Humor in der Psychiatrie
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<strong>Humor</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Psychiatrie</strong>Ich möchte jetzt aus <strong>der</strong> Literatur e<strong>in</strong>iges zum Thema <strong>Humor</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Psychiatrie</strong>br<strong>in</strong>gen. Zuerst grundsätzliches zum <strong>Humor</strong>. Im Duden Herkunftswörterbuchheißt es zum Stichwort <strong>Humor</strong>: Gabe e<strong>in</strong>es Menschen, <strong>der</strong> Unzulänglichkeit<strong>der</strong> Welt und <strong>der</strong> Menschen, den Schwierigkeiten und Missgeschicken desAlltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. Die seelische Gestimmtheit desMenschen ist nach antiken Anschauungen abhängig von verschiedenen imKörper wirksamen Säften. In <strong>der</strong> mittelalterlichen Naturlehre heißen dieseSäfte „humores“ „Feuchtigkeiten“, woraus sich allmählich e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>ereBedeutung „Temperament“ im S<strong>in</strong>ne von (schlechte o<strong>der</strong> gute) Stimmung,Laune entwickelte. Die Entwicklung <strong>der</strong> heute allgeme<strong>in</strong> üblichen positivenBedeutung des Wortes <strong>Humor</strong> vollzog sich unter englischen E<strong>in</strong>fluss.Im folgenden möchte ich nun aus dem ersten wissenschaftlich fundierten Buchzu diesem Thema, erschienen 2011 zitieren. Dieses Buch heißt: „<strong>Humor</strong> <strong>in</strong><strong>Psychiatrie</strong> und Psychotherapie“, Neurobiologie - Methoden - Praxis.Herausgeber<strong>in</strong> ist Prof. Dr. med. Barbara Wild, Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> ArbeitsgruppeKognitive Neuropsychiatrie, Psychiatrische Universitätskl<strong>in</strong>ik Tüb<strong>in</strong>gen undnie<strong>der</strong>gelassen als Ärzt<strong>in</strong> für Neurologie und <strong>Psychiatrie</strong>, Psychotherapie <strong>in</strong>Tüb<strong>in</strong>gen.Wenn Fremdwörter nicht verstanden werden, e<strong>in</strong>fach mich fragen.Ich habe heute Abend dieses Buch mit, wer Interesse hat, kann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pauseo<strong>der</strong> am Ende <strong>der</strong> Veranstaltung re<strong>in</strong>schauen. Auf unserer Homepage, <strong>der</strong>E<strong>in</strong>blicke-Homepage kann me<strong>in</strong> Vortrag auch nachgelesen werden, mitFundstellenangaben.Das Buch „<strong>Humor</strong> <strong>in</strong> <strong>Psychiatrie</strong> und Psychotherapie“ hat 19 Kapitel undBeiträge von 20 Autoren.Ich möchte ganz viel aus dem 15. Kapitel „<strong>Humor</strong>tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit psychiatrischenPatienten“ von <strong>der</strong> Fachärzt<strong>in</strong> für <strong>Psychiatrie</strong> und Psychotherapie an <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ikfür <strong>Psychiatrie</strong> und Psychotherapie <strong>der</strong> Philipps-Universität Marburg Dr. med.Ir<strong>in</strong>a Falkenberg vorstellen.Dort im Kapitel „<strong>Humor</strong>tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit psychiatrischen Patienten“ heißt es:<strong>Humor</strong> und Lachen s<strong>in</strong>d Phänomene, denen allgeme<strong>in</strong> e<strong>in</strong> positiver E<strong>in</strong>fluss aufdie körperliche und seelische Gesundheit zugeschrieben wird. In die heilsameWirkung von <strong>Humor</strong> wird allgeme<strong>in</strong> großes Vertrauen gesetzt, was wohl ambesten <strong>in</strong> bekannten Sprichwörtern und Redewendungen zum Ausdruck kommt,die <strong>Humor</strong> als „Balsam für die Seele“ bezeichnen o<strong>der</strong> Lachen „als die besteMediz<strong>in</strong>....
Ob <strong>Humor</strong> und Lachen wirklich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d diese hohen Erwartungen anihre Heilkraft zu erfüllen, ist bislang noch nicht durch objektive Belegegesichert. In <strong>der</strong> Wissenschaft gibt es jedoch <strong>in</strong> vielen Bereichen Bemühungen,die heilsame Wirkung von <strong>Humor</strong> zu belegen. So gibt es auch e<strong>in</strong>ige vielversprechende Befunde zu den för<strong>der</strong>lichen Auswirkungen von <strong>Humor</strong> aufe<strong>in</strong>zelne Aspekte <strong>der</strong> körperlichen Gesundheit( z.B. auf die Bronchialreaktionvon Asthmapatienten). Insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> seelischen Gesundheit s<strong>in</strong>ddiese Zusammenhänge nicht ausreichend untersucht. Im Folgenden soll e<strong>in</strong>eStudie vorgestellt werden, <strong>der</strong>en Ziel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Etablierung e<strong>in</strong>es Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs von<strong>Humor</strong>fähigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychotherapie <strong>der</strong> majoren Depression bestand.Das psychopathologische Bild <strong>der</strong> majoren Depression ist wesentlichgekennzeichnet durch e<strong>in</strong>e gedrückte Stimmungslage, e<strong>in</strong>e Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung vonMotivation und vor allem durch die verm<strong>in</strong><strong>der</strong>te Fähigkeit, Freude zuempf<strong>in</strong>den, das umfasst sowohl den Verlust des Interesses an Tätigkeiten , diefrüher Freude bereitet haben (Falkenberg Seite 218 mit weiteren Nachweisen),als auch e<strong>in</strong> verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tes Interesse an neue potentiell angenehmen Erlebnissenund Erfahrungen......Auch s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Depression die Selbstwahrnehmung <strong>der</strong> Patienten und ihreE<strong>in</strong>schätzung ihrer Zukunftsperspektiven negativ verzerrt. Wesentliche Ziele <strong>der</strong>Psychotherapie depressiver Störungen s<strong>in</strong>d daher das Ermöglichen e<strong>in</strong>erkognitiven Neubewertung und die Entwicklung von Cop<strong>in</strong>gstrategien,(Falkenberg, Seite 219) mit weiteren Nachweisen, zu Cop<strong>in</strong>g kann auchStressbewältigung gesagt werden. Bevor ich zur Studie komme, noch e<strong>in</strong>igeszum <strong>Humor</strong> von Dr. Falkenberg.E<strong>in</strong> gut ausgeprägter S<strong>in</strong>n für <strong>Humor</strong> kann emotionale Zustände positivbee<strong>in</strong>flussen und das Auftreten positiver Emotionen för<strong>der</strong>n bzw. umgekehrt dasAuftreten negativer Emotionen m<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Darüber h<strong>in</strong>aus stellt <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n für<strong>Humor</strong> e<strong>in</strong>e wichtige Cop<strong>in</strong>gfähigkeit dar, erleichtert also den Umgang mitkle<strong>in</strong>eren und größeren Schwierigkeiten des Lebens und trägt zu <strong>der</strong>enBewältigung bei. Hierfür ist jedoch e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung, dass <strong>der</strong> S<strong>in</strong>nfür <strong>Humor</strong> sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ermutigen<strong>der</strong>, positiver und nicht entwerten<strong>der</strong> Weiseäußert. Ist dies <strong>der</strong> Fall, kann <strong>der</strong> eigene S<strong>in</strong>n für <strong>Humor</strong> sogar die <strong>in</strong>dividuelleVulnerabilität gesun<strong>der</strong> Personen für depressive und ängstliche Zuständem<strong>in</strong><strong>der</strong>n ,(alles Falkenberg Seite 219 mit weiteren Nachweisen).Darüber h<strong>in</strong>aus fällt es Menschen mit e<strong>in</strong>em gut ausgeprägten S<strong>in</strong>n für <strong>Humor</strong>leichter, <strong>in</strong> belastenden Situationen die Perspektive zu wechseln und dieSituation von unterschiedlichen Seiten zu betrachten....Diese Fähigkeit zumPerspektivwechsel erleichtert es die Situationen neu zu bewerten und wenigerals Belastung, denn vielmehr als e<strong>in</strong>e (u. U. sogar positive) Herausfor<strong>der</strong>ung zusehen. Auch gibt es H<strong>in</strong>weise, dass e<strong>in</strong> gut ausgeprägter S<strong>in</strong>n für <strong>Humor</strong> dazubeitragen kann, das Auftreten e<strong>in</strong>er depressiven Verstimmung als Reaktion aufbelastendende Ereignisse zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Beson<strong>der</strong>e Bedeutung für die
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsverlauf zeigte sich ke<strong>in</strong>e signifikante Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellenNeigung zur Erheiterbarkeit. Ebenso war das Ausmaß des E<strong>in</strong>satzes von <strong>Humor</strong>als Cop<strong>in</strong>gstrategie laut Selbste<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Teilnehmer signifikantverbessert.Im Verlauf <strong>der</strong> meisten Sitzungen verbesserte sich signifikant die aktuelleStimmungslage im vorher-Nachher-Vergleich, jedoch war ke<strong>in</strong>e signifikanteLangzeitverbesserung <strong>der</strong> depressiven Stimmungslage zu verzeichnen. NachEnde des Programm zeigten sich die Teilnehmer signifikant stärker überzeugt,das <strong>Humor</strong> bei <strong>der</strong> Bewältigung schwieriger Situationen und auch <strong>in</strong> ihrerpersönlichen Situation hilfreich se<strong>in</strong> kann (Falkenberg, Seite 226).Aus <strong>der</strong> 2 ½ seitigen Diskussion möchte ich nur 2 Sätze zitieren:Um die genauen Zusammenhänge zwischen <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<strong>Humor</strong>fähigkeiten und <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> depressiven Symptomatikbeurteilen zu können, ist e<strong>in</strong>e Replikation <strong>der</strong> Ergebnisse an e<strong>in</strong>er größerenStichprobe und unter E<strong>in</strong>bezug e<strong>in</strong>er Kontrollgruppe erfor<strong>der</strong>lich. (Falkenberg,Seite 227).Die Ergebnisse <strong>der</strong> hier dargestellten Pilotuntersuchung, zusammen mit den imVerlauf dieser und <strong>in</strong> den (laufenden und hier deshalb noch nicht berichteten )Folgesitzungen gesammelten E<strong>in</strong>drücke zeigen, dass Lachen auch und sogar <strong>in</strong><strong>der</strong> Therapie depressiver Patienten erlaubt und von den teilnehmendenPatienten auch sehr erwünscht ist (Falkenberg, Seite 228).Barbara Wild, Seite 47 bis 65:<strong>Humor</strong>, Gesundheit und psychische Erkrankungen – e<strong>in</strong> BeipackzettelBei Patienten mit schweren psychischen Störungen wurde gefunden, dass sieversuchen sozialen Kontakt durch witzige Bemerkungen herzustellen. In <strong>der</strong>Psychotherapie ist die Beziehungsaufnahme zwischen Patient und Therapeutdie Behandlung selbst. Darum s<strong>in</strong>d Therapeuten darauf tra<strong>in</strong>iert die Beziehungsorgfältig zu gestalten. Dazu gehört auch <strong>der</strong> bedachtsame E<strong>in</strong>satz von <strong>Humor</strong>(Wild, Seite 55).Im Schlusswort von Wild, heißt es:Ganz klar ist für alle Autoren, dass nicht je<strong>der</strong> Witz harmlos und hilfreich ist.<strong>Humor</strong> kann missbraucht werden, z.B. vom Therapeuten zur narzisstischerBefriedigung und Selbstdarstellung o<strong>der</strong> zur Vermeidung schwieriger Themen.Als Therapeut muss man mit dem Patienten, nicht über ihn lachen. ... Dabeihängt es... stark von <strong>der</strong> therapeutischen Beziehung ab, ob e<strong>in</strong>e Wild, Seite 304humorvolle Intervention als zynisch und ab wertend o<strong>der</strong> als liebevoll erlebt
wird.... An<strong>der</strong>erseits können auch <strong>Humor</strong>losigkeit und sturer Ernst e<strong>in</strong>eTherapie gefährden. Nicht ohne Grund postuliert Rolf D. Hirsch e<strong>in</strong>„Menschenrecht auf Heiterkeit und <strong>Humor</strong>“, und zwar für Patienten undTherapeuten und fragt: Wäre es nicht an <strong>der</strong> Zeit, auch e<strong>in</strong>e <strong>Humor</strong>anamnesezu erheben.... und zu fragen was e<strong>in</strong> Patient bisher zur För<strong>der</strong>ung se<strong>in</strong>erAlltagsfröhlichkeit und se<strong>in</strong>es <strong>Humor</strong>s gemacht hat?“(Wild, Seite 305 mitweiteren Nachweisen)