.Schon während seiner Dienstzeit in Indien war erfür die Ausbildung junger Rekruten verantwortlich.Auch bei der Verteidigung der südafrikanischenStadt Mafeking Ende des 19. Jahrhundertsgegen die Buren praktizierte er Jugendarbeit eherzwischen Stacheldrahtverhauen und Schützengräben.Drei sechsköpfige Gruppen waren es dort, dieNachrichten überbringen, Verletzte bergen, Munitionschleppen mussten.So entstand die Idee der <strong>Pfadfinder</strong>ei – als Nebenproduktdes Krieges. Zurück in England, stellteBaden-Powell fest, dass Jugendliche ihre Freizeithier längst mit seinem Militärhandbuch Aids toScouting verbrachten.Damals begann der Brite mit der Arbeit aneinem Konzept, das über ein Jahrhundert aktuellbleiben würde: Erziehung, verbunden mit Erleben.Baden-Powells Buch Scouting for Boys wurdezum Bestseller und eines seiner Grundprinzipienweltweit zur Parole ambitionierter Laien (und zurEntschuldigung für Fehlschläge jeder Art): Learningby Doing, wie längst nicht mehr nur derEngländer sagt.Was aber sind das für Menschen, die sich noch100 Jahre später von dieser Idee begeistern lassen?Wie sieht eigentlich der Musterpfadfinder aus?Professor Klaus Hurrelmann, Leiter der Shell-Jugendstudie2006, stellt ihn sich so vor: zehn bis elfJahre alt, männlich, eher unauffällig, leistungsfähig,bereit, sich anzupassen, halbwegs guter Schüler,will etwas in einer Organisation erleben, weiler selbst nicht genügend Anregungen bekommt,Selbstbewusstsein auf der Kippe, »kein großerKonsumfreak«.Der Hang zum Wandern scheint einspezieller deutscher Zug zu seinDieser Musterpfadfinder kommt nicht immer ausder Metropole, ebenso gut kann er auf dem Landwohnen, weil das Leben auch dort längst nichtmehr Ursprünglichkeit und Naturerlebnis bedeutet.Fünf bis sechs Jahre später klingt sein Entwicklungsstanddann wie das Anforderungsprofileiner Stellenausschreibung. Er hat Ämter übernommenund ist in der Organisation aufgestiegen.Ein leistungsbereiter junger Mann mit gefestigtemSelbstbewusstsein ist nach Hurrelmanns Einschätzungaus ihm geworden, sozial verantwortlich, mitAusstrahlung und Kompetenz.Vielleicht ein Typ wie Albert Sonnabend, obwohlder schon 19 ist. Groß gewachsen, dunklesHaar, dunkle Stimme, <strong>Pfadfinder</strong> seit acht Jahren,Lehrling seit einigen Monaten in einer Werkstattin Erkrath bei Düsseldorf, ruhig gelegen zwischeneiner Sackgasse und dem Friedhof. »SteinbildhauermeisterMartin Hahn« steht an der Tür.»Na ja, was heißt Steinbildhauer«, sagt derMeister und lehnt sich mit verschränkten Armenan einen Granitblock, »das klingt wie: Ich bin jetztmal Jörg Immendorff.« Dabei gehe es weniger umKunst, vielmehr ums Zupacken. Lehrlinge braucheer, die sich auch mal dreckig machen wollten.Zwei hat er entlassen, die wollten das nicht. »EinDoktorssöhnchen war dabei«, sagt Hahn, »der hathier nur in Aids-Handschuhen gearbeitet, damit erkeine Schwielen kriegt.«Davor hat sein neuer Auszubildender keineAngst. In den Lagern könne er sich ja auch nichtvor der Arbeit drücken, sagt der Meister. Da mussder Lehrling grinsen. Ja, und dass dieser selbstständigseine Fahrten organisiere, »eher low budget«reise und es immer noch im Regen aushalte, wenner selber längst den nächsten Campingplatz aufsuchenwürde – »doch, das imponiert mir«, sagtHahn und blickt auf den jungen Mann, der nichtwie er Flip-Flops und Cargohose trägt, sondernstaubige Zunftkleidung.Fahrt und Form bedeuten viel für Albert Sonnabend.Seit Jahren ist er mindestens ein- bis zweimalim Monat unterwegs, am Wochenende mitseiner Sippe oder auch nur mit zwei Mitgliedernseines Stammes – »Ritterschaft von Berg« nennensich die drei. Mit kurzer Lederhose, Gitarre undBarett ziehen sie dann als wandernder Anachronismusvorbei an Spielhallen, Multiplex-Kinos undJugendlichen, die auf Parkbänken sitzen und denken,irgendwo in der Nähe sei Mittelaltermarkt.Geschlafen wird in der Kote, einem schwarzen Zeltmit Feuerstelle. Darin sitzen sie abends und singenihre Lieder, in denen das Leben immer etwas abenteuerlicherund man selbst immer etwas verwegenerist als in Düsseldorf-Mitte.Albert Sonnabend gehört zum »bündisch« genanntenTeil der <strong>Pfadfinder</strong>, der seine Wurzeln inder Jugendbewegung sieht: bei den Wandervögeln,fast ausnahmslos national denkenden Bürgerkindern,die Ende des 19. Jahrhunderts keine erzieherischeIdee wie bei den <strong>Pfadfinder</strong>n, sondernFlucht vor der Gängelung durch Staat und ElternFortsetzung auf Seite 12Nr. 33 DIE ZEITS.11 SCHWARZ cyan magenta yellow


Nr. 33 DIE ZEIT S. 12SCHWARZ cyan magenta yellow12 DOSSIER9. August 2007 DIE ZEIT Nr. 33ABENTEUER ZELTLAGER: <strong>Pfadfinder</strong> beim Bad in einer beheizten Wanne unter freiem Himmel, auf einer Aussichtsplattform und bei der Vorbereitung auf einen Sängerwettstreit, dazwischen der typische Nudeltopf mit Gaskocher<strong>Fähnlein</strong> <strong>Unverzagt</strong>Fortsetzung von Seite 11in die Natur treibt. Die tagsüber wandern undabends singend am Feuer sitzen. Nach dem ErstenWeltkrieg formiert sich diese Bewegung neu, siewird jetzt »Bündische Jugend« genannt und trifftauf die weitaus straffer organisierten <strong>Pfadfinder</strong>.Letztere entdecken gerade neben dem Lager auchdie Fahrt und vor allem die Zeltästhetik jenseitsdes Militärstils – was die deutschen <strong>Pfadfinder</strong> bisheute von fast allen ausländischen Verbänden unterscheidet.Dieser Hang zum Nomadischen, zumWandern und Unterwegssein, er scheint ein deutscherZug zu sein.Durchs Siebengebirge ist Albert Sonnabendmit seinen Freunden schon gewandert und innerhalbvon zwei Wochen 2000 Kilometer durchFrankreich getrampt. Sie sind im Herbst an derLoreley gewesen, und als ihnen die Irlandreise desStammes nicht reichte, sind sie nach der Rückkehrnoch für ein paar Tage an die Lahn gefahren. »Eshat schon Leute gegeben«, sagt er, als sei ihm dasselbst nicht ganz geheuer, »die sind davon nichtmehr runtergekommen.«Zurück kommen sie dann mit Geschichten wieder von der Winterfahrt ins Sauerland. 13 Jahre altwaren sie und sind in kurzer Lederhose und stattSchlafsack nur mit Decke gereist, weil sie »coolund kernig« sein wollten. Schon am zweiten Abendwaren Kleidung und Wechselwäsche nass, und trockenesFeuerholz gab es nicht. Da haben sie sichzwei Scheite von einem Bauern besorgt und Nudelngekocht. Dann begann es zu schneien. Beisechs Grad minus rollten sie am anderen Morgendie Isoliermatten samt Zelt zu einer einzigen dickenWurst, weil die Finger steif waren.Vor allem diese Verbindung von Körperlichkeitund Gruppenerlebnis, sagt Jugendforscher Hurrelmann,mache den Reiz der <strong>Pfadfinder</strong> aus. Selbstin Sportvereinen lasse sich das in dieser Form nichtfinden, wo Wettbewerb und Leistung der Anspornseien und die Konkurrenzsituation die Gruppe zusammenschweiße.Auch sei der Einzelne – sofernes sich nicht um Leistungssportler handele – meistentbehrlich. Aufeinander angewiesen zu sein, gegenseitigeAnerkennung zu finden und das Gefühl,gebraucht zu werden, und eine klar definierte Verantwortungseien dagegen der Kitt, der eine <strong>Pfadfinder</strong>gruppezusammenhalte.Eine Sippe zum Beispiel. Sie ist die kleinsteEinheit eines Stammes, im Idealfall zwischen sechsund acht Personen groß und nicht nach Stärkenoder Geschlecht gebildet, sondern nach ähnlichemAlter. Eine Schicksalsgemeinschaft en miniature,deren Mit glie der sich selbst erziehen und unterwegsmit den Stärken des einen die Schwächen desanderen ausgleichen. Heimweh, Erschöpfung,Schludrigkeit, Übermut. Das Sippensystem, hatBaden-Powell geschrieben, sei das »wesentlicheMerkmal, in der sich die <strong>Pfadfinder</strong>erziehung vonder aller anderen Organisationen unterscheidet«.Sippen, Stämme, Fahrten. Über Jahre hin hatsich die <strong>Pfadfinder</strong>ei im Leben des Albert Sonnabendimmer mehr ausgedehnt. Selbst im eigenenZimmer ist er noch auf Fahrt. Wie in einem etwaswirren Themenraum hängen darin Fotos von Lagerfeuernan der Wand, ein aus einer Gitarre gebasteltesBücherregal, und auf dem Laminatbodenliegt eine seiner ersten Steinmetzarbeiten wie eingroßer Türstopper. »Stamm Roter Löwe« ist darineingemeißelt. Und vier »Affen« stapeln sich imSchrank, fellüberzogene, an vielen Lagerfeuern geräucherteRucksäcke. Mit zwei weiteren Freundenhat Sonnabend vor wenigen Monaten die Wohngemeinschaftgegründet. Ein Student ist mit eingezogenund Felix Niehoff, ein 18-jähriger Schüler,für den <strong>Pfadfinder</strong>ei längst aufgehört hat,Hobby zu sein. Seine Gruppe sei vielmehr eine»Lebensgemeinschaft über den Tag hinaus«.Diese könnte allerdings früher enden als erträumt.Schon im nächsten Jahr wird Felix Jazzgitarrein Berkeley studieren. Bis dahin allerdingswerden sie sich auf der Terrasse noch häufig Geschichtenerzählen wie die, als sie vom letzten Geldeine Packung Tiefkühlspinat für einen verstauchtenKnöchel gekauft haben. Und sollte AlbertSonnabends ehemalige Mitschülerin Daniela zuBesuch sein, wird sie wieder die Augen rollen, weildiese Geschichten »Geschlossene Gesellschaft!«heißen und den Schlüssel zur Pointe offenbar nurbesitzt, wer dabei gewesen ist.Das war sie nie, weil sie <strong>Pfadfinder</strong> erst in derOberstufe kennenlernte. Zu spät, wie sie glaubt.Nr. 33 DIE ZEITS.12 SCHWARZ cyan magenta yellow


Nr. 33 DIE ZEIT S. 13SCHWARZ cyan magenta yellow9. August 2007 DIE ZEIT Nr. 33 DOSSIER 13SCHALL UND RAUCH: <strong>Pfadfinder</strong> beim Gitarrespielen und in einer verqualmten Jurte, dazwischen ein Lagerfeuer mit Stockbrot»Da hat man doch meist Hobbys, die man lieberalleine macht.« Nein, kauzig oder sonst besondersauffällig habe sie die mit den Halstüchernnie gefunden, sagt sie. Während Felix vermutet,dass <strong>Pfadfinder</strong> insgeheim doch Eindruck machen.Erst kürzlich habe ihn ein Mädchen angesprochen:»Bist du nicht derjenige, der am RheinFeuer machen konnte?«Feuer, es ist immer das Feuer, das in Erinnerungbleibt. Zum Brandzeichen der Or ga ni sationist es geworden, das je nach Perspektive füreine romantisch versponnene Weltsicht stehtoder auch für einen Ort, an dem etwas Ruheherrscht vor Noten, Marken, Privatfernsehen.Ein Ort, der in den Medien nicht stattfindet,weil ihm das Spektakuläre fehlt, und der kaumStreit- oder Skandalpotenzial besitzt.Und wie mit dem Feuer ist es mit der <strong>Pfadfinder</strong>eiüberhaupt. Über <strong>Pfadfinder</strong> lässt sich reden,aber nicht kontrovers diskutieren wie überdie Jugendbewegungen der Moderne, die fastimmer mit einer Provokation auf die öffentlicheBühne gesprungen sind. <strong>Pfadfinder</strong> nicht.Sie geben keinen Anstoß zu Debatten überDrogen wie die Love-Parade oder über Gewaltan Schulen, wie es Computerspiele getan haben.Über <strong>Pfadfinder</strong> mag man Vorurteile haben, aberselten eine Meinung – das Höchstmaß der Kritikist, dass sie einem egal sind. Welcher Werbekundewürde sich für eine solche Gruppe interessieren?Und wer wittert ein Geschäft mit einerSzene, die in der Zeit des Leichtbauzeltes aufKon struk tio nen aus Stoff und Holz vertraut, diestatt Goretex lieber Schlupfjacken aus Wolltuchträgt und selber singt, statt iPod zu hören?Das Zeltlager als attraktiverGegenentwurf zur Designwelt"BÜNDE, RINGE, DACHVERBÄNDEWer ist wer?In Deutschland gibt es zahlreiche Bünde undOrganisationen. Nur vier von ihnen gehörenaber dem Ring deutscher <strong>Pfadfinder</strong>verbändean und über diesen einem der beiden Weltpfadfinderverbände.DPSG: Die katholische Deutsche <strong>Pfadfinder</strong>schaftSt. Georg ist der größte deutsche <strong>Pfadfinder</strong>verband(www.dpsg.de)PSG: <strong>Pfadfinder</strong>innenschaft St. Georg, derkatholische Mädchenverband (www.psg-bundesverband.de)Die äußere Form möge über Jahrzehnte gleichgeblieben sein, die Idee sei aber hochaktuell, sagtChristian Lüders vom Deutschen Jugendinstitut(DJI) über <strong>Pfadfinder</strong>ei. Ein Gegenentwurf zurDesignwelt, »wo man sich auch mal die Händeschmutzig machen darf«. Ein hohes Maß an Autonomiebiete sie, um die eigene Lebenswelt zugestalten. Wo könnten Jugendliche das noch finden?Natürlich ließen sich Rücksichtnahme oderVerantwortung auch in anderen Vereinen lernen.Allerdings besäßen diese immer einen speziellenZuschnitt, während <strong>Pfadfinder</strong>ei alle Bereichevon musisch bis technisch abdecke, ohne rückwärtsgewandtzu sein.Ähnlich wie die Kirchen, sagt Lüders, stelltensich auch die <strong>Pfadfinder</strong> die Frage, wie sie sichmodernisieren könnten, ohne dabei ihren Kernzu verletzen. Bislang sei das gelungen. Einen »extremdynamischen Haufen« nennt er sie, bereit,Ideen und Techniken wie GPS oder Internet inseine Arbeit zu integrieren. »Das sind aufgeweckteLeute und nah dran am Leben.«Ein extremer Gegenpol zur Designwelt istExploris, das Lager des Deutschen <strong>Pfadfinder</strong>verbandes(DPV), eine Zeltstadt mit 5000 Einwohnern,ein Wald aus entasteten Stangen undRauchsäulen, auf denen der Himmel wie eingraues Zeltdach hängt. Fahnen wehen an Masten,und über braun getretene Graswege gehenJungen in Jeans und Kniebundhosen und Mädchenin akkurater Kluft oder in Trainingsjacken,auf denen Halstücher baumeln. Auch etwasschratige Typen sind darunter, mit gewaltigenMessern am Hosenbund wie unterwegs zurGrizzlyjagd oder mit Koppel und jenem breitkrempigenHut aus Wollfilz, den man bis dahinnur vom Enten-Oberst aus Walt Disneys »<strong>Fähnlein</strong>Fieselschweif« kannte.Um einen großen Platz liegen imposante Jurtenkonstruktionen,mit Feuer geheizte Badetrögeund einige Zeltcafés. Entfernt am Waldrandstehen Batterien von Chemieklos als Zugeständnis,dass auch der Reiz des Ursprünglichen seineGrenzen kennt, und an den Waschstellen hängenlange Listen mit einem Programm, in das ingroßen Wellen die Außenwelt schwappt: japanischesSchwertfechten, Schwitzhütte bauen,Besuch beim Kölner Stadt-Anzeiger, Bewerbungstraining.Etwas verunsichert betrachten Spaziergänger,was für ein seltsamer Wanderzirkus vier Tagelang auf ihren Äckern gastiert. Herr und FrauDraeger aus Schwalmtal zum Beispiel, die <strong>Pfadfinder</strong>eifür eine gute Sache halten, auch wennsie sich nicht recht einigen können, ob derenAufgabe nun Nächstenhilfe oder Nächstenliebesei. Aber von der Straße seien die Jugendlichenschon mal weg, sagt Herr Draeger, und schönsingen könnten sie auch.Da kann er nicht alle Beiträge des Singewettstreitsam Baldachin aus schwarzem Zeltstoff gehörthaben. Nicht die Coverversion von ReinhardMeys Über den Wolken und auch nicht das Lied,in dem den Indianern die Jagdgründe schrumpfen.Vielleicht meint Herr Draeger die pathoslastigendeutschen Lieder, wie sie in diesemMoment Mitglieder des Stammes Roter Löwevortragen. Mädchen in Röcken, und Albert Sonnabendmit seinen Freunden wieder mit Barettund Lederhose, in der Hand ein Banner. Mehrstimmigsingen sie und so ernsthaft, dass die Mitarbeiterineines Radiosenders leise ihren Nachbarnfragt, ob das nicht etwas unheimlich sei.Es ist der ewige, diffuse Verdacht, der den<strong>Pfadfinder</strong>n anhängt: Könnte es nicht doch einerechtsextreme Organisation sein? Selten wird dieVermutung ausgesprochen, eher wabert sie beimAnblick junger Menschen in Kluft und Lederhosenim Kopf umher. Ein Affekt, der sich nichtaus programmatischen Inhalten ableitet, sondernaus der irgendwie verstörenden Tatsache, dassdiese Jugendlichen eben diese Kluft tragen – alsoeine Art von Uniform.Belege für solche Mutmaßungen finden sichallerdings weder in der Gegenwart noch in derVergangenheit. Bereits 1933 wurden die <strong>Pfadfinder</strong>verbändein Deutschland verboten, den Nationalsozialistenmissfiel vor allem die internationaleAusrichtung. Wer weiterhin eine Gruppeführte, kam ins Zuchthaus oder Konzentrationslager,das waren nicht wenige. Nur die Deutsche<strong>Pfadfinder</strong>schaft St. Georg (DPSG) rettete zunächstein Staatsvertrag zwischen DeutschemReich und Vatikan, 1938 musste auch sie ihreArbeit einstellen.VCP: Verband Christlicher <strong>Pfadfinder</strong>innenund <strong>Pfadfinder</strong>, evangelisch (www.vcp.de)BdP: Bund der <strong>Pfadfinder</strong>innen und <strong>Pfadfinder</strong>,ein interkonfessioneller Bund.Weitere Homepages:DPV: Deutscher <strong>Pfadfinder</strong>verband, ein interkonfessionellerund parteipolitisch unabhängigerDachverband für <strong>Pfadfinder</strong>bündeund -gemeinschaftenwww.scouting100.de: Aktionshomepage derRingverbändeWenn rechtsextreme Gruppen heute von den<strong>Pfadfinder</strong>n Elemente übernähmen, sagt ChristianLüders, könne man das nicht den <strong>Pfadfinder</strong>n vorwerfen.Hemd und Halstuch seien schon unter Baden-Powellinternationales Erkennungszeichen gewesenund sollten ursprünglich soziale Unterschiedeüberdecken. »Das Dilemma ist, dass weder der Name<strong>Pfadfinder</strong> noch die Symbole geschützt sind.«Viele Ortsgruppen haben einenhohen GymnasiastenanteilWE 2498» Ihre Weine:Vollmundiger Chianti: Chianti Riserva, »Terre de Priori« DOCG, 2004RechnungsanschriftName, VornameStraße / Nr.Telefon Geburtsdatum E-MailGENUSSEDITION WEINIn Zeiten, in denen auch in der Weinwelt allzu oft geschmackliche Einförmigkeit herrscht, haben wir uns auf die Suche nach dem Eigenen,Regionalen, Authentischen gemacht. Die Expertenjury des Zeitverlags hat für Sie sechs Perlen toskanischer Weinkunst ausgewählt,die wir Ihnen im Genusspaket zum Kauf anbieten. Es ist nicht nur die herausragende Qualität, die diese Weine auszeichnet. Sie sind eben auchauthentische Vertreter ihrer Heimat, voller Identität und Charakter. Eine einzigartige und limitierte Selektion, die nur für kurze Zeit verfügbar ist.Sechs Meisterwerkeder ToskanaChianti Classico mit Charakter: Chianti Classico, Fattoria Poggiopiano DOCG, 2005Fruchtiger Morellino: Morellino di Scansano, DOC, 2006Exquisit-eleganter Nobile: Vino Nobile di Montepulciano, »Poggio Ulivi«, DOCG, 2002Vernaccia voll Harmonie: Vernaccia di San Gimignano, Fattoria Fugnano, DOCG, 2006Chardonnay mit Zukunft: Ser Piero, IGT, 2006» Ihre Vorteile:1. Exklusiv und limitiert: Mit dem Genusspaket »Toskana« sichern Sie sich ein exklusivesWeinerlebnis mit den besten Tropfen der Toskana. Das Paket ist nicht im Handel erhältlichund auf 2500 Exemplare limitiert.2. Mit Weinguide »Toskana«: Das 64-seitige Begleitbuch im Wert von € 14,90 macht Sie zumExperten für die Weinregion Toskana.3. Günstig: Sie genießen besonders günstig, denn im Vergleich zum Einzelkauf sparen Sieüber 18 %.» Lesen Sie auch im ZEITmagazin LEBEN:Alles über den Vernaccia di San Gimignano vom Weingut Fattoria di Fugnano.Ja, ich bestelle die ZEIT Genussedition »Toskana« mit 6 Weinen!Ich bezahle nur € 69,– (zzgl. € 5,90 Porto) und spare somit über 18 % im Vergleich zum Einzelkauf.Die auf 2500 Exemplare limitierte ZEIT Genussedition mit 6 Weinen und dem ZEIT Weinguide Toskana enthält:• Chianti Riserva, »Terre de Priori«, DOCG, 2004 (0,75 l, Einzelpreis € 13,90, € 18,53/l);• Chianti Classico, Fattoria Poggiopiano, DOCG, 2005 (0,75 l, Einzelpreis € 11,90, € 15,87/l);• Morellino di Scansano, DOC, 2006 (0,75 l, Einzelpreis € 9,90, € 13,20/l);• Vino Nobile di Montepulciano, »Poggio Ulivi«, DOCG, 2002 (0,75 l, Einzelpreis € 15,90, € 21,20/l);• Vernaccia di San Gimignano, Fattoria Fugnano, DOCG, 2006 (0,75 l, Einzelpreis € 6,90, € 9,20/l);• Ser Piero, IGT, 2006 (0,75 l, Einzelpreis € 9,90, € 13,20/l)Bestellnr.: 6100 Anzahl:Sie wollen die Weine lieber einzeln bestellen?Einfach anrufen unter 01805-455 606 (0,14 € / Min. aus dem dt. Festnetz) oder im Internet: www.zeit-weinedition.dePLZ / WohnortLieferanschrift (falls abweichend)Name, VornameStraße / Nr.DatumUnterschriftObwohl sich <strong>Pfadfinder</strong>gruppen gegen Neonazisengagierten, müssten sich die Verbände noch schärfergegen Rechtsextreme abgrenzen. Im Zweifelsfallkönne der Laie schließlich nicht wissen, was Originalund was Fälschung sei. Und warum, fragt Lüders,sollten sie auf die Kluft verzichten?»Wir leben doch in Wahrheit nicht in der individualisierten,sondern in der pluralisierten Gesellschaft.Jede Gruppe praktiziert ihre nach außen getrageneZugehörigkeit: Ob Grufties im Konzert oderFußballfans. An denen stößt sich aber niemand.«Hemd und Halstuch seien das Zeichen eines Verbandes,der sich immer zu demokratischen Strukturenbekannt habe. »Hier gehöre ich dazu!«, bedeutedie Kluft. »Und wo sie hingehören«, sagt Lüders,»das wissen heute leider viel zu wenige.«Ja, natürlich sei ihm bewusst, dass Nichtpfadfindersie mitunter für Nazis hielten, sagt SteinmetzlehrlingSonnabend, auf die Gitarre gestützt wieauf einen Spaten. Deutsche Lieder, Lederhose undBarett, das sei offenbar eine Gleichung, die leicht»rechtsextrem« ergebe. So oft scheint er die Fragedanach schon gehört zu haben, dass seine Antwortenroutiniert-rhetorisch klingen. Wieso nicht Sippen-oder Stammesführer sagen, wenn es auch Lokführergebe? Warum nicht Halstuch tragen, nurweil es die HJ entliehen hat?Für Sebastian »Klößchen« Ebendorff vom StammVagabunden aus Westerfilde, dessen Zelte nur wenigeMeter entfernt stehen, ist die Kluft weniger eine politischeals eine modische Frage. »Andere tragen ihreHosen hier«, sagt er und sackt mit den Händen aufKniehöhe. »Da finde ich unseren Style viel besser.«Mit knapp 15 Mitgliedern sind die Vagabundenins Exploris-Lager angereist, zu Fuß hat SebastiansSippe rund 25 Kilometer der Strecke zurückgelegt.So zügig seien sie marschiert, erzählt er und zieht ander ewig rutschenden Jeans, dass sie viel zu früh amLagergrund angekommen wären – da haben sie diehalbe Nacht an einer Tankstelle verbracht, gemeinsammit anderen vom Regen überraschten <strong>Pfadfinder</strong>n,die dort saßen, in aufgeschnittene Müllsäckegehüllt.Am Nachmittag haben sie dann auf einer LichtungSketche für den Jurtenabend geprobt, und alsder Förster kam, wurde den Dortmundern plötzlichwieder klar, dass ein Wald mehr ist als eine Ansammlungvon Bäumen. Sie sollten vor einer trächtigenBache auf der Hut sein. Da sind sie schnelldurchs Dickicht zurückgegangen.Das ist der Reiz an der Natur, dass nichts vorhersehbarist und sie sich jeder Planbarkeit entzieht.Ein Vollprogramm, das keine Anfangszeiten kenntund keine Werbeblöcke zum Umschalten. Das geheimnisvollbleibt und still und spannend, selbstwenn nichts geschieht. Wo sich mit jedem knackendenAst und jeder auf die Zeltplane fallenden EichelGroßes anzukündigen scheint und die Luftnicht nach U-Bahn-Schacht und Videothek riecht,sondern nach Laub und Farnen. Sich in ihr zu behaupten,das heißt Natur. Selbst zurechtzukommen,egal wie es kommt. Für einen Nachmittag,einen Tag oder eine Nacht.Pascal Elf ist mit 18 Jahren inzwischen fast derSenior des Stammes Vagabunden und offenbar derEinzige ohne Spitznamen, bis jemand vorübergehtund sagt: »Hallo, Schlampe!«, und Pascal ruft:»Klappe!« Schon als Wölfling – im <strong>Pfadfinder</strong>jargondie Jüngsten – war er dabei. Durchgängig bisheute, mit Ausnahme einer achtmonatigen Auszeit,verursacht durch seine Exfreundin. Das, schwört er,passiere ihm nicht wieder. »Wenn ich noch mal einenehme, dann nur eine mit Halstuch.«Mittlerweile ist er Stammesführer von rund 30durchschnittlich 16,4 Jahre alten Mitgliedern, wieer kürzlich berechnet hat. Mehr als zwei Jahre be-Fortsetzung auf Seite 15Jetzt bestellen unter:01805-455 606*PLZ / Wohnort*0,14 €/Min. aus dem dt. FestnetzExklusiverZEIT-Preisnur € 69,–statt € 83,30Inkl. Weinguide »Toskana«Dieses Angebot gilt nur für Lieferadressen innerhalb Deutschlands und solange der Vorrat reicht. Auslandspreise aufAnfrage. 14 Tage Rückgaberecht. Die AGB zum Nachlesen: www.zeit.de/shopBestellanschrift: ZEIT-Shop, Kundenservice, 74569 BlaufeldenE-Mail: zeitshop@zeit.de, Telefon: 01805–455 606*Fax: 07953–883 509, Internet: www.zeit-weinedition.de*0,14 € / Min. aus dem dt. Festnetzwww.zeit-weinedition.deNr. 33 DIE ZEITS.13 SCHWARZ cyan magenta yellow


Nr. 33 DIE ZEIT S. 15SCHWARZ cyan magenta yellow9. August 2007 DIE ZEIT Nr. 33 DOSSIER 15DER PFADFINDERSTAMM Königswinter/Bonn bei einer Aktion für die Jüngsten. Wursttablett nach dem Frühstück. Hilfe beim Halstuchbinden. Ein zum Lüften aufgehängtes <strong>Pfadfinder</strong>hemdalle Fotos: Andre Zelck für DIE ZEIT<strong>Fähnlein</strong> <strong>Unverzagt</strong>Fortsetzung von Seite 13reits, weil sein Vorgänger überraschend aufhörte.Aber Führungsprobleme haben bei den VagabundenTradition wie bei anderen Stämmen Singerunden.Sie setzen hier immer einige Jahre früher einals in den vielen bürgerlich geprägten Ortsgruppenmit hohem Gymnasiastenanteil, wo <strong>Pfadfinder</strong>laufbahnenfrühestens nach dem Abitur undmanchmal auch erst nach dem Studium enden –aber selten im Lehrlingsalter.Ein Haufen statistischer Sonderfälle sind dieWesterfilder. Hauptschüler sind darunter, Realschüler,Kinder aus Projekten wie Betreutes Wohnen.Nicht die Art von sozial privilegierten Ju gendlichen,auf die der Begriff »kreative Freizeitelite«aus der Shell-Jugendstudie zutrifft – als solchewürde der Jugendforscher Hurrelmann die <strong>Pfadfinder</strong>grundsätzlich bezeichnen.Knapp 15 Jahre alt war Pascal, als er das Amtdes Stammesführers übernahm. Heute, sagt er,stelle er Zuschussanträge mit links und gestalte dieHomepage seiner Gruppe. Er kalkuliert vor Wochenendfahrtendas Essen wie in einer Großkücheund kümmert sich um Farbe und Holzplatten fürdie Renovierung des Heimes – drei Zimmer undein Kabuff, wie man in Westerfilde sagt, in einemtristen Wohnblock. Wie Pascal über sich spricht,das klingt, als habe er in den vergangenen Jahrenin einem Entwicklungsbeschleuniger gesteckt, dernicht schneller alt, aber früher reif macht.Zu reif allerdings auch nicht. Sonst hätte er dieAusbildung zum Informationstechniker nicht wegenzu vieler Fehlstunden abbrechen müssen: über20 in einem Monat. War nicht sein Ding, täglichsechs Stunden lang Lehrern zuzuhören, die vonTechnik weniger Ahnung hatten als er und wo esstatt Verantwortung Hausaufgaben gab. Etwasmehr vom Einsatz ihres Sohnes für die <strong>Pfadfinder</strong>hätten sie sich schon für die Schule gewünscht, sagendie Eltern, die ihn in seiner Freizeit unterstützen,wie es andere Eltern in Vereinen tun.Fliegt der Stamm mit einer Billig-Airline nachItalien, dann verteilt Corinna Elf an ihren MannDieter und ihren Sohn Pascal eine Runde Zigaretten,und in einer Wolke aus Innennebel geht es imAuto mit einem Berg von Rucksäcken zum DüsseldorferFlughafen. Herr Elf am Steuer, Frau Elfdaneben, Pascal hinten. »In der Schule«, sagt HerrElf, während die Zigarette zwischen Schnauz undUnterlippe wippt, »konnte er natürlich nicht wiebei den <strong>Pfadfinder</strong>n sagen: Komm, das mache ichmorgen!« – »Aber das macht er bei den <strong>Pfadfinder</strong>nja gar nicht, seltsamerweise«, korrigiert seineFrau und schaut nach hinten zu ihrem Sohn. Undder schaut nach draußen.Umgeben von lauter Jungen, verlierenmanche Mädchen an SelbstsicherheitWeil er selbst Vorsitzender im Karnevalsverein sei,erzählt Herr Elf kurz vor Gelsenkirchen, wisse eres zu schätzen, wenn sich Jugendliche engagierten.»Kaum treffen die Jungs bei uns das erste Mädchen,da hören die doch auf. Oder kommen nurnoch, tanzen und gehen.« In so einem Stamm gebees mehr Verbindlichkeit. Ob denn <strong>Pfadfinder</strong> diebesseren Jugendlichen seien? Da lacht Frau Elf.»Das sind ganz normale Jugendliche. Selbstständigervielleicht, aber Mist bauen die genauso viel.«Vielleicht etwas weniger Selbstständigkeit hättensich Madlen Wiesners Eltern von ihrer Tochtergewünscht, die jetzt gerade auf einem Strohballenin einer Jurte sitzt und sich beim Sprechen einenHalm um ihren Finger wickelt wie um eine Spule.Nicht an einen einzigen Familienurlaub kann sichdie 26-Jährige in ihrer Jugend erinnern – immerzog sie Fahrten mit den <strong>Pfadfinder</strong>n vor. Seit 16Jahren ist die Vorsitzende des BdP-LandesverbandesNordrhein-Westfalen <strong>Pfadfinder</strong>in. Daserzähle sie Fremden gern und meist mit dem Zusatz:»Auch wenn man’s mir nicht ansieht.«<strong>Pfadfinder</strong>, soll das heißen, können auch blondeFrauen mit Wimperntusche und Tätowierungauf dem Steißbein sein. Das scheint nicht selbstverständlich,für Außenstehende nicht und manchmalauch nicht für die <strong>Pfadfinder</strong>innen selbst.Sonst hätten sie mit einigen Frauen im Landesverbandkürzlich nicht die Frage diskutiert: »Sind wireigentlich alle Mannweiber?«Etwa 80 000 weibliche Mitglieder zählen dieVerbände in Deutschland. In den meisten ist Koeduka tion – gemeinsame Erziehung beider Geschlechter– seit Jahrzehnten Prinzip. Jeder soll allesmachen. Holz hacken, kochen, Zelt aufbauen.Und doch ist das <strong>Pfadfinder</strong>leben offenbar männlichgeprägt geblieben. Aber weshalb hätte sie ineinen reinen Frauenbund gehen sollen, fragt dieVorsitzende zurück. »In der Gesellschaft sind wirdoch auch alle zusammen.«Vielleicht sei der Umgang von Mädchen undJungen in ihrem Bund so selbstverständlich geworden,dass man manchmal nicht mehr sensibelgenug für die verschiedenen Bedürfnisse sei. Darüberhabe sie sich früher wenig Gedankengemacht, weil sie selbst immer durchsetzungsstarkgewesen sei. Sie denke aber inzwischen, dasses nicht wenige Mädchen gebe, die, umgebenvon Jungen, an Selbstsicherheit verlören. Siefindet Veranstaltungen gut, wie sie ihr Landesverbandgelegentlich nur für Mädchen anbietet.Ein Kurs in Motorsägen etwa, »ohne dass gleichein Typ danebensteht und sagt: ›Wie machst dudas denn?‹«Wie lange sie selbst noch <strong>Pfadfinder</strong>in bleibenwird, kann sie nicht sagen. Wenn alles klappt, arbeitetsie bald als Assistentin eines EU-Abgeordnetenin Brüssel.Wann ist man eigentlich zu alt als <strong>Pfadfinder</strong>?Das kann auch Roland Baetzel nicht beantworten,der seit über 30 Jahren auf den Namen Mose«hört. Mit 40 Jahren ist er der mit Abstand jüngsteVorsitzende, den sein Bund, der BdP, je hatte. Aberaus der Sicht der Zielgruppe, sagt er, sei ein 40-Jähriger »natürlich schon ein alter Sack«. In derMittagssonne steht Baetzel vor einem der schwarzenZelte, das seinen Schatten schluckt.Ein schönes Gelände im nordhessischen Immenhausenist es, auf dem sein Bund ein Wochenendelang das Jubiläum der Bewegung feiert. Vielhessischer Wald und von einem Bach durchzogeneWiesen. Auch Ehemalige sind gekommen, die anden Jurten ihrer früheren Stämme stehen bleibenwie vor einem Haus, in dem man einst gewohnthat und nun kaum noch einen Mieter kennt. Hinund wieder unterhalten sich dann die Jungen mitden grauhaarigen Jugendarbeitsveteranen, die fürsich die Frage, wann es aufhört mit der <strong>Pfadfinder</strong>ei,längst mit »Nie« beantwortet haben.Der klassische Fall von Loslassensollen und Loslassen kön nen. Warum sollte man auch, wenn esden <strong>Pfadfinder</strong>n an Personal mangelt wie denmeisten auf Ehrenamtliche angewiesenen Organisationen?In nicht wenigen Stämmen ist der Leitsatz»Jugend für Jugend« vom hehren Prinzip zurschieren Notwendigkeit geworden.»Aber wir sind nun mal eine Ju gend orga ni sation«,sagt Roland Baetzel. Die aktive Arbeit solltenJüngere übernehmen. Wenn diese Amtszeitvorüber sei, dann sei für ihn erst einmal Schluss.Probleme, um die er sich kümmern muss, gibt esbis dahin noch genug. Und auch für seine Nachfolgerwerden sie noch reichen. Wie etwa, in OstdeutschlandTritt zu fassen, wo offenbar die eigeneMethode nicht greift und auch nach über 15 JahrenLearning by Doing die Idee der <strong>Pfadfinder</strong>eiein Feuer ist, das einfach nicht zünden will.Im Osten Deutschlands stehen Hemdund Halstuch für GleichförmigkeitOffenbar reicht es nicht, pfadfinderische »Starter-Sets« zu verschicken – so hatte man es kurz nachder Wende versucht. Wie bei Ikea. Nur gab es stattBesteck und Teller für die erste Wohnung auf Anfrageeine Kote und Literatur für den ersten Stamm.Ein <strong>Pfadfinder</strong>-Bastelsatz in Lebensgröße, allerdingsfehlten im Paket immer erfahrene Leiter. Vonden aus Starter-Sets des BdP in Ostdeutschlandentstandenen Gruppen existiert heute noch eine.Fast alle <strong>Pfadfinder</strong>verbände laborieren daran,dass ostdeutsche Jugendliche lieber zum TechnischenHilfswerk oder zur freiwilligen Feuerwehrgehen. Dazu kommen spezifische Probleme. Denkatholischen Bünden fehlt zum Aufbau von Gruppenein Netz aus Gemeinden. Und dem BdP, sagtRoland Baetzel, habe seine blaue Kluft im Ostenauch nicht gerade geholfen. Wer soll auch verstehen,dass Hemd und Halstuch, die doch jahrzehntelangfür Gleichförmigkeit standen, plötzlich dieKluft der Individualität sein sollen?Zumindest auf Burg Ludwigstein, unweit vonKassel inmitten von dichtem Wald und Streuobstwiesen,besitzen auch die ostdeutschen <strong>Pfadfinder</strong>nun auf ewig ihren Platz. In Schränken und hintertresorähnlichen Schiebetüren lagert dort die Geschichteder Jugendbewegung und – zumindesteines Teils – der <strong>Pfadfinder</strong>. 26 000 Bücher, 3500Zeitschriften, 620 Regalmeter Akten, 160 000 Fotos.Fahnen und Wimpel werden gesammelt undHalstücher, die wie in einer Krawattenhandlungsorgsam gewickelt in Schubladen liegen.Eine kleine Ausstellung von <strong>Pfadfinder</strong>n zeigtman im Turm des Hauptgebäudes: Kluft, Fahnen,Abzeichen. Etwas Museales hat die Sammlung, alswären die <strong>Pfadfinder</strong> da angekommen, wo sie einGroßteil der Gesellschaft ohnehin längst vermutet.Auf Karton kleben Bilder aus verschiedenen Jahrzehnten,irritierende Aufnahmen sind das, fixiertin einem Bad aus Zeitlosigkeit. Nie lässt sich dasDatum aus Kleidung oder Frisuren, allenfalls ausGegenständen ableiten.Auf einem Bild ist ein Mann zu sehen, eine ArtKniebundhose trägt er, hohe Socken und Hemd.Einer der kauzigen Typen, wie sie in einigen Lagernbis heute zu sehen sind. »Erstes Zeltlager der<strong>Pfadfinder</strong> auf Brownsea Island, 1907«, steht unterdem Foto, »Lord Baden-Powell«.ZEIT-Scrabble-Sommer (8)Vielleicht sollten wir das nächsteZEIT-Scrabble-Turnier inMittelamerika veranstalten.Denn Deutschlands Scrabblersind dort offenbar so gut wie zuHause. Zumindest dachten erstaunlichviele an den QUET-Zum vorletzten Mal jetzt dieFrage: Was lässt sich aus denSteinen auf dem Bänkchenmachen? Außer sechs Buchstabengibt’s diesmal auch nocheinen Blankostein. Da sollte esnicht all zu schwer sein …Das sind die Preise:EINE REISENACH KOH SAMUI,THAILAND,für 2 Personen von Meier’sWeltreisen: Flug und 7 Übernachtungeninkl. Frühstückim 4-Sterne-Hotel BlueLagoon Samui. Diese Reise(und eine Einladung zumScrabble-Turnier) kann gewinnen,wer nach 10 Rundendie höchste Gesamtpunktzahlgesammelt hatZAL, als vergange ne WocheZIUELQT auf dem Bänkchenlag und auf dem Brett ein verlockendesA.Was ein Quetzal ist? Laut Dudenein bunter Urwaldvogel,gleichzeitig der Wappenvogelvon Guatemala und auch nochdie dortige Währungseinheit.Für den Scrabbler aber in dergegebenen Spielsituation einewunderbare Gelegenheit, satte57 Punkte zu kassieren. (UndBarbara Nägele aus Göttingenkam so, dem Losglück seiDank, auch zu einer Einladungnach Bad Sassendorf.)Wer in Mittelamerika allerdingsimmer nur TEQUILAgetrunken hat, der konnte damitauf 1D–1J leider nur 54Punkte erzielen.Teilen Sie uns Ihr bestes Wortbitte unter folgender Telefonnummermit:0900-330 00 24(computel, 0,41 Euro/Min.aus dem deutschen Festnetz;für Anrufe aus dem euro päischenAusland wählen Sie bitte0049/1805-24 20 14).Oder geben Sie Ihren Vorschlagim Internet ein, unter:www.zeit.de/scrabble.Bitte nennen Sie dabei dasWort, das Sie legen wollen, dieKoordinaten, die Punktezahl,Namen, Anschrift und Ihre Telefonnummer,damit wir Siegleich verständigen können,falls Sie gewonnen haben.Teilnahmeschluss ist in jedemFall Montag, 13. August 2007,12 Uhr50-MAL DER NEUE DUDEN»RICHTIGES UND GUTES DEUTSCH«Eben ist die 6., völlig neu überarbeitete Auflage diesesRatgebers zu allen Zweifelsfragen der deutschenSprache erschienen (www.duden.de). Unter allen, diewenigstens in einer Woche die beste Lösung hatten,verlosen wir am Ende des Scrabble-Sommers 50 ExemplareDAS ZEIT-SCRABBLE-TURNIERfindet vom 28. 10. bis 4. 11. 2007 imMaritim-Hotel Schnitterhof inBad Sassendorf statt. Jede Wocheverlosen wir unter den besten Mitspielerneine Einladung zum TurnierMit dem wertreichsten Wort, das uns vorgeschlagen wird, spielen wir nächste Woche weiter. EineTeilnahme per Post, E-Mail oder Fax ist nicht möglich. Es zählen nur Wörter, die im Duden, »Diedeutsche Rechtschreibung«, 24. Auflage, verzeichnet sind – und zwar in allen sprachlich zulässigenBeugungsformen. Eigennamen und Abkürzungen zählen nicht. Es gelten die allgemeinen Scrabble-Regeln in Verbindung mit dem Turnierreglement. Beides finden Sie unter www.scrabble.de im Internet.Über den Wochengewinn und die anderen Gewinne entscheidet das Los, der Rechtsweg istausgeschlossen. Mitarbeiter des Zeitverlags und von ZEIT online dürfen nicht teilnehmen. Die Gewinnekönnen nicht in bar ausgezahlt werden und sind nicht übertragbar.Die Punkte aus den einzelnen Runden werden automatisch registriert und addiert, wenn Sie jedesMal unter dem gleichen Namen und der gleichen Anschrift teilnehmen. Pro Person und Wochewird nur eine Einsendung gewertet, bei mehreren Vorschlägen der Zug mit der höchsten Punktzahl.Unter allen Einsendern einer gültigen Lösung verlosen wir am Ende der neun Wochen außerdemvier Spiele »Scrabble Prestige« und je zwölf Spiele »Scrabble Original« und »Scrabble Kompakt«Nr. 33 DIE ZEITS.15 SCHWARZ cyan magenta yellow

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!