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Eyewitness Testimony -Augenzeugenaussagen

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Angewandte Gedächtnisforschung<strong>Eyewitness</strong> <strong>Testimony</strong> - <strong>Augenzeugenaussagen</strong>Literatur• Eysenck, M.W. (2009). <strong>Eyewitness</strong> <strong>Testimony</strong>. Kap. 14 inBaddeley, Eysenck, & Anderson: Memory. Hove:Psychology Press.• Lindsay, R.C.L., Ross, D.F., Read, J.D., & Toglia, M.P.(2007.) The Handbook of <strong>Eyewitness</strong> Psychology. VolumeII: Memory for People. Mahwah, New Jersey: LawrenceErlbaum Associates.


Fehlbarkeit von <strong>Augenzeugenaussagen</strong>• Seit Einführung der DNA-Tests wurden in den USAbis 2008 etwa 200 verurteilte Personen mittels DNA-Tests rehabilitiert und nachträglich freigesprochen• Erfordert entsprechend lange Lagerung von DNA-Beweismaterial• Geringe Kenntnis der psychologischen Literatur zurZuverlässigkeit von <strong>Augenzeugenaussagen</strong> beiRichtern (Wise & Safer, 2004) oder Polizisten


Lückenhafte/fehlerhafte Beobachtungsgabe• Simons & Levin (1998); Levin et al. (2002): Auchdramatische Veränderungen einer visuellen Szenewerden oft nicht bemerkt (change blindness)• Beobachter sind dabei häufig davon überzeugt, dasssie die beschriebenen Veränderungen bemerkenwürden• Veränderungen in nicht fixierten Objekten werdenbesonders leicht übersehen


Erwartung und Erinnerung• Lindholm und Christianson(1998): Video einessimulierten Raubüberfalls wurde schwedischen undimmigrierten Studenten gezeigt. AnschliessendGegenüberstellung mit 8 Fotos (4 Schweden, 4Immigranten) zur Identifikation des Räubers• Täter wurde nur in ca. 30% korrekt identifiziert• Own race bias: Leistung etwas besser bei derselbenethnischen Zugehörigkeit von Täter und Beobachter• Fälschliche Identifikationen betrafen bei beidenGruppen viel häufiger einen unschuldigenImmigranten als einen unschuldigen Schweden!


Tucker & Brewer (2003): Vor allem bei unklaren Informationen tragenSchemata stark zur Rekonstruktion der Erinnerung bei, auch wenn diesenicht genau mit der ursprünglichen Beobachtung übereinstimmen


Post-hoc Verzerrung von Augenzeugenerinnerungen(Loftus & Palmer, 1974)• Probanden sahen einen Film mit einer Kollisionmehrerer Autos• Anschliessend sollten sie beschreiben, was passiertwar, und erhielten in der Folge spezifische Fragen.Beispiel: “About how fast were the cars going whenthey hit each other?” (or: “collided with”, “bumpedinto”, “smashed into”, “contacted”).• Ergebnis: die mittlere Geschwindigkeitsschätzungwar von der Wortwahl abhängig:– smashed into: 40.8 mph– collided with: 39.3 mph– bumped into: 38.1 mph– hit: 34.0 mph– contacted: 31.8 mph


Wie verzerrt irreführende Information nach demkritischen Ereignis die Erinnerung?• Johnson et al. (1993): Gedächtnisverzerrungenkönnen im Kontext des Quellen-Monitoring Ansatzesverstanden werden• Gefahr der Fehlattribution (misattribution), d.h. eswird zwar Information erinnert, die tatsächlich erlebtwurde, die aber von einem anderen Ereignis odereiner anderen Quelle stammt (z.B. Lindsay et al.,2004)• Spezialfall: unbewusste Personen-Fehlattribution.Der Fall von Donald Thomson


Individuelle Unterschiede• Alter des Augenzeugen:– Kleine Kinder liefern weniger reliable Berichte als größereKinder– Ältere Menschen (Alter ~60-80) liefern weniger reliableBerichte als jüngere Erwachsene– Ältere Menschen identifizieren in Gegenüberstellungen eherfälschlicherweise einen Verdächtigen– Ältere Menschen lassen sich durch irreführendeInformationen bei der Befragung leichter illusorischeErinnerungen, sog. „false memories“ entlocken (Dodson &Krüger, 2006)– Ein möglicher „own age bias“ (relativ bessere Identifikationvon Personen der eigenen Alterskohorte; vgl. Wright &Stroud, 2002) ist zu beachten• Ethnische Zugehörigkeit (“own race bias”)


Konfidenz von Augenzeugen• Richter und Geschworene lassen sich tendentiell vonder Konfidenz von Augenzeugen beeinflussen• Tatsächlich ist Laborstudien zufolge die Konfidenzvon Augenzeugen aber nur ein schwacher bismoderater Prädiktor der Identifikationsgenauigkeit(e.g., Sporer et al., 1995)• Perfect & Hollins (1996): Konfidenz in einerIdentifikationssituation korreliert zwar mitAllgemeinwissen, aber kaum mit der eigentlichenIdentifikationsleistung• In Gerichtsverhandlungen dürfte die Beziehungzwischen Konfidenz und Identifikationsleistung nochschwächer sein (coaching, confirmatory feedback)


Der Einfluß von Angst und/oder Gewalt• Ist die Zuverlässigkeit von Augenzeugenberichtenreduziert, wenn Augenzeugen extreme Emotionendurchleben?• Meinungsbild zu dieser Frage unter 235 US-Anwälten:– 82% Ja (Verteidiger)– 32% Ja (Staatsanwälte)• Diese Frage kann kaum durch Laborstudienbeantwortet werden (praktische u. ethischeProblematik)• Metaanalyse von Deffenbacher et al. (2004):Konsistent reduzierte Identifikationsleistung beihohem Niveau von Angst bzw. Stress sowohl fürGesichter (54% vs. 42%) als auch für Details einerVerbrechensszene (64% vs. 52%)


Gedächtnis für Gesichter• Grundlegende Unterscheidung: AndereMechanismen für das Erkennen bekannter und dasWiedererkennen unbekannter Personen (Hancock etal., 2000)• Im forensischen Kontext geht es oft (aber nichtimmer) um das Wiedererkennen Unbekannter• Gesichter erkennen ist keine Kulturtechnik – es gibtwenig Feedback über das, was eine“durchschnittliche” Leistung ist• Einige Menschen weisen dramatischeBeeinträchtigungen (Prosopagnosie) auf


Gesichtererkennung via CCTV-Kameras(Videoüberwachung)• In den USA, dem UK und anderen Ländern ist dieZahl der Videoüberwachungskameras (closed-circuittelevision, CCTV) in den letzten Jahren dramatischangestiegen• Wie gut können Menschen Personen aufgrundsolcher Videos erkennen? (Bruce et al., 1999, 2001)• Beispiel


Mean accuracy to familiar targets (total)10080correct6040200Full videoGaitdisguisedBodycoveredFacecovered


Der Effekt verbaler Täterbeschreibungen(verbal overshadowing)• Schooler und Engstler-Schooler (1990):Augenzeugenidentifikation nach Betrachten eines Videos desVerbrechens leidet unter dem Versuch, den Täter zuvorsprachlich zu beschreiben• Dieser Effekt kommt möglicherweise dadurch zustande, daßeine verbale Täterbeschreibung die Augenzeugen bei einerspäteren Gegenüberstellung vorsichtiger werden lässt (d.h. eswird eher kein falscher, aber insgesamt seltener überhaupt einTäter benannt; Clare & Lewandowsky, 2004)• Auch spezifische Enkodierungsstrategien und insbesonderephysische Beschreibungen scheinen das Gedächtnis fürGesichter nicht zu verbessern, sondern im Vergleich zu einerspontanen Enkodierungsstrategie eher zu verschlechtern(Sporer, 1991)


Aus: Burrath (2009). Praxishandbuch. Visuelle Personenidentifizierung undpolizeiliche Personenbeschreibung. Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft.


Aus: Burrath (2009). Praxishandbuch. Visuelle Personenidentifizierung undpolizeiliche Personenbeschreibung. Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft.


Ethnizitätseffekte (Own race bias)• Ein own race bias (bessere Wiedererkennung von Gesichtern dereigenen ethnischen Gruppe) ist seit langem gut dokumentiert.• Zur Erklärung des Effekts wurden die Expertise-Hypothese (häufiggesehene Gesichter können perzeptuell leichter kodiert werden) oderdie soziokognitive Hypothese (Gesichter einer „outgroup“ werdenunvollständig verarbeitet) kontrovers diskutiert (Shriver et al., 2008)• Gegen die soziokognitive Hypothese spricht, dass physikalischidentische ambigue Gesichter auch dann gleich gut wiedererkanntwurden, selbst wenn sie je nach Kontext eindeutig als weiß oderasiatisch (ingroup oder outgroup) klassifiziert wurden (Rhodes et al.,2010)• Neurophysiologische Studien sprechen dafür, dass sowohl der „Ownrace bias“ als auch der „Own age bias“ auf einer frühen (< 250 ms)perzeptuellen Verarbeitungsebene zustandekommt, und dass beidenähnliche neurokognitive Mechanismen zugrundeliegen (Stahl et al.,2008; Wiese et al., 2008)


Polizeiliche Prozeduren mit Augenzeugen• Gegenüberstellungen (lineups).– Valentine et al. (2003) analysierten Daten von 640 echten Augenzeugen,die in 314 echten Gegenüberstellungen der Londonder Polizei Verdächtigeidentifizieren sollten. Etwa 40% identifizierten den Verdächtigen, etwa 20%identifizierten eine nicht verdächtige Person, und 40% nahmen keineIdentifikation vor– Wichtig: der Augenzeuge sollte informiert werden, dass der Täter u.U. nichtunter den Personen ist. Diese Warnung reduzierte die Gefahr einer falschenIdentifikation um 42%, während gleichzeitig die Gefahr des „Verpassens“des echten Täters nur um 2% verringert wurde (Steblay, 1997).– Simultane oder sequentielle Präsentation? Meist wird simultanePräsentation verwendet; bei sequentieller Präsentation scheinenAugenzeugen insgesamt konservativer zu agieren, d.h. weniger falscheIdentifikationen, aber auch weniger korrekte Identifikationen zu produzieren(Steblay et al., 2001)• Interviewtechniken


Interviews von Augenzeugen: “Do s andDon ts”• Typische Fehler:– Zu enge Fragen (closed-ended questions). Z.B. „Welche Farbe hatte dasAuto?“. Besser „Was können Sie über das Auto sagen?“– Unterbrechungen während des Berichtes– Vorgefertigtes Schema von Fragen in einer bestimmten Reihenfolge, ohnedie Antworten des Zeugen zu berücksichtigen• Empfehlungen (entsprechend dem kognitiven Interview;Geiselman et al., 1985)1. Mentales „reinstatement“ der Umgebung und der persönlichen Kontakte,die während des Verbrechens stattfanden2. Ermunterung, jedes Detail zu berichten, unabhängig davon wienebensächlich es für das Verbrechen scheint3. Versuch, das Ereignis in mehreren unterschiedlichen Abfolgen zubeschreiben4. Versuch, das Ereignis aus verschiedenen Blickwinkeln (inklusive denenanderer Teilnehmer oder Zeugen) zu berichten• Studien zeigen die Überlegenheit des kognitiven Interviews imVergleich zu Standard-Interviews der Polizei oderHypnosetechniken (Geiselman et al., 1985; Köhnken et al.,1999)


Effizienz von Interviewtechniken (Geiselman et al., 1985)

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