Pyli - Michael Müller Verlag
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164 Die Nordküste<br />
Verlassener Ort in den Bergen: Paleo <strong>Pyli</strong><br />
<strong>Pyli</strong><br />
Der 2400 Einwohner zählende Ort liegt inmitten einer fruchtbaren Hochebene,<br />
300 m über dem Meer. Die Verbindungsstraße vom Insel-Highway<br />
nach <strong>Pyli</strong> führt durch Tomatenfelder und Olivenhaine, um sich dann kurvenreich<br />
durch den Ort zu winden, vorbei an der Platia – dem Mittelpunkt<br />
des Dorflebens.<br />
Das Zentrum bevölkern tagsüber v. a. Touristen, die hier eine Rast einlegen.<br />
Den Kindern von <strong>Pyli</strong> (oft auch Pili geschrieben) dient die Platia als Spielplatz,<br />
den Erwachsenen am frühen Abend als Treffpunkt.<br />
Einen Abstecher in diesen Ort sollten Sie auf keinen Fall versäumen. Denn mit<br />
dem Brunnen Pigi, dem Traditional House sowie dem Charmylos-Grab gibt es<br />
einiges zu sehen. Und dann ist da ja auch noch die Geisterstadt Paleo <strong>Pyli</strong>. In<br />
jüngster Zeit ist <strong>Pyli</strong> aber auch ein heißer Tipp für Kunstfreunde. Denn mit<br />
Kurt Hlavacek hat hier auch ein international anerkannter Künstler sein Atelier<br />
eröffnet.<br />
Geschichte<br />
Bereits in der Antike war das Gebiet bewohnt. Hier siedelte der Stamm der Peleten,<br />
wovon sich der Name <strong>Pyli</strong> ableitet. Doch die Ansiedlung war nur schwer<br />
gegen die Angriffe von Piraten, Vandalen und Westgoten im 5. und 6. Jh. und<br />
die der Normannen und Sarazenen im 7. Jh. zu verteidigen. Also zogen die Bewohner<br />
in die Berge und ließen sich unterhalb der byzantinischen Festung<br />
nieder, hinter deren Mauern sie Schutz finden konnten.<br />
<strong>Pyli</strong>
Quelle<br />
Cultural Center/<br />
Surgery<br />
Basket- Basket-<br />
ballplatz<br />
Taverne<br />
Palea Pigi<br />
Bananas<br />
House<br />
Taverne<br />
Pili<br />
Artshop<br />
Charmylos<br />
Charmylos-<br />
Grab<br />
Traditional<br />
House<br />
Kaserne<br />
Friedhof<br />
Busstop<br />
Gallery<br />
Polizei<br />
<strong>Pyli</strong> 165<br />
Wegen einer Cholera-Epidemie verließen die Einwohner von <strong>Pyli</strong> 1830 ihre<br />
Zuflucht in den Bergen, zogen erneut in Richtung Küste und siedelten an der<br />
Stelle des heutigen <strong>Pyli</strong>. Der verlassene Ort in den Bergen trägt heute den Namen<br />
Paleo <strong>Pyli</strong>, was einfach „das alte <strong>Pyli</strong>“ heißt.<br />
•Verbindungen Mo–Sa fahren 5 x tägl. (So<br />
nur 2 x) Busse von Kos-Stadt nach <strong>Pyli</strong> und<br />
zurück. Die 30-minütige Fahrt kostet 1,80 €.<br />
•Arzt Der ärztliche Dienst ist unter<br />
¢ 22420-41230 zu erreichen.<br />
•Polizei Die kleine Station an der Ortsdurchfahrt<br />
hat die Nummer ¢ 22420-41222.<br />
•Übernachten Das Angebot an Unterkünften<br />
ist bescheiden. Lediglich einige Privatzimmer<br />
für etwa 20 € pro Nacht stehen zur<br />
Auswahl. Auskünfte erhält man in den Tavernen<br />
rund um die Platia.<br />
•Essen und Trinken Mehrere Tavernen<br />
rund um den Dorfplatz und entlang der<br />
Ortsdurchfahrt haben sich auf Touristen<br />
eingestellt: Serviert werden v. a. Snacks<br />
und Getränke.<br />
Kardamena<br />
Ober-<br />
<strong>Pyli</strong><br />
Nieder-<br />
<strong>Pyli</strong><br />
Taverne Pili, im Schatten einer dichten<br />
Bougainvillea lässt sich das bunte Treiben<br />
auf dem Marktplatz prima verfolgen. In der<br />
netten Taverne werden u. a. Pizzen und<br />
Salate serviert. Die Karte bietet eine große<br />
Auswahl an solider, griechischer Kost.<br />
Unmittelbar neben dem Brunnen Pigi finden<br />
Sie die Taverne Palea Pigi (Old Spring), die<br />
zu den empfehlenswertesten des Ortes<br />
zählt. Von der Terrasse, die von einem riesigen<br />
Feigenbaum beschattet wird, blickt<br />
man auf der einen Seite auf den Brunnen<br />
mit den Löwenköpfen hinunter. Auf der anderen<br />
kann man Frösche und Fische in<br />
einem kleinen Teich beobachten. Währenddessen<br />
serviert der freundliche Betreiber<br />
appetitliche Vorspeisen und Grillgerichte zu<br />
Highway, Linopotis<br />
Entfernung Amaniou<br />
Amaniou – Nieder-<strong>Pyli</strong><br />
1,2 km<br />
Ouzeri<br />
Georgios<br />
Taverne<br />
Supermarkt Sydney<br />
Militär<br />
50 m<br />
<strong>Pyli</strong><br />
Lagoudi<br />
Paleo Paleo <strong>Pyli</strong> <strong>Pyli</strong><br />
Das Dikeos-Gebirge<br />
Karte S. 151
166 Die Nordküste<br />
günstigen Preisen. Man kann hier aber<br />
auch nur auf einen eisgekühlten Frappé<br />
einkehren.<br />
•Sport Top ist der Basketballplatz von <strong>Pyli</strong><br />
mit Flutlicht und farbigem Feld.<br />
•Einkaufen Ria und Remko, das Paar aus<br />
den Niederlanden lebt seit 1978 in <strong>Pyli</strong>.<br />
Remko widmet sich Aquarellen und Radierungen,<br />
Ria fertigt Gold- und Silberschmuck.<br />
Die Produkte können Sie in den<br />
beiden Geschäften an der Platia erwerben.<br />
Silberschmuck und Keramiken finden Sie<br />
zudem im Geschäft vis-à-vis, The Mermaid.<br />
Bilder in Acryl und Öl sowie Kunsthandwerk<br />
finden Sie in der Busstop Gallery<br />
(siehe Kasten S. 169).<br />
•Feste Am 23. April feiert man den Namenstag<br />
des heiligen Georg mit einem<br />
Pferderennen. Gut 80 Vierbeiner nehmen<br />
daran teil. An der Stirn des siegreichen<br />
Pferdes wird ein Hühnerei aufgeschlagen!<br />
Ausflug mit Pferden: Reiten auf Kos<br />
Pferdeliebhaber landen auf Kos früher oder später in Amaniou bei <strong>Pyli</strong>. Dort<br />
betreiben Peter Ehrenberg und seine Frau den ausgezeichnet geführten Stall<br />
Alfa-Horse mit eigenem Reit- und Longeplatz. Die Pferde und Ponys kommen<br />
alle aus Deutschland, die Tiere sind geimpft und gepflegt. Das Angebot<br />
reicht von Ponyreiten für Kinder über Anfänger- und Auffrischungskurse bis<br />
zu anspruchsvollen Ausritten für erfahrene Reiter. Ungeübte Reiter werden<br />
geführt, die Sicherheit bei den Ausritten wird großgeschrieben. Eine interessante<br />
Art, die schöne Bergwelt der Insel zu erkunden.<br />
•Adresse Alfa-Horse, <strong>Pyli</strong>, ¢ 22420-<br />
41908, § 22420-48609, www.alfa-horse.de.<br />
•Anfahrt von <strong>Pyli</strong> in Richtung Amaniou<br />
fahren, an der Kirche im Ort links abbiegen.<br />
Sehenswertes<br />
Brunnen Pigi: Von der Platia zweigt eine Straße nach Westen zum 200 m entfernten<br />
Brunnen Pigi (= Quelle) ab, der als Water Spring ausgeschildert ist.<br />
Aus dem Steinquader des Brunnens ragen sechs Rohre, aus denen das Wasser<br />
plätschert. Eine Inschrift belegt, dass das Brunnenhaus 1592 erbaut wurde.<br />
Mitten in den Bergen, doch das Meer stets zum Greifen nah<br />
<strong>Pyli</strong>/Sehen<br />
swertes
Viele Einwohner <strong>Pyli</strong>s kommen noch<br />
heute regelmäßig mit bauchigen Gefäßen<br />
vorbei, um sich das kühle Nass<br />
für den Heimkonsum abzufüllen.<br />
Sollten Sie beobachten, dass jemand<br />
den Brunnen umrundet und aus jedem<br />
der Rohre einen kräftigen<br />
Schluck nimmt, so hat das seine besondere<br />
Bewandtnis: Gerüchten zufolge<br />
soll nämlich dieses Ritual dazu<br />
führen, dass der oder die Betreffende<br />
noch im selben Jahr ihren Auserwählten<br />
oder ihre Auserkorene zum Traualtar<br />
geleitet und diese Ehe mit reichlich<br />
Nachwuchs gesegnet wird. So viel<br />
zur Legende. Tatsächlich ist die<br />
Fruchtbarkeit in nächster Nähe zu<br />
beobachten: Rund um den Pigi-<br />
Brunnen blüht die Natur kraftvoll auf.<br />
Vom Brunnen aus führt ein breiter<br />
Weg leicht bergab. Nach wenigen<br />
Metern sehen Sie rechter Hand die<br />
Überreste eines frühneuzeitlichen Patrizierhauses,<br />
etwa aus dem 17. Jh.<br />
<strong>Pyli</strong>/Sehenswertes 167<br />
Spendet Liebe und Leben<br />
Charmylos-Grab: Knapp 700 m von der Platia entfernt befindet sich ein unterirdisches<br />
antikes Familiengrab, dessen zwölf Totenkammern in den Fels<br />
eingelassen wurden (siehe Karte). In dieser Gruft, die gut erhalten und zu<br />
besichtigen ist, fanden Angehörige des Charmylos-Geschlechts ihre letzte<br />
Ruhestätte. Stammvater dieser Sippe war der Sagenheld Charmylos, der mit<br />
dem Götterboten Hermes verwandt gewesen sein soll.<br />
Auf dem Hügel über der Totenkammer steht eine kleine byzantinische Kirche.<br />
Links neben der Tür sehen Sie antike Fresken, rechts eine Steinplatte mit einer<br />
altgriechischen Inschrift. Sowohl die Fresken als auch die Steinplatte entstammen<br />
dem Grab, und auch in der Kirche sind mehrere Quaderblöcke aus der<br />
Gruft verbaut worden. Die Tür des griechisch-orthodoxen Gotteshauses steht<br />
immer offen. Im Innenraum riecht es nach Kräutern und Räucherwachs, die<br />
Wände schmücken Heiligenbilder, die zum Teil aus Russland stammen. Es ist<br />
kühl, und nur ein ewiges Licht erhellt den weiß gekalkten Raum. Vor dem Eingang<br />
der Kirche steht ein runder Tisch mit Stühlen, der zum Ausruhen<br />
einlädt. Eine alte Frau, die im Haus nebenan wohnt und die Kirche in Ordnung<br />
hält, stellt eine Karaffe mit Wasser auf den Tisch und bietet uns Kaffee<br />
an. Bald kommt ihr Mann hinzu, der früher auf großen Öltankern die Weltmeere<br />
befahren hat und gerne Seemannsgarn spinnt. Auch die Enkelin mit<br />
ihrer Lieblingskatze auf dem Arm und ein neugieriger Nachbar gesellen sich<br />
zu uns, und im Nu sind wir in dieser religiösen Umgebung in ganz irdische<br />
Themen vertieft.<br />
Das Dikeos-Gebirge<br />
Karte S. 151
168 Die Nordküste<br />
Herkules in Frauenkleidern<br />
Gemäß der griechischen Mythologie soll es Herakles, den Sohn des Zeus und<br />
der Alkmene – bei den Römern hieß er Herkules –, auch auf die Insel Kos<br />
verschlagen haben.<br />
Nachdem Herakles seine berühmten zwölf Aufgaben – z. B. den Höllenhund<br />
Cerberus aus der Unterwelt locken oder die Ställe des Augias säubern –<br />
vollbracht hatte, befahl ihm sein Vetter, der König Eurysteus, die Tochter des<br />
Königs Laomedon, Hesione, zu befreien. Sie war von einem Meeresungeheuer<br />
entführt und an einen Felsen gekettet worden. Herakles tötete das Untier,<br />
rettete Hesione und brachte sie zu ihrem Vater. Der wortbrüchige Laomedon<br />
verweigerte ihm jedoch die versprochene Belohnung, worauf Herakles sein<br />
Land verwüstete und plünderte. Mit einer Beute, die sechs Schiffe füllte, stach<br />
er in See, wo er und seine Gefährten in ein furchtbares Unwetter gerieten. Bis<br />
auf Herakles’ Schiff versank die kleine Flotte in der Ägäis. Als Schiffbrüchige<br />
landeten der Held und einige seiner Getreuen auf Kos.<br />
Dort trafen sie den Hirten Antagoras, dem sie ein Schaf abkaufen wollten, um<br />
ihren Hunger zu stillen. Antagoras, der für seine Kraft berühmt war, schlug<br />
den Handel aus und forderte stattdessen einen Zweikampf: Sollte Herakles<br />
siegen, bekäme er das Tier. Herakles willigte ein, der Kampf begann. Viele<br />
Stunden rangen die Muskelprotze, ohne dass es einem gelang, den anderen zu<br />
bezwingen. Mittlerweile hatten sich zahlreiche Schaulustige versammelt, die<br />
den Kampf zunächst beobachteten, schließlich aber zugunsten ihres Landsmannes<br />
Antagoras eingriffen. Dies provozierte die Gefährten des Herakles, die<br />
sich nun ebenfalls in das Geschehen einmischten – der Zweikampf artete in<br />
eine Schlacht aus. Nach einiger Zeit flohen Herakles und seine Gefährten,<br />
geschwächt vom Kampf und den vorangegangenen Strapazen.<br />
Herakles versteckte sich daraufhin im Haus einer Bäuerin, die ihm Frauenkleider<br />
gab. In dieser Aufmachung flüchtete er nach <strong>Pyli</strong>, wo ihn gastfreundliche<br />
Menschen erkannten und aufnahmen. Die Bewohner des Bergdorfes versammelten<br />
sich und entschieden, dass der König von Kos, Eurypilos, der Herakles<br />
in Abwesenheit als Seeräuber verurteilt hatte, in sträflicher Weise das<br />
Gastrecht verletzt hatte. Zusammen mit Herakles führten die Einwohner <strong>Pyli</strong>s,<br />
die Peleten, Krieg gegen den König, den Herakles im Kampf tötete. Die schöne<br />
Königstochter Chalkiope nahm er gefangen. Nach Beendigung der Feindseligkeiten<br />
erkannten die siegreichen Peleten den Sohn von König Eurypiles<br />
als Thronfolger an, und Herakles nahm Chalkiope zur Frau.<br />
Traditional House (paradosiako spiti): 60 Jahre sind vergangen – das Haus<br />
wirkt wie aus einer anderen Welt: ohne Strom, ohne fließendes Wasser, mit<br />
Körben an der Decke, in denen einst Vorräte gelagert waren. Einen Einblick in<br />
den Wohnalltag der 50er Jahre des 20. Jh. erlaubt das Haus an der Platia in<br />
<strong>Pyli</strong>. Das Gebäude selbst ist älter als seine Ausstattung; es wurde vor gut 100<br />
Jahren errichtet.
<strong>Pyli</strong>/Sehenswertes 169<br />
Kurt Hlavacek vor seinem Bild „Stairway“ (rechts)<br />
Solismus aus <strong>Pyli</strong><br />
Vielleicht haben Sie das Signum SOL schon einmal in einer Galerie oder Ausstellung<br />
gesehen. Dahinter verbirgt sich der Maler Kurt Hlavacek. Seine<br />
Werke, farbenfroh und surreal, entstehen in seinem Atelier in <strong>Pyli</strong>, nahe dem<br />
Brunnen Pigi. Doch nicht nur Bilder schafft der Künstler, stetig wächst auch<br />
sein Skulpturenpark. Das Spiel mit Dimensionen hat es ihm besonders<br />
angetan – und wenn die Schatten der Skulpturen über die weißen Wände<br />
wandern, hilft ihm die Sonne eine weitere entstehen zu lassen.<br />
Ein Eigenbrötler ist er nicht, im Gegenteil. „Ich lasse mir auch gerne über die<br />
Schulter gucken“, sagt der Mittfünfziger. Auch Malkurse bietet er an,<br />
vermittelt Techniken, freut sich über Talente. Rund 90 € pro Tag verlangt der<br />
„Begründer des Solismus“, Transport vom Hotel, Essen und Material im Preis<br />
inbegriffen. Seine Werke verkauft er mit seiner Frau Nel Bezemer auch in der<br />
Busstop Gallery an der Durchgangsstraße von <strong>Pyli</strong>, 50 m unterhalb der Platia.<br />
Dort können Sie auch Werke anderer Künstler sowie modernen Schmuck<br />
erwerben. ¢ 22420-42104, busstopgallery.kosweb.com.<br />
In dem Bild „24 Hours Kos“ hat sich Hlavacek mit der Hauptstadt der Insel<br />
auseinandergesetzt. „Jedes Mal, wenn ich die Stadt verlasse, bleiben Eindrücke<br />
hängen. Die habe ich hier gemalt“, sagt Hlavacek. Beispielsweise ein Schiff mit<br />
Menschen, die beim Einlaufen von der Reling herunterschauen, oder die<br />
Brücke, die von der Platane des Hippokrates zum Kastell Neratzia führt.<br />
Das Dikeos-Gebirge<br />
Karte S. 151