Vortrag zum Trialog am 30. Juni 2011 Fachtag der ... - Einblicke eV
Vortrag zum Trialog am 30. Juni 2011 Fachtag der ... - Einblicke eV
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<strong>Vortrag</strong> <strong>zum</strong> <strong>Trialog</strong> <strong>am</strong> <strong>30.</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2011</strong><br />
<strong>Fachtag</strong> <strong>der</strong> DGSP<br />
„Psychiatrische Versorgung im ländlichen Raum“<br />
Forum 1 : „Selbstbestimmung – Wege <strong>der</strong> Genesung“<br />
von Rainer Stötter<br />
Seite 1
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Vortrag</strong> <strong>zum</strong> <strong>Trialog</strong> <strong>am</strong> <strong>30.</strong> <strong>Juni</strong>..................................................................1<br />
<strong>Trialog</strong> praktisch...........................................................................................4<br />
Auf dem Weg zur <strong>Trialog</strong>ischen Psychiatrie.............................................4<br />
Was bedeutet <strong>Trialog</strong>?...............................................................................5<br />
Warum ist <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> Interdisziplinär und universell?............................5<br />
Wer hat den Begriff „<strong>Trialog</strong>“ erfunden?..................................................5<br />
Wer hat den postmo<strong>der</strong>nen <strong>Trialog</strong> erfunden?..........................................6<br />
Warum ist <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> für die Professionellen in <strong>der</strong> Psychiatrie und<br />
Sozialpsychiatrie sowie in allen an<strong>der</strong>en Handlungsfel<strong>der</strong>n Sozialer<br />
Arbeit eine <strong>der</strong> größten Herausfor<strong>der</strong>ungen aller Zeiten?........................7<br />
Wieso streben wir nicht mindestens den „Quattrolog" o<strong>der</strong> gleich den<br />
„Multilog" an?..........................................................................................7<br />
Wo findet <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> praktisch statt?.......................................................8<br />
Wie können wir den <strong>Trialog</strong> aus <strong>der</strong> inzwischen gut implementierten<br />
„Lufthoheit'“) in eine stabile „Bodenhaftung" bringen?...........................9<br />
Qualitätspyr<strong>am</strong>ide...................................................................................10<br />
Magdeburger Thesen...............................................................................11<br />
These 1.................................................................................................11<br />
These 2.................................................................................................11<br />
These 3.................................................................................................11<br />
These 4.................................................................................................11<br />
These 5.................................................................................................11<br />
These 6.................................................................................................11<br />
Der <strong>Trialog</strong> in Thüringen........................................................................12<br />
Die Ausgangslage : Psychiatrie in <strong>der</strong> DDR.......................................12<br />
Die Gegenwart.....................................................................................13<br />
Antistigma-Projekte............................................................................15<br />
Zukunftschancen des <strong>Trialog</strong>s.............................................................16<br />
Der <strong>Trialog</strong> in Neumünster.....................................................................17<br />
Die Entwicklung des Vereins und die Erschließung von Arbeitsfel<strong>der</strong>n<br />
.............................................................................................................17<br />
Entwicklung von Gremien <strong>der</strong> Mitwirkung........................................19<br />
Mitwirkungsmöglichkeiten in <strong>der</strong> Einrichtung...................................20<br />
Psychoseseminar.................................................................................21<br />
Gremienarbeit im Überblick................................................................21<br />
Seite 2
Probleme..............................................................................................21<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an die weitere Arbeit..................................................22<br />
<strong>Trialog</strong> und Genesung.............................................................................23<br />
Seite 3
<strong>Trialog</strong> praktisch<br />
Nachdem wir nun genug über die Selbsthilfe erfahren haben, ist es an <strong>der</strong><br />
Zeit, sich anzusehen, wie diese wohl weitergeht und sich weiter<br />
entwickelt.hat im Lauf <strong>der</strong> Zeit. D<strong>am</strong>it beschäftigt sich nun dieser Teil <strong>der</strong><br />
<strong>Vortrag</strong>sreihe.<br />
Dieser Part hat die Überschrift „<strong>Trialog</strong> praktisch“ und den Untertitel<br />
„ Psychiatrierfahrene, Angehörige und Fachleute gemeins<strong>am</strong> auf dem Weg<br />
zur demokratischen Psychiatrie“. Überschrift und Untertitel sind dem<br />
lesenswerten Buch „<strong>Trialog</strong> praktisch“ von Jürgen Bombosch, Hartwig<br />
Hansen und Jürgen Blume entliehen, welches 2004 im Paranus-Verlag<br />
erschienen ist. Buch und Verlag sind sozusagen progr<strong>am</strong>matisch für diesen<br />
<strong>Vortrag</strong>, weil das Buch sich <strong>zum</strong> Einen ausgiebigst mit dem Phänomen des<br />
<strong>Trialog</strong>s auseinan<strong>der</strong>setzt und <strong>der</strong> Paranus-Verlag aus Neumünster ein<br />
Paradebeispiel ist für die gelungene Umsetzung des trialogischen<br />
Miteinan<strong>der</strong>s. <strong>Trialog</strong> bedeutet im Grunde genommen ein (Ver-)Handeln<br />
auf gleicher Augenhöhe zwischen den drei Gruppen <strong>der</strong> Betroffenen, ihren<br />
Angehörigen und den Profis.<br />
Auf dem Weg zur <strong>Trialog</strong>ischen Psychiatrie<br />
1994 fand <strong>der</strong> legendäre XIV. Weltkongress für Soziale Psychiatrie in<br />
H<strong>am</strong>burg statt. Aus dem Kongress heraus entstand die H<strong>am</strong>burger<br />
Erklärung zu den Perspektiven einer <strong>Trialog</strong>ischen Psychiatrie. In <strong>der</strong><br />
Erklärung heißt es nun:<br />
• „Es hat lange gedauert, bis die Fachleute als Lernende auf<br />
Psychiatrie-Erfahrene und Angehörige zugehen konnten.<br />
• Psychiatrie kann sich aber nur als empirische, das heißt als<br />
Erfahrungswissenschaft bezeichnen, wenn sie die Erfahrungen von<br />
seelisch leidenden Menschen und ihren Angehörigen gleichberechtigt<br />
einbezieht.<br />
• Wir wollen deshalb zu einer gemeins<strong>am</strong>en Sprache finden, die von<br />
Patienten, Angehörigen und Therapeuten verstanden wird"<br />
Diese Feststellungen haben bis heute noch Gültigkeit. Wie wir noch sehen<br />
werden, ist es nach wie vor ein weiter Weg in Richtung <strong>Trialog</strong>ische<br />
Psychiatrie, weil die echten Reformbestrebungen lei<strong>der</strong> nach wie vor noch<br />
ausstehen.<br />
Seite 4
Was bedeutet <strong>Trialog</strong>?<br />
Was bedeutet nun <strong>Trialog</strong> im Einzelnen? In Martin Wollschläger:<br />
Sozialpsychiatrie 2001 finden wir eine Definition:<br />
Der <strong>Trialog</strong> ist das partizipative (teilhabende) Denken und Handeln <strong>der</strong> drei<br />
Kerngruppen im psychiatrischen Entwicklungsprozess, die im Idealfall<br />
gleichberechtigte Partnerinnen und Partner sind („gleiche Augenhöhe"). Dies sind:<br />
die Psychiatrie-Erfahrenen die Angehörigen psychisch kranker Menschen und die<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen psychiatrischen Handlungsfel<strong>der</strong>n.<br />
Klaus Dörner brachte es mal wie<strong>der</strong> auf den Punkt, als er sagte,<br />
„Psychiatrie ist soziale Psychiatrie -o<strong>der</strong> sie ist keine Psychiatrie" und<br />
Margret Osterfeld ergänzte „Psychiatrie ist trialogische Psychiatrie -o<strong>der</strong><br />
sie ist keine Psychiatrie“.<br />
Warum ist <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> Interdisziplinär und universell?<br />
Nennen Sie mir einen Bereich <strong>der</strong> Sozialen Arbeit, des Sozialwesens o<strong>der</strong><br />
Gesundheitswesens,in dem die Kerngruppe nicht aus: Klienten, Angehörigen und<br />
Professionellen besteht!<br />
Beispiele gibt es dabei zuhauf. Denken Sie nur an Menschen mit Demenz, Sucht,<br />
Aids, Schulden, Betreuung etc. Ich denke auch an Menschen die obdachlos<br />
sind o<strong>der</strong> suizidal sind. Menschen, die Beratung, Pflege o<strong>der</strong><br />
Unterstützung und Hilfe benötigen und sich an professionelle Systeme<br />
wenden, dahin verwiesen werden o<strong>der</strong> auch zwangsweise untergebracht<br />
werden (Psychiatrie/Forensik) ...etc.. Sie alle sind auf <strong>der</strong> Basis einer<br />
Kommunikationskultur trialogischen Denkens und Handelns „Experten in<br />
eigener Sache" bzw. „Experten aus eigener Erfahrung als Patienten /<br />
Klienten o<strong>der</strong> Angehörige"!<br />
Wer hat den Begriff „<strong>Trialog</strong>“ erfunden?<br />
<strong>Trialog</strong> ist ein Kunstwort und steht in keinem Wörterbuch. Bei einem<br />
Blick in die Geschichte findet sich jedoch ein möglicher historischer<br />
Ursprung nach Hans-Ludwig Siemen 1 im 14. Jahrhun<strong>der</strong>t bei John Wiclef,<br />
einem englischen Theologen. Er wählte den Begriff des „<strong>Trialog</strong>us" für die<br />
Diskussion zwischen: Wahrheit, Lüge und Klugheit. Die Zuordnung <strong>der</strong><br />
einzelnen Begriffe zu den verschiedenen trialogischen Gruppen sei dabei<br />
ganz Ihrem Gutdünken überlassen.<br />
1 Hans-Ludwig Siemen (2004): Vom Monolog <strong>der</strong> Psychiatrie. In: <strong>Trialog</strong> praktisch.<br />
Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige und Professionelle gemeins<strong>am</strong> auf dem Weg zur<br />
demokratischen Psychiatrie. Paranus Verlag, Neumünster<br />
Seite 5
Wer hat den postmo<strong>der</strong>nen <strong>Trialog</strong> erfunden?<br />
„Natürlich" hat Klaus Dörner den postmo<strong>der</strong>nen <strong>Trialog</strong> erfunden. So<br />
sagte er in einem Radiointerview in Bayern II 2 , im März 2003, auf seine<br />
unnachahmliche Art und Weise: „Den Begriff „<strong>Trialog</strong>" habe ich, soweit<br />
ich weiß, geprägt".<br />
In „Irren ist menschlich“ 3 findet sich ein wesentlicher Absatz, <strong>der</strong> als<br />
Beschreibung eines Paradigmenwechsels <strong>zum</strong> „<strong>Trialog</strong>" bezeichnet<br />
werden kann unter dem Titel: „Grundsätze <strong>der</strong> Spielraumgestaltung für die<br />
zweite Reform-Halbzeit": „Während die Profis vor 25 Jahren Fürsprecher<br />
<strong>der</strong> Sprachlosen waren, besteht die wichtigste Verän<strong>der</strong>ung darin, dass erst<br />
die Angehörigen, dann auch die psychisch Kranken selbst auf kommunaler<br />
und auf Bundesebene sich zu Selbsthilfeinitiativen zus<strong>am</strong>mengeschlossen<br />
haben und selbst für ihre Interessen kämpfen. Alles muss an<strong>der</strong>s sein, seit<br />
die psychiatrische Diskussion somit auf drei grundsätzlich<br />
gleichberechtigten Partnern, auf einem <strong>Trialog</strong> beruht. Eine solche trialoqische<br />
Psychiatrie muß eine ungleich stärkere politische Glaubwürdigkeit haben.<br />
Vorausgesetzt, wir Profis erliegen nicht <strong>der</strong> Versuchung, unsere Partner zu<br />
instrumentalisieren, son<strong>der</strong>n unsere Rolle neu zu definieren …"<br />
Klaus Dörner fragt sich zusätzlich 4 , ob <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> ein neues Dogma, Ausdruck eines<br />
neuen Helfersyndroms frustrierter Profis aus <strong>der</strong> Sozialpsychiatrie bzw. <strong>der</strong> aktuellste<br />
Profi-Trick zur ultimativen „Compliance" ist. Es könnte ja schliesslich sein, dass es<br />
sich um eine Art „Big Brother" im sozialpsychiatrischen Container o<strong>der</strong> gar eine<br />
Spezialform des „Dschungelc<strong>am</strong>ps" als Biotop*, abseits potemkinscher RTL-Dörfer<br />
handelt.<br />
Doch handelt es sich beim <strong>Trialog</strong> um nichts von alledem. <strong>Trialog</strong> ist eine neue Form<br />
solidarischer Kommunikation im Rahmen einer trialogischen Kommunikationskultur.<br />
Dort sollen selbstredend auch Dialoge stattfinden. Eine neue Beteiligungskultur soll<br />
es sein von den Kerngruppen Sozialer Arbeit, in <strong>der</strong> Ressourcenmanagement und<br />
weniger Defizitmanagement im Vor<strong>der</strong>grund steht; <strong>Trialog</strong> ist dabei keine<br />
therapeutische Methode, kann aber (z.B. in Psychoseseminaren) „durchaus <strong>zum</strong> Teil<br />
das erreichen, was Therapeuten in ihren Bemühungen anstreben..." 5<br />
2 Radiointerview mit Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner von Monika Dollinger, <strong>am</strong> 29.03.2003 in Bayern<br />
II; vgl: www.br-online.de/umwelt-gesundheit/thema/Angehoerige/audio.shtml Vgl. hierzu u.a.:<br />
Klaus Dörner/Ursula Plog/Christine Teller/Frank Wendt (2002): Irren ist menschlich. Lehrbuch<br />
<strong>der</strong> Psychiatrie und Psychotherapie. Psychiatri<strong>eV</strong>erlag, Bonn 2002; hier ist <strong>der</strong> Begriff <strong>Trialog</strong><br />
im Sachregister auf den Seiten: 14, 16, 23, 463, 482, 496, 506 und 563 erwähnt;<br />
3 Seite 463<br />
4 Klaus Dörner (2001): Der gute Arzt. Lehrbuch <strong>der</strong> ärztlichen Grundhaltung; Schattauer<br />
Stuttgart New York 2001; S. 129 ff: „Arzt vom Dritten her" und „<strong>Trialog</strong>ische Medizin"<br />
5 Vgl.: Susanne Heim (2004): „<strong>Trialog</strong> - praktisch nur im Biotop". In: Jürgen Bombosch/Hartwig<br />
Seite 6
Dabei sind alle Beteiligten Lernende (insbeson<strong>der</strong>e alle Professionellen)und bereit zu<br />
einem Perspektivwechsel, im Denken wie im Handeln.<br />
Warum ist <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> für die Professionellen in <strong>der</strong> Psychiatrie und<br />
Sozialpsychiatrie sowie in allen an<strong>der</strong>en Handlungsfel<strong>der</strong>n Sozialer<br />
Arbeit eine <strong>der</strong> größten Herausfor<strong>der</strong>ungen aller Zeiten?<br />
Dafür können drei Gründe angeführt werden: Zum Ersten liegt es daran,<br />
dass <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> die teilweise immer noch unreflektierte Deutungs- und<br />
Definitionsmacht -und d<strong>am</strong>it paternalistisches Fürsorgehandeln generell-<br />
sowie einseitige Institutionenzentrierung radikal in Frage stellt. Dann<br />
definiert <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> Psychiatrie-Erfahrene und Angehörige als „Experten<br />
in eigener Sache" 6 . Die Fachleute tun sich naturgemäß schwer d<strong>am</strong>it,<br />
PsychiatrieErfahrene und Angehörige als Experten „durch Erfahrung" und<br />
sich selbst „nur" als Experten „durch Ausbildung und Beruf zu<br />
akzeptieren; vor allem sind den Profis die „Angehörigen-Experten"<br />
suspekt, die in <strong>der</strong> Psychiatriegeschichte primär als störende,<br />
krankmachende und/o<strong>der</strong> „Ungehörige Angehörige" 7 verstanden wurden.<br />
Zum Dritten haben die Profis, wenn sie die „gleiche Augenhöhe" mit<br />
Klienten und Angehörigen einnehmen, Angst vor dem daraus<br />
resultierenden bzw. drohenden Macht-, Bedeutungs- und Rollenverlust (Zit.:<br />
L.Bücher)<br />
Als Stichworte lassen sich hier benennen die Berufssozialisation, die „Gesprächslose<br />
Psychiatrie" und <strong>der</strong> fehlende Mut zur „Ein-Drittel-Professionalität"<br />
Wieso streben wir nicht mindestens den „Quattrolog" o<strong>der</strong> gleich den<br />
„Multilog" an?<br />
Manches spricht dafür, keinen Multilog anzustreben. So haben Bürgerhelfer und<br />
die vielen an<strong>der</strong>en Ehren<strong>am</strong>tlichen im Rahmen ihres bürgerschaftlichen Engagements<br />
wesentlich mehr Gestaltungsfreiheit, wenn sie sich nicht in die Kerngruppe des<br />
<strong>Trialog</strong>s hinein definieren bzw. den „Quattrolog" for<strong>der</strong>n. Denn diese Kerngruppe<br />
besteht für die Psychiatrie eindeutig aus: Psychiatrie-Erfahrenen (Klienten 8 )<br />
Hansen/Jürgen Blume [Hg.] (2004): „<strong>Trialog</strong> praktisch. Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige und Professionelle<br />
gemeins<strong>am</strong> auf dem Weg zur demokratischen Psychiatrie"; S. 51 ff "Vgl.: Manfred Zaumseil (1998<br />
):Psychoseseminare - Ein Puzzle theoretischer Bausteine. In: Geislingen Rosa (1998)[Hg.]: Experten in<br />
eigener Sache. Psychiatrie, Selbsthilfe und Modelle <strong>der</strong> Teilhabe: S. 191-204. München<br />
6 Vgl.: Rosa Geislinger (Hg.)[1998]: Experten in eigener Sache. Psychiatrie, Selbsthilfe und Modelle<br />
7<strong>der</strong> Teilhabe. München<br />
"Vgl.: Katharina Gröning (2003): Ungehörige Angehörige? Geteilte Sorge - gemeins<strong>am</strong>e Sorge.<br />
Über die Beziehungsdyn<strong>am</strong>ik zwischen Angehörigen und Mitarbeitenden. In: Kurswechsel in <strong>der</strong><br />
Pflege. Integrative Versorgung als Chance. 7. Devap-Bundeskongress; 7./8. Oktober 2003, Essen<br />
8 "Klienten sind meine Auftraggeber, für die ich in <strong>der</strong> Psychiatrie (psychosozial) anwaltschaftlich tätig bin;<br />
d<strong>am</strong>it ist für mein Handeln „Kundenorientierung" Voraussetzung! Auch wenn viele „Psychiatrie-Kunden" nicht<br />
über die 4 entscheidenden Kundenmerkmale verfügen: 1. Eigenverantwortliches Handeln; 2. Finanzielle<br />
Autonomie; 3. Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Anbietern und 4. die Freiwilligkeit <strong>der</strong> Inanspruchnahme<br />
Seite 7
Angehörigen und Professionellen.<br />
•<br />
Wenn wir in diesem Zus<strong>am</strong>menhang von Klienten sprechen, dann sind dies<br />
Auftraggeber, für die <strong>der</strong> Fachmann in <strong>der</strong> Psychiatrie (psychosozial)<br />
anwaltschaftlich tätig bin; d<strong>am</strong>it ist für das Handeln „Kundenorientierung"<br />
Voraussetzung! Selbst dann, wenn ja viele „Psychiatrie-Kunden" nicht über die<br />
4 entscheidenden Kundenmerkmale verfügen: 1. Eigenverantwortliches<br />
Handeln; 2. Finanzielle Autonomie; 3. Wahlfreiheit zwischen verschiedenen<br />
Anbietern und 4. die Freiwilligkeit <strong>der</strong> Inanspruchnahme<br />
Selbstverständlich ist in jedem Falle <strong>der</strong> „Multilog" erstrebenswert, wie<br />
ihn Heinz Möl<strong>der</strong>s 9 in Amsterd<strong>am</strong> (NL) bereits praktiziert.<br />
Doch die „Musik" spielt in jedem Fall erst mal zwischen den benannten<br />
drei Diskurs-Partnern. Hier liegt <strong>der</strong> zu entdeckende Nukleus trialogischer<br />
Kommunikationskultur als Keim vergraben und wartet auf „Bewässerung,<br />
Nahrung und Pflege"!<br />
Wo findet <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> praktisch statt?<br />
Der <strong>Trialog</strong> wird praktiziert in rund 100 Psychoseseminaren o<strong>der</strong><br />
Psychoseforen in Deutschland, Österreich und <strong>der</strong> Schweiz: Dieser<br />
unaufhalts<strong>am</strong> erfolgreiche Weg begann 1989 an <strong>der</strong> Universität H<strong>am</strong>burg<br />
mit Dorothea Buck und Thomas Bock, die in diesem Sinne <strong>Trialog</strong>-<br />
Geschichte geschrieben haben<br />
Bis <strong>zum</strong> heutigen Tage sprang dieser kreative Funke aus H<strong>am</strong>burg (beim<br />
XIV. Weltkongress für Soziale Psychiatrie 1994 als Info weltweit) in viele<br />
„<strong>Trialog</strong>ische Nester" über: Zum Beispiel nach Stuttgart, Halle an <strong>der</strong><br />
Saale, Saarlouis, Herford ... sowie nach Basel und Wien ... und inzwischen<br />
nach Altenburg.<br />
Einer <strong>der</strong> Höhepunkte im Jahre 2003 war die gemeins<strong>am</strong>e Tagung:<br />
„Selbstbestimmt leben - Werkstatt <strong>Trialog</strong>ische Psychiatrie" 10 , zu <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Bundesverband <strong>der</strong> Psychiatrie-Erfahrenen (BPE), <strong>der</strong> F<strong>am</strong>ilienselbsthilfe<br />
- Bundesverband <strong>der</strong> Angehörigen psychisch Kranker (BApK) sowie die<br />
Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) einluden.<br />
Das (psychiatrische) Leben findet jedoch nicht nur in Seminaren und<br />
einigen kreativen Nestern in Deutschland, Österreich und <strong>der</strong> Schweiz<br />
statt!<br />
9 Vgl.: Heinz Möl<strong>der</strong>s (2004): Multilog - Verständigung über (psychisches) Leiden im/<strong>am</strong> Alltagsleben. In: „<strong>Trialog</strong><br />
praktisch. Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige und Professionelle gemeins<strong>am</strong> auf dem Weg zur demokratischen<br />
Psychiatrie". Pranus Verlag, Neumünster<br />
10 Vgl. hierzu die „Magdeburger Thesen zur<strong>Trialog</strong>ischen Psychiatrie"<br />
Seite 8
Wie können wir den <strong>Trialog</strong> aus <strong>der</strong> inzwischen gut implementierten<br />
„Lufthoheit'“ 11 ) in eine stabile „Bodenhaftung" bringen?<br />
Um den <strong>Trialog</strong> erfolgreich zu implantieren, muss er<br />
• als Instrument <strong>der</strong> Qualitätsentwicklung 12 weiterentwickelt werden<br />
• und<br />
◦ in die Leitbil<strong>der</strong>,<br />
◦ die Trägerpolitik (Aufsichtsrat/Vorstand/MV),<br />
◦ die strategischen wie operativen Pläne und Konzepte<br />
aufgenommen werden<br />
• sowie:<br />
◦ In <strong>der</strong> täglichen Praxis sozialpsychiatrischen Handelns (inklusive<br />
Kundenbefragungen und Evaluation) -gemeins<strong>am</strong> mit allen<br />
Beteiligten<br />
▪ akzeptiert,<br />
▪ etabliert<br />
▪ und gelebt werden!<br />
11 Vgl. hierzu beispielsweise die sehr empfehlenswerte Veröffentlichung: „Anstöße zu einer<br />
anthropologischen Psychiatrie". Herausgegeben von: Thomas Bock, Klaus Dörner und Dieter<br />
Naber. Psychiatrie-Verlag -Bonn 2004.<br />
Die Autoren stellen deutlich heraus: „Nicht umsonst ist die Idee zu <strong>der</strong> Vorlesungsreihe, aus <strong>der</strong> dieses<br />
Buch entstand, aus dem Psychoseseminar heraus erwachsen. Nicht umsonst sind alle Vorträge durch<br />
die „Weihen" eines trialogischen Diskurses gegangen. Alle Vorträge wurden von professionellen<br />
Experten aus <strong>der</strong> Psychiatrie und ihrem weiteren Umfeld sowie von Experten aus eigener Erfahrung als<br />
Patienten o<strong>der</strong> Angehörige diskutiert -<strong>zum</strong> Teil mit leidenschaftlicher Intensität".<br />
12 Vgl. im Anhang 2 die Qualitätspyr<strong>am</strong>ide des Verbandsmanagements Instituts an <strong>der</strong> Universität Freiburg aus <strong>der</strong><br />
Schweiz<br />
Seite 9
Qualitätspyr<strong>am</strong>ide<br />
Aus dem Freiburger Management-Modell (FMM) Für Nonprofit-<br />
Organisationen<br />
'Qualität'<br />
Aus: Jürgen Bombosch (2002): Qualitätsmanagement-Prozesse. Das Prinzip des <strong>Trialog</strong>s<br />
in Verbindung mit dem FMM. In: VM -Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-<br />
Management 3/2002. Verbandsmanagement-Institut (VMI). Universität Freiburg/CH. 28.<br />
Jahrgang. S. 42-47<br />
Seite 10
Magdeburger Thesen<br />
These 1<br />
Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige psychisch kranker Menschen sowie Mitarbeiter und<br />
Mitarbeiterinnen in allen psychiatrischen Handlungsfel<strong>der</strong>n, die miteinan<strong>der</strong> auf gleicher<br />
Augenhöhe in Austausch treten, pflegen den <strong>Trialog</strong>.<br />
These 2<br />
Im <strong>Trialog</strong> gehen Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige und in <strong>der</strong> Psychiatrie Tätige jeweils<br />
als Experten in eigener Sache aufeinan<strong>der</strong> zu, um von einan<strong>der</strong> zu lernen. So entsteht erst<br />
die Chance, psychiatrisches Denken und Handeln auf eine erfahrungswissenschaftliche<br />
Basis zu stellen.<br />
These 3<br />
Der <strong>Trialog</strong> trägt dazu bei, die einseitige Definitionsmacht <strong>der</strong> psychiatrisch Tätigen in eine<br />
demokratische Handlungskultur zu überführen, indem er allen Beteiligten ermöglicht, einen<br />
Perspektivwechsel vorzunehmen und einen offenen Diskurs zu führen.<br />
These 4<br />
Die Verwirklichung einer demokratischen Psychiatrie, die auf dem <strong>Trialog</strong> fußt, erfor<strong>der</strong>t die<br />
volle Unterstützung <strong>der</strong> Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener und Angehöriger.<br />
These 5<br />
In allen Fragen<br />
• <strong>der</strong> Planung und strukturellen Weiterentwicklung gemeindepsychiatrischer<br />
Angebote<br />
• von Gesetzesnovellierungen für den ges<strong>am</strong>ten psychiatrischen Bereich<br />
• <strong>der</strong> Aus-, Fort und Weiterbildung psychiatrisch Tätiger in allen Arbeitsfel<strong>der</strong>n<br />
• <strong>der</strong> psychiatrischen Forschung<br />
• <strong>der</strong> Entwicklung und Weiterentwicklung von Qualitätsstandards für eine<br />
trialogische Praxis<br />
• <strong>der</strong> Weiterentwicklung des gesetzlich festgelegten Grundsatzes:<br />
„Ambulant vor stationär" und <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung Selbsthilfe vor Fremdhilfe,<br />
sind grundsätzlich Vertreterinnen und Vertreter <strong>der</strong> Psychiatrie-Erfahrenen und Angehörigen<br />
auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene demokratisch zu beteiligen!<br />
These 6<br />
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer <strong>der</strong> Magdeburger Tagung: „Selbstbestimmt leben -<br />
Werkstatt <strong>Trialog</strong>ische Psychiatrie" rufen alle fachlich und politisch Verantwortlichen in <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik Deutschland auf, die Weiterentwicklung einer „<strong>Trialog</strong>ischen Psychiatrie" zu<br />
för<strong>der</strong>n und auf allen Ebenen durchzusetzen! Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer <strong>der</strong><br />
Magdeburger Tagung erklären sich bereit, die Idee des <strong>Trialog</strong>s in ihren jeweiligen<br />
Handlungsfel<strong>der</strong>n bekannt zu machen und weiter zu entwickeln. Magdeburg, 29. März 2003<br />
Seite 11
Der <strong>Trialog</strong> in Thüringen 13<br />
Die Ausgangslage : Psychiatrie in <strong>der</strong> DDR<br />
Die Psychiatrie in <strong>der</strong> ehemaligen DDR zeichnete sich aus durch große<br />
stationäre Einrichtungen mit gemischter Belegung. Das medizinische<br />
Modell dominierte ganz klar.<br />
Eine Angehörigenbewegung, Betroffenenbewegung o<strong>der</strong> gar<br />
Selbsthilfegruppen und Patienteninitiativen duldete das System nicht.<br />
Doch war es selbstverständlich, die Betroffenen ins Arbeitsleben bzw. in<br />
den Wohnbereich wie<strong>der</strong> einzuglie<strong>der</strong>n.. Das Fehlen marktwirtschaftlicher<br />
Perspektiven schuf jedoch keine Freiräume, welche den Betroffenen<br />
wegen des fehlenden Kostendrucks zu Gute gekommen wären. Ende <strong>der</strong><br />
50er Jahre fanden ernste Reformversuche statt, die beispielsweise auf<br />
einem Symposium in Sachsen in den Rodewischer Thesen von 1963 ihren<br />
Ausdruck fanden.<br />
Nach <strong>der</strong> Wende entwickelte sich die psychiatrische Versorgung ganz im<br />
Sinne <strong>der</strong> Empfehlungen <strong>der</strong> Psychiatrie-Enquete-Kommission von 1991.<br />
Viele komplementäre Einrichtungen schossen wie die Pilze aus dem<br />
Boden und die stationären Psychiatrien wurden verkleinert und klinifiziert<br />
und nach millionenschweren Sanierungsmaßnahmen .privatisiert. Die<br />
Mitarbeiter in den Kliniken wurden weiter qualifiziert, wobei nur wenige<br />
<strong>der</strong> Karrieren einen sozialpsychiatrischen Touch bek<strong>am</strong>en. Es entstand<br />
eine sogenannte „Heimliche Psychiatrie“: Anstaltspatienten wurden in die<br />
privaten Pflegeheime verschoben. Durchaus positiv zu bewertende<br />
Errungenschaften <strong>der</strong> DDR wie die PIAs und Polikliniken wurden<br />
vielerorts geschlossen. Bei den Mitarbeitern erwuchs <strong>der</strong> Eindruck, dass<br />
Kompetenzen, Erfahrungsschatz und Engagement <strong>der</strong> Betroffenen und<br />
ihrer Angehörigen bei <strong>der</strong> Umorientierung seit <strong>der</strong> Wende eher ungenutzt<br />
blieben. 14<br />
Dennoch ist hervorzuheben, dass es gelungen ist, das Fund<strong>am</strong>ent zu legen<br />
für eine landesweite psychiatrische Versorgung. 1994 legte <strong>der</strong><br />
Landespsychiatrieplan fest, dass die Einrichtungen nutzerorientiert<br />
arbeiten sollten. <strong>Trialog</strong>ische Mitwirkungsmöglichkeiten wie <strong>der</strong> Einsatz<br />
von Patientenfürsprecher und Besuchskommissionen wurden im Plan<br />
13 <strong>Trialog</strong> praktisch, 2004,, „Der <strong>Trialog</strong> im Osten“<br />
14 Motzener Thesen, 1998<br />
Seite 12
festgeschrieben. Auch sollten Vertreter <strong>der</strong> Selbsthilfegruppen psychisch<br />
Kranker und ihre Angehörigen mit in die Koordination einbezogen<br />
werden. 2002 erschien <strong>der</strong> aktuell in Ablösung befindliche Thüringer<br />
Psychiatrieplan, <strong>der</strong> konkrete Handlungsschritte enthielt für eine<br />
trialogische Ausgestaltung, die d<strong>am</strong>it einfor<strong>der</strong>bar wurde. Im <strong>2011</strong><br />
erscheinenden Bericht wird zu lesen sein, dass die ursprünglich definierten<br />
Ziele nicht erreicht wurden und weiterhin Gültigkeit haben werden.<br />
Die Gegenwart<br />
Wenn wir nun die heutige Psychiatrielandschaft betrachten, so entdecken<br />
wir ansatzweise trialogische Elemente in ihr, die noch ausbaufähig sind.<br />
Von 1997 bis 2000 existierte die „Koordinierungsstelle Weiterbildung in<br />
Thüringen im Bereich <strong>der</strong> Psychiatrie“. Diese wurde unterstützt vom<br />
Thüringer Sozialministerium, von <strong>der</strong> LIGA <strong>der</strong> Freien Wohlfahrtspflege<br />
und vom Europäischen Sozialfonds. Angesiedelt war die Projektstelle<br />
beim Paritätischen Bildungswerk des Thüringer Landesverbands (PBW).<br />
Ein trialogisch besetzter Beirat begleitete die Koordinierungsstelle, so dass<br />
die Anregungen seitens <strong>der</strong> Betroffenen und ihrer Angehörigen in die<br />
Angebote für die Fort- und Weiterbildungen einflossen. Es entstanden<br />
immer noch wirks<strong>am</strong>e Netzwerke zwischen den einzelnen Machern. Die<br />
Kurspläne wurden so organisiert, dass sie auch Betroffene und ihre<br />
Angehörigen ansprachen, die nun vermehrt an den Angeboten teilnahmen.<br />
Neben dem Kursangebot entstand auch <strong>der</strong> Psychiatriewegweiser<br />
Thüringen. Jedes Jahr findet übrigen auch eine <strong>Fachtag</strong>ung statt vom<br />
Arbeitskreis Psychiatrie <strong>der</strong> LIGA, welche ein brandheisses Thema<br />
aufgreift und dann trialogisch bearbeitet.<br />
Anfang <strong>der</strong> 90er Jahre k<strong>am</strong> es zur Gründung des Landesverbands<br />
Thüringen <strong>der</strong> Angehörigen psychisch Kranker e.V.. Seitdem entstanden<br />
vielerorts Angehörigengruppen, die vom Landesverband unterstützt<br />
werden. Er wirkt mit in vielen Landesgremien wie etwa dem<br />
Landespsychiatriebeirat, dem LIGA-Arbeitskreis Psychiatrie und <strong>der</strong><br />
Besuchskommission des Landes Thüringen. Er wirkte bis in den<br />
Bundesverband <strong>der</strong> Angehörigen hinein.<br />
2000 gründete sich dann in Jena <strong>der</strong> Landesverband <strong>der</strong><br />
Psychiatrieerfahrenen e.V. , TLPE, <strong>der</strong> inzwischen in Erfurt angesiedelt ist.<br />
Der Verein erfuhr große Resonanz, arbeitet jedoch im kleinen Kreise, so<br />
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dass die Aktiven stets <strong>der</strong> Gefahr einer Überlastung ausgesetzt sind. Diese<br />
mischen mit im Landespsychiatriebeirat, im LIGA-Arbeitskreis<br />
Psychiatrie, in Thüringens Besuchskommission und in den Fachgruppen<br />
des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Der Verband versteht sich als<br />
Lobby <strong>der</strong> Betroffenen und unterstützt den Aufbau und den Betrieb <strong>der</strong><br />
vielen Selbsthilfegruppen, welche im Laufe <strong>der</strong> Zeit im Land Thüringen<br />
entstanden sind. Auch <strong>der</strong> TLPE ist sehr aktiv vernetzt mit dem<br />
zugehörigen Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener.<br />
Wir konstatieren also ein starkes Engagement <strong>der</strong> Psychiatrie-Erfahrenen<br />
und ihrer Angehörigen in den Landesgremien. Dieser Einsatz spiegelt sich<br />
jedoch wi<strong>der</strong> Erwarten nicht wie<strong>der</strong> in den einzelnen Regionen<br />
Thüringens.<br />
Ein Projekt TRIALOG, welches vom Deutschem Hilfswerk und vom<br />
Landesministerium geför<strong>der</strong>t wurde, sollte 2000/2001 die Regionen Erfurt<br />
(städtisch) und Gotha (ländlich) unterstützen.<br />
Professor Eckhard Giese führte eine Untersuchung durch zur Feststellung<br />
des Standes des <strong>Trialog</strong>s bei Trägern und Sozialpsychiatrischen Diensten.<br />
Teilgenommen haben 17 <strong>der</strong> 23 kreisfreien Städte und folgende Ergebnisse<br />
k<strong>am</strong>en zu Tage:<br />
• Die Psychiatrieerfahrenen und ihre Angehörigen sind im Rahmen <strong>der</strong><br />
individuellen Hilfeplanung und bei <strong>der</strong> Gremienarbeit in die<br />
regionale Arbeit teilweise gut integriert. Gemeint ist die Mitarbeit in<br />
<strong>der</strong> jeweiligen PSAG und an den jeweiligen Arbeitskreisen. In <strong>der</strong><br />
Konzeptentwicklung (3 Benennungen) spielen die Nutzer jedoch nur<br />
eine untergeordnete Rolle<br />
In 9 PSAGs nahmen Psychiatrieerfahrene häufig teil, in 6 Regionen<br />
jedoch nie. In 3 Kreisen/Städten sind die Angehörigen involviert in<br />
<strong>der</strong> PSAG, in vierzehn Regionen jedoch nie.<br />
Wichtig zu wissen ist in diesem Zus<strong>am</strong>menhang, dass die PSAG je<br />
nach Region zweimal im Jahr bis monatlich tagt. In einem Landkreis<br />
fand sogar seit 2000 keine Sitzung mehr statt. Die PSAGs führen in<br />
<strong>der</strong> Regel Arbeitskreise durch, die sich mit spezifischen Problemen<br />
auseinan<strong>der</strong>setzen. So stehen in Erfurt zwei Arbeitsgruppen zur<br />
Verfügung, eine für die Sucht und eine für die Gerontopsychiatrie.<br />
• Psychoseseminare finden bislang nur in zwei Regionen statt.<br />
Nämlich in Erfurt und in Altenburg. Beide bieten monatliche<br />
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Veranstaltungen an. Erfurt hat 20 bis 40 Teilnehmer und Altenburg<br />
erfreut sich 10 bis 20 Teilnehmern, die bis aus Gera kommen.<br />
Veranstalter sind in Erfurt die Volkshochschule und die<br />
Fachhochschule und in Altenburg <strong>der</strong> Selbsthilfeverein <strong>Einblicke</strong><br />
e.V.<br />
Angehörige lassen sich in beiden Seminaren nur wenig blicken. Die<br />
Psychiatrieerfahrenen in Südthüringen nutzen teilweise das Coburger<br />
Angebot.<br />
• In einigen Regionen werden gemeins<strong>am</strong>e trialogisch ausgestaltete<br />
Veranstaltungen durchgeführt. Die Mo<strong>der</strong>ation übernehmen meist die<br />
Fachleute und nur zwei <strong>der</strong> Veranstaltungen finden auch im<br />
öffentlichen Raum statt.<br />
• Patientenfürsprecher walten nur an drei Orten ihres Amtes, onwohl<br />
dies ja im Gesetz fest- und vorgeschrieben wurde.<br />
• Die Stadt Erfurt hat sich – auch wegen <strong>der</strong> Teilnahme <strong>am</strong> TRIALOG-<br />
Projekt – dem <strong>Trialog</strong> verpflichtet. So existiert inzwischen ein<br />
Psychiatriest<strong>am</strong>mtisch, in dem Fachthemen zunächst aus fachlicher<br />
Sicht besprochen werden, um sie dann über die PSAG auch konkret<br />
umzusetzen. Die Angehörigen sind rege beteiligt an dieser Initiative.<br />
Antistigma-Projekte<br />
In Erfurt gehören Anti-Stigma-Projekte, an denen sich Betroffene und<br />
Angehörige beteiligen, <strong>zum</strong> Stadtbild.<br />
• 2001 fand ein Anti-Stigma-Tag in <strong>der</strong> Erfurter Fachhochschule statt,<br />
an dem immerhin 300 Besucher aus den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
teilnahmen. Die Journalistin Frau Dr. Manuela Richter-Werling aus<br />
Leipzig informierte dabei eine breite Öffentlichkeit vom Anliegen<br />
<strong>der</strong> Anti-Stigma-Arbeit. Frau Richter-Werling ist Geschäftsführerin<br />
<strong>der</strong> Leipziger Initiative „Irrsinnig Menschlich e.V.“<br />
• 2002 startete das Schulprojekt „Spinnst Du – was heißt hier<br />
eigentlich normal?“ im Gothaer Landkreis an <strong>der</strong> Regelschule<br />
Georgenthal. Die Ergebnisse <strong>der</strong> 40 teilnehmenden Schüler wurden<br />
in Erfurt im Rahmen <strong>der</strong> Erfurter Jugendmesse etwa 300 Schülern<br />
und Lehrern vorgestellt.<br />
• 2003 veranstalteten die Fachhochschule Erfurt und <strong>der</strong><br />
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Landesfilmdienst eine Psychiatrie-Filmwoche mit Erfurter<br />
Schulklassen.<br />
Der Amoklauf <strong>am</strong> Erfurter Gutenberg-Gymnasium erhöhte die<br />
Notwendigkeit, sich auch im Schulalltag grundsätzlich mit<br />
psychiatrischen Themen auseinan<strong>der</strong> zu setzen.<br />
• 2004 veranstaltete das Paritätische Bildungswerk in Neudietendorf<br />
einen Projekttag <strong>zum</strong> Thema „Seelische Gesundheit – seelische<br />
Erkrankungen“, bei dem sich 40 Schüler über die Projektarbeit von<br />
„Spinnst Du – Was heißt hier eigentlich normal?“ informieren<br />
konnten.<br />
• Seit einigen Monaten startete das Schulprojekt in Altenburg, welches<br />
sich <strong>der</strong> Leipziger Initiative „Irrsinnig menschlich e.V.“ anglie<strong>der</strong>te<br />
und momentan noch in <strong>der</strong> Vorbereitungsphase steckt. Herr Strecker<br />
von <strong>der</strong> HORIZONTE gGmbH und zwei Betroffene aus dem<br />
Altenburger Selbsthilfeverein <strong>Einblicke</strong> e.V. haben sich bislang von<br />
Frau Richter-Werling für die Projektarbeit ausbilden lassen. Die<br />
Trägerschaft des Schulprojekts hat die Psychiatrische Klinik aus<br />
Altenburg übernommen.<br />
Zukunftschancen des <strong>Trialog</strong>s<br />
Zus<strong>am</strong>menfassend lässt sich sagen, dass die Teilnahme einiger weniger<br />
Psychiatrieerfahrener an regionalen o<strong>der</strong> landesbezogenen Gremien weit<br />
entfernt ist von <strong>der</strong> Verankerung <strong>der</strong> trialogischen Idee im psychiatrischen<br />
Alltag.<br />
Grundlage des <strong>Trialog</strong>s ist das ganzheitliche Verständnis von insbeson<strong>der</strong>e<br />
den Psychosen. Die Umsetzung ist schwer und erfolgt unter den<br />
verschiedenen lokalen und personellen Gegebenheiten. Alle drei<br />
Richtungen müssen aufeinan<strong>der</strong> zugehen. Allseitige Vorurteile sind zu<br />
überwinden und sollen abgelöst werden durch einen wertschätzenden,<br />
offenen Umgang miteinan<strong>der</strong>. Gerade die Installation von<br />
Psychoseseminaren und die Teilnahme an entsprechenden Fortbildungen<br />
bringen den Dialog weiter in die gewünschte Zielrichtung <strong>zum</strong> <strong>Trialog</strong>.<br />
Es ist ein langer und steiniger Weg, um die eher verschlossene Einstellung<br />
<strong>der</strong> Thüringer Gesellschaft in Bezug auf psychische Probleme zu än<strong>der</strong>n.<br />
Ablehnung ist in Neugier zu transformieren und Abwendung in<br />
Unterstützung. Die erreichten Ziele sind dabei immer wie<strong>der</strong> neu zu<br />
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erkämpfen und abzusichern und wie<strong>der</strong> zu beleben. Nicht alles mit <strong>der</strong><br />
Etikette <strong>Trialog</strong> beinhaltet auch das trialogische Miteinan<strong>der</strong> mit seinem<br />
gleichberechtigten Austausch. Das Ziel ist jedoch klar vor Augen und an<br />
<strong>der</strong> Umsetzung hapert es noch. Die Mühe wert ist <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> allemal, weil<br />
dort, wo er auflebt, die Psychiatrie an Lebendigkeit und Lebensqualität<br />
und Qualität im Sinne aller beteiligten Gruppen gewinnt.<br />
Der <strong>Trialog</strong> in Neumünster 15<br />
Um nun auch ein trialogisches Modell vorzustellen, das schon seit vielen<br />
Jahren gut funktioniert, wenden wir uns also von Thüringen ab, welches<br />
noch Brachland ist, und dem Zustand in Neumünster zu.<br />
Mit <strong>der</strong> Brücke wurde ein funktionierendes Modell trialogischen<br />
Charakters entwickelt. Bei <strong>der</strong> Brücke Neumünster handelt es sich um<br />
einen 1981 von Profis, Psychiatrie-Erfahrenen und ihren Angehörigen und<br />
engagierten Bürgern gegründeten Verein in Neumünster. Neumünster hat<br />
80.000 Einwohner und liegt in <strong>der</strong> Mitte von Schleswig Holstein.<br />
Ohne es zu wissen waren die Vereins- und Vorstandssitzungen trialogisch<br />
bestimmte Veranstaltungen. Den Teilnehmern ging es dabei um den<br />
gemeins<strong>am</strong>en Einsatz für sozial- und psychiatriepolitische Ziele und die<br />
Durchsetzung gemeindenaher, sozialpsychiatrisch orientierter<br />
Betreuungsmöglichkeiten für psychisch erkrankte Mitbürger aus <strong>der</strong><br />
Region.<br />
Die Entwicklung des Vereins und die Erschließung von Arbeitsfel<strong>der</strong>n<br />
Die Brücke hatte einen langen Weg hinter sich gebracht, um sich vom<br />
Selbsthilfeverein zur gemeindepsychiatrischen komplementären Institution<br />
zurecht zu mausern. Die Einrichtungen <strong>der</strong> Brücke sind im Laufe <strong>der</strong> Zeit<br />
ein mittragen<strong>der</strong> Bestandteil des Gemeindepsychiatrischen Verbundes<br />
geworden. Mitverantwortlich ist die Brücke für die Betreuung, Begleitung<br />
und Beratung von jährlich etwa 500 Menschen in psychischen Krisen und<br />
Erkrankungen.<br />
Die folgenden Arbeitsbereiche haben sich inzwischen herauskristallisiert:<br />
Da ist <strong>zum</strong> Einen ein Ambulanter Dienst mit Begegnungsstätte, die<br />
Tagesstätte, die Betreuten Wohngruppen, das Übergangswohnheim mit<br />
einem Betreuungsangebot für suchterkrankte und psychoseerfahrene<br />
15 <strong>Trialog</strong> Praktisch, Vom Selbsthilfeverein zur Institution<br />
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Menschen und das <strong>am</strong>bulant betreute Wohnen Zum Fachdienst Arbeit<br />
gesellten sich noch verschiedene Arbeitsprojekte wie eine Tischlerei, eine<br />
Hauswirtschaft mit Kantinenbetrieb, eine Druckerei mit speziellem<br />
Satzbereich, .<strong>der</strong> Paranus Buchverlag, und eine Fahrradwerkstatt mit<br />
Fahrradladen. Dazu kommt noch eine Werkstatt für psychisch behin<strong>der</strong>te<br />
Menschen mit Siebdruckerei, Näherei, Stickerei und Buchbin<strong>der</strong>ei.<br />
Eigentlich war das Hauptziel zur Zeit <strong>der</strong> Gründung des Vereins, die<br />
Entwicklung solcher Einrichtungen anzuregen, um mit den psychiatrischen<br />
Kliniken <strong>der</strong> Stadt und dem Gesundheits<strong>am</strong>t eine ausreichende,<br />
alltagsorientierte und gemeindenahe Versorgung <strong>der</strong> Betroffenen<br />
umzusetzen.<br />
Die Idee zeigte Wirkungen und weniger Betroffene aus <strong>der</strong> Region<br />
mussten im d<strong>am</strong>alige Landeskrankenhaus in Heiligenhafen stationär<br />
aufgenommen werden.<br />
Es herrschte Übereinstimmung in Zielen und Motiven <strong>der</strong> Angehörigen,<br />
Betroffenen und ersten Mitarbeitern. 1983 nahm <strong>der</strong> <strong>am</strong>bulante Dienst<br />
seine Tätigkeit auf und 1984 reifte die Idee für die trialogisch besetzte<br />
Zeitschrift „Brückenschlag“, aus <strong>der</strong> 1990 <strong>der</strong> Paranus-Verlag entstehen<br />
sollte.<br />
Die zunehmende Institutionalisierung stellte den Verein vor viele neue<br />
Fragen und Probleme. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Qualität wurde zur<br />
Zeit <strong>der</strong> beginnenden Sparzwänge sehr kontrovers diskutiert. Die<br />
ökonomisch-instrumentelle Bedeutung liegt im Preisvergleich und im<br />
Wettbewerb. Und diese Interpretation lief <strong>der</strong> eher philosophisch<br />
diskutierten Bedeutung zuwi<strong>der</strong>, die den Schwerpunkt auf den Menschen<br />
an sich, seine Beziehungen und Begegnungen verlegte. Die neue<br />
Sichtweise erschien wie ein Angriff auf das eigentliche Wesen <strong>der</strong> Qualität<br />
<strong>der</strong> Arbeit, wie sie vielen vorschwebte.<br />
Es k<strong>am</strong> zur Gründung eines Psychoseseminars. Zugleich nahmen<br />
Betroffene und Angehörige ihre Arbeit in <strong>der</strong> Besuchskommission und in<br />
den Gremien des Gemeindepsychiatrischen Verbundes auf. Ein<br />
Werkstattbeirat wurde eingerichtet ohne Bezugnahme auf die<br />
Qualitätsdebatte.<br />
Erst 2001 entstand ein Konsens betreffend einer Qualitätsleitlinie: Die<br />
Entwicklung von Qualität versteht <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit inzwischen zur<br />
gemeinnützigen Gesellschaft ausgebaute Verein als Prozess <strong>der</strong><br />
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Demokratisierung <strong>der</strong> Betreuungssituation im Interesse <strong>der</strong> Entwicklung<br />
von Selbstwertgefühl und Autonomie <strong>der</strong> einzelnen Benutzer <strong>der</strong><br />
Einrichtungen. Dabei wird davon ausgegangen, dass in den traditionellen<br />
psychiatrischen Einrichtungen aufbauend auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> totalen<br />
Institution eine paternalistische, also bevormundende, Praxis von<br />
Beziehungen zwischen Betreuten und Betreuern bestand. Um<br />
sozialpsychiatrische gemeindenahe Versorgung aufzubauen bedarf es <strong>der</strong><br />
bewussten Umsetzung von demokratischen, transparenten und<br />
wertschätzenden Beziehungen in den Betreuungsverhältnissen.<br />
Neben <strong>der</strong> Verwirklichung gemeindenaher Versorgung stand gleichwertig<br />
das erklärte Ziel, dass die Angebote zuverlässig, gut erreichbar,<br />
kontinuierlich, lebensnah und in verständnisvoller Subjektorientierung<br />
anzulegen sind.<br />
Es war klar, dass die Umsetzung <strong>der</strong> Qualitätsleitlinie in Sachen<br />
Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung gleichzeitig die Entwicklung<br />
von Mitwirkung seitens <strong>der</strong> Betroffenen und Angehörigen erfor<strong>der</strong>te. Nur<br />
unter Mitwirkung <strong>der</strong> Betroffenen selbst kann sich herausstellen, welche<br />
Qualitätsanfor<strong>der</strong>ung an die Arbeit zu stellen ist.<br />
Entwicklung von Gremien <strong>der</strong> Mitwirkung<br />
Die Umsetzung <strong>der</strong> Leitlinie erfolgte somit parallel zur Entwicklung<br />
diverser Gremien.<br />
1. In allen Einrichtungen wurden Sprecher bzw. Beiräte <strong>der</strong> Nutzer<br />
gewählt. Zugleich wurde eine Benutzerbefragung durchgeführt,<br />
welche auf die Ermittlung von Verbesserungen und Wünschen<br />
abzielte.<br />
Die einzelnen Sprecher treffen sich alle sechs Wochen in<br />
Sprechertreffen. In diesen werden ein Delegierter und zwei<br />
Stellvertreter für den Qualitätszirkel gewählt.<br />
Erst mit <strong>der</strong> Zeit erkannten die Benutzer die Möglichkeiten <strong>der</strong><br />
Entwicklung von Mitwirkung. Dies belebte zudem den Austausch<br />
und die Atmosphäre in einigen <strong>der</strong> Einrichtungen.<br />
2. Seit 1986 existiert eine Angehörigengruppe <strong>der</strong> Brücke Neumünster.<br />
Rund um einen sehr beständigen Teilnehmerkern besteht sie aus<br />
knapp 20 auch wechselnden Teilnehmern. Die Gruppe erhielt<br />
ebenfalls die Möglichkeit, über einen Delegierten im Qualitätszirkel<br />
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mitzuwirken. Die Gesprächsgruppe wurde somit zur eigenen Instanz.<br />
3. Kern des Geschehens ist <strong>der</strong> Qualitätszirkel, <strong>der</strong> sich alle sechs<br />
Wochen trifft. Er setzt sich zus<strong>am</strong>men aus den Delegierten <strong>der</strong><br />
Nutzer, den Delegierten <strong>der</strong> Angehörigen, einem Delegierten <strong>der</strong><br />
handwerklichen Mitarbeiter, je einem Delegierten aus den<br />
verschiedenen Einrichtungen, einem Delegierten des Betriebsrates<br />
und den zwei Geschäftsführern.<br />
Der Qualitätszirkel befasst sich mit Themen wie<br />
1. Klärung <strong>der</strong> Arbeitsweise und Funktion des Qualitätszirkels<br />
2. Auswertung <strong>der</strong> Benutzerbefragungen<br />
3. Umgang mit den Ergebnissen <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong><br />
Benutzerbefragungen<br />
4. Umgang mit den Ergebnissen <strong>der</strong> Mitarbeiterbefragungen<br />
5. Einführung einer Basisdokumentation<br />
6. Planung eines Beschwerdemanagements<br />
7. Findung einer gemeins<strong>am</strong>en Sprache<br />
8. Infragestellung traditioneller Rollen und Rollenbil<strong>der</strong> seitens <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter und <strong>der</strong> Betroffenen<br />
Mitwirkungsmöglichkeiten in <strong>der</strong> Einrichtung<br />
Wie werden nun die Einflussmöglichkeiten ausgestaltet bei <strong>der</strong> Brücke<br />
Neumünster? Beispiele sind<br />
• Beteiligungsformen bei <strong>der</strong> Erarbeitung <strong>der</strong> Entwicklungsberichte<br />
• Intensivierung <strong>der</strong> Ziel- o<strong>der</strong> Hilfeplangespräche mit den Nutzern<br />
• Überprüfung und Verbesserung <strong>der</strong> Informationsvermittlung bei<br />
Bewerbung und Aufnahme (Infoblätter, Klärung <strong>der</strong> Voraussetzungen<br />
und Antragsverfahren)<br />
• Umsetzung <strong>der</strong> gesetzlichen Vorgaben <strong>zum</strong> Mitwirkungsrecht in den<br />
Einrichtungen, speziell WfpbM und im Übergangswohnheim<br />
• Unterstützung eigener Initiativen seitens <strong>der</strong> Nutzer<br />
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Psychoseseminar<br />
Psychisch Kranke und ihre Angehörigen werden bevorzugt als Referenten<br />
zu den einzelnen Psychoseseminaren geladen. Aus <strong>der</strong> trialogisch<br />
besetzten Vorbereitungsgruppe des Psychoseseminars gehen wie<strong>der</strong><br />
trialogische Arbeitsgruppen hervor. Zum Beispiel die AG<br />
„Behandlungsvereinbarung und Krisenpass“<br />
Aus <strong>der</strong> Vorbereitungsgruppe wuchs zudem eine trialogisch besetzte<br />
Gruppe zur gemeins<strong>am</strong>en Vorbereitung von Veranstaltungen. In<br />
Zus<strong>am</strong>menarbeit mit an<strong>der</strong>en Trägern und <strong>der</strong> Volkshochschule sind<br />
mehrere Veranstaltungen ausgerichtet worden.<br />
Gremienarbeit im Überblick<br />
1. Arbeitsgruppe gemeindenahe Psychiatrie<br />
2. Arbeitsgruppe Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />
3. Arbeitsgruppe allgemeine Psychiatrie<br />
4. Qualitätszirkel <strong>der</strong> Brücke<br />
5. Vorbereitungsgruppe des Psychoseseminars<br />
6. Landesverein <strong>der</strong> Beschwerdestellen<br />
7. Besuchskommission <strong>der</strong> örtlichen psychiatrischen Klinik<br />
8. Mitwirkung beim Anhörungsverfahren <strong>zum</strong> Neubau des<br />
Krankenhauses<br />
Probleme<br />
Es ist nicht einfach, <strong>der</strong> trialogischen Denkweise Bahn zu brechen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e das Gebiet <strong>der</strong> Nutzerbeteiligung und Mitwirkung erwies<br />
sich als schwieriges Feld, das beiden Seiten eine ganze Menge Arbeit<br />
abverlangte.<br />
Viele <strong>der</strong> Klienten haben schlechte Erfahrungen gemacht und denken sich,<br />
dass ihre Meinung ja doch nicht zählt und dass das alles ja doch nichts<br />
einbringt. Schließlich würden die Mitarbeiter ja über allem stehen und<br />
doch in ihrem Sinne entscheiden, ohne die Meinung an<strong>der</strong>er anzuhören<br />
und diese auch ernst zu nehmen.<br />
Dies hat auch zu tun mit den Erfahrungen, welche die Benutzer im<br />
Krankenhaus gemacht haben, welches sie als fremdbestimmend erlebt<br />
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haben. Sie denken an Zwangsmaßnahmen und die Entwertung <strong>der</strong> eigenen<br />
Person. Diese Erfahrung setzt sich oft auch im persönlichen Umfeld fort,<br />
vor allem bei einer psychischen Ersterkrankung. Die erlebte Ausgrenzung<br />
wird verinnerlicht und erschwert die Mitwirkung ganz enorm.<br />
Um alle zur Mitwirkung zu bewegen, muss sich viel in den Köpfen än<strong>der</strong>n<br />
– sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Klienten. Die Hierarchie<br />
wird aufgeweicht, um sich auf <strong>der</strong> gleichen Augenhöhe begegnen zu<br />
können. Auch ist es erfor<strong>der</strong>lich, voneinan<strong>der</strong> zu lernen. Das altbekannte<br />
Denken, alles über den Köpfen <strong>der</strong> Klienten hinweg zu entscheiden, gehört<br />
nunmehr <strong>der</strong> Vergangenheit an.<br />
Die Benutzer selbst müssen mehr Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl<br />
entwickeln. Erst dann können sie ihre Meinung auch frei vertreten und sich<br />
vor den Mitarbeitern gerade machen. Dieser sensible Punkt bedarf <strong>der</strong><br />
Arbeit <strong>der</strong> Betreuer und Mitarbeiter, um die Betreuten zu bestärken und<br />
nicht zu entmündigen.<br />
Mitwirkung bedeutet letzten Endes, seine eigenen Ziele im eigenen<br />
Arbeitsbereich zu verfolgen und sich keine Ziele diktieren zu lassen. Man<br />
darf dabei berechtigte Kritik und die eigene Meinung frei äußern, ohne<br />
Repressalien befürchten zu müssen.<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an die weitere Arbeit<br />
1. Die Entwicklung von Mitwirkung ist für alle Beteiligten ein<br />
gemeins<strong>am</strong>er Lernprozess. Dazu sind gewohnte Helfer- und<br />
Opferrollen in Frage zu stellen und Rollenverhalten zu än<strong>der</strong>n.<br />
2. Mitwirkung benötigt Raum in den jeweiligen Strukturen und<br />
Arbeitsabläufen sowohl <strong>der</strong> Einrichtungen als auch <strong>der</strong><br />
Ges<strong>am</strong>torganisation. Auch die Hierarchie <strong>der</strong> Entscheidungswege<br />
darf nicht außen vor bleiben. Selbst die Leitung wird sich mit<br />
ungewohnten und wi<strong>der</strong>streitenden Interessen konfrontiert sehen.<br />
3. Möglichkeiten und Wirks<strong>am</strong>keit von Benutzerbeteiligung sind<br />
spürbar und äußern sich im Alltag. Sie müssen auch Bestand haben<br />
bei schwerwiegenden Beschwerden, personellen und finanziellen<br />
Entscheidungen.<br />
4. Benutzermitbestimmung setzt Einrichtungen und Strukturen voraus,<br />
<strong>der</strong>en Finanzierbarkeit gewährleistet ist und <strong>der</strong>en Arbeitsweise<br />
durch formale Anfor<strong>der</strong>ungen nicht überreguliert ist.<br />
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5. Es ist wichtig, ohne therapeutischem o<strong>der</strong> pädagogischem Interesse<br />
Räume zu schaffen, die Mitwirkung, Übernahme von Verantwortung,<br />
Stärkung von Autonomie und Selbstvertrauen ermöglichen.<br />
6. Es gilt zu dokumentieren und zu erklären, dass durch Mitwirkung<br />
eine Qualität entsteht, die sich stets än<strong>der</strong>t, die den Bedürfnissen und<br />
Erwartungen <strong>der</strong> Betroffenen und dem Wesen <strong>der</strong> gemeins<strong>am</strong>en<br />
Arbeit entspricht.<br />
<strong>Trialog</strong> und Genesung<br />
Was hat nun <strong>der</strong> <strong>Trialog</strong> zu tun mit <strong>der</strong> Genesung? Hauptanliegen des<br />
<strong>Trialog</strong>s ist, wie gesagt, ein umfassen<strong>der</strong>es Verständnis für Psychosen<br />
allgemein zu erreichen. Beson<strong>der</strong>s in Psychoseseminaren werden<br />
entsprechende Kenntnisse vermittelt und auch gefunden. Dieser neue<br />
Zugang zur eigenen Erkrankung hilft dem Betroffenen, sich selbst und<br />
seine Krankheit besser zu verstehen und auch besser d<strong>am</strong>it umzugehen.<br />
Dieser bessere Umgang mit sich selbst äußert sich dann in einer<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität, was wie<strong>der</strong>um dem Genesungsprozess<br />
sehr för<strong>der</strong>lich ist.<br />
Zudem ist Benutzerbeteiligung als Wesensmerkmal des <strong>Trialog</strong>s zu<br />
verstehen. Die Möglichkeit, mitzureden und mitzugestalten auf dem<br />
psychiatrischen Felde för<strong>der</strong>t, wie wir schon gehört haben, das<br />
Selbstbewusstsein und d<strong>am</strong>it auch die gefühlte Lebensqualität. Die<br />
Benutzer erleben sich nicht mehr als fremdbestimmte, passive Objekte <strong>der</strong><br />
Behandlung, son<strong>der</strong>n als selbstbestimmte, aktive Individuen. Sie fühlen<br />
sich wie<strong>der</strong> ernstgenommen und erfahren Sinn in ihrem Leben durch die<br />
jeweiligen Tätigkeiten, die sich im trialogischen Miteinan<strong>der</strong> ergeben.<br />
Diese Erfahrungen stärken den Betroffenen und wirken sich stabilisierend<br />
auf seine Ges<strong>am</strong>tverfassung aus.<br />
Auch das trialogische Miteinan<strong>der</strong> wirkt sich also direkt und indirekt auf<br />
den Genesungsprozess aus.<br />
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