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Das Regierungssystem im Islam - Kalifaat.org

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ÝAbdu-l-QadÐm ZallÙm<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong><strong>im</strong> <strong>Islam</strong>Dieses erweiterte und korrigierte Buchbasiert auf dem Werk"<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>"von seinem VerfasserTaqiyyu-d-DÐn an-NabhÁnÐ


ÝAbdu-l-QadÐm ZallÙm<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong><strong>im</strong> <strong>Islam</strong>Dieses erweiterte und korrigierte Buchbasiert auf dem Werk"<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>"von seinem VerfasserTaqiyyu-d-DÐn an-NabhÁnÐ


1.Auflage1372 n. H. – 1953 n. Chr.6. (autorisierte) Auflage1422 n. H. – 2002 n. Chr.


אאא אא אא א E48אF


Im Namen Allahs, des Erbarmungsvollen, des Barmherzigen"Und Wir haben zu dir das Buch mit der Wahrheitherabgesandt, als Erfüllung dessen, was vor ihm anSchrift war, und darüber herrschend. So richte unterihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat undfolge nicht ihren Neigungen in Abwendung von dem,was an Wahrheit zu dir gelangt ist. Einem jeden voneuch haben wir eine klare Satzung und einendeutlichen Weg v<strong>org</strong>eschrieben."(Sure al-Mā’ida 5, Àya 49)


InhatsverzeichnisVorwort ...................................................................................................................... 4Einleitung ................................................................................................................... 8Al-Íukm – die Regentschaft <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ......................................................................10Der <strong>Islam</strong>ische Staat ..................................................................................................15Die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>....................................................................................27Die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist nicht monarchistisch...........................................27Die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist nicht republikanisch ...........................................28Die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist nicht <strong>im</strong>perialistisch ...........................................30Die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist nicht föderativ ....................................................31<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> - das Kalifat ...........................................................33Die Grundsäulen der Herrschaft ................................................................................41Die Souveränität obliegt dem islamischen Recht ....................................................41Die Autorität liegt bei der Umma............................................................................43Die Aufstellung eines Kalifen ist Pflicht.................................................................45<strong>Das</strong> Recht zur verbindlichen Übernahme (al-TabannÐ)obliegt allein dem Kalifen.......................................................................................46Der Staatsapparat.......................................................................................................47Der Kalif....................................................................................................................51Die Voraussetzungen des Kalifen ...........................................................................52Die Vollzugsbedingungen.......................................................................................52Die Vorzugsbedingungen........................................................................................56Der Vollzug des Kalifats.........................................................................................60Der Rechtsspruch bezüglich des Machtübergriffs...................................................61Durch wen die Bai Ý a vertraglich vollzogen wird .....................................................62Durch wen der Kalif aufgestellt wird ......................................................................66Die Bai Ý a..................................................................................................................70<strong>Das</strong> Streben nach dem Kalifat.................................................................................74Die Methode zur Aufstellung des Kalifen...............................................................75Die Thron- oder Nachfolgebest<strong>im</strong>mung..................................................................93Die Thronfolge........................................................................................................94Die Herrschaftsdauer des Kalifen............................................................................98Die Zeit, die den Musl<strong>im</strong>en gewährt wird, um einen Kalifen aufzustellen .............99Die Einheit des Kalifats.........................................................................................101Die Befugnisse des Kalifen ...................................................................................103Wie der Kalif die Angelegenheiten der Bürger betreut .........................................111Bei der verbindlichen Übernahme (TabannÐ) von Gesetzen ist derKalif an die islamischen Rechtssprüche gebunden................................................115Die Absetzung des Kalifen....................................................................................119Die Umma hat nicht das Recht zur Absetzung des Kalifen...................................1241


<strong>Das</strong> MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht hat das Recht zur Absetzung des Kalifen...........................127Der Staat des Kalifats ist ein menschlicher und kein göttlicher Staat......................128Im <strong>Islam</strong> ist die Führung individuell und nicht kollektiv.........................................139Al-MuÝÁwinÙn – die Assistenten .............................................................................143Der MuÝÁwin al-TafwÐÃ – der Vollmachtsassistent..................................................143Die Voraussetzungen des MuÝÁwin al-TafwÐÃ.......................................................147Ernennungsregeln für den MuÝÁwin al-TafwÐÃ......................................................148Die Tätigkeit des MuÝÁwin al-TafwÐÃ....................................................................150Der MuÝÁwin al-TanfÐÆ – der Vollzugsassistent ......................................................154Der AmÐr-ul-¹ihÁd ..................................................................................................158<strong>Das</strong> Außenressort ..................................................................................................160<strong>Das</strong> Kriegsressort ..................................................................................................161<strong>Das</strong> Ressort für innere Sicherheit..........................................................................162<strong>Das</strong> Industrieressort...............................................................................................166Die Armee ...............................................................................................................169Die Einteilung der Armee .....................................................................................170Brigadebanner und Flaggen der Armee.................................................................176Der Kalif ist der Oberbefehlshaber der Armee......................................................180Die Ausbildung der Armee in militärischer und islamischer Geistesbildung........182Der <strong>Islam</strong>ische Staat befindet sich <strong>im</strong> Zustand des permanenten ¹ihÁd .............185Al-WulÁt – die Gouverneure....................................................................................192Die Einsetzung und Absetzung der Gouverneure..................................................194Die Befugnisse des WÁlÐ .......................................................................................197Der Kalif hat die Arbeit der WulÁt zu überprüfen.................................................202<strong>Das</strong> Gericht – al-QaÃÁ'.............................................................................................205Die Arten von Richtern .........................................................................................208Die Voraussetzungen für die Bestellung von Richtern..........................................211Die Ernennung der Richter....................................................................................212Die Zusammensetzung der Gerichte .....................................................................212Der MuÎtasib.........................................................................................................220Die Befugnisse des MuÎtasib................................................................................220Der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter ............................................................................................223Die Ernennung der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter und ihre Absetzung ....................................224Die Befugnisse des MaÛÁl<strong>im</strong>-Richters ..................................................................227Der Verwaltungsapparat ..........................................................................................232Der Verwaltungsapparat ist ein Verwaltungsstil und keine Regierungsform ........232<strong>Das</strong> Wahrnehmen der Bürgerinteressen gehört zur Betreuung ihrerAngelegenheiten....................................................................................................235Verwaltungstechnische Einzelheiten.....................................................................2362


Die Verwaltungspolitik .........................................................................................239Wer hat das Recht, <strong>im</strong> Staatsapparat angestellt zu werden?..................................240Die Staatsbediensteten sind Angestellte................................................................241Der Maºlis al-Umma – die Ratsversammlung.........................................................243<strong>Das</strong> Recht zur ŠÙrÁ................................................................................................244Der Rechtsspruch bezüglich der ŠÙrÁ....................................................................246Die Wahl der Mitglieder der Ratsversammlung....................................................251Die Dauer der Ratsmitgliedschaft .........................................................................253Die Mitgliedschaft in der Ratsversammlung .........................................................253Die Befugnisse des Maºlis al-Umma ....................................................................256<strong>Das</strong> Recht auf Rede und Meinungsäußerung ohne Bedrängnis.............................268Der <strong>Islam</strong> muss auf einmal und in vollständiger......................................................272Weise <strong>im</strong>plementiert werden – es ist verboten, in der Durchführung seinerGesetze stufenweise vorzugehen .............................................................................272Der <strong>Islam</strong> verbietet die Polizeiherrschaft.................................................................277Der <strong>Islam</strong> verbietet es, den Musl<strong>im</strong>en Leid zuzufügen oder sieauszuspionieren.....................................................................................................278Der Gehorsam gegenüber dem musl<strong>im</strong>ischen Herrscher, der mit dem<strong>Islam</strong> regiert, ist verpflichtend.................................................................................284Kein Gehorsam in der Sünde.................................................................................287Die Rechenschaftsforderung von den Regenten ist für dieMusl<strong>im</strong>e eine Verpflichtung ....................................................................................290Die Gründung politischer Parteien ist eine Pflicht der Genüge ...............................301Die Gewährleistung der Anwendung des <strong>Islam</strong>.......................................................3053


PIm Namen Allahs, des Erbarmungsvollen, des BarmherzigenVorwortDie erste Ausgabe des Buches "<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>"wurde Anfang der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts verfasst.Die westliche Geistesbildung hatte damals einen großen Einfluss aufdie Geister der Gebildeten unter den jungen Musl<strong>im</strong>en. Als Folge dominiertein den Köpfen die Idee, dass der <strong>Islam</strong> ein klerikaler Glaubesei, der über kein funktionsfähiges System verfüge, um die Problemeunserer Zeit zu bewältigen. Man war der Ansicht, dass der <strong>Islam</strong> keineigenes <strong>Regierungssystem</strong> für den Staat habe und seine Staatsformrein theokratisch-spiritueller Natur sei.Diejenigen, die damals zum <strong>Islam</strong> aufriefen, taten dies in allgemeinen,gestaltlosen Ideen. Ihnen fehlte jene Klarheit, die den <strong>Islam</strong> alsumfassendes Lebens-, Staats- und Gesellschaftssystem hervorhebenkann. Sie riefen in allgemeiner, offener Weise zur Rückkehr zum <strong>Islam</strong>auf, ohne eine klare Vorstellung über die Systeme des <strong>Islam</strong> zuhaben und über die Methode, wie die Herrschaft des <strong>Islam</strong> wiedererrichtetwerden kann. Ihrer DaÝwa 1 -Tätigkeit fehlte die Erkenntnis,dass die Wiedereinführung der Regentschaft der göttlichen Offenbarungnur durch die Gründung des Kalifatsstaates möglich ist. Deswegenfanden die Errichtung des Kalifats sowie die Wiedereinführungder Regentschaft nach dem, was Allah herabgesandt hat, keinerlei Erwähnungin ihren Arbeitsplänen.Zu dieser Zeit begann ein Block, den Realzustand der Umma genauzu untersuchen, ihre Gegenwart und wo sie angelangt war. Er untersuchteihre Geschichte, als sie vor Macht und Stärke strotzte, in einemStaat, der unangefochten den ersten Platz unter den Staaten derWelt einnahm. Es handelte sich um einen Staat, der auf dem islamischenÜberzeugungsfundament (ÝAqÐda) gründete sowie auf dem, wasdiesem Fundament an islamischen Rechtssprüchen entsprang. Der1 Verkündung des <strong>Islam</strong>.4


Staat führte diese Rechtssprüche durch, <strong>im</strong>plementierte sie und trugsie als Botschaft in die Welt. Anschließend studierte dieser Block den<strong>Islam</strong> aus seinen originalen Quellen, dem Koran und der Sunna 2 , intiefgründiger, bewusster Weise und kam zur Erkenntnis, dass der <strong>Islam</strong>ein umfassendes System beinhaltet, das alle Probleme des Lebenszu lösen vermag. Er verfasste Bücher, die dies in genereller Formbelegen, ohne sich mit vielen Systemdetails eingehender zu beschäftigen.So verfasste er Bücher über die Lebensordnung des <strong>Islam</strong>, überdas Regierungs-, Wirtschafts- und das Beziehungssystem. In all diesenBüchern berücksichtigte der Block vor allem den praktischen Aspekt,damit die Musl<strong>im</strong>e erkennen, dass es sich be<strong>im</strong> <strong>Islam</strong> um einepraktische Ideologie handelt, mit einem umfassenden System, das zurAnwendung zweifellos geeignet ist. Dadurch sollen sich die Musl<strong>im</strong>eseine Systeme aneignen und sich für deren Durchführung <strong>im</strong> realenLeben einsetzen, indem sie zur Gründung des Kalifatsstaates tätigwerden, der die einzige Methode darstellt, um diese Systeme <strong>im</strong> täglichenLeben zu realisieren.Nachdem der Block diese Ideen und Systeme an die Musl<strong>im</strong>e herangetragenhatte, um sie <strong>im</strong> täglichen Leben zu realisieren, nachdem eszu permanenten Diskussionen und Gesprächen darüber gekommenwar und das Gedankengut ausgeformt und in den Quellen nachgelesenwurde, dehnte sich das Spektrum dieser Ideen bei ihm aus. Es beschränktesich nicht mehr auf generelle Richtlinien und ein allgemeinesErscheinungsbild, insbesondere nachdem der <strong>Islam</strong> - auf dem alleBlicke ruhten - zum Hoffnungsträger der Musl<strong>im</strong>e geworden war, umsie aus dem fatalen Zustand zu befreien, in dem sie sich heute befinden.Die Musl<strong>im</strong>e haben nunmehr begriffen, dass der <strong>Islam</strong> ein umfassendes,vollkommenes System verkörpert, das alle Probleme desLebens zu lösen vermag. Nun streben sie danach, mehr Einzelheitenüber diesen Kalifatsstaat zu erfahren, für dessen Errichtung man sicheinsetzt. Zudem wollen sie mehr über die Systeme des <strong>Islam</strong> erfahren,die der Kalifatsstaat über sie anwenden wird. Dies war für uns derAnlass, diese Bücher zu erweitern und sie mit vielen Einzelheiten zubereichern, die in ihren ersten Ausgaben nicht enthalten waren.Was das vorliegende Buch "<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong>" betrifft, so habenwir es in seiner dritten Ausgabe erweitert und die Realität des Kali-2 Aussprüche, Handlungen und wissentliches Dulden des Propheten.5


fatsstaates mit seinen Einrichtungen, Aufgaben und allem, was damitin Verbindung steht, herv<strong>org</strong>ehoben. Wir haben deutlich gemacht,dass die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> hervorragend und einzigartig istund sich von allen heute weltweit existierenden Regierungsformenunterscheidet. In ausführlicher Weise haben wir die Prinzipien des<strong>Regierungssystem</strong>s und die Institutionen <strong>im</strong> Kalifatsstaat dargelegtund die Aufstellungsmethode des Kalifen und die dazu möglichenV<strong>org</strong>ehensweisen aufgezeigt. Ferner haben wir klar gemacht, dass derKalifatsstaat ein menschlicher und kein göttlicher Staat ist. Des Wieterenhaben wir uns den Assistenten (MuÝÁwinÙn) und deren Befugnissen,der Gesetzmäßigkeit der ŠÙrÁ sowie dem Maºlis al-Umma(Ratsversammlung) mit seinen Befugnissen zugewandt. Wir habendie Verpflichtung, den <strong>Islam</strong> vollständig in einem Zuge zu <strong>im</strong>plementieren,deutlich aufgezeigt sowie das Verbot, bei seiner Anwendungstufenweise vorzugehen. Auch haben wir das Verbot klargelegt, einePolizeiherrschaft <strong>im</strong> Staat einzuführen. Wir haben erläutert, wann derGehorsam gegenüber dem Regenten verpflichtend und wann er verbotenist und wann man ihm mit dem Schwerte entgegentreten muss.Darüber hinaus haben wir die Verpflichtung dargelegt, den Regentenzu jeder Zeit zur Rechenschaft zu ziehen.In der dritten Ausgabe haben wir es jedoch versäumt, die ÍadÐ×e herzuleitenund die Formulierungen einzuhalten, wie sie in den ÍadÐ×-Büchern angeführt sind. Bei vielen von ihnen hatten wir uns auf dieFormulierung verlassen, wie sie in den anerkannten Fiqh-Büchern erscheint.Allerdings erwähnen die Fiqh-Bücher den ÍadÐ× manchmalnur in seiner Bedeutung bzw. beschränken sich auf das Zitieren einesTeils des ÍadÐ×; den man als Beweisführung heranzieht. Als die dritteAusgabe vergriffen war und wir die vierte drucken wollten, holtenwir dieses Versäumnis nach. Wir leiteten alle ÍadÐ×e her, die <strong>im</strong> Bucherscheinen, und legten dar, aus welcher Quelle jeder ÍadÐ× entnommenwar. Ferner hielten wir uns streng an die Formulierung, wie siein den ÍadÐ×-Büchern enthalten ist, und entfernten jeden ÍadÐ×, dessenRichtigkeit bzw. Beweiseignung nicht gesichert war. Auch konntenwir uns von der Richtigkeit aller <strong>im</strong> Buch enthaltenen Nachrichtenund Überlieferungen aus ihren Quellen vergewissern. Jede Nachricht,von der wir uns nicht vergewissern konnten bzw. die wir alsüberlieferungsschwach erkannten, haben wir entfernt. Des Weiterenhaben wir – nach erfolgten Diskussionen und Nachforschungen – ei-6


nige Konzeptionen und Rechtssprüche korrigiert, um das Buch in dieserForm herauszubringen, wie sie den Musl<strong>im</strong>en angeboten wird.Wir bitten Allah, dass er durch dieses Buch viel Gutes bewirkt unddie Musl<strong>im</strong>e baldigst mit der Gründung des Kalifatsstaates ehrt, damitdas, was in diesem Buch enthalten ist, angewendet und durchgeführtwird. Für Allah ist dies wahrlich ein Leichtes.15. MuÎarram al-ÍarÁm 1417 n. H.1. Juni 1996 n. Chr.ÝAbdu-l-QadÐm ZallÙm7


Einleitung:PIm Namen Allahs, des Erbarmungsvollen, des BarmherzigenAllah, der Erhabene, hat die Botschaft des <strong>Islam</strong> herabgesandt. Er ließsie auf dem Überzeugungsfundament (ÝAqÐda) der göttlichen Einheitaufbauen, dem Fundament von Lā Ilāha ill-Allāh MuÎammadun Rasūlullāh(Es gibt keinen Gott außer Allah und MuÎammad ist der GesandteAllahs!).Der <strong>Islam</strong> ist eine vollkommene Botschaft, die an die gesamteMenschheit ergangen ist. Sie regelt alle Angelegenheiten des Lebensselbst sowie die Beziehung des Lebens zu dem, was vor ihm war undnach ihm folgen wird. Sie löst die Probleme des Menschen in seinerEigenschaft als Mensch und regelt sein Verhältnis zu seinem Schöpfer,zu sich selbst sowie zu anderen Spezies seiner Art - für jede Zeitund jeden Ort.Sie regelt das Verhältnis Allahs, des Schöpfers, zum Universum, zumMenschen und zum Leben hinsichtlich der Schöpfung und Planung,des Lebens und des Todes, der Rechtleitung und des Irrgangs, desUnterhalts (Rizq), der siegreichen Unterstützung (NaÒr) und andererEigenschaften, mit denen Allah beschrieben wird. Dazu zählen SeineAllmacht, Seine Perfektion, Seine Planung und Sein Wissen, das diegesamte Existenz umfasst, sowie Sein Wille, der mit allem Möglichenverbunden ist.Diese Botschaft regelt auch das Verhältnis des Menschen und des Lebenszu Allah, dem Schöpfer, indem sie Ihn allein der Anbetung fürwürdig erklärt und Ihm allein die Gesetzgebung überträgt, ohne irgendeinemSeiner Geschöpfe daran Anteil zu gewähren. Sie hat esferner zur Pflicht erklärt, Ihn so anzubeten, wie Er es Seinen Dienernv<strong>org</strong>eschrieben hat, Seine Gebote einzuhalten und sich von SeinenVerboten fernzuhalten. Dabei hat man allein dem Vorbild des ProphetenMuÎammad zu folgen und nur von ihm die Gesetzgebunganzunehmen. Niemand sonst darf befolgt oder als Rechtsquelle herangezogenwerden.8


Die islamische Botschaft kam mit konkreten und spezifischen Ideen.Sie gründete damit eine einzigartige Kultur und legte die Summe allerLebenskonzeptionen fest. Zudem formte sie den Geschmack ihrerAnhänger gemäß dieser Kultur aus und gab ihr eine spezifische Sichtweise<strong>im</strong> Leben: die Sichtweise des Erlaubten und Verbotenen. DesWeiteren legte sie eine best<strong>im</strong>mte Lebensweise fest und gründete aufBasis dieser Kultur eine Gesellschaft, die in ihren Ideen, Gefühlenund Systemen und in der Persönlichkeit ihrer Individuen deutlich hervorsticht.Sie kam auch mit einer vollständigen Gesetzgebung, die alle Beziehungenin Staat und Gesellschaft regelt. Dies betrifft gleichermaßendie Bereiche Wirtschaft, Geschlechterbeziehung und Unterrichtswesen,die Innen- und Außenpolitik sowie die allgemeinen Beziehungen,die das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern bzw. zu anderenStaaten, Völkern und Gemeinschaften in Kriegs- und Friedenszeitenregeln. Es betrifft auch die spezifischen Beziehungen zwischenden Gesellschaftsindividuen untereinander.Somit ist die Botschaft des <strong>Islam</strong> ein vollständiges und umfassendesLebenssystem für alle Bereiche des menschlichen Lebens. Sie hat dieMusl<strong>im</strong>e dazu verpflichtet, dieses System vollständig anzuwendenund durchzuführen, in einem Staat, dessen best<strong>im</strong>mte Form sie mitdem Kalifatssystem festgelegt hat.9


Al-Íukm – die Regentschaft <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>In der arabischen Terminologie bedeuten die Wörter al-Íukm, al-Mulk oder al-SulÔān dasselbe. Sie bedeuten die Macht bzw. die Herrschaft,welche die AÎkām, d. h. die Entscheidungen, durchführt. Mitanderen Worten ist es die Führungstätigkeit (al-Imāra), die das islamischeRecht den Musl<strong>im</strong>en v<strong>org</strong>eschrieben hat. Diese Führungstätigkeitwird durch die Herrschaft verkörpert, die dazu genutzt wird,die Ungerechtigkeit aufzuheben und in Streitfällen zu entscheiden.Al-Íukm ist somit die Übernahme der Befehlsgewalt, die in folgendenAussagen Allahs enthalten ist:אאאא אאא "Gehorcht Allah und gehorcht Seinem Gesandten und jenen, die untereuch die Befehlsgewalt innehaben." (Sure al-NisÁÞ 4, Āya 59) אא"Und hätten sie es vor den Gesandten und vor jene gebracht, die unterihnen die Befehlsgewalt innehaben […]." (Sure al-NisāÞ 4, Āya 83) Somitist al-Íukm (die Regentschaft) die tatsächliche Ausübung der Betreuungstätigkeit.Der <strong>Islam</strong> als eine umfassende Ideologie für den Staat, die Gesellschaftund das Leben hat den Staat und die Regierung zu einem seinerintegrierten Bestandteile gemacht. Er befahl den Musl<strong>im</strong>en, Staat undRegierung zu errichten und nach den Gesetzen des <strong>Islam</strong> zu regieren.Dutzende Verse sind <strong>im</strong> Koran offenbart worden, die sich mit Regentschaftund Herrschaft befassen und den Musl<strong>im</strong>en eindeutig befehlen,nach dem zu richten (bzw. zu regieren), was Allah herabgesandthat. So sagt Allah :אאא "Und richte unter ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat, undfolge nicht ihren Neigungen, um von dem abzukommen, was anWahrheit zu dir gelangt ist." (Sure al-MāÞida 5, Āya 48) Auch sagt Er:אאא א א"Und richte unter ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat, undfolge nicht ihren Neigungen; und n<strong>im</strong>m dich vor ihnen in Acht, dass10


sie dich nicht von etwas abbringen, was Allah zu dir herabgesandthat." (Sure al-MÁÞida 5, Āya 49) Allah sagt weiter: א "Und wer nicht nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat, so sinddies wahrlich die Ungläubigen!" (Sure al-MāÞida 5, Āya 44) Er sagt auch:אאא "Und wer nicht nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat, so sinddies wahrlich die Ungerechten!" (Sure al-MāÞida 5, Àya 45) Und Er sagt:אא "Und wer nicht nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat, so sinddies wahrlich die Frevler." (Sure al-MāÞida 5, Àya 47) In der Sure al-NisāÞ4, Àya 65, sagt Allah:א א"Nein, bei deinem Herrn, sie werden nicht eher gläubig sein, bis siedich zum Richter in allem erheben, was unter ihnen strittig ist, sie sodannin ihrem Herzen keinen Zweifel mehr hegen und sich vollendsergeben." Ferner sagt Er: אאאא"Ihr Gläubigen! Gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und jenen,die unter euch die Befehlsgewalt innehaben." (Sure al-NisÁÞ 4, Àya59) Zudem sagt Er:11אאא אאא"Und wenn ihr unter den Menschen richtet, so richtet mit Gerechtigkeit!"(Sure al-NisÁÞ 4, Àya 58) Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche andereVerse, die sich mit der Regentschaft <strong>im</strong> Sinne von Herrschaftund Macht beschäftigen. Auch gibt es Verse, die sich mit Detailfragender Regentschaft befassen. So gibt es Verse für die Kriegsgesetzgebung,für politische, strafrechtliche, soziale und vertragsrechtlicheGesetzgebungen sowie für andere Gesetzgebungsarten. Allah, der Erhabene,sagt: אאאאאא "Ihr Gläubigen! Kämpft gegen jene unter den Ungläubigen, die eucham nächsten sind, und mögen sie Härte von euch erfahren!" (Sure al-Tauba 9, Àya 123) Er sagt:


אא"Und wenn du <strong>im</strong> Krieg auf sie triffst, so verjage mit ihnen jene, diehinter ihnen kommen, auf dass sie sich vielleicht besinnen. Und fürchtestdu von einem Volk Verrat, so wirf ihnen den Vertrag in gegenseitigerKenntnis zurück." (Sure al-AnfÁl 8, Àya 57-58) Allah sagt weiter: אא"Und wenn sie sich dem Frieden zuneigen, so neige dich ihm zu undvertraue auf Allah!" (Sure al-AnfÁl 8, Àya 61) Auch sagt Er:אאא "Ihr Gläubigen, haltet die Verträge ein!" (Sure al-MāÞida 5, Àya 1) Und Ersagt:אאאא אא א "Und verschlingt nicht euer Vermögen untereinander auf unrechteWeise, und bietet es nicht der Obrigkeit (als Bestechung) an, um einenTeil des Vermögens anderer wissentlich zu verschlingen!" (Sureal-Baqara 2, Àya 188) Er sagt auch:א א "In der Wiedervergeltung liegt für euch Leben, ihr Verständigen!"(Sure al-Baqara 2, Àya 179) Ferner hat Allah befohlen: אא אאא "Dem Dieb und der Diebin, schneidet Ihnen die Hände ab, als Vergeltungfür ihr Vergehen und als Abschreckung von Allah." (Sure al-MāÞida 5, Àya 38) Und Er hat befohlen: "Und wenn sie für euch stillen, so gebt ihnen ihren Lohn." (Sure al-ÓalÁq 65, Àya 6). Des Weiteren befiehlt Er:א"Wer Fülle hat, der soll aus seiner Fülle aufwenden; und der, dessenMittel beschränkt sind, soll von dem aufwenden, was Allah ihm gegebenhat!" (Sure al-ÓalÁq 65, Àya 7) Und Er befiehlt:12


א"N<strong>im</strong>m von ihrem Vermögen eine Almosengabe, mit der du sie reinigst[…]." (Sure al-Tauba 9, Àya 103)So finden wir die breiten Gesetzgebungsrichtlinien in ihren verschiedenstenAspekten - <strong>im</strong> militärischen, strafrechtlichen, politischen Aspektsowie <strong>im</strong> Bereich des Vertragsrechts - in hunderten Koranversenerläutert. Darüber hinaus existiert noch ein <strong>im</strong>menser Reichtum anrichtigen ÍadÐ×en 3 , die sich mit diesen Themen befassen. All dieseOffenbarungstexte sind herabgesandt worden, um danach zu regieren,um sie anzuwenden und durchzuführen. In der praktischen Realitätsind sie auch tatsächlich umgesetzt worden: in den Tagen des Propheten, der rechtgeleiteten Kalifen und der musl<strong>im</strong>ischen Herrscher,die nach ihnen gekommen sind. Dies belegt in eindeutiger Wiese,dass der <strong>Islam</strong> ein System für Regierung und Staat, für Gesellschaftund Leben, für Gemeinschaft und Einzelpersonen ist. Es belegt wieterhin,dass der Staat die Regierungsgewalt nur dann besitzt, wenn ergemäß den Gesetzen des <strong>Islam</strong> v<strong>org</strong>eht. Auch ist der <strong>Islam</strong> erst dannreal existent, wenn er in einem Staat lebendig ist, der seine Gesetzevollzieht. Der <strong>Islam</strong> ist eine Lebensordnung und eine Ideologie, wobeiStaat und Regentschaft ein Teil von ihm sind. Der Staat stellt dieeinzige legit<strong>im</strong>e Methode dar, die der <strong>Islam</strong> festgelegt hat, um seineGesetze anzuwenden und sie <strong>im</strong> öffentlichen Leben zu realisieren.Der <strong>Islam</strong> ist erst dann lebendig vorhanden, wenn er in einem Staatverkörpert wird, der ihn in allen Angelegenheiten anwendet. Es ist einStaat von politischer und menschlicher Natur und nicht göttlich-spirituell.Er besitzt keine Heiligkeit und sein Oberhaupt beansprucht keinUnfehlbarkeitsdogma.<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> legt die Form und den Charakter desStaates dar, es erläutert seine Fundamente, seine Grundsäulen und Institutionen.Es beschreibt die Basis, auf welcher der Staat aufbaut, dieIdeen, Konzeptionen und Maßstäbe, nach denen die Angelegenheitengeregelt werden, sowie Verfassung und Gesetze, die in diesem Staatzur Anwendung kommen.3 Dies sind die gesammelten Aussprüche des Propheten, seine Handlungen und sein wissentliches Dulden.13


Es ist ein besonderes, ein einzigartiges System für einen besonderenund einzigartigen Staat. Es unterscheidet sich vollkommen von allen<strong>Regierungssystem</strong>en, die heute auf der Welt existieren, sei es in derGrundlage, auf der diese Systeme aufbauen, in den Ideen, Konzeptionenund Maßstäben, gemäß denen die Angelegenheiten geregelt werden,in den Formen, die sich darin etablieren, oder in den Verfassungenund Gesetzen, die dort angewendet werden.14


Der <strong>Islam</strong>ische StaatDer <strong>Islam</strong>ische Staat ist der Kalif, der das islamische Recht anwendet.Es ist ein politisches Implementierungsgebilde, um die Gesetze des<strong>Islam</strong> anzuwenden und durchzuführen und seine Botschaft durch Verkündungund ¹ihÁd in die Welt zu tragen. Der Staat stellt auch dieeinzige vom <strong>Islam</strong> festgelegte Methode dar, um seine Systeme undallgemeinen Gesetze <strong>im</strong> Leben und in der Gesellschaft zu verwirklichen.Er ist die Voraussetzung für die reale Existenz des <strong>Islam</strong> <strong>im</strong> Leben,denn ohne ihn verschwindet der <strong>Islam</strong> als Ideologie und Lebensordnungaus der Welt und bleibt lediglich in Form von spirituellenRiten und ethischen Eigenschaften übrig. Deswegen ist der Staat vonpermanentem und nicht vorübergehendem Charakter.Der <strong>Islam</strong>ische Staat gründet auf dem islamischen Überzeugungsfundament.Es bildet seine Grundlage und darf unter keinen Umständenvon ihm losgelöst werden. Der Gesandte Allahs baute, als er inMedina die Herrschaft des <strong>Islam</strong> errichtete und die Regentschaftübernahm, diese vom ersten Tag an auf der Grundlage der islamischenauf. Die Gesetzgebungsverse waren noch nicht offenbart worden,und so machte er das Bekenntnis, dass es keinen Gott gibt außerAllah und dass MuÎammad der Gesandte Allahs ist, zur Grundlage,auf der das Leben der Musl<strong>im</strong>e, die Beziehungen unter den Menschenund die Entscheidungen in ihren Streitigkeiten und Unrechtsklagenaufbauen. Mit anderen Worten machte er die islamische zur Grundlagefür das gesamte Leben, für die Regierung und für die Herrschaft.Damit nicht genug schrieb er den Musl<strong>im</strong>en den ¹ihÁd vor und machteihn zur Methode, um dieses Überzeugungsfundament an die Menschenheranzutragen. Al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> überliefern von ÝAbdullÁhibn ÝUmar (der wiedergegebene Wortlaut ist jener bei Musl<strong>im</strong>),dass der Gesandte Allahs sprach:א،אאא،אאאאאאאאאAא،אא،אאאאאאא‏@‏"Mir ist befohlen worden, die Menschen zu bekämpfen, bis sie bezeugen,dass es keinen Gott gibt außer Allah und dass MuÎammad der15


Gesandte Allahs ist, sie das Gebet aufrecht halten und die ZakÁt 4entrichten. Tun sie dies, so haben sie ihr Blut und ihr Vermögen vormir geschützt – mit Ausnahme des damit verbundenen Rechtsanspruches–, und ihre Rechenschaft obliegt Allah."Er machte es auch den Musl<strong>im</strong>en zur Pflicht, den Fortbestand der alsStaatsgrundlage zu gewährleisten. So befahl er, das Schwert zu ziehenund zu kämpfen, wenn ein offenkundiger Kufr 5 zutage tritt, d. h.,die islamische also nicht mehr die Grundlage von Regentschaft undHerrschaft bildet. Der Gesandte wurde über die ungerechten Herrschergefragt, ob man sie mit dem Schwerte bekämpfen solle. Er antwortete: @אאא،A"Nein, solange sie unter euch das Gebet aufrecht halten." In seinerBai Ý a 6 machte er es zur Bedingung, dass die Musl<strong>im</strong>e den Machthaberndie Befehlsgewalt nicht streitig machen – es sei denn, sie seheneinen offenkundigen Kufr aufkommen. Musl<strong>im</strong> berichtet von ÝAufibn MÁlik über die schl<strong>im</strong>msten Imame: @KKKאאא،W؟אWאKKKA[…] Man fragte: "O Gesandter Allahs, sollen wir sie nicht mit demSchwerte bekämpfen?" Er antwortete: "Nein, solange sie unter euchdas Gebet aufrecht halten. […]"Al-BuÌÁrÐ berichtet von ÝUbÁda ibnal-ÑÁmit über die BaiÝa: @אאאאאאW،אאאA[…] und dass wir die Befehlsgewalt denjenigen, die sie innehaben,nicht streitig machen. Er sagte: "Es sei denn, ihr seht einen offenkundigenKufr (Kufran bawÁÎan), für den ihr von Allah einen definitivenBeweis habt." Bei al-ÓabarÁnÐ heißt es "Kufran ÒurÁÎan" (klarenKufr). All dies beweist, dass die Grundlage des Staates die islamischeist, da der Gesandte die Herrschaft auf ihrer Basis gründete und denKampf mit dem Schwerte anbefahl, um sie als Herrschaftsgrundlagezu erhalten. Er befahl auch den ¹ihÁd um ihretwilllen.4 Pflichtabgabe für vermögende Musl<strong>im</strong>e (2,5 % ihres Vermögens <strong>im</strong> Jahr).5 Unglaube6 Eid, Treuegelübde, das dem Propheten als Staatsoberhaupt und den Kalifen nach ihm von den Musl<strong>im</strong>en gegeben wurde.16


Aus diesem Grunde darf es <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>ischen Staat keine Idee, keineKonzeption, kein Gesetz und keinen Maßstab geben, die nicht dem islamischenÜberzeugungsfundament entsprungen sind. Es reicht nichtaus, bloß dem Namen nach das islamische Überzeugungsfundamentzur Staatsgrundlage zu erklären, vielmehr muss es in allem, was mitder Existenz des Staates verbunden ist sowie in all seinen Angelegenheiten– seien diese geringfügiger oder schwerwiegender Natur –verkörpert sein. So ist es unzulässig, dass <strong>im</strong> Staat irgendeine Lebenskonzeptionoder ein Gesetz existiert, das nicht der islamischen entsprungenist. Der Staat darf keine Konzeption, die nicht der entsprungenist, zulassen. So darf das Konzept der "Demokratie" nicht vomStaat übernommen werden, da es nicht der islamischen entspringt.Außerdem widerspricht es den aus ihr herv<strong>org</strong>ehenden Konzeptionen.Auch darf der nationalistischen Konzeption keinerlei Bedeutung beigemessenwerden, da sie nicht der islamischen entspringt. Überdieshaben die aus der herv<strong>org</strong>ehenden Konzeptionen den Nationalismusverurteilt, zurückgewiesen und seine Gefährlichkeit dargelegt. Genausodarf die patriotische Konzeption nicht vorhanden sein, da sienicht dem islamischen Überzeugungsfundament entspringt. Auchwiderspricht sie den aus ihm herv<strong>org</strong>egangenen Konzeptionen. Ebensogibt es <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>ischen Staat keine Ministerien <strong>im</strong> demokratischenSinn. Es existiert in seiner Regierungsform keine <strong>im</strong>periale, monarchistischeoder republikanische Konzeption, da sie allesamt nicht derislamischen entspringen und zu den aus ihr herv<strong>org</strong>ehenden Konzeptionen<strong>im</strong> Widerspruch stehen. Darüber hinaus ist es absolut verboten,den Staat auf einer anderen Basis als der islamischen zur Rechenschaftzu ziehen, sei es von Individuen, Bewegungen oder Blöcken.Auch wird die Gründung von Bewegungen, Blöcken oder Parteienauf einer anderen Grundlage als der islamischen untersagt. Denn dieTatsache, dass die islamische die Grundlage des Staates bildet, bedingtall diese Maßnahmen und macht sie für den Herrscher und dieBürger, die der Staat regiert, zur Verpflichtung.Aus der Tatsache, dass die islamische die Grundlage des Staates bildenmuss, geht auch zwangsweise hervor, dass die Staatsverfassungund all seine Gesetze dem Buche Allahs und der Sunna Seines Gesandtenentnommen sein müssen. Allah befahl dem Machthaberund Regenten, nach dem zu regieren, was Er zu Seinem Gesandtenherabgesandt hat. Denjenigen, der aus Überzeugung nicht nach demregiert, was Allah herabgesandt hat, machte Allah zum Ungläubigen.17


Ebenso ist derjenige ungläubig, der dem, was Allah auf Seinen Gesandtenherabgesandt hat, die Tauglichkeit abspricht. Andererseits erklärteAllah den Herrscher zu einem Sünder, Frevler und Ungerechten,wenn dieser nach etwas anderem als dem <strong>Islam</strong> regiert, aber nichtdavon überzeugt ist. Der Befehl Allahs an den Herrscher und Regenten,nach dem zu regieren, was Allah herabgesandt hat, ist in Koranund Sunna determiniert. So sagt der Erhabene:"Nein! Bei deinem Herrn, sie sind nicht eher gläubig bis sie dich zumRichter erheben in allem, was unter ihnen strittig ist!" (Sure al-Nisā’ 4,Àya 65) Und Er sagt:אא "Und richte unter ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat!" (Sureal-Mā’ida’ 5, Àya 49). Der <strong>Islam</strong> beschränkt die staatliche Gesetzgebungauf das, was Allah herabgesandt, hat und warnt davor, nach etwas anderemzu regieren als dam, was Er herabsandte. Allah, der Erhabene,sagt:אא "Und wer nicht nach dem regiert, was Allah herabgesandt hat, so sinddies wahrlich die Ungläubigen." (Sure al-Mā’ida’ 5, Àya 44) Es sprachauch der Gesandte Allahs : @אA"Jede Tat, die nicht unserem Befehl entspringt, ist zurückzuweisen."All dies belegt, dass sämtliche Gesetzgebung <strong>im</strong> Staat – sei es Verfassungoder andere Gesetze – ausschließlich auf die der islamischenentspringenden Rechtssprüche beschränkt sein muss. Mit anderenWorten muss es auf die Rechtsprüche beschränkt werden, die Allahauf Seinen Gesandten in Koran und Sunna herabgesandt hat, und aufdie aus ihnen herv<strong>org</strong>ehenden Rechtsbelege: dem QiyÁs (Analogieschluss)und dem IºmÁÝ al-ÑaÎÁba (Konsensus der Prophetengefährten).Die Ansprache des Gesetzgebers (der göttliche Rechtspruch) beziehtsich auf die Handlungen der Menschen und zwingt sie, sich in all ihrenHandlungen an ihre V<strong>org</strong>aben zu halten. Die Regelung der men-18


schlichen Handlungen obliegt somit Allah, dem Erhabenen. Demzufolgeist das islamische Recht mit allen Handlungen der Menschenund ihren gesamten Beziehungen verbunden - sei es ihre Beziehungzu Allah, zu sich selbst oder zu anderen Menschen. Im <strong>Islam</strong> gibt esdeshalb keinen Platz für Staatsgesetze aus Menschenhand, die die Beziehungender Menschen regeln. Sie alle sind an die islamischenRechtssprüche gebunden. Allah sagt:אא"Und was euch der Gesandte bringt, so nehmt es an, und was er euchver_bietet, so enthaltet euch dessen." (Sure al-Íašr 59, Àya 7) Auch sagtEr:אאאא "Kein Gläubiger und keine Gläubige haben, wenn Allah und Sein Gesandtereine Sache entschieden haben, in ihrer Angelegenheit nocheine Wahl." (Sure al-AÎzÁb 33, Àya 36) Und der Gesandte sprach:א،א،אאאA@אא،"Allah hat Pflichten befohlen, so vergeudet sie nicht, Er hat Grenzengesetzt, so übertretet sie nicht, Er hat Dinge verboten, so begeht sienicht, und Er hat über gewisse Sachen geschwiegen – als Erleichterungfür euch und nicht aus Vergessenheit –, so forscht nicht darübernach." Musl<strong>im</strong> überliefert von ÝÀÞša, dass sie sagte: "Der GesandteAllahs sprach:@אאאA"Wer in dieser unserer Angelegenheit etwas Neues hervorbringt, wasnicht dazugehört, so ist es zurückzuweisen!" Allah, der Erhabene, istes also, der die Gesetze hervorbringt, und nicht der Herrscher. Er hatMenschen und Herrscher dazu gezwungen, ausschließlich diese Gesetzein ihren Beziehungen und Handlungen zu befolgen, mit demstrikten Verbot, eine andere Gesetzgebung heranzuziehen.Demzufolge sind es <strong>im</strong> Staate des <strong>Islam</strong> nicht die Menschen, die Gesetzefestlegen, um ihre Beziehungen zu regeln. Sie sind es auchnicht, die Verfassung und andere Gesetze erlassen. Der Herrscher hatgar nicht die Möglichkeit dazu, die Menschen zu zwingen oder es ih-19


nen freizustellen, in ihren Beziehungen Gesetze und Regelungen zubefolgen, die von Menschen herv<strong>org</strong>ebracht wurden.Der Gesandte hat den <strong>Islam</strong>ischen Staat in Medina auf seiner entsprechendenGrundlage errichtet, mit all seinen Regierungsprinzipien,seinen Grundsäulen, seinen Institutionen, seiner Armee und seinen innerenund äußeren Beziehungen. Seit seiner Ankunft in Medina hat erdie Musl<strong>im</strong>e regiert, ihre Interessen betreut, ihre Angelegenheiten geleitetund die islamische Gesellschaft kreiert. Er hat mit den JudenVerträge abgeschlossen, danach mit den BanÙ Âumra und den BanÙMidlaº und anschließend mit den Quraiš sowie den Bewohnern Ailas,¹arbÁÞs und AÆruÎs. Er gab den Menschen das Versprechen, keinemPilger das Gotteshaus 7 zu verwehren und niemanden in den Hohemonaten8 zu verängstigen. Er sandte Íamza ibn ÝAbd al-MuÔÔalib, Ýubaidaibn al-ÍÁri× und SaÝd ibn AbÐ WaqqÁÒ in Feldzügen zur Bekämpfungder Quraiš aus. Weiterhin entsandte er Zaid ibn HÁri×a, ¹aÝfaribn AbÐ ÓÁlib und ÝAbdullÁh ibn RawÁÎa zur Bekämpfung der Römer.ËÁlid ibn al-WalÐd entsandte er; um gegen DÙmat al-¹andal Krieg zuführen. Er selbst führte die Armeen in zahlreichen Feldzügen an, indenen es zu blutigen Schlachten kam. Den Distrikten stellte er Gouverneure(WulÁt) und den Städten Statthalter (ÝAmÐls) vor. ÝattÁb ibnUsaid setzte er in Mekka als Statthalter ein, nachdem er es eröffnethatte. BÁÆÁn ibn SÁsÁn übertrug er den Jemen, nachdem dieser den <strong>Islam</strong>angenommen hatte. MuÝÁÆ ibn ¹abal al-ËazraºÐ setzte er <strong>im</strong> ¹anadein und ËÁlid ibn SaÝÐd ibn al-ÝÀÒ als Statthalter über ÑanÝÁÞ. ZiÁdibn LabÐd ibn ÕaÝlaba al-AnÒÁrÐ machte er zum Statthalter über ÍaÃramaut,während er AbÙ MÙsÁ al-AšÝarÐ über ZabÐd und ÝAdan undÝAmr ibn al-ÝÀÒ über den Oman einsetzte. AbÙ DuºÁna war der Statthalterdes Propheten in Medina. Wenn der Prophet die Gouverneurebzw. Statthalter ernannte, suchte er sie stets unter jenen Personenaus, die ihre Aufgaben vorzüglich durchführten und die den Leuten,denen sie vorstanden, den Glauben in die Herzen flößten. Er fragte sieüber die Methode, nach der sie in der Regentschaft v<strong>org</strong>ehen werden.So berichten al-BaihaqÐ, AÎmad und AbÙ DÁwÙd von MuÝÁÆ, dass derGesandte Allahs, als er MuÝÁÆ in den Jemen entsandte, ihn fragte:7 Die Kaaba in Mekka.8 Es handelt sich um die "verbotenen" Monate des arabischen Mondjahres, in denen seit der vorislamischen Zeit jedwedekriegerische Handlungen untersagt waren. Dies sind die Monate Åu-l-QiÝda (11.), Åu-l-Íiººa (12.), MuÎarram (1.), Ñafar (2.)und Raºab (7.).20


،אאW،אאאאאAW،אאW،אW،אאWW،،אW،א@אאאאW"Wie richtest du, wenn dir eine Rechtssache v<strong>org</strong>elegt wird?" Er antwortete:"Nach dem Buch Allahs." Der Prophet fragte: "Und wenn dues <strong>im</strong> Buch Allahs nicht findest?" Er antwortete: "Dann richte ichnach der Sunna des Gesandten Allahs." Der Prophet fragte: "Undwenn du es in der Sunna des Gesandten Allahs (auch) nicht findest?"Er antwortete: "Dann vollziehe ich nach Kräften IºtihÁd in meinemErmessen." Der Prophet klopfte sodann mit seiner Hand auf meineBrust und sprach: "Gepriesen sei Allah, der den Gesandten des GesandtenAllahs zu dem hinführte, was den Gesandten Allahs zufriedenstellt." Ibn SaÝd berichtet über den Weg des ÝAmr ibn ÝAuf, dassder Gesandte Allahs AbbÁn ibn SaÝÐd ibn al-ÝÀÒ als Statthalter in Bahraineinsetzte und ihm sagte: @אא،אאאA"N<strong>im</strong>m dich der ÝAbd al-Qais in Güte an und ehre ihre Oberhäupter".Der Prophet wählte seine Gouverneure stets unter den Besten vonjenen aus, die den <strong>Islam</strong> angenommen hatten. Er befahl ihnen, denMenschen, die in den <strong>Islam</strong> eintraten, den Glauben zu lehren und dieZakÁt von ihnen zu nehmen. In vielen Fällen übertrug er dem Wālī(Gouverneur) die Aufgabe des Einhebens der Gelder. Er befahl diesem,den Menschen als Verkünder des Guten zu begegnen, sie denKoran zu lehren und sie <strong>im</strong> Glauben auszubilden. Der Prophet legteihm nahe, den Menschen <strong>im</strong> Recht mit Milde zu begegnen und <strong>im</strong>Unrecht mit Härte. Wenn es unter ihnen zu Spannungen komme, sosoll er ihnen verbieten, den Stamm oder die Sippe anzurufen – aufdass sie sich allein Allah zuwenden, ohne ihm einen Teilhaber beizugesellen.Der Wālī sollte zudem das Fünftel der Gelder einheben sowiedas, was den Musl<strong>im</strong>en an ZakÁt v<strong>org</strong>eschrieben war. Wer unterden Juden oder Christen den <strong>Islam</strong> von sich aus in Aufrichtigkeit ann<strong>im</strong>mtund sich dem <strong>Islam</strong> hingibt, der gehört zu den Gläubigen, mitgleichen Rechten und Pflichten. Wer jedoch an seinem Judentumoder Christentum festhält, der soll davon nicht zwangsweise abgebrachtwerden.21


Musl<strong>im</strong> und BuÌÁrÐ berichten von Ibn ÝAbbÁs, dass der Gesandte Allahs, als er MuÝÁÆ in den Jemen entsandte, ihm sagte:אאW،אאאאאAאאא،אאאאאאאאאא@אאאאאאאאא"Du kommst zu einem Volk, das zu den Anhängern der Schrift zählt.Möge das Erste, zu dem du sie aufrufst, die Anbetung Allahs, des Erhabenen,sein. Wenn sie Allah erkannt haben, dann teile ihnen mit,dass Allah ihnen pro Tag und Nacht fünf Gebete auferlegt hat. Wennsie dies tun, dann berichte ihnen, dass Allah ihnen die ZakÁt auferlegthat, sie wird von den Reichen unter ihnen genommen und den Armenunter ihnen zurückgegeben. Wenn sie gehorchen, dann n<strong>im</strong>m es vonihnen an und grenze ihr bestes Vermögen aus." In einer anderenÜberlieferung von ihnen gibt es den Zusatz: @אאאA"Und n<strong>im</strong>m dich vor dem Anruf des ungerecht Behandelten in Acht,denn zwischen ihm und Allah gibt es keine Schranke."In manchen Fällen entsandte der Prophet für das Einsammeln derGelder eigens eine Person. So schickte er ÝAbdullÁh ibn RawÁÎa jedesJahr zu den Juden von Ëaibar, um die Ernte zu erfassen. Im Buch Al-MuwaÔÔaÞ wird berichtet,אW،אאאאA@א،א،dass er ÝAbdullÁh ibn RawÁÎa entsandte, um zwischen ihm und ihnen(die Ernte) aufzuteilen. Dann sprach er (zu ihnen): "Wenn ihrwollt, so gehört dies (ein gewisser Rest) euch, oder aber es gehörtmir." Doch sie nahmen es stets an sich."SilmÁn ibn YasÁr berichtet: "Sie (die Juden) sammelten dann von ihrenFrauen einigen Schmuck für ihn ein und sagten: 'Dies ist für dich,so erleichtere es uns und sei in der Teilung nachsichtiger'. Doch ÝAbdullÁhibn RawÁÎa antwortete ihnen: 'Ihr Volk der Juden! Bei Allah,ihr gehört für mich wahrlich zu den meistgehassten Geschöpfen Allahs.Doch verleitet mich das nicht dazu, ungerecht zu euch zu sein.Was ihr mir aber an Bestechung angeboten habt, ist sündhaftes Geld;22


wir nehmen es nicht an!' Darauf sagten sie: 'Damit sind wahrlichH<strong>im</strong>mel und Erde erstanden!'" Der Gesandte erforschte stets denZustand seiner Gouverneure und Statthalter. Er hörte alle Nachrichtenüber sie, die man ihm überbrachte. So setzte er seinen Statthalter inBahrain, al-ÝAlÁÞ ibn al-ÍadramÐ, ab, weil die Delegation der ÝAbdQais sich über ihn beschwerte. So erzählt ibn SaÝd: "MuÎammad ibnÝUmar berichtete uns […] über ÝAmr ibn ÝAuf, dem Verbündeten derBanÙ ÝÀmir ibn LuÞai, dass der Gesandte Allahs al-ÝAlÁÞ ibn al-ÍadramÐ(als Statthalter) nach Bahrain entsandte, ihn dann aber absetzteund AbbÁn ibn SaÝÐd als Statthalter dort einsetzte. MuÎammad ibn ÝUmarberichtet: 'Der Gesandte Allahs schrieb an al-ÝAlÁÞ ibn al-ÍadramÐund befahl ihm, mit einer Gesandtschaft von zwanzig Männern derÝAbd Qais zu ihm zu kommen. So kam er zu ihm mit zwanzig Männern.An ihrer Stelle stand ÝAbdullÁh ibn ÝAuf al-Ašaº. Al-ÝAlÁÞ setzteal-MunÆir ibn SÁwÁ in seiner Vertretung als Statthalter Bahrains ein.Die Gesandtschaft beschwerte sich über al-ÝAlÁÞ ibn al-ÍadramÐ, undder Gesandte Allahs setzte ihn ab. An seiner Stelle setzte er AbbÁnibn SaÝÐd ibn al-ÝÀÒ ein und sagte zu ihm: @אא،אאאA"N<strong>im</strong>m dich der ÝAbd al-Qais in Güte an und ehre ihre Oberhäupter."Der Gesandte führte mit seinen Statthaltern auch Buch und rechnetemit ihnen alle Ein- und Ausgaben ab.BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> berichten von AbÙ ÍamÐd al-SÁÝidÐ:אאאאאאAWא،אאאאאאא،א אאאאWאאאאאא،אאא،א @אW،Der Prophet gebrauchte Ibn al-Lutbiyya, um die ZakÁt der BanÙSalÐm einzuholen. Als er zum Propheten kam und mit ihm abrechnete,sagte er: "Dies gehört euch und das ist ein Geschenk, das mirgegeben wurde." Da antwortete ihm der Gesandte Allahs: "Dannbleib doch <strong>im</strong> Hause deines Vaters und deiner Mutter sitzen bis dein23


Geschenk zu dir kommt, wenn du die Wahrheit sprichst!" Dann erhobsich der Gesandte Allahs und sprach zu den Leuten. Er dankte Allah,pries Ihn und sagte: "Ich gebrauche Männer von euch in Angelegenheiten,die mir Allah übertragen hat. Nun kommt einer von euch undsagt: 'Dies gehört euch und das ist ein Geschenk, das mir gegebenwurde.' So möge er doch <strong>im</strong> Hause seines Vaters und seiner Mutterverweilen, bis sein Geschenk zu ihm kommt, wenn er die Wahrheitspricht. Bei Allah, jeder von euch, der etwas davon in unrechter Wiesean sich n<strong>im</strong>mt, tritt am Jüngsten Tage vor Allah und trägt es mitsich. Wahrlich werde ich es sodann bekannt geben, was ein Mann aneinem brummenden Kamel, einer muhenden Kuh oder einem blökendenSchaf vor Allah mit sich trägt." Der Gesandte hob seine Armeempor, bis ich das Weiße seiner Achseln sehen konnte und sprach:"Habe ich nun verkündet?" AbÙ DÁwÙd berichtet von Buraida, dassder Gesandte Allahs sprach: @אA"Wen wir für eine Aufgabe verwenden und ihn dafür mit etwas entlohnen,so steht ihm das zu. Was er darüber hinaus an sich n<strong>im</strong>mt,das ist Unterschlagung." Die Bewohner des Jemen beklagten sich darüber,dass MuÝÁÆ das Gebet in die Länge zog, und der Gesandte tadelteihn. BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> berichten von AbÙ MasÝÙd al-AnÒÁrÐ,der sagte:א،א،אWAאW،א،،@אאאא،Ein Mann sprach zum Propheten : "O Gesandter Allahs! Beinahebewältige ich das Gebet nicht, weil jener es so in die Länge zieht."Noch nie sah ich den Propheten bei einer Belehrung zorniger als andiesem Tage. Er sprach: "Ihr Menschen, ihr seid abstoßend. Wer mitden Leuten betet, der soll es erleichtern. Einige von ihnen sindschwach, krank oder haben zu tun." In einer Überlieferung bei Musl<strong>im</strong>über den Weg von ¹Ábir heißt es: @KKKKKKA"[…] o MuÝÁÆ, kehrst du (die Menschen vom Glauben) ab? […]"Der Gesandte Allahs bestellte auch Richter, die zwischen den Menschenin ihren Streitigkeiten richteten. So ernannte er ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁ-24


lib zum Richter <strong>im</strong> Jemen und schickte MuÝÁÆ ibn ¹abal sowie AbÙMÙsÁ al-AšÝarÐ ebenfalls als Richter in den Jemen. Er fragte sie:،אאאאאWA @אאא"Nach was richtet ihr?" Sie antworteten: "Wenn wir den Rechtsspruchweder <strong>im</strong> Buch (Koran) noch in der Sunna finden, ziehen wirzwischen der einen und der anderen Angelegenheit eine Analogie(QiyÁs). Was der Wahrheit am nächsten kommt, das vollziehen wir."Der Prophet hieß das gut, was belegt, dass er die Richter unter denBesten auswählte und sich über ihre Entscheidungsmethode vergewisserte.Der Gesandte Allahs regelte auch die Angelegenheiten der Menschen.So ernannte er Schriftführer zur Verwaltung dieser Angelegenheiten.Ihre Tätigkeit entsprach der eines Ressortleiters. So war ÝAlÐibn AbÐ ÓÁlib der Schriftführer seiner Verträge und seiner Friedensabkommen,wenn er diese abschloss. MuÝaiqib ibn AbÐ FÁÔ<strong>im</strong>a trug seinSiegel und war auch Schriftführer für die Kriegsbeute. HuÆaifa ibn al-YamÁn war zuständig für das Erfassen und Dokumentieren der Íi-ºÁz-Ernte. Al-Zubair ibn al- Ý AwwÁm war Schriftführer für die ZakÁt-Güter und al-MuÈÐra ibn ŠuÝba für Schuldscheine und Handelsverträge.ŠuraÎbÐl ibn Íasana schrieb die Signaturen an die Könige. Fürjedes Ressort (Bereich) ernannte der Prophet einen Schriftführer,d. h. einen Ressortleiter, egal wie zahlreich diese Ressorts waren. DerGesandte beriet sich auch oft mit seinen Gefährten und hörte niemalsauf, Leute mit Ideen und Weitsicht zu Rate zu ziehen. Er berietsich auch mit jenen, die für ihren Verstand und ihre Errungenschaftensowie für ihren starken Glauben und ihre Aufopferungsbereitschaftbei der Verbreitung der islamischen DaÝwa bekannt waren. Für dieŠÙrÁ 9 wählte er vierzehn Personen aus, mit denen er sich in den verschiedenstenAngelegenheiten beriet. Er wählte sie als Stammesvertreteraus, die ihren Stämmen vorstanden. Es waren sieben von denMuhÁºirÙn und sieben von den AnÒÁr. Zu ihnen zählten AbÙ Bakr,Íamza, ÝUmar, ÝAlÐ, ¹aÝfar, BilÁl, Ibn MasÝÙd, SilmÁn, ÝAmmÁr undAbÙ Åarr. Er zog auch andere Leute zu Rate. Die genannten Personenwaren aber jene, mit denen er sich am meisten beriet. Sie entspracheneiner ständigen Ratsversammlung. Der Gesandte legte für Musl<strong>im</strong>e9 Beratung unter den Musl<strong>im</strong>en.25


und auch für Andersgläubigen gewisse Abgaben fest. Gleiches galtauch für Böden, Ernte und Vieh. Diese Abgaben waren die ZakÁt 10 ,der ÝUšr 11 , der FaiÞ 12 , der ËarÁº 13 und die ¹izya 14 . Kriegseinnahmenund Beute wurden dem Schatzhaus zugewiesen, die ZakÁt verteilteder Prophet auf die acht Personenkreise, die <strong>im</strong> Koran erwähntsind, ohne anderen etwas davon zu geben. Auch die Verwaltung derStaatsangelegenheiten finanzierte er nicht daraus. Die Verwaltung derBürgerangelegenheiten wurde vielmehr aus den Fai'-, ËarÁº-, ¹izyaundBeuteeinkünften finanziert. Diese reichten zur Staatsverwaltungund zur Armeeaufrüstung aus. Der Staat hatte nicht das Gefühl, inGeldnot zu sein.Auf diese Weise baute der Gesandte den islamischen Staatsapparateigenhändig auf und beendete diesen Aufbau noch zu Lebzeiten. Erwar das Staatsoberhaupt, er hatte MuÝÁwinÙn (Assistenten), Gouverneure,Richter, eine Armee, Ressortleiter und eine Ratsversammlung,mit der er sich beriet. Diese Struktur, in ihrer Form und ihren spezifischenBefugnissen, ist durch die Offenbarungstexte belegt. Der Prophet kam seit seiner Ankunft in Medina bis zu seinem Tode denAufgaben des Staatsoberhauptes nach. AbÙ Bakr und ÝUmar warenseine Assistenten. Es besteht der Konsens der Prophetengefährten darüber(IºmÁÝ), ein Staatsoberhaupt aufzustellen, das dem Gesandten lediglich in der Führung des Staates nachfolgt und nicht <strong>im</strong> Prophetentumoder in der Gesandtschaft. Denn Prophetentum und Gesandtschaftsind mit MuÎammad abgeschlossen worden. So baute derProphet noch zu Lebzeiten den Staatsapparat vollständig auf. Regierungsformund Staatsstruktur hinterließ er in vollkommen klarerund offenkundiger Weise.10 Pflichtabgabe für vermögende Musl<strong>im</strong>e (2,5 % ihres Vermögens <strong>im</strong> Jahr).11 Zakat für Ernteerträge: abzuführender Teil der Ernteerträge von Musl<strong>im</strong>en (10% bei Bewässerung durch Regen, 5% beikünstlicher Bewässerung).12 Beutegüter, die ohne Kriegshandlungen den Musl<strong>im</strong>en zugefallen sind.13 Abgabe, für Agrarböden, die durch Kriegshandlungen von Musl<strong>im</strong>en erobert wurden.14 Steuer, die vermögende, männliche, nichtmusl<strong>im</strong>ische Staatsbürger zu entrichten haben.26


Die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong><strong>Das</strong> islamische <strong>Regierungssystem</strong> ist unter allen weltweit existierenden<strong>Regierungssystem</strong>en einzigartig. Dies betrifft die Grundlage, aufder es aufbaut, die Ideen, Konzeptionen, Maßstäbe und Rechtsnormen,gemäß denen die Angelegenheiten geregelt werden, die Verfassungund Gesetze, die man anwendet und durchführt, und auch dieRegierungsform, die der <strong>Islam</strong>ische Staat verkörpert und die sich vonsämtlichen auf der Welt existierenden Regierungsformen abhebt.Die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist nicht monarchistisch<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist nicht monarchistisch. Es duldetkein monarchistisches System und ähnelt ihm nicht.Im monarchistischen System ist die Herrschaft durch die Erbfolge best<strong>im</strong>mt.Die Söhne erben sie von den Vätern, genau wie sie auch ihrVermögen erben. <strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> kennt jedoch keineErbfolge, vielmehr übern<strong>im</strong>mt jener die Herrschaft, dem die Umma 15in Einverständnis und freier Wahl die BaiÝa 16 leistet.<strong>Das</strong> monarchistische bzw. königliche System gewährt dem Monarchengewisse Privilegien und Sonderrechte, die keinem anderen unterden Staatsbürgern zustehen. Es setzt ihn über das Gesetz; seine Personist unantastbar. Entweder ist er ein Symbol der Nation, das nurKönig ist, ohne zu regieren – wie die Monarchien Europas –, oder erist König und Regent zugleich, sogar Ursprung aller Gewalten, dermit Land und Leuten frei nach Belieben verfahren kann, wie es beiden Monarchien Saudi-Arabiens, Marokkos und Jordaniens der Fallist.<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> des <strong>Islam</strong> gewährt dem Kalifen oder Imamkeinerlei Privilegien oder Sonderrechte. Ihm steht nur das zu, was jederanderen Person der Umma auch zusteht. Er ist weder ein Symbolder Nation, das König ist, ohne zu regieren, noch ist er ein Symbol,15 Gemeinschaft aller Musl<strong>im</strong>e.16 Treueeid, den die Musl<strong>im</strong>e jener Person leisten, die damit zum Kalifen bestellt wird.27


das regiert und König ist und mit Land und Leuten frei nach Beliebenumgeht. Vielmehr ist er ein Vertreter der Umma in Regierung undHerrschaft. Sie hat ihn ausgewählt und ihm in Einverständnis dieBaiÝa geleistet, damit er das Gesetz Allahs über sie anwendet. In allseinen Handlungen, seinen Rechtssprüchen sowie in seiner Wahrnehmungder Angelegenheiten und Interessen der Umma ist er an das islamischeGesetz gebunden.Außerdem ist die Thronfolge <strong>im</strong> islamischen <strong>Regierungssystem</strong> nichtexistent. Der <strong>Islam</strong> lehnt sie sogar ab und verurteilt die Herrschaftsübernahmeauf dem Wege der Erbschaft. Er beschränkt die Methodezur Herrschaftsübernahme ausschließlich auf die BaiÝa, die dem Kalifenoder Imam von der Umma in Einverständnis und freier Wahl geleistetwird.Die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist nicht republikanisch<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist ebenso wenig ein republikanischesSystem. <strong>Das</strong> republikanische System baut in seinen Grundlagenauf dem demokratischen System auf, in welchem die Souveränitätbe<strong>im</strong> Volk liegt. Dabei steht dem Volk das Recht der Herrschaft undGesetzgebung zu. So hat es das Recht, den Herrscher zu bestellen undwieder abzusetzen. Es kann Verfassungen und Gesetze erlassen, sieannullieren, substituieren oder verändern.<strong>Das</strong> islamische <strong>Regierungssystem</strong> hingegen basiert in seinen Grundlagenauf dem islamischen Überzeugungsfundament und auf den islamischenRechtssprüchen. Die Souveränität obliegt dabei dem islamischenRecht und nicht der Umma. Weder der Umma noch dem Kalifenkommt das Recht auf Gesetzgebung zu. Gesetzgeber ist allein Allah,der Erhabene. Dem Kalifen steht es lediglich zu, für Verfassungund Gesetzgebung Rechtssprüche aus dem Buch Allahs und der Sunnades Propheten bindend zu übernehmen (TabannÐ). Auch hat dieUmma nicht das Recht, den Kalifen abzusetzen. Was ihn absetzenkann, ist das islamische Recht. Die Umma hat jedoch das Recht, denKalifen aufzustellen, da der <strong>Islam</strong> die Autorität und die Regentschaftin ihre Hände gelegt hat. Somit kann sie als Vertreter denjenigen damitbetrauen, den sie auswählt und dem sie die BaiÝa leistet.28


Im republikanischen System präsidialer Form übern<strong>im</strong>mt der Präsidentder Republik die Aufgaben und Befugnisse des Staatsoberhauptesund auch des Ministerpräsidenten. Neben ihm gibt es keinen Premierminister,sondern lediglich Minister, wie beispielsweise <strong>im</strong> Falledes Präsidenten der Vereinigten Staaten. In seiner parlamentarischenForm hat das republikanische System einen Präsidenten und einenPremierminister (bzw. Kanzler), wobei die Regierungsbefugnissebe<strong>im</strong> Ministerrat liegen und nicht be<strong>im</strong> Präsidenten, wie es bei derBundesrepublik Deutschland der Fall ist.Im System des Kalifats existieren neben dem Kalifen allerdings wederMinister mit gewissen Zuständigkeiten und Befugnissen noch einMinisterrat <strong>im</strong> demokratischen Sinne. Vielmehr gibt es MuÝÁwinÙn,d. h. Assistenten, die der Kalif ernennt, um ihn be<strong>im</strong> Tragen der Regierungsbürdezu unterstützen. Darunter befinden sich sowohl bevollmächtigteAssistenten (MuÝÁwinÙ TafwÐÃ) als auch Vollzugsassistenten(MuÝÁwinÙ TanfÐÆ). Wenn der Kalif ihnen vorsteht, so tut er dasin seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt und nicht als Ministerpräsidentoder Vorsitzender einer Vollzugsbehörde, da neben ihm keinMinisterrat mit best<strong>im</strong>mten Vollmachten existiert. Alle Vollmachtenliegen be<strong>im</strong> Kalifen. Die MuÝÁwinÙn sind für ihn lediglich Helfer beider Anwendung dieser Vollmachten.Darüber hinaus ist das Staatsoberhaupt <strong>im</strong> republikanischen System –und zwar sowohl in seiner präsidialen als auch in seiner parlamentarischenForm – vor dem Volk und seinen Vertretern verantwortlich.<strong>Das</strong> Volk und seine Vertreter haben das Recht, ihn abzusetzen, da dieSouveränität be<strong>im</strong> Volk liegt.Dies <strong>im</strong> Unterschied zum Kalifat, der Führerschaft der Gläubigen.Der Führer der Gläubigen (AmÐr al-MuÞminÐn) kann - obwohl er vorder Umma und ihren Vertretern verantwortlich ist und von diesen zurRechenschaft gezogen werden muss – nicht von der Umma abgesetztwerden. Auch ihre Vertreter haben nicht das Recht, ihn abzusetzen.Er wird nur dann abgesetzt, wenn er dem islamischen Recht in einerWiese widerspricht, die seine Absetzung erfordert. Dies wird vomMaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht 17 entschieden.17 Gericht, das in Streitfällen zwischen Bürgern und Regierungsvertretern entscheidet und alle Ungerechtigkeiten ahndet, dievon einer Regierungsperson ausgehen (s. a. Kap. "Der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter" dieses Buches).29


Im republikanischen System - sei es nun präsidialer oder parlamentarischerArt – ist die Herrschaft an eine gewisse Dauer gebunden, dienicht überschritten werden darf.Im System des Kalifats wird dem Kalifen jedoch keine best<strong>im</strong>mteZeit festgesetzt. Seine Regierungsdauer ist allein an den Vollzug desislamischen Rechts gebunden. Solange der Kalif dieses Recht vollziehtund die Gesetze des <strong>Islam</strong>, die vom Buch Allahs und der SunnaSeines Gesandten entnommen sind, auf die Menschen anwendet,bleibt er Kalif, egal wie lange seine Regentschaft andauert. Sobald eraber vom islamischen Recht abweicht und sich von der Anwendungder Gesetze des <strong>Islam</strong> entfernt, ist seine Regentschaft beendet, auchwenn sie nur einen Tag oder einen Monat währte. In diesem Fallmuss er abgesetzt werden.All das Erwähnte macht den enormen Unterschied zwischen dem Kalifatssystemund dem republikanischen System sowie zwischen demPräsidenten einer Republik <strong>im</strong> republikanischen System und demKalifen <strong>im</strong> islamischen System deutlich.Demzufolge ist es vollkommen unzulässig zu behaupten, das Systemdes <strong>Islam</strong> sei ein republikanisches System. Ebenso ist es unzulässig,von einer islamischen Republik zu sprechen, da ein gewaltiger Widerspruchzwischen beiden Systemen in der Grundlage existiert, aufder sie aufbauen. Ebenso unterscheiden sie sich in Form und Einzelheiten.Die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist nicht <strong>im</strong>perialistischAuch ist das islamische System nicht <strong>im</strong>perialer Natur. Vielmehr istdas <strong>im</strong>periale System sehr weit vom <strong>Islam</strong> entfernt. Die Gebiete, dieder <strong>Islam</strong> regiert, auch wenn sie unterschiedliche Völker aufweisenund mit einem einzigen Zentrum verbunden sind, regiert er keinesfallsnach dem <strong>im</strong>perialen System. Er regiert sie nach einem System,das dem <strong>im</strong>perialen diametral widerspricht. Denn das <strong>im</strong>periale <strong>Regierungssystem</strong>behandelt die verschiedenen Völker in den unterschiedlichenRegionen des Imperiums nicht gleich; es gewährt demZentrum des Imperiums <strong>im</strong> Bereich der Herrschaft, der Finanzen undder Wirtschaft Sonderrechte.30


Die Herrschaftsmethode des <strong>Islam</strong> bedingt aber, dass alle Bürger insämtlichen Staatsgebieten gleich behandelt werden. Stammestum undvölkischer Fanatismus werden abgelehnt. Nichtmusl<strong>im</strong>en, die dieStaatsbürgerschaft besitzen, werden die vollen Bürgerrechte und –pflichten zuerkannt. Gerechtigkeit steht ihnen gleich den Musl<strong>im</strong>enzu, genauso wie sie auch Pflichten in gleicher Weise übernehmenmüssen. Mehr noch, der <strong>Islam</strong> spricht jedem Staatsbürger unabhängigseiner Konfession Rechte zu, die einem anderen – auch wenn er Musl<strong>im</strong>wäre – nicht zustehen. Mit dieser Gleichstellung unterscheidet ersich grundlegend von einem Imperium. Gemäß seinem System machter die verschiedenen Provinzen nicht zu Kolonien und auch nicht zuAusbeutungsgebieten oder (Rohstoff-) Quellen, die nur dem Zentrumdes Imperiums – seinem alleinigen Profit – zugute kämen. Der <strong>Islam</strong>macht alle Gebiete zu einer einzigen Einheit, ohne den dazwischenliegendenEntfernungen oder den unterschiedlichen Volkszugehörigkeitender Einwohner Bedeutung beizumessen. Jedes Gebiet wird alsTeil des Staatskörpers angesehen. Seinen Einwohnern kommen diegleichen Rechte zu wie den Einwohnern der Hauptstadt oder irgendeinesanderen Gebietes. Die Macht, die Regierungsgewalt, dasSystem und die Gesetzgebung sind in allen Staatsgebieten ein unddieselben.Die Regierungsform <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist nicht föderativ<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist auch nicht föderativer Natur, wosich die Teilgebiete durch gewisse Autonomien abgrenzen und in derallgemeinen Regentschaft verbunden sind. Vielmehr ist es ein Einheitssystem,in dem Marokko <strong>im</strong> Westen und ËurasÁn <strong>im</strong> Osten dengleichen Stellenwert haben wie der (ägyptische) Bezirk FayyÙm,wenn Kairo die Hauptstadt des <strong>Islam</strong>ischen Staates wäre. Auch ist derFinanzhaushalt für alle Provinzen des Staates ein Einziger, mit einemBudget, wobei die Ausgaben nach den Bedürfnissen aller Bürger getätigtwerden, unabhängig ihrer Gegend. Wenn eine Provinz z. B.Einnahmen hat, die doppelt so hoch sind wie ihre Erfordernisse, sowerden dort die Ausgaben dennoch nach ihren Erfordernissen getätigtund nicht nach ihren Einnahmen. Sollten die Einnahmen in einer anderenProvinz die Ausgaben nicht abdecken, so wird dem keine Beachtunggeschenkt. Vielmehr werden dort die erforderlichen Ausga-31


en von der allgemeinen Staatskasse getätigt, ohne Rücksicht darauf,ob die Einkünfte dort ausreichen oder nicht.<strong>Das</strong> islamische <strong>Regierungssystem</strong> ist folglich ein System der vollkommenenEinheit und nicht föderativ. Aus all dem Gesagten ergibtsich, dass das <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> einzigartig ist und sich vonallen heute bekannten Systemen in seinen Grundlagen und Fundamentenvollkommen unterscheidet, auch wenn einige seiner Erscheinungsformendenen heutiger Systeme ähnlich sind. Darüber hinaus istes in seiner Herrschaftsstruktur zentralistisch; die höchste Macht <strong>im</strong>Staat ist auf das Zentrum beschränkt. <strong>Das</strong> Zentrum besitzt somit dievolle Kontrolle und Verfügungsgewalt über jedes Teilgebiet des Staates,sei es groß oder klein. Keinem dieser Gebiete wird in irgendeinerForm eine Unabhängigkeit gewährt, damit die Staatsteile nicht auseinanderbrechen können. Die Zentralgewalt <strong>im</strong> Staat ernennt auchalle Kommandanten, Gouverneure und die Verantwortlichen für Finanzenund Wirtschaft. Sie ernennt auch die Richter in allen Provinzen.Jeder, dessen Tätigkeit zur Regierungsausübung zählt, wird vonder Zentralgewalt ernannt. Des Weiteren übt sie die Regierungstätigkeitin allen Teilen des Landes direkt aus.<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist demzufolge das System des Kalifats.Es liegt auch der IºmÁÝ 18 für die Einheit des Kalifats und desStaates vor sowie für das Verbot, mehr als einem Kalifen die BaiÝa zugeben. Auch die Imame, die Muºtahidūn und alle weiteren Gelehrtenst<strong>im</strong>men darin überein. Wenn einem anderen Kalifen die BaiÝa geleistetwird, obwohl ein Kalif schon existiert oder diesem die BaiÝa bereitsgegeben wurde, so muss der Zweite bekämpft werden, bis aucher dem Ersten die BaiÝa leistet oder aber getötet wird. Denn die BaiÝaist für jenen gültig, der sie als Erster rechtmäßig erhalten hat.18 Konsens der Gefährten des Propheten.32


<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> - das Kalifat<strong>Das</strong> Kalifat ist eine allgemeine Führerschaft für alle Musl<strong>im</strong>e weltweit,um die Gesetze des islamischen Rechts durchzuführen und dieBotschaft des <strong>Islam</strong> in die Welt zu tragen. Exakt wird sie auch alsImamat bezeichnet, denn Imamat und Kalifat haben dieselbe Bedeutung.Sie stellen die Form dar, die der <strong>Islam</strong>ische Staat gemäß den islamischenRechtssprüchen haben muss. Es existieren richtige ÍadÐ×e,die beide Begriffe in der gleichen Bedeutung verwenden. In keinerTextstelle wurde einer dieser Begriffe in einer Bedeutung verwendet,die der Bedeutung an einer anderen Stelle widerspricht. Dies gilt sowohlfür den Koran als auch für die Sunna, denn sie allein bilden dieTexte göttlicher Offenbarung. Auch sind die Begriffe Imamat undKalifat nicht zwangsweise zu gebrauchen. Lediglich ihr Inhalt ist bindend.Die Aufstellung eines Kalifen ist eine Pflicht für alle Musl<strong>im</strong>e in allenTeilen dieser Erde. Und die Erfüllung dieser Pflicht – gleich derErfüllung jeder anderen Pflicht, die Allah den Musl<strong>im</strong>en v<strong>org</strong>eschriebenhat – ist eine unabdingbare Angelegenheit, in der man keineWahl hat und die keinesfalls vernachlässigt werden darf. Jede Vernachlässigungin der Erfüllung dieser Pflicht stellt eine der größtenSünden dar, die Allah aufs Härteste bestrafen wird.Der Beweis für die Verpflichtung, einen Kalifen für alle Musl<strong>im</strong>eaufzustellen, geht aus der Sunna und dem Konsens der Prophetengefährtenhervor. Was die Sunna betrifft, so berichtet NÁfiÝ: " ÝAbdullÁhibn ÝUmar sagte mir: 'Ich habe den Gesandten Allahs sagen hören:אאאA@"Wer seine Hand aus dem Gehorsam zieht, der trifft Allah am Tagder Auferstehung ohne Entschuldigung, und wer stirbt, ohne <strong>im</strong>Nacken 19 eine BaiÝa zu tragen, der stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya 20 !"(Musl<strong>im</strong>) Der Prophet hat somit befohlen, dass jeder Musl<strong>im</strong> "<strong>im</strong>Nacken" eine BaiÝa trägt. Denjenigen, der stirbt, ohne "<strong>im</strong> Nacken"19 D h., er soll <strong>im</strong> Bann einer BaiÝa stehen.20 Vorislamische Zeit der Unwissenheit.33


eine BaiÝa zu haben, beschreibt er als jemanden, der einen ¹Áhiliyya-Tod gestorben ist. Die BaiÝa kann aber nur dem Kalifen geleistet werdenund sonst niemandem. Der Prophet hat also jedem Musl<strong>im</strong>v<strong>org</strong>eschrieben, dass er "<strong>im</strong> Nacken" eine BaiÝa für einen Kalifenträgt. Er hat es aber nicht zur Pflicht gemacht, dass jeder Musl<strong>im</strong>einem Kalifen tatsächlich die BaiÝa gibt; Pflicht ist nur, dass die BaiÝa"<strong>im</strong> Nacken" jedes Musl<strong>im</strong>s vorhanden ist - mit anderen Worten, dasses einen Kalifen gibt, der die BaiÝa "<strong>im</strong> Nacken" jedes Musl<strong>im</strong>s verdient.Die Existenz des Kalifen lässt also die BaiÝa "<strong>im</strong> Nacken" jedesMusl<strong>im</strong>s vorhanden sein, ob er nun tatsächlich die BaiÝa geleistet hatoder nicht. Der ÍadÐ× ist demzufolge ein Beweis für die Verpflichtung,einen Kalifen aufzustellen, und dass "<strong>im</strong> Nacken" einesjeden Musl<strong>im</strong>s eine BaiÝa vorhanden sein muss. Er beinhaltet aberkeine Pflicht, die BaiÝa tatsächlich zu leisten. Was der Prophet nämlich angeprangert hat, ist das Nichtvorhandensein einer BaiÝa "<strong>im</strong>Nacken" eines jeden Musl<strong>im</strong>, bevor dieser stirbt. <strong>Das</strong> Nichtleisten derBaiÝa selbst hat der Gesandte jedoch nicht gerügt. Musl<strong>im</strong> berichtetüber al-AÝraº und AbÙ Huraira, dass der Prophet sprach: @אאאA"Der Imam ist ein Schirm, man kämpft hinter ihm und schützt sichdurch ihn." Musl<strong>im</strong> berichtet auch von AbÙ HÁz<strong>im</strong>, dass dieser sagte:"Ich saß fünf Jahre bei AbÙ Huraira und hörte ihn vom Propheten Folgendes berichten:،،،אאA،،אאW؟א،@אא"<strong>Das</strong> Volk Israel ist stets von Propheten betreut worden; wenn einProphet starb, folgte ihm ein anderer nach. Nach mir wird es jedochkeinen Propheten mehr geben. Es werden aber Kalifen kommen undderen Zahl wird groß sein' Sie fragten: 'Was befiehlst du uns?' Erantwortete: 'Erfüllt die BaiÝa des jeweils Ersteren und gebt ihnen ihrRecht, denn Allah wird sie über das zur Rechenschaft ziehen, was erin ihre Obhut gelegt hat!" Von Ibn ÝAbbÁs wird berichtet, dass derGesandte Allahs sprach:34


אא،A@א"Wem etwas an seinem AmÐr 21 missfällt, der soll sich in Geduldüben, denn jeder, der sich von der Herrschaft um eine Handbreit loslöstund stirbt, stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya!" (Musl<strong>im</strong>) Diese ÍadÐ×ebeschreiben den Kalifen als "Schirm", als Schutzschild also. Die Beschreibungdes Imam seitens des Propheten als "Schirm" ist eineBenachrichtigung über die Vorzüge der Existenz eines Imam undstellt somit eine Handlungsaufforderung dar. Denn jede Benachrichtigungseitens Allahs oder des Gesandten ist, wenn sie einen Tadelbeinhaltet, eine Unterlassungsaufforderung, d. h. eine Negation derHandlung. Beinhaltet sie aber ein Lob, so stellt sie eine Handlungsaufforderungdar. Sollte von der geforderten Handlung die Errichtungdes islamischen Gesetzes abhängen bzw. von deren Unterlassung dessenVerlust, so ist diese Aufforderung zwingender, d. h. von apodiktischerNatur. In diesen ÍadÐ×en wird auch erwähnt, dass es die Kalifensind, die die Musl<strong>im</strong>e betreuen, was <strong>im</strong>plizit die Aufforderung zu derenAufstellung beinhaltet. Ferner enthalten sie das Verbot, dass einMusl<strong>im</strong> sich gegen den Machthaber auflehnt, was <strong>im</strong>plizit bedeutet,dass der Musl<strong>im</strong> verpflichtet ist, eine Herrschaft bzw. Regentschaftfür sich zu errichten. 22 Darüber hinaus hat der Prophet befohlen,den Kalifen zu gehorchen und jene zu bekämpfen, die ihnen das Kalifatstreitig machen. Auch das stellt <strong>im</strong>plizit das Gebot dar, einen Kalifenaufzustellen und sein Kalifat zu erhalten, indem alle bekämpftwerden, die ihm das Kalifat streitig machen. So berichtet Musl<strong>im</strong>,dass der Prophet sprach:،אA@אא"Wer einem Imam die BaiÝa leistet, ihm seinen Handschlag gibt unddie Frucht seines Herzens, dann soll er ihm gehorchen, so er dazu <strong>im</strong>Stande ist. Wenn ein anderer kommt und ihm die Herrschaft streitigmacht, so schlagt dem anderen den Kopf ab." Der Befehl, dem Imamzu gehorchen, ist somit auch ein Befehl, ihn aufzustellen. Und der21 Allgemeine arabische Bezeichnung für den Befehlshaber bzw. Herrscher.22 Denn Allah wird nicht den Gehorsam gegenüber jemandem verlangen, der garnicht vorhanden ist, bzw. den Ungehorsam gegenüber einem Nichtvorhandenenverbieten (Anm. des Übersetzers).35


Befehl, seinen Widersacher zu bekämpfen, ist ein klares Indizium fürdas zwingende Gebot, die Herrschaft unter einem einzigen Kalifendauerhaft zu erhalten.Was den Konsens (IºmÁÝ) der Gefährten des Propheten betrifft, soherrscht Einst<strong>im</strong>migkeit unter ihnen über die Pflicht, nach dem Todedes Gesandten Allahs einen Kalifen für ihn aufzustellen. Sie kamenauch darin überein, einen Kalifen (d. h. Nachfolger) für AbÙ Bakr zuernennen, wie auch für ÝUmar und ÝU×mÁn nach deren Tod. Was dieSicherheit dieses Konsenses der Gefährten untermauert, ist die Tatsache,dass sie das Begraben des Gesandten Allahs nach dessen Todverzögerten, weil sie mit der Aufstellung eines Kalifen beschäftigtwaren, obwohl das schnellstmögliche Begraben eines Toten nach dessenVerscheiden <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> bekanntlich eine Pflicht darstellt. Für jene,denen die Vorbereitung des Leichnams sowie die Durchführung desBegräbnisrituals zukommen, ist es untersagt, sich mit irgendetwasanderem zu beschäftigen, bis der Tote begraben ist. Von den Gefährten,die sich eigentlich mit der Vorbereitung des Leichnams des Prophetenund seines Begräbnisses beschäftigen müssten, war ein Teildamit beschäftigt, einen Kalifen aufzustellen, statt den Propheten zubegraben. Der andere Teil von ihnen duldete dies schweigsam undbeteiligte sich an der Verzögerung des Begräbnisses zwei ganzeNächte lang, obwohl sie <strong>im</strong> Stande waren, dies anzuprangern oderselbst den Propheten zu begraben. Somit ist ihre Übereinst<strong>im</strong>mung(IºmÁÝ) darüber belegt, dass die Beschäftigung mit der Aufstellung einesKalifen dem Begraben eines Toten vorzuziehen ist. Dies kannaber nur dann der Fall sein, wenn die Aufstellung eines Kalifen einehöhere Pflicht darstellt als das Begraben eines Toten. Außerdem sindalle Gefährten des Propheten zeit ihres Lebens darin übereingekommen,einen Kalifen verpflichtend aufzustellen. Obwohl sie über diejeweilige Person, die zum Kalifen gewählt werden sollte, uneins waren,so waren sie niemals über die Tatsache uneinig, dass ein Kalifaufgestellt werden muss – weder nach dem Tode des Gesandten Allahs noch nach dem Tode irgendeines der rechtgeleiteten Kalifen.Der Konsens der Prophetengefährten stellt somit einen klaren undstarken Beweis für die Verpflichtung dar, einen Kalifen aufzustellen.Darüber hinaus bilden die Aufrechterhaltung des Glaubens sowie derVollzug der islamischen Gesetze in allen Angelegenheiten des diesseitigenund jenseitigen Lebens eine Verpflichtung für alle Musl<strong>im</strong>e.36


Dies geht aus absolut authentischen (qaÔÝÐ al-×ubÙt) und eindeutigen(qaÔÝÐ al-dilÁla) Beweisen klar hervor. Die Erfüllung dieser Pflicht istaber nur durch einen Herrscher, der über die notwendige Befehlsgewaltverfügt, möglich. Nun lautet das islamische Rechtsprinzip: Waszur Erfüllung einer Pflicht unerlässlich ist, wird ebenfalls zur Pflicht!Somit stellt die Aufstellung eines Kalifen auch von diesem Aspekther eine Pflicht dar.Außerdem hat Allah, der Erhabene, dem Gesandten befohlen, unterden Musl<strong>im</strong>en nach dem zu regieren, was Er herabgesandt hat. Seindiesbezüglicher Befehl ist in definitiver Weise ergangen. Den Prophetenansprechend, sagt Er:אאא "So richte unter ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat undfolge nicht ihren Neigungen, um von dem abzukommen, was anWahrheit zu dir gelangt ist." (Sure al-Mā’ida’ 5, Àya 48) Auch sagt Er:אאא אא"So richte unter ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat, undfolge nicht ihren Neigungen, und n<strong>im</strong>m dich vor ihnen in Acht, dasssie dich nicht von einem Teil dessen abbringen, was Allah zu dir herabgesandthat." (Sure al-Mā’ida’ 5, Àya 49) Die Ansprache, die an denGesandten gerichtet wurde, ist gleichzeitig eine Ansprache an seinegesamte Umma, solange kein Beleg existiert, der die Ansprache aufihn allein beschränkt. Ein solcher Beleg ist hier nicht vorhanden.Demzufolge ist die Ansprache an alle Musl<strong>im</strong>e gerichtet, die (islamische)Regentschaft zu errichten. Nun bedeutet die Aufstellung desKalifen aber nichts anderes als die Errichtung der Regentschaft undHerrschaft. Auch hat Allah, der Erhabene, von den Musl<strong>im</strong>en definitivverlangt, dem Befehlshaber, d. h. dem Herrscher, zu gehorchen,was wiederum beweist, dass ein Herrscher über die Musl<strong>im</strong>e islamrechtlichvorhanden sein muss. So befiehlt Allah:אאאא37אאא"Ihr Gläubigen! Gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und jenen,die unter euch die Befehlsgewalt innehaben!" (Sure al-Nisā’ 4, Àya59) Allah wird nicht den Gehorsam gegenüber jemandem verlangen,der nicht vorhanden ist, was beweist, dass die Einsetzung eines Be-


fehlshabers verpflichtend ist, da auch das Regieren nach dem, wasAllah herabgesandt hat, eine Pflicht darstellt. Wenn nun Allah denGehorsam gegenüber dem Herrscher verlangt, so verlangt er damitgleichzeitig dessen Einsetzung. Denn das Vorhandensein eines Befehlshabers(Herrschers) führt zur Durchführung des islamischenRechtsspruches (den Gehorsam), sein Nichtvorhandensein führt zudessen Aussetzung. Somit stellt sein Vorhandensein eine Pflicht dar,weil sein Nichtvorhandensein zu einer Sünde führt, nämlich der Aussetzungeines göttlichen Rechtsspruches.All dies sind klare Beweise dafür, dass es den Musl<strong>im</strong>en eine Pflichtist, aus ihren Reihen die Regentschaft und Herrschaft zu errichten. Esgeht klar daraus hervor, dass sie verpflichtet sind, einen Kalifen aufzustellen,der die Herrschaft bzw. die Regentschaft übern<strong>im</strong>mt. Diesist für die Erfüllung der islamischen Rechtssprüche notwendig. Esgeht nicht bloß um die Errichtung von Macht und Herrschaft. Betrachtenwir doch folgenden Ausspruch des Gesandten Allahs :א،،אAאK،א@אא،W"Die Besten unter euren Imamen sind jene, die ihr liebt und die euchlieben, für die ihr betet und die für euch beten. Und die Schl<strong>im</strong>mstenunter euren Imamen sind jene, die ihr verabscheut und die euch verabscheuen,die ihr verflucht und die euch verfluchen." Sie fragten: "OGesandter Allahs, sollen wir sie nicht mit dem Schwerte bekämpfen?"Er antwortete: "Nein, solange sie das Gebet aufrecht halten!"(Von Musl<strong>im</strong> über den Weg von ÝAuf ibn MÁlik überliefert.) Dieser ÍadÐ× isteindeutig in seinem Bericht über die besten und schl<strong>im</strong>msten Imame.Er ist aber auch eindeutig in seinem Verbot, mit dem Schwert gegensie vorzugehen, solange sie den Glauben aufrecht halten. Denn dieAufrechterhaltung des Gebets ist eine Metonymie 23 für die Aufrechterhaltungdes Glaubens und für das Regieren nach seinen Gesetzen.<strong>Das</strong>s die Aufstellung eines Kalifen zum Vollzug der Gesetze des <strong>Islam</strong>und zum Tragen seiner Botschaft eine Pflicht der Musl<strong>im</strong>e darstellt,ist somit eindeutig und unzweifelhaft durch die korrekten Offenbarungstextebelegt. Darüber hinaus ist diese Pflicht auch durch23 Arab.: KinÁya.38


das Gebot bedingt, das Allah den Musl<strong>im</strong>en auferlegt hat, nämlich dieErrichtung der Herrschaft des <strong>Islam</strong> und den Schutz der Musl<strong>im</strong>e.Diese Pflicht (FarÃ) ist jedoch ein Farà KifÁya, d. h. eine Pflicht, dienur zur Genüge erfüllt werden muss. Wenn also einige Musl<strong>im</strong>e diesePflicht errichten (d. h. tatsächlich realisieren), so ist sie vorhandenund fällt von den anderen ab. Sollten aber einige diese Pflicht nichtrealisieren können – auch wenn sie den dafür notwendigen Tätigkeitennachkommen –, so bleibt es eine Pflicht für alle Musl<strong>im</strong>e und fälltvon keinem von ihnen ab, solange die Musl<strong>im</strong>e keinen Kalifen haben.Die Vernachlässigung der Pflicht zur Aufstellung eines Kalifen stellteine der größten Sünden dar, da es die Vernachlässigung einer derwichtigsten Pflichten <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> bedeutet. So hängt die Durchführungder Gesetze des DÐn, d. h. des gesamten Glaubens, davon ab. Mehrnoch, es ist die Voraussetzung für die reale Existenz des <strong>Islam</strong> <strong>im</strong> täglichenLeben. Die gesamten Musl<strong>im</strong>e haben eine gewaltige Sünde aufsich geladen, weil sie die Aufstellung eines Kalifen vernachlässigt haben.St<strong>im</strong>men sie alle in dieser Vernachlässigung überein, so trifft dieSünde jeden Einzelnen von ihnen in jedem Land dieser Erde. Werdeneinige von ihnen für die Aufstellung eines Kalifen tätig, während dieanderen es weiterhin vernachlässigen, so fällt die Sünde von jenen ab,die sich für die Erfüllung dieser Pflicht einsetzen. Die Pflicht bleibtfür die Musl<strong>im</strong>e solange bestehen, bis der Kalif aufgestellt wordenist. Allerdings hebt das Bemühen für die Erfüllung dieser Pflicht dieSünde für deren verspätete Durchführung bzw. für deren Nichtvollzugauf, da die betreffende Person mit dem Vollzug gerade beschäftigtist und sie – trotz Einsatzes – zur tatsächlichen Durchführung(noch) nicht in der Lage ist. Diejenigen jedoch, die sich mit der Erfüllungdieser Pflicht nicht beschäftigen, sind nach drei Tagen vom Abgangdes letzten Kalifen bis zur Aufstellung eines neuen von derSünde befallen, denn Allah hat ihnen eine Pflicht auferlegt, die sienicht vollzogen haben. Sie haben sich auch nicht mit den Tätigkeitenbeschäftigt, die zur Erfüllung dieser Pflicht führen. Damit haben siedie Sünde, die Erniedrigung und die schwere Strafe Allahs <strong>im</strong> Diesseitsund Jenseits verdient. Die Sünde und damit die Bestrafung fürdie Vernachlässigung der Aufstellung eines Kalifen bzw. für die Vernachlässigungder Tätigkeiten, die zu seiner Aufstellung führen, habendie Musl<strong>im</strong>e deswegen eindeutig verdient, weil ein Musl<strong>im</strong> dieStrafe Allahs <strong>im</strong>mer dann verdient, wenn er irgendeines Seiner Gebotevernachlässigt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn von dieser39


Pflicht die Erfüllung der anderen Pflichten abhängt und erst durchihre Erfüllung die Gesetze des Glaubens vollzogen und der <strong>Islam</strong> emp<strong>org</strong>ehobenwerden kann. Erst dadurch kann das Wort Allahs in denLändern des <strong>Islam</strong> und in allen anderen Teilen der Welt das Höchstewerden.Demzufolge hat kein Musl<strong>im</strong> auf dieser Erde eine Entschuldigung dafür,die Pflicht, die Allah ihm zur Errichtung des Glaubens auferlegthat - nämlich den Einsatz zur Aufstellung eines Kalifen für alle Musl<strong>im</strong>e-, zu vernachlässigen. Wenn es auf Erden keinen Kalifen gibt,der die ËudÙd, die göttlich festgelegten Strafen, durchführt, um dieVerbote Allahs einzuhalten, der die Gesetze des Glaubens aufrechthält und der die Gemeinschaft der Musl<strong>im</strong>e unter dem Banner von LÁIlÁha ill-AllÁh MuÎammadun RasÙlullÁh 24 vereint, so gibt es <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>keine Entschuldigung dafür, die Erfüllung dieser großen Pflicht zuvernachlässigen, bis man sie durchgeführt hat.24 <strong>Islam</strong>isches Glaubensbekenntnis: "Es gibt keinen Gott außer Allah undMuÎammad ist der Gesandte Allahs!"40


Die Grundsäulen der Herrschaft<strong>Das</strong> <strong>Regierungssystem</strong> baut auf vier Grundsäulen auf:1. Die Souveränität obliegt dem islamischen Recht und nicht der Umma.2. Die Autorität liegt in Händen der Umma.3. Die Aufstellung eines Kalifen ist eine Pflicht für alle Musl<strong>im</strong>e.4. Dem Kalifen allein steht das Recht zu, die islamischen Rechtssprüchebindend zu übernehmen; er ist es, der die Verfassung und sämtliche Gesetzeerlässt.Dies sind die Grundsäulen der Herrschaft <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>, die für die Existenzder Herrschaft an sich die Voraussetzung bilden. Wenn einedieser Grundsäulen nicht mehr vorhanden ist, so ist die Herrschaft –und zwar die Herrschaft des <strong>Islam</strong> und seine Regentschaft und nichtirgendeine Herrschaft – nicht mehr vorhanden. Diese Grundsäulensind aus den islamischen Rechtsbeweisen herausgelesen worden.Die Souveränität obliegt dem islamischen RechtDie erste Säule, dass die Souveränität dem islamischen Recht obliegt,hat einen realen Aspekt, und zwar das Wort "Souveränität", und einenBeweis (DalÐl), dass diese Souveränität dem islamischen Recht obliegenmuss und nicht der Umma. Was ihren realen Aspekt betrifft, soist das Wort "Souveränität" ein westlicher Fachbegriff, mit dem dieWillensausübung und Willenssteuerung gemeint ist. Wenn eine Einzelpersonihren Willen selbst ausübt und steuert, so ist sie ihr eigenerSouverän. Wenn jemand anders jedoch ihren Willen steuert und ausübt,dann ist die Person Knecht oder Sklave. Für eine Gemeinschaftgilt dies in gleicher Weise: Wenn ihr Wille, d. h. die Summe des Willensihrer Einzelpersonen, durch sie bzw. durch ihre Vertreter, denensie aus eigenem Einverständnis ihre Führung übertragen hat, gesteuertwird, so ist die Gemeinschaft ihr eigener Souverän. Wird ihr Wille jedochzwangsweise von jemandem anderem gesteuert, so ist sie geknechtetbzw. versklavt. Deswegen besagt das demokratische System,41


dass die Souveränität be<strong>im</strong> Volk liegt, da es seinen eigenen Willenausübt und jenem das Recht zum Vollzug seines Willens überträgt,den es dafür auserwählt hat. Dies ist die reale Bedeutung des WortesSouveränität, auf die wir den Rechtsspruch anwenden wollen. Wasnun den Rechtsspruch dieser Souveränität anbelangt, so obliegt siedem islamischen Recht und nicht der Umma. Was den Willen derEinzelperson rechtlich steuert, ist nicht die Person selbst, die ihn lenkenkann, wie sie will, sondern sind allein die Gebote und VerboteAllahs. Für die Umma gilt dies in gleicher Weise: Nicht sie steuert ihreneigenen Willen, indem sie tun kann, was ihr beliebt, vielmehrwird sie durch die Gebote und Verbote Allahs gelenkt. Der Beweisdafür sind folgende Aussagen Allahs: "Nein, bei deinem Herrn, sie sind nicht eher gläubig, bis sie dich zumRichter erheben in allem, was unter ihnen strittig ist!" (Sure al-Nisā’4,Àya 65) אאאאאאאא אאא "Ihr Gläubigen! Gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und jenen,die unter euch die Befehlsgewalt innehaben. Und solltet ihr in einerSache strittig sein, so führt sie auf Allah und den Gesandten zurück,wenn ihr an Allah und den Jüngsten Tage glaubt." (Sure al-Nisā’ 4,Àya 59). Die "Rückführung" auf Allah und den Gesandten bedeutet dieRückführung auf das islamische Recht. Wer also Umma und Einzelpersonbeherrscht und den Willen der Umma und der Einzelpersonlenkt und steuert, ist die Offenbarung, mit welcher der Gesandte gekommenist. Umma und Einzelperson sind demzufolge dem islamischenRecht unterworfen, und die Souveränität obliegt somit dem islamischenRecht. Aus diesem Grunde erhält der Kalif die BaiÝa vonder Umma nicht als ihr Angestellter, der für sie durchführt, was siewill, wie es <strong>im</strong> demokratischen System der Fall ist. Vielmehr erhält ervon der Umma die BaiÝ auf der Grundlage des Buches Allahs undder Sunna Seines Gesandten , um eben das Buch Allahs und dieSunna Seines Gesandten durchzuführen – mit anderen Worten, umdas islamische Recht zu vollziehen und nicht das, was die Menschenwollen. Wenn sich selbst jene Leute, die ihm die BaiÝa geleistet ha-42


en, vom islamischen Recht abwenden, muss er sie bekämpfen, bissie wieder dazu zurückkehren.Die Autorität liegt bei der Umma<strong>Das</strong> Prinzip, dass die Autorität bei der Umma liegt, ergibt sich aus derTatsache, dass das islamische Recht die Aufstellung des Kalifen derUmma übertragen hat, und daraus, dass der Kalif diese Macht durchdie BaiÝa übern<strong>im</strong>mt. Der erste Punkt, die Aufstellung des Kalifendurch die Umma, wird von der Rechtslehre durch die ÍadÐ×e der BaiÝabelegt. Musl<strong>im</strong> berichtet von ÝUbÁda ibn al-ÑÁmit :@אאאאאא אAWir leisteten dem Gesandten Allahs die BaiÝa, auf dass wir hören undgehorchen, <strong>im</strong> Schwierigen wie <strong>im</strong> Leichten und in dem, was uns liebund unlieb ist. Und ¹ubair ibn ÝAbdillÁh berichtet:@אאאא אAIch gab dem Gesandten Allahs die BaiÝa, zu hören und zu gehorchensowie jedem Musl<strong>im</strong> mit gutem Rat zu begegnen. Von AbÙ Hurairawird überliefert, dass der Gesandte Allahs sagte:WאאאA،،אא،א،،@،،אא"Drei Personen spricht Allah am Tag der Auferstehung nicht an, erreinigt sie nicht (von den Sünden), und schwere Strafe wird ihnen zuteil:ein Mann an einem Wasserrest am Wegesrand, der ihn dem Reisendenvorenthält, und ein Mann, der einem Imam nur seiner DuniÁ 25wegen die BaiÝa leistet – wenn er ihm gibt, was er will, dann hält erdie BaiÝa ein, ansonsten erfüllt er sie nicht -, und ein Mann, der amspäten Nachmittag jemandem eine Ware verkauft, bei Allah schwört,sie bereits um so viel verkauft zu haben, der andere glaubt es ihm underwirbt sie dafür, obwohl es nicht st<strong>im</strong>mt." (BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong>) DieBaiÝa wird also dem Kalifen von den Musl<strong>im</strong>en geleistet und nicht25 Arabisch für Diesseits.43


umgekehrt. Sie geben ihm die BaiÝa und stellen ihn somit als Regentenüber sich auf. Dies ist auch mit den rechtgeleiteten Kalifengeschehen, die die BaiÝa von den Musl<strong>im</strong>en erhalten haben und erstdadurch zu Kalifen geworden sind. <strong>Das</strong>s der Kalif die Macht durchdiese BaiÝa übern<strong>im</strong>mt, geht klar aus den ÍadÐ×en, die sich mit demGehorsam und der Einheit des Kalifats beschäftigen, heraus. Musl<strong>im</strong>berichtet von ÝAbdullÁh ibn ÝAmr ibn al-ÝÀÒ, dass der Gesandte Allahssprach:،אA@אא"Wer einem Imam die BaiÝa leistet, ihm seinen Handschlag und dieFrucht seines Herzens gibt, der soll ihm gehorchen, so er dazu <strong>im</strong>Stande ist. Wenn ein anderer kommt und es ihm streitig macht, soschlagt dem anderen den Kopf ab!" NÁfiÝ berichtet von ÝAbdullÁh ibnÝUmar, dass er den Gesandten Allahs sagen hörte:،אאאA@"Wer seine Hand aus dem Gehorsam zieht, der trifft Allah am Tagder Auferstehung ohne Entschuldigung, und wer stirbt, ohne '<strong>im</strong>Nacken' eine BaiÝa zu tragen, der stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya."(Musl<strong>im</strong>) Ibn ÝAbbÁs berichtet, dass der Gesandte Allahs sagte:אא،A@א"Wem etwas an seinem AmÐr missfällt, der soll sich in Geduld üben,denn jeder, der sich von der Herrschaft um eine Handbreit loslöst undstirbt, stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya!" (Musl<strong>im</strong>) AbÙ Huraira berichtet,dass der Gesandte Allahs sagte:،،،אאA،،אאW؟א،@אא"<strong>Das</strong> Volk Israel ist stets von Propheten betreut worden; wenn einProphet starb, folgte ihm ein anderer nach. Nach mir wird es jedochkeine Propheten mehr geben. Es werden aber Kalifen kommen undderen Zahl wird groß sein" Sie fragten: "Und was befiehlst du uns?"44


Er antwortete: "Erfüllt die BaiÝa des jeweils Ersteren und gebt ihnenihr Recht, denn Allah wird sie darüber zur Rechenschaft ziehen, waser in ihre Obhut gelegt hat." (Musl<strong>im</strong>) All diese ÍadÐ×e belegen, dassder Kalif die Macht bzw. die Herrschaft durch die BaiÝa übern<strong>im</strong>mt,denn Allah hat den Gehorsam als Folge der BaiÝa zur Pflicht gemacht:@KKKA"Wer einem Imam die BaiÝa leistet […], der soll ihm gehorchen." <strong>Das</strong>Kalifat hat er also mit der BaiÝa übernommen, und der Gehorsam(ihm gegenüber) ist nun zur Pflicht geworden, weil er ein Kalif ist,der die BaiÝa erhalten hat. Somit hat er die Macht von der Ummadurch die BaiÝa übernommen bzw. durch ihre Verpflichtung, jenemgegenüber gehorsam zu sein, dem sie die BaiÝa geleistet hat oder fürden eine BaiÝa "in ihrem Nacken" vorhanden ist. Dies beweist aber,dass die Autorität eigentlich bei der Umma liegt. Selbst der Prophet hat, obwohl er ein Gottesgesandter war, von den Menschen die BaiÝaerhalten. Es war eine BaiÝa für die Herrschaft und die Regierungsausübungund nicht für das Prophetentum 26 . Er nahm die BaiÝa sowohlvon Männern als auch von Frauen an, nicht aber von Kindern, die dieGeschlechtsreife noch nicht erreicht hatten. Die Tatsache also, dass esdie Musl<strong>im</strong>e sind, die den Kalifen aufstellen und ihm die BaiÝ aufdas Buch Allahs und die Sunna Seines Gesandten leisten, sowie derUmstand, dass der Kalif erst durch diese BaiÝa die Macht übern<strong>im</strong>mt,beweisen, dass die Macht bzw. die Autorität bei der Umma liegt undsie diese jenem überträgt, den sie dazu auserwählt hat.Die Aufstellung eines Kalifen ist PflichtWas die dritte Grundsäule betrifft, nämlich die Pflicht zur Aufstellungeines einzigen Kalifen für alle Musl<strong>im</strong>e, so ist sie durch die ehrwürdigenÍadÐ×e festgelegt. Musl<strong>im</strong> berichtet von Nafi c , dass diesersagte: " ÝAbdullÁh ibn ÝUmar erzählte mir: 'Ich hörte den GesandtenAllahs sagen:،אאאA @"Wer seine Hand aus dem Gehorsam zieht, der trifft auf Allah amTag der Auferstehung, ohne eine Entschuldigung zu haben, und wer26 Für das Prophetentum hat ihn nämlich Gott auserwählt und nicht die Menschen(Anm. des Übersetzers).45


Der StaatsapparatDer Staatsapparat besteht aus folgenden acht Institutionen:1. Der Kalif2. Der Vollmachtsassistent (MuÝÁwin al-TafwÐÃ)3. Der Vollzugsassistent (MuÝÁwin al-TanfÐÆ)4. Der AmÐr-ul-¹ihÁd5. Die Gouverneure (al-WulÁt)6. <strong>Das</strong> Gericht7. Die Verwaltungsbehörden des Staates8. Der Maºlis al-Umma (Ratsversammlung)Beweis dafür ist die Handlung des Propheten , denn er hat denStaatsapparat in dieser Gestalt aufgebaut. Er selbst war das Staatsoberhauptund ordnete auch den Musl<strong>im</strong>en an, ein Staatsoberhauptaufzustellen, als er ihnen befahl, einen Kalifen bzw. Imam zu wählen.Was die Assistenten (al-MuÝÁwinÙn) betrifft, so bestellte der GesandteAllahs AbÙ Bakr und ÝUmar zu seinen Assistenten. Al-ÍÁk<strong>im</strong>und al-TirmiÆÐ berichten von AbÙ SaÝÐd al-ËudarÐ, dass dieser sagte:"Es sprach der Gesandte Allahs : @אאאA"Meine Assistenten unter den H<strong>im</strong>melsbewohnern sind ¹ibrÐl undMÐkÁÞÐl, unter den Erdenbewohnern sind es AbÙ Bakr und ÝUmar."<strong>Das</strong> <strong>im</strong> ÍadÐ× verwendete arabische Wort WazÐrai bedeutet "meineHelfer" bzw. "meine Assistenten". Dies ist seine sprachliche Bedeutung.Hingegen ist das Wort WazÐr in der heute unter den Menschengängigen Bedeutung die Übersetzung eines westlichen Terminus', mitdem eine spezifische Regierungstätigkeit gemeint ist, die die Musl<strong>im</strong>enicht kannten und die dem <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> widerspricht.Der MuÝÁwin, den der Prophet WazÐr nannte, ist mit keiner spezifischenTätigkeit betraut worden. Vielmehr ist er ein Assistent, dem derKalif eine allgemeine Vollmacht für alle Tätigkeiten überträgt. Es ist47


nicht zulässig, ihn ausschließlich mit einer best<strong>im</strong>mten Tätigkeit zubetrauen. Was die Gouverneure (WulÁt) betrifft, so hat sie der Gesandte als Verwalter über die Teilgebiete ernannt. Er setzte ÝAttÁbibn Usaid nach der Eröffnung Mekkas als Statthalter dort ein und BÁ-ÆÁn ibn SÁsÁn als Gouverneur über den Jemen, nachdem dieser den<strong>Islam</strong> angenommen hatte. Viele andere setzte er ebenfalls als Gouverneureein. Der Gesandte ernannte auch Richter, die in den Streitfällenzwischen den Menschen richteten. ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib ernannte er zumRichter <strong>im</strong> Jemen, MuÝÁÆ ibn ¹abal und AbÙ MÙsÁ al-AšÝarÐ übertruger ebenfalls für den Jemen Richter- und Statthalterschaft. Al-ÓabarÁnÐüberliefert auf richtigem Wege von MasrÙq, dass dieser sagte:،א،،WאאאA @אא،،אRichter zur Zeit des Gesandten Allahs waren sechs Personen: ÝUmar,ÝAlÐ, ÝAbdullÁh ibn MasÝÙd, Ubai ibn KaÝb, Zaid ibn ÕÁbit und AbÙMÙsÁ al-AšÝarÐ. Was den Verwaltungsapparat der staatlichen Behördenangeht, so hat der Gesandte Allahs zu deren Leitung Schriftführerbestellt. Ihre Funktion entsprach der eines Ressortleiters.MuÝaiqib ibn AbÐ FÁÔ<strong>im</strong>a setzte der Gesandte als Schriftführer überdie Beuteeinnahmen ein und HuÆaifa ibn al-YamÁn zur Erfassung derErnteeinnahmen des ÍiºÁz. Er bestellte auch andere Personen für dierestlichen Bereiche, und zwar jeweils einen Schriftführer für einenoder mehrere Verwaltungsbereiche. Was die Armee anbelangt, die <strong>org</strong>anisatorischdem AmÐr-ul-¹ihÁd untersteht, so war der Gesandte ihr eigentlicher Kommandant. Er <strong>org</strong>anisierte und betreute sie selbst.Manchmal ernannte er Heerführer für best<strong>im</strong>mte Aufgaben. So ernannteer ÝAbdullÁh ibn ¹aΚ zum Anführer über einen Trupp, umNachrichten über die Quraiš einzuholen. AbÙ Salama ibn ÝAbd al-Asad ernannte er zum Kommandanten über eine Heerestruppe vonhundertfünfzig Mann und übertrug ihm sein Banner. Unter ihnen warenerlesene musl<strong>im</strong>ische Helden, wie AbÙ ÝUbaida ibn al-¹arrÁÎ, Sa-Ýd ibn AbÐ WaqqÁÒ und Usaid ibn ÍuÃair. In Bezug auf den Maºlis al-Umma, die so genannte Ratsversammlung, zu deren Tätigkeiten dieBeratung (ŠÙrÁ) und die Rechenschaftsforderung vom Regentenzählt, hatte der Gesandte Allahs keinen spezifischen und permanentenRatssitz. Vielmehr zog er die Musl<strong>im</strong>e zu Rate, wann <strong>im</strong>merer es wollte. So versammelte er sie am Tag von UÎud 27 und beriet27 Die Schlacht am Berg von UÎud.48


sich mit ihnen. Auch ließ er sie während des Ereignisses des Ifk 28 zusammenkommen,um sich mit ihnen zu beraten. Obwohl der Prophet die Musl<strong>im</strong>e hin und wieder versammelte und sich mit ihnenberiet, rief er doch best<strong>im</strong>mte Personen in permanenter Weise zu sich,um ihre Meinung einzuholen. Sie gehörten zu den Stammesvertretern.Es handelte sich um folgende Personen: Íamza, AbÙ Bakr, ¹aÝfar,ÝUmar, ÝAlÐ, Ibn MasÝÙd, SilmÁn, ÝAmmÁr, HuÆaifa, AbÙ Åarr, MiqdÁdund BilÁl. Sie bildeten eine Art Ratsversammlung, da der Prophetvor allem sie in permanenter Wiese zu Rate zog. Aus alldem geht hervor,dass der Gesandte Allahs einen spezifischen Staatsapparat ineiner besonderen Form aufgebaut hat. Er hielt diese Staatsform bis zuseinem Tode aufrecht. Nach ihm kamen die Kalifen, die dem gleichenWeg folgten. Sie regierten nach demselben System, das der GesandteAllahs aufgebaut hatte. Dies geschah unter den Augen und Ohrenaller Prophetengefährten. Deswegen muss der Apparat des <strong>Islam</strong>ischenStaates ebendiese Form aufwiesen. Man könnte nun einwenden,dass der Gesandte einen eigenen Finanzverantwortlichen fürdie Finanzbehörde ernannt habe, woraus man schließen könne, dassdas Finanzwesen einen eigenen Bereich einnehme, der vom restlichenStaatsapparat getrennt sei. Die Antwort darauf lautet, dass das Finanzwesen,auch wenn der Gesandte eine best<strong>im</strong>mte Person für dasFinanzwesen innerhalb einer eigenen Behörde ernannte, keinen getrenntenApparat bildete, sondern Teil des Gesamtapparates war. EinigeGouverneure, die der Prophet ernannte, hatten nämlich eine allgemeineVollmacht, die sowohl Regentschaft auch Finanzwesen umfasste.Andere wiederum hatten nur eine eingeschränkte Vollmacht,die sich ausschließlich auf die Regentschaft bezog, während ein eigenerStatthalter für die Finanzen ernannt wurde. So hat der GesandteAllahs ÝAmr ibn Íazm als Gouverneur in den Jemen geschickt undübertrug ihm eine allgemeine Vollmacht für Regierung und Finanzen,wie aus dem Schreiben, das er ihm überreichte, herv<strong>org</strong>eht. Farwa ibnMusaik ernannte er zum Statthalter über die Stämme MurÁd, Zubaidund MuÆÎaº, wobei er ËÁlid ibn SaÝÐd ibn al-ÝÀÒ als Verwalter derZakÁt mit ihm entsandte. Den Gouverneur, der allein für das Regierenzuständig war, nannte man WÁlÐ al-ÑalÁ (Statthalter des Gebets). Diesist ein Fachterminus, der die Statthalterschaft in allen Dingen derVerwaltung, des Gerichts, des Krieges, des Gottesdiensts usw. meint,28 Die Lüge, die von den Heuchlern in Medina und einigen Musl<strong>im</strong>en über ÝÀÞiša (derFrau des Propheten) erzählt wurde, dass sie unkeusch gewesen wäre.49


mit Ausnahme des Einhebens der Gelder. Jene Person, die mit den Finanzenbetraut wurde, nannte man WÁlÐ al-ËarÁº. Dies umfasste dasEinsammeln der ZakÁt und des ËarÁº aus Bodenerträgen und Ähnlichem.Jenen Gouverneur, der eine umfassende Vollmacht innehatte,nannte man WÁlÐ al-ÑalÁ wal-ËarÁº. Demzufolge bilden die Finanzenkeinen separaten Apparat, vielmehr sind sie Teil der Regierungstätigkeiten,der so genannten WilÁya. Für sie kann ein eigener Statthalteraußer dem Gouverneur ernannt werden oder auch nicht. Auf alle Fällehaben sie <strong>im</strong> Staatszentrum keine eigene Referenz, vielmehr unterliegensie ebenfalls der Entscheidungsbefugnis des Kalifen. Sie stellensomit einen Teil des Staatsapparates dar und keine separate Institutionfür sich. Was die Führung des ¹ihÁd anbelangt, so haben der Prophet und die Kalifen nach ihm diese Aufgabe selbst übernommen.Der Gesandte hat die Armee selbst vorbereitet, aufgebaut und angeführt.Ebenso hat er die inneren und äußeren Angelegenheiten betreut.Er schickte Leute nach ¹uraš <strong>im</strong> Jemen, um das Waffenschmiedehandwerkzu erlernen. In gleicher Wiese gingen nach ihm dieKalifen vor. Allerdings gründete ÝUmar den so genannten DÐwÁn al-¹und (Ressort für Armeeausgaben) und ernannte dafür einen Verantwortlichen.Dies gehört zu den Befugnissen des AmÐr-ul-¹ihÁd.Somit lässt sich feststellen, dass der Staat, den der Gesandte errichtete,aus diesen Institutionen bestand.50


Der KalifDer Kalif vertritt die Umma in Regierung und Herrschaft sowie <strong>im</strong>Vollzug der Gesetze des islamischen Rechts. Der <strong>Islam</strong> übertrug derUmma die Regierungs- und Herrschaftsaufgabe. Sie soll dafür einenVertreter wählen, der in ihrem Namen diese Aufgabe übern<strong>im</strong>mt,denn Allah hat ihr den Vollzug der gesamten Gesetze des <strong>Islam</strong>verpflichtend auferlegt.Nachdem der Kalif von den Musl<strong>im</strong>en aufgestellt wurde, ist er realgesehen der Vertreter der Umma in Regierungs- und Herrschaftsangelegenheitenund <strong>im</strong> Vollzug der Gesetze des islamischen Rechts. Erwird erst dann zum Kalifen, wenn die Umma ihm die BaiÝa geleistethat. Diese BaiÝa zum Kalifat macht ihn zu ihrem Vertreter. Ist das Kalifatdurch die BaiÝa auf ihn übertragen worden, so hat man ihm damitauch die Macht übertragen. Von diesem Augenblick an ist es diePflicht der Umma, ihm zu gehorchen.Ein Herrscher wird demzufolge erst dann zum Kalifen, wenn ihm diemaßgebenden Meinungs- und Entscheidungsträger 29 der Umma dierechtmäßige Vollzugs-BaiÝa 30 leisten, und zwar aus Einverständnisund freier Entscheidung. Auch muss er die Vollzugsbedingungen fürdas Kalifat erfüllen und unmittelbar nach Übernahme der Herrschaftmit der Durchführung der islamischen Gesetze beginnen.Der Titel, den er trägt, ist "Kalif", "Imam" oder "AmÐr al-MuÞminÐn"31 . All diese Bezeichnungen sind in den richtigen ÍadÐ×en erwähntworden bzw. durch den Konsens der Gefährten des Propheten belegt. Auch wurden die rechtgeleiteten Kalifen 32 damit bezeichnet.AbÙ SaÝÐd al-ËudarÐ berichtet vom Gesandten Allahs ,dass dieser sagte: @אאאA"Wenn zwei Kalifen die BaiÝa geleistet wird, so tötet den Letzterenvon beiden." (Musl<strong>im</strong>) ÝAbdullÁh ibn ÝAmr ibn al-ÝÀÒ berichtet, dass erden Gesandten Allahs sagen hörte:29 Arab.: Ahl al-Íall wal-ÝAqd.30 Arab.: BaiÝatu al-InÝiqÁd.31 Führer der Gläubigen.32 Arab.: al-ËulafÁÞ al-RÁšidÙn; dies waren die ersten vier Kalifen nach dem Tode desPropheten , die sich durch besondere Gottesfurcht, Rechtschaffenheit undGerechtigkeit ausgezeichnet haben. Es sind AbÙ Bakr, ÝUmar, ÝU×mÁn und ÝAlÐ.51


@A"Wer einem Imam seinen Handschlag und die Frucht seines Herzensgibt […]." (Musl<strong>im</strong>) Und ÝAuf ibn MÁlik berichtet, dass der GesandteAllahs sprach: @אA"Die Besten unter euren Imamen sind jene, die ihr liebt und die euchlieben, für die ihr betet und die für euch beten." (Musl<strong>im</strong>) Was den Titel"AmÐr al-MuÞminÐn" betrifft, so wurde ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb alsErster damit bezeichnet. Auch für die Kalifen nach ihm wurde dieseBezeichnung beibehalten, sowohl in der Zeit der Prophetengefährtenals auch danach. Es ist nicht verpflichtend, sich an diese drei Bezeichnungenzu halten. Es können auch andere Bezeichnungen für denHerrscher der Musl<strong>im</strong>e gewählt werden, solange sie in der inhaltlichenBedeutung mit diesen Bezeichnungen übereinst<strong>im</strong>men. So wärendie Bezeichnungen "Herrscher der Musl<strong>im</strong>e", "Oberhaupt derMusl<strong>im</strong>e", "Sultān der Musl<strong>im</strong>e" oder Ähnliches durchaus zulässig,solange sie der inhaltlichen Bedeutung nicht widersprechen. Jene Titelhingegen, die eine best<strong>im</strong>mte Bedeutung wiedergeben, die denHerrschaftsgesetzen <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> widerspricht, dürfen keinesfalls verwendetwerden. Dazu gehören die Bezeichnungen "König", "Staatspräsident"oder "Kaiser", da ihre inhaltliche Bedeutung zu den Gesetzendes <strong>Islam</strong> <strong>im</strong> Widerspruch steht.Die Voraussetzungen des KalifenDer Kalif hat sieben Voraussetzungen zu erfüllen, um für die Positiondes Kalifen in Frage zu kommen. Nur wenn er sie alle erfüllt, darf dieBaiÝa für ihn vollzogen werden. Diese sieben Voraussetzungen sindVollzugsbedingungen. Fehlt eine davon, kann die Bai Ý a zum Kalifatnicht durchgeführt werden.Die Vollzugsbedingungen sind folgende:Erstens: Er muss ein Musl<strong>im</strong> sein. Einem Nichtmusl<strong>im</strong> darf das Kalifatkeinesfalls übertragen werden. Auch wäre der Gehorsam in diesemFalle keine Pflicht, denn Allah hat <strong>im</strong> Koran entschieden: א א "Und Allah wird den Ungläubigen über die Gläubigen niemals Machtgewähren!" (Sure al-NisÁÞ 4, Àya 141) <strong>Das</strong> Regieren stellt bekanntlich die52


stärkste Form der Machtausübung seitens des Regierenden über denRegierten dar. Die Verwendung des arabischen Wortes lan (nie, niemals)in dem Vers ist ein juristisches Indizium für das definitive Verbot,einem Nichtmusl<strong>im</strong> irgendeine Form der Herrschaft über Musl<strong>im</strong>ezu gewähren. Dies trifft sowohl auf das Kalifat als auch auf dieuntergeordneten Herrschaftsbereiche zu. Nachdem Allah es verbotenhat, dass Ungläubige über Gläubige Macht besitzen, ist es den Musl<strong>im</strong>ensomit untersagt, einen Nichtmusl<strong>im</strong> zu ihrem Herrscher zu ernennen.Außerdem ist der Kalif Inhaber der Befehlsgewalt, und Allah hat eszur Bedingung erhoben, dass der Befehlshaber der Musl<strong>im</strong>e selbst einMusl<strong>im</strong> ist. So sagt Er : אאאא אאא"Ihr Gläubige! Gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und jenen,die von euch die Befehlsgewalt innehaben!" (Sure al-NisÁÞ 4, Àya59) Auch sagt Er:אאאאאאא "Und wenn etwas von Sicherheit oder Furcht zu ihnen dringt, so verbreitensie es. Hätten sie es aber vor den Gesandten und jene gebracht,die von ihnen die Befehlsgewalt innehaben […]." (Sure al-NisÁÞ4, Àya 83) Im Koran ist das Wort ØlÐ al-Amr - die Befehlsgewalt Innehabende- stets mit dem Zusatz verknüpft worden, dass sie zu denMusl<strong>im</strong>en gehören, was belegt, dass der Befehlshaber als BedingungMusl<strong>im</strong> sein muss. Nachdem der Kalif selbst der Befehlshaber ist undalle weiteren Befehlshaber wie Assistenten, Gouverneure und Statthalterernennt, ist es auch für ihn eine Bedingung, Musl<strong>im</strong> zu sein.Zweitens: Er muss männlichen Geschlechts sein. So ist es nicht zulässig,dass der Kalif weiblich ist. Er muss also ein Mann und darf keineFrau sein. So berichtet Al-BuÌÁrÐ von AbÙ Bakara, dass diesersprach: "Allah half mir in der Zeit der Kamel-Schlacht 33 mit einemWort, dass ich vom Gesandten Allahs vernommen hatte, nachdemich mich fast den Leuten des Kamels angeschlossen hatte: Als der33 Der Feldzug, den ÝÀÞiša, die Frau des Propheten, in der Zeit der Zwietracht und desMissverstehens gegen den Kalifen Ý AlÐ ibn Abi ÓÁlib führte.53


Gesandte Allahs erfuhr, dass die Perser die Tochter des Chosroes zuihrer Herrscherin ernannten, sprach er: @אאאA"Kein Volk wird erfolgreich sein, das seine Befehlsgewalt einer Frauüberträgt." Die Mitteilung des Propheten, dass jene, die ihre Regierungsgewalteiner Frau übertragen, keinen Erfolg haben werden, stelltfür eine Frau gleichzeitig das Verbot dar, Regierungsverantwortungzu übernehmen. Denn die Mitteilung (al-IÌbÁr) gehört ebenfalls zuden so genannten "Aufforderungsformulierungen" 34 (ÑiaÈ al-Óalab).Nachdem diese Mitteilung für jene, die ihre Befehlsgewalt einer Frauübertragen, in missbilligender Weise ausgefallen ist, stellt sie ein juristischesIndizium für die definitive Aufforderung zur Handlungsunterlassungdar. <strong>Das</strong> Verbot für die Herrschaftsübernahme der Frauist demzufolge mit einem juristischen Indizium verknüpft, das aufeine definitive Unterlassungsaufforderung hinweist. Somit ist einerFrau die Herrschaftsübernahme untersagt. Mit "Herrschaft" sind dasKalifat und alle weiteren Ämter gemeint, die zur Regierungsausübunggehören, denn das Thema des ÍadÐ× war die Übernahme der Regentschaftdurch die Tochter des Chosroes. Der ÍadÐ× ist also auf das Themader Regentschaft beschränkt, aber nicht allein auf das Ereignis derRegierungsübernahme durch die persische Königstochter. Genausowenig gilt er umfassend für alle Bereiche, weil er ausschließlich dasThema der Regentschaft anspricht und keinesfalls etwas anderes.Drittens: Er muss geschlechtsreif sein. So ist es nicht zulässig, dassder Kalif ein Kind ist. AbÙ DÁwÙd berichtet von ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlibdass der Gesandte Allahs sagte:א،א،אWאA @"Von dreien ist die Feder 35 enthoben worden: Vom Kind, bis es geschlechtsreifwird, vom Schlafenden, bis er aufwacht, und vom Irren,bis er zu Sinnen kommt." In einer anderen Überlieferung bei AbÙDÁwÙd heißt es:א،אאWאA @א،"Von dreien ist die Feder enthoben worden: Vom Irren, der seinenVerstand verlor, bis er zu sich kommt, vom Schlafenden, bis er auf-34 Aufforderung zum Handlungsvollzug oder zur Handlungsunterlassung.35 Damit ist das Festschreiben ihrer guten und schlechten Taten gemeint, für die sie<strong>im</strong> Jenseits bestraft bzw. belohnt werden. Diese drei Personen werden gemäß diesemÍadÐ× für ihre Taten nicht zur Rechenschaft gezogen.54


wacht, und vom Kind, bis es mannbar wird." Derjenige, von dem "dieFeder enthoben" wurde, ist in seinen eigenen Angelegenheiten nichtentscheidungsbefugt und wird islamrechtlich für seine Handlungennicht zur Rechenschaft gezogen. Deswegen ist es unzulässig, dass erKalif wird oder eine andere Regierungsfunktion übern<strong>im</strong>mt, weil erkeine Entscheidungsbefugnis besitzt. Ein weiterer Beweis dafür, dassder Kalif kein Kind sein darf, ist folgender Bericht bei al-BuÌÁrÐ:"AbÙ ÝAqÐl Zahra ibn MaÝbad erzählt von seinem Großvater ÝAbdullÁhibn HišÁm, der den Gesandten Allahs noch erlebt hatte, dass seineMutter Zainab ibnatu ËamÐd mit ihm zum Propheten ging und ihnbat: 'O Gesandter Allahs, n<strong>im</strong>m die Bai Ý a von ihm!' Der Prophet antwortete:אאאAאאאא @KKK"Er ist noch klein." Dann streichelte er seinen Kopf und betete fürihn. "Wenn die Bai Ý a eines Kindes ungültig ist und es einem anderendie Bai Ý a zum Kalifat nicht geben kann, dann ist es mit besseremGrunde unzulässig, dass es selbst zum Kalifen wird.Viertens: Er muss bei Verstand sein. So ist es nicht zulässig, dass derKalif geisteskrank ist, weil der Prophet <strong>im</strong> ÍadÐ× Von Dreien ist dieFeder enthoben […] auch erwähnt: @KKKאאA@KKKאA"Vom Irren, der seinen Verstand verlor, bis er zu sich kommt […]."Derjenige, von dem "die Feder enthoben" wurde, wird nicht zur Rechenschaftgezogen. Auch ist der Verstand Gegenstand der Rechtsfähigkeitund eine Voraussetzung für die Gültigkeit der Handlungen.Nachdem der Kalif Regierungshandlungen vollzieht und die islamrechtlichenAufgaben erfüllt, ist es nicht zulässig, dass er geisteskrankist, da der Geisteskranke in seinen eigenen Angelegenheiten nichthandlungsbefugt ist. Erst recht kann er es in den Angelegenheitenanderer Menschen nicht sein.Fünftens: Er muss rechtschaffen sein und kein Frevler. Die Rechtschaffenheitist eine Voraussetzung für den Vollzug des Kalifats unddessen Fortbestand, weil Allah be<strong>im</strong> Zeugen die Rechtschaffenheitzur Voraussetzung gemacht hat:55


א"Und ruft zwei rechtschaffene Leute aus eurer Mitte zu Zeugen." (Sureal-ÓalÁq 65, Àya 2) Wer nun höher steht als ein Zeuge, wie der Kalif,muss mit besserem Grund das Attribut der Rechtschaffenheit erfüllen.Wenn die Rechtschaffenheit bereits für einen Zeugen eine Voraussetzungist, dann ist sie es für den Kalifen erst recht.Sechstens: Er muss frei sein, denn der Sklave ist Eigentum seinesHerrn und nicht berechtigt, für sich selbst zu entscheiden. Mit besseremGrund ist er nicht in der Lage, für andere zu entscheiden und somitnicht befugt, die Regentschaft über die Menschen zu übernehmen.Siebentens: Er muss fähig sein, die Bürde des Kalifats zu tragen, undmuss der Verantwortung genügen. Dies gehört zu den Erfordernissender Bai Ý a, da ein Unfähiger die Angelegenheiten der Bürger nach Koranund Sunna nicht betreuen kann, wofür er aber die Bai Ý a erhaltenhat.Die VorzugsbedingungenDie o. a. Voraussetzungen waren die Vollzugsbedingungen für dasKalifat. Außer diesen sieben Bedingungen gibt es keine weitere, dieals Vollzugsbedingung geeignet wäre. Es kann sich jedoch um eineVorzugsbedingung handeln, wenn die betreffenden Textstellen richtigsind oder die Bedingung einem Rechtsspruch zuzuordnen ist, derdurch einen authentischen Text aus der Offenbarung belegt ist. Damiteine Bedingung jedoch als Vollzugsbedingung gilt, muss der Rechtsbeweiseine zwingende (apodiktische) Aufforderung für ihre Gültigkeitbeinhalten, als juristisches Indizium für ihren verpflichtendenCharakter. Beinhaltet der Rechtsbeweis keine apodiktische Aufforderung,hat die Bedingung lediglich Vorzugscharakter und stellt keineVollzugsbedingung dar. Allerdings existieren nur für die oben erwähntensieben Bedingungen Rechtsbeweise mit verpflichtendemCharakter. Deswegen verkörpern nur sie die Vollzugsbedingungen.Was die restlichen Bedingungen betrifft, die über einen korrektenRechtsbeweis verfügen, so stellen sie lediglich Vorzugsbedingungendar. Demzufolge ist es für den Vollzug des Kalifats keine Vorausset-56


zung, dass der Kalif ein Muºtahid 36 ist, weil dies durch keine korrekteTextstelle belegt ist. Außerdem ist die Tätigkeit des Kalifen das Regieren.Für ihn ist es nicht notwendig, selbst IºtihÁd 37 zu vollziehen,da er sich nach dem Rechtsspruch erkundigen bzw. einem anderenMuºtahid folgen kann. Zudem ist er berechtigt, sich Rechtssprüchebindend anzueignen (TabannÐ), die er von anderen Gelehrten übernommenhat. Aus diesem Grunde besteht keine Notwendigkeit, dasser selbst ein Muºtahid ist. Es ist jedoch besser (vorzüglicher) für ihn,ein Muºtahid zu sein. Ist er es nicht, kann das Kalifat trotzdem vollzogenwerden. Des Weiteren stellt es keine Vollzugsbedingung dar,dass der Kalif mutig oder mit einer besonderen Weitsicht belegt ist,die be<strong>im</strong> Betreuen der Bürgerangelegenheiten und dem Leiten ihrerGeschicke zum Tragen käme. Diesbezüglich existiert weder ein richtigerÍadÐ× noch ist diese Bedingung einem Rechtsspruch zuzuordnen,der sie zu einer Vollzugsbedingung macht. Trotzdem wäre es besser(vorzüglicher), wenn der Kalif Mut besitzt und sich mit besondererWeitsicht und Ideenstärke auszeichnet. Ebenso ist es keineVollzugsbedingung, dass der Kalif ein Quraišit 38 ist. Was al-BuÌÁrÐvon MuÝÁwiya berichtet, dass dieser sagte: "Ich hörte den GesandtenAllahs sagen: @אאאאאאאאאA"Diese Angelegenheit (die Befehlsgewalt) liegt in Quraiš, solange sieden Glauben aufrecht halten. Jeder, der sie anfeindet, wird von Allahniedergerungen!", und was er (al-BuÌÁrÐ) von Ibn ÝUmar berichtet, dassder Gesandte Allahs sprach: @אאאאA"Diese Angelegenheit (die Befehlsgewalt) verweilt in Quraiš, solangezwei von ihnen noch am Leben sind!", so handelt es sich – wie auchandere – um richtig überlieferte ÍadÐ×e des Gesandten , die die Befehlsgewaltin die Hände der Quraiš legen. Sie sind jedoch alle in derMitteilungsform (ÑÐÈatu al-IÌbÁr) erfolgt. Kein einziger von ihnen istin der Imperativform ergangen. Die Mitteilungsform kann zwar ebenfallseine Aufforderung zum Vollzug oder zur Unterlassung einerHandlung beinhalten, doch ist diese Aufforderung nicht definitiv(apodiktisch), solange sie mit keinem apodiktischen Indizium ver-36 <strong>Islam</strong>ischer Rechtsgelehrter, der selbst in der Lage ist, Rechtssprüche abzuleiten.37 <strong>Das</strong> Ableiten von Rechtsprüchen aus den islamischen Rechtsquellen.38 Zum Stamme der Quraiš gehörend.57


knüpft ist, das auf ihre Definitivität hinweist. Nun ist diese Aufforderungin keiner einzigen richtigen Überlieferung mit einem definitivenIndizium verknüpft worden, was belegt, dass sie wünschenswert undnicht verpflichtend ist. Demzufolge handelt es sich um eine Vorzugsundnicht um eine Vollzugsbedingung. Was die Aussage <strong>im</strong> ÍadÐ×@ אאאA"Jeder, der sie anfeindet, wird von Allah niedergerungen" betrifft, soist es eine andere Formulierung für das Verbot, sie anzufeinden, undkein apodiktisches Indizium für die Aussage@ אאאA"Diese Angelegenheit (Befehlsgewalt) liegt in Quraiš." Der ÍadÐ× belegt,dass die Befehlsgewalt unter ihnen weilt, und verbietet es, sieanzufeinden. Darüber hinaus ist das Wort Quraiš ein Name und keinAttribut. In der Terminologie der Rechtsgrundlagenlehre (ÝIlm al-UÒÙl) wird es als Laqab (Titel, Name) bezeichnet. Aus einem "Namen"bzw. einem "Titel" kann keinesfalls ein Rechtsverständnis abgeleitetwerden, da ein "Name" oder "Titel" kein abgeleitetes Verständnisbesitzt. Die Tatsache, dass der Text die Befehlsgewalt in dieHände von Quraiš legt, bedeutet also nicht, dass sie für Nicht-Quraišitenverboten ist. Die Aussagen des Propheten @ אאאA"Diese Angelegenheit (Befehlsgewalt) liegt in Quraiš" bzw.@ אאאA"Diese Angelegenheit (Befehlsgewalt) verweilt in Quraiš" bedeutendemzufolge nicht, dass es nicht zulässig wäre, wenn die Befehlsgewaltandere innehaben. Auch bedeuten sie nicht, dass andere sie nichtübernehmen dürfen, solange sie in Quraiš verweilt. Vielmehr liegt dieBefehlsgewalt bei ihnen (dem Stamm der Quraiš) und darf auch beianderen liegen. Der Text, der sie als Befehlshaber erwähnt, schließtsomit nicht aus, dass auch andere das Kalifat innehaben dürfen. Folglichhandelt es sich hier um eine Vorzugs- und nicht um eine Vollzugsbedingung.Ferner hat der Gesandte Allahs die Befehlsgewalt Ý AbdullÁh ibnRawÁÎa, Zaid ibn HÁri×a und UsÁma ibn Zaid übertragen, die allesamtnicht zum Stamme der Quraiš gehören. Somit hat der Prophet auch58


andere zu Befehlshabern ernannt, obwohl sie keine Quraišiten waren.<strong>Das</strong> Wort hÁÆÁ al-Amr (diese Angelegenheit) <strong>im</strong> angeführten ÍadÐ×meint die Übernahme der Regentschaft - und zwar irgendeiner Regentschaft– und nicht ausschließlich das Kalifat. Die Tatsache, dassder Gesandte die Regentschaft auch Nicht-Quraišiten übertragenhat, ist ein Beweis dafür, dass die Herrschaft nicht auf sie beschränktund nicht für andere verboten ist. Die ÍadÐ×e sind somit ein Textbelegfür einige Personen, die des Kalifats würdig sind, um ihren Vorzug zuuntermauern, und nicht, um das Kalifat auf sie allein zu beschränkenund dessen Übertragung auf andere auszuschließen.Ebenso ist es keine Voraussetzung, dass der Kalif HÁš<strong>im</strong>it 39 oder Alewit40 ist, da feststeht, dass der Prophet die Regierungsverantwortungauch anderen übertragen hat, die weder zur Sippe der BanÙHÁš<strong>im</strong> noch zu der ÝAlÐs gehörten. Als der Prophet zur Schlachtvon TabÙk auszog, setzte er in Medina MuÎammad ibn Maslama alsStatthalter ein, der weder HÁš<strong>im</strong>it noch Alewit war. In gleicher Wiesesetzte er MuÝÁÆ ibn ¹abal und ÝAmr ibn al-ÝÀÒ als Regenten ein, dieebenfalls keine HÁš<strong>im</strong>iten bzw. Alewiten waren. Außerdem steht mitdefinitivem Beweis fest, dass die Musl<strong>im</strong>e AbÙ Bakr, ÝUmar undÝU×mÁn die Bai Ý a zum Kalifat leisteten und dass selbst ÝAlÐ jedem vonihnen die Bai Ý a leistete, obwohl sie nicht zu den BanÙ HÁš<strong>im</strong> gehörten.Die gesamte Gefährtenschaft (ÑaÎÁba) des Propheten hat diesmit vollem Wissen geduldet. Keiner von ihnen hat sich gegen ihreBai Ý a mit der Begründung aufgelehnt, sie seien keine HÁš<strong>im</strong>iten oderAlewiten. Somit stellt dies einen Konsens der Gefährtenschaft dar –ÝAlÐ, Ibn ÝAbbÁs und alle anderen der BanÙ HÁš<strong>im</strong> mit eingeschlossen–, dass ein Nicht-HÁš<strong>im</strong>it bzw. Nicht-Alewit als Kalif zulässig ist.Was die ÍadÐ×e betrifft, die den Vorzug unseres ehrenwerten HerrnÝAlÐ und der Prophetenfamilie bekunden, so belegen sie nur derenVorzüglichkeit und sind keine Bedingung dafür, dass der Kalif aus ihrenReihen stammen muss.Aus alldem wird klar, dass es keinen Rechtsbeleg für die Existenz irgendeinerweiteren Bedingung für den Vollzug des Kalifats gibt, alsdie sieben vorab erwähnten. Alle weiteren Bedingungen stellen –setzt man die Richtigkeit ihrer Textbelege bzw. die Möglichkeit ihrer39 Nachkomme der BanÙ HÁš<strong>im</strong>, der Sippe des Propheten .40 Nachkomme ÝAlÐs, des vierten rechtgeleiteten Kalifen.59


Eingliederung in einen Rechtsspruch mit korrekten Textbelegen voraus– bestenfalls Vorzugs-, aber keine Vollzugsbedingungen dar. <strong>Islam</strong>rechtlicherforderlich sind aber die Vollzugsbedingungen für dasKalifat, damit ein Kalif das Kalifat rechtmäßig erwerben kann. Dierestlichen Eigenschaften sollen den Musl<strong>im</strong>en v<strong>org</strong>etragen werden,wenn man ihnen die Kandidaten für das Kalifat vorstellt, damit sieden Besten auswählen können. Allerdings ist die Wahl jeder Persongültig, die allein die Vollzugsbedingungen erfüllt, auch wenn sie keineanderen Eigenschaften vorweisen kann.Der Vollzug des Kalifats<strong>Das</strong> Kalifat ist ein Vertrag aus billigendem Einverständnis (RiÃā) undfreier Wahl (Ihtiyār), da es durch die Bai Ý a vollzogen wird, die zumGehorsam gegenüber demjenigen verpflichtet, der mit der Übernahmeder Befehlsgewalt das Recht auf diesen Gehorsam erhalten hat.Deswegen ist das Einverständnis desjenigen, der das Kalifat durch dieBai Ý a übern<strong>im</strong>mt, genauso erforderlich wie das Einverständnis jener,die ihm die Bai Ý a leisten. Sollte es jemand ablehnen, Kalif zu werden,und sich dem Kalifat verweigern, so ist es unzulässig, ihn dazu zuzwingen. Er darf zur Akzeptanz nicht genötigt werden, vielmehr sollteman es in diesem Falle jemand anderem übertragen. Ebenso darfdie Bai Ý a den Menschen nicht unter Zwang und Nötigung abgenommenwerden, da der Vertrag in diesem Fall ungültig wäre, weilZwang der Bai Ý a widerspricht. Die Bai Ý a ist ein Vertrag, der – wie jederandere Vertrag auch - auf Einverständnis und freier Entscheidungbasieren muss und keine Form von Zwang oder Nötigung beinhaltendarf. Wurde jedoch der Bai Ý a-Vertrag durch diejenigen, deren Bai Ý amaßgebend ist, durchgeführt, so ist die Bai Ý a vollzogen und derjenige,der die Bai Ý a erhalten hat, neuer Befehlshaber, dem Gehorsam verpflichtendgebührt. Die Bai Ý a, die ihm danach von den restlichenMenschen geleistet wird, ist lediglich eine Bai Ý a zum Gehorsam (Gehorsams-BaiÝ a) und keine Vollzugs-Bai Ý a für den Kalifatsvertragmehr. Nun steht es ihm zu, die übrigen Menschen dazu zu zwingen,ihm diese Bai Ý a zu leisten, weil sie lediglich einen Zwang zum Gehorsamdarstellt, der jetzt islamrechtlich verpflichtend ist. In diesemFalle ist es nicht mehr eine Bai Ý a zur Durchführung des Kalifatsvertrages,wo auf das Zwangsverbot hingewiesen werden kann. Demzufolgeist die Bai Ý a grundsätzlich ein Vertrag, der nur <strong>im</strong> Einverständnisund aus freier Wahl geschlossen werden kann. Nachdem die Bai Ý a60


zum Kalifat vollzogen wurde, bleibt nur mehr der Gehorsam, d. h. dieFügung unter der Befehlsgewalt des Kalifen. Nun ist der Zwang inErfüllung des göttlichen Gebots zulässig. Nachdem das Kalifat einVertrag ist, kann es nur mit einem Vertragspartner vollzogen werden- gleich dem Gericht, wo eine Person erst dann Richter werden kann,wenn ihr jemand die Richterschaft überträgt. In gleicher Weise verhältes sich mit jeder Regentschaft bzw. Befehlsgewalt: Keiner kannRegent werden, solange er nicht die Regentschaft von jemandemübertragen bekommt. Genauso wenig kann jemand Kalif werden, solangeihm niemand das Kalifat überträgt. Daraus wird klar, dass niemandKalif werden kann, bis ihn die Musl<strong>im</strong>e damit beauftragen. Erbesitzt auch nicht die Befugnisse des Kalifen, solange der Vertrag fürihn nicht vollzogen wurde. Dieser Vertrag kann nur durch zwei Vertragspartnervollzogen werden: durch den Kalifatsanwärter bzw. denfür das Kalifat Gesuchten und die Musl<strong>im</strong>e, die mit ihm als Kalifeneinverstanden sind. Aus diesem Grunde ist die Bai Ý a seitens der Musl<strong>im</strong>efür den Vollzug des Kalifats notwendig.Der Rechtsspruch bezüglich des MachtübergriffsAus dem Gesagten geht hervor, dass ein Tyrann, der die Herrschaftmit Gewalt an sich reißt, dadurch nicht zum Kalifen wird, auch wenner sich selbst zum Kalifen der Musl<strong>im</strong>e erklärt, weil ihm das Kalifatseitens der Musl<strong>im</strong>en nicht rechtens übertragen wurde. Auch wenn erden Musl<strong>im</strong>en die Bai Ý a unter Zwang und Nötigung abn<strong>im</strong>mt und sietatsächlich erfolgt, wird er trotzdem kein rechtmäßiger Kalif. Denneine Bai Ý a unter Zwang und Nötigung ist ungültig und das Kalifat damitnicht vollzogen worden. <strong>Das</strong> Kalifat ist ein Vertrag, der Einverständnisund freie Wahl voraussetzt; er kann nicht unter Zwang undNötigung erfolgen. Nur durch eine Bai Ý a aus freiwilligem Einverständnisund freier Wahl kann das Kalifat vollzogen werden. Wenndieser Tyrann jedoch die Menschen zu überzeugen vermag, dass dasInteresse der Musl<strong>im</strong>e in seiner Bai Ý a liegt, die Aufrechterhaltung derGesetze des <strong>Islam</strong> seine Bai Ý a notwendig macht und die Menschendies einsehen, sich einverstanden erklären und ihm anschließend dieBai Ý a aus Einverständnis und freier Wahl leisten, so ist er ab demZeitpunkt, wo er die Bai Ý a aus freier Wahl erhalten hat, rechtmäßigerKalif der Musl<strong>im</strong>e, auch wenn er anfangs die Herrschaft mit Gewaltan sich gerissen hat. Bedingung ist, dass die Bai Ý a aus Einverständnis61


und freier Wahl erfolgt, egal ob derjenige, der die Bai Ý a erhält, bereitsvorher Regent und Machthaber war oder nicht.Durch wen die Bai Ý a vertraglich vollzogen wirdWer die Personen sind, durch deren Bai Ý a das Kalifat vertraglich vollzogenwird, ergibt sich aus der Erörterung dessen, was sich bei derBai Ý a der rechtgeleiteten Kalifen ereignet hat und worüber der Konsensder Gefährtenschaft herrscht. Bei der Bai Ý a des ersten KalifenAbÙ Bakr begnügte man sich mit der Bai Ý a der Ahl al-Íall wal-ÝAqd 41unter den Musl<strong>im</strong>en, die sich nur in Medina befanden. Man holte wederdie Meinung der Musl<strong>im</strong>e in Mekka noch jener auf der restlichenArabischen Halbinsel ein. Vielmehr wurden diese gar nicht gefragt.Genauso geschah es auch bei der Bai Ý a von ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb. Beider Bai Ý a von ÝU×mÁn ibn ÝAffÁn holte ÝAbdurraÎmÁn ibn ÝAuf dieMeinung der Musl<strong>im</strong>e in Medina ein, wobei er sich nicht nur auf dieGruppe maßgebender Autoritäten und Entscheidungsträger beschränkte.Im Falle ÝAlÐs begnügte man sich mit der Bai Ý a der meistenEinwohner Medinas und Kufas, wobei man ihm alleine die Bai Ý a leistete.Seine Bai Ý a wurde auch von jenen anerkannt, die sich gegen ihnwandten und ihn bekämpften. So haben sie keinem anderen die Bai Ý ageleistet und sich auch nicht gegen seine Bai Ý a gestellt. Vielmehrforderten sie Sühne für das Blut ÝU×mÁns. <strong>Islam</strong>rechtlich stellten sieeine Gruppe Aufsässiger dar, die eine Entscheidung des Kalifen missbilligtenund sich gegen ihn wandten. In diesem Falle muss ihnen derKalif die Sachlage erklären und sie notfalls bekämpfen. Diese Leutegründeten jedoch kein anderes Kalifat.All dies – nämlich die Annahme der Bai Ý a allein von den Einwohnernder Hauptstadt – geschah mit vollem Wissen der Prophetengefährten,und keiner von ihnen wehrte sich dagegen oder prangerte die Tatsachean, dass man sich bei der Bai Ý a auf die Mehrzahl der EinwohnerMedinas beschränkte. Demzufolge stellt dies den Konsens der Gefährten(IºmÁÝ al-ÑaÎÁba) darüber dar, dass der Kalifatsvertrag durchdie Bai Ý a derjenigen erfolgt, die die Meinung der Musl<strong>im</strong>e in Regierungsfragenvertreten. Denn die maßgebenden Entscheidungsträgerunter den Musl<strong>im</strong>en (Ahl al-Íall wal-ÝAqd) und die meisten Einwoh-41 Gruppe maßgebender Meinungs- und Entscheidungsträger unter den Musl<strong>im</strong>en.62


ner Medinas bildeten in Regierungsfragen die Meinungsmehrheit derMusl<strong>im</strong>e <strong>im</strong> ganzen damaligen Staatsgebiet.Demgemäß wird das Kalifat durch die Bai Ý a der Mehrheitsvertreterder islamischen Umma vertraglich vollzogen, wobei die Vertreter jenerMusl<strong>im</strong>e relevant sind, die unter dem Gehorsam des Kalifen stehen,an dessen Stelle ein neuer Kalif gewählt werden soll. Auf dieseWeise lief es zur Zeit der rechtgeleiteten Kalifen ab. Die Bai Ý a dieserPersonengruppe stellt die Vollzugs-Bai Ý a für das Kalifat dar. Für dierestlichen Menschen ist es nach erfolgter Vollzugs-Bai Ý a und Übertragungdes Kalifats an den neuen Kalifen lediglich eine Gehorsamsbzw.Willfährigkeits-Bai Ý a, aber keine Vollzugs-Bai Ý a mehr.Dies gilt für den Fall, dass es einen Kalifen gibt, der stirbt oder abgesetztwurde und an dessen Stelle man einen neuen Kalifen ernennenmöchte. Wenn jedoch überhaupt kein Kalif existiert und es für dieMusl<strong>im</strong>e zur Pflicht geworden ist, einen Kalifen aufzustellen, um dieGesetze des <strong>Islam</strong> zu vollziehen und die islamische Botschaft in dieWelt zu tragen – wie es heute seit der Zerstörung des Kalifats in Istanbul<strong>im</strong> Jahre 1343 n. H. bzw. 1924 n. Chr. der Fall ist –, so ist jedesislamische Land in der islamischen Welt berechtigt, einem Kalifendie Bai Ý a zu leisten. Mit dieser Bai Ý a ist der Kalifatsvertrag vollzogen.Leistet folglich eines der islamischen Länder einem Kalifen dieBai Ý a und wurde ihm das Kalifat rechtmäßig übertragen, so ist es diePflicht aller Musl<strong>im</strong>e, ihm die Gehorsams- bzw. Willfährigkeits-Bai Ý azu leisten, weil der Kalifatsvertrag für ihn durch die Bai Ý a derEinwohner seines Landes bereits vollzogen wurde. Hierbei spielt eskeine Rolle, ob es sich um ein großes Land wie Ägypten, die Türkeiund Indonesien handelt oder um ein kleines Land wie Jordanien, Tunesienund der Libanon. Es müssen jedoch vier Bedingungen erfülltsein:Erstens: Die Macht in diesem Land muss eigenständig sein. Sie darfsich nur auf die Musl<strong>im</strong>e stützen und auf kein ungläubiges Land bzw.auf den Einfluss eines Ungläubigen.Zweitens: Der Schutz (AmÁn) der Musl<strong>im</strong>e in diesem Land muss inHänden des <strong>Islam</strong> liegen und nicht des Unglaubens. <strong>Das</strong> bedeutet,dass der innere und äußere Schutz des Landes ein islamischer Schutz63


sein muss, also aus der Kraft der Musl<strong>im</strong>e in ihrer Eigenschaft alsrein islamische Kraft.Drittens: Es muss unverzüglich mit der vollständigen Umsetzung des<strong>Islam</strong> begonnen werden, und zwar in einer umfassenden und revolutionärenWeise. Auch muss das Weitertragen der islamischen Botschaftunverzüglich angegangen werden.Viertens: Der Kalif, der die Bai Ý a erhalten hat, muss die Vollzugsbedingungenfür das Kalifat erfüllen, auch wenn er die Vorzugsbedingungennicht oder nicht gänzlich erfüllt. Maßgebend sind lediglichdie Vollzugsbedingungen.Erfüllt ein Land diese vier Bedingungen, so ist das Kalifat schon alleinmit der Bai Ý a der Einwohner dieses Landes vorhanden und rechtmäßigvollzogen, auch wenn es nicht die Mehrheit der maßgebendenMeinungs- und Entscheidungsträger unter den Musl<strong>im</strong>en (Ahl al-Íallwal-ÝAqd) verkörpert. <strong>Das</strong> Kalifat ist nämlich eine Pflicht, die zur Genügeerfüllt werden muss (Farà KifÁya). Vollzieht jemand diesePflicht in der richtigen Art und Weise, so hat er die Pflicht für alleMusl<strong>im</strong>e erfüllt. Die Bedingung des Einverständnisses der Mehrheitder maßgebenden Meinungs- und Entscheidungsträger gilt nur, wennein Kalifat bereits vorhanden ist und man einen neuen Kalifen anstelleeines verstorbenen oder abgesetzten aufstellen möchte. Wenn jedochüberhaupt kein Kalifat existiert und man es errichten möchte, soist ihre bloße Gründung in der islamrechtlich korrekten Weise für denVollzug des Kalifatsvertrages ausreichend, sobald der Kalif dieVollzugsbedingungen erfüllt. Dabei spielt die Anzahl derjenigen, dieihm die Bai Ý a leisten, keine Rolle mehr, da es nun um die Erfüllungeiner Pflicht geht, die die Musl<strong>im</strong>e über einen Zeitraum von mehr alsdrei Tagen vernachlässigt haben. Diese Vernachlässigung bedeutetgleichzeitig den Verzicht auf ihr Recht, den Kalifen selbst auszuwählen.Erfüllt nun jemand diese Pflicht, ist es für den Vollzug des Kalifatsausreichend. Sobald das Kalifat in diesem Land gegründet undkraft der Bai Ý a für einen Kalifen vollzogen wurde, ist es die Pflicht allerMusl<strong>im</strong>e, sich unter das Banner des Kalifats zu stellen und demKalifen die Bai Ý a zu leisten. Tun sie es nicht, dann sind sie vor Allahsündhaft. Der Kalif hat sie auch zur Bai Ý a aufzufordern. Kommen siedem nicht nach, sind sie als Aufsässige einzustufen, und der Kalif hatdie Pflicht, sie so lange zu bekämpfen, bis sie in seinen Gehorsam64


eintreten. Wenn <strong>im</strong> selben oder in einem anderen Land einem zweitenKalifen die Bai Ý a geleistet wird, nachdem für den Ersten die Bai Ý a inislamrechtlich korrekter Weise unter Erfüllung der oben angeführtenvier Bedingungen bereits vollzogen wurde, ist es für die Musl<strong>im</strong>e verpflichtend,den zweiten Kalifen zu bekämpfen, bis auch er dem Erstendie Bai Ý a leistet. Dies geht aus folgender Aussage des GesandteAllahs hervor, die bei Musl<strong>im</strong> von ÝAbdullÁh ibn ÝAmr ibn al-ÝÀÒüberliefert ist:،אKKKA@אא"[…] und wer einem Imam die Bai Ý a leistet, ihm seinen Handschlagund die Frucht seines Herzens gibt, der soll ihm gehorchen, so erdazu <strong>im</strong> Stande ist. Wenn ein Zweiter kommt und es ihm streitigmach, so schlagt dem Zweiten den Kopf ab." Auch ist es der Kalif,der die Musl<strong>im</strong>e unter dem Banner des <strong>Islam</strong> vereint. Sobald derKalif existiert, existiert auch die Gemeinschaft der Musl<strong>im</strong>e. Sodannist es für jeden verpflichtend, sich ihr anzuschließen. Sich von ihrabzulösen, ist strengstens verboten. Al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> berichtenvon Ibn ÝAbbÁs, dass der Prophet sagte:אא،A@"Wer an seinem AmÐr 42 etwas sieht, das ihm missfällt, der soll sich inGeduld üben. Derjenige nämlich, der sich von der Gemeinschaft umeine Handbreit loslöst und stirbt, stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya 43 ."Auch berichtet Musl<strong>im</strong> von Ibn ÝAbbÁs, dass der Gesandte sprach:אא،A@א"Wem etwas an seinem AmÐr missfällt, der soll sich in Geduld üben,denn jeder, der sich von der Herrschaft um eine Handbreit loslöst undstirbt, stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya!" Aus beiden ÍadÐ×en ergibt sichdas klare Verständnis, an Gemeinschaft und Herrschaft festzuhalten.42 Allgemeine arabische Bezeichnung für den Befehlshaber.43 Vorislamische Zeit der Unwissenheit und Finsternis.65


<strong>Das</strong> Recht auf die Bai Ý a steht nur Musl<strong>im</strong>en zu, da es eine Bai Ý a aufden <strong>Islam</strong>, d. h. auf das Buch Allahs und die Sunna Seines Gesandtenist. Dies setzt notwendigerweise den Glauben an den <strong>Islam</strong>, d. h. anden Koran und die Sunna, voraus. Nichtmusl<strong>im</strong>e dürfen sich demzufolgeweder in der Regierung befinden noch den Regenten wählen, dasie keine Macht bzw. keinen Einfluss auf die Musl<strong>im</strong>e ausüben dürfenund die Bai Ý a sie nicht betrifft.Durch wen der Kalif aufgestellt wirdDer Gesetzgeber hat die Macht in die Hände der Umma gelegt unddie Gesamtheit der Musl<strong>im</strong>e zur Aufstellung des Kalifen berechtigt.Dieses Recht hat er nicht einer Gruppe unter Ausschluss der anderenzugesprochen, auch nicht einer Teilgemeinschaft ohne die andere.Vielmehr ist die Bai Ý a eine Pflicht für alle Musl<strong>im</strong>e:@A"Wer stirbt, ohne <strong>im</strong> Nacken eine Bai Ý a zu haben, stirbt einen Tod der¹Áhiliyya!" (Von Musl<strong>im</strong> auf dem Wege des ÝAbdullÁh ibn ÝUmar überliefert.)Diese Aussage gilt umfassend für alle Musl<strong>im</strong>e. Deswegen sind nichtdie Meinungs- und Entscheidungsträger allein berechtigt, den Kalifenaufzustellen, unter Ausschluss der restlichen Musl<strong>im</strong>e. Zudem liegtdieses Recht nicht bei einigen besonderen Personen. Vielmehr ist dasRecht allen Musl<strong>im</strong>en gegeben worden, ohne irgendjemanden vonihnen auszuschließen. Auch Frevlern und Heuchlern steht diesesRecht zu, solange sie geschlechtsreife Musl<strong>im</strong>e sind. Die Texte sindin allgemeiner Form gehalten, ohne dass sie in irgendeiner Weiseeingeschränkt worden wären, mit Ausnahme der Ablehnung derKindes-Bai Ý a. Deswegen bleibt ihre Allgemeingültigkeit bestehen.Es ist jedoch keine Bedingung, dass alle Musl<strong>im</strong>e diesem Recht nachkommen,da es sich um einen Anspruch handelt, der ihnen zusteht.Auch wenn er <strong>im</strong> Grunde eine Pflicht für sie darstellt, da die Bai Ý a ansich eine Verpflichtung verkörpert, ist es eine Pflicht, die nur zu Genügeerfüllt werden muss (Farà KifÁya). Es handelt sich um keinindividuelles Gebot. Deswegen fällt es vom Rest ab, wenn einige eserfüllen. Allerdings muss es allen Musl<strong>im</strong>en ermöglicht werden, ihrRecht zur Aufstellung des Kalifen in Anspruch zu nehmen, und zwarunabhängig davon, ob sie es nutzen oder nicht. Jeder Musl<strong>im</strong> muss66


somit die Möglichkeit besitzen, den Kalifen mit aufzustellen, undzwar in vollkommener und uneingeschränkter Weise. Es geht also umdie Frage, den Musl<strong>im</strong>en die Durchführung der Pflicht, die Allah ihnenauferlegt hat – nämlich die Aufstellung eines Kalifen –, in einerWeise zu ermöglichen, mit der sie diese Pflicht tatsächlich erfüllenkönnen. Keinesfalls geht es darum, dass alle Musl<strong>im</strong>e diese Pflichtvollziehen. <strong>Das</strong> Gebot, das Allah den Musl<strong>im</strong>en diesbezüglich auferlegthat, beschränkt sich auf die zwingende Anweisung, dass die Aufstellungdes Kalifen durch die Musl<strong>im</strong>e mit ihrem Einverständnis zuerfolgen hat und nicht, dass alle Musl<strong>im</strong>e den Kalifen aufstellen müssen.Daraus leiten sich zwei Möglichkeiten ab: Entweder wird dasEinverständnis aller Musl<strong>im</strong>e durch seine Aufstellung erzielt, oder eskonnte nicht das Einverständnis aller Musl<strong>im</strong>e erzielt werden. In beidenFällen aber wurde den Musl<strong>im</strong>en die volle Möglichkeit gewährt,am Aufstellungsablauf teilzunehmen.Was den ersten Fall betrifft, so ist eine best<strong>im</strong>mte Anzahl der Personen,die den Kalifen aufstellen, keine Voraussetzung. Wenn irgendeineZahl von Leuten dem Kalifen die Bai Ý a gibt und das Einverständnisder Musl<strong>im</strong>e bei dieser Bai Ý a durch ihr schweigsames Dulden bzw.durch ihren aktiven Gehorsam oder irgendeine andere Form ihrer Einverständnisbekundunggewährleistet ist, so ist der aufgestellte Kalifein rechtmäßiger Kalif für alle Musl<strong>im</strong>e, auch wenn ihn nur fünf Personenaufgestellt haben. Die Voraussetzung nämlich, dass eine Gruppedie Aufstellung vollziehen muss, ist auch in ihrem Fall erfüllt. <strong>Das</strong>Einverständnis der Musl<strong>im</strong>e ist durch ihr schweigsames Dulden, ihrenaktiven Gehorsam oder eine ähnliche Form der Einverständnisbekundunggewährleistet, unter der Voraussetzung, dass es aus freier Wahlund in vollkommener Ermöglichung ihrer Meinungsäußerung geschieht.Ist das Einverständnis aller Musl<strong>im</strong>e jedoch nicht gewährleistet,so ist die Aufstellung des Kalifen nicht vollzogen, solange nichteine Gruppe dies tut, mit der das Einverständnis der Masse der Musl<strong>im</strong>e,d. h. ihrer Mehrheit, gewährleistet ist. Die Anzahl dieser Gruppespielt in diesem Fall keine Rolle. Daraus ergibt sich die Aussage einigerGelehrter, dass die Aufstellung des Kalifen durch die Bai Ý a derMeinungs- und Entscheidungsträger (Ahl al-Íall wal-ÝAqd) unter denMusl<strong>im</strong>en erfolgt. Sie betrachten nämlich die Meinungs- und Entscheidungsträgerals jene Gruppe, durch deren Bai Ý a das Einverständnisder Musl<strong>im</strong>e gewährleistet ist. Sie leisten diese Bai Ý a einem Mann,der die Vollzugsbedingungen für das Kalifat erfüllt. Demgemäß er-67


folgt die Aufstellung des Kalifen nicht (zwangsweise) durch die Bai Ý ader Ahl al-Íall wal-ÝAqd. Des Weiteren ist ihre Bai Ý a keine Voraussetzungfür die rechtmäßige Aufstellung des Kalifen. Die Bai Ý a derAhl al-Íall wal-ÝAqd stellt vielmehr eines der Indizien dafür dar, dassdas Einverständnis der Musl<strong>im</strong>e mit dieser Bai Ý a gewährleistet ist. DieAhl al-Íall wal-ÝAqd wurden nämlich als Vertreter der Musl<strong>im</strong>e angesehen,und jedes Indiz, welches das Einverständnis der Musl<strong>im</strong>emit der Bai Ý a belegt und als Vollzugsform für das Kalifat herangezogenwird, macht die Aufstellung des Kalifen islamrechtlich gültig.Der diesbezügliche Rechtsspruch lautet also, dass die Aufstellung desKalifen durch eine Gruppe zu erfolgen hat, mit der das Einverständnisder Musl<strong>im</strong>e durch irgendein Gewährleistungsindiz erfüllt ist. Dieskann durch die Bai Ý a der Ahl al-Íall wal-ÝAqd bzw. durch die Bai Ý ader Vertreter der Mehrheit der Musl<strong>im</strong>e geschehen, durch dasSchweigen der Musl<strong>im</strong>e zu dieser Bai Ý a, durch ihren unverzüglichenGehorsam auf Grundlage der erfolgten Bai Ý a oder durch irgendein anderesMittel, solange ihnen die Möglichkeit zur Meinungsäußerung invollkommener Weise gegeben wurde. Es gehört nicht zum Rechtsspruchdazu, dass die Meinungs- und Entscheidungsträger die Bai Ý aleisten müssen oder eine Gruppe von fünf oder fünfhundert Personen.Es müssen auch nicht mehr oder weniger Leute sein. Ebenso müssenes nicht die Einwohner der Hauptstadt oder verschiedener Regionensein. Der islamische Rechtsspruch besagt vielmehr, dass mit der Bai Ý adas Einverständnis der Mehrheit der Musl<strong>im</strong>e durch irgendein Indizgewährleistet sein muss, bei gleichzeitig vollkommen gegebenerMöglichkeit zur Meinungsäußerung.Mit der Gesamtheit der Musl<strong>im</strong>e sind diejenigen Musl<strong>im</strong>e gemeint,die innerhalb des Herrschaftsbereiches des <strong>Islam</strong>ischen Staates leben,jene also, die Bürger unter dem früheren Kalifen waren – für den Fall,dass das Kalifat bereits existiert. Wenn das Kalifat vorher nicht existierte,sie es neu errichten und das islamische Leben dadurch wiederaufgenommen haben, dann beschränkt sich der Anspruch auf jeneMusl<strong>im</strong>e, mit denen der <strong>Islam</strong>ische Staat gegründet und durch welchedas Kalifat vollzogen wurde. Was die restlichen Musl<strong>im</strong>e betrifft, soist weder ihre Bai Ý a noch ihr Einverständnis Voraussetzung, denn entwederhaben sie sich von der islamischen Herrschaft losgelöst, oder68


sie leben in einer Stätte des Kufr 44 und sind nicht in der Lage, sich derStätte des <strong>Islam</strong> 45 anzuschließen. In beiden Fällen haben sie keinRecht auf die Vollzugs-Bai a, Ý jedoch die Pflicht zur Gehorsams-Bai a.ÝDiejenigen nämlich, die sich von der Herrschaft des <strong>Islam</strong> losgelösthaben, sind als Aufsässige einzustufen (und deswegen nicht zur Vollzugs-BaiÝ a berechtigt). Und mit jenen, die in einer Stätte des Kufr leben,wird die islamische Herrschaft nicht vollzogen (was für das Kalifatbekanntlich eine Voraussetzung ist), es sei denn, sie errichten sieoder treten in sie ein. Daraus ergibt sich, dass nur jene Musl<strong>im</strong>e dasRecht auf die Vollzugs-Bai Ý a haben und ihr Einverständnis für dierechtmäßige Aufstellung des Kalifen Voraussetzung ist, mit denen dieHerrschaft des <strong>Islam</strong> tatsächlich errichtet wird. An dieser Stelle darfnicht eingewendet werden, dass die vorstehende Untersuchung reinrational erfolgt sei und es dafür keinen Rechtsbeweis gebe. DieserEinwand ist deswegen unzulässig, weil es hier um die Untersuchungdes Rechtsgegenstandes (ManÁÔ al-Íukm) geht und nicht um denRechtsspruch selbst. Deshalb muss man keinen Rechtsbeweis heranziehen,sondern den Gegenstand, auf den der Rechtsspruch angewendetwird, darlegen. So ist beispielsweise das Essen von verendetemFleisch verboten. Dies ist der islamische Rechtsspruch. Die Darlegung,was nun das Verendete sei, ist der Gegenstand des Rechtsspruches,d. h. die Angelegenheit, die der Rechtsspruch behandelt. DieAufstellung eines Kalifen seitens der Musl<strong>im</strong>e stellt den islamischenRechtsspruch dar. <strong>Das</strong>s diese Aufstellung aus Einverständnis undfreier Wahl erfolgen muss, gehört ebenfalls zum Rechtsspruch. Dafürist es erforderlich, den Rechtsbeweis zu erbringen. Wer aber die Musl<strong>im</strong>esind, mit denen die Aufstellung erfolgt bzw. nach welchem KriteriumEinverständnis und freie Wahl gewährleistet sind, stellt denGegenstand des Rechtsspruches dar, d. h. die Angelegenheit, zu derenBehandlung der Rechtsspruch erfolgt ist. Nun muss gewährleistetsein, dass diese Angelegenheit dem Rechtsspruch wirklich entspricht,weil dadurch erst die Erfüllung des Rechtsspruches gesichert ist. Deswegenmuss die Angelegenheit, für die der Rechtsspruch erfolgt ist,untersucht werden, indem ihr Wesen genau dargelegt wird.44 Arab.: DÁr al-Kufr: Stätte des Unglaubens. Jedes Land, dessen Schutz nicht inHänden der Musl<strong>im</strong>e liegt oder in dem nicht nach den Gesetzen des <strong>Islam</strong> regiertwird.45 Arab.: DÁr al-IslÁm. Jedes Land, dessen Schutz in Händen der Musl<strong>im</strong>e liegt undwo die Gesetze des <strong>Islam</strong> vollzogen werden.69


Hier darf nicht eingewendet werden, dass der Gegenstand des Rechtspruchesseine Rechtsbegründung 46 sei und diese einen Rechtsbeweiserfordere. Dieser Einwand ist deswegen unzulässig, weil sich der Gegenstanddes Rechtsspruches (ManÁÔ al-Íukm) grundlegend von derRechtsbegründung (ÝIlla) unterscheidet. Vielmehr existiert ein großerUnterschied zwischen der Begründung und dem Gegenstand desRechtsspruches. Die Rechtsbegründung (ÝIlla) ist die juristische Ursachefür den Rechtsspruch, also das, was auf die Absicht des Gesetzgebersbei der Erlassung des Rechtsspruches hinweist. Der Rechtsgegenstandstellt hingegen die Angelegenheit dar, die der Rechtsspruchbehandelt, d. h. das Problem, auf das er angewendet wird. Er ist wedermit dem Rechtsbeweis noch mit der Rechtsbegründung gleichzusetzen.Der Fachterminus ManÁÔ (Verknüpfung, Anhängung) bedeutetin diesem Fall: der Gegenstand, an den der Rechtsspruch "geknüpft"bzw. "gebunden", zu dessen Behandlung er also erfolgt ist. Er bedeutetkeineswegs die Rechtsursache, d. h., warum dieser Rechtsprucherlassen wurde. Deswegen darf nicht behauptet werden, dasser die Rechtsbegründung sei. Der Rechtsgegenstand stellt den nichtüberlieferten Teil des Rechtsspruches dar. Seine Erfüllung unterscheidetsich grundlegend von der Erfüllung der Rechtsbegründung. DieErfüllung der Rechtsbegründung geht auf das Verständnis des Texteszurück, der eine Begründung beinhaltet. Dabei geht es um das Verständnisder Überlieferungen (NaqliyyÁt) und nicht um den Gegenstand(ManÁÔ), den der Rechtsspruch behandelt. Der Gegenstand (ManÁÔ)verkörpert alles andere, was nicht zu den NaqliyyÁt gehört. Er istdie Realität, auf die der Rechtsspruch angewendet wird.Die Bai Ý aDie Bai Ý a stellt eine Pflicht für die Gesamtheit der Musl<strong>im</strong>e dar. Sieist gleichzeitig ein Recht jedes Musl<strong>im</strong>s, ob Mann oder Frau. <strong>Das</strong>s sieeine Pflicht darstellt, geht aus einer Vielzahl von ÍadÐ×en hervor, diedies belegen. So sagt der Gesandte Allahs beispielsweise: @KKKA"[…] wer stirbt und <strong>im</strong> Nacken keine Bai Ý a trägt, der stirbt einen Todder ¹Áhiliyya." (Musl<strong>im</strong>) Und dass es ein Recht der Musl<strong>im</strong>e ist, wird46 Arab.: ÝIlla. Der juristische Grund, warum der Rechtsspruch erlassen wurde.70


durch die Bai Ý a selbst belegt, da sie seitens der Musl<strong>im</strong>e dem Kalifengeleistet wird und nicht umgekehrt. Zahlreiche ÍadÐ×e die bestätigen,dass Musl<strong>im</strong>e dem Gesandten die Bai Ý a geleistet haben. Bei al-BuÌÁrÐ wird von ÝUbāda ibn al-ÑÁmit berichtet, dass er sagte:א،אאאאאא אA@א،אא،אא"Wir leisteten dem Gesandten Allahs die Bai Ý a, auf dass wir hörenund gehorchen, in allem, was uns lieb und unlieb ist, dass wir die Befehlsgewaltdenjenigen, die sie innehaben, nicht streitig machen unddass wir die Wahrheit aufrecht halten bzw. sie aussprechen, wo <strong>im</strong>merwir auch sind, und in Allah nicht den Tadel eines Tadelndenfürchten." Bei al-BuÌÁrÐ wird auch von AyyÙb über ÍafÒa und UmmÝAÔiyya berichtet, dass sie sagte:אאא אA@אאאא،אW"Wir leisteten dem Propheten die Bai Ý a. Er schrieb uns vor, Allah nichts beizugesellen, und verbot uns die Wehklage. Da zog eineFrau von uns ihre Hand zurück und sprach: 'Eine hat mich aberglücklich getröstet, ich möchte sie dafür belohnen.' Der Prophetschwieg dazu. Die Frau ging und kam wieder zurück. […]" Von AbÙHuraira wird berichtet, dass er sagte: "Es sprach der Gesandte Allahs:WאאאA،،אא،א،،@،،אא"Drei Personen spricht Allah am Tag der Auferstehung nicht an, erreinigt sie nicht (von den Sünden), und schwere Strafe wird ihnen zuteil:ein Mann an einem Wasserrest am Wegesrand, der ihn dem Reisendenvorenthält, und ein Mann, der einem Imam nur seiner DunyÁ 47wegen die BaiÝa leistet – wenn er ihm gibt, was er will, dann hält erdie Bai Ý a ein, ansonsten erfüllt er sie nicht -, und ein Mann, der amspäten Nachmittag jemandem eine Ware verkauft, bei Allah schwört,47 Arabisch für Diesseits.71


sie bereits um so viel verkauft zu haben, der andere glaubt es ihm underwirbt sie dafür, obwohl es nicht st<strong>im</strong>mt." (Von al-Buhārī und Musl<strong>im</strong>überliefert)Al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> berichten auch von ÝAbdullÁh ibn ÝUmar, dassdieser sagte:@אאא אאאA"Wenn wir dem Gesandten Allahs die Bai Ý a leisteten, auf dass wirhören und gehorchen, sagte er uns <strong>im</strong>mer: Zu was du <strong>im</strong> Stande bist."Al-BuÌÁrÐ berichtet weiter von ¹arÐr ibn AbdillÁh, dass er sagte:@א،א،אא אA"Ich gab dem Propheten die Bai Ý a, auf dass ich höre und gehorche –er lehrte mich: Zu was du <strong>im</strong> Stande bist – und darauf, dass ich jedemMusl<strong>im</strong> aufrichtigen Rat gebe." Und ¹unÁda ibn AbÐ Umayya berichtet:"Wir traten zu ÝUbāda ibn al-ÑÁmit ein, als er krank war, undbaten ihn: 'Möge Allah dich läutern, erzähle uns einen ÍadÐ×, mit demAllah dir Nutzen bringt, den du vom Propheten gehört hast." <strong>Das</strong>prach er:אאאאW،אAאאאאW،אאא،،، @אא"Der Prophet rief uns zur Bai Ý a auf und wir gaben sie ihm. Zu dem,wozu er uns die Bai Ý a abnahm, zählte, dass wir hören und gehorchen,in allem, was uns lieb und unlieb ist, <strong>im</strong> Leichten wie <strong>im</strong> Schwierigen,auch auf die Bevorzugung (der Befehlshaber) uns selbst gegenüberhin, und dass wir die Befehlsgewalt jenen, die sie innehaben,nicht streitig machen. Er ergänzte: Es sei denn, ihr seht einen offenkundigenKufr, für den ihr von Allah einen klaren Beleg habt!" (Vonal-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> überliefert.)Die Bai Ý a für den Kalifen liegt demzufolge in den Händen der Musl<strong>im</strong>eund stellt ein Anrecht für sie dar. Sie sind es, die die Bai Ý a leisten,und durch ihre Bai Ý a wird das Kalifat für den Kalifen rechtlichvollzogen. Die Bai Ý a kann durch Handschlag oder schriftlich erfolgen.So berichtet ÝAbdullÁh ibn DÐnÁr: "Ich sah, wie Ibn ÝUmar, als sichdie Menschen auf ÝAbd al-Malik einigten, Folgendes schrieb: 'Ichbestätige dem Diener Allahs ÝAbd al-Malik, dem Führer der Gläubi-72


gen, zu hören und zu gehorchen, auf der Grundlage des Buches Allahsund der Sunna Seines Gesandten, so ich dazu <strong>im</strong> Stande bin.'" Esist auch zulässig, dass die Bai Ý a durch irgendein anderes Mittel erfolgt.Voraussetzung ist jedoch, dass die Bai Ý a von einem geschlechtsreifenMenschen geleistet wird, da sie von einem Kind nicht zulässig ist. Soberichtet AbÙ ÝAqÐl Zahra ibn MaÝbad von seinem Großvater ÝAbdullÁhibn HišÁm – er hatte den Propheten noch erlebt –, dass dessenMutter Zainab ibnat ËamÐd mit ihm zum Propheten ging und ihmsagte: "O Gesandter Allahs, n<strong>im</strong>m die Bai Ý a von ihm!" Der Prophetantwortete: @A"Er ist noch klein." Dann streichelte er ihm den Kopf und betete fürihn." (BuÌÁrÐ)Auch der Wortlaut der Bai Ý a ist nicht an gewisse Formulierungen gebunden.Er muss jedoch für den Kalifen das Regieren nach dem BucheAllahs und der Sunna Seines Gesandten beinhalten sowie das Gehorchen<strong>im</strong> Leichten und Schwierigen, <strong>im</strong> Lieb- und Unliebsamen fürdenjenigen, der die Bai Ý a gibt. Sobald der Bai Ý a-Leistende dem Kalifendie Bai Ý a gegeben hat oder das Kalifat für den Kalifen durch dieBai Ý aanderer Musl<strong>im</strong>e vollzogen wurde, ist die Bai Ý a zu einemTreuegelübde "<strong>im</strong> Nacken" jedes Bai Ý a-Leistenden geworden. Es istihm nicht erlaubt, sie zurückzuziehen. Für den Vollzug des Kalifatsstellt sie ein Anrecht für ihn dar, bis er sie leistet. Sobald er sie geleistethat, ist er daran gebunden. Wenn er sich aus der Bai Ý a zurückziehenmöchte, ist ihm das nicht gestattet. So berichtet al-BuÌÁrÐ von¹Ábir ibn AbdillÁh, dass ein Wüstenaraber dem Gesandten Allahs die Bai Ý a auf den <strong>Islam</strong> leistete. Dann wurde er krank. Er bat den Propheten:"Enthebe mich meiner Bai Ý a ", doch der Gesandte weigertesich. Er kam ein zweites Mal zu ihm und bat: "Enthebe mich meinerBai Ý a ", doch der Prophet weigerte sich auch diesmal. Daraufhin verließer die Stadt. Da sprach der Gesandte Allahs : @אA"Medina ist wie ein Tiegel; das Schlechte wird abgesondert und dasGute gereinigt." Und NÁfiÝ erzählt: " ÝAbdullÁh ibn ÝUmar sprach zumir: 'Ich hörte den Gesandten Allahs sagen:73


@אאאA"Wer seine Hand aus dem Gehorsam zieht, der trifft Allah am Tagder Auferstehung, ohne ein Argument für sich zu haben." (Musl<strong>im</strong>) DerBruch der Bai Ý a, die man dem Kalifen geleistet hat, stellt einenGehorsamsentzug gegenüber Allah dar. Dies gilt allerdings nur, wenndie Bai Ý a, die man leistet, eine Vollzugs- oder Gehorsams-Bai Ý a gegenübereiner Person ist, mit der die Musl<strong>im</strong>e einverstanden sind undder sie auch die Bai Ý a geleistet haben. Wenn man anfänglich einerPerson die Bai Ý a leistet, die BaiÝa für sie wird dann jedoch nicht vollzogen,weil die Musl<strong>im</strong>e diese Person in ihrer Mehrheit abgelehnt haben,so kann man sich von dieser BaiÝa lösen. <strong>Das</strong> Verbot <strong>im</strong> ÍadÐ×betrifft nämlich den Rückzug von der Bai Ý a eines Kalifen und nichtvon der Bai Ý a einer Person, der das Kalifat nicht übertragen wurde.<strong>Das</strong> Streben nach dem KalifatIm <strong>Islam</strong> ist es allen Musl<strong>im</strong>en erlaubt, nach dem Kalifat zu strebenund untereinander darum zu ringen. Es gehört auch nicht zu den unerwünschtenDingen (MakrÙh). So existiert keine einzige Textstelle,die das Ringen um das Kalifat verbieten würde. Außerdem ist belegt,dass die Musl<strong>im</strong>e in der SaqÐfatu BanÐ SÁÝida 48 um das Kalifat rangen,während der Leichnam des Propheten noch auf dem Bett lag undnicht begraben wurde. Des Weiteren ist belegt, dass die sechs Mitgliederder ŠÙrÁ, die zu den größten Gefährtenpersönlichkeiten zählten,mit vollem Wissen der gesamten Gefährtenschaft um das Kalifatrangen. Niemand hat dies angeprangert. Es wurde von allen Seitenakzeptiert. Somit besteht Konsens unter den Gefährten darüber, dasses erlaubt ist, um das Kalifat zu ringen, es anzustreben und zu fordernsowie der Meinung mit Gegenmeinung und dem Argument mit Gegenargumentzu begegnen, um das Kalifat zu erlangen. <strong>Das</strong> Verbot,die Führung anzustreben, wie es in einigen ÍadÐ×en erwähnt ist, betrifftschwache Persönlichkeiten, wie etwa AbÙ Åarr, die dafür nichtgeeignet sind. Denjenigen jedoch, die zur Führung geeignet sind, istes auch erlaubt, sie einzufordern, wie es durch das Ereignis der SaqÐfatuBanÐ SÁÝida und der sechs ŠÙrÁ-Mitglieder klar belegt ist. DieÍadÐ×e sind somit auf jene beschränkt, die zum Kalifat oder zur Füh-48 Versammlungsraum der AnÒÁr in Medina.74


erschaft ungeeignet sind. Diejenigen aber, die dazu geeignet sind,wurden vom Propheten nicht getadelt, als sie nach einer Regierungsfunktionverlangten. Er übertrug sogar Führungsaufgaben an jene, dieihn darum baten. Nachdem der Gesandte die Führerschaft (Imāra)auch jenen übertrug, die danach verlangten, gleichzeitig aber das Anstrebender Führerschaft in einigen ÍadÐ×en ablehnte, beschränkt sichdiese Ablehnung auf jene, die dazu ungeeignet sind. Sie wird allerdingsnicht als generelle Ablehnung verstanden.Die Methode zur Aufstellung des KalifenAls der Gesetzgeber den Musl<strong>im</strong>en die Aufstellung eines Kalifen zurPflicht erhob, legte er ihnen auch die Methode fest, nach der die Aufstellungzu erfolgen hat. Diese Methode ist durch das Buch (Koran),die Sunna und den Konsens der Gefährtenschaft festgelegt; es ist dieMethode der Bai Ý a. Die Aufstellung des Kalifen erfolgt somit durchdie Bai Ý a, die ihm von den Musl<strong>im</strong>en geleistet wird, auf der Grundlagedes Buches Allahs und der Sunna Seines Gesandten. <strong>Das</strong>s dieAufstellungsmethode durch die Bai Ý a erfolgt, ist durch die Bai Ý a derMusl<strong>im</strong>e dem Gesandten gegenüber belegt sowie durch den an unsergangenen Befehl des Propheten , dem Imam die Bai Ý a zu leisten.Was die Bai Ý a der Musl<strong>im</strong>e dem Propheten gegenüber anbelangt, sowar es keine Bai Ý a auf das Prophetentum, sondern eine auf die Herrschaft,denn sie betraf das Handeln und nicht den Glauben. Dem GesandtenAllahs wurde die Bai Ý a als Staatsoberhaupt geleistet undnicht als Prophet und Gesandter. Die Bezeugung des Prophetentumsund der Gesandtschaft ist nämlich eine Sache des Iman 49 und nichtder Bai Ý a. Somit bleibt nur mehr die Möglichkeit übrig, dass man ihmdie Bai Ý a als Staatsoberhaupt leistete. Die Bai Ý a ist auch <strong>im</strong> Koran undin den ÍadÐ×en erwähnt worden. So sagt Allah : אאא "O Prophet! Wenn gläubige Frauen zu dir kommen, um dir die Bai Ý azu leisten, dass sie Allah nichts beigesellen, nicht stehlen, keine Un-49 Glauben75


zucht begehen, ihre Kinder nicht töten, kein erlogenes Unrecht zu ihrenHänden und Beinen begehen und sich dir in nichts, was rechtensist, widersetzen, dann n<strong>im</strong>m ihre Bai Ý a entgegen." (Sure al-MumtaÎana 60,Àya 12). Auch sagt Er:אאא "Diejenigen, die dir die Bai Ý a leisten, leisten sie <strong>im</strong> Grunde Allah. AllahsHand liegt über ihren Händen." (Sure al-FatÎ 48, Àya 10) Al-BuÌÁrÐberichtet von IsmÁÝÐl über MÁlik über YaÎyÁ ibn SaÝÐd über ÝUbÁdaibn al-WalÐd über seinen Vater, dass ÝUbāda ibn al-ÑÁmit sagte:א،אאאאאא אA@א،אא،אא"Wir leisteten dem Gesandten Allahs die Bai Ý a, auf dass wir hörenund gehorchen, in allem, was uns lieb und unlieb ist, dass wir die Befehlsgewaltdenjenigen, die sie innehaben, nicht streitig machen unddass wir die Wahrheit aufrecht halten bzw. aussprechen, wo <strong>im</strong>merwir auch sind, und in Allah nicht den Tadel eines Tadelnden fürchten."Al-BuÌÁrÐ berichtet über ÝAlÐ ibn AbdillÁh über ÝAbdullÁh ibnYazÐd über SaÝÐd, dem Sohn AbÙ AyyÙbs, von AbÙ ÝAqÐl Zahra ibnMaÝbad von seinem Großvater ÝAbdullÁh ibn HišÁm, der den Propheten noch erlebt hatte, dass seine Mutter mit ihm zum Prophetenging und ihn bat: "O Gesandter Allahs, n<strong>im</strong>m die Bai Ý a von ihm entgegen",doch der Prophet sagte: @A"Er ist noch klein." Dann streichelte er ihm den Kopf und betete fürihn." Al-BuÌÁrÐ berichtet auch über ÝAbdÁn über AbÙ Íamza über al-AÝmaš über AbÙ ÑÁliÎ von AbÙ Huraira, dass er sagte: "Es sprach derGesandte Allahs:WאאאA،،אא،א،،@،،אא"Drei Personen spricht Allah am Tag der Auferstehung nicht an, erreinigt sie nicht (von den Sünden), und schwere Strafe wird ihnen zu-76


teil: ein Mann an einem Wasserrest am Wegesrand, der ihn dem Reisendenvorenthält, und ein Mann, der einem Imam nur seiner DunyÁwegen die Bai Ý a leistet – wenn er ihm gibt, was er will, dann hält erdie Bai Ý a ein, ansonsten erfüllt er sie nicht –, und ein Mann, der amspäten Nachmittag jemandem eine Ware verkauft, bei Allah schwört,sie bereits um so viel verkauft zu haben, der andere glaubt es ihm underwirbt sie dafür, obwohl es nicht st<strong>im</strong>mt." Diese drei ÍadÐ×e weisenklar darauf hin, dass die Methode zur Aufstellung des Kalifen dieBai Ý a ist. Im ÍadÐ× von ÝUbāda hat dieser dem Gesandten die Bai Ý a aufdas Hören und Gehorchen gegeben, was bekanntlich zum Regierengehört. Im ÍadÐ× von ÝAbdullÁh ibn HišÁm hat der Prophet die Bai Ý aeines Kindes abgelehnt, weil es nicht geschlechtsreif war. Und derÍadÐ× von AbÙ Huraira sagt offenkundig, dass dem Imam die Bai Ý ageleistet wird. <strong>Das</strong> Wort Imam <strong>im</strong> ÍadÐ× ist unbest<strong>im</strong>mt erfolgt, wasbedeutet, dass es für irgendeinen Imam gilt. Darüber hinaus gibt esweitere ÍadÐ×e, die die Bai Ý a für den Imam ausdrücklich belegen. BeiMusl<strong>im</strong> wird von ÝAbdullÁh ibn ÝAmr ibn al-ÝÀÒ berichtet, dass derGesandte Allahs sprach:،אKKKA@אא"[…] und wer einem Imam die Bai Ý a leistet, ihm seinen Handschlagund die Frucht seines Herzens gibt, dann soll er ihm gehorchen, so erdazu <strong>im</strong> Stande ist. Wenn ein anderer kommt und ihm die Herrschaftstreitig macht, so schlagt dem anderen den Kopf ab!" Auch berichtetMusl<strong>im</strong> von AbÙ SaÝÐd al-ËudarÐ, dass der Gesandte Allahs sprach: @אאאA"Wenn zwei Kalifen die Bai Ý a geleistet wird, so tötet den Zweiten vonihnen." Musl<strong>im</strong> berichtet auch von AbÙ ËÁz<strong>im</strong>, dass dieser sagte:"Ich saß fünf Jahre bei AbÙ Huraira und hörte ihn vom Propheten Folgendes berichten:،،،אאA،،אאW؟א،@אא"<strong>Das</strong> Volk Israel ist stets von Propheten betreut worden; wenn einProphet starb, folgte ihm ein anderer nach. Nach mir wird es jedochkeinen Propheten mehr geben. Es werden aber Kalifen kommen und77


deren Zahl wird groß sein' Sie fragten: 'Was befiehlst du uns?' Er antwortete:'Erfüllt die Bai Ý a des jeweils Ersteren und gebt ihnen ihrRecht, denn Allah wird sie über das zur Rechenschaft ziehen, was erin ihre Obhut gelegt hat!" Die Texte aus Koran und Sunna sind somitklar in der Feststellung, dass die Methode zur Aufstellung des Kalifendie Bai Ý a ist. Auch die Gesamtheit der Gefährten hat dies verstandenund umgesetzt. So nahm AbÙ Bakr vorerst eine spezifische Bai Ý a inder SaqÐfa 50 entgegen und anschließend eine allgemeine Bai Ý a in derMoschee. Danach leisteten ihm auch jene die Bai Ý a, auf deren Eidman besonderen Wert legte und die ihm die Bai Ý a in der Moscheenoch nicht gegeben hatten, wie z. B. ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib. Auch ÝUmarerhielt die Bai Ý a von den Musl<strong>im</strong>en, ebenso ÝU×mÁn und ÝAlÐ. Demzufolgestellt die Bai Ý a die einzige Methode dar, um einen Kalifen fürdie Musl<strong>im</strong>e aufzustellen.Die praktischen V<strong>org</strong>ehensweisen be<strong>im</strong> Vollzug der Bai Ý a gehen klaraus den Abläufen bei der Aufstellung der vier rechtgeleiteten Kalifenhervor, die <strong>im</strong> Anschluss an den Tod des Gottesgesandten folgten.Dies sind AbÙ Bakr, ÝUmar, ÝU×mÁn und ÝAlÐ, möge Allah mit ihnenallen zufrieden sein. Die Gesamtheit der Gefährten schwieg dazu undakzeptierte es, obwohl es abzulehnen wäre, wenn es dem islamischenRecht widerspräche, da es mit der wichtigsten Sache verbunden ist,von der das staatliche Gebilde der Musl<strong>im</strong>e und der Fortbestand des<strong>Islam</strong> abhängen. Wenn man die V<strong>org</strong>änge bei der Aufstellung dieserKalifen untersucht, so sehen wir, dass <strong>im</strong> ersten Fall einige Musl<strong>im</strong>ein der SaqÐfatu BanÐ SÁÝida zusammenkamen und über das Kalifatdiskutierten. Die Kandidaten waren ausschließlich SaÝd, AbÙ ÝUbaida,ÝUmar und AbÙ Bakr und sonst niemand. Als Ergebnis der Diskussionwurde AbÙ Bakr die Bai Ý a geleistet. Am zweiten Tag wurden dieMusl<strong>im</strong>e in die Moschee gerufen und leisteten ihm die Bai Ý a. DieBai Ý a in der SaqÐfa war somit die Vollzugs- Bai Ý a, mit der AbÙ BakrKalif der Musl<strong>im</strong>e wurde. Die zweite Bai Ý a am nächsten Tage in derMoschee war eine Gehorsams-Bai Ý a. Als AbÙ Bakr fühlte, dass er vonseiner Krankheit nicht mehr genesen wird, rief er die Musl<strong>im</strong>e zusammen,um sich mit ihnen über den folgenden Kalifen der Musl<strong>im</strong>ezu beraten. Die Meinungen während dieser Beratungen drehten sichnur um ÝAlÐ und ÝUmar und um niemanden sonst. AbÙ Bakr verbrachtedrei Monate mit diesen Beratungen. Als er sie abgeschlossen50 Ein Versammlungsort der AnÒÁr in Medina.78


hatte und die Meinung der meisten Musl<strong>im</strong>e nun kannte, verkündeteer ihnen, dass ÝUmar nach ihm Kalif werden solle. Unmittelbar nachseinem Tod kamen die Musl<strong>im</strong>e in die Moschee und leisteten ÝUmardie Bai Ý a. Erst durch diese Bai Ý a wurde er Kalif der Musl<strong>im</strong>e und nichtdurch die vorher stattgefundenen Beratungen, auch nicht durch dieVerkündung AbÙ Bakrs. Als ÝUmar erdolcht wurde, verlangten dieMusl<strong>im</strong>e von ihm, dass er einen Nachfolger best<strong>im</strong>men solle, was erjedoch ablehnte. Als sie ihn bedrängten, best<strong>im</strong>mte er sechs Kandidatenfür seine Nachfolge. Nach seinem Tod machten die Kandidateneinen von ihnen zu ihrem Vertreter. Es war ÝAbdurraÎmÁn ibn ÝAuf.Er begann sich mit den Musl<strong>im</strong>en zu beraten und verkündete danachdie Bai Ý a für ÝU×mÁn. Die Musl<strong>im</strong>e erhoben sich und leisteten ÝU×mÁndie Bai Ý a. Auch er wurde erst mit dieser Bai Ý a Kalif der Musl<strong>im</strong>e -nicht durch die Aufstellung ÝUmars und auch nicht durch die VerkündungÝAbdurraÎmÁns. Nachdem ÝU×mÁn ermordet wurde, leistete dieüberwältigende Mehrheit der Musl<strong>im</strong>e Medinas und Kufas ÝAlÐ ibnAbÐ ÓÁlib die Bai Ý a. Damit wurde er Kalif der Musl<strong>im</strong>e.Aus all dem geht hervor, dass die einzige Methode, die der <strong>Islam</strong> zumVollzug des Kalifats festgelegt hat, die Bai Ý a ist, die von den Musl<strong>im</strong>enaus Einverständnis und freier Wahl geleistet wird.Was die praktischen Maßnahmen betrifft, nach denen die Aufstellungdes Kalifen erfolgen soll, um ihm anschließend die Bai Ý a zu leisten, sokönnen sie verschiedene Formen annehmen, wie es bei den rechtgeleitetenKalifen der Fall war. Man hat sich dabei an keine best<strong>im</strong>mteForm gehalten, sondern jeder von ihnen ist in einer anderen Weiseaufgestellt worden. Dies geschah mit vollem Wissen und Einverständnisder ehrbaren Gefährtenschaft, was ihren IºmÁÝ darüber belegt,dass es nicht verpflichtend ist, sich bei den Aufstellungsmaßnahmenan eine best<strong>im</strong>mte Form bzw. einen spezifischen Ablauf zuhalten. Demzufolge können die Aufstellungsabläufe in verschiedenerArt vonstatten gehen. Dazu seien folgende Beispiele angeführt:1. Eine repräsentative Mehrheit der Hauptstadtbevölkerung <strong>im</strong> Kalifatbzw. die dort befindlichen Ahl al-Íall wal-ÝAqd oder jene, die dieMehrheit der Musl<strong>im</strong>e repräsentieren bzw. ihre erlauchte Elite, die alsKandidaten für das Kalifat in Frage kommen, versammeln sich nachdem Tode des früheren Kalifen, seinem Rücktritt oder seiner Absetzungund stellen einen oder eine eingeschränkte Auswahl an Kanndi-79


daten für das Kalifenamt auf. Anschließend wählen sie einen von ihnenauf irgendeine Art und Weise aus und leisten ihm die Vollzugs-Bai Ý a für den vollen Gehorsam auf der Grundlage des Buches Allahsund der Sunna Seines Gesandten. Nachdem die Vollzugs-Bai Ý a für ihnerfolgt ist, setzt er bzw. sein Vertreter sich hin, um die Gehorsams-Bai Ý a von den Musl<strong>im</strong>en entgegenzunehmen. Auf diese Weise lief esbei der Bai Ý a AbÙ Bakrs nach dem Tode des Propheten ab: Die An-ÒÁr 51 hatten sich nämlich in der SaqÐfatu BanÐ SÁÝida versammelt, umihrem Anführer, SaÝd ibn ÝUbāda die Bai Ý a zu geben. AbÙ Bakr, ÝUmarund AbÙ ÝUbaida eilten zu ihnen, bevor sie SaÝd die Bai Ý a leistenkonnten. Es kam zu erbitterten Diskussionen, die bis zur Schwelle derBesch<strong>im</strong>pfung reichten. Nach längerem Hin und Her überwog dieSeite AbÙ Bakrs, und alle, die in der SaqÐfa versammelt waren, mitAusnahme von SaÝd ibn ÝUbāda, leisteten AbÙ Bakr die Bai Ý a. Mitdieser Bai Ý a wurde das Kalifat für AbÙ Bakr vertraglich vollzogen.Nun zu den Einzelheiten der Ereignisse in der SaqÐfa: In der Sira vonIbn HišÁm heißt es nach einem Bericht von Ibn IsÎÁq: "Was das Ereignisder SaqÐfa betrifft, so versammelten sich dort die AnÒÁr. ÝAbdullÁhibn AbÐ Bakr erzählte mir auf dem Weg des ÝAbdullÁh ibn ÝAbbÁs,dass dieser sagte: ÝUmar erzählte: >>Als Allah Seinen Propheten zu sich rief, widersprachen uns die AnÒÁr und versammeltensich mit ihren Stammesfürsten in der SaqÐfatu BanÐ SÁÝida. ÝAlÐ ibnAbÐ ÓÁlib, al-Zubair ibn al-ÝAwwÁm und die ihrigen blieben uns fern.Die MuhÁºirÙn versammelten sich bei AbÙ Bakr und ich sagte ihm:Lass uns zu unseren dortigen Brüdern, den AnÒÁr, gehen. Und so zogenwir los, den anderen voran. […] Wir fanden die AnÒÁr in der SaqÐfatuBanÐ SÁÝida versammelt. Unter ihnen war ein Mann in Deckeneingewickelt. Ich fragte: Wer ist das? Sie antworteten: SaÝd ibn ÝUbāda!Ich fragte: Was ist los mit ihm?, und sie antworteten mir: Er istkrank. Als wir uns setzten, erhob sich ihr Redner, sprach das Glaubensbekenntnisaus, pries Allah in gebührender Weise und sagte: Nundenn, wir sind die AnÒÁr Allahs, die Legion des <strong>Islam</strong>, und ihr, o MuhÁºirÙn,seid eine Sippe von uns. Eine Gruppe eures Stammes kam zuuns. Sie wollten uns also von unserem Ursprung abtrennen und unsdie Befehlsgewalt entreißen. Als er schwieg, wollte ich mich zumSprechen erheben. Ich hatte eine Rede vorbereitet, die mir gefiel und51 arab.: Unterstützer; die Einwohner Medinas, die dem Propheten und denmusl<strong>im</strong>ischen Auswanderern aus Mekka Schutz und Unterstützung gewährten80


die ich AbÙ Bakr in die Hände legen wollte. Ich fürchtete nämlichmanchmal seine Härte. Doch AbÙ Bakr sagte zu mir: Gedulde dichÝUmar! Ich wollte ihn nicht erzürnen und schwieg. Er erhob sich, umzu sprechen. AbÙ Bakr war wissender und würdevoller als ich. BeiAllah, es gab kein Wort, das mir in meiner eigenen Rede gefiel und eres ausgelassen hätte. Er sprach es in seiner Natürlichkeit aus, fandgleiche Worte oder bessere, bis er zu Ende kam. Er sagte: Was ihr anGutem euch zugesprochen habt, so seid ihr dessen würdig. Die Araberjedoch werden die Befehlsgewalt nur von dieser Gruppe der Quraišanerkennen, da sie in Ort und Abstammung aus ihrer Mitte kommen.Ich heiße euch diese beiden Männer gut, gebt wem ihr wollt vonihnen die Bai Ý a. Er nahm meine Hand und die von AbÙ ÝUbaida ibnal-¹arrÁÎ, während er zwischen uns saß. <strong>Das</strong> war das Einzige, wasmir an seiner Rede missfiel. Bei Allah, mir wäre lieber, ich würdezum Kopfabschlagen v<strong>org</strong>eführt, um der Sünde zu entfliehen, als dassich ein Volk anführe, in dem sich AbÙ Bakr befindet. Da sprach einerder AnÒÁr: Des Zwiespalts Lösung liegt bei mir! Ein Anführer vonuns und einer von euch, ihr Volk der Quraiš! Zwischenrufe folgtenund lautes Gerede, so dass ich die Spaltung fürchtete. Da sagte ich:Reich mir deine Hand AbÙ Bakr! Er reichte sie mir und ich gab ihmdie Bai Ý a. Dann leisteten ihm die MuhÁºirÙn 52 ,gefolgt von den AnÒÁr,die BaiÝa. Wir beugten uns zu SaÝd ibn ÝUbÁda herab, und einer vonihnen sprach: Ihr habt SaÝd getötet! Ich antwortete: Nein, Allah hatihn getötet.


em Propheten und den Einsatz um unser Selbst willen an. Es ziemtsich wahrlich nicht, uns damit über die Menschen zu erheben. VomDiesseits streben wir nichts an, denn Allah ist darin unser Wohltäter.Fürwahr, MuÎammad ist von den Quraiš, und sein Stamm hat dasVorrecht und mehr Anspruch auf ihn. Niemals soll Allah mich dabeisehen, wie ich ihnen diese Sache streitig mache. So fürchtet Allah,wendet euch nicht gegen sie und macht ihnen die Herrschaft nichtstreitig.Diese Worte BašÐrs wirkten beruhigend, und die Ëazraº gaben sichdamit zufrieden.Daraufhin nahm AbÙ Bakr ÝUmars und AbÙ ÝUbaidas Hand – er saßzwischen ihnen – und sprach zu den AnÒÁr: <strong>Das</strong> hier ist ÝUmar unddas AbÙ ÝUbaida, gebt die Bai Ý a, wem ihr wollt von ihnen. Er rief siezur Einheit auf und mahnte sie vor der Zwietracht.ÝUmar aber – als er den Aufruhr sah und die Spaltung fürchtete – riefmit lauter St<strong>im</strong>me: Reich mir deine Hand AbÙ Bakr! AbÙ Bakr reichteihm die Hand, ÝUmar gab ihm die BaiÝa und sagte: Hat der Prophetnicht befohlen, dass du den Musl<strong>im</strong>en vorbetest? Du bist der Kalif,der Nachfolger des Gesandten Allahs. Wir leisten dir die BaiÝa, umdamit jenem die BaiÝa zu geben, den der Prophet von uns allen amliebsten hatte! Daraufhin reichte AbÙ ÝUbaida seine Hand, leisteteAbÙ Bakr die BaiÝa und sprach: Du bist der Beste der MuhÁºirÙn und'der Zweite von zweien, als sie in der Höhle waren' 53 . Du bist derNachfolger des Propheten <strong>im</strong> Gebet. Von allen Musl<strong>im</strong>en ist deinGlaube der beste. Wem gebührt es dann, dir v<strong>org</strong>ezogen zu werden,und wer sonst hätte Anrecht, die Befehlsgewalt zu übernehmen?Nun beeilte sich BašÐr ibn SaÝd und leistete AbÙ Bakr die Bai Ý a. Usaidibn ÍuÃair, der Anführer der Aus, drehte sich zu seinem Stamm um,der das V<strong>org</strong>ehen BašÐrs beobachtet hatte, und sprach: Bei Allah,wenn die Ëazraº einmal die Befehlsgewalt über euch haben, werdensie stets einen Vorzug euch gegenüber vorweisen. Niemals werdensie euch dabei einen Anteil geben. Erhebt euch und gebt AbÙ Bakrdie Bai Ý a! Die Aus erhoben sich und leisteten AbÙ Bakr die Bai Ý a. Da-53 Aussage aus dem Koran.82


aufhin erhoben sich auch die anderen Leute und beeilten sich, AbÙBakr die Bai Ý a zu geben, so dass es <strong>im</strong> Raum eng wurde.Auf diese Weise wurde die Bai Ý a in der SaqÐfa vollzogen, währendder Leichnam des Propheten auf dem Bett lag und noch nicht begrabenwurde. Nach erfolgter Bai Ý a löste sich die Versammlung auf. Amnächsten Tag setzte sich AbÙ Bakr in die Moschee. ÝUmar erhob sich,entschuldigte sich dafür, dass er am Tag zuvor den Tod des Propheten abgestritten hatte, und sagte: Allah hat Sein Buch, mit dem ErSeinen Gesandten rechtleitete, unter euch belassen. Wenn ihr daranfesthaltet, so wird Er euch damit rechtleiten, wie Er ihn damit rechtleitete.Allah hat eure Befehlsgewalt unter dem Besten von euch vereint:dem Gefährten des Gesandten Allahs, dem Zweiten von zweien,als sie in der Höhle waren. So erhebt euch und gebt ihm die Bai Ý a. Alleerhoben sich und leisteten AbÙ Bakr die BaiÝa, die damit vollzogenwar. Nun erhob sich AbÙ Bakr und hielt eine Ansprache. Es war seineerste seit Übernahme des Kalifats. Er sagte: Ihr Menschen, ich habedie Befehlsgewalt über euch erhalten und bin doch nicht der Bestevon euch. Wenn ich das Rechte tue, so unterstützt mich dabei. Undwenn ich das Unrecht tue, so weist mich zurecht. Aufrichtigkeit ist eineTreuhand und Lüge ein Verrat. Der Schwache unter euch ist starkbei mir, bis ich ihm – so Gott will – sein Recht beschere, und derStarke unter euch ist schwach bei mir, bis ich – so Gott will – dasRecht von ihm einhole. Jedes Volk, das vom ¹ihÁd auf dem WegeAllahs ablässt, beschlägt Er mit Erniedrigung. Und wenn sich Frevelhaftigkeitunter einem Volk verbreitet, dann wird Allah es in SeinerGesamtheit mit Härte prüfen. Gehorcht mir, so ich Allah und SeinemGesandten gehorche. Wenn ich Allah und Seinem Gesandten gegenüberungehorsam bin, so habe ich keinen Anspruch auf euren Gehorsammehr. Erhebt euch zu eurem Gebet, möge Allah sich eurererbarmen!<strong>Das</strong> ist die Zusammenfassung dessen, was sich bei der Wahl AbÙBakrs zum Kalifen und der anschließenden Bai Ý a ereignet hat. DerMeinungsdisput unter den AnÒÁr und den MuhÁºirÙn entsprach einerKandidatenaufstellung von beiden Seiten. Nach der Rede von AbÙÝUbaida und BašÐr ibn SaÝd stand die Meinungsmehrheit auf der Seiteder MuhÁºirÙn und anschließend auf der Seite AbÙ Bakrs. Auf dieseWeise erhielt er die Bai Ý a von allen, die in der SaqÐfa versammelt waren,mit Ausnahme von SaÝd ibn ÝUbāda. Diese Bai Ý a war die Voll-83


zugs-Bai Ý a, während jene in der Moschee am Tag darauf eine Gehorsams-BaiÝ a darstellte.Bei dieser V<strong>org</strong>ehensweise während der Aufstellung AbÙ Bakrs siehtman, dass die Mehrheit der Einwohner Medinas – wo das Zentrumdes Staates war – zusammenkam, diskutierte und es zu einem bösenWortwechsel kam. Einige Kandidaten wurden für das Kalifat v<strong>org</strong>eschlagen.Sie waren auf SaÝd, AbÙ Bakr, ÝUmar und AbÙ ÝUbaida beschränkt.Die Meinungsmehrheit war letztendlich auf der Seite AbÙBakrs, so dass er von den Versammelten die Bai Ý a erhielt.2. Der Kalif kann - sobald er sein Ende nahen fühlt - auf seine eigeneInitiative hin oder durch den Wunsch der Menschen mit den Musl<strong>im</strong>en,ihren maßgebenden Meinungs- und Entscheidungsträgern oderihren Führern und führenden Persönlichkeiten darüber beraten, wernach ihm Kalif werden soll. Daraufhin kann er die (von den Musl<strong>im</strong>en)ausgewählte Person zum Nachfolger erklären. Nach seinem Todegeben die Musl<strong>im</strong>e dieser Person die Bai Ý a, womit sie das Kalifatrechtmäßig übern<strong>im</strong>mt. Erst mit dieser Bai Ý a wird die Person Kalif derMusl<strong>im</strong>e und nicht mit der Erklärung des früheren Kalifen.So geschah es mit AbÙ Bakr, als er ÝUmar zum Nachfolger best<strong>im</strong>mte.Nachdem die Krankheit sich seiner bemächtigt hatte, kam AbÙBakr zur Einsicht, dass er bald sterben würde. Er versammelte dieMenschen und sprach zu ihnen: Ihr seht, was mit mir geschehen ist.Und ich glaube, dass dies mein Ende sein wird. Allah hat eurenSchwur von meiner Bai Ý a gelöst, euren Eid mir gegenüber aufgehobenund euch die Befehlsgewalt zurückgegeben. Wählt also jenen zu euremHerrscher, der euch lieb ist. Wenn ihr ihn zu meiner Lebzeit aufstellt,so ist es besser, damit ihr nach mir nicht uneins werdet.Die Menschen konnten sich aber nicht einig werden, wer AbÙ Bakrnachfolgen sollte. Sie kehrten zu ihm zurück und sagten: Deine Meinung,o Kalif 54 des Gesandten, soll die unsrige sein! Er fragte sie:Vielleicht werdet ihr darüber uneins sein? Sie antworteten: Nein!.Doch AbÙ Bakr vergewisserte sich noch einmal: Gebt ihr mir bei Allahdas Versprechen, dass ihr zufrieden sein werdet? Sie sagten: Ja!,54 Kalif bedeutet <strong>im</strong> Arabischen eigentlich Nachfolger, also Nachfolger desGesandten Allahs.84


und AbÙ Bakr antwortete ihnen: Gebt mir etwas Zeit, um mir die Sache<strong>im</strong> Sinne Allahs, Seines Glaubens und Seiner Diener zu überlegen.Dies stellte eine klare Vollmachtsübertragung seitens der Musl<strong>im</strong>e anAbÙ Bakr dar, um für sie – und in ihrem Namen – einen Kalifen auszuwählen.Es scheint, als ob AbÙ Bakr spürte, was in den Köpfen dergroßen Gefährtenpersönlichkeiten vor sich ging: dass jeder von ihnendas Kalifat gerne übernehmen würde. Wohl deshalb nahm er ihnendieses Versprechen ab.Trotz der klaren Bevollmächtigung, beriet sich AbÙ Bakr mit den großenGefährtenpersönlichkeiten. So beriet er sich mit ÝAbdurraÎmÁnibn ÝAuf, ÝU×mÁn ibn ÝAffÁn, SaÝÐd ibn Zaid und Usaid ibn ÍuÃair.Die Beratungen fanden insgehe<strong>im</strong> statt. Ihm schwebten ÝUmar undÝAlÐ als Nachfolger vor. Nachdem er sich für ÝUmar entschlossen hatte,zog er die Menschen öffentlich zu Rate. Er trat den Menschen ander Türschwelle seines Hauses entgegen – seine Frau AsmÁÞ bint ÝUmaisstützte ihn – und sprach: Seid ihr mit demjenigen einverstanden,den ich für euch zum Nachfolger best<strong>im</strong>me? Bei Allah, ich habewahrlich keine Mühe gespart und keinen Anverwandten ausgewählt.Sie antworteten mit Ja. Da sagte er: Ich habe ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁbzum Nachfolger best<strong>im</strong>mt, so hört auf ihn und gehorcht ihm! DieLeute antworteten: Wir werden hören und gehorchen! Daraufhin hobAbÙ Bakr seine Hände zum H<strong>im</strong>mel und rief: O Allah, ich strebte damitnur ihre Rechtschaffenheit an und fürchtete ihre Zwietracht. Ichtat, worüber du besser Bescheid weißt, und bemühte mich, die besteMeinung zu finden. Ich habe dem Besten von ihnen die Herrschaftübertragen, der am stärksten ist und am meisten auf ihre Rechtleitungbedacht. Die Menschen hörten sein Bittgebet, und ihre Zufriedenheitmit seiner Entscheidung nahm weiter zu. Nach dem Tode AbÙ Bakrsging ÝUmar in die Moschee und ausnahmslos alle leisteten ihm dieBai Ý a. Keiner fehlte, nicht einmal ÓalÎa. ÝUmar blieb vom M<strong>org</strong>en anbis zum Mittag in der Moschee, die randvoll mit Menschen war, umihm die Bai Ý a zu leisten. Zum Mittagsgebet – die Moschee war mitMenschen überfüllt – stieg ÝUmar auf den Minbar 55 , jedoch blieb ereine Stufe unter jener, auf der AbÙ Bakr zu stehen pflegte. Er priesund dankte Allah, segnete den Propheten und erwähnte AbÙ Bakr mit55 Predigerkanzel in der Moschee.85


seinen Vorzügen. Dann sagte er: Ihr Menschen! Ich bin nur einer voneuch. Allein weil es mir verhasst ist, den Befehl des Kalifen des GesandtenAllahs zurückzuweisen, übernehme ich eure Befehlsgewalt.Dann blickte er gegen den H<strong>im</strong>mel und sprach: O Allah, ich bin grob,so mach mich milde. O Allah, ich bin schwach, so mach mich stark.O Allah, ich bin geizig, so mach mich großzügig. Er hielt kurz inne,dann sagte er: Allah hat euch durch mich geprüft und mich durcheuch. Er ließ mich nach meinen zwei Freunden unter euch weilen.Bei Allah, so möge nichts von euren Angelegenheiten zu mir gelangenund es jemand außer mir übernehmen. Und nichts soll sich mirentziehen, was ich nicht nach Kräften in treue Hände lege. Wenn sie(denen ich die Treuhand übergebe) rechtens sind, werde ich rechtenszu ihnen sein. Tun sie jedoch Unrecht, so werde ich sie mit Härte bestrafen!Dann trat er hinab und betete als Vorbeter das Mittagsgebet.Somit war diese Bai Ý a, die ÝUmar von den Musl<strong>im</strong>en in der Moscheeentgegennahm, die Vollzugs-Bai Ý a, mit der das Kalifat auf ihn übertragenwurde. Durch sie wurde der Gehorsam ihm gegenüber zurPflicht.Seine Best<strong>im</strong>mung zum Nachfolger durch AbÙ Bakr war nicht mehrals ein Vorschlag und eine Eingrenzung der Kandidatur auf seine Person.<strong>Das</strong> Kalifat war damit aber noch nicht für ihn vollzogen. Auchhatte er noch keinen Anspruch auf den Gehorsam, denn er war keinKalif, solange seine Bai Ý a in der Moschee nicht vollendet war.Verfolgt man die V<strong>org</strong>ehensweise, mit der ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb Kalifgeworden ist, so zeigt sich, dass sie sich in ihrer Form von der V<strong>org</strong>ehensweisebei der Aufstellung AbÙ Bakrs unterscheidet.3. Im Sterben liegend, stellt der Kalif – auf seine eigene Initiative hinoder durch den Wunsch der Musl<strong>im</strong>e – mehreren des Kalifats würdigenPersonen die Aufgabe, nach seinem Tode aus ihrem Kreis einenNachfolger zu wählen, indem sie sich untereinander beraten. Dazulegt er ihnen einen Zeitrahmen fest, der drei Tage nicht überschreitendarf. Nachdem einer von ihnen ausgewählt wurde – in einem untereinanderausgemachten Auswahlverfahren – wird den Musl<strong>im</strong>en seinName bekannt gegeben, und sie leisten ihm daraufhin die Bai Ý a. Erstmit dieser Bai Ý a wird der Kandidat Kalif der Musl<strong>im</strong>e und nicht durchdas vorangegangene Auswahlverfahren.86


So geschah es <strong>im</strong> Falle von ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb, als er niedergestochenwurde und seinen Verletzungen schließlich erlag. Die Musl<strong>im</strong>eeilten zu ihm hin und verlangten von ihm, einen Nachfolger zu best<strong>im</strong>men.Er sagte: Wen soll ich denn zum Nachfolger best<strong>im</strong>men?Wenn AbÙ ÝUbaida ibn al-¹arrÁÎ noch am Leben wäre, dann hätteich ihn zum Nachfolger best<strong>im</strong>mt. Sollte mich mein Herr danach fragen,würde ich antworten: "Ich hörte Deinen Propheten sagen: 'Er istder Treuhänder dieser Umma.'" Wäre SÁl<strong>im</strong>, der Bundgenosse AbÙHuÆaifas, noch am Leben, dann hätte ich ihn zum Nachfolger best<strong>im</strong>mt.Wenn mein Herr mich danach fragt, würde ich antworten:"Ich hörte Deinen Propheten sagen: 'SÁl<strong>im</strong> liebt Allah in sehr starkerWeise.'" Daraufhin schlug ihm einer der Musl<strong>im</strong>e vor: Best<strong>im</strong>me dienenSohn ÝAbdullÁh zu deinem Nachfolger! Da fuhr ihn ÝUmar an:Bekämpfe dich Allah! Bei meinem Herrn, du hast Allah damit wahrlichnicht angestrebt. Wehe dir! Wie kann ich einen Mann zum Nachfolgerbest<strong>im</strong>men, der es nicht vermocht hat, sich von seiner Frau zuscheiden? Wir haben kein Bedürfnis nach eurer Herrschaft. Ich habesie nicht angestrebt, um sie einem aus meinem Hause zu wünschen.Wenn sie gut für uns war, so haben wir unseren Anteil davon erhalten.Wenn sie aber schlecht für uns war, so reicht es für die SippschaftÝUmars, dass einer von ihnen zur Rechenschaft gezogen wirdund für MuÎammads Umma Rede und Antwort stehen muss. Wahrlich,ich habe mich bemüht und meine Familie ausgeschlossen. Wennich schuldfrei davonkomme, ohne Lohn und ohne Strafe, so bin ichwahrhaft glücklich! Die Musl<strong>im</strong>e entfernten sich nun, und ÝUmarwollte sich die Sache überlegen. Sie kehrten jedoch erneut zu ihm zurückund baten ihn, <strong>im</strong> Interesse der Musl<strong>im</strong>e einen Nachfolger zu best<strong>im</strong>men.Er antwortete: Haltet an der Gruppe von Männern fest, mitdenen der Gesandte Allahs, als er starb, zufrieden war und die er zuden Einwohnern des Paradieses zählte. Es sind: ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib,ÝU×mÁn ibn ÝAffÁn, SaÝd ibn AbÐ WaqqÁÒ, ÝAbdurraÎmÁn ibn ÝAuf, Al-Zubair ibn al-ÝAwwÁm und ÓalÎa ibn Ubaidillah. Abdullāh ibn ÝUmarsoll mit ihnen sein, allerdings nur als Ratgeber, ohne dass er Anspruchauf die Herrschaft hat. ÝUmar wies sie an, einen Kalifen (ausihren Reihen) zu wählen. Er legte ihnen eine Frist von drei Tagen festund sagte ihnen nach einem längeren Gespräch: Wenn ich gestorbenbin, dann beratet euch drei Tage lang. Möge Ñuhaib so lange mit denMenschen beten. Der vierte Tag darf aber nicht anbrechen, ohne dassein Befehlshaber über euch feststeht. Danach ernannte ÝUmar AbÙÓalÎa al-AnÒarÐ zum Versammlungswächter und sagte ihm, nachdem87


er sie alle zum Einsatz mahnte: AbÙ ÓalÎa, Allah hat dem <strong>Islam</strong>durch euch Schutz und Größe verliehen. So wähle fünfzig Männervon den AnÒÁr und sporne die Kandidatengruppe an, bis sie einen untersich auswählt. Von al-MiqdÁd ibn al-Aswad verlangte ÝUmar, denVersammlungsort zu best<strong>im</strong>men, und sagte ihm: Wenn ihr mich insGrab gelegt habt, so versammle diese Gruppe in einem Haus, bis sieunter sich einen Mann ausgewählt haben. Danach wies er Ñuhaib an,die Versammlung zu beobachten. Er sagte ihm: Bete mit den Leutendrei Tage lang. Lass ÝAlÐ, ÝU×mÁn, Al-Zubair, SaÝd, ÝAbdurraÎmÁn ibnÝAuf und ÓalÎa – wenn er kommt – eintreten. Bring auch ÝAbdullÁhibn ÝUmar mit, ohne dass ihm ein Anspruch auf die Herrschaft zukommt.Stehe 'ihren Häuptern' vor: Wenn sich fünf von ihnen einigsind, einen Mann ausgewählt haben und einer sich dagegenstellt, sospalte ihm den Kopf mit dem Schwert. Sind sich vier von ihnen einig,mit einem Mann zufrieden und stellen sich zwei dagegen, so schlageihnen beiden den Kopf ab. Wenn sich drei von ihnen über einenMann einig sind und drei von ihnen über einen anderen, so lasst ÝAbdullÁhibn ÝUmar richten. Für welche der zwei Gruppen er sich auchentscheidet, so soll diese einen auswählen. Sollten sie mit der Entscheidungvon ÝAbdullÁh ibn ÝUmar nicht einverstanden sein, so stellteuch auf die Seite jener Gruppe, in der sich ÝAbdurraÎmÁn ibn ÝAufbefindet, und tötet die Restlichen, wenn sie sich gegen das wenden,auf was sich die Menschen geeinigt haben. Danach verlangte ÝUmarvon ihnen, die Frage des Kalifats bis zu seinem Tode nicht mehr zuthematisieren.Nach ÝUmars Ableben und seinem Begräbnis versammelten sich alljene, die er genannt hatte. Nur ÓalÎa fehlte, da er abwesend war. Eswird berichtet, dass ihre Versammlung <strong>im</strong> Hause ÝAÞišas stattfand.Auch ÝAbdullÁh ibn ÝUmar war dabei. Sie wiesen AbÙ ÓalÎa an, sieabzuschirmen. Als sie sich gesetzt hatten, sagte Abdurrhaman ibnÝAuf: Wer von euch schließt sich selbst aus und übern<strong>im</strong>mt die Auswahl,auf dass er es dem Besten von euch überträgt? <strong>Das</strong> heißt, wervon euch verzichtet auf sein Recht auf das Kalifat, unter der Bedingung,dass sie ihn allesamt als Schiedsrichter akzeptieren und er denKalifen nach seinem Ermessen best<strong>im</strong>mt. Nach diesen Worten ÝAbdurraÎmÁnsschwiegen alle. Keiner von ihnen antwortete ihm. Daraufhinsagte ÝAbdurraÎmÁn: Ich schließe mich davon aus! Nun meldetesich ÝU×mÁn zu Wort und sprach: Ich bin als Erster damit einverstanden,denn ich hörte den Gesandten Allahs sagen:88


@אאA"Ein Treuhänder auf Erden und ein Treuhänder <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel!" Auchal-Zubair und SaÝd erklärten sich einverstanden. ÝAlÐ schwieg. ÝAbdurraÎmÁnwandte sich zu ihm und fragte: Was sagst du, o AbÙ al-Íasan?,und ÝAlÐ antwortete ihm: Versprich mir, dass du die Wahrheitallem vorziehst, nicht der Leidenschaft folgst, keinen Anverwandtenbegünstigst und keine Mühe <strong>im</strong> Interesse der Umma scheust! Daraufhinsagte ÝAbdurraÎmÁn: Gebt mir euer Versprechen darüber, dass ihrmit mir gegen jeden seid, der ersetzen und verändern möchte, unddass ihr mit meiner Wahl zufrieden seid. Dafür verspreche ich vor Allah,keinen Anverwandten zu begünstigen und keine Mühe <strong>im</strong> Interesseder Musl<strong>im</strong>e zu scheuen! Er nahm ihnen ihr Versprechen abund leistete ihnen gegenüber das seinige. Nun begann er, sich mit jedemEinzelnen von ihnen separat zu beraten, indem er ihm folgendeFrage stellte: Wenn du für die Herrschaft nicht mehr in Frage kämst,wer hätte deiner Meinung nach von dieser Gruppe den größten Anspruchdarauf? ÝAlÐ antwortete: ÝU×mÁn!, und ÝU×mÁn antwortete: ÝAlÐ!SaÝd und al-Zubair schlugen ebenfalls ÝU×mÁn vor. Danach fragteÝAbdurraÎmÁn jene Persönlichkeiten in Medina, auf deren Meinungman Wert legte, und anschließend die übrigen Musl<strong>im</strong>e – Männer wieFrauen. Jeden Mann und jede Frau fragte er nach seinem bzw. ihremFavoriten aus dem Kandidatenkreis. Eine Gruppe von ihnen schlugÝU×mÁn vor, die andere ÝAlÐ. Er fand die Meinung der Menschen zwischenÝU×mÁn und ÝAlÐ verteilt, wobei die Quraišiten jedenfalls aufder Seite ÝU×mÁns standen.Nachdem ÝAbdurraÎmÁn seine Umfragen abgeschlossen, die Leutebesucht und sich auch separat mit ihnen beraten hatte, nachdem ernun die Meinung der Menschen – Frauen wie Männer – kannte, riefer die Musl<strong>im</strong>e in die Moschee. Er stieg mit umgegürtetem Schwertdie Kanzel hinauf, trug den Turban, den ihm der Prophet aufgesetzthatte, und stand eine lange Zeit schweigend da. Dann sprach er: IhrMenschen, ich habe euch <strong>im</strong> Gehe<strong>im</strong>en und <strong>im</strong> Öffentlichen nach euremImam gefragt und befunden, dass ihr von diesen beiden Männernnicht abweicht: entweder ÝAlÐ oder ÝU×mÁn. Nun wandte er sich ÝAlÐzu und sagte: ÝAlÐ, komm zu mir! ÝAlÐ erhob sich und stand unter derKanzel. ÝAbdurraÎmÁn nahm seine Hand und sprach: N<strong>im</strong>mst du vonmir die Bai Ý a an auf der Grundlage des Buches Allahs, der Sunna SeinesGesandten und den Handlungen von AbÙ Bakr und ÝUmar? Doch89


ÝAlÐ antwortete ihm: Bei Allah, nein, sondern auf der Grundlage meinesBemühens und meines Wissens darüber! <strong>Das</strong> heißt, ich nehmevon dir die Bai Ý a entgegen auf der Grundlage des Buches Allahs, derSunna Seines Gesandten, und zwar nach meinem eigenen Bemühenund meinem Wissen darüber. Die Handlungen von AbÙ Bakr undÝUmar sind für mich aber nicht bindend, vielmehr wende ich nachKräften mein eigenes Verständnis an. Daraufhin rief ÝAbdurraÎmÁn:ÝU×mÁn, komm zu mir! Er nahm seine Hand, als er sich an der gleichenStelle befand, an der vorhin ÝAlÐ gestanden hatte. N<strong>im</strong>mst duvon mir die Bai Ý a an auf der Grundlage des Buches Allahs, der SunnaSeines Gesandten und den Handlungen von AbÙ Bakr und ÝUmar?Und ÝU×mÁn antwortete: Bei Allah, ich nehme es an! ÝAbdurraÎmÁnhob daraufhin seinen Kopf in Richtung Moscheedecke, hielt mit seinerHand die Hand ÝU×mÁns und sprach: O Allah, so höre und sei unserZeuge. O Allah, hiermit lege ich das, was in meiner Verantwortungliegt, in die Hände ÝU×mÁns. Nun drängten sich die Menschen,um ÝU×mÁn die Bai Ý a zu leisten, bis sie ihn vollständig verdeckten.Auch ÝAlÐ bahnte sich einen Weg zwischen die Leute und leistete ÝU×mÁndie Bai Ý a. Auf diese Weise wurde ÝU×mÁns Bai Ý a vollzogen.Verfolgt man den Ablauf, nach welchem die Aufstellung ÝU×mÁnszum Kalifen der Musl<strong>im</strong>e erfolgte, so zeigt sich, dass er sich in seinerForm von den früheren Abläufen bei der Aufstellung AbÙ Bakrs undÝUmars unterscheidet.4. Die Mehrheit der Musl<strong>im</strong>e, ihre maßgebenden Meinungs- und Entscheidungsträger(Ahl al-Íall wal-ÝAqd) oder eine Gruppe der Mächtigenunter ihnen wendet sich nach dem Tode des Kalifen an eine Person,die des Kalifats würdig wäre, und bittet sie, das Kalifat zu übernehmen.Die Person entspricht ihrem Wunsch, nachdem sie sich derZust<strong>im</strong>mung der meisten Musl<strong>im</strong>e sicher ist. Anschließend n<strong>im</strong>mt sieöffentlich die Bai Ý a der Musl<strong>im</strong>e entgegen. Mit dieser öffentlichenBai Ý a ist das Kalifat für diese Person vertraglich vollzogen worden,und der Gehorsam ihr gegenüber ist nunmehr eine Pflicht.Die Aufforderung zur Übernahme des Kalifats entspricht lediglich einerKandidatenaufstellung und einer Einschränkung der Kandidaturauf diese Person. Mit dieser Aufforderung ist das Kalifat aber nichtvollzogen worden, sondern erst mit der Bai Ý a, die durch die Menschengegeben wird.90


So geschah es <strong>im</strong> Falle von ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib. Nachdem der KalifÝU×mÁn von den Revoltierenden ermordet wurde, blieb Medina fünfTage lang ohne Kalif. Ihr Statthalter in dieser Zeit war al-ÇÁfiqÐ ibnÍarb, einer der revoltierenden Rädelsführer. Die Revoltenführersuchten ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib auf, um ihm das Kalifat zu übertragen. Eraber wich ihnen aus und wollte ihrem Wunsch nicht entsprechen. Nunkamen die Gefährten des Propheten zu ihm und sagten: DieserMann [sie meinten ÝU×mÁn] ist ermordet worden und die Menschenbrauchen definitiv einen Imam. Heute finden wir niemanden, dermehr Anrecht darauf hätte als du. Niemand stünde dir <strong>im</strong> Glauben voroder wäre dem Gesandten Allahs näher gewesen. Er antwortete:Tut es nicht! Es wäre besser, wenn ich Assistent bin anstatt Herrscher.Sie erwiderten aber: Bei Allah, das werden wir nicht tun, wirwollen dir die Bai Ý a geben!" Da meinte ÝAlÐ: Dann aber in der Moschee,denn meine Bai Ý a darf nicht insgehe<strong>im</strong> erfolgen und muss mitdem Einverständnis und der Zufriedenheit der Musl<strong>im</strong>e geschehen.Ibn ÝAbbÁs erwähnt dazu: Es war mir nicht recht, dass er in die Moscheeging. Ich fürchtete nämlich, es könnte zu einem Aufruhr gegenihn kommen. Er aber bestand darauf. Als er eintrat, folgten ihm dieMuhÁºirÙn und die AnÒÁr und gaben ihm die Bai Ý a. Danach leistetenihm auch die restlichen Menschen und die Mehrheit der Musl<strong>im</strong>e dieBai Ý a, obwohl die BanÙ Umayya und einige ÑaÎÁba 56 dem fernblieben.Mit dieser öffentlichen Bai Ý a ÝAlÐs in der Moschee, die von der überwältigendenMehrheit der ÑaÎÁba und der Musl<strong>im</strong>e geleistet wurde,ist das Kalifat für ihn vollzogen worden. Von nun an war der Gehorsamihm gegenüber seitens der Musl<strong>im</strong>e eine Pflicht.Verfolgt man den Ablauf, mit dem die Aufstellung von ÝAlÐ ibn AbÐÓÁlib zum Kalifen der Musl<strong>im</strong>e erfolgte, so zeigt sich, dass er sich inseiner Form von den drei Abläufen bei der Aufstellung der Kalifenvor ihm unterscheidet.5. Wenn der Kalifatsstaat existiert und eine Ratsversammlung (Maºlisal-Umma) vorhanden ist, die <strong>im</strong> Namen der Umma Beratungendurchführt und die Herrscher zur Rechenschaft zieht, so können dieMusl<strong>im</strong>e unter den Ratsmitgliedern die Kandidaten für das Kalifat56 Gefährten des Propheten.91


unter jenen Personen eingrenzen, die dafür geeignet sind und die dieVollzugsbedingungen für das Kalifat erfüllen.Nach der Eingrenzung der Kandidaten durch die Ratsmitglieder werdenihre Namen den Musl<strong>im</strong>en bekannt gegeben. Anschließend wirdein Wahltermin festgelegt, an dem einer der Kandidaten gewähltwird. Dieser hat dann Anspruch auf das Kalifat. Die Wahl kann entwederdurch die Umma erfolgen oder durch die Musl<strong>im</strong>e unter denMitgliedern der Ratsversammlung, je nach Verfassungsbest<strong>im</strong>mungdes Kalifatsstaates. Wer die meisten St<strong>im</strong>men erhält - entweder vonder Umma, wenn die Wahl durch die Umma erfolgt, oder von denRatsmitgliedern, wenn die Wahl durch die Ratsversammlung erfolgt-,dessen Name wird der Umma als Wahlsieger bekannt gegeben. Danachn<strong>im</strong>mt er von den musl<strong>im</strong>ischen Ratsmitgliedern die Vollzugs-Bai Ý a entgegen und anschließend eine allgemeine Gehorsams-Bai Ý avon den Musl<strong>im</strong>en.Diese fünf Ablaufformen, nach denen die Aufstellung eines Kalifenfür die Musl<strong>im</strong>e erfolgen kann, sind erst dann relevant, wenn ein Kalifatsstaatfür die Musl<strong>im</strong>e bereits existiert, der <strong>Islam</strong> alleine zur Anwendungkommt und ein Kalif gerade verstorben ist.Wenn die Musl<strong>im</strong>e jedoch weder einen Kalifatsstaat noch einen Kalifenhaben und die Systeme und Gesetze des Unglaubens auf sie angewendetwerden - wie es heute seit der Vernichtung des Kalifats1924 der Fall ist -, so sieht die Sache anders aus. In diesem Fall könnendie Musl<strong>im</strong>e, eine Gruppe von ihnen oder solche, die über Machtund Einfluss verfügen, in einem oder mehreren Ländern der islamischenWelt die Macht an sich reißen und den Herrscher, der nach denSystemen und Gesetzen des Unglaubens regiert, beseitigen, um dasislamische Leben wieder aufzunehmen und die Regentschaft nachden Gesetzen Allahs wieder einzuführen. Jenen, die nun die Macht inHänden halten, ist es erlaubt, eine Person unter den Musl<strong>im</strong>en, die fürdie Übernahme der Herrschaftsgewalt geeignet ist und die Vollzugsbedingungenfür das Kalifat erfüllt, als Kandidaten aufzustellen. Anschließendkönnen die Meinungs- und Entscheidungsträger in diesemLand oder ihre Mehrheit versammelt werden. Man fordert sie auf,dem Kandidaten für das Kalifat die Bai Ý a zu geben, worauf sie ihmaus Einverständnis und freier Wahl und auf der Grundlage des BuchesAllahs und der Sunna Seines Gesandten die Bai Ý a leisten. Mit92


dieser Bai Ý a ist das Kalifat für ihn vollzogen worden. Danach könnendie Musl<strong>im</strong>e in diesem Land dem Kalifen eine allgemeine Gehorsams-BaiÝ a leisten, und zwar aus freiem Einverständnis heraus. Ist dieGehorsams-Bai Ý a erfolgt, beginnt der Kalif unverzüglich mit der vollständigenImplementierung und Anwendung des <strong>Islam</strong>.Auf diese Weise kann der Kalifatsstaat ins Leben zurückgerufen werden;die Gesetze und Systeme des <strong>Islam</strong> kommen wieder zur Anwendungund das betreffende Land wird zu einer Stätte des <strong>Islam</strong> (DÁr al-IslÁm).Die Thron- oder Nachfolgebest<strong>im</strong>mung<strong>Das</strong> Kalifat wird nicht durch eine Thron- bzw. Nachfolgebest<strong>im</strong>mungvollzogen, da es sich um einen Vertrag zwischen den Musl<strong>im</strong>en unddem Kalifen handelt. Zu den Vollzugsbedingungen dieses Vertrageszählt, dass die Bai Ý a durch die Musl<strong>im</strong>e zu erfolgen hat und die Person,die die Bai Ý a erhält, diese annehmen muss. Bei einer Thron- oderNachfolgebest<strong>im</strong>mung geschieht das nicht. Deswegen wird das Kalifatdamit nicht vollzogen. Wenn ein Kalif einen anderen zu seinemNachfolger best<strong>im</strong>mt, so kommt kein Kalifatsvertrag zustande, weilder Kalif gar nicht das Recht zu diesem Vertragsabschluss hat unddas Kalifat ein Anrecht der Musl<strong>im</strong>e darstellt und nicht des Kalifen.Die Musl<strong>im</strong>e schließen ihn mit der Person ab, die sie wollen. Demzufolgeist es unzulässig, wenn ein Kalif einen anderen zu seinem Nachfolgerernennt und das Kalifat auf ihn übertragen möchte, weil er damitetwas übergibt, was ihm gar nicht gehört, und die Übergabe einerSache, die man nicht besitzt, ist islamrechtlich verboten. Sollte alsoein Kalif einen anderen zu seinem Nachfolger best<strong>im</strong>men, sei es seinSohn, sein Verwandter oder sonst jemand, so ist dies unzulässig undder Kalifatsvertrag dadurch in keiner Weise vollzogen, da der Vertragnicht von jenen geschlossen wurde, die dazu befugt sind. Es handeltsich hierbei um einen nicht autorisierten Vertragsabschluss (ÝAqd Fu-ÃÙlÐ), der unzulässig ist.Was nun von manchen berichtet wird, dass AbÙ Bakr ÝUmar zumNachfolger und ÝUmar die sechs Gefährten zu seinen Nachfolgern best<strong>im</strong>mthat, während die anderen Gefährten dazu schwiegen, es nichtanprangerten und somit ihr Konsens erfolgt ist, so stellt dies keinen93


Beweis für die Rechtmäßigkeit der Nachfolgebest<strong>im</strong>mung dar. AbÙBakr hat nämlich (von sich aus) keinen Kalifen zum Nachfolger best<strong>im</strong>mt.Vielmehr zog er die Musl<strong>im</strong>e zu Rate, wer nach ihm ihr Kalifwerden sollte. Er schlug ihnen ÝAlÐ und ÝUmar vor. In den letzten dreiLebensmonaten AbÙ Bakrs wählten die Musl<strong>im</strong>e in ihrer MehrheitÝUmar aus. Nach dem Tode AbÙ Bakrs kamen die Menschen und leistetenÝUmar die Bai Ý a. Erst durch diese Bai Ý a wurde das Kalifat fürÝUmar vertraglich vollzogen. Vor der Bai Ý a war er jedoch kein Kalif,auch vertragsmäßig nicht. Weder durch den Vorschlag AbÙ Bakrsnoch durch die Wahl der Musl<strong>im</strong>e wurde das Kalifat für ÝUmar vollzogen.Es wurde erst dann für ihn vollzogen, nachdem die Musl<strong>im</strong>eihm die Bai Ý a leisteten und er das Kalifat annahm. Auch ÝUmars Best<strong>im</strong>mungder sechs Nachfolger war nichts weiter als ein Vorschlagseinerseits, nachdem die Musl<strong>im</strong>e mit dieser Bitte an ihn herangetretenwaren. Danach beriet sich ÝAbdurraÎmÁn ibn ÝAuf mit den Musl<strong>im</strong>en,die in ihrer Mehrheit ÝAlÐ als Kalifen haben wollten, unter derBedingung, dass er sich an die V<strong>org</strong>aben von AbÙ Bakr und ÝUmarhalte. Sollte er dazu nicht bereit sein, dann sollte ÝU×mÁn Kalif werden.Als ÝAlÐ es ablehnte, sich an die V<strong>org</strong>aben AbÙ Bakrs und ÝUmarszu halten, gab ÝAbdurraÎmÁn ÝU×mÁn die Bai Ý a. Danach taten esauch die Musl<strong>im</strong>e. Demzufolge wurde das Kalifat für ÝU×mÁn erstdurch die Bai Ý a der Musl<strong>im</strong>e vollzogen - nicht durch den VorschlagÝUmars und auch nicht durch die Wahl der Menschen. Auch wenn ereinverstanden gewesen wäre, die Menschen ihm aber die Bai Ý a nichtgeleistet hätten, wäre für ihn das Kalifat nicht vollzogen worden. Darausergibt sich, dass die Bai Ý a der Musl<strong>im</strong>e für den Kalifen unabdingbarist. Sie kann durch keine Nachfolge- bzw. Thronfolgebest<strong>im</strong>mungerfolgen, weil sie einen Herrschaftsübernahmevertrag darstellt, fürden alle Best<strong>im</strong>mungen der Rechtsverträge gelten.Die Thronfolge<strong>Das</strong> Thronfolgesystem stellt <strong>im</strong> islamischen <strong>Regierungssystem</strong> einUnrecht dar; es widerspricht ihm in diametraler Weise. Die Machtliegt eigentlich in Händen der Umma und nicht in Händen des Kalifen.Wenn der Kalif die Umma in der Machtausübung nur vertritt, dieMacht <strong>im</strong> Grunde aber bei der Umma verblieben ist, mit welchemRecht kann er sie dann einem anderen übertragen? Was AbÙ Bakr mitÝUmar tat, war keine Thronfolgebest<strong>im</strong>mung, vielmehr entsprach es94


einer Wahl durch die Umma zu Lebzeiten des Kalifen. Nach seinemTode wurde ihm dann die Bai Ý a geleistet.Trotz alledem sicherte sich AbÙ Bakr diesbezüglich noch einmal abund knüpfte in seiner Ansprache den Vollzug seines Vorschlages andas Einverständnis der Menschen. So sagte er ihnen, nachdem er sichfür die Nachfolge ÝUmars entschieden hatte: Seid ihr mit demjenigeneinverstanden, den ich für euch zum Nachfolger best<strong>im</strong>me? Bei Allah,ich habe wahrlich keine Mühe gespart und keinen Anverwandtenausgewählt. Auf dieser Grundlage fügte auch ÝUmar seinen Sohn ÝAbdullÁhzu den sechs Kandidaten hinzu, denen er das Recht zur Auswahleines Kalifen zusprach, jedoch unter der Bedingung, dass erkein Recht auf die Herrschaft, sondern lediglich auf Meinungsäußerungbesitze. Damit schloss er bereits den Schein einer Thronfolgeaus – dies <strong>im</strong> Unterschied zu dem, was MuÝÁwiya unternahm, als erseinem Sohn YazÐd die Herrschaft übertrug. Seine ganze V<strong>org</strong>ehensweisewidersprach dem System des <strong>Islam</strong>. Was ihn zu dieser Untatveranlasste, war Folgendes:1. Er begriff die Staatsführung als Königtum und nicht als Kalifat.<strong>Das</strong> sieht man bereits deutlich in seiner Ansprache, die er nach demFriedenschluss vor den Einwohnern Kufas hielt, als er sagte: Ihr EinwohnerKufas! Glaubt ihr, dass ich euch wegen des Gebets, der ZakÁtoder der Pilgerfahrt bekämpft habe? Ich weiß doch, dass ihr betet, dieZakÁt entrichtet und zur Pilgerfahrt geht. Ich habe euch nur bekämpft,um über euch und euren Köpfen zu herrschen. Allah hat mir dies gegeben,obwohl es euch verhasst ist. Jedes Blut, das in dieser Fitna 57vergossen wurde, und jedes Vermögen, das verletzt wurde, ist verloren.Und jede Bedingung, die ich eingeräumt habe, liegt unter meinenFüßen.Dies berichtet Ibn AbÐ Šaiba in seinem Werk nach einer Überlieferungvon SaÝÐd ibn Suwaid, der Folgendes erzählt: " MuÝÁwiya betetemit uns das Freitagsgebet in al-NaÌÐla und hielt danach eine Ansprache[…]." In gleicher Weise berichtet es al-BuÌÁrÐ in Al-TÁrÐÌ al-KabÐr.57 Arabisch für Prüfung; Bezeichnung für jede Form der Zwietracht unter denMusl<strong>im</strong>en.95


Jawohl, man muss nur die Worte MuÝÁwiyas betrachten, um zu erkennen,dass er offen von sich erklärt, dem <strong>Islam</strong> zu widersprechen. Erverkündet fre<strong>im</strong>ütig, dass er die Menschen nur deswegen bekämpfthat, um über ihren Köpfen zu herrschen. Dem nicht genug, geht er zueinem noch größeren und schl<strong>im</strong>meren Unrecht über, indem er bekanntgibt, dass jede Bedingung, die er eingeräumt hat, unter seinenFüßen liegt, dies, obwohl Allah, der Erhabene, befiehlt:אא"Und erfüllt die Verpflichtung, (denn) nach der Verpflichtung wird(dereinst) gefragt!" (Sure al-IsrÁÞ 17, Àya 34). Betrachtet man also seineeigenen Worte, so sieht man, dass er offen verkündet, sich nicht anden <strong>Islam</strong> zu halten. Die Wahlmethode YazÐds weist sogar darauf hin,dass er dem <strong>Islam</strong> absichtlich widersprochen hat, um das "Königtum",wie er es verstand, an seinen Sohn zu vererben. So holte er dieMeinung aller Menschen ein, doch niemand war mit seinem Vorhabeneinverstanden. Dann versuchte er es mit Geld, war aber nur beijenen erfolgreich, die keinen Rückhalt in der Gesellschaft und keinGewicht unter den Musl<strong>im</strong>en hatten. Schließlich bediente er sich dernackten Gewalt. Historiker wie Ibn Ka×Ðr, Ibn al-A×Ðr und andere berichten,dass MuÝÁwiya, nachdem seine Gouverneure vergeblich versuchthatten, die Bai Ý a für YazÐd <strong>im</strong> ÍiºÁz einzuholen, mit Geld undSoldaten selbst hinreiste. Er rief die hohen musl<strong>im</strong>ischen Persönlichkeitenzusammen und sprach zu ihnen: "Ihr wisst, wie gütig ich zueuch war und wie sehr ich eure Verwandtschaftsbunde hochhielt. YazÐdist euer Bruder und Vetter. Ich möchte, dass ihr ihm das Kalifatformell übertragt. Ihr seid es aber, die ernennen, absetzen und dieHerrscher best<strong>im</strong>men werden. Ihr werdet auch das Geld eintreibenund es aufteilen können. ÝAbdullÁh ibn al-Zubair entgegnete ihm jedoch,dass er – MuÝÁwiya – vor drei Möglichkeiten stehe: Entwedertut er es so, wie der Prophet es tat, indem er niemanden zum Nachfolgerbest<strong>im</strong>mt, oder er folgt dem Beispiel AbÙ Bakrs bzw. ÝUmars.MuÝÁwiya erzürnte sich und fragte nun die restlichen Leute, die ihmdie gleiche Antwort gaben wie Ibn al-Zubair. Daraufhin sprach er:Wer warnt, der ist wahrlich entschuldigt! Ich erhebe mich nun zu einemWort und schwöre bei Allah, wenn irgendjemand von euch mirin einem einzigen Wort widerspricht, so wird das Schwert seinenKopf treffen, ehe er irgendeine Antwort zu vernehmen vermag. Mögesich jeder von euch nichts als sein Leben erhalten! Daraufhin befahler seinem Wachkommandanten, am Haupt jeder angesehenen Per-96


sönlichkeit des ÍiºÁz und jedes Oppositionellen zwei Wachen zupostieren. Er befahl ihnen, jeden Mann, der ihm mit irgendeinem bejahendenoder verneinenden Wort antworte, den Kopf abzuschlagen.Auf diese Weise führte MuÝÁwiya seinen Plan durch, seinem SohnYazÐd die Herrschaft zu übertragen.Die Grundlage, auf die sich MuÝÁwiya stützte, um die Herrschaft seinemSohn YazÐd zu übertragen, widerspricht dem <strong>Islam</strong>. ÝUmar, AllahsWohlgefallen auf ihm, sagte: Wer einem Mann wegen einerVerwandtschaft oder Freundschaft zwischen einander eine Herrschaftüberträgt, obwohl er unter den Musl<strong>im</strong>en bessere findet, so hat erAllah, seinen Gesandten und die Gläubigen verraten!2. MuÝÁwiya verdrehte die islamischen Texte in der Frage der Herrschaftsübertragungauf seinen Sohn. Er versuchte sie umzuinterpretieren.Der <strong>Islam</strong> hat der Umma das Recht gegeben, den Kalifen auszuwählen.Auch der Gesandte Allahs hat es auf diese Weise gehalten,als er es den Musl<strong>im</strong>en überließ, jene Person auszuwählen, dieihnen für die Führung ihrer Angelegenheiten am meisten geeignet erschien.MuÝÁwiya hingegen wendete die Bai Ý a in falscher Weise an,als er die Herrschaft nach ihm seinem Sohn übertrug, wie es die Byzantinerund Sassaniden 58 zu tun pflegten. So bediente er sich derList, bereits zu Lebzeiten für seinen Sohn die Bai Ý a einzuholen.3. Die Methode, mit der MuÝÁwiya in politischen Angelegenheitenden IºtihÁd vollzog, beruht auf dem Nutzen. Deswegen passte er dieislamischen Rechtssprüche dem Problem an, ohne es zu lösen. Er interpretiertedie Rechtssprüche um, damit sie mit dem bestehendenProblem zu vereinbaren waren. Er hätte aber die islamische IºtihÁd-Methode anwenden müssen, indem er das Buch Allahs und die SunnaSeines Gesandten zur Grundlage macht und nicht den materiellenNutzen. Er hätte die islamischen Rechtssprüche heranziehen müssen,um die Probleme seiner Zeit damit zu behandeln, und nicht die Problemeseiner Zeit heranziehen, um damit die islamischen Rechtssprüchezu behandeln, indem er sie verdreht, verändert und ihnen zuwiderhandelt!58 Bezeichnung der persischen Herrscher.97


Es bleibt zu erwähnen, dass die Übertragung des Kalifats an den Sohndiesen keineswegs automatisch zum Kalifen nach seinem Vatermachte. Vielmehr wurde er mit einer neuen Bai Ý a aufgestellt, die manvon den Menschen einholte, als Vollzugs- und Gehorsams- Bai Ý a. Allerdingswurde der Rechtsspruch der Bai Ý a manchmal missbräuchlichangewendet: Anstatt sie aus Einverständnis und freier Wahl entgegenzunehmen,wurde sie unter Zwang eingeholt. Auf alle Fälle wardie Bai Ý a während der ganzen Epochen des <strong>Islam</strong>ischen Staates dieeinzige Methode zur Aufstellung eines Kalifen. Allein durch die Bai Ý awurde das Kalifat für den Kalifen vollzogen, nicht durch Erbschaftund nicht durch eine Nachfolgebest<strong>im</strong>mung.Die Herrschaftsdauer des KalifenDie Herrschaftsdauer des Kalifen ist zeitlich nicht l<strong>im</strong>itiert. Solangeer das islamische Recht einhält, die islamischen Gesetze vollzieht undin der Lage ist, die Staatsangelegenheiten zu führen und die Verantwortungendes Kalifats zu tragen, bleibt er Kalif. Die Formulierungder Bai Ý a <strong>im</strong> ÍadÐ× ist nämlich unbest<strong>im</strong>mt (unverknüpft) erfolgt (mu-Ôlaq) und wurde nicht an eine best<strong>im</strong>mte Dauer gebunden. Al-BuÌÁrÐberichtet von Anas, dass der Gesandte Allahs sagte: @،אא،אאאאA"Hört und gehorcht, auch wenn ein äthiopischer Sklave euch v<strong>org</strong>esetztwird, dessen Kopf einer Rosine gleicht." In einer Überlieferungbei Musl<strong>im</strong> auf dem Weg von Umm ÍasÐn heißt es: @אKKKA"[…] der euch mit dem Buch Allahs führt." Darüber hinaus wurde jedemder rechtgeleiteten Kalifen eine (zeitlich) ungebundene Bai Ý ageleistet, wie sie in den ÍadÐ×en erwähnt wird. Sie waren auf unbest<strong>im</strong>mteZeit gewählt. So hat jeder von ihnen das Kalifat vom Zeitpunktseiner Bai Ý a bis zu seinem Tode innegehabt. Somit ist der Konsensder Gefährtenschaft darüber ergangen, dass es für das Kalifatkeine best<strong>im</strong>mte Zeitspanne gibt. Es ist zeitlich ungebunden; wenn jemanddie Bai Ý a entgegenn<strong>im</strong>mt, so bleibt er bis zu seinem Tode Kalif.Wenn dem Kalifen jedoch etwas widerfährt, was ihn unverzüglich absetztoder seine Absetzung erforderlich macht, so ist seine Herr-98


schaftsdauer beendet, und er wird seines Amtes enthoben. Dies entsprichtaber keiner Einschränkung der Dauer seines Kalifats, sondernergibt sich aus einer plötzlich entstandenen unzulänglichen Erfüllungder Vollzugsbedingungen. Betrachtet man den Wortlaut der Bai Ý a, derdurch den Offenbarungstext und den Konsens der Gefährten belegtist, so sieht man, dass er das Kalifat zwar zeitlich nicht einschränkt,es aber an den Vollzug dessen bindet, worauf die Bai Ý a geleistetwurde, nämlich an das Buch und die Sunna. Der Kalif hat also danachzu regieren und ihre Gesetze durchzuführen. Hält er das islamischeRecht nicht ein oder wendet er es nicht an, so ist seine Absetzung erforderlich.Die Zeit, die den Musl<strong>im</strong>en gewährt wird, um einen KalifenaufzustellenDie Zeit, die den Musl<strong>im</strong>en gewährt wird, um einen Kalifen aufzustellen,beträgt drei Tage und drei Nächte. Einem Musl<strong>im</strong> ist es nichtgestattet, länger als drei Nächte zu verbringen, ohne eine Bai Ý a "<strong>im</strong>Nacken" zu tragen. Die Festlegung der max<strong>im</strong>alen Zeitspanne mitdrei Nächten ergibt sich aus der Tatsache, dass die Aufstellung einesKalifen ab jenem Zeitpunkt zur Pflicht wird, in dem der frühere Kalifgestorben ist oder abgesetzt wurde. Es ist jedoch erlaubt, sie um dreiTage und drei Nächte zu verzögern, wenn man mit der Aufstellungbeschäftigt ist. Dauert es länger als drei Nächte, ohne den Kalifenaufgestellt zu haben, so gilt folgende Regel: Sind die Musl<strong>im</strong>e mit einerAufstellung beschäftigt, aber aus zwingenden Gründen, die sichihrer Einflussnahme entziehen, nicht in der Lage, diese Aufgabe binnendrei Nächten zu erfüllen, so fällt die Sünde von ihnen ab, da siemit der Errichtung der Pflicht beschäftigt sind und zwangsweise zurVerzögerung genötigt wurden. Ibn ÍibbÁn und Ibn MÁºa berichtenvon Ibn ÝAbbÁs, dass der Gesandte Allahs sagte: @אא،אאאא A"Allah hat von meiner Umma die Sünde des (unabsichtlichen) Fehlers,des Vergessens und der Nötigung enthoben." Sind sie aber mitdieser Aufgabe nicht beschäftigt, so bleiben sie allesamt <strong>im</strong> Zustandder Sünde, bis ein Kalif aufgestellt wird. Erst dann fällt die Sündevon ihnen ab. Was aber die Sünde betrifft, die sie bereits begangenhaben, durch ihre Vernachlässigung der Aufstellung eines Kalifen, so99


fällt sie nicht von ihnen ab, sondern bleibt an ihnen haften. Allah wirdsie dafür in gleicher Weise zur Rechenschaft ziehen, wie für jede andereSünde auch, die ein Musl<strong>im</strong> begeht, wenn er eine Pflicht vernachlässigt.Der Beweis für die Verpflichtung, sich unmittelbar nach Freiwerdendes Kalifenamtes mit der BaiÝa eines neuen Kalifen zu beschäftigen,ergibt sich aus dem V<strong>org</strong>ehen der Prophetengefährten. So haben siesich noch am selben Tag, an dem der Prophet verstorben ist, in derSaqÐfatu BanÐ SÁÝida mit dieser Aufgabe auseinander gesetzt. <strong>Das</strong> geschahnoch vor dem Begräbnis des Propheten . Am selben Tag aucherfolgte die Vollzugs-Bai Ý a für AbÙ Bakr. Am Tag darauf wurdendann die Menschen in der Moschee versammelt, um AbÙ Bakr dieGehorsams-Bai Ý a zu leisten.<strong>Das</strong>s die max<strong>im</strong>ale Frist, die den Musl<strong>im</strong>en gewährt wurde, um einenKalifen aufzustellen, drei Tage beträgt, ergibt sich aus dem V<strong>org</strong>ehenÝUmars. Nachdem keine Hoffnung mehr auf seine Genesung vomDolchstoß bestand, übertrug er die Nachfolgebest<strong>im</strong>mung auf diesechs Ratsmitglieder. Er legte ihnen eine Frist von drei Tagen festund befahl, den Widersacher unter ihnen nach dieser Dreitagesfrist zutöten. Er betraute fünfzig musl<strong>im</strong>ische Männer mit der Durchführungdieser Tötungsmaßnahme, obwohl alle sechs Kandidaten zu den Mitgliederndes ŠÙrÁ-Rates und zu den ehrbarsten Gefährtenpersönlichkeitenzählten. Dies geschah mit vollem Wissen der gesamten Gefährtenschaft.Es wird diesbezüglich kein einziger Protest und keineeinzige Ablehnungsäußerung ihrerseits überliefert, was ihren Konsensdarüber belegt, dass es für die Musl<strong>im</strong>e unzulässig ist, mehr als dreiTage und Nächte ohne Kalifen zu sein. Der Konsens der Gefährtenschaft(IºmÁÝ al-ÑaÎÁba) stellt in gleicher Weise einen Rechtsbeweisdar wie Koran und Sunna.Al-BuÌÁrÐ berichtet über den Weg von Miswar ibn MaÌzama, dass ersagte: "ÝAbdurraÎmÁn 59 klopfte zu später Nachtstunde an meine Tür.Er klopfte so lange, bis ich erwachte. Dann sagte er mir: 'Du schläfst?Bei Allah, ich habe in diesen dreien wahrlich nicht viel Schlaf gefunden!'"Er meinte in diesen drei Nächten. Nachdem die Menschen dasM<strong>org</strong>engebet verrichteten, wurde die Bai Ý a für ÝU×mÁn vollzogen.59 ÝAbdurraÎmÁn ibn ÝAuf.100


Die Einheit des KalifatsEs ist eine Pflicht, dass alle Musl<strong>im</strong>e in einem Staat vereint sind unddass sie allesamt nur einen Kalifen haben. <strong>Islam</strong>rechtlich ist es verboten,dass die Musl<strong>im</strong>e mehr als einen Staat und mehr als einen Kalifenhaben.Ebenso muss das <strong>Regierungssystem</strong> <strong>im</strong> Staate des Kalifats ein Einheitssystemsein. Jede Form des föderativen Systems ist verboten.Dies geht aus folgenden Beweisen hervor: Musl<strong>im</strong> berichtet, dassÝAbdullÁh ibn ÝAmr ibn al-ÝÀÒ den Gesandten Allahs sagen hörte:،אA @אא"Wer einem Imam die Bai Ý a leistet, ihm seinen Handschlag und dieFrucht seines Herzens gibt, der soll ihm gehorchen, so er dazu <strong>im</strong>Stande ist. Wenn ein anderer kommt und es ihm streitig macht, soschlagt dem anderen den Kopf ab!" Auch berichtet Musl<strong>im</strong> von Ýarfa-ºa, dass er sprach: "Ich hörte den Gesandten Allahs sagen:א،אאאA @"Wer zu euch kommt, wenn ihr vereint hinter einem Manne steht, undversucht, eure Einheit zu spalten oder eure Gemeinschaft zu zerstreuen,so tötet ihn!" Musl<strong>im</strong> berichtet weiterhin von AbÙ SaÝÐd al-ËudarÐ,dass der Gesandte Allahs sagte: @אאאA"Wenn zwei Kalifen die Bai Ý a geleistet wird, so tötet den Zweiten vonihnen!" Er berichtet auch von AbÙ Íazm, dass dieser sagte: "Ich saßfünf Jahre bei AbÙ Huraira und hörte ihn vom Propheten Folgendesberichten:،،،אאA،،אאW؟א، @אא"<strong>Das</strong> Volk Israel ist stets von Propheten betreut worden; wenn einProphet starb, folgte ihm ein anderer nach. Nach mir wird es jedoch101


keinen Propheten mehr geben. Es werden aber Kalifen kommen undderen Zahl wird groß sein' Sie fragten: 'Was befiehlst du uns?' Er antwortete:'Erfüllt die Bai Ý a des jeweils Ersteren und gebt ihnen ihrRecht, denn Allah wird sie über das zur Rechenschaft ziehen, was erin ihre Obhut gelegt hat!" Der erste ÍadÐ× macht deutlich, dass derGehorsam gegenüber einer Person, der das Imamat bzw. Kalifat übertragenwurde, eine Pflicht darstellt. Wenn ein anderer kommt und ihrdas Kalifat streitig macht, so muss er bekämpft und getötet werden,sollte er von seinem Vorhaben nicht Abstand nehmen.Der zweite ÍadÐ× erläutert die Situation, wenn die Musl<strong>im</strong>e unter derFührung eines Kalifen vereint stehen und jemand versucht, ihre Einheitzu spalten oder ihre Gemeinschaft aufzusplittern. Auch in diesemFall muss er getötet werden. Beide ÍadÐ×e belegen gemäß ihrem abgeleitetenRechtsverständnis (MafhÙm), dass eine Aufteilung des <strong>Islam</strong>ischenStaates verboten ist. Die Musl<strong>im</strong>e werden dazu angehalten,eine Aufteilung des Staates oder eine Abspaltung von ihm keineswegshinzunehmen und dem notfalls mit Gewalt zu begegnen.Der dritte ÍadÐ× weist darauf hin, dass wenn das Kalifenamt <strong>im</strong> Staatfrei wird – durch den Tod, die Absetzung oder den Rücktritt des altenKalifen – und zwei verschiedenen Personen die Bai Ý a für das Kalifatgeleistet wurde, der Zweite von ihnen getötet werden muss 60 . Erstrecht trifft das auf den Fall zu, wenn mehr als zweien die Bai Ý a geleistetwurde. Dies ist gleichbedeutend mit dem Verbot der Aufteilungdes Staates. Demzufolge ist es islamrechtlich verboten (ÎarÁm),wenn aus einem Staat mehrere Staaten entstehen. Vielmehr muss dieEinheit des Staates unter allen Umständen gewahrt bleiben.Der vierte ÍadÐ× belegt, dass die Zahl der Kalifen nach dem Tode desGesandten groß sein wird. Als die ÑaÎÁba (Allahs Wohlgefallenüber sie) den Propheten fragten, was er ihnen angesichts einer größerenKalifenzahl befehle, antwortete er ihnen, dass sie den Gehorsamgegenüber jenem Kalifen einhalten sollen, dem als Erstem die Bai Ý ageleistet wurde, weil er der rechtmäßige Kalif sei. Ihm allein gebührtder Gehorsam. Die anderen jedoch haben keinen Anspruch darauf,weil ihre Bai Ý a ungültig und nicht rechtmäßig ist. Es ist nämlich unzulässig,einem anderen Kalifen die Bai Ý a zu leisten, wenn ein Kalif60 Sollte er nicht Abstand davon nehmen.102


für die Musl<strong>im</strong>e bereits vorhanden ist. Dieser ÍadÐ× weist ebenfallsdarauf hin, dass es verpflichtend ist, einem Kalifen allein den Gehorsamzu leisten. Demzufolge belegt auch er das Verbot der Existenzmehrerer Kalifen und mehrerer Staaten.Die Befugnisse des KalifenDer Kalif verkörpert den Staat. Er besitzt alle Befugnisse, die einemStaat zukommen. Diese Befugnisse sind wie folgt dargelegt:a) Er macht die islamischen Rechtssprüche durch ihre verbindlicheAnnahme (TabannÐ) vollzugspflichtig. Ab dann sind es Gesetze,die befolgt und nicht missachtet werden dürfen.b) Er ist für die Innen- und Außenpolitik des Staates in gleicher Weiseverantwortlich. Er übern<strong>im</strong>mt auch die tatsächliche Führung derArmee. Er hat das Recht, den Krieg zu erklären, Friedens- und Waffenstillstandsverträgeabzuschließen sowie alle weiteren Abkommendurchzuführen.c) Er kann die ausländischen Botschafter akzeptieren und ablehnensowie musl<strong>im</strong>ische Botschafter ernennen und absetzen.d) Er ernennt die Assistenten (MuÝÁwinÙn) und Gouverneure (WulÁt)und setzt sie wieder ab. Sie alle sind vor ihm und auch vor der Ratsversammlung(Maºlis al- ŠÙrÁ) verantwortlich.e) Er ernennt den Obersten Richter und die Ressortleiter, die Kommandantender Armee, die Stabchefs und Brigadekommandanten. Siesind alle vor ihm, aber nicht vor der Ratsversammlung verantwortlich.f) Er legt die islamischen Rechtssprüche, nach denen der Staatshaushaltgeregelt wird, in verbindlicher Weise fest, ebenso die verschiedenenBudgetbereiche und die Summen, die für die verschiedenenBereiche v<strong>org</strong>esehen sind. Dies gilt für Einnahmen und Ausgaben ingleicher Weise.103


Der Rechtsbeweis für diese Befugnisse geht aus der Realität des Kalifatsselbst hervor, das eine allgemeine Führung für alle Musl<strong>im</strong>e aufder Welt darstellt, um die Gesetze des Glaubens zu vollziehen und dieBotschaft des <strong>Islam</strong> in die Welt zu tragen. Allerdings ist der Begriff"Staat" (arab.: al-Dawla) ein Fachausdruck, dessen Bedeutung sich jenach Sichtweise der Völker unterscheidet. Die westlichen Menschenbeispielsweise meinen mit dem Wort "Staat" die Summe von Land,Menschen und Regierenden, da der Staat bei ihnen innerhalb best<strong>im</strong>mterGrenzen entsteht, den sie "Vaterland" oder "He<strong>im</strong>at" nennen,und die Souveränität ihrer Auffassung nach be<strong>im</strong> Volke liegt.Die Herrschaft bzw. die Macht liegt be<strong>im</strong> Kollektiv und nicht be<strong>im</strong>Individuum. Daraus leitet sich dieses spezifische Staatsverständnisab, dass der Staat aus der Summe dessen besteht, was sie "Vaterland","Nation" und "Regierung" nennen. Deswegen findet man bei ihnendas "Staatsoberhaupt", das <strong>im</strong> Grunde das Oberhaupt aller Regierendenbildet, das "Volk", das "Land" und den "Regierungschef" bzw.den "Ministerpräsidenten", der das Oberhaupt des regierenden Ministerratesdarstellt. Im <strong>Islam</strong> gibt es aber diese dauerhaften Grenzennicht, da die Pflicht besteht, die islamische Botschaft in die Welt zutragen. Demzufolge verschieben sich die Grenzen mit der Ausdehnungdes Machtbereiches des <strong>Islam</strong> in andere Länder. Mit "He<strong>im</strong>at"(arab.: al-WaÔan) bezeichnet man lediglich den dauerhaften Wohnsitzeiner Person, d. h. sein Haus bzw. sein Land, und nichts weiter. DieSouveränität obliegt dem göttlichen Recht und nicht dem Volk oderder Umma. Herrscher und Volk werden demnach durch den Willendieses Rechts geleitet. Auch ist die Herrschaft <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> individuellund nicht kollektiv. So sagt der Gesandte Allahs : @אאאאA"Wenn sich drei auf einer Reise befinden, so sollen sie einem vonichnen die Befehlsgewalt übertragen." (Von BazzÁr auf dem Weg IbnÝUmars überliefert.) Auch sagt er: @אאאA"Wenn sich drei auf eine Reise begeben, so sollen sie einem vonihnen die Befehlsgewalt übertragen." (Von AbÙ DÁwÙd auf dem Weg vonAbÙ SaÝÐd al-ËudarÐ überliefert.) Musl<strong>im</strong> berichtet über AbÙ SaÝÐd al-ËudarÐ,dass der Gesandte Allahs sagte:104


@אאאA"Wenn zwei Kalifen die Bai Ý a gegeben wird, so tötet den Letzterenvon beiden!" Daraus ergibt sich der Unterschied <strong>im</strong> Staatsverständnisdes <strong>Islam</strong> <strong>im</strong> Vergleich zu anderen Systemen. Im <strong>Islam</strong> meint manmit dem Begriff "Staat" die Herrschaft und die Regentschaft. Demzufolgesind auch die Staatsbefugnisse die gleichen wie die des Herrschersund Regenten. Nachdem nun der Kalif die Herrschaft bzw. Regentschaftübern<strong>im</strong>mt, verkörpert auch er den Staat.Darüber hinaus hat der Gesandte , als er den <strong>Islam</strong>ischen Staat inMedina gründete, selbst die Macht übernommen. Die gesamte Staatsgewaltlag in seinen Händen. Auch alle Befugnisse, die mit der Herrschaftverbunden waren, lagen in seiner Hand. Dies blieb auch sowährend seiner ganzen Lebenszeit, bis er dem Ruf seines Herrn folgte.Danach kamen die rechtgeleiteten Kalifen. Jeder von ihnen hieltebenfalls die gesamte Staatsgewalt in Händen und hatte alle Befugnisseder Macht. Auch dies ist ein Beweis dafür, dass der Kalif denStaat verkörpert. Außerdem hat der Gesandte , als er vor der Loslösungvom Befehlshaber (AmÐr) warnte, die Formulierung "Loslösenvon der Herrschaft" verwendet. So berichtet Musl<strong>im</strong> von Ibn ÝAbbÁs,dass der Gesandte Allahs sprach:אא،A@א"Wem etwas an seinem AmÐr (Führer) missfällt, der soll sich in Geduldüben, denn jeder, der sich von der Herrschaft um eine Handbreitloslöst und stirbt, stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya!" <strong>Das</strong> Kalifat ist dieFührung, die Herrschaft über die Gläubigen und der Kalif die Verkörperungdieser "Herrschaft". Er hat alle Befugnisse der Herrschaftinne. Er ist der "Staat" und hält alle Vollmachten des Staates in derHand. Dies ist der allgemeine Rechtsbeweis dafür, dass der Kalif dieerwähnten Befugnisse innehat. Die erfolgte Aufzählung der Befugnissedes Kalifen ergibt sich aus der Realität dessen, was der Staat anBefugnissen besitzt, um damit die spezifischen Rechtssprüche bezüglichdieser Vollmachten darzulegen.Was die detaillierten Rechtsbeweise der aufgezählten sechs Punktebetrifft, so ist Punkt a) durch den Konsens der Gefährtenschaft belegt.<strong>Das</strong> Wort "Gesetz" (arab.: QanÙn) ist ein Fachausdruck mit folgenderBedeutung: der Befehl, den der Herrscher erlässt, um die Menschen105


damit zu führen. Definiert wurde das Wort "Gesetz" folgendermaßen:Die Summe aller Regeln, die der Herrscher den Menschen in ihrenBeziehungen zwingend vorschreibt. <strong>Das</strong> heißt, wenn der Herrschergewisse Rechtsnormen anbefiehlt, so werden diese Rechtsnormen zueinem Gesetz, das er den Menschen zwingend vorschreibt. Wenn ersie aber nicht anbefiehlt, so sind sie kein Gesetz und demzufolge fürdie Menschen nicht bindend. Die Musl<strong>im</strong>e folgen den Rechtsnormenbzw. Rechtssprüchen des <strong>Islam</strong>. Sie folgen somit den Geboten undVerboten Allahs und nicht denen des Herrschers. Was sie also befolgenmüssen, sind die islamischen Rechtssprüche und nicht die Befehledes Herrschers. Über diese islamischen Rechtssprüche jedochwaren sich die ÑaÎÁba uneins. So haben einige von ihnen aus denTexten etwas anderes herausgelesen, als es andere von ihnen getanhaben. Jeder von ihnen folgte seinem eigenen (Rechts-)Verständnis.Und dieses Verständnis war für ihn das Gesetz Allahs, dass er zu befolgenhatte. Es existieren jedoch Rechtssprüche, bei denen dieBetreuung der Bürgerangelegenheiten die Befolgung einer einzigenRechtsmeinung durch alle Musl<strong>im</strong>e erforderlich macht. Hierbei ist esnicht möglich, dass jeder von ihnen seiner eigenen Rechtsmeinungfolgt. Dies ist auch tatsächlich geschehen. So war AbÙ Bakr der Ansicht,dass die Gelder unter den Musl<strong>im</strong>en zu gleichen Teilen verteiltwerden müssen, weil sie alle in gleicher Weise Anspruch darauf haben.ÝUmar hingegen war der Meinung, dass derjenige, der gegen denGesandten kämpfte, nicht so viel bekommen darf wie derjenige, dermit ihm kämpfte, und dass der Reiche nicht so viel bekommen darfwie der Arme. AbÙ Bakr war jedoch der Kalif, und so befahl er, seineAnsicht durchzuführen, nämlich die für ihn bindende Rechtsauffassung(TabannÐ), die Gelder zu gleichen Teilen aufzuteilen. Die Musl<strong>im</strong>efolgten ihm darin. Und alle Richter und Gouverneure hieltensich an diese V<strong>org</strong>abe. Selbst ÝUmar unterwarf sich dem, befolgte dieRechtsauffassung AbÙ Bakrs und führte sie selber durch. Als jedochÝUmar Kalif wurde, eignete er sich in dieser Frage eine Rechtsmeinungan (TabannÐ), die derjenigen AbÙ Bakrs widersprach, und befahl,diese auch umzusetzen. So wurde das Geld in unterschiedlichenMengen verteilt und nicht mehr in gleichen. Jeder erhielt seinen eigenenAnteil unter Berücksichtigung der Bedürftigkeit und der Glaubensdauer.Die Musl<strong>im</strong>e folgten ihm dabei, und alle Gouverneure undRichter setzten seine Entscheidung um. Somit ist der Konsens der Gefährtenschaftdarüber ergangen, dass der Imam best<strong>im</strong>mte Rechtssprüchebindend annehmen (TabannÐ) und ihren Vollzug befehlen106


darf. Die Musl<strong>im</strong>e haben ihm darin zu gehorchen, auch wenn es ihremeigenen IºtihÁd widerspricht. Ihre eigene Rechtsmeinung (IºtihÁd)müssen sie dabei zurückstellen. Diese bindend angenommenenRechtssprüche (Ahkām mutabannÁ) stellen nichts anderes als Gesetzedar. Demzufolge steht es allein dem Kalifen zu, Gesetze zu erlassen;niemand außer ihm ist dazu befugt.Was den Abschnitt b) anbelangt, so geht sein Beweis aus dem Handelndes Gesandten hervor. Er selbst hat die Gouverneure undRichter ernannt und zur Rechenschaft gezogen. Er beobachtete auchden Handel und verbat den Betrug. Er verteilte die Gelder unter denMenschen, half den Arbeitslosen eine Arbeit zu finden und betreutealle inneren Angelegenheiten des Staates. Er verkehrte auch mit denKönigen und empfing deren Delegationen. Alle außenpolitischenStaatsangelegenheiten wurden von ihm vollzogen. Darüber hinauswar der Prophet nicht nur namentlich Oberbefehlshaber der Armee,sondern hatte tatsächlich deren Oberbefehl inne. So erklärte er denQuraiš den Krieg, ebenso den BanÙ QuraiÛa, den BanÙ al-NaÃÐr, denBanÙ QainuqÁÝ, den Juden von Ëaibar und den Römern. Jeder derstattgefundenen Kriege wurde von ihm persönlich proklamiert, wasbelegt, dass die Kriegserklärung <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>ischen Staat dem Kalifenobliegt. Auch war es der Gesandte , der die Verträge mit den Juden,den BanÙ Midlaº und ihren Verbündetetn, den BanÙ Âumra, abschloss.Er war es auch, der den Friedensvertrag mit YÙÎanna ibn Ru-Þba, dem Herrscher über Aila, und das Íudaibiya-Abkommen mit denMekkanern vereinbarte. Die Musl<strong>im</strong>e waren über das Íudaibiya-Abkommenerzürnt, doch entsprach er nicht ihren Wünschen, setzte sichüber ihre Einwände hinweg und vollzog das Abkommen trotzdem.Dies ist ein klarer Beweis dafür, dass der Abschluss von Verträgen,seien es Friedensverträge oder Abkommen anderer Art, allein demKalifen obliegt.Was den Abschnitt c) betrifft, so ergibt sich sein Rechtsbeweis ausder Tatsache, dass der Gesandte es war, der die beiden AbgesandtenMusail<strong>im</strong>as empfing und auch AbÙ RÁfiÝ, den Abgesandten derQuraiš. Ebenso entsandte er die Botschafter an Herakles, an den Chosroes,an den ghassanidischen HÁriÔ, den König al-ÍÐras, an den h<strong>im</strong>yaridischenHÁriÔ, den König des Jemen, und an den äthiopischenNegus. Er entsandte auch ÝU×mÁn ibn ÝAffÁn als Botschafter zu denQuraiš während der Friedensverhandlungen von al-Íudaibiya. All107


das belegt, dass es der Kalif ist, der die Botschafter akzeptiert und ablehntund seinerseits die Botschafter ernennt.Der Rechtsbeweis für den Abschnitt d) ergibt sich ebenfalls aus denHandlungen des Propheten . So hat er persönlich die Gouverneure(WulÁt) ernannt. MuÝÁÆ ernannte er zum Gouverneur über den Jemen.Auch die Absetzung der Gouverneure hat der Gesandte selbst v<strong>org</strong>enommen.So setzte er al-ÝAlÁÞ ibn al-ÍaÃramÐ als Gouverneur vonBahrain ab, nachdem die dortigen Bewohner sich über ihn beschwerten.<strong>Das</strong> beweist, dass die Gouverneure sowohl vor dem Kalifen alsauch vor den Einwohnern ihrer Provinz verantwortlich sind. Darüberhinaus sind sie auch vor der Ratsversammlung (Maºlis al-Umma)verantwortlich, da sie alle Provinzen repräsentiert. – So viel zu denGouverneuren. Was die Assistenten (al-MuÝÁwinÙn) anbelangt, sohatte der Gesandte Allahs zwei: AbÙ Bakr und ÝUmar. Während seinergesamten Lebenszeit hat sie der Gesandte niemals abgesetzt undandere ernannt. Er hat sie zwar in das Amt berufen, sie jedoch niemalsihrer Funktion enthoben. Nachdem der MuÝÁwin aber seineVollmacht vom Kalifen erhalten hat und <strong>im</strong> Grunde sein Stellvertreterist, hat der Kalif – in Analogie zum Bevollmächtigten – auch dasRecht, ihn abzusetzen, wie auch der Vollmachtgeber jederzeit dasRecht hat, seinem Bevollmächtigten die Vollmacht zu entziehen.Was den Abschnitt e) betrifft, so geht sein Rechtsbeweis ebenso ausdem Handeln des Propheten hervor. Der Gesandte Allahs übertrugÝAlÐ das Richteramt über den Jemen. Auch berichtet AÎmad von ÝAmribn al-ÝÀÒ, dass zwei Gegner in einer Streitsache zum Gesandten Allahskamen. Dieser wandte sich aber an ÝAmr und sprach: @A"ÝAmr, richte du zwischen ihnen!" Und ÝAmr antwortete: "Du hast(doch) mehr Recht dazu als ich, o Gesandter Allahs." Der Gesandteaber erwiderte ihm: @A"Auch wenn es so ist (so tue es trotzdem)." ÝAmr fragte: "Was bekommeich nun, wenn ich zwischen ihnen richte?" Der Prophet antwortete: 108


אאKאאA@"Wenn du zwischen ihnen richtest und die richtige Entscheidungtriffst, so bekommst du die zehnfache Belohnung. Wenn du dich inder Rechtsableitung bemühst und die falsche Entscheidung triffst, soerhältst du (trotzdem) eine einfache Belohnung."Auch der Kalif ÝUmar ernannte die Richter und setzte sie wieder ab.So ernannte er ŠuraiÎ zum Richter in Kufa und AbÙ MÙsÁ zum Richterin Basra. ŠuraÎbÐl ibn Íasana setzte ÝUmar von seinem Gouvernatin al-ŠÁm wieder ab und übertrug es MuÝÁwiya. Daraufhin fragte ihnŠuraÎbÐl: Hast du mich wegen Feigheit abgesetzt oder wegen Verrat?Doch ÝUmar antwortete ihm: Wegen keinem von beiden. Ich wolltenur einen Mann, der stärker ist. ÝAlÐ ibn AbÙ ÓÁlib setzte AbÙ al-Aswadein und enthob ihn dann wieder seines Amtes. Dieser fragte ihn:Warum hast du mich abgesetzt, wo ich doch nichts unrechtes getanund keinen Verrat begangen habe? ÝAlÐ antwortete: Ich fand eineÜberheblichkeit in deinen Worten gegenüber den Streitgegnern. ÝUmarund ÝAlÐ taten dies vor den Augen und Ohren der ÑaÎÁba, ohnedass irgendjemand sie dafür tadelte. Somit stellt all das einen Rechtsbelegdafür dar, dass der Kalif die Richter generell ernennen darf. Ingleicher Weise hat er – analog zur Vollmachtsübertragung – dasRecht, sich bei der Ernennung der Richter vertreten zu lassen. So darfsich der Kalif in all seinen Befugnissen vertreten lassen, wie er auchdas Recht hat, jemanden mit dem Vollzug sämtlicher ihm zustehenderAktionen zu bevollmächtigen.Was die Bestellung der Ressortleiter anbelangt, so hat der GesandteAllahs Schriftführer ernannt, um die staatlichen Einrichtungen zuverwalten. Ihre Funktion entsprach der eines Ressortleiters. So ernannteer MuÝaiqib ibn AbÐ Fat<strong>im</strong>a zu seinem Siegelträger und ebensozum Schriftführer über die Beuteeinnahmen. HuÆaifa ibn al-YamÁnbestellte er zur Erfassung der Ernteeinträge des ÍiºÁz. Al-Zubair ibnal-ÝAwwÁm ernannte er zum Schriftführer über die ZakÁt-Gelder undal-MuÈÐra ibn ŠuÝba zur Niederschrift der Schuldscheine und Handelsverträge.Auf diese Weise ging er Gesandte Allahs vor. 6161 D. h., <strong>im</strong>mer wenn die Notwendigkeit zur Regelung einer Angelegenheit bestand,wurde ein Schriftführer eingesetzt. Schriftführer bzw. Ressortleiter werden somitnach Bedarf ernannt.109


Auch die Armee- und Korpskommandanten wurden vom Propheten persönlich ernannt. So setzte er Íamza ibn ÝAbd al-MuÔÔalib an dieSpitze von dreißig Mann, um den Quraišiten an der Küste entgegenzutreten.ÝUbaida ibn al-ÍÁri× stellte er an die Spitze von sechzigMann und schickte ihn ins RÁbiÈ-Tal, um dort den Quraišiten zu begegnen.SaÝd ibn AbÐ WaqqÁÒ setzte er an die Spitze eines Trupps vonzwanzig Mann und schickte ihn Richtung Mekka. Auf diese Weiseernannte der Gesandte Allahs seine Armeekommandanten, was belegt,dass es dem Kalifen obliegt, die Armee- und Korpskommandantenzu bestellen.All diese Personen waren allein vor dem Gesandten verantwortlichund vor niemandem sonst. <strong>Das</strong> alles beweist, dass die Richter, dieRessortleiter, die Armee- und Generalstabskommandanten allein vordem Kalifen verantwortlich sind und nicht vor der Ratsversammlung(Maºlis al-Umma). Vor der Ratsversammlung können lediglich dieAssistenten (al-MuÝÁwinÙn), die Gouverneure und die Statthalter zurVerantwortung gezogen werden, da es sich um Regenten handelt. AnderePersonen sind nicht vor der Ratsversammlungen, sondern ausschließlichvor dem Kalifen verantwortlich.Was den Abschnitt f) anbelangt, so ist der Staatshaushalt bezüglichder Einnahmen- und Ausgabenbereiche durch die Rechtssprüche festgelegt.Jeder einzelne Dinar darf nur gemäß dem islamischen Rechtssprucheingenommen und wieder ausgegeben werden. Die detaillierteFestlegung der Ausgaben- bzw. der Einnahmenseite, was heute auchals Festlegung der einzelnen Budgetkapitel bezeichnet wird, unterliegtallerdings der Meinung des Kalifen und seiner Rechtssauffassung.So entscheidet er, dass beispielsweise der ËarÁº des ËarÁº-Landes soundsoviel beträgt oder die ¹izya in dieser oder jener Höheeinzuheben ist. Dieses und Ähnliches sind die so genannten Einnahmenposten.Andererseits legt der Kalif auch fest, wie viel für den Bauvon Straßen oder Krankenhäusern aufzuwenden ist. Solche und ähnlicheDinge fallen in den Bereich der Ausgabenposten. Hierbei ist dieMeinung des Kalifen ausschlaggebend; er legt die verschiedenenBudgetabschnitte nach seiner Ansicht und Rechtssauffassung fest.Dies geht aus der Tatsache hervor, dass der Gesandte selbst die Einnahmenvon seinen Beauftragten entgegennahm; er übernahm auchdie Aufgabe ihre Verteilung. Einigen Gouverneuren gestattete er, dieGelder selbst entgegenzunehmen und auch auszugeben, wie es bei110


MuÝÁÆ der Fall war, als er ihn als Gouverneur in den Jemen entsandte.Als die rechtgeleiteten Kalifen kamen, nahm jeder von ihnen die Einnahmeund die Ausgabe der Gelder selbst in die Hand und verfuhrdabei nach eigener Ansicht und Rechtsauffassung. Niemand prangertesie deswegen an und keiner außer dem Kalifen entschied überdie Einnahme oder Ausgabe eines einzigen Dinar, es sei denn, erwurde dazu vom Kalifen bevollmächtigt. So geschah es auch <strong>im</strong> Falleder Ernennung MuÝÁwiyas durch ÝUmar. Er übertrug ihm die umfassendeVollmacht, die Gelder einzutreiben und auszugeben. Dies allesbelegt, dass der Kalif oder sein Vertreter die Budgetkapitel festlegt.<strong>Das</strong> waren die detaillierten Beweisführungen zu den einzelnen Befugnissendes Kalifen. Sie alle werden unter dem folgenden ÍadÐ× vereint,den AÎmad und al-BuÌÁrÐ über ÝAbdullÁh ibn ÝUmar vom Prophetenberichten: @אאKKKA"[…] der Imam ist ein Hüter, und er ist für seine Bürger verantwortlich."<strong>Das</strong> bedeutet, dass alles, was mit der Betreuung der Angelegenheitender Bürger in Zusammenhang steht, dem Kalifen obliegt. Erhat – analog zur Vollmachtsübertragung – das Recht, wen er will, fürwas und wie er will als Vertreter einzusetzen.Wie der Kalif die Angelegenheiten der Bürger betreutDer Kalif hat das uneingeschränkte Recht, die Angelegenheiten derBürger nach eigenem Ermessen und eigener Rechtsauffassung zu betreuen.Er darf jedoch keinem islamischen Rechtsspruch unter demInteressenvorwand widersprechen. So darf er den Bürgern beispielsweisenicht den Import von Waren unter dem Vorwand des Schutzesder he<strong>im</strong>ischen Industrie verbieten, es sei denn, es würde tatsächlichZerstörung der Wirtschaft des Landes führen. Auch darf er den Menschenkeine Preise unter dem Vorwand festsetzen, die Ausbeutungvermeiden zu wollen. Ebenso steht es ihm nicht zu, einen Hausbesitzerzur Vermietung seines Eigentums zu zwingen, um die Wohnsituationzu erleichtern, außer es besteht wirklich eine dringende Notwendigkeitdafür. In gleicher Weise verhält es sich mit allen anderenAngelegenheiten, die dem islamischen Recht widersprechen; so darfer nichts Erlaubtes verbieten und nichts Verbotenes erlauben.111


<strong>Das</strong> grundsätzliche Verfügungsrecht des Kalifen ist einerseits auf folgendenAusspruch des Propheten zurückzuführen:@אאA"Der Imam ist ein Hüter, und er ist für seine Bürger verantwortlich."Andererseits geht es auch aus einer Fülle von Rechtsvorschriften hervor,die das islamische Recht dem Kalifen gewährt hat. So entscheideter über die Gelder des islamischen Schatzhauses nach eigenerMeinung und Rechtsauffassung. Er kann auch den Menschen in einerbest<strong>im</strong>mten Angelegenheit eine (Rechts-)Meinung bindend auferlegen.Solche und ähnliche Befugnisse werden ihm vom islamischenRecht her zuerkannt. So gibt ihm der o. a. ÍadÐ× das uneingeschränkteRecht, die Angelegenheiten der Bürger in umfassender Weise zubetreuen. Die Rechtsvorschriften bezüglich des islamischen Schatzhauses,der Annahme von Rechtmeinungen, des Aufbaus der Armee,der Ernennung von Gouverneuren und Ähnlichem gewähren demKalifen das Entscheidungsrecht ebenso in uneingeschränkter Weise.Dies beweist, dass er die Angelegenheiten der Bürger nach seinemErmessen ohne Einschränkung betreuen kann. Der Gehorsam ihm gegenüberist in all dem verpflichtend und der Ungehorsam sündhaft.Diese Betreuung der Bürgerangelegenheiten hat jedoch gemäß denVorschriften des islamischen Rechts zu erfolgen, d. h. gemäß denAussagen der Offenbarungstexte. Auch wenn ihm die Befugnisse uneingeschränktgewährt worden sind, so sind sie stets an die islamischenRechtsvorschriften gebunden. Demzufolge müssen sie auchgemäß den Vorschriften des islamischen Rechts vollzogen werden.So hat der Kalif beispielsweise die freie Befugnis zur Best<strong>im</strong>mungder Gouverneure, doch darf er keinen Ungläubigen, kein Kind undauch keine Frau zum Gouverneur ernennen, weil das islamischeRecht dies verboten hat. Er hat auch das uneingeschränkte Recht, denungläubigen Staaten die Eröffnung von Botschaften in jenen Ländernzu gewähren, die sich unter seiner Herrschaft befinden. Doch darf erkeinem ungläubigen Staat die Eröffnung einer Botschaft erlauben,wenn dieser sie zur Einflussnahme auf die islamischen Länder benutzenmöchte, da dies vom islamischen Recht verboten wurde. Er darfauch die einzelnen Budgetkapitel festlegen sowie die erforderlichenGelder für jeden Bereich. Doch ist es ihm z. B. nicht gestattet, einenBudgetposten für den Bau eines Staudamms vorzusehen, wenn dieEinnahmen des Schatzhauses dafür nicht ausreichen. Er darf es nichtunter dem Vorwand tun, Steuern dafür eintreiben zu wollen, da es112


nicht zulässig ist, für den Bau eines Staudamms Steuern einzuheben,wenn dieser nicht unbedingt notwendig ist. Auf diese Weise hat derKalif die uneingeschränkte Befugnis zur Betreuung der Bürgerangelegenheitenin allem, was ihm von Rechts wegen übertragen wurde,doch hat diese uneingeschränkte Vollmacht gemäß den Gesetzen desislamischen Rechts zu verlaufen. Sein Recht zur uneingeschränktenBetreuung der Bürgerangelegenheiten bedeutet nicht, dass er diediesbezüglichen Gesetze frei nach eigener Vorstellung erlassen kann;es bedeutet vielmehr, dass er in jenen Bereichen, in denen er vonRechts wegen die Erlaubnis zum Handeln besitzt, nach eigenem Ermessenund auf die Art, die er für richtig hält, v<strong>org</strong>ehen kann. In diesemFall kann er Gesetze in den Bereichen erlassen, in denen ihm dasHandeln nach eigener Meinung erlaubt wurde. Der Gehorsam ihmgegenüber wird dann auch zur Pflicht, weil ihm das islamische Gesetzin diesen Bereichen das Recht zum Handeln nach eigenem Ermessengewährt und uns gleichzeitig befiehlt, ihm zu gehorchen. Demzufolgehat er auch das Recht, seine Ansicht (in den betreffenden Bereichen)als ein Gesetz zu erlassen, das für die Menschen bindend ist. So istihm beispielsweise das Recht gegeben worden, den Staatshaushaltnach eigener Ansicht und eigenem Rechtsverständnis zu verwalten,wobei den Menschen befohlen wurde, ihm diesbezüglich zu gehorchen.Er darf somit die Finanzgesetze des Staatshaushaltes erlassen,und ihre Befolgung wird dann für jeden Bürger zur Pflicht. Auch istihm die Führung der Armee übertragen worden und die Regelung ihrerAngelegenheiten nach eigener Ansicht und eigenem Rechtsverständnis.Die Menschen haben auch hierbei die Pflicht, ihm zu gehorchen.So darf er bezüglich des Armeekommandos und der Armeeverwaltungbest<strong>im</strong>mte Regeln bzw. Gesetze erlassen; auch hier stelltder Gehorsam ihm gegenüber eine Pflicht dar. Ebenso ist ihm die Leitungder Bürgerangelegenheiten nach eigener Meinung und Rechtsansichtübertragen worden. Er hat das Recht, dafür die entsprechendenPersonen zu ernennen und nach eigener Meinung und Rechtsansichtvorzugehen. Auch hierbei ist den Menschen befohlen worden,ihm zu gehorchen. Er kann entsprechende Verwaltungs- und Angestelltengesetzeerlassen, wobei deren Befolgung zur Pflicht wird.Demgemäß hat der Kalif in allem, was seinem Eremessen und seinerRechtsansicht überlassen wurde, das Recht, Gesetze zu erlassen, derenEinhaltung für die Menschen verpflichtend ist. Hier darf nichteingewendet werden, dass diese Gesetze spezifische V<strong>org</strong>ehensweisenbzw. Tätigkeitsstile (UslÙb) darstellen, die zu den erlaubten113


Handlungen (MubÁÎ) gehören und für alle Musl<strong>im</strong>e in ihrem Vollzugerlaubt und nicht verpflichtend sind. Der Kalif darf folglich keinespezifischen Tätigkeitsstile festlegen und zur Pflicht erklären, weil erdamit eine an sich erlaubte Handlung zwingend vorschriebe. <strong>Das</strong>zwingende Vorschreiben einer erlaubten Handlung jedoch würde dasErlaubte (MubÁÎ) zur Pflicht (FarÃ) machen bzw. es verbieten, indemes andere (auch erlaubte) V<strong>org</strong>ehensweisen untersagt, was nichtzulässig wäre. Dieser Einwand ist unzulässig, weil sich das Erlaubte(MubÁÎ) grundsätzlich auf den Tätigkeitsstil (UslÙb) bezieht. DieWahl des Tätigkeitsstils bei der Verwaltung der Staatsfinanzen istjedoch allein dem Kalifen erlaubt, nicht aber den anderen Menschen.Auch die spezifischen Tätigkeitsstile bei der Führung der Armee sindausschließlich für den Kalifen erlaubt (mubÁÎ) und nicht den anderenLeuten. In gleicher Weise verhält es sich mit der Verwaltung derBürgerangelegenheiten, wo die Wahl der Tätigkeitsstile dem Kalifenallein und nicht allen Menschen erlaubt ist. Demgemäß macht diezwingende Vorschreibung einer erlaubten Handlung, die der Kalifausgewählt hat, das Erlaubte keinesfalls zu einem Pflichtgebot, vielmehrmacht es den Gehorsam gegenüber dem Kalifen in jenen Bereichenzur Pflicht, wo ihm das islamische Recht das V<strong>org</strong>ehen nach eigenerMeinung und Rechtsansicht erlaubt hat, wo er also zur Betreuungder Angelegenheiten die Meinungen und Rechtsansichten auswählenkann. Obwohl es sich um etwas Erlaubtes handelt, hat derKalif seine Durchführung zur Pflicht erhoben und eine andere V<strong>org</strong>ehensweiseuntersagt. Die Erlaubnis gilt nämlich allein für den Kalifen,die Betreuung auf diese Weise vorzunehmen, und nicht für dieanderen Menschen, da die Betreuung (der Bürgerangelegenheiten)ausschließlich dem Kalifen obliegt. Die Verpflichtung, das einzuhalten,was der Kalif aus dem Bereich des Erlaubten zur Betreuung derBürgerangelegenheiten verbindlich gemacht hat, was also das islamischeRecht dem Kalifen zur Regelung nach eigener Meinung undRechtsansicht übertragen hat, bedeutet nicht, dass der Kalif das Erlaubte,den MubÁÎ, zur Pflicht erhoben oder Teile davon verbotenhätte. Vielmehr ist es unter dem Aspekt der Gehorsamspflicht einzuordnen,der jene Bereiche umfasst, in denen das islamische Rechtdem Kalifen das V<strong>org</strong>ehen nach eigener Meinung und Rechtsauffassungzuerkannt hat. Eine bisweilen erlaubte Handlung also, die derKalif zur Betreuung der Bürgerangelegenheiten verbindlich gemachthat, wird für jeden einzelnen Bürger vollzugspflichtig. Auf dieserGrundlage auch führte ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb die Register (al-DawÁwÐn,114


Sing.: DÐwÁn) ein. Ebenso stützten sich die anderen Kalifen darauf,wenn sie für ihre Organe und ihre Bürger gewisse Regelwerke zwingendfestlegten und ihnen verboten, andere Tätigkeitsstile zu wählen.Demzufolge ist es für den Kalifen zulässig, Verwaltungsgesetze wieauch andere Gesetze dieser Art zu erlassen. Der Gehorsam ihm gegenüberist dabei verpflichtend, da es sich um den Befehlsgehorsamin jenen Bereichen handelt, die das islamische Recht ihm übertragenhat.Dies betrifft das Erlaubte bei der Betreuung der Bürgerangelegenheiten,was dem Kalifen ja von Rechts wegen zum Vollzug nach eigenerMeinung und Rechtsansicht übertragen wurde. Dazu zählen die Einteilungder Verwaltungsbehörden, die Organisation des Heeres undÄhnliches. Es betrifft jedoch nicht alle erlaubten Dinge, sondern lediglichjene, die dem Kalifen in seiner Eigenschaft als Kalif zustehenbzw. erlaubt sind. Was die restlichen Rechtssprüche anbelangt, <strong>im</strong>Bereich des Farà (Pflichtgebots), des MandÙb (Wünschenswerten),des MakrÙh (Unerwünschten), des ÍarÁm (Verbotenen) und des MubÁÎ(Erlaubten), die ja alle Menschen betreffen, so ist der Kalif diesbezüglichan die Gesetze des islamischen Rechts gebunden. Es istihm in keiner Weise erlaubt, sie zu übertreten. Al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong>berichten von ÝAÞiša, dass der Gesandte Allahs sagte: @אאאA"Wer in dieser unserer Angelegenheit etwas Neues hervorbringt, wasnicht dazugehört, so ist es zurückzuweisen." Diese Aussage ist allgemeingültig;sie umfasst den Kalifen und andere.Bei der verbindlichen Übernahme (TabannÐ) von Gesetzen istder Kalif an die islamischen Rechtssprüche gebundenDer Kalif ist bei der verbindlichen Übernahme von Gesetzen an dieislamischen Rechtssprüche gebunden. So darf er kein Gesetz bindendmachen, das nicht auf korrekte Weise aus den Beweisquellen abgeleitetwurde. Er ist selbst an die von ihm übernommenen Gesetze gebunden,ebenso an die Ableitungsmethode (ÓarÐqat al-IstinbÁÔ), der ersich verpflichtet hat. Deshalb ist es ihm nicht gestattet, ein Gesetz zuübernehmen, das aus einer Ableitungsmethode entstanden ist, die der115


seinigen widerspricht. Auch darf er keinen Befehl erlassen, der zu einemvon ihm übernommenen Gesetz <strong>im</strong> Widerspruch steht.Hierbei sind zwei Punkte zu beachten: Zum einen muss gewährleistetwerden, dass sich der Kalif bei der Übernahme von Gesetzen an dieislamischen Rechtssprüche hält – mit anderen Worten, dass er sichbei der Gesetzgebung und dem Gesetzeserlass an das islamischeRecht hält. So ist es ihm nicht gestattet, Gesetze aus anderen Quellenzu übernehmen, da Gesetze aus anderen Quellen Gesetze des Unglaubenssind. Sollte er aus anderen Quellen ein Gesetz übernommen haben,wissend, dass es nicht dem islamischen Recht entstammt, so giltFolgendes zu klären: Wenn er von der Richtigkeit des Gesetzes, daser übernommen hat, überzeugt ist, so ist er ungläubig und vom <strong>Islam</strong>abgefallen. Wenn es für ihn aber keine Überzeugungsfrage ist und eres nur übernommen hat, weil es seiner Ansicht nach dem <strong>Islam</strong> nichtwiderspricht, wie es die osmanischen Kalifen am Ende ichrer Tagetaten, so ist ihm dies islamisch zwar untersagt, doch wird er dadurchnicht zum Ungläubigen. Hat er aber für sein V<strong>org</strong>ehen einen Scheinbeweis– wie das Erlassen eines Gesetzes ohne tatsächliche Beweisgrundlagewegen eines Interesses, das er zu erkennen glaubt – undstützt er sich dabei auf das Prinzip der "freien Interessen" (al-MaÒÁliÎal-Mursala), der "Abwehr missbräuchlicher Vorwände" (Sadd al-ÅarÁÞiÝ),der "Handlungsfolgen" (MaÞÁlÁt al-AfÝÁl) oder Ähnliches, so istes ihm nicht verboten und er wird auch nicht zum Ungläubigen, wenner diese Prinzipien als islamische Rechtsprinzipien und Beweisquellenansieht. Mit seiner Beweisstütze liegt er zwar falsch, sein abgeleitetesGesetz muss aber trotzdem von allen Musl<strong>im</strong>en als islamischerRechtsspruch anerkannt und befolgt werden, wenn der Kalif eserlassen hat. Es handelt sich nämlich um einen islamischen Rechtsspruchauf der Grundlage eines Scheinbeweises. Auch wenn seinBeweis falsch ist, so hat der Rechtsspruch trotzdem seine Gültigkeitgleich dem, der bei der Beweisableitung einen Fehler begeht. Auf alleFälle ist der Kalif bei der Übernahme von Gesetzen an das islamischeRecht gebunden. Er hat sich dabei an die aus den entsprechendenRechtsbelegen richtig abgeleiteten Rechtssprüche zu halten. Dies gehtaus folgender Beweisführung hervor:Erstens: Allah hat jedem Musl<strong>im</strong> – ob Kalif oder nicht – befohlen,alle seine Handlungen gemäß den islamischen Rechtssprüchen auszuführen.So sagt der Erhabene:116


"Nein, bei deinem Herrn, sie werden nicht eher gläubig sein, bis siedich zum Richter erheben in allem, was unter ihnen strittig ist." (Sureal-Nisā’ 4, Àya 65) Die Ausführung der Handlungen gemäß den islamischenRechtssprüchen zwingt den Musl<strong>im</strong> dazu, gewisse Rechtssprücheverbindlich zu übernehmen (TabannÐ), wenn die Ansprache desGesetzgebers auf mehrfache Weise verstanden werden kann, d. h.,wenn der Rechtsspruch in einer Frage vielfältig ausfallen kann. Indiesem Falle wird es für den Musl<strong>im</strong> zur Pflicht, einen best<strong>im</strong>mtenRechtsspruch aus dieser Vielfalt zu übernehmen, wenn er eine Handlungvollziehen möchte, wenn er also den Rechtsspruch durchführenwill. In gleicher Weise ist dies auch für den Kalifen verpflichtend,wenn er seiner Tätigkeit, dem Regieren, nachkommen möchte.Zweitens: Der Wortlaut der Bai Ý a zwingt den Kalifen dazu, sich andas islamische Recht zu halten, weil er die Bai Ý auf der Grundlagedes Buches (Koran) und der Sunna erhalten hat. Deswegen ist es ihmnicht erlaubt, von ihnen abzugehen. Er wird sogar zum Ungläubigen,wenn er es aus Überzeugung tut. Tut er es nicht aus Überzeugung, soist er zumindest ein Sünder, ein Ungerechter und ein Frevler.Drittens: Der Kalif wurde aufgestellt, um das islamische Recht durchzuführen.Deshalb ist es ihm nicht gestattet, aus einer anderen Quelleetwas zu übernehmen, um es auf die Musl<strong>im</strong>e anzuwenden. <strong>Das</strong> islamischeRecht hat ihm dies in solch definitiver Weise verboten, dasses sogar jenem, der nach etwas anderem richtet als dem <strong>Islam</strong>, denGlauben abgesprochen hat. Und das ist ein deutliches Indizium fürden apodiktischen Charakter dieses Verbots. Demzufolge ist der Kalifbei der Übernahme von Gesetzen, also be<strong>im</strong> Gesetzeserlass, allein andie islamischen Rechtssprüche gebunden. Erlässt er ein Gesetz auseiner anderen Quelle, so ist er ungläubig, wenn er es aus Überzeugungtut, bzw. ein Sünder, Unrechter und Frevler, wenn es nicht ausÜberzeugung geschieht.Diese drei Rechtsbeweise belegen den ersten Punkt. Was den zweitenPunkt betrifft, so ist der Kalif sowohl an die von ihm übernommenenRechtssprüche als auch an die von ihm festgelegte Ableitungs- bzw.Auslegungsmethode gebunden. Beweis dafür ist die Tatsache, dassder Kalif jenen islamischen Rechtsspruch (Íukm šarÝÐ) anwendet, der117


für ihn selbst (d. h. "in seinem Sinne") der verbindliche Rechtsspruchist und nicht <strong>im</strong> Sinne eines anderen. Es handelt sich um den Rechtsspruch,den er selbst für sich verbindlich übernommen hat, um seineeigenen Handlungen danach zu richten, und nicht um irgendeinen beliebigenRechtsspruch. Wenn der Kalif nun einen Rechtsspruch ableitetoder einem Gelehrten darin folgt (TaqlÐd), so stellt dieserRechtsspruch den verbindlichen Rechtsspruch (Íukm) Allahs in seinemSinne dar, an den er in seiner Gesetzesübernahme für die Musl<strong>im</strong>egebunden ist. Es ist ihm nicht gestattet, (in dieser Frage) einenanderen Rechtsspruch zu übernehmen, weil es sich dabei nicht umden (verbindlichen) "Rechtsspruch Allahs" in seinem Sinne handelt.Er stellt weder für ihn noch in Folge für die Musl<strong>im</strong>e einen (gültigen)islamischen Rechtsspruch dar. Deswegen ist er in den Befehlen, dieer für die Bürger erlässt, an jenen Rechtsspruch gebunden, den er fürsich übernommen hat. Es steht ihm nicht zu, einen Befehl zu erlassen,der zu dem von ihm übernommenen Rechtsspruch <strong>im</strong> Widerspruchsteht, da dieser Befehl nicht dem in seinem Sinne verbindlichen"Rechtsspruch Allahs" entspricht. Somit ist es weder für ihn noch inFolge für die Musl<strong>im</strong>e ein gültiger islamischer Rechtsspruch. Diesverhielte sich so, als ob er einen Befehl ohne islamischen Rechtssprucherließe. Demgemäß ist es ihm nicht erlaubt, einen Befehl zuerlassen, der den von ihm übernommenen Rechtssprüchen widerspricht.Ebenso verändert sich das Verständnis des Rechtsspruches gemäß dergewählten Ableitungsmethode. Wenn der Kalif nun der Ansicht ist,dass eine Begründung des Rechtsspruches (ÝIlla) nur dann rechtsgültigist, wenn sie aus einem gesetzgebenden (Offenbarungs-)Text(NaÒÒ) entnommen wurde, und er weder das Interesse als gültigeRechtsbegründung noch die "freien Interessen" (al-MaÒÁliÎ al-Mursala)als gültigen Rechtsbeleg ansieht, so hat er für sich eine Ableitungsmethodefestgelegt. In diesem Fall ist er an sie gebunden undhat nicht das Recht, ein Gesetz zu übernehmen, dessen Rechtsbeweisdas freie Interesse ist oder das er analog zu einer ÝIlla abgeleitet hat,die keinem NaÒÒ entnommen wurde. Dieses Gesetz wäre nämlichnicht der verbindliche Rechtsspruch in seinem Sinne, da er dessenBeleg nicht als gültigen Rechtsbeleg anerkennt. Aus seiner Sicht handeltes sich somit um keinen islamischen Rechtspruch. Nachdem esnun "<strong>im</strong> Sinne des Kalifen" kein (gültiger) islamischer Rechtsspruchist, kann es auch "<strong>im</strong> Sinne der Musl<strong>im</strong>e" keiner sein. Es wäre so, als118


ob er ein Gesetz übernähme, das keinem Rechtsspruch entspringt –ein V<strong>org</strong>ehen, das ihm von Rechts wegen verboten ist. Wenn der Kalifaber selbst ein Muqallid, d. h. ein Nachahmer oder ein MuºtahidMasÞala (Rechtsausleger in best<strong>im</strong>mten Fragen) ist, ohne eine eigeneAbleitungsmethode zu haben, so ist es ihm erlaubt, irgendeinenRechtsspruch zu übernehmen, egal welchen Rechtsbeweis er hat, solangees sich zumindest um einen Scheinbeweis handelt. Bei derÜbernahme von Gesetzen (TabannÐ) ist er an nichts gebunden außerdaran, dass er nur solche Befehle erlassen darf, die zu den von ihmbereits übernommenen Gesetzen <strong>im</strong> Einklang stehen.Die Absetzung des KalifenDer Kalif gilt unverzüglich als abgesetzt, wenn sich sein Zustand ineiner Weise ändert, die ihn vom Kalifat ausschließt. Hingegen wirdseine Absetzung verpflichtend, wenn sich sein Zustand in einer Weiseändert, die ihn zwar nicht (unverzüglich) vom Kalifat ausschließt, ihnislamrechtlich aber nicht mehr dazu berechtigt, das Kalifat weiterhininnezuhaben.Der Unterschied zwischen dem Zustand, der den Kalifen unverzüglichvom Kalifat ausschließt, und jenem, bei dem seine Absetzungverpflichtend wird, ist die Tatsache, dass <strong>im</strong> ersten Fall - dem Fall desunverzüglichen Ausschlusses vom Kalifat – der Gehorsam ihm gegenübermit bloßem Eintritt dieses Zustandes nicht mehr verpflichtendist. Im zweiten Fall jedoch – bei welchem seine Absetzung obligatorischwird – ist der Gehorsam ihm gegenüber weiterhin verpflichtend,bis seine Absetzung tatsächlich erfolgt.Was seinen Zustand in einer Weise verändert, die ihn unverzüglichvom Kalifat ausschließt, sind drei Dinge:Erstens: Er fällt vom <strong>Islam</strong> ab. Zu den Vollzugsbedingungen des Kalifatszählt nämlich das Bekenntnis zum <strong>Islam</strong>. Dies stellt eine Anfangs-(d. h. eine Vollzugs-) und eine Fortsetzungsbedingung dar.Wer vom <strong>Islam</strong> abfällt, wird zum Ungläubigen und muss getötet werden,wenn er von seiner Apostasie nicht abkehrt. Dem Ungläubigenist es keinesfalls gestattet, Herrscher über die Musl<strong>im</strong>e zu werden119


oder irgendeine Form der Macht auf sie auszuüben, da Allah, der Erhabene,entschieden hat: א א "Und Allah wird den Ungläubigen über die Gläubigen keine Machtgewähren." (Sure al-Nisā’ 4, Àya 141) Auch hat Er, als Er sagteאאאא120אאא"Ihr Gläubigen! Gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und jenen,die von euch die Befehlsgewalt innehaben!" (Sure al-Nisā’ 4, Àya59), mit den Worten "von euch" (arab.: minkum) – angeschlossen andie Befehlsgewalt – den <strong>Islam</strong> eindeutig für den Befehlshaber zur Bedingunggemacht, solange er "Inhaber der Befehlsgewalt" ist. Wennder Befehlshaber nunmehr zum Ungläubigen wird, dann ist er bekanntlichnicht mehr "von uns". Somit verschwindet in seinem Falleine Eigenschaft, die der Koran be<strong>im</strong> Inhaber der Befehlsgewalt zurVoraussetzung gemacht hat, nämlich die Eigenschaft des <strong>Islam</strong>. Deswegenist der Kalif durch die Apostasie vom Kalifat unverzüglichausgeschlossen. Er ist kein Kalif der Musl<strong>im</strong>e mehr, und der Gehorsamihm gegenüber stellt keine Pflicht mehr dar.Zweitens: Wenn er in einen geistigen Irrzustand fällt, aus dem ernicht mehr erwacht. Der Verstand gehört zu den Vollzugsbedingungendes Kalifats. Ebenso stellt er eine Fortsetzungsbedingung dar.Der Gesandte sagte: @אWאאKKKאA"Von dreien ist die Feder enthoben worden: […], bis er sagte: undvom Geistesgestörten, bis er zu Sinnen kommt." In einer anderenÜberlieferung heißt es: @אאA"Und vom Irren, der seinen Verstand verlor, bis er zu sich kommt."Wem die Feder enthoben wurde, ist in seinen eigenen Angelegenheitennicht handlungsbefugt. Erst recht kann er dann kein Kalif mehrsein, der in den Angelegenheiten aller Menschen entscheidungsbefugtist.Drittens: Er wird von einem übermächtigen Feind gefangen genommen,ohne die Möglichkeit, ihm zu entkommen, oder die Hoffnung,von der Gefangennahme befreit zu werden. Dadurch ist er überhaupt


nicht mehr in der Lage, sich den Angelegenheiten der Musl<strong>im</strong>e zuzuwenden,und gleicht in diesem Fall einem Unvorhandenen.In diesen drei Fällen wird der Kalif vom Kalifat ausgeschlossen; ergilt als unverzüglich abgesetzt, auch wenn noch kein Schiedsspruchmit seiner Absetzung erfolgt ist. Der Gehorsam ihm gegenüber istnicht mehr verpflichtend, und seine Befehle werden von all jenennicht mehr ausgeführt, für die der Eintritt einer dieser drei Fälle feststeht.Der Eintritt dieser Zustände be<strong>im</strong> Kalifen muss jedoch belegtwerden, und zwar vor dem MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht, damit der Schiedsspruchüber sein Austreten vom Kalifat und seine Absetzung gefälltwird und die Musl<strong>im</strong>e einem anderen das Kalifat übertragen können.Was den Zustand des Kalifen in einer Weise verändert, die ihn zwarnicht unverzüglich aus dem Kalifat ausschließt, ihm aber nicht mehrgestattet, es fortzuführen, sind fünf Dinge:Erstens: Seine Rechtschaffenheit wird angeschlagen, indem er offenkundigzu einem Frevler wird. Die Rechtschaffenheit stellt nämlicheine Vollzugs- und auch eine Fortsetzungsbedingung für das Kalifatdar. Wenn Allah die Rechtschaffenheit be<strong>im</strong> Zeugen zu einer Voraussetzungmachte, so ist es be<strong>im</strong> Kalifen erst recht der Fall.Zweitens: Er verwandelt sich in eine Frau oder einen effeminiertenZwitter. Da die Männlichkeit ebenfalls eine Bedingung für den Vollzugund auch für die Fortsetzung des Kalifenamtes ist, darf der Kalif<strong>im</strong> Falle seiner Verwandlung in eine Frau oder einen Zwitter das Kalifatnicht weiter innehaben. Der Gesandte sagt: @אאאA"Kein Volk wird erfolgreich sein, das seine Befehlsgewalt einer Frauüberträgt." (Von BuÌÁrÐ auf dem Weg AbÙ Bakras überliefert.)Drittens: Er verfällt zeitweise in einen Zustand geistiger Verwirrung,so dass er manchmal bei Sinnen ist und manchmal nicht. Auch derVerstand stellt eine Bedingung sowohl für den Vollzug als auch fürdie Fortsetzung des Kalifenamtes dar. So hat der Gesandte erklärt: @אWאאKKKאA"Von dreien ist die Feder enthoben worden: […], bis er sagte: undvom Geistesgestörten, bis er zu Sinnen kommt." Der Geistesgestörte121


ist in seinen eigenen Angelegenheiten nicht handlungsbefugt; danndarf er es bei den Angelegenheiten anderer Menschen erst recht nichtsein. In diesem Falle kann ihm auch kein Vormund oder Vollmachtsträgerbest<strong>im</strong>mt werden, weil der Kalifatsvertrag auf seine Person abgeschlossenwurde; so ist es nicht zulässig, dass ein anderer seineAufgaben übern<strong>im</strong>mt.Viertens: <strong>Das</strong> aus irgendeinem Grund entstandene Unvermögen, dieBürde des Kalifats zu tragen. Hierbei ist es irrelevant, ob sich diesesUnvermögen durch das Fehlen eines Körperteils oder durch eine unheilbareKrankheit ergeben hat, die ihn ohne Hoffnung auf Genesungan der Erfüllung seiner Arbeit hindert. Maßgebend dabei ist allein seineUnfähigkeit zur Erfüllung seiner Aufgaben.Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Kalifatsvertrag aus demGrunde abgeschlossen wurde, die damit verbundenen Aufgaben zubewältigen. Wenn der Kalif nicht in der Lage ist, den Vertragsgegenstandzu erfüllen, so muss er abgesetzt werden, weil er in diesem Falleeinem Unvorhandenen gleicht. Darüber hinaus werden durch seineUnfähigkeit, die Tätigkeiten zu vollziehen, zu deren Erfüllung er alsKalif aufgestellt wurde, die Angelegenheiten des Glaubens sowie dieInteressen der Musl<strong>im</strong>e vernachlässigt bzw. aufgehalten. Und dasstellt ein Unrecht dar, das beseitigt werden muss. Die Beseitigungdieses Unrechts kann jedoch nur durch die Absetzung des Kalifen geschehen,damit die Musl<strong>im</strong>e die Möglichkeit haben, einen anderenaufzustellen. Deswegen wird seine Absetzung in diesem Falle zurPflicht.Fünftens: Der Unterwerfungszustand (ÍÁlatu al-Qahr), der ihn nichtmehr dazu befähigt, die Angelegenheiten der Musl<strong>im</strong>e nach eigenemErmessen gemäß dem islamischen Recht zu leiten. Wenn sich jemanddes Kalifen in einer Weise bemächtigt, die ihn zur selbständigenBetreuung der Angelegenheiten der Musl<strong>im</strong>e gemäß seiner alleinigenAnsicht nicht mehr befähigt, so ist er rechtlich gesehen nicht in derLage, die Bürde des Kalifats zu tragen. Seine Absetzung wird somitzur Pflicht. Real gesehen ist dieser Zustand in zwei Fällen vorstellbar:Erster Fall: Eine oder mehrere Personen aus seinem Umfeld bemächtigensich seiner und reißen die Entscheidungsgewalt an sich, nachdemsie den Kalifen ihrem Willen unterworfen haben und ihn nach ei-122


genen Vorstellungen führen. Er ist nun nicht mehr in der Lage, ihnenzu widersprechen, und gezwungen, ihnen zu folgen. In dieser Situationmuss untersucht werden, ob Hoffnung besteht, dass sich der Kalifbinnen kurzer Zeit ihres Einflusses entledigen kann. Ist das derFall, so wird ihm die kurze Frist gewährt, um diese Leute zu entfernenund sich ihrer zu entledigen. Besteht jedoch keine Hoffnung mehrauf seine Befreiung aus ihrem Einfluss, muss der Kalif unverzüglichabgesetzt werden.Zweiter Fall: Der Kalif wird von einem übermächtigen Feind gefangengenommen. Entweder gerät er in tatsächliche Gefangenschaft,oder er fällt unter den Einfluss des Feindes. Die Situation muss nungenau untersucht werden: Besteht Hoffnung auf seine Befreiung ausFeindeshand, so wird ihm Zeit gegeben, bis keine Hoffnung mehrvorhanden ist. Hat man die Hoffnung aufgegeben, wird er abgesetzt.Besteht jedoch von vornherein keine Hoffnung auf seine Befreiung,wird er unverzüglich seines Amtes enthoben.In beiden Fällen ist der Kalif rechtlich gesehen nicht in der Lage, dieAufgaben des Kalifats gemäß den islamischen Gesetzen selber wahrzunehmen.Er gleicht einem Unvorhandenen und ist unfähig, den Gegenstanddes Kalifatsvertrages zu erfüllen.Besteht Hoffnung auf seine Befreiung, so wird ihm in beiden Fälleneine Frist gewährt, bis es aussichtslos erscheint. Danach wird er abgesetzt.Besteht hingegen von vornherein keine Hoffnung mehr auf seineBefreiung, dann wird er unverzüglich abgesetzt.In diesen fünf Fällen muss der Kalif abgesetzt werden, sobald sich einerdieser Zustände einstellt. Er gilt jedoch erst durch einen richterlichenSchiedsspruch als abgesetzt. Der Gehorsam ihm gegenüberbleibt deswegen in allen fünf Fällen verpflichtend, und seine Befehlemüssen weiterhin ausgeführt werden, bis der Richterspruch mit seinerAbsetzung tatsächlich erfolgt ist, da sich in jedem dieser Fälle derKalifatsvertrag nicht von selbst auflöst, sondern eine richterliche Entscheidungerforderlich ist.123


Die Umma hat nicht das Recht zur Absetzung des KalifenObwohl die Umma den Kalifen aufstellt und ihm die Bai Ý a leistet, hatsie nicht das Recht, ihn abzusetzen, sobald die Bai Ý a ihm gegenüberrechtmäßig erfolgt ist.Dies geht aus einer Anzahl richtiger ÍadÐ×e hervor, die den Gehorsamgegenüber dem Kalifen zur Pflicht erheben, auch wenn er Unrechtestut, selbst ungerecht ist und die Rechte der Menschen unterschlägt.Ausgenommen ist allein der Fall, wenn er zu einem (religiösen) Ungehorsamaufruft oder der offenkundige Unglaube (Kufr) aufkommt.Al-BuÌÁrÐ berichtet von Ibn ÝAbbÁs, dass der Prophet sprach:אא،A @"Wem etwas an seinem AmÐr missfällt, der soll sich in Geduld üben,denn jeder, der sich von der Gemeinschaft um eine Handbreit loslöstund stirbt, stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya!" <strong>Das</strong> Wort AmÐr bedeutetallgemein "Herrscher" und "Befehlshaber", beinhaltet also ebenfallsden Kalifen, da er der AmÐr al-MuÞminÐn (Herrscher der Gläubigen)ist. Musl<strong>im</strong> berichtet über AbÙ Huraira, dass der Gesandte Allahs sagte:،،،אאA،،אאW؟א،@אא"<strong>Das</strong> Volk Israel ist stets von Propheten betreut worden; wenn einProphet starb, folgte ihm ein anderer nach. Nach mir wird es jedochkeinen Propheten mehr geben. Es werden aber Kalifen kommen undderen Zahl wird groß sein" Sie fragten: "Was befiehlst du uns?" Erantwortete: "Erfüllt die Bai Ý a des jeweils Ersteren und gebt ihnen ihrRecht, denn Allah wird sie über das zur Rechenschaft ziehen, was erin ihre Obhut gelegt hat!" Auch berichtet Musl<strong>im</strong>, dass Salama ibnYazÐd den Gesandten Allahs fragte: @؟KאאאאA"O Prophet Allahs! Wenn Herrscher kommen, die ihr Recht von unseinfordern und uns unser Recht vorenthalten, was befiehlst du unsdann?" Der Prophet wandte sich jedoch ab von ihm. Er fragte ihn erneut,doch wieder wandte sich der Prophet ab. Als er ihn ein zweites124


oder drittes Mal fragte, zog ihn Al-AšÝath ibn Qais zurück, da sprachder Gesandte Allahs : @אאאאאA"Hört und gehorcht, denn sie tragen ihre Verantwortung und ihr dieeure." Musl<strong>im</strong> berichtet von ÝAuf ibn MÁlik, dass er den GesandtenAllahs sagen hörte:א،،אAאK،א،אא،אא،W@א،אא"Die Besten unter euren Imamen sind jene, die ihr liebt und die euchlieben, für die ihr betet und die für euch beten. Und die Schl<strong>im</strong>mstenunter euren Imamen sind jene, die ihr verabscheut und die euch verabscheuen,die ihr verflucht und die euch verfluchen." Sie fragten: "OGesandter Allahs, sollen wir sie nicht mit dem Schwerte bekämpfen?"Er antwortete: "Nein, solange sie das Gebet aufrecht halten!Wem ein Herrscher v<strong>org</strong>esetzt wird, und er sieht ihn etwas Sündhaftesvor Allah begehen, so soll er die von ihm begangene Sünde ablehnen,jedoch keine Hand aus dem Gehorsam ziehen." Auch berichtetMusl<strong>im</strong> von HuÆaifa ibn al-YamÁn, dass der Gesandte Allahs sagte:،،אAW؟אאאאW،אא@א،א،א"Nach mir werden Imame kommen, die nicht meiner Rechtleitungfolgen und sich nicht an meine Sunna halten. Männer werden untereuch aufkommen, deren Herzen den Herzen von Teufeln in Menschengestaltgleichen." Ich fragte: "Was soll ich tun, o Gesandter Allahs,wenn ich das erlebe?" Er sprach: "Höre auf den Befehlshaberund gehorche ihm, auch wenn er deinen Rücken schlägt und deinGeld an sich reißt, so höre und gehorche." AÎmad und AbÙ DÁwÙdberichten, dass der Gesandte Allahs sprach:125


אאW؟אאאA @،"AbÙ Åarr! Was tust du bei Statthaltern, die diese Beutegabe an sichreißen und dich ausschließen?" Er antwortete: "Bei Dem, Der dichmit der Wahrheit entsandte, ich lege mein Schwert auf die Schulterund kämpfe damit, bis ich dich erreiche." Der Gesandte sprach: "Sollich dir etwas raten, was besser für dich ist? Übe dich in Geduld, bisdu auf mich triffst!" Alle diese ÍadÐ×e berichten über den Fall, dassder Kalif etwas tut, was den Gesetzen des islamischen Rechts widerspricht.Trotzdem befahl der Gesandte, ihm zu gehorchen und sichwegen seiner Ungerechtigkeit in Geduld zu üben. Dies belegt, dassdie Umma nicht das Recht hat, den Kalifen abzusetzen. Auch hat derGesandte es abgelehnt, einen Wüstenaraber von seiner Bai Ý a zu befreien.Al-BuÌÁrÐ berichtet von ¹Ábir ibn AbdillÁh, dassאאאאאW،א،אAWא،אW@"ein Wüstenaraber dem Gesandten Allahs die Bai Ý a auf den <strong>Islam</strong>leistete. Als er krank wurde, bat er ihn: 'Entbinde mich von meinerBai Ý a.' Doch der Prophet lehnte es ab. Er kam ein zweites Mal undbat: 'Entbinde mich von meiner Bai Ý a.' Doch der Gesandte lehnte eserneut ab. Daraufhin verließ er die Stadt. Da sagte der Gesandte Allahs: "Medina ist wie ein Schmelztiegel. <strong>Das</strong> Schlechte wird entferntund das Gute gereinigt." Dieser ÍadÐ× belegt, dass die BaiÝa –wenn sie erfolgt – für diese Personen bindend ist. <strong>Das</strong> bedeutet aberauch, dass die Musl<strong>im</strong>e nicht das Recht haben, den Kalifen abzusetzen,da sie auch nicht das Recht besitzen, sich von der BaiÝa, die sieihm gegenüber geleistet haben, zu lösen. Hier kann nicht eingewendetwerden, dass der Wüstenaraber <strong>im</strong> ÍadÐ× mit seiner Entbindung vonder Bai Ý aus dem <strong>Islam</strong> austreten wollte, denn wenn dem so wäre,hätte seine Tat als Apostasie gegolten und der Prophet ihn töten lassen,da der Apostat getötet werden muss. Auch ist die Bai Ý a keineBai Ý a zur Annahme des <strong>Islam</strong>, sondern stets eine Bai Ý a zum Gehorsam.Der Wüstenaraber wollte sich deswegen dem Gehorsam entziehenund nicht aus dem <strong>Islam</strong> austreten. Aus diesem Grund ist es denMusl<strong>im</strong>en nicht erlaubt, von ihrer geleisteten Bai Ý a zurückzutreten.Demzufolge sind sie nicht befugt, den Kalifen abzusetzen. <strong>Das</strong> isla-126


mische Recht hat jedoch dargelegt, wann der Kalif automatisch abgesetztist – ohne Notwendigkeit für eine richterliche Absetzung – undwann er von Rechts wegen abgesetzt werden muss. <strong>Das</strong> bedeutet abernicht, dass seine Absetzung der Umma als Anrecht zusteht.<strong>Das</strong> MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht hat das Recht zur Absetzung des KalifenAllein das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht entscheidet, ob sich der Zustand des Kalifenin einer Weise verändert hat, die ihn aus dem Kalifat ausschließtoder nicht. <strong>Das</strong> MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht allein hat die Befugnis, ihn abzusetzenoder zu verwarnen.Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass jeder der Fälle, in denen derKalif automatisch abgesetzt ist oder die Absetzung verdient, eine Ungerechtigkeit(MaÛl<strong>im</strong>a) darstellt, die beseitigt werden muss. EineUngerechtigkeit muss aber als solche bestätigt werden, und diese Bestätigunghat durch den Richter zu erfolgen. Nachdem das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht über die Beseitigung des Unrechts entscheidet und sein Richterdie Befugnis hat, eine Sache als Unrecht zu best<strong>im</strong>men und darüberzu richten, ist das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht auch die zuständige Stelle, diedarüber entscheidet, ob einer der erwähnten Fälle eingetroffen istoder nicht und ob der Kalif abgesetzt werden muss. Wenn der Kalifallerdings in einen dieser Zustände gerät und sich selbst absetzt, so istdie Sache damit erledigt. Wenn die Musl<strong>im</strong>e aber meinen, dass er abgesetztwerden muss, weil einer dieser Zustände eingetroffen ist, under es abstreitet, so muss diese Angelegenheit zur Entscheidung vorden Richter gebracht werden, wegen der Aussage Allahs:אא "Und wenn ihr in einer Angelegenheit streitig seid, so führt es auf Allahund den Gesandten zurück!" (Sure al-Nisā’ 4, Àya 59) <strong>Das</strong> bedeutet:"wenn ihr und eure Befehlshaber streitig seid"; es handelt sich alsoum eine Streitigkeit zwischen den Befehlshabern und der Umma. DieRückführung auf Allah und den Gesandten bedeutet die Rückführungauf das Gericht, mit anderen Worten: auf das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht.127


Der Staat des Kalifats ist ein menschlicher und keingöttlicher StaatDer <strong>Islam</strong>ische Staat ist das Kalifat. Es verkörpert jenes Amt, dessenInhaber alle Regierungs-, Herrschafts- und Gesetzgebungsvollmachtenausnahmslos innehat. <strong>Das</strong> Kalifat ist eine allgemeine Führerschaftfür alle Musl<strong>im</strong>e auf der Welt, um die Gesetze des islamischenRechts nach den Ideen einzuführen, die der <strong>Islam</strong> mitgebracht, undden Rechtssprüchen, die er festgesetzt hat, und um die Botschaft des<strong>Islam</strong> in die Welt zu tragen, indem man den Menschen den <strong>Islam</strong> darlegt,sie dazu einlädt und den ¹ihÁd auf dem Wege Allahs vollzieht.Man nennt es auch "Imamat" bzw. "die Führerschaft der Gläubigen"(ImÁrat al-MuÞminÐn). Es handelt sich dabei um ein weltliches undkein jenseitiges Amt. Es wurde eingeführt, um die Lebensordnungdes <strong>Islam</strong> auf die Menschen anzuwenden und den <strong>Islam</strong> unter derMenschheit zu verbreiten. <strong>Das</strong> Kalifat ist definitiv vom Prophetentumverschieden, denn das Prophetentum bzw. die Gesandtschaft bezeichnetden Fall, bei dem der Prophet bzw. der Gesandte von Gott eineGesetzgebung offenbart bekommt, um sie den Menschen – abgesehenvon deren Anwendung - zu verkünden. Der Erhabene sagt: אאא"Dem Gesandten obliegt nur die deutliche Verkündung!" (Sure al-NÙr24, Àya 54) Auch sagt Er: א"Dir obliegt allein die Verkündung." (Sure al-RaÝd 13, Àya 40) Und Ersagt:אא"Dem Gesandten obliegt allein die Verkündung!" (Sure al-Mā’ida' 5, Àya99) Dies unterscheidet sich vom Kalifat, das die Aufgabe beschreibt,das Gesetz Allahs auf die Menschen anzuwenden. Für einen Prophetenoder Gesandten ist es jedoch keine Bedingung, das Gesetz, dasAllah ihm offenbart hat, auf die Menschen auch anzuwenden. UmProphet oder Gesandter zu sein ist es lediglich Voraussetzung, vonGott ein Gesetz offenbart zu bekommen, mit dem Befehl, es zu verkünden.128


Demzufolge ist die Stellung des Prophetentums bzw. Gesandtentumsgrundsätzlich eine andere als die des Kalifats. <strong>Das</strong> Prophetentum isteine göttliche Stellung, die Allah jenem gewährt, den Er dafür auserwählthat. <strong>Das</strong> Kalifat hingegen ist ein menschliches Amt. Dabei leistendie Musl<strong>im</strong>e die Bai Ý a wem sie wollen und stellen aus ihren Reihennach eigener Wahl einen Kalifen auf. Unser Herr Prophet Mu-Îammad war darüber hinaus auch ein Regent, der die Scharia, mitder er entsandt wurde, anwandte. Er hatte die Stellung des Prophetenbzw.Gesandtentums inne und übernahm gleichzeitig das Amt desOberhauptes der Musl<strong>im</strong>e, um die Gesetze des <strong>Islam</strong> durchzuführen.Allah befahl ihm zu regieren, wie er ihm auch befahl, die Botschaftzu verkünden. So sagte Er ihm:אא"Und wahrlich, richte 62 unter ihnen nach dem, was Allah herabgesandthat." (Sure al-Mā’ida' 5, Àya 48) Auch sagte Er:אא א א"Wahrlich, Wir haben zu dir das Buch mit der Wahrheit herabgesandt,auf dass du unter den Menschen nach dem richtest, was Allahdir gezeigt hat." (Sure al-Nisā’ 4, Àya 105) Ebenso befahl Er ihm:א "Gesandter, verkünde das, was dir von deinem Herrn herabgesandtwurde." (Sure al-Mā’ida' 5, Àya 67). Auch sagte Er: אא"Mir ist dieser Koran offenbart worden, auf dass ich euch damit warneund jeden, den er erreicht." (Sure al-AnÝÁm 6, Àya 19) Und Er sagte: א "Du Bedeckter, steh auf und warne." (Sure al-MuddaÔÔir 74, Àya 1-2).Wenn der Gesandte allerdings die Verkündung der Botschaft mitdem Wort vornahm, wie die Verkündung der Worte Allahs א אא "Doch Allah hat den Handel erlaubt und die Zinsnahme verboten"(Sure al-Baqara 2, Àya 275), oder durch die Tat, wie das Abkommen von62 <strong>Das</strong> Wort Íukm in Arabisch bedeutet generell "richten, regieren und (in einemStreitfall) definitiv entscheiden".129


al-Íudaibiya, so hat er dies in apodiktischer Weise getan und einendefinitiven Befehl zu deren Vollzug erteilt. In diesem Fall hat erkeine Beratungen durchgeführt und den Ratschlag, den man ihm erteilte,sogar abgelehnt, wenn er der Offenbarung widersprach. Wenner aber nach einem Rechtsspruch, der ihm noch nicht offenbart wordenwar, gefragt wurde, so schwieg er, bis er dafür eine entsprechendeOffenbarung erhielt. Be<strong>im</strong> bloßen Vollzug der Handlungen jedochzog der Gesandte die Menschen sehr wohl zu Rate, und als er zwischenihnen richtete, so tat er dies nicht in definitiver Weise. Vielmehrerklärte er selbst, dass er nach den ihm v<strong>org</strong>elegten Argumentenentscheide. Als die Sure BarÁÞa 63 offenbart wurde, entsandte der Prophet ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib mit dieser Sure zu AbÙ Bakr und befahlihm, sie den Menschen in der Pilgerzeit vorzulesen. Er trug sie ihnenin c Arafa vor, zog zwischen ihnen herum, bis er sie ihnen vollständigübermittelt hatte. Als der Prophet den Íudaibiya-Vertrag abschloss,lehnte er die Meinungen aller Gefährten ab und zwang sie,seine Ansicht zu übernehmen, weil es die Offenbarung Gottes war.Als ihn ¹Ábir fragte, was er mit seinem Vermögen tun solle, antworteteder Gesandte ihm nicht, bis die Offenbarung mit dem diesbezüglichenRechtsspruch kam. Al-BuÌÁrÐ berichtet von MuÎammad ibn al-Munkadir, dass dieser sagte:،א، אWאW،א،אא،א؟א؟Wאא "Ich hörte ¹Ábir ibn AbdillÁh sagen: 'Ich erkrankte eines Tages undder Gesandte Allahs kam mich <strong>im</strong> Vorbeigehen mit AbÙ Bakr besuchen.Als er zu mir kam, lag ich gerade in Ohnmacht. Der GesandteAllahs vollzog die Gebetswaschung (al-WuÃÙÞ) und schüttete mirdas Wasser aus seiner Waschung über den Kopf. Ich kam zu mir undfragte: «O Gesandter Allahs. Was soll ich mit meinem Vermögentun? Wie soll ich über mein Vermögen entscheiden?» Er gab mir keineAntwort bis die Erbschafts-Àya offenbart wurde.'" In dieser Arthat sich der Prophet <strong>im</strong> Falle der Gesandtschaft und der Verkündungder Botschaft an die Menschen verhalten. Was jedoch den Vollzugder Regierungsaufgaben betraf, so ist der Gottesgesandte in einer an-63 Entspricht der neunten Sure: al-Tauba.130


deren Weise v<strong>org</strong>egangen. Er rief vor der Schlacht von UÎud dieMusl<strong>im</strong>e in der Moschee zusammen und beriet sich mit ihnen, ob erinnerhalb Medinas kämpfen oder (mit der Armee) hinausziehen solle.Die Meinung der Mehrheit war auszuziehen, wohingegen er denVerbleib in Medina bevorzugte. Er folgte jedoch der Mehrheitsmeinung,zog hinaus und kämpfte außerhalb Medinas. Auch wenn erzwischen den Menschen richtete, dann warnte er sie davor, ihnen etwasvom Recht eines anderen zuzusprechen. Al-BuÌÁrÐ berichtet vonUmm Salama, dass der Gesandte Allahs an seiner Tür ein Streitgesprächvernahm. Er ging hinaus zu ihnen und sprach:אאא،אאאאAא،א@ "Ich bin doch nur ein Mensch. Der Kontrahent kommt zu mir. Vielleichtsind einige von euch redegewandter als andere, ich nehme an,dass er die Wahrheit spricht und gebe ihm Recht. Wem ich etwasvom Recht eines Musl<strong>im</strong>s zuspreche, so ist es ein Stückchen Feuer.Er soll es nehmen oder lassen." Auch berichtet AÎmad über Anas,dass der Gesandte Allahs sprach: @،אאאאאאKKKA"[…] und ich hoffe auf Allah zu treffen, ohne dass mich jemand ineiner Ungerechtigkeit anklagt, die ich ihm zugefügt habe – in seinemBlut oder seinem Vermögen." <strong>Das</strong> belegt, dass der Gesandte zweiStellungen innehatte: die Stellung des Propheten bzw. Gesandten unddie Stellung des Oberhauptes der Musl<strong>im</strong>e auf Erden, um das GesetzGottes zu errichten, das Er ihm offenbarte. In jeder dieser beiden Positionenverhielt er sich in einer Weise, die diese Position erforderlichmacht und die sich von seinem Verhalten in der jeweils anderen Positionunterschied. So nahm er von den Menschen die Bai Ý a entgegen.Er nahm sie von Männern und Frauen entgegen, nicht aber von Kindern,die die Geschlechtsreife noch nicht erreicht hatten. Dieser Umstanduntermauert, dass es eine Bai Ý a auf die Regentschaft war undnicht auf das Prophetentum. Aus diesem Grunde sehen wir auch, dassAllah, der Erhabene, den Propheten niemals in der Verkündung derBotschaft selbst und der Erfüllung ihrer Aufgaben getadelt hat. Erverlangte von ihm lediglich, sich nicht über die Ablehnung der Menschenzu grämen. Die Erfüllung der Aufgabe des Gesandtentums liegt131


in der reinen Verkündung. So hatte der Prophet lediglich die Pflichtzu verkünden. Der Erhabene sagt: א"Darum verzehre dich ihretwegen nicht in Bedauern." (Sure FÁÔir 35 Àya8) Und Er sagt: "Und sei nicht traurig über sie. Und lass dich wegen der Ränke, diesie schmieden, nicht bedrücken." (Sure al-NaÎl 16, Àya 127) Auch sagtEr:א"Wahrlich, dir obliegt nur die Aufgabe der Verkündung." (Sure al-ŠÙrÁ42, Àya 48) Allerdings tadelte der Erhabene den Gesandten, wenn esum die Erfüllung der Regierungsaufgaben ging, und zwar in jenenHandlungen, die der Prophet gemäß bereits offenbarter Rechtssprüchevollzog. Er tadelte ihn dafür, dass er die Handlungen manchmal"gegen die bessere Art" (ËilÁf al-AwlÁ) vollzog. So sagt der Erhabene:א"Kein Prophet darf Kriegsgefangene haben, solange er (die Gegner)<strong>im</strong> Land nicht vollständig niedergekämpft hat." (Sure al-AnfÁl 8, Àya 67)Auch sagt Er: א"Allah verzeihe dir! Warum hast du ihnen Dispens gegeben […]?"(Sure al-Tauba 9, Àya 43) Dies alles macht deutlich, dass die Position desOberhauptes der Musl<strong>im</strong>e in der Regentschaft eine andere ist als diedes Prophetentums. Es zeigt auch deutlich, dass das Kalifat ein weltlichesund kein jenseitiges Amt ist. Aus all dem Gesagten geht klarhervor, dass das Kalifat, das eine allgemeine Führerschaft für alleMusl<strong>im</strong>e auf der Welt verkörpert, ein menschliches und kein göttlichesAmt ist, da es das Regierungsamt darstellt, das der Gesandte Allahs (neben seinem Prophetentum) innehatte. Der Prophet ließdieses Amt zurück und befahl, dass einer der Musl<strong>im</strong>e ihm darinnachfolgen solle. Anstelle des Gesandten Allahs soll nun seinNachfolger (arab.: ËalÐfa, dt.: Kalif) die Regentschaft übernehmen,aber nicht das Prophetentum. Somit ist es eine Nachfolge des Gesand-132


ten in der Führung der Musl<strong>im</strong>e zur Anwendung der Gesetze des<strong>Islam</strong> und zum Weitertragen seiner Botschaft und nicht <strong>im</strong> Empfangender Offenbarung und dem Erhalt des göttlichen Gesetzes.Was die Unfehlbarkeit oder Gefeitheit (ÝIÒma) des Gesandten anbelangt,so rührt sie allein aus seiner Eigenschaft her, Prophet zu sein.Die Tatsache, dass er gleichzeitig Regent war, hat mit dieser Fragenichts zu tun. Die Unfehlbarkeit bzw. die Gefeitheit gehört nämlichzu den Attributen, die alle Propheten und Gesandten besitzen müssen,unabhängig davon, ob sie es sind, die die Menschen nach dem ihnenoffenbarten Recht regieren und es anwenden, oder ob sie sich auf dieVerkündung beschränken, ohne die Regentschaft und Implementierungder Gesetze selbst zu übernehmen. Die ehrwürdigen ProphetenMoses, Jesus und Abraham waren ebenso unfehlbar, wie unser ProphetMuÎammad es war. Die Unfehlbarkeit ist mit dem ProphetenundGesandtentum verbunden, nicht aber mit der Regentschaft. DieTatsache, dass der Gesandte während des Vollzugs seiner Regierungsaufgabenkeine sündhafte Tat beging und keine Pflicht vernachlässigte,geht ebenfalls aus seiner Unfehlbarkeit als Prophet und Gesandterhervor und nicht aus seiner Eigenschaft, Regent zu sein.Demzufolge setzt die Ausübung der Regierungstätigkeit durch denPropheten nicht zwangsweise das Attribut der Unfehlbarkeit voraus.Der Gesandte MuÎammad war real gesehen unfehlbar, weil seineEigenschaft als Prophet es mit sich brachte. Die Regierungsaufgabeübernahm er jedoch in seiner Eigenschaft als Mensch, der Menschenregiert. Der Koran hat klar festgestellt, dass es sich be<strong>im</strong> Prophetenum einen Menschen handelt. So hat der Erhabene gesagt:"Sprich: 'Ich bin doch nur ein Mensch wie ihr'." (Sure al-Kahf 18, Àya110) Danach macht Er den Umstand deutlich, durch den sich derProphet gegenüber anderen Menschen auszeichnet:"mir wird offenbart." (Sure al-Kahf 18, Àya 110) Was ihn auszeichnet, istsomit die Tatsache, dass ihm offenbart wird, d. h. der Umstand seinesProphetentums. Ansonsten ist er ein Mensch wie jeder andere auch.Im Bereich der Regentschaft ist er demzufolge ein Mensch wie alleanderen Menschen, und wer ihm darin (als Kalif) nachfolgt, ist zweifelsohneebenso nur ein Mensch. Wie gesagt, folgt der Kalif ihm le-133


diglich in der Regentschaft nach, nicht aber in seiner Eigenschaft alsProphet und Gesandter. Deswegen ist be<strong>im</strong> Kalifen die Unfehlbarkeitkeine Voraussetzung, da sie nicht zu den Voraussetzungen der Regentschaftgehört, sondern zu denen des Prophetentums. Der Kalif istlediglich ein Regent. Die Bedingung der Unfehlbarkeit stellt sich inseinem Fall nicht und darf gar nicht gestellt werden, da sie ausschließlicheine Eigenheit der Propheten ausmacht, die für niemandensonst zulässig ist. Ihr Vorhandensein be<strong>im</strong> Propheten und Gesandtenist durch den Verkündungsauftrag zwangsweise erforderlich, da essich um die Unfehlbarkeit bei der Verkündung der göttlichen Botschafthandelt. Ihr zusätzliches Vorhandensein <strong>im</strong> Nichtbegehen vonSünden ergibt sich in Folge aus der Unfehlbarkeit be<strong>im</strong> Verkünden,da die Unfehlbarkeit bei der Verkündung nicht vollkommen ist, wennsie nicht auch die Unfehlbarkeit durch das Nichtbegehen von Sündenumfasst. Die Unfehlbarkeit durch das Nichtbegehen von Sünden wirdsomit durch den Verkündungsauftrag der Propheten bedingt und nichtdurch den Glauben oder Unglauben der Menschen bzw. durch dasBegehen oder Nichtbegehen von Fehlern während des Vollzugs derHandlungen. Die Unfehlbarkeit ergibt sich ausschließlich aus demAuftrag zur Verkündung der Botschaft. Wäre der Prophet durch Gottnicht unfehlbar gemacht, bestünde die Möglichkeit, dass er die Botschaftverschweigt, ihr etwas beifügt, etwas weglässt oder auch Lügenüber Gott verkündet, die Er nicht gesagt hat. Es wäre dann möglich,dass er sich irrt und etwas anderes verkündet, als ihm anbefohlenwurde. All das widerspricht jedoch einer von Gott offenbarten Botschaftund den Eigenschaften eines Gesandten, an den geglaubt werdenmuss. Deswegen ist es unabdingbar, dass der Gesandte bei derVerkündung der Botschaft Unfehlbarkeit genießt und in Folge auchgeschützt davor ist, Sünden zu begehen. <strong>Das</strong> ist auch der Grund, warumdie Gelehrten in der Frage der Unfehlbarkeit der Propheten bezüglichihrer Möglichkeit, Sünden zu begehen, unterschiedlicher Meinungwaren. Manche von ihnen meinten, dass ein Prophet nur dav<strong>org</strong>eschützt sei, große Sünden zu begehen; es sei aber zulässig, dass erkleine Sünden begehe. Andere wiederum meinten, dass ein Prophetbzw. Gesandter generell davor geschützt sei, große und kleine Sündenzu begehen. Diese Ansichten ergaben sich bei ihnen aus der Überlegungheraus, ob Handlungen die Vollkommenheit der Verkündung inFrage stellen können oder nicht. Würden die Handlungen die Vollkommenheitder Verkündung in Frage stellen, so muss die Unfehlbarkeitauch sie umfassen, und der Prophet ist davor gefeit, sie zu bege-134


hen, da die Gewähr der vollkommenen Verkündung nur dann erfolgenkann, wenn er vor solchen Handlungen geschützt ist. Hängt dievollkommene Verkündung der Botschaft jedoch nicht davon ab, sosind diese Handlungen von der Unfehlbarkeit nicht betroffen. Demzufolgeist er dann auch nicht geschützt davor, sie zu begehen, da dieVerkündung auch ohne diesen Schutz vollkommen erfolgen kann.Deswegen herrscht unter allen Musl<strong>im</strong>en auch Einigkeit darüber, dassein Gesandter nicht davor gefeit ist, Handlungen "gegen die bessereArt" 64 (ËilÁf al-AwlÁ) zu begehen, da sie die Vollkommenheit derVerkündung definitiv nicht in Frauge stellen. Die Unfehlbarkeit istdemzufolge eine Besonderheit der Verkündung und ausschließlichmit ihr verbunden. Sie trifft deshalb nur auf Propheten und Gesandtezu und darf keinesfalls auf andere übertragen werden.Der Beweis der Unfehlbarkeit ist darüber hinaus rationaler Natur, dader menschliche Verstand die Unfehlbarkeit der Propheten und Gesandtenbei der Botschaftsverkündung zwingend voraussetzt. Die Tatsache,dass jemand Prophet oder Gesandter ist, bringt die Unfehlbarkeitnotwendigerweise mit sich. Andernfalls kann er kein (wahrer)Prophet bzw. Gesandter sein. Der Verstand kommt ebenso zum zwingendenSchluss, dass jemand, der nicht mit der Verkündung der BotschaftGottes beauftragt wurde, das Attribut der Unfehlbarkeit nichtbesitzen kann, weil er ein Mensch ist. Und zur Natur des Menschen,wie Allah ihn erschaffen hat, gehört das Begehen von Fehlern unddas Vergessen dazu. Da der normale Mensch keinen Auftrag erhaltenhat, eine Botschaft von Gott zu verkünden, existiert auch kein Grundfür ihn, das Attribut der Unfehlbarkeit zu besitzen. Wenn jemand dieUnfehlbarkeit für sich in Anspruch n<strong>im</strong>mt, dann bedeutet dies, dass ermit einer Botschaft von Gott beauftragt wurde, was jedoch unzulässigist, da es nach MuÎammad keinen Propheten mehr geben wird. Sosagt der Erhabene:אא "[…] sondern ein Gesandter Allahs und das Siegel der Propheten!"(Sure al-AÎzÁb 33, Àya 40) Die Behauptung der Unfehlbarkeit bedingtsomit den Anspruch auf eine Gesandtschaft von Gott. Da der Gesand-64 Eine Handlung "gegen die bessere Art" zu begehen bedeutet, eine erlaubteHandlung zu tun, wobei in diesem Fall eine andere, ebenfalls erlaubte Handlungbesser gewesen wäre.135


te von Gott verkündet, ihm aber als Mensch bei der Verkündung vonGott Fehler und Irrtümer unterlaufen können, macht der Schutz dergöttlichen Botschaft vor Veränderung und Verwechslung währendder Verkündung die Unfehlbarkeit des Gesandten, d. h. seine Bewahrungvor Fehlern und Irregang, zwingend erforderlich. Allein aus diesemGrund ist die Unfehlbarkeit eine der notwendigen Eigenschafteneines Gesandten, und nur das Gesandtentum ergibt sich als zwingendeFolge daraus. Sollte die Unfehlbarkeit nun jemand anderem zugesprochenwerden – wobei bekanntlich nur die Verkündung der Botschaftvon Gott sie zwingend mit sich bringt –, so hat man dieser Persondamit gleichzeitig den Grund und die zwingende Folge aus derUnfehlbarkeit zugesprochen; nämlich die Verkündung einer göttlichenBotschaft. Somit hat man für diese Person behauptet, den Auftragzur Verkündung einer Botschaft von Gott erhalten zu haben. Ausdiesem Grund ist es unzulässig, bei einem Kalifen die Unfehlbarkeitvorauszusetzen, da dies für ihn bedeuten würde, beauftragt zu sein,eine Botschaft von Gott zu verkünden. <strong>Das</strong> (allein) würde die Unfehlbarkeitfür ihn notwendig machen − ein Umstand aber, der unzulässigist.Aus all dem wird deutlich, dass der Kalif ein Mensch ist, der Rechtesund Unrechtes begehen kann. Es ist für ihn zulässig, dass ihm – wieanderen Menschen auch – Dinge entfallen, dass er vergisst, lügt, Verratübt und Sünde begeht, weil er eben ein Mensch und kein Prophetoder Gesandter ist. Der Prophet hat selbst darüber berichtet, dassder Imam Fehler begehen kann und dass Ungerechtigkeit, Sündhaftigkeitund Ähnliches von ihm ausgehen können, wofür ihn die Menschenhassen und verdammen werden. Er erwähnte sogar, dass er offenenUnglauben begehen könnte. So berichtet Musl<strong>im</strong> von AbÙ Huraira,dass der Prophet sprach:אא،אאאA@אאDer Imam ist ein Schutzschild; man kämpft hinter ihm und schütztsich durch ihn. Wenn er Gottesfurcht anbefiehlt und gerecht ist, sowird ihm dafür ein Lohn gegeben. Sollte er jedoch anderweitiges befehlen,so trägt er dafür seine Schuld. <strong>Das</strong> macht klar, dass der Imamnicht unfehlbar ist und es möglich ist für ihn, anderes als Gottesfurchtzu befehlen. Musl<strong>im</strong> berichtet auch über ÝAbdullÁh, dass der GesandteAllahs sagte:136


אאWאאאאA@אא،אאW؟"Nach mir wird es Bevorrechtung geben und Dinge, die ihr ablehnt."Sie fragten: "O Gesandter Allahs! Was befiehlst du jenem, der vonuns das erlebt?" Er antwortete: "Erfüllt die Pflicht, die euch obliegtund bittet Allah um das, was euch zusteht." Auch berichtet Musl<strong>im</strong>über ÝAuf ibn MÁlik, dass der Gesandte Allahs sprach:א،،אAאK،אאא،אא،W؟@אא،א،"Die besten unter euren Imamen sind jene, die ihr liebt und die euchlieben, für die ihr betet und die für euch beten. Und die Schl<strong>im</strong>mstenunter euren Imamen sind jene, die ihr verabscheut und die euch verabscheuen,die ihr verflucht und die euch verfluchen." Sie fragten: "OGesandter Allahs, sollen wir sie nicht mit dem Schwerte bekämpfen?"Er antwortete: "Nein, solange sie das Gebet aufrecht halten!Wenn ihr von eurem Herrscher etwas seht, was ihr ablehnt, so lehntseine Handlung ab, zieht jedoch keine Hand aus dem Gehorsam." Al-BuÌÁrÐ berichtet von ¹unÁda ibn AbÐ Umayya, dass er sagte: "Wirtraten zu ÝUbÁda ibn al-ÑÁmit ein, als er krank war, und baten ihn:'Möge Allah dich läutern, erzähle uns einen ÍadÐ×, mit dem Allah dirNutzen bringt, den du vom Propheten gehört hast.' Da sprach er:אאאאW،אAאאאאW،אאא،،، @אא'Der Prophet rief uns zur BaiÝa auf und wir gaben sie ihm. Zu dem,wofür er uns die Bai Ý a abnahm, zählte, dass wir hören und gehorchen,in allem, was uns lieb und unlieb ist, <strong>im</strong> Leichten wie <strong>im</strong> Schwierigen,auch auf die Bevorzugung (der Befehlshaber) uns selbst gegenüberhin, und dass wir die Befehlsgewalt jenen, die sie innehaben,nicht streitig machen. Er ergänzte: "Es sei denn, ihr seht einen offenkundigenKufr, für den ihr von Allah einen klaren Beleg habt!'" Undvon ÝÀÞiša wird berichtet, dass der Gesandte Allahs sagte:137


אKא،אאאאאAאאאא@ "Wendet die ËudÙd-Strafen von den Musl<strong>im</strong>en ab, so gut ihr könnt.Wenn er (der Beschuldigte) einen Ausweg hat, so lasst ihn ziehen.<strong>Das</strong>s dem Imam bei einem Strafverzicht ein Fehler widerfährt, istbesser, als wenn es bei einer Bestrafung geschieht." (TirmiÆÐ) DieseÍadÐ×e legen offen dar, dass es für den Imam zulässig ist, Fehler zubegehen, zu vergessen oder Sündhaftes zu tun. Trotzdem hat der Prophet befohlen, am Gehorsam ihm gegenüber festzuhalten, solangeer nach dem <strong>Islam</strong> regiert, kein offenkundiger Unglaube von ihm ausgehtund er zu keiner Sünde befiehlt. Kann nach all diesen Berichtendes Gesandten über die Kalifen – dass Taten von ihnen ausgehenwerden, die die Musl<strong>im</strong>e ablehnen, er aber dennoch zum Gehorsamihnen gegenüber verpflichtet –, kann nach all dem noch behauptetwerden, dass der Kalif unfehlbar sein muss und für ihn nicht das gilt,was für andere Menschen zulässig ist? <strong>Das</strong> Kalifat ist demzufolge definitivein menschlicher und kein göttlicher Staat.138


Im <strong>Islam</strong> ist die Führung individuell und nichtkollektivDie Wörter al-QiyÁda (Führung), al-RiÞÁsa (Oberhaupt) und al-ImÁra(Befehlsgewalt) haben (<strong>im</strong> Arabischen) die gleiche Bedeutung. Auchbedeuten (die daraus abgeleiteten Subjektformen) al-QÁÞid (der Führer),al-RaÞÐs (das Oberhaupt) und al-AmÐr (der Befehlshaber) ein unddasselbe. Allerdings ist das Wort al-ËilÁfa (das Kalifat) – wenngleiches eine allgemeine Führerschaft für alle Musl<strong>im</strong>e auf der Welt verkörpert– in seiner Bedeutung spezifischer als das Wort al-ImÁra, unddas Wort al-ËalÐfa (Kalif) ist auch spezifischer als das Wort al-AmÐr(Befehlshaber). al-ImÁra (die Befehlsgewalt) kann sich nämlich aufdas Kalifat und auch auf andere Führungsarten beziehen, wie die Armeeführung,die Führung einer WilÁya (Provinz) oder einer Gemeinschaft.<strong>Das</strong> Wort al-ImÁra ist demnach in seiner Bedeutung umfassenderals das Kalifat. Ebenso kann das Wort AmÐr sowohl den Kalifenals auch den Provinzgouverneur (AmÐr al-WilÁya), den Armeekommandanten(AmÐr al-¹aiš), den Führer einer Gemeinschaft (AmÐral-¹amÁÝa) oder den Leiter einer Reisegruppe (AmÐr al-Safar) bezeichnen.Demzufolge ist das Wort al-AmÐr in seiner Bedeutung auchumfassender als das Wort al-ËalÐfa (der Kalif).Der <strong>Islam</strong> legt definitiv fest, dass der Führer, das Oberhaupt oder derBefehlshaber in einem Befugnisbereich stets ein Einziger ist. Er erlaubtes nicht, dass es mehrere Personen gleichzeitig sind. Die so genannte"kollektive Führung" oder "Vorstandsgruppe" kennt der <strong>Islam</strong>nicht. Die Führung <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist rein individueller Natur. Der Führer,das Oberhaupt bzw. der Befehlshaber müssen also stets eine Personsein. Es ist unzulässig, dass es mehrere Personen gleichzeitig sind.Beweis dafür sind sowohl die Aussagen als auch die Handlungen desPropheten. AÎmad berichtet von ÝAbdullÁh ibn ÝAmr, dass der GesandteAllahs sagte: @אאאA"Drei Leuten ist es nicht erlaubt in einer Einöde zu sein, ohne dass sieeinen von ihnen als Befehlshaber aufstellen." AbÙ DÁwÙd berichtetüber AbÙ SaÝÐd, dass der Gesandte Allahs sprach:139


@אאאA"Wenn sich drei auf eine Reise begeben, dann sollen sie einen von ihnenzum Befehlshaber best<strong>im</strong>men." Al-BazzÁr berichtet von ÝAbdullÁhibn ÝUmar, dass der Gesandte Allahs sagte: @אאאאA"Wenn sich drei auf einer Reise befinden, dann sollen sie einen vonihnen zum Befehlshaber best<strong>im</strong>men." All diese ÍadÐ×e sind klareTextbelege dafür, dass der Befehlshaber nur einer sein darf: @אאאKKKA"[…] ohne dass sie einen von ihnen als Befehlshaber aufstellen." @אאA"[…] dann sollen sie einen von ihnen zum Befehlshaber best<strong>im</strong>men." @אאA"[…] dann sollen sie einen von ihnen zum Befehlshaber best<strong>im</strong>men."<strong>Das</strong> Wort AÎad <strong>im</strong> Arabischen bedeutet "ein Einziger"; es bezeichnetdie Anzahl eins und nicht mehr. Aus dem Umkehrschluss bzw. derGegenbedeutung des Textes (MafhÙm al-MuÌalafa) wird das klar erkennbar.Der Umkehrschluss wird bei Zahlen und Attributen auch ohneTextbeleg angewendet, wie beispielsweise bei der folgenden Àya: א"Sprich: 'Es ist Allah, der Eine (Ahad)'" (Sure al-IÌlÁÒ 112, Àya 1), dasheißt, es gibt keinen Zweiten. Der Umkehrschluss aus einem Textwird nur dann ausgesetzt, wenn ein anderer Textbeleg existiert, derihn nichtig macht. Als Beispiel sei die folgende Aussage Allahs angeführt:אא "Und zwingt eure Sklavinnen nicht zur Unkeuschheit, wenn sie einehrbares Leben führen wollen." (Sure al-NÙr 24, Àya 33) Der Umkehrschlussaus dieser Àya wäre, dass man die Sklavinnen zur Unkeuschheitzwingen könne, wenn sie kein ehrbares Leben führen wollen.Diese Gegenbedeutung ist jedoch durch den folgenden Vers ausgesetztworden:140


אא"Und nähert euch nicht der Unzucht. Sie ist wahrlich abscheulich undein übler Handlungsweg." (Sure al-IsrÁÞ 17, Àya 32) Solange aber keinTextbeleg vorhanden ist, der die Gegenbedeutung aussetzt, ist siegültig. Beispiel dafür ist die folgende Aussage Allahs: אאאא אא"Die Unzüchtige und den Unzüchtigen, so geißelt jeden von ihnenmit hundert Peitschenhieben." (Sure al-NÙr 24, Àya 2) Die Geißelung inder Àya ist an eine best<strong>im</strong>mte Anzahl geknüpft worden, nämlich hundertPeitschenhiebe. Diese Bindung an eine best<strong>im</strong>mte Zahl belegt,dass es unzulässig wäre, mehr als hundert Peitschenhiebe zu verabreichen.Demzufolge belegen die betreffenden ÍadÐ×-Aussagen des Gesandten @אאA"[…] ohne dass sie einen von ihnen als Befehlshaber aufstellen." @אאאKKKA"[…] dann sollen sie einen von ihnen zum Befehlshaber best<strong>im</strong>men." @אאA"[…] dann sollen sie einen von ihnen zum Befehlshaber best<strong>im</strong>men."<strong>im</strong> Umkehrschluss, dass es den Musl<strong>im</strong>en nicht erlaubt ist, mehr alseinen Befehlshaber aufzustellen. Daraus folgt, dass die Befehlsgewalt,die Führung bzw. das Amt des Oberhauptes <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> bei einerPerson liegen muss. Gemäß der wörtlichen (ManÔÙq) und sinngemäßen(MafhÙm) Bedeutung der ÍadÐ×e ist es vollkommen unzulässig,dass es mehrere Personen sind. Dies wird auch durch die Handlungsweisedes Propheten bestätigt. So hat er in allen Fällen, in denen erBefehlsgewalt übertrug, diese stets nur an eine Person übertragen.Niemals hat er für einen Aufgabenbereich mehr als eine Person zumBefehlshaber ernannt.Was den ÍadÐ× betrifft, in dem berichtet wird, dass der Gesandte AllahsMuÝÁÆ und AbÙ MÙsÁ in den Jemen entsandte und ihnen sagte: @אאאאA"Erleichtert es (den Menschen) und erschwert es (ihnen) nicht. SeidFrohbotschafter und nicht abstoßend. Bemüht euch!", so hat der Ge-141


sandte jeden von ihnen in eine andere Gegend des Jemen entsandtund nicht in dieselbe. Diesen ÍadÐ× nämlich hat al-BuÌÁrÐ in zweiFormulierungen überliefert. In einer von ihnen wird offen erwähnt,dass er sie in zwei verschiedene Gegenden entsandte. So heißt esdort: "MÙsÁ berichtete uns über AbÙ ÝUwÁna, ÝAbd al-Malik und AbÙBuraida, dass dieser sagte:אWאאאאAאא،אא،אאW، @'Der Gesandte Allahs entsandte AbÙ MÙsÁ und MuÝÁÆ in den Jemen.Er entsandte jeden von ihnen in eine Provinz (MiÌlÁf). – Der Jemenbesteht aus zwei Provinzen. Der Gesandte sprach (zu ihnen): "Erleichtertes den Menschen und macht es ihnen nicht schwer. Seid Frohbotschafterund nicht abstoßend." So zog jeder von ihnen seiner Aufgabeentgegen.'" Demzufolge ist es unzulässig, dass es für eine Aufgabezwei Führungspersonen gibt oder an einem Ort zwei Oberhäupter.Der Führer, das Oberhaupt oder der Befehlshaber dürfen nur einePerson sein. Es ist islamrechtlich verboten, dass es mehr als einer ist.Was sich heute in den Ländern der islamischen Welt verbreitet hat,wie die Errichtung einer kollektiven Führung mit Entscheidungsbefugnisunter der Bezeichnung "Rat", "Komitee", "Führungsgremium"oder Ähnlichem, steht <strong>im</strong> Widerspruch zum islamischen Gesetz. DieFührung wurde in diesem Fall auf den Rat, das Komitee oder dasGremium übertragen, auf eine Gruppe also, was durch die klaren ÍadÐ×-Aussagenverboten ist. Wenn aber dieses Komitee, dieser Rat oderdieses Gremium zur (besseren) Bewältigung der Aufgaben, zur Beratungund zur Sachdiskussion gegründet wurde, so ist es zulässigund zum <strong>Islam</strong> dazugehörend. Die Musl<strong>im</strong>e sind dafür gelobt worden,dass ihre Angelegenheit unter ihnen beraten wird. Der Schluss, zudem dieses Gremium gelangt, ist von seiner Verbindlichkeit her so zubehandeln, wie es <strong>im</strong> Kapitel "Der Rechtsspruch bezüglich der ŠÙrÁ "in diesem Buch dargelegt wird.142


Al-MuÝÁwinÙn – die AssistentenDie MuÝÁwinÙn sind die Helfer, die der Kalif ernennt, um ihn be<strong>im</strong>Tragen der Bürde des Kalifats und be<strong>im</strong> Erfüllen seiner Aufgaben zuunterstützen. Die Fülle der Aufgaben, die mit dem Kalifat verbundensind – insbesondere wenn der Kalifatsstaat wächst und sich ausdehnt– vermag der Kalif alleine schwerlich zu tragen. Er benötigt Leute,die ihm dabei zur Seite stehen und ihn bei der Erfüllung der Aufgabendes Kalifats unterstützen. Ihre Ernennung gehört zu den erlaubtenDingen <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>.Die MuÝÁwinÙn, die der Kalif ernennt, um ihn bei der Erfüllung derKalifatspflichten zu unterstützen, teilen sich in zwei Kategorien:Bevollmächtigte Assistenten und VollzugsassistentenDer MuÝÁwin al-TafwÐà – der VollmachtsassistentDer MuÝÁwin al-TafwÐà ist der Assistent, den der Kalif ernennt, ummit ihm die Herrschafts- und Regierungsverantwortung zu übernehmen.Er überträgt ihm die Vollmacht, die Angelegenheiten nach seinerMeinung zu entscheiden und sie nach eigener Rechtssauffassunggemäß den Gesetzen des islamischen Rechts zu erledigen.Die Aufstellung eines MuÝÁwin gehört zu den erlaubten Dingen. DemKalifen steht es zu, einen Assistenten zu ernennen, der ihn bei seinenVerantwortungen und Tätigkeiten unterstützt und zur Seite steht. Al-ÍÁk<strong>im</strong> und al-TirmiÆÐ berichten über AbÙ SaÝÐd al-ËudarÐ, dass derGesandte Allahs sagte: @אאאA"Meine WazÐre unter den H<strong>im</strong>melsbewohnern sind Gabriel und Michaelund unter den Erdenbewohnern AbÙ Bakr und ÝUmar." <strong>Das</strong>Wort WazÐr <strong>im</strong> ÍadÐ× bedeutet Unterstützer und Helfer, was auch diesprachliche Bedeutung des Wortes ist. Der Koran hat das Wort WazÐrauch in dieser sprachlichen Bedeutung verwendet. So heißt es:143


אא"Und verschaffe mir aus meiner Familie einen 'Wesir'." (Sure ÓÁhÁ 20,Àya 29) <strong>Das</strong> bedeutet: einen Unterstützer und Helfer. <strong>Das</strong> Wort WazÐr<strong>im</strong> ÍadÐ× ist unbest<strong>im</strong>mt erfolgt; es umfasst irgendeine Unterstützungbzw. Hilfe in irgendeiner Angelegenheit; dazu gehört auch die Unterstützungdes Kalifen bei den Pflichten des Kalifats und seinen Aufgaben.AbÙ SaÝÐds ÍadÐ× gilt nicht spezifisch für die Unterstützungbe<strong>im</strong> Regieren, denn Gabriel und Michael sind die Helfer des GesandtenAllahs <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel, was nichts mit seiner Unterstützung beiRegierungstätigkeiten zu tun hat. Deswegen beinhaltet das Wort WazÐrai<strong>im</strong> ÍadÐ× nur die sprachliche Bedeutung, also "meine Helfer"bzw. "meine Assistenten". Die Heranziehung eines Helfers oder Assistentendurch eine Person für die Erledigung irgendeiner beliebigenTätigkeit gehört zu den erlaubten Dingen. Ebenso ist es erlaubt, einenRegierungsassistenten heranzuziehen. Die Heranziehung AbÙ Bakrsund ÝUmars als Assistenten seitens des Propheten weicht ebenfallsnicht von der sprachlichen Bedeutung des Wortes ab. So trat ihreÜbernahme von Regierungsverantwortung neben der Person des Propheten nicht zutage. <strong>Das</strong>s er sie aber als WazÐre, als Helfer, für sichherangezogen hat, gibt ihnen die Befugnis, ihm in allen Angelegenheitenbehilflich zu sein, inklusive den Angelegenheiten und Tätigkeitender Regierungsausübung. Ihre Aufstellung als WazÐre belegt,dass es dem Kalifen gestattet ist, Personen zu ernennen, die ihn beiden Regierungsaufgaben unterstützen und behilflich sind. Als AbÙBakr das Kalifat übernahm, zog er ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb als Assistentenzu Hilfe. Seine Unterstützungsfunktion trat so deutlich in Erscheinung,dass einige ÑaÎÁba AbÙ Bakr fragten: "Wir wissen nicht mehr,ist nun ÝUmar der Kalif oder bist es du?" Nachdem ÝUmar das Kalifatübernahm, waren ÝU×mÁn und ÝAlÐ seine Assistenten. Allerdings zeigtesich nicht, dass irgendeiner von beiden Assistenztätigkeiten fürÝUmar in Regierungsangelegenheiten übernahm. Ihre Situation wareher mit der AbÙ Bakrs und ÝUmars zur Zeit des Gesandten vergleichbar.In den Tagen ÝU×mÁns waren ÝAlÐ und MarawÁn ibn al-Íakamseine Assistenten. ÝAlÐ hielt sich fern, da er mit einigen Dingennicht einverstanden war. MarawÁn ibn al-Íakam hingegen trat in seinerAssistenztätigkeit für ÝU×mÁn bei Regierungsangelegenheitendeutlich in Erscheinung.144


Wenn der Kalif eine Person als Assistenten in Regierungsangelegenheitenheranzieht, so hat er ihm eine umfassende Vertretungsvollmachtbei der Betreuung der Regierungsangelegenheiten zu übertragen.Mit dieser Vollmacht wird die betreffende Person zu einem Helfer;zum bevollmächtigten Assistenten des Kalifen (MuÝÁwin TafwÐÃ).Seine Befugnisse entsprechen denen des Kalifen. Er besitzt sieallerdings nicht wie der Kalif in eigener Person, sondern durch seineBevollmächtigung zur Assistenztätigkeit seitens des Kalifen. Wennder Kalif beispielsweise sagt: "Ich habe jene Person zu meinem bevollmächtigtenHelfer oder bevollmächtigten Assistenten ernannt"oder: "Vertrete mich in allem, was mir zufällt" oder es ähnlich ausdrückt,so sind dem Assistenten damit alle Befugnisse des Kalifats inVertretung zugeteilt worden. Al-MÁwirdÐ nannte es in seinem WerkAl-Ahkām al-SulÔÁniyya "die bevollmächtigte Assistenz" (WizÁratual-TafwÐÃ) und definierte sie auch in dieser Weise. So sagt er: "Wasdie WizÁratu al-TafwÐÃ betrifft, so erfolgt sie, wenn der Imam jemandenzu Hilfe zieht, den er zur Leitung der Angelegenheiten nach eigenerMeinung und Rechtsansicht bevollmächtigt."Dies ist die Realität des bevollmächtigten Assistenten. Er hilft demKalifen in allen Angelegenheiten des Kalifats und hat die Befugnis,alle mit dem Kalifat verbundenen Tätigkeiten zu vollziehen. Dabei istes unerheblich, ob er ihn zu einer best<strong>im</strong>mten Tat bevollmächtigt hatoder nicht, da er vom Kalifen eine umfassende Vollmacht erhaltenhat. Allerdings hat er den Kalifen über jede Tätigkeit, die er vollzieht,zu informieren, da er der Assistent des Kalifen und nicht der Kalifselbst ist. Er darf sich nicht selbständig machen, sondern muss denKalifen über jede Handlung – sei sie geringfügig oder folgenschwer –in Kenntnis setzen, da die Leitung der Regierungsangelegenheitendem Kalifen (und nicht ihm) übertragen wurde.Diese islamrechtliche Realität des MuÝÁwin bzw. WazÐr unterscheidetsich vollkommen von der Realität eines Ministerrates (WizÁra) <strong>im</strong> demokratischenSystem. Der Ministerrat <strong>im</strong> demokratischen System istdie Regierung. Er besteht aus einer Gruppe von Personen, die in ihrerEigenschaft als eine spezifische Gruppe die Regierungstätigkeit übern<strong>im</strong>mt.<strong>Das</strong> Regieren kommt bei ihnen dem Kollektiv und nicht derEinzelperson zu. Die Befehlsgewalt (al-ImÁra) ist somit kollektiverund nicht individueller Natur. Demzufolge ist der Regent, dem sämtlicheRegierungsbefugnisse zukommen, der Ministerrat, d. h. die Ge-145


samtheit der versammelten Minister. Keiner von ihnen besitzt die gesamteRegierungsbefugnis alleine, vielmehr liegt die komplette Regierungsvollmachtausschließlich be<strong>im</strong> versammelten Ministerrat.Der einzelne Minister hingegen ist für einen best<strong>im</strong>mten Regierungsbereichzuständig. Dort besitzt er nur jene Vollmachten, die ihm seitensdes versammelten Ministerrats zugebilligt wurden. Was ihm indiesem Bereich an Befugnissen nicht gewährt wurde, bleibt weiterhin<strong>im</strong> alleinigen Zuständigkeitsfeld des Ministerrates. So besitzt der Justizministerbeispielsweise gewisse Befugnisse in seinem Ministerium.Allerdings gibt es dort Dinge, die sich seiner Zuständigkeit entziehenund deren Entscheidung allein be<strong>im</strong> versammelten Ministerrat liegt.<strong>Das</strong> ist die Realität der Ministerialregierung <strong>im</strong> demokratischen System.Der fundamentale Unterschied zwischen diesem System und derWizÁra <strong>im</strong> System des <strong>Islam</strong> ist nun deutlich erkennbar. Mit anderenWorten wird nun der gewaltige Unterschied zwischen dem Wort "Minister"(ins Arabische auch mit al-WazÐr übersetzt) <strong>im</strong> demokratischenSystem und dem Wort al-WazÐr bzw. al-MuÝÁwin <strong>im</strong> Systemdes <strong>Islam</strong> klar ersichtlich. Al-WazÐr bzw. al-WizÁra <strong>im</strong> islamischenSystem bedeutet Assistent des Kalifen in ausnahmslos all seinen Tätigkeiten.Er vollzieht sie und informiert den Kalifen über seine gesamtenHandlungen. Diese Vollmacht ist individueller Natur, die derEinzelperson zukommt. Wenn sie mehreren Personen übertragenwird, dann kommt jedem einzelnen von ihnen das zu, was dem Kalifenselbst zukommt. Die Regierung <strong>im</strong> demokratischen System bestehtaus einem Kollektiv und nicht aus einer einzelnen Person. DemMinister (al-WazÐr) <strong>im</strong> demokratischen System fällt nur ein best<strong>im</strong>mterBereich der Regierungstätigkeit zu. Auch fällt er ihm nicht zurGänze zu, sondern nur zum Teil. Der gewaltige Unterschied zwischendem WazÐr- bzw. dem WizÁra-Verständnis <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> und der Bedeutungdieser Wörter <strong>im</strong> demokratischen System ist klar und deutlicherkennbar. Nachdem aber die demokratische Bedeutung der Wörteral-WazÐr bzw. al-WizÁra bei den Menschen vorherrscht und bei Erwähnungdieser Begriffe allein sie in den Sinn kommt – wie auch zurEl<strong>im</strong>inierung von Missverständnissen und zur ausschließlichen Festlegungder islamrechtlichen Bedeutung – ist es unzulässig, für denAssistenten des Kalifen die offene Bezeichnung al-WazÐr bzw. al-WizÁrazu verwenden, ohne sie näher zu attribuieren. Vielmehr muss dieBezeichnung MuÝÁwin verwendet werden, was der eigentlichen Bedeutungentspricht, oder es wird der Bezeichnung WazÐr bzw. WizÁraein Attribut beigefügt, das die demokratische Bedeutung des Be-146


griffes ausschließt und allein die islamrechtliche festlegt. Aus all demGesagten wird deutlich, dass der MuÝÁwin jene Person ist, der dieVertretungsbefugnis in allen Staatsangelegenheiten übertragen wird,und zwar für sämtliche Landesteile, die der Staatsgewalt unterliegen.Deswegen wählten die Gelehrten die Formulierung: "Der Kalif überträgtdem MuÝÁwin eine umfassende Vollmacht als sein Vertreter".<strong>Das</strong> Amt des MuÝÁwin bedeutet in der Realität also, den Kalifen zuvertreten und zwar umfassend in allen Staatsangelegenheiten. Somitist der MuÝÁwin ein Regent in Assistenz.Die Voraussetzungen des MuÝÁwin al-TafwÐÃFür den MuÝÁwin al-TafwÐà (bevollmächtigter Assistent) gelten diegleichen Voraussetzungen wie für den Kalifen. Er muss also Musl<strong>im</strong>,männlich, frei, geschlechtsreif, zurechnungsfähig und rechtschaffensein, fähig, die Bürde seines Amtes zu tragen. Darüber hinaus muss erzu jenen gehören, die den ihnen übertragenen Aufgaben genügenkönnen.Die Rechtsbelege für diese Bedingungen sind die gleichen, die auchfür den Kalifen gelten. Er muss ein Mann sein, weil der Gesandtesagte: @אאאA"Kein Volk wird erfolgreich sein, das seine Befehlsgewalt einer Frauüberträgt." (Von al-BuÌÁrÐ über den Weg von AbÙ Bakra überliefert.)Er muss frei sein, da der Sklave über seine eigenen Angelegenheitennicht verfügen kann. So kann er mit besserem Recht nicht über dieAngelegenheiten anderer entscheiden. Er muss geschlechtsreif sein,weil der Prophet sagte:א،א،אWאA @"Von Dreien ist die Feder enthoben worden: Vom Schlafenden, bis ererwacht, vom Kind, bis es geschlechtsreif wird und vom Irren, bis erzu Sinnen kommt." (AbÙ DÁwÙd) Wegen selbigem ÍadÐ× muss er auchbei Verstand sein: @אKKKA"[…] und vom Irren, bis er zu Sinnen kommt." In einer anderen Überlieferungheißt es:147


@KKKאאKKKA"[…] und vom Irren, der seinen Verstand verlor, bis er zu sichkommt." Er muss auch rechtschaffen sein, weil Allah die Rechtschaffenheitbei der Zeugenaussage zur Voraussetzung machte. So sagt Er: א "Und ruft zwei rechtschaffene Leute aus eurer Mitte zu Zeugen." (Sureal-ÓalÁq 65, Àya 2). Mit besserem Grund muss die Rechtschaffenheitauch be<strong>im</strong> MuÝÁwin des Kalifen vorausgesetzt werden. Be<strong>im</strong> MuÝÁwinist es ebenfalls Voraussetzung, dass er den Regierungsaufgabengenügen kann, damit er wirklich <strong>im</strong> Stande ist, den Kalifen be<strong>im</strong> Tragender Last des Kalifats und bei der Übernahme der Regierungs- undHerrschaftsverantwortung zu unterstützen.Ernennungsregeln für den MuÝÁwin al-TafwÐÃBei der Ernennung des bevollmächtigten Assistenten (MuÝÁwin al-TafwÐÃ) müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Zum einen muss erdie Vollmacht für eine allgemeine Zuständigkeit erhalten (ÝUmÙm al-NaÛar), zum anderen muss seine Ernennung Vertretungscharakter besitzen.Deswegen muss ihn der Kalif mit den folgenden Worten ernennen:"Ich übergebe dir das, was mir zufällt, in meiner Vertretung."Er kann auch andere, bedeutungsgleiche Worte verwenden, solangesie die allgemeine Zuständigkeitsvollmacht und den Vertretungscharakterbeinhalten. Wenn die Ernennung nicht auf diese Ichse erfolgt,dann ist er kein MuÝÁwin. Die Befugnisse eines Assistenten besitzt ernur, wenn er auf diese Weise ernannt wurde.Beweis dafür ist die Realität der Tätigkeit eines MuÝÁwin. Er ist Vertreterdes Kalifen; die Vertretung stellt hierbei einen Vertrag dar. Verträgewerden aber nur durch eine klare Formulierung gültig. Für dieErnennung eines MuÝÁwin ist es deswegen erforderlich, dass sie mitWorten erfolgt, die den Vertretungscharakter des MuÝÁwin gegenüberdem Kalifen darlegen. Darüber hinaus belegt die Realität des MuÝÁwindass er alle Regierungsbefugnisse des Kalifen besitzt. Deshalbmuss die Ernennung auch umfassend für alle Bereiche erfolgen, d. h.,sie muss durch Wörter geschehen, die auf die allgemeine Zuständigkeithinweisen. Sie muss also eine Formulierung beinhalten, die be-148


legt, dass er alle Regierungsbefugnisse innehat. So kann der Kalifihm beispielsweise sagen: "Ich übertrage dir das, was mir zufällt, inmeiner Vertretung" oder: "Ich ziehe dich als meinen Vertreter zuHilfe" oder ähnliche Formulierungen. Wenn er ihm lediglich die allgemeineZuständigkeit überträgt, ohne sie mit den Worten "in meinerVertretung" zu ergänzen, dann entspricht es einem Thronfolge- undkeinem Assistenzvertrag. Die Thronfolge ist <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> aber ungültig.Somit wäre eine Ernennung in dieser Form ebenfalls ungültig. Wenner sich bei der Ernennung aber nur auf die Vertretungsbefugnis beschränkt,ohne die umfassende Zuständigkeit klar zu erwähnen, so hater den Vertretungsinhalt verschleiert, ob die Vertretungsbefugnis nunumfassend oder spezifisch, mit der Entscheidungsvollmacht oder lediglich<strong>im</strong> Vollzug erfolgt ist. Auch in diesem Fall wurde der Assistenzvertragnicht vollzogen. Wenn er ihm sagt "Vertrete mich in denGerichts-, den Polizei- und den Erziehungsangelegenheiten" oderÄhnliches, so ist der Assistenzvertrag damit ebenso nicht vollzogenund die Person nicht zum MuÝÁwin al-TafwÐÃ ernannt. Die Ernennungdes MuÝÁwin al-TafwÐÃ muss deshalb durch Formulierungen erfolgen,die auf die Realität des MuÝÁwin deutlich hinweisen, nämlich dieVertretung des Kalifen und die Übernahme aller Befugnisse, die demKalifen zukommen. Der Assistenzvertrag des MuÝÁwin al-TafwÐÃmuss also durch eine Formulierung erfolgen, die zwei Bedingungenerfüllt: zum einen die umfassende Zuständigkeit, zum anderen dieVertretungsvollmacht. Wenn die Ernennungsformulierung beide Bedingungennicht deutlich beinhaltet, ist der Assistenzvertrag für denVollmachtsassistenten nicht vollzogen. Da die Existenz mehrerer Assistentengrundsätzlich erlaubt ist, ist es für den Kalifen zulässig, einenoder auch mehrere Assistenten zu ernennen. Wenn er mehr alseinen MuÝÁwin ernennt, so erhält jeder von ichnen die umfassendeZuständigkeit, die auch dem Kalifen zukommt. Es steht diesemjedoch nicht zu, sie zu Assistenten in Gemeinschaft zu ernennen, weilihre Vollmachtsbefugnis umfassender Natur ist und dieRegierungsübernahme <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> individuell erfolgt. Wenn er sie aufdiese Weise ernennt, ist die Ernennung für sie beide ungültig, da esum die Ernennung eines Befehlshabers (AmÐr) geht, und die Ernennungzum Befehlshaber (in einem Bereich) kann stets nur für einePerson erfolgen. So hat der Prophet gesagt:149


@אאA"[…] dann sollen sie einen von ihnen zum Befehlshaber best<strong>im</strong>men."und: @אאאKKKA"[…], ohne dass sie einen von ihnen als Befehlshaber best<strong>im</strong>men."Die individuelle Ernennung stellt eine Bedingung für die Gültigkeitder Befehlsübertragung dar.Die Tätigkeit des MuÝÁwin al-TafwÐÃDie Tätigkeit des bevollmächtigten Assistenten umfasst, den Kalifendarüber zu informieren, was er an Maßnahmen beabsichtigt zu tun,und ihn auch darüber in Kenntnis zu halten, was er an Maßnahmenbereits vollzogen und an Ernennungen bzw. Aufstellungen unternommenhat. Dies ist deswegen erforderlich, damit er in seinerMachtbefugnis nicht dem Kalifen gleichkommt. So hat er seineHandlungsabsichten vorzulegen und sie durchzuführen, solange derKalif ihn von der Durchführung nicht abhält.Beweis dafür ist die Realität des Assistenten, der ja ein Vertreter desKalifen ist. Der Vertreter vollzieht die Handlungen aber stets in Vertretungseines Mandanten. Somit ist der MuÝÁwin nicht unabhängigvom Kalifen, sondern hat ihn über alle Handlungen zu informieren,genauso wie es ÝUmar gegenüber AbÙ Bakr tat, als er dessen MuÝÁwinwar. Er informierte AbÙ Bakr über seine Vorhaben und vollzog sienach seinem Ermessen. Den Kalifen in Kenntnis zu setzen, bedeutetnicht, ihn in jedem spezifischen Detail um Erlaubnis zu bitten. <strong>Das</strong>würde der Realität eines Assistenten widersprechen. Vielmehr bedeutetes, ihn über die anstehenden Angelegenheiten (generell) zu informieren,wie z. B. die Notwendigkeit, für eine Provinz einen fähigenGouverneur zu ernennen, den Nahrungsmangel, über den dieMenschen klagen, auf den Märkten zu beheben und Ähnliches, waszu den Staatsangelegenheiten gehört. Er kann dem Kalifen auch dieAngelegenheiten bloß vortragen, damit er über sie Kenntnis hat undweiß, was sie beinhalten. Diese allgemeine Darlegung reicht, um danachalles in den Einzelheiten durchzuführen, ohne eine besondereVollzugserlaubnis abzuwarten. Wenn aber der Befehl ergeht, die Vorlagenicht durchzuführen, dann darf sie nicht vollzogen werden. Die150


Vorlage dient nur zur Darlegung der Angelegenheiten bzw. zurKenntnisnahme. Sie entspricht aber keiner Erlaubniseinholung zumHandlungsvollzug. Der MuÝÁwin kann die Vorlage durchführen,wenn ihn der Kalif von der Durchführung nicht zurückhält.Der Kalif muss die Tätigkeiten des MuÝÁwin al-TafwÐà und seine Entscheidungsweisenin den verschiedenen Angelegenheiten kontrollieren,um das Richtige davon zu bestätigen und die Fehler zu beheben.Die Leitung der Angelegenheiten der Umma obliegt nämlich demKalifen und ist auf seine Meinung und Rechtsauffassung zurückzuführen.Dies geht aus dem ÍadÐ× über die Verantwortung gegenüber den Bürgernhervor. So sagt der Gesandte Allahs : @אאA"Der Imam ist ein Hüter und für seine Bürger verantwortlich." DieLeitung und Durchführung der Angelegenheiten obliegt somit demKalifen; er ist für die Bürger verantwortlich. Der bevollmächtigte Assistent(MuÝÁwin al-TafwÐÃ) trägt keine Verantwortung für die Bürger,sondern ist lediglich für seine Handlungen verantwortlich. DieVerantwortung für die Bürger trägt allein der Kalif. Deswegen mussdieser die Handlungen und Entscheidungen seines Assistenten kontrollieren,um seine Verantwortung gegenüber seinen Bürgern zu erfüllen.Auch kann der bevollmächtigte Assistent Fehler begehen. Indiesem Fall wird es notwendig, diesen Fehler zu beseitigen, was abernur durch die Kontrolle all seiner Handlungen möglich ist. Aus diesenbeiden Gründen also – der Wahrnehmung der Verantwortung gegenüberden Bürgern und der Beseitigung von Fehlern, die vom Assistentenausgehen – ist es für den Kalifen verpflichtend, sämtlicheHandlungen des Assistenten zu überwachen.Wenn der bevollmächtigte Assistent eine Angelegenheit entscheidetund der Kalif sie akzeptiert, so kann er sie so vollziehen, wie es derEinwilligung des Kalifen entspricht, ohne Zusatz oder Abschlag.Sollte der Kalif dem Assistenten nachträglich in einer vollzogenenAngelegenheit widersprechen, dann muss Folgendes erörtert werden:Geht es um eine Entscheidung, die der Assistent rechtmäßig vollzogenhat, oder um einen Geldbetrag, den er einer korrekten Mündungzufließen ließ, so ist die Meinung des bevollmächtigten Assistenten151


vollzugspflichtig, da es sich <strong>im</strong> Ursprung um die Meinung des Kalifenhandelt, und dem Kalifen steht es nicht zu, bereits vollzogeneEntscheidungen rückgängig zu machen oder schon ausgegebene Gelderzurückzufordern. Wenn das, was der MuÝÁwin durchgeführt hat,aber andere Bereiche betrifft, wie die Ernennung eines Gouverneursoder die Vorbereitung einer Armee, so ist es dem Kalifen erlaubt,dem bevollmächtigten Assistenten zu widersprechen und seine eigeneMeinung durchzuführen. Der Beschluss des Assistenten wird dabeiaufgehoben. Der Kalif hätte in diesem Fall das Recht, seine eigeneEntscheidung zurückzunehmen; so steht es ihm auch zu, die Handlungseines Vollmachtsassistenten rückgängig zu machen.Dies war eine Beschreibung der V<strong>org</strong>ehensweise des MuÝÁwin al-TafwÐÃ be<strong>im</strong> Vollzug seiner Tätigkeiten. Es wurde auch die Art dargelegt,in der der Kalif die Tätigkeiten des MuÝÁwin zu kontrollierenhat. Abgeleitet wurde dies von den Handlungen des Kalifen selbst:was er von seinen eigenen Handlungen rückgängig machen kann undwas nicht, denn die Handlungen des MuÝÁwin sind <strong>im</strong> Grunde Handlungendes Kalifen. So ist es dem MuÝÁwin erlaubt, selber Regierungsentscheidungenzu treffen und Regierungspersonen zu ernennen,wie es auch dem Kalifen erlaubt ist, denn die Regierungsvoraussetzungenwerden auch vom MuÝÁwin erfüllt. Er kann auch Ungerechtigkeiten(MaÛÁl<strong>im</strong>) untersuchen und sich dabei vertreten lassen, da dieVoraussetzungen zur Entscheidung in Ungerechtigkeitsfällen ebensovon ihm erfüllt werden. Er kann auch selbst den ¹ihÁd übernehmenund jemanden dafür ernennen, weil die Voraussetzungen zur Kriegsführungdurch ihn erfüllt sind. Er hat auch das Recht, die von ihm beschlossenenDinge selbst durchzuführen oder sich in ihrer Durchführungvertreten zu lassen, da auch die Voraussetzungen für die Planungund Entscheidungsfindung bei ihm gegeben sind. Dies bedeutetaber nicht, dass der Kalif kein Recht hat, die Tätigkeiten des MuÝÁwinaufzuheben, wenn sie ihm v<strong>org</strong>elegt werden. Es bedeutet lediglich,dass der MuÝÁwin die gleichen Befugnisse wie der Kalif innehat, allerdingsin seiner Vertretung und nicht unabhängig von ihm. Der Kalifkann dem MuÝÁwin widersprechen, seine Entscheidungen aufhebenund die von ihm vollzogen Handlungen für ungültig erklären, jedochnur <strong>im</strong> Rahmen dessen, was er von seinen eigenen Taten rückgängigmachen könnte. Wenn der MuÝÁwin eine Entscheidung aber rechtmäßigvollzogen oder einen Geldbetrag einer Mündung korrekt zugeführthat und der Kalif ihm nachträglich widerspricht, so hat sein Wi-152


derspruch keine Bedeutung mehr, und die Handlung des MuÝÁwinbleibt bestehen. Die Ansicht des Kalifen und sein Widerspruch werdenzurückgewiesen, da die Meinung des MuÝÁwin <strong>im</strong> Ursprung dieMeinung des Kalifen ist. In solchen Fällen hat der Kalif nicht dasRecht, seine eigene Meinung zu revidieren oder das, was bereits vollzogenwurde, aufzuheben. Genauso wenig hat er dann die Möglichkeit,die Handlung seines Assistenten in solchen Bereichen aufzuheben.Sollte der MuÝÁwin hingegen einen Gouverneur, einen Beamten,einen Armeekommandanten best<strong>im</strong>mt oder ähnliche Ernennungenv<strong>org</strong>enommen haben, sollte er eine gewisse Wirtschaftspolitik, einenmilitärischen Plan, eine Industriestrategie oder Ähnliches festgelegthaben, so hat der Kalif das Recht, dies aufzuheben – obwohl es <strong>im</strong>Grunde seine Ansicht verkörpert –, weil er auch das Recht hätte, solcheBeschlüsse aus dem eigenen Handeln zurückzunehmen. In gleicherWeise steht es ihm zu, sie aus dem Handeln seines Vertreters zurückzunehmen.In diesen Fällen hat er also das Recht, die Handlungenseines MuÝÁwin aufzuheben. Im Prinzip gilt folgende Regel: Wasder Kalif von seinen eigenen Handlungen rückgängig machen kann,das kann er auch von den Handlungen seines Assistenten rückgängigmachen. Was er von seinen eigenen Handlungen nicht mehr rückgängigmachen kann, dass kann er auch nicht von den Handlungen seinesMuÝÁwin rückgängig machen.Die Zuständigkeit des MuÝÁwin al-TafwÐÃ darf nicht auf ein best<strong>im</strong>mtesRessort, wie beispielsweise das Wissenschaftsressort, oder aufgewisse Tätigkeiten, wie die Vorbereitung und Aufrüstung der Armee,beschränkt werden, weil seine Befugnis allgemeinen Charakterhat. Auch vollzieht er selbst keine Verwaltungstätigkeiten, sondernbetreut – gleich dem Kalifen – den Verwaltungsapparat in generellerForm. Wenn er für solche Tätigkeiten ernannt wird, ist der Assistenzvertragfür ihn damit nicht erfolgt. In diesem Falle wäre er kein Assistentdes Kalifen, da der spezifisch eingeschränkte Vertrag die allgemeineZuständigkeit nicht umfasst, die ja zu den Ernennungsbedingungendes MuÝÁwin al-TafwÐÃ zählt. Die Ernennung des OberstenRichters stellt ebenso keine Ernennung eines MuÝÁwin für den Kalifen<strong>im</strong> Gerichtswesen dar. Vielmehr ist es die Ernennung eines Beauftragtenmit besonderer Befugnis in einem Bereich, der nicht zurRegierung gehört. Dazu zählen auch das Armeekommando, die Leitungder ZakÁt-Gelder und Ähnliches. Solche Ernennungen erfolgengemäß den Ernennungsverträgen von Sonderbefugten und nicht ge-153


mäß dem Ernennungsvertrag des MuÝÁwin al-TafwÐÃ. Der ObersteRichter (QÁÃÐ al-QuÃÁt) ist ein AmÐr, dem die Befugnis zur Ernennungder Richter, zur Kontrolle des Gerichtswesens und zum Richtenzwischen den Menschen erteilt wurde. Er ist kein MuÝÁwin. Demzufolgeist es nicht zulässig, den bevollmächtigten Assistenten auf irgendeinRessort zu beschränken. Wenn seine Tätigkeit auf ein Ressortbeschränkt werden würde, wäre sein Ernennungsvertrag ungültig.Zu den Voraussetzungen einer korrekten Ernennung des MuÝÁwin al-TafwÐÃ zählt nämlich der Ernennungsvertrag, der mit einer klarenFormulierung zu erfolgen hat, die zwei Bedingungen beinhaltenmuss: zum einen die allgemeine Zuständigkeit, zum anderen die Vertretungsvollmacht.Seine Einschränkung auf ein spezifisches Ressortlässt eine der Bedingungen wegfallen, wodurch sein Ernennungsvertragungültig wird. <strong>Das</strong>s er selber keine Verwaltungstätigkeiten vollziehendarf, geht aus dem Umstand hervor, dass diejenigen, die Verwaltungstätigkeitenübernehmen, Angestellte und keine Regierungspersonensind. Der bevollmächtigte Assistent (MuÝÁwin al-TafwÐÃ) istaber eine Regenierungsperson und kein Angestellter. Seine Aufgabeist die Betreuung der (Bürger-)Angelegenheiten und nicht die Übernahmevon Verwaltungstätigkeiten, für die Beamte eingestellt werden.Aus dieser Überlegung ergibt sich für ihn das Prinzip, keine Verwaltungstätigkeitenzu übernehmen. Dies heißt jedoch nicht, dass es ihmverboten wäre, irgendeine Verwaltungstätigkeit zu vollziehen. Es bedeutetnur, dass er in seinem Handeln nicht auf Verwaltungstätigkeitenbeschränkt sein darf, weil er eine umfassende Zuständigkeit besitzt.Der MuÝÁwin al-TanfÐÆ – der VollzugsassistentDer Vollzugsassistent ist ein Helfer, den der Kalif ernennt, um ihn beider Durchführung, der Begleitung und dem Vollzug der Entscheidungenzu unterstützen. Er stellt das Bindeglied zwischen dem Kalifenauf der einen Seite und den Staatsapparaten, den Bürgern und demAusland auf der anderen Seite dar. Er leitet alles von ihm weiter undan ihn zurück. Er ist ein Assistent in der Durchführung der Beschlüsse,jedoch nicht entscheidungsbefugt darüber oder mit einemSonderauftrag ausgestattet. Seine Arbeit zählt zu den Verwaltungs-154


und nicht zu den Regierungstätigkeiten. Seine Abteilung ist eineVollzugseinrichtung für alles, was vom Kalifen an die inneren undäußeren Stellen ergeht. Sie hat auch die Aufgabe, das, was von diesenStellen herangetragen wird, an den Kalifen weiterzuleiten. Die Abteilungdes Vollzugsassistenten stellt somit ein Bindeglied zwischendem Kalifen und den anderen Stellen <strong>im</strong> Staate dar. Sie leitet von ihmweiter und an ihn zurück.Der Kalif ist ein Regent, der die Regierungstätigkeit, die Durchführungund die Betreuung der Angelegenheiten der Bürger innehat. DieÜbernahme der Regierungstätigkeit, die Durchführung und dieBetreuung der Angelegenheiten erfordern jedoch Verwaltungsarbeiten.Dies erfordert wiederum die Einrichtung einer eigenen Abteilung,die dem Kalifen bei der Durchführung der Aufgaben des Kalifatsverwaltungstechnisch zur Seite steht. Deswegen ist die Ernennungeines Vollzugsassistenten durch den Kalifen, der die Verwaltungs-und nicht die Regierungstätigkeiten übern<strong>im</strong>mt, notwendiggeworden. Seine Aufgabe ist es, den Kalifen bei der Verwaltung undnicht bei der Regierung zu unterstützen. So steht es ihm <strong>im</strong> Unterschiedzum Vollmachtsassistenten nicht zu, irgendeine der Regierungstätigkeitenzu übernehmen. Er ernennt keine Gouverneure oderStatthalter und betreut die Angelegenheiten der Bürger nicht. SeineArbeit ist verwaltungstechnischer Natur, um die Regierungs- undVerwaltungsbeschlüsse durchzuführen, die vom Kalifen oder demVollmachtsassistenten ausgehen. Deswegen erhielt er die BezeichnungVollzugsassistent (MuÝÁwin al-TanfÐÆ) Die Gelehrten bezeichnetenihn als WazÐr al-TanfÐÆ, was dem Begriff Vollzugsassistent entspricht,da das Wort WazÐr <strong>im</strong> Arabischen einen Helfer bzw. Unterstützerbezeichnet. Sie sagten: "Dieser WazÐr ist ein Bindeglied zwischendem Kalifen, den Bürgern und den Gouverneuren. Er leitetseine Befehle weiter, führt, was er verlangt hat, durch und vollziehtseine Entscheidungen. Er proklamiert die Ernennung der Gouverneureund gibt die Anweisungen zur Aufrüstung der Armee und derVerteidigungsbastionen weiter. Er leitet auch alles an den Kalifenweiter, was von diesen Stellen herangetragen wird und was sich anneuen Dingen ereignet hat, um das durchzuführen, was ihm diesbezüglichanbefohlen wurde." Er ist also ein Helfer in der Durchführungder Entscheidungen, ohne selbst entscheidungsbefugt zu sein odereine Statthalterschaft innezuhaben.155


Nachdem aber der Vollzugsassistent direkt mit dem Kalifen in Verbindungsteht – gleich dem bevollmächtigten Assistenten –, er somitzum Vertrautenkreis des Kalifen zählt und mit Regierungsangelegenheitenzu tun hat, darf es keine Frau sein, da Frauen von Regierungsangelegenheitenund allem, was damit verbunden ist, ferngehaltenwerden müssen. So lautet der ÍadÐ×: @אאאA"Kein Volk wird erfolgreich sein, das seine Befehlsgewalt einer Frauüberträgt." (Von BuÌÁrÐ über AbÙ Bakra überliefert.) Ebenso ist esunzulässig, dass der Vollzugsassistent ein Ungläubiger ist. Vielmehrmuss er ein Musl<strong>im</strong> sein, da er zum Vertrautenkreis des Kalifen gehörtund Allah, der Erhabene, sagt:אאאא אא"Ihr Gläubigen! Nehmt euch nicht Leute zu Vertrauten, die außerhalbeurer Gemeinschaft stehen! Sie werden nicht müde, euch zu verderben,und sehen es gern, wenn euch Unheil trifft. Schon ward Hass ausihren Mündern offenbar, doch was ihre Herzen verhehlen, ist schl<strong>im</strong>mer."(Sure Àli ÝImrÁn 3, Àya 118) <strong>Das</strong> Verbot für den Kalifen, aus demKreis der Nichtmusl<strong>im</strong>e Vertraute heranzuziehen, ist in dieser Àyadeutlich dargelegt. Demzufolge ist es nicht gestattet, dass der Vollzugsassistentein Ungläubiger ist. Er muss ein Musl<strong>im</strong> sein, weil erdirekt und untrennbar mit dem Kalifen verbunden ist, gleich dem bevollmächtigtenAssistenten. Hingegen ist es zulässig, dass es – jenach Bedarf - mehrere Vollzugsassistenten gibt.Was die Bereiche betrifft, in denen der Vollzugsassistent Mittelsmannzwischen dem Kalifen und anderen ist, so gibt es deren vier:− Die Verwaltungsapparate des Staates− Die Armee− Die Umma− Die außenpolitischen AngelegenheitenDies geht aus der Realität der Tätigkeiten des Vollzugsassistentenhervor. Nachdem er den Mittelsmann zwischen dem Kalifen und anderenverkörpert, ist er das Weiterleitungs<strong>org</strong>an, das vom Kalifen zuanderen hinführt bzw. zu ihm zurückführt. Obwohl er ein Weiterlei-156


tungs<strong>org</strong>an darstellt, gehört es ebenso zu seinen Aufgaben, den Vollzugder Anordnung in den verschiedenen staatlichen Behörden zuverfolgen.Der Kalif stellt den eigentlichen Regenten dar; er selbst übern<strong>im</strong>mtdie Regierungstätigkeiten und deren Vollzug. Er betreut auch die Angelegenheitender Menschen. Deswegen steht er in dauerhaftem Kontaktmit dem Regierungsapparat, den Behörden für auswärtige Angelegenheitenund der Umma. Er erlässt Gesetze, trifft Entscheidungenund kommt seinen Betreuungsaufgaben nach. Er beobachtet die Arbeitdes Regierungsapparates, welche Schwierigkeiten auftreten undwas er benötigt. Auch werden Forderungen, Beschwerden und sonstigeFragen aus der Umma an ihn herangetragen; ebenso verfolgt erdie außenpolitischen Angelegenheiten. Aus der Realität all dieser Tätigkeitenergibt sich, dass der Vollzugsassistent dabei die Rolle desMittelsmannes übern<strong>im</strong>mt. Er leitet sie vom Kalifen weiter und anden Kalifen zurück, und zwar unter dem Gesichtspunkt, dass alle Anordnungen,die vom Kalifen an die verschiedenen Organe ergehenbzw. deren Rückmeldungen an ihn, in ihrer Durchführung verfolgtwerden müssen. Deswegen hat der Vollzugsassistent die Aufgabe,diese Verfolgung vorzunehmen, damit die (korrekte) Durchführunggewährleistet ist. Er verfolgt dabei den Kalifen und die Staatsapparate.Er n<strong>im</strong>mt von der Verfolgung nur dann Abstand, wenn es derKalif von ihm verlangt. In diesem Fall muss er seinem Befehl gehorchenund die Verfolgung aufgeben, da der Kalif der Regent ist undsein Befehl durchgeführt werden muss.Was jedoch mit der Armee und den internationalen Beziehungen verknüpftist, so sind es zumeist Angelegenheiten, die der Gehe<strong>im</strong>haltungunterliegen. Sie gehören zu den Spezialaufgaben des Kalifen.Deswegen werden sie vom Vollzugsassistenten nicht verfolgt bzw. inihrer Durchführung begleitet – es sei denn, der Kalif verlangt vonihm, einer Sache davon nachzugehen. In diesem Falle verfolgt er nurjene Angelegenheit, die der Kalif von ihm verlangt hat, und nichtsWeiteres.Was hingegen die Umma angeht, so obliegt ihre Betreuung und dieDurchführung ihrer Wünsche dem Kalifen und jenen Personen, die erals Vertreter damit betraut hat. Dies gehört jedoch nicht zu den Verantwortungendes Vollzugsassistenten. Deswegen verfolgt dieser157


nichts in diesem Bereich, außer der Kalif verlangt es von ihm. Seinediesbezügliche Aufgabe beschränkt sich auf den Vollzug, nicht aberauf die Verfolgung. All dies ergibt sich aus der Natur der Tätigkeiten,die der Kalif – und in Folge der Vollzugsassistent – zu bewältigenhat.Der AmÐr-ul-¹ihÁdDer AmÐr-ul-¹ihÁd ist jene Person, die der Kalif zum Befehlshaberüber die auswärtigen Angelegenheiten, die Kriegsfragen, die innereSicherheit und die Industrie ernennt. Er leitet diese Bereiche und hatihre Gesamtbetreuung über.Man nennt ihn AmÐr-ul-¹ihÁd – obwohl er mit allen vier Bereichenbetraut ist – weil sie alle mit dem ¹ihÁd in Verbindung stehen. Somuss die Außenpolitik sowohl <strong>im</strong> Kriegs- wie auch <strong>im</strong> Friedenszustandgemäß den Interessen und Erfordernissen des ¹ihÁd ausgerichtetsein. Der Kriegsbereich ist mit der Armee verbunden, die dem ¹ihÁddienen soll, mit ihrem Aufbau, ihrer Vorbereitung und ihrer Bewaffnung.Was die innere Sicherheit betrifft, so umfasst sie denSchutz und Erhalt des Staates, die Sicherheit seiner Bevölkerung, denUmgang mit Aufsässigen, mit Wegelagerern und die Polizei, die einenTeil der Armee darstellt. Da die Armee auf den ¹ihÁd ausgerichtetist, ist auch die innere Sicherheit mit dem ¹ihÁd verbunden.Die Industrie hat die Aufgabe, der Armee die notwendigen Waffenund die Ausrüstung für den ¹ihÁd zu liefern. Somit sind alle dieseBereiche mit dem ¹ihÁd verbunden und daher die BezeichnungAmÐr-ul-¹ihÁd.Die ergänzende Bezeichnung AmÐr – obwohl es sich bei ihm um keinenHerrscher handelt – rührt von der Tatsache her, dass er sehr vieleBefehle erteilen muss, da sein ausgedehntes Tätigkeitsfeld dies erfordert.<strong>Das</strong> Wort AmÐr in der Beugung Fa'iil ist nämlich eine Superlativformder Subjektbeugung Aamir – wegen der Fülle an Befehlen,die er Tag und Nacht erteilen muss. Genauso ist das Wort Rahi<strong>im</strong>(der Allgnädige als Eigenschaft Gottes) eine Superlativform der SubjektbeugungRaah<strong>im</strong> – wegen der unerschöpflichen Gnade, die vonIhm ausgeht.158


<strong>Das</strong> Ressort des AmÐr ul-¹ihÁd besteht aus vier Teilressorts:− Dem Außenressort− Dem Kriegsressort− Dem Ressort der inneren Sicherheit− Dem IndustrieressortDer ¹ihÁd stellt die Methode dar, die der <strong>Islam</strong> zum Tragen seinerBotschaft nach außen hin festgelegt hat. <strong>Das</strong> Tragen dieser Botschaftverkörpert – nach der Implementierung des <strong>Islam</strong> <strong>im</strong> Inneren – dieeigentliche Grundaufgabe des <strong>Islam</strong>ischen Staates. Deswegen umfassendie Gesetze des ¹ihÁd sowohl die Gesetze des Krieges als auchdie des Friedens. Sie umfassen Waffenstillstände und Friedensabkommensowie die Außenbeziehungen zu anderen Staaten undStaatsgebilden. Sie beinhalten auch die Gesetze bezüglich des Heeres,seiner Vorbereitung und Ausbildung, seiner Führung, seiner Divisionenund seiner Flaggen. Ebenso beinhalten sie die Bewaffnung derArmee und die Pflicht, ihr durch eine entsprechende Rüstungsindustriedie Waffen zur Verfügung zu stellen. Durch die Rüstungsindustriemuss die Aufrüstung der Armee in vollkommener Weise erfolgen,damit erklärte und auch verb<strong>org</strong>ene Feinde sicher abgeschreckt werden.Die Gesetze des ¹ihÁd umfassen auch die Regelwerke für dieOrdnung innerhalb des Staates, die Unterbindung von Aufruhr, Wegelagerei,Verletzung der inneren Sicherheit und jede Art vonVerbrechen gegen die Bürger.Der Gesandte übernahm alle Angelegenheiten, die mit dem ¹ihÁdverbunden waren, selbst. In gleicher Weise haben es auch die Kalifennach ihm getan. Der Gesandte wie auch die Kalifen nach ihm ernanntenjedoch einige Personen, die manche oder auch alle ¹ihÁd-Tätigkeiten vollzogen. Dies betraf die Vorbereitung der Armee, dieKampfhandlungen, das Schließen von Friedensabkommen und Waffenstillstandsverträgen,die außenpolitische Kontaktaufnahme sowiedie Bekämpfung von Aufsässigen und Apostaten.Was nun der Kalif selbst durchführen darf, das kann er auch anderenin seiner Vertretung übertragen. Daraus leitet sich die Ernennung desAmÐr-ul-¹ihÁd ab und die Einrichtung seines Ressorts.Nachdem das Ressort des AmÐr-ul-¹ihÁd mit dem ¹ihÁd und seinenGesetzmäßigkeiten verbunden ist, umfasst es real gesehen auch die159


außenpolitischen Beziehungen, da alle außenpolitischen Angelegenheitenauf der Grundlage des Tragens der islamischen Botschaft aufbauenmüssen. Sein Ressort umfasst auch den Bereich des Krieges,da ¹ihÁd den bewaffneten Kampf auf dem Wege Allahs zur EmporhebungSeines Wortes bedeutet. Der bewaffnete Kampf erfordert jedocheine Armee und alles, was damit an Ausrüstung, Kommandoaufbau,an Strukturierung des Generalstabs, an Ausbildung des Offizierskadersund der Soldaten verbunden ist. Er erfordert ebenso Truppenübungen,eine entsprechende Logistik und die Nahrungsmittelvers<strong>org</strong>ung.Eine Armee benötigt auch Waffen, und Waffen erfordern eine Industrie.Deswegen gehört die Industrie zu den Notwendigkeiten der Armeeund des ¹ihÁd. <strong>Das</strong> bedingt, dass die Industrie in allen staatlichenProduktionseinrichtungen auf der Rüstungsindustrie aufbaut unddem ¹ihÁd bzw. dem AmÐr-ul-¹ihÁd angeschlossen ist.Genauso wie die Armee die Aufgabe hat, den ¹ihÁd zu vollziehenund die islamische Botschaft zu tragen, hat sie auch die Pflicht, denStaat zu schützen und zu verteidigen. Deswegen gehört die Bekämpfungder Aufsässigen, der Wegelagerer und derjenigen, die sich gegenden Staat wenden, ebenfalls zu den Aufgaben der Armee. Demzufolgeist auch die innere Sicherheit dem ¹ihÁd und somit dem AmÐrul-¹ihÁdund seinem Ressort angeschlossen. Aus diesen Darlegungenergibt sich, dass das Ressort des AmÐr-ul-¹ihÁd aus vier Teilressortsbesteht: dem Außenressort, dem Kriegsressort, dem Ressort für innereSicherheit und dem Industrieressort.<strong>Das</strong> Außenressort<strong>Das</strong> Außenressort übern<strong>im</strong>mt alle Außenpolitischen Angelegenheiten,die mit den Beziehungen des Kalifatsstaates zu anderen Staaten inVerbindung stehen, und zwar abgesehen davon, welcher Art dieseAngelegenheiten oder Beziehungen sind. Sie umfassen zum einen diepolitischen Angelegenheiten und was damit an Abkommen, Friedensverträgen,Waffenstillstandsvereinbarungen und Verhandlungenverbunden ist. Dazu zählen auch der Austausch von diplomatischenVertretungen, die Entsendung von Botschaftern bzw. Delegierten unddie Errichtung von Botschaften und Konsulaten. Zum anderen betref-160


fen sie auch die wirtschaftlichen Aspekte. Dazu gehören der AgrarundHandelsbereich, der Postverkehr, die verkabelte und kabelloseTelekommunikation und Ähnliches. All diese Angelegenheiten werdenvom Außenressort betreut, da sie die Beziehungen des <strong>Islam</strong>ischenStaates zu anderen Staaten betreffen.Der Gesandte unterhielt ebenso außenpolitische Beziehungen zuden anderen Staaten und Staatsgebilden. So entsandte er ÝU×mÁn ibnÝAffÁn, um mit den Quraiš zu verhandeln. Auch führte er Verhandlungenmit den Entsandten der Quraiš. Er schickte Botschafter an dieKönige und Herrscher und empfing auch deren Abgesandte. Erschloss auch Verträge und Friedensabkommen. Die Kalifen nach ihmtaten es ihm gleich. Sie unterhielten politische Beziehungen zu denanderen Staaten bzw. Staatsgebilden und stellten auch Personen auf,die als Vertreter damit betraut waren, gemäß dem Prinzip: Was einePerson selbst durchführen kann, das kann sie auch einer anderen Personübertragen bzw. in Vertretung jemanden damit betrauen.<strong>Das</strong> Kriegsressort<strong>Das</strong> Kriegsressort betreut alle Angelegenheiten, die mit den Streitkräftenverbunden sind. Dazu zählen die Armee, die Polizei, das Kriegsgerät,die Waffen, die Ausrüstung, die Munition und Ähnliches.Ebenso gehören die Militärakademien, die Militärdelegationen undalles, was an islamischer und allgemeiner militärischer Bildung notwendigist, zu diesem Bereich dazu. Überhaupt ist alles, was mit demKrieg und seiner Vorbereitung verbunden ist, diesem Ressort zuzurechnen.All diese Angelegenheiten werden vom Kriegsressort übernommenund von diesem betreut. Schon sein Name belegt, dass es den Bereichdes Krieges und der Kampfhandlungen betrifft. Der Krieg erforderteine Armee, und eine Armee muss aufgebaut und aufgerüstet werden,von der Führung angefangen über den Generalstab, die Offiziere biszu den Soldaten.Eine Armee besteht aus Divisionen und Kompanien. Ihr Aufbau erfordertsowohl eine körperliche als auch eine fachliche Ausbildungund Vorbereitung. Diese Ausbildung muss die Kampftechniken in al-161


len Waffengattungen umfassen. Sie muss sich parallel dazu weiterentwickeln.Deswegen stellt die militärische und strategische Fachausbildungeine zwingende Notwendigkeit dar. Auch ist das Trainingin allen möglichen Kampftechniken und Waffengattungen absolutunerlässlich.Nachdem die Armee eine islamische Armee ist – nämlich die Armeedes <strong>Islam</strong>ischen Staates, der die islamische Botschaft trägt –, muss sieauch mit einer allgemeinen islamischen Geistesbildung ausgestattetwerden. Darüber hinaus muss sie auch eine spezifische islamrechtlicheGeistesbildung erhalten, die mit den Gesetzen des Krieges, derKampfhandlungen, des Friedensschlusses, der Waffenstillstandsabkommen,der bilateralen Verträge, der Niederlegungsvereinbarungenund anderer Übereinkünfte verbunden ist. Auch die Einzelheiten alldieser Angelegenheiten müssen unterrichtet werden. Deshalb gehörendie Militärakademien mit ihren unterschiedlichen Ausbildungsstufensowie die militärischen Delegationen zum Zuständigkeitsbereich desKriegsressorts.Darüber hinaus betreibt die Armee eine Abteilung, die für die innereSicherheit zuständig ist. Dies ist die Polizei. Der Armee – dazu zählenauch die Polizeikräfte – müssen alle erforderlichen Waffen, die notwendigeAusrüstung, das erforderliche Kriegsgerät, die Munition undauch die Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt werden.Aus diesen Überlegungen ergibt sich der Schluss, dass das Kriegsressortalle diese Aufgabenbereiche umfassen muss.<strong>Das</strong> Ressort für innere Sicherheit<strong>Das</strong> Ressort für innere Sicherheit übern<strong>im</strong>mt die Leitung aller Aufgaben,die mit der Landessicherheit verbunden sind. Es übern<strong>im</strong>mt dieVerantwortung für die Sicherheit mit Hilfe der Streitkräfte, wobei esdie Polizei als Hauptmittel zur Sicherheitserhaltung einsetzt. <strong>Das</strong> Sicherheitsressortkann die Polizeikräfte nach Belieben – wann <strong>im</strong>meres dies für notwendig erachtet – einsetzen. Ein Befehl aus dem Ressortist unmittelbar vollzugspflichtig. Sollte aber die Notwendigkeitbestehen, die Streitkräfte heranzuziehen, so muss die Angelegenheitdem Kalifen v<strong>org</strong>elegt werden. Dieser kann der Armee befehlen, das162


Sicherheitsressort zu unterstützen oder ihm Streitkräfte zur Verfügungzu stellen, um bei der Sicherheitserhaltung behilflich zu sein. Erkann der Armee auch anderweitiges befehlen oder den Antrag ablehnenund vom Sicherheitsressort verlangen, sich mit der Polizei zu begnügen.<strong>Das</strong> Ressort für innere Sicherheit hat – wie bereits erwähnt – die Aufgabe,die innere Sicherheit des Staates zu gewährleisten. Was zur Gefährdungder inneren Sicherheit führen kann, sind mehrere Umstände.Dazu zählen der Abfall vom <strong>Islam</strong> oder die Auflehnung gegen denStaat. Die Auflehnung gegen den Staat kann einerseits durch Sabotageakteoder Zerstörungsaktionen erfolgen, wie bei Streiks, bei derBesetzung bzw. Verbarrikadierung innerhalb vitaler staatlicher Einrichtungenund bei Übergriffen auf das Privateigentum von Einzelpersonen.Andererseits kann dies auch durch Übergriffe auf das öffentlicheoder das staatliche Eigentum geschehen.Die innere Sicherheit kann ebenso durch einen bewaffneten Aufstandgegen den Staat gefährdet werden. Auch zählt die Wegelagerei (arab.:ÍirÁba), bei der Menschen Diebstahl und Tötung ausgesetzt sind, zuden Dingen, die die öffentliche Sicherheit gefährden.Darüber hinaus ist die öffentliche Sicherheit auch dann bedroht, wenndas Vermögen der Menschen durch Diebstahl, Raubüberfälle, Plünderungenoder Unterschlagungen angegriffen wird. Sie ist auch dannbedroht, wenn es durch Schlagen, Verletzen oder Töten zu Übergriffenauf das menschliche Leben kommt. Ebenso fällt die Ehrverletzungdurch öffentliche Schmähungen, durch Unkeuschheitsverleumdungenund außerehelichen Geschlechtsverkehr unter diesen Aspekt.Dies sind die Handlungen, die zur Gefährdung der inneren Sicherheitführen. Und das Ressort der inneren Sicherheit hat die Aufgabe, dieMenschen und den Staat vor all diesen Dingen zu beschützen. Wer alsovom <strong>Islam</strong> abfallen sollte, wird zum Tode verurteilt, wenn er aufdie Apostasie besteht. Nach erfolgten (fruchtlosen) Bekehrungsversuchenhat das Sicherheitsressort die Aufgabe, die Todesstrafe zuvollstrecken. Sollte es sich bei den Apostaten um eine Gruppe handeln,so werden sie brieflich aufgefordert, in den <strong>Islam</strong> zurückzukehren.Wenn sie der Aufforderung Folge leisten, belässt man es dabei.Sollten sie jedoch auf die Apostasie bestehen, müssen sie bekämpft163


werden. Handelt es sich um eine kleine Gruppe und ist die Polizei alleinein der Lage, sie zu bekämpfen, kommt die Polizei dieser Aufgabenach. Handelt es sich hingegen um eine große Gruppe, die von derPolizei alleine nicht überwältigt werden kann, muss das Innenressortvom Kalifen Unterstützung durch militärische Einheiten anfordern.Reichen diese Einheiten ebenfalls nicht aus, muss es vom Kalifenverlangen, die Armee einzusetzen.<strong>Das</strong> bisher Gesagte gilt für Apostaten. Was Aufsässige anbelangt, sohängt der Umgang mit ihnen von ihrem Verhalten ab: Wenn ihre V<strong>org</strong>ehensweisenicht militärisch ist, so dass sie sich beispielsweise aufZerstörung und Sabotageakte beschränken durch Streiks, Demonstrationenund die Besetzung vitaler Einrichtungen oder es zu Übergriffenund Zerstörung von privatem, staatlichem oder öffentlichem Eigentumkommt, so begnügt sich das Ressort für innere Sicherheit mitdem Einsatz der Polizeikräfte, um diese Sabotageakte zu Stopppen.Sollte es nicht in der Lage sein, mit den Polizeikräften alleine die Situationin den Griff zu bekommen, fordert es vom Kalifen Unterstützungaus den Streitkräften an, um die Sabotage- und Zerstörungshandlungenzu beenden, die von aufsässigen Staatsgegnern unternommenwerden.Wenden sich die Aufständischen jedoch mit der Waffe gegen denStaat, verschanzen sich in einer Gegend und stellen eine Kraft dar, diedas Sicherheitsressort alleine nicht bewältigen kann – die Polizeikräftealleine also nicht in der Lage sind, den Aufstand niederzuschlagen–, so muss es vom Kalifen Unterstützung durch militärische Einheitenanfordern oder, falls notwendig, die Unterstützung ganzer Armeereg<strong>im</strong>enter,um den Aufständischen entgegenzutreten. Vor deren Bekämpfungwerden die Aufständischen schriftlich kontaktiert, um ihrAnliegen zu erfahren. Man verlangt von ihnen, in den Gehorsam unddamit in die Gemeinschaft wieder einzutreten und die Waffen niederzulegen.Entsprechen sie der Aufforderung und geben sie ihren Aufstandauf, so wird das Ressort jedes weitere V<strong>org</strong>ehen gegen sie einstellen.Wenn sie jedoch die Rückkehr in den Gehorsam ablehnen undauf den Widerstand bestehen, so werden sie disziplinarisch – nichtaber vernichtend oder zerstörend – bekämpft, bis sie den Aufstandaufgeben, die Waffen niederlegen und in den Gehorsam zurückkeh-164


en. Auf diese Art bekämpfte auch Imam ÝAlÐ die ËÁriºiten 65 : Er riefsie zuerst auf, den Widerstand aufzugeben. Wenn sie dem folgten,hörte er auf, sie zu bekämpfen. Bestanden sie jedoch auf den Krieg,so führte er einen Disziplinarkampf gegen sie, um sie zur Waffenniederlegungzu bewegen und in den Gehorsam zurückzuführen.Was die Wegelagerer betrifft, die Menschen überfallen, ihnen denWeg abschneiden, plündern und töten, so entsendet das SicherheitsressortPolizeikräfte, um diese Leute zu verfolgen und durch Tötung,Kreuzigung, wechselseitige Hand- und Fußabschlagung oder durchVerbannung zu bestrafen. Dies hat gemäß dem folgendem Koranverszu erfolgen:אאאאאא אא א"Der Lohn derer, die gegen Allah und Seinen Gesandten Krieg führenund <strong>im</strong> Lande Unheil stiften, soll darin bestehen, dass sie getötet odergekreuzigt werden, dass ihnen wechselweise Hand und Fuß abgehauenwird oder sie des Landes verwiesen werden." (Sure al-Mā'ida 5, Àya33) Ihre Bekämpfung erfolgt nicht in der gleichen Art wie die derAufständischen, die lediglich in disziplinarischer Weise erfolgt. Vielmehrwerden Wegelagerer in einer Weise bekämpft, die auf Tötungund Kreuzigung hinausläuft. Sie werden angreifend und flüchtend bekämpftund gemäß der V<strong>org</strong>abe des Koranverses behandelt: Wer vonihnen gemordet und geraubt hat, der wird getötet und gekreuzigt. Wernur gemordet hat, ohne zu rauben, der wird getötet, ohne gekreuzigtzu werden. Wer nur geraubt hat, ohne zu morden, dem werden wechselweiseHand und Fuß abgeschnitten, und wer die Menschen nur mitder Waffe bedroht hat, ohne zu morden oder zu rauben, der wird wedergekreuzigt noch werden ihm Hände oder Füße abgeschnitten,vielmehr wird er in ein anderes Land verbannt.<strong>Das</strong> Ressort für innere Sicherheit beschränkt sich auf den Einsatz derPolizeikräfte, um die Sicherheit zu gewährleisten, ohne sich andererEinsatzkräfte zu bedienen. Sollte die Polizei nicht mehr in der Lagesein, die Sicherheit zu gewährleisten, dann verlangt das Ressort vom65 Musl<strong>im</strong>e, die sich gegen ÝAlÐ wandten, weil sie meinten, er habe <strong>im</strong> Widerspruchzum <strong>Islam</strong> gehandelt.165


Kalifen, es mit weiteren Streitkräften zu unterstützen oder mit einerganzen Armeeeinheit, falls dies erforderlich ist.Übergriffe auf das Vermögen – durch Diebstahl, Unterschlagung,Raub und Plünderung –, auf das Leben – durch Schläge, Verletzungund Mord – oder auf die Ehre – durch öffentliche Schmähungen, Unkeuschheitsverleumdungenund außerehelichen Geschlechtsverkehr –werden vom Ressort für innere Sicherheit durch Wachsamkeit,Schutzvorkehrungen und Streifendienst verhindert. Ebenso verhindertes solche Umtriebe durch den Vollzug der Gerichtsurteile gegen jene,die Übergriffe auf das Vermögen, das Leben oder die Ehre getätigthaben. Für diese Maßnahmen benötigt es lediglich die Polizeikräfte.<strong>Das</strong> Industrieressort<strong>Das</strong> Industrieressort ist jene Behörde, die alle Angelegenheiten übern<strong>im</strong>mt,die mit der industriellen Entwicklung verbunden sind. Diesbetrifft sowohl die Schwerindustrie, wie Werkzeug- und Triebwerksbau,den Fahrzeugbau, die Erzeugung von Grundstoffen und elektronischenEinheiten als auch die verschiedenen Bereiche der Leichtindustrie.Es umfasst jene Industriebereiche, die zum öffentlichen Eigentumgehören wie auch jene, die dem Privateigentum zuzurechnensind, aber in Verbindung zur Rüstungsindustrie stehen.¹ihÁd und Kampf erfordern eine Armee. Damit die Armee einenKrieg jedoch führen kann, benötigt sie Waffen, die unbedingt einerinnerstaatlichen Produktion entspringen müssen, um sie dem Heer inumfassender Weise und auf dem höchsten technischen Niveau zurVerfügung stellen zu können. Deswegen steht die Rüstungsindustriein vollkommener und untrennbarer Verbindung zum ¹ihÁd.Wenn ein Staat vollkommene Souveränität über seine Entscheidungenbesitzen möchte – unabhängig von jeder äußeren Einflussnahme–, ist es für ihn unabdingbar, seine Waffen selbst herzustellen und zuentwickeln. Damit ihm diese Souveränität erhalten bleibt, muss erstets <strong>im</strong> Besitz der modernsten und stärksten Waffen sein, egal wieschnell sich die Waffentechnik weiterentwickelt. Es muss auch gewährleistetsein, dass ihm alle erforderlichen Waffen zur Verfügung166


stehen, um sämtliche bekannten und möglichen Feinde einzuschüchtern,gemäß dem folgenden Koranvers:אאאאא"Und rüstet gegen sie mit allem, was ihr an Kampfkraft und Schlachtrossenaufzubringen vermögt, um damit die Feinde Allahs und eureFeinde einzuschüchtern und außer ihnen andere, die ihr nicht kennt,doch Allah kennt sie." (Sure al-AnfÁl 8, Àya 60) Dadurch bewahrt sichder Staat seine Souveränität. Er erzeugt die Waffen selbst, die er benötigt,entwickelt sie und setzt deren Entwicklung in einer Weise fort,die gewährleistet, dass er stets <strong>im</strong> Besitz der am höchsten entwickeltenund stärksten Waffen ist. Auf diese Weise ist es ihm möglich,alle bekannten und möglichen Feinde effektiv einzuschüchtern.Deswegen muss der Staat seine Waffen selbst erzeugen und darf sichnicht auf deren Kauf von anderen Staaten verlassen, weil er sich sonstvon diesen Ländern abhängig macht und seine Ausrüstung, sein Kriegund seine Kampfführung von ihnen best<strong>im</strong>mt werden.Jene Staaten, die anderen Staaten Waffen verkaufen, verkaufen ihnennicht alle Waffensysteme, insbesondere nicht die entwickelten davon.Auch werden sie nur unter best<strong>im</strong>mten Auflagen weitergegeben, dieihre Einsatzweise betreffen. Außerdem sind diese Waffen nach denVorstellungen der verkaufenden Staaten kontingentiert und nicht nachden Wünschen jener Staaten, die sie erwerben wollen. Dies führt dazu,dass die Waffen exportierenden Länder Macht und Einfluss überjene Staaten gewinnen, die ihre Waffen kaufen müssen, insbesonderedann, wenn der Waffen <strong>im</strong>portierende Staat in einen Krieg gerät. Indiesem Fall benötigt er eine größere Anzahl an Waffen, Ersatzteilenund Munition, was seine Abhängigkeit vom Waffen exportierendenStaat vergrößert und ihn in noch stärkerer Weise nötigt, sich dessenForderungen zu beugen. Dies erlaubt dem exportierenden Staat, dieGeschicke und den Willen eines Landes zu kontrollieren, insbesondere<strong>im</strong> Falle eines Krieges, wenn größte Notwendigkeit an Waffenund Ersatzteilen besteht. <strong>Das</strong> Land legt damit seine Entscheidungsgewalt,sein Kriegsschicksal und sein gesamtes staatliches Gefüge indie Hände des Waffen exportierenden Staates.167


Aus all diesen Gründen muss der Staat seine Waffen selbst erzeugenund alles, was damit an Kriegsgerät und Ersatzteilen verbunden ist.Dies ist aber nur dann möglich, wenn sich der Staat der Schwerindustrieann<strong>im</strong>mt und zuerst jene Produktionsanlagen errichtet, die für denAufbau der militärischen und nichtmilitärischen Schwerindustrie erforderlichsind. Der Staat muss über Atomanlagen verfügen sowieüber Produktionsstätten für Raumschiffe, Raketen, Satteliten, Panzer,Kanonen, Kriegsschiffe sowie Panzerfahrzeuge aller Art. Er muss alleArten leichter und schwerer Waffen herstellen können, die erforderlichenWerkzeugmaschinen, Antriebsaggregate und Grundstoffe. Ermuss über eine umfassende Elektronikindustrie verfügen sowie überProduktionsanlagen, die mit dem öffentlichen Eigentum verbundensind. Auch muss der Staat <strong>im</strong> Besitz von Leichtindustriefabriken sein,die mit der Rüstungsindustrie in Zusammenhang stehen. All das ergibtsich aus dem Rüstungsgebot, das den Musl<strong>im</strong>en auferlegt wurde.So sagt der Erhabene:אא"Und rüstet gegen sie mit allem, was ihr an Kampfkraft aufzubringenvermögt." (Sure al-AnfÁl 8, Àya 60)Nachdem der <strong>Islam</strong>ische Staat die islamische Botschaft trägt, durchVerkündung und ¹ihÁd, muss er für den Krieg stets gerüstet sein.Dies macht es notwendig, dass die Schwer- und Leichtindustrie aufder Grundlage der Kriegspolitik aufbaut. Sollte der Staat es irgendwannfür notwendig erachten, seine Industrieanlagen in Rüstungsfabrikenumzuwandeln, so fällt es ihm leicht, dies zu tun, wann <strong>im</strong>mer eres wünscht. Die gesamte Industrie <strong>im</strong> Kalifatsstaat muss deswegenauf der Kriegspolitik aufbauen und sämtliche Industrieanlagen – sowohljene, die der Schwer-, als auch jene, die der Leichtindustrie zuzuordnensind – müssen auf der Grundlage dieser Politik errichtetwerden, damit ihre Umwandlung zur Rüstungsproduktion leicht erfolgenkann, wann <strong>im</strong>mer der Staat es für notwendig hält.168


Die ArmeeAllah, der Erhabene, hat die Musl<strong>im</strong>e damit geehrt, dass er sie zuTrägern der Botschaft des <strong>Islam</strong> an die gesamte Welt machte. Er legteihnen auch die Methode fest, mit der sie die Botschaft weitertragensollen, nämlich durch DaÝwa (Verkündung) und ¹ihÁd.Jeder musl<strong>im</strong>ische Mann, der das fünfzehnte Lebensjahr vollendethat, ist verpflichtet, als Vorbereitung auf den ¹ihÁd eine Militärausbildungzu absolvieren. Die Rekrutierung selbst stellt hingegen einePflicht dar, die nur zur Genüge erfüllt werden muss (Farà KifÁya).Dies ist auf den göttlichen Ausspruch zurückzuführen:א"Und bekämpft sie, bis es keine Verführung mehr gibt und derGlaube allein Allahs ist." (Sure al-Baqara 2, Àya 193) und auf die Aussagedes Gesandten Allahs : @אאאאאA"Bekämpft die Götzendiener mit eurem Vermögen, eurem Leben undeuren Zungen." (Von AbÙ DÁwÙd auf dem Wege des Anas überliefert.) Nachdemder Kampf heutzutage eine militärische Ausbildung erfordert,um ihn in der islamrechtlich verlangten Weise durchführen zu können– zum Besiegen des Feindes und der Eröffnung von Ländern –, stelltdie militärische Ausbildung an sich eine Pflicht gleich dem ¹ihÁddar. Dies geht aus der Rechtsregel hervor: Was zur Erfüllung einerPflicht unerlässlich ist, wird ebenfalls zur Pflicht. Der Aufruf zumKampf umfasst nämlich gleichzeitig den Aufruf zu einer entsprechendenAusbildung dazu. So ist der Aufruf <strong>im</strong> Koranvers in allgemeingültigerForm ergangen:"Und bekämpft sie […]." Demzufolge ist es ein Befehl zum Kämpfenund auch zu dem, was zum Kämpfen befähigt. Darüber hinaus befiehltder Erhabene:אא"Und rüstet gegen sie mit allem, was ihr an Kampfkraft aufzubringenvermögt." (Sure al-AnfÁl 8, Àya 60) Militärische Übungen und eine hoch-169


klassige Militärerfahrung zählen zweifellos zum "Rüsten der Kampfkraft",da sie heutzutage zur Durchführung des Kampfes notwendigsind. Demzufolge gehören sie – gleich der Ausrüstung, der Gerätschaftenund Ähnlichem – zur "Kampfkraft", für die "gerüstet" werdenmuss. Was die Rekrutierung anbelangt, d. h., Leute als permanenteSoldaten innerhalb der Armee unter Waffen zu setzen, so bedeutetdies die Aufstellung von Kämpfern (MuºÁhidÙn), die tatsächlich den¹ihÁd vollziehen, und alles, was damit verbunden ist. Dies stellt einePflicht (FarÃ) dar, da der ¹ihÁd eine permanente und dauerhaftePflicht verkörpert – ob uns der Feind nun angreift oder nicht. Von daherist die Rekrutierung eine Verpflichtung, die <strong>im</strong> Rechtsspruch des¹ihÁd <strong>im</strong>pliziert ist.Die Einteilung der ArmeeDie Armee besteht aus zwei Teilen. Der Erste ist der Reserveteil; erumfasst alle Musl<strong>im</strong>e, die zum Tragen einer Waffe in der Lage sind.Der Zweite ist der dauerhaft aktive Wehrbereich. Für ihn werden ausdem Staatshaushalt Gehälter gezahlt wie für alle anderen Staatsangestelltenauch.Dies ergibt sich aus der Pflicht zum ¹ihÁd. Jeder Musl<strong>im</strong> trägt dieVerpflichtung zum ¹ihÁd und zur Ausbildung dazu. Somit stellen alleMusl<strong>im</strong>e eine Reservearmee dar, da der ¹ihÁd eine Pflicht für sie alleist. <strong>Das</strong>s ein Teil von ihnen permanent unter Waffen steht, ergibt sichaus der Rechtsregel: Was zur Erfüllung einer Pflicht unerlässlich ist,wird ebenfalls zur Pflicht. Denn die Pflicht des ¹ihÁd kann nicht dauerhafterfüllt, der Boden des <strong>Islam</strong> nicht geschützt, der Besitz und dieEhre der Musl<strong>im</strong>e vor den Ungläubigen nicht verteidigt werden, ohnedas Vorhandensein einer permanenten Armee. Deswegen ist es einePflicht für den Imam, eine permanente Armee aufzustellen.<strong>Das</strong>s für diese Soldaten Gehälter wie für andere Staatsbedienstete best<strong>im</strong>mtwerden, liegt bei den Nichtmusl<strong>im</strong>en unter ihnen auf derHand. Denn der Ungläubige ist zum ¹ihÁd nicht verpflichtet. Wenner ihn aber vollzieht, dann wird es von ihm angenommen. In diesemFalle ist es erlaubt, ihm dafür Geld zu geben, weil al-TirmiÆÐ über al-ZuharÐ berichtet,170


@אאא אאA"dass der Gesandte Allahs Juden, die mit ihm kämpften, von der Beutezuteilte". Auch berichtet Ibn HišÁm,א،א אאאאA @"dass ÑafwÁn ibn Umayya als Ungläubiger mit dem Propheten nachÍunain 66 zog. Der Prophet teilte ihm gemeinsam mit jenen, derenHerzen gewonnen werden sollten, von der Beute Íunains zu". Weiterhinwird in der Sira von Ibn HišÁm erwähnt: א،،EאFAאאW،אאאWאא @KKKKאא"Ein fremder Mann war unter uns, den man nicht kannte. Sie nanntenihn QuzmÁn. Der Gesandte Allahs pflegte zu sagen, wenn man ihnvor ihm erwähnte: Er ist ein Angehöriger der Feuers. Als der Tag vonUÎud war, kämpfte er äußerst hart, so dass er alleine sieben oder achtder Götzendiener tötete […]." All dies sind Belege dafür, dass es erlaubtist, wenn sich Ungläubige innerhalb der islamischen Armee befinden,und dass es ebenso erlaubt ist, sie für ihren Dienst in der Armeezu bezahlen. Außerdem belegt die allgemeine Definition desMietverhältnisses – dass es sich um "einen Nutzvertrag mit Entschädigung"handelt – die Tatsache, dass der Mietvertrag für jede ArtNutznießung, die ein Mieter von einem Vermieter beziehen kann, erlaubtist. <strong>Das</strong> beinhaltet auch die Möglichkeit, eine Person für denKampf bzw. für die Rekrutierung in der Armee anzuheuern, weil essich auch dabei um einen Nutzen handelt. Der Rechtsbeleg für diegenerelle Erlaubnis, einen Mietvertrag für jede Art Nutznießung abzuschließen,ist somit auch ein Beleg dafür, Ungläubige für denKampf und den Armeedienst anheuern zu dürfen. Dies gilt für denNichtmusl<strong>im</strong>. Was den Musl<strong>im</strong> anbelangt, so stellt der ¹ihÁd für ihnzwar einen Gottesdienst dar, trotzdem ist es islamrechtlich erlaubt,auch ihn für den Kampf und den Armeedienst anzuheuern. <strong>Das</strong> ergibtsich zum einen aus der allgemeinen Erlaubnis zum Abschluss jedwedenMietvertrages, zum anderen aus der Rechtmäßigkeit, auch für den66 Gemeint ist die Schlacht von Íunain unmittelbar nach der Eroberung Mekkas.171


Vollzug gottesdienstlicher Handlungen – wenn deren Nutzen sichnicht nur auf den Vollzieher beschränkt –, einen Mietvertrag abzuschließen.So hat der Gesandte gesagt: @אאאאאאA"<strong>Das</strong> Rechtmäßigste für das ihr einen Lohn bezieht ist das Buch Allahs."(Von al-BuÌÁrÐ über den Weg von Ibn ÝAbbÁs überliefert.) <strong>Das</strong>Lehren des Buches Allahs stellt bekanntlich einen Gottesdienst dar.Genauso wie es erlaubt ist, Musl<strong>im</strong>e für das Lehren des Koran, fürdas Vorbeten und den Gebetsruf anzumieten – in all diesen Fällenhandelt es sich um gottesdienstliche Handlungen –, ist es ebenfallszulässig, sie für den ¹ihÁd und den Kampf anzuheuern. Darüber hinausist die Erlaubnis, einen Musl<strong>im</strong> für den ¹ihÁd anzuheuern – auchwenn der ¹ihÁd für ihn persönlich zur individuellen Pflicht gewordenist –, in einem ÍadÐ× des Gesandten offen belegt worden. So berichtetAbÙ DÁwÙd über ÝAbdullÁh ibn ÝAmr, dass der Gesandte Allahssprach: @אA"Der Kämpfer (al-ÇÁzÐ) erhält seinen Lohn und derjenige, der ihn dafürangeheuert hat (al-¹Á c il), erhält seinen Lohn und den Lohn desKämpfers. Al-ÇÁzÐ" (der Kämpfer) ist derjenige, der selber in denKampf zieht, und al-¹ÁÝil ist jener, für den ein anderer gegen Entlohnungin den Kampf zieht. Im Sprachwörterbuch Al-MuÎÐÔ heißt es:"Die ¹aÝÁla entspringt einem Dreierstammwort. Sie bezeichnet das,was man jemandem für seine Leistung bezahlt. TaºÁÝalu al-ŠaiÞa bedeutet,eine Sache unter sich auszumachen. ¹aÝÁla bezeichnet das,was du dem Kämpfer als Lohn ¹uÝl dafür bezahlst, dass er statt dir inden Kampf zieht." <strong>Das</strong> Wort Aºr bezeichnet sowohl das Entgelt füreine Leistung als auch den Lohn <strong>im</strong> Jenseits. Was die verbreitete Behauptungangeht, das Wort al-Aºr bezeichne allein den Lohn bei Allahfür die gute Tat und das Wort al-IºÁra das Entgelt, das man jemandemfür seine Leistung bezahlt, und daraus abgeleitet das Wortal-AºÐr, der Angemietete, so ist sie bar jeder sprachlichen Grundlage.Was die Sprache deutlich belegt, ist die Tatsache, dass das Wort al-Aºr generell den Lohn für eine Handlung bezeichnet. Im SprachwörterbuchAl-MuÎÐÔ heißt es: "Al-Aºr ist der Lohn für eine Handlung,wie das Wort al-IºÁra, das aus einem Dreierstamm abgeleitet ist. DieMehrzahl ist al-UºÙr und al-ÀºÁr ". Der o. a. ÍadÐ× bedeutet also: DerKämpfer (al-ÇÁzÐ) erhält seinen göttlichen Lohn, und derjenige, der172


anheuert (al-¹ÁÝil) erhält seinen göttlichen Lohn und den Lohn desjenigen,den er anheuerte, um an seiner Statt zu kämpfen. Der BegriffÇÁzÐ legt in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Wortes Aºrfest, dass nämlich der jenseitige (göttliche) Lohn damit gemeint ist.Ebenso belegt der Begriff ¹ÁÝil <strong>im</strong> ÍadÐ× die Bedeutung von Aºr alsden jenseitigen Lohn. Beide Begriffe stellen ein juristisches Indizium(QarÐna) dar, welches die Bedeutung von Aºr in diesem Zusammenhangdeterminiert. Al-BuÌÁrÐ berichtet von ¹ubair ibn Nufair, dassdieser sagte: Der Gesandte Allahs sprach:א،אאאA @א،"<strong>Das</strong> Gleichnis derer aus meiner Umma, die kämpfen und dafür einen¹uÝl (Entgelt) erhalten, mit dem sie sich gegen ihre Feinde stärken, istdas der Mutter Mose: sie stillte ihr Kind und bekam ihren Aºr dafür."<strong>Das</strong> Wort Aºr bedeutet in diesem Falle das Leistungsentgelt. Außerdembeschränkt sich der ¹ihÁd nicht auf die Nahewohnenden (Ahl al-Quraba). Deswegen ist es auch rechtmäßig, Leute dafür anzuheuern.Demzufolge wird den Soldaten – gleich den Staatsbediensteten – einGehalt ausbezahlt.Die Streitkräfte bilden eine Einheit: die Armee. Daraus werden best<strong>im</strong>mteGruppen ausgewählt, die einer speziellen Ordnung unterliegenund eine spezifische Ausbildung erhalten; sie bilden die Polizei.Es steht fest, dass der Gesandte Allahs eine vereinte Streitmachthatte, nämlich die islamische Armee. Er wählte daraus eine Gruppeaus, welche die Aufgaben der Polizei übernahm. Er rüstete die Armeeauf, führte sie an und ernannte Armeekommandeure zur Führung derArmee. Al-BuÌÁrÐ berichtet über Anas: @אאאA"Qais ibn SaÝd, war für den Propheten wie der Streifenträger 67 für denAmÐr." Gemeint ist hier Qais ibn SaÝd ibn ÝUbÁda al-AnÒÁrÐ al-ËazraºÐ.Und al-TirmiÆÐ berichtet:67 Arab.: ÑÁÎib al-ŠuraÔ. <strong>Das</strong> waren Personen, die als Erkennungsmerkmal Streifentrugen, als Zeichen ihrer Sicherheitsbefugnisse.173


WאKאאאA @א"Qais ibn SaÝd, war für den Propheten wie der Streifenträger für denAmÐr. Der AnÒÁrÐ ergänzte: <strong>Das</strong> heißt zur Erledigung der ihm zufallendenDinge." Ibn ËibbÁn erläuterte diesen ÍadÐ× unter dem Titel: @אאאאאאאA"Der Gesandte trifft Sicherheitsvorkehrungen vor den Götzendienern,wenn sie eintraten." Der Begriff al-ŠurÔa (die Streifenträger) bezeichnetauch die Vordergruppe einer Armee. Al-ZuharÐ sagt dazu: "Al-ŠurÔabezeichnet die Elite einer jeden Sache. Davon leitet sich al-ŠuraÔab, weil es die Elite einer Armeetruppe darstellt. Man sagt, es sei dievorderste Gruppe einer Armee. Auch wird gesagt, dass man sie alsŠuraÔ bezeichne, weil sie besondere Erkennungsmerkmale an ihrerKleidung und in ihrem Aussehen haben." Diese Definition wählteauch al-Asma Ý Ð. All das sind Belege dafür, dass die Polizei- bzw.Streifenkräfte zu den Armeestreitkräften gehören und dass der Kalifes ist, der den "Streifenleiter" ernennt, wie er auch den Armeekommandantenbest<strong>im</strong>mt. Ebenso wird damit belegt, dass die Polizei einenTeil der Streitkräfte bildet. Ob die Polizei nun wirklich der Armeezugeordnet oder von ihr getrennt wird, liegt in der Entscheidungsmachtdes Kalifen. Aus dem ÍadÐ× leitet sich jedoch ab, dassder "Streifenträger" ernannt wird, um die Angelegenheiten zu erledigen,die dem Imam, bzw. dem Herrscher zufallen. Mit anderen Wortenbilden die Streifenträger eine bewaffnete Einheit, die bereit ist,den Befehl des Imam bzw. des Herrschers in allen erforderlichen Angelegenheitendurchzuführen und die Gefahren, die sich ergeben können,von ihm abzuwehren. Aus der Sprache leitet sich ebenfalls ab,dass die ŠurÔa (Streifenträger) eine Armeegruppe mit besonderenMerkmalen bildet, die den Streitkräften vorangeht. Diese Gruppe derŠurÔa, die der Armee voranschreitet, ist zweifellos ein Teil von ihr,vielleicht ist sie auch eine Art Militärpolizei. Was aber die "Streifenträger"anbelangt, die dem Herrscher zur Verfügung stehen, so existiertkein Beleg dafür, dass sie einen Teil der Armee bilden. Ihre Tätigkeitbeschränkt sich darauf, dem Herrscher zur Disposition zu stehen.Es gibt jedoch Belege dafür, dass sie zu den Streitkräften desStaates zählen. Somit ist es dem Kalifen überlassen, sie der Armeeunterzuordnen oder von ihr abzutrennen. Nachdem alle Streitkräfte174


jedoch eine Einheit bilden – in Bezug auf die Tatsache, dass der Kalifdie Ernennungen vorn<strong>im</strong>mt, die Streitkräfte mit seiner Person verbundensind und sie ihre Befehle von ihm empfangen –, führt ihre Aufteilungin Armee- und Polizeiabteilung zur Schwächung ihrer Waffeneinheit,wenn die Polizei permanent mit den normalen Ordnungstätigkeitendes Herrschers beschäftigt ist. Deswegen ist es besser,wenn Polizei und Armee eine Einheit bilden, damit die Gleichheit inder Bewaffnung und Ausrüstung zur gemeinsamen Stärke führt, wennsie bei der Vorbereitung für den ¹ihÁd einheitlichen Waffensystemenfolgen. Demzufolge sind alle bewaffneten Streitkräfte in einer Armeevereint. Einige Einheiten werden daraus ausgewählt, um die Polizeiaufgabenzu übernehmen. Sie bleiben aber wieterhin Teil der Armee.Nach einiger Zeit werden diese Einheiten ausgewechselt und zur Armeezurückgeführt. Andere Einheiten werden ausgewählt, damit dieeinheitliche Fähigkeit und Bereitschaft der gesamten Armee erhaltenbleibt, jederzeit die Kampfhandlungen des ¹ihÁd zu führen.Die Polizei übern<strong>im</strong>mt die Aufgabe der Ordnungserhaltung, der Gewährleistungder inneren Sicherheit sowie alle Tätigkeiten des Justizvollzugs.Dies ergibt sich aus dem bereits erwähnten ÍadÐ× von Anas,in dem der Prophet Qais ibn SaÝd zu seinem "Streifenträger" ernannte.Der ÍadÐ× belegt, dass die "Streifenträger", d. h. die Polizeikräfte,sich "zwischen den Händen" des Herrschers befinden. Sich"zwischen den Händen des Herrschers" zu befinden, bedeutet, für denHerrscher die Vollzugsmacht zu verkörpern, um die Gesetze des <strong>Islam</strong>durchzuführen, die Ordnung aufrecht zu halten und die innere Sicherheitzu gewährleisten. Ebenso führen die Polizeikräfte den so genanntenÝAsas durch. ÝAsa sind die nächtlichen Streifen, um Diebe,Unheilstifter und jene zu verfolgen, von denen Böses zu befürchtenist. ÝAbdullÁh ibn MasÝÙd war Befehlshaber dieser Nachtstreifen inder Zeit von AbÙ Bakr. ÝUmar übernahm selbst die Nachtstreifen, zogseinen Diener oder manchmal auch ÝAbdurraÎmÁn ibn ÝAuf hinzu.Deswegen ist das, was Ladenbesitzer in einigen islamischen Länderntun, nämlich Nachtwächter für ihre Läden aufzustellen – oder derStaat auf Kosten der Ladenbesitzer Nachtwächter aufstellt –, falsch,weil diese Tätigkeit zu den Nachtstreifen zählt und Aufgabe desStaates bzw. der Polizeikräfte ist. Die Bürger dürfen damit nicht belastetwerden, und auch die Kosten dafür sind nicht von ihnen zu tragen.175


Die islamische Armee bildet eine vereinte Streitmacht, die sich ausmehreren Armeeeinheiten zusammensetzt. Jede dieser Einheiten erhälteine best<strong>im</strong>mte Nummernbezeichnung: z. B. erste Armee, dritteArmee usw. Sie können auch die Bezeichnung einer Provinz oder einesBezirkes erhalten, wie z.B. die Armee des ŠÁm, die Armee Ägyptensoder ÑanÝÁÞs.Die islamische Armee wird in speziellen Heerlagern gehalten. In jedemdieser Lager wird eine Gruppe von Soldaten untergebracht, entwedereine ganze Armeeeinheit oder ein Teil von ihr oder auch mehrereArmeen gemeinsam. Solche Heerlager müssen jedoch in den verschiedenenProvinzen eingerichtet werden, manche von ihnen in entsprechendenMilitärbasen. Einige von ihnen sind Bereitschaftslagermit ständigem Ortswechsel; sie bilden schlagkräftige (Schnell-) Einsatztruppen.Jedes dieser Lager erhält einen eigenen Namen, wie z. B.das ÍabbÁniyya-Lager, und ebenso eine eigene Flagge.Diese Einteilungen gehören entweder zu den erlaubten Dingen, wiedie Bezeichnung der Armeen nach Provinzen oder Zahlen, was derAnsicht des Kalifen und seiner Auffassung überlassen wird, oder siesind für den Schutz des Staates und die Stärkung der Armee notwendig,wie die Haltung der Armee in besonderen Heerlagern, in verschiedenenProvinzen und ihre Positionierung – zum Schutz der Länder– an strategisch wichtigen Orten.ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb teilte die Heerlager der Armee auf die verschiedenenProvinzen auf. So stellte er für Palästina eine Heereseinheit(Failaq) ab und ebenso für das Gebiet von Mosul. Im Zentrum desStaates setzte er ebenfalls eine Armeeeinheit ein. Er hielt sich eineeinheitliche Armee aufrecht, die be<strong>im</strong> geringsten Anzeichen kampfbereitwar.Brigadebanner und Flaggen der ArmeeFür die Armee werden Brigadebanner und (Divisions-)Flaggen eingerichtet.Der Kalif überreicht die Brigadebanner an jene Personen,denen er das Brigadekommando überträgt. Die Flaggen werden hingegenvon den Brigadekommandanten weitergereicht.176


Beweis dafür ist das Handeln des Propheten. So legte der Gesandte für die Armee Flaggen (RÁyÁt) und Brigadebanner (Alwiya) fest. IbnMÁºa berichtet über Ibn ÝAbbÁs: @אא،אאאאA"Die Flagge des Gesandten Allahs war schwarz und sein Bannerweiß." Al-TirmiÆÐ berichtet über al-BarrÁÞ ibn ÝÀzib, dass er über dieFlagge des Propheten gefragt wurde. Er sagte: @אA"Sie war schwarz und viereckig, aus gefranstem Stoff (Namira)." Al-Namira bezeichnet (auch) ein gestreiftes Kleidungsstück. Im SprachwörterbuchAl-MuÎit heißt es: "Al-Namira wie al-FariÎa ist ein kleinesStückchen Stoff. Die Mehrzahl lautet N<strong>im</strong>ar. Auch bezeichnet esein gestreiftes Kleidungsstück, ein Übergewand aus weißen undschwarzen Streifen oder einen Wollumhang, den die Wüstenarabertrugen." Der Prophet besaß auch eine Flagge, die man al-ÝUqÁb nannte,sie war aus schwarzem Wollstoff. AÎmad und Ibn MÁºa berichtenvon al-ÍÁri× ibn Hasan al-BakrÐ, dass dieser sagte:א،אאאאאAאWא؟אא،אאאא @א"Wir kamen in Medina an, als der Prophet auf der Kanzel stand, BilÁlstand bei ihm, mit gezogenem Schwert vor dem Gesandten Allahs .Schwarze Flaggen waren aufgestellt. Ich fragte: 'Was sind das fürFlaggen?' Sie antworteten: ÝAmr ibn al-ÝÀÒ ist aus einem Feldzug zurückgekehrt.'"Bei al-TirmiÆÐ lautet es folgendermaßen:אא،אאאאאאאAאWא؟אאא @א"Ich kam nach Medina und trat in die Moschee ein. Sie war voll mitMenschen, und schwarze Flaggen flackerten. BilÁl stand mit gezogenemSchwert vor dem Gesandten Allahs . Ich fragte: 'Was haben dieLeute denn?' Sie antworteten: 'Er (der Gesandte) möchte ÝAmr ibn al-ÝÀÒ in eine Richtung ausschicken.'" Und Ibn MÁºa berichtet von¹Ábir:177


@אאאאאA"Der Prophet rückte <strong>im</strong> Eroberungsjahr mit weißem Banner in Mekkaein." Bei al-NasÁÞÐ wird von Anas berichtet: @אאאאאאA"Ibn Umm MaktÙm hatte bei einigen gemeinsamen Feldzügen mitdem Propheten eine schwarze Flagge bei sich." Vom Gesandten wird auch berichtet: @אאאאאאA"Als er UsÁma ibn Zaid an die Spitze einer Armee setzte, um gegendie Römer zu ziehen, band er ihm das Banner (LiwÁÞ) mit der eigenenHand um." Auch unterscheidet sich eine Flagge von einem Banner.AbÙ Bakr ibn al-ÝArabÐ meint dazu: "<strong>Das</strong> Banner (al-LiwÁÞ) unterscheidetsich von der Flagge. <strong>Das</strong> Banner wird an die Spitze des Speeresgebunden und um ihn gewickelt. Die Flagge wird am Speer angebrachtund flattert <strong>im</strong> Wind." Auch al-TirmiÆÐ neigte zur Unterscheidung.Unter dem Titel Alwiya (Banner) registrierte er zuerst denangeführten ÍadÐ× von ¹Ábir und anschließend, unter dem separatenTitel RÁyÁt (Flaggen), den von uns ebenfalls angeführten ÍadÐ× vonal-BarrÁÞ. Die Flaggen wurden vom Kriegskommandanten währendder Schlacht benutzt, wie es <strong>im</strong> ÍadÐ× über die Schlacht von MuÞtaerwähnt wird: @אאA"Zaid wurde getötet, da übernahm ¹aÝfar die Flagge." <strong>Das</strong> Banner(al-LiwÁÞ) wurde jedoch als Erkennungszeichen über dem Heereslagerangebracht und dem Kommandanten dieses Heeres übergeben. Soist es auch <strong>im</strong> ÍadÐ× über die Entsendung UsÁmas nach al-ŠÁm erwähntworden: @אאA"Er (der Gesandte ) band ihm das Banner mit der eigenen Hand um"als er ihn nämlich zum Kommandanten der Armee ernannte. Der Unterschiedzwischen dem Banner und der Flagge ist, dass das Banneran die Spitze des Speeres gebunden und anschließend um den Speergewickelt wird. Es wird <strong>im</strong> Arabischen auch al-ÝAlam genannt und istgrößer als die Flagge. Es ist das Zeichen für den Aufenthaltsort desArmeekommandanten, das ihn überall hin begleitet. Die Flagge (al-RÁya) ist hingegen kleiner als das Banner; sie wird am Speer ange-178


acht und flattert <strong>im</strong> Wind. Sie wird vom Kriegsherrn übernommenund als "Mutter" der Schlacht bezeichnet. Die gesamte Armee hatdemnach eine Flagge für sich, wie auch deren Untergruppen, Brigadenund Divisionen jeweils ihre eigenen Flaggen haben.Die schwarzen Flaggen erhalten die weiße Aufschrift LÁ IlÁha ill-AllÁhMuÎammadun RasÙlullÁh (Es gibt keinen Gott außer Allah undMuÎammad ist der Gesandte Allahs) und die weißen Banner die gleicheAufschrift LÁ IlÁha ill-AllÁh MuÎammadun RasÙlullÁh inSchwarz.<strong>Das</strong> erste Banner, das <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> gebunden wurde, war das des ÝAbdullÁhibn ¹aΚ, und für SaÝd ibn MÁlik al-AzdÐ wurde eine schwarzeFlagge mit einem weißen Halbmond aufgestellt. Dies belegt, dass fürdie Armee entsprechende Brigadebanner und Flaggen aufgesetzt werdenmüssen und dass der Kalif das Banner jenem überreichen muss,dem er das Kommando über die Armee bzw. Brigade überträgt. Wasdie Flaggen anbelangt, so können sie vom Kalifen oder auch von denBrigadekommandanten übergeben werden. <strong>Das</strong>s es dem Kalifen erlaubtist, auch die Flaggen zu übergeben, geht aus folgendem ÍadÐ×hervor, den al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> von Salama ibn al-AkwaÝ überliefern.So berichtet Salama, dass der Gesandte Allahs sprach:אאאאאאאAאאאKאאKאא @א"Wahrlich, m<strong>org</strong>en übergebe ich die Flagge einem Mann (oder esübern<strong>im</strong>mt die Flagge ein Mann), den Allah und sein Gesandter lieben(oder der Allah und seinen Gesandten liebt), Allah wird durch ihndie Eroberung vollziehen." Da fanden wir uns ÝAlÐ gegenüber, obwohles nicht unser Wunsch war. Die Menschen riefen: "<strong>Das</strong> istÝAlÐ!" Der Gesandte Allahs übertrug ihm die Flagge und Allah eröffnetedie Festung durch seine Hand. <strong>Das</strong>s es auch den Brigadekommandantenerlaubt ist, die Flaggen zu übergeben, leitet sich aus dembereits angeführten ÍadÐ× des al-ÍÁri× ibn HišÁm ab, in dem es heißt: @אאA"Schwarze Flaggen waren aufgestellt." <strong>Das</strong> bedeutet, dass es in derArmee viele Flaggen gab, obwohl der Kommandant ein einziger war,179


nämlich ÝAmr ibn al-ÝÀÒ. Dies gilt unabhängig davon, ob er gerade indie Schlacht zog oder aus ihr zurückkam. Die Flaggen waren offenbarin den Händen der einzelnen Truppenkommandanten, jedoch weistnichts darauf hin, dass der Gesandte es war, der ihnen diese Flaggenüberreichte. Außerdem steht es dem Kalifen zu, seinen Armeekommandantendas Recht zu gewähren, ihren einzelnen Truppen- bzw.Bataillonskommandanten die Flaggen selbst zu übergeben. Auch entsprichtdas eher der Truppeneinteilung, wenngleich beide V<strong>org</strong>ehensweisenerlaubt d. h. mubÁÎ sind.Der Kalif ist der Oberbefehlshaber der ArmeeDer Kalif ist der Oberbefehlshaber der Armee. Er ernennt den Generalstabchefund den Kommandanten für jede Brigade. Ebenso ernennter die Befehlshaber der einzelnen Divisionen. Alle weiteren Armeekaderwerden von seinen Kommandanten und Truppenführern aufgestellt.Was die Berufung in den Generalstab betrifft, so erfolgt siegemäß dem militärischen Fachwissen und wird vom Generalstabchefdurchgeführt.<strong>Das</strong> Kalifat stellt eine allgemeine Führerschaft für alle Musl<strong>im</strong>e aufErden dar, um das Gesetz des <strong>Islam</strong> durchzuführen und seine Botschaftin die Welt zu tragen. Die Methode, um die Botschaft an dieWelt heranzutragen, ist der ¹ihÁd. Deswegen hat der Kalif auch diePflicht, den ¹ihÁd zu führen, weil der Kalifatsvertrag auf seine Personabgeschlossen wurde. Aus diesem Grunde ist es nicht zulässig,dass ein anderer diese Aufgabe übern<strong>im</strong>mt. Vielmehr muss der Kalifalle Angelegenheiten, die mit dem ¹ihÁd verbunden sind, selbst übernehmen.Es ist nicht zulässig, dass ein anderer diese Aufgabe übern<strong>im</strong>mt,obgleich der ¹ihÁd an sich von jedem Musl<strong>im</strong> vollzogenwird. Der Vollzug des ¹ihÁd ist nämlich die eine Sache, seine (verantwortliche)Übernahme hingegen eine andere. Der ¹ihÁd stellt einePflicht für jeden Musl<strong>im</strong> dar, seine verantwortliche Übernahme obliegtjedoch allein dem Kalifen. Dem Kalifen ist es zwar erlaubt, sichbe<strong>im</strong> Vollzug von Pflichten, die er zu erfüllen hat, durch andere vertretenzu lassen, allerdings muss das unter seiner Leitung und Kontrollegeschehen. Es ist unzulässig, dass dies ohne seine Überwachungund Leitung erfolgt. Hier unterscheidet sich die Kenntnisnahmedes Kalifen von jener überblickshaften, die <strong>im</strong> Falle des MuÝÁwin180


al-TafwÐÃ stattfindet. Im Bereich des ¹ihÁd erfolgt die Informationsnahmedes Kalifen intensiv und umfassend, weil seine Vertreter seinerdirekten Leitung und Betreuung unterstehen. Überträgt der Kalifdas Armeekommando mit dieser Einschränkung – dass es nämlichseiner Beobachtung und Leitung untersteht –, so kann er dies tun unddas Kommando einer Person seiner Wahl übergeben. Eine Übergabedes Kommandos ohne seine Leitung und ohne sein überwachendesAuge – auch wenn er dem Namen nach den Oberbefehl innehat – isthingegen unzulässig, weil der Kalifatsvertrag auf seine Person abgeschlossenwurde und somit er den ¹ihÁd in Verantwortung übernehmenmuss. Deshalb ist die in den anderen, nichtislamischen Systemenübliche V<strong>org</strong>ehensweise, in denen das Staatsoberhaupt pro forma denOberbefehl der Streitkräfte innehat und einen Kommandanten ernennt,der dann selbständig die Führung der Armee übern<strong>im</strong>mt, ausder Sicht des <strong>Islam</strong> ungültig. Es stellt eine V<strong>org</strong>ehensweise dar, diedas islamische Recht nicht billigt. Der <strong>Islam</strong> schreibt vor, dass derKalif auch der tatsächliche Befehlshaber der Armee ist. Was die anderenBelange außer der Armeeführung angeht, wie fachspezifische,verwaltungstechnische oder sonstige Fragen, so kann der Kalif nachBelieben Vertreter ernennen, die in selbständiger Weise – gleich denGouverneuren (al-WulÁt) – diese Aufgaben erledigen. Dabei ist esnicht erforderlich, dass es unter seiner ständigen Überwachung geschieht;auch muss er nicht in permanenter Informationsverbindungmit ihnen stehen.Es ist eine Tatsache, dass der Gesandte die effektive Führung derArmee innehatte. Er übernahm auch selbst die Führung der Schlachten.Ebenso ernannte er die Kommandanten der Armeetruppen, dieohne seine Begleitung in den Kampf zogen. Diese Feldzüge nannteman SarÁyÁ. An die Spitze jeder dieser SarÁyÁ setzte er einen Kommandanten.Manchmal traf er sogar Vorkehrungen für den Fall, dassder Kommandant fiel, und ernannte auch seinen Nachfolger. So geschahes bei der Schlacht von MuÞta. Al-BuÌÁrÐ berichtet über Abdullāhibn ÝUmar, dass dieser sagte: W א @ אא، ، אA"Der Gesandte Allahs setzte bei der Schlacht von MuÞta Zaid ibn HÁri×aals Befehlshaber ein. Dann sagte er: Wenn Zaid fällt, übern<strong>im</strong>mt¹aÝfar das Kommando, sollte auch ¹aÝfar fallen, dann übern<strong>im</strong>mt das181


Kommando ÝAbdullÁh ibn RawÁÎa." Der Kalif ist es also, der denArmeekommandanten ernennt; er überträgt ihm das Banner und ernenntauch die Brigadekommandanten. Die Heere, die nach al-ŠÁmentsandt worden sind, wie das Heer von MuÞta und das Heer UsÁmas,waren Armeebrigaden. Beleg dafür ist der Umstand, dass der Prophet das Brigadebanner für UsÁma selbst wickelte. Und die SarÁyÁ-Truppen, die auf der Arabischen Halbinsel kämpften und wieder zurückkehrten,entsprachen kleineren Armeetrupps, wie jene von SaÝdibn AbÐ WaqqÁÒ, die der Gesandte Richtung Mekka entsandte. <strong>Das</strong>belegt, dass die Brigade- und Divisionskommandanten vom Kalifenernannt werden. Darauf weist auch die Tatsache hin, dass der Prophetin seinen Schlachten mit den Truppenführern und ihren Vertretern inständigem Kontakt stand. Durch sie war er stets über den Truppenzustandinformiert. Außer den Armee- und Truppenkommandanten derSarÁyÁ ist nicht bekannt, dass der Gesandte eine Ernennung vornahm.<strong>Das</strong> belegt, dass er die Ernennung der Unterkommandanten währendder Schlacht den Armeekommandanten überließ. Was jedoch denGeneralstabchef betrifft, so ist er für den gesamten fachlichen und militärstrategischenBereich zuständig. In gewisser Weise entspricht ereinem Armeekommandanten und wird deshalb ebenfalls vom Kalifenernannt. In seiner Tätigkeit ist er jedoch unabhängig. Er führt seineArbeiten durch, ohne dass der Kalif eine leitende Überwachungsfunktionübernehmen muss, wenngleich auch er dem Befehl des Kalifenuntersteht.Die Ausbildung der Armee in militärischer und islamischerGeistesbildungFür die Armee muss die bestmögliche militärische Ausbildung aufdem höchsten Niveau gewährleistet werden. Auch das geistige Niveaumuss – soweit es möglich ist – angehoben werden. Jedes Mitgliedder Armee muss auch eine islamische Ausbildung erhalten, dieihm ein entsprechendes Bewusstsein über den <strong>Islam</strong> vermittelt – zumindestin umfassender Weise.Die entsprechenden militärischen Kenntnisse sind heute zu einerGrundvoraussetzung für jede Armee geworden. Keine Armee ist heutein der Lage, Kriege und Schlachten zu führen, ohne eine entsprechendemilitärische Ausbildung zu erhalten. Deswegen ist sie für die182


Armee zu einer islamischen Pflicht geworden, gemäß der Rechtsregel:Was zur Erfüllung einer Pflicht unerlässlich ist, wird ebenfallszur Pflicht. Was die islamische Ausbildung betrifft, so stellt das Erlernenjener Gebote, die die persönlichen Handlungen betreffen, fürjeden eine individuelle Pflicht dar. Was darüber hinaus geht, fällt unterdie Pflichten, die zur Genüge erfüllt werden müssen. So berichtenal-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> über MuÝÁwiya ibn AbÐ SufyÁn, dass er sagte:"Ich hörte den Gesandten Allahs sagen: @ אאאA"Mit wem Allah es gut meint, den bildet er <strong>im</strong> Glauben aus." Dies giltfür die Armee in gleicher Weise wie für jeden anderen Musl<strong>im</strong> auch –obwohl es auf die Armee, die Länder eröffnet, um die Botschaft zuverkünden, in stärkerem Maße zutrifft. Die Hebung des geistig-intellektuellenNiveaus der Armee ist für ein korrektes Bewusstsein notwendig,um die Glaubens- und Lebensangelegenheiten richtig begreifenzu können. Möglicherweise liegt auch <strong>im</strong> folgenden Ausspruchdes Gesandten @ אA"Vielleicht besitzt derjenige, der es vern<strong>im</strong>mt, ein stärkeres Bewusstseinals derjenige, der es verkündet" ein Ansporn für die Erlangungeines richtigen islamischen Bewusstseins. Und in der göttlichen Aussagedes Koran"[…] für ein Volk, das denkt" (Sure YÙnus 10, Àya 24) bzw. "[…] so dass sie Herzen haben könnten, um zu begreifen […]" (Sureal-Íaºº 22, Àya 46) liegt ebenfalls ein Hinweis auf die Wichtigkeit desDenkens.In jedem Armeelager muss es eine ausreichende Anzahl an Stabsoffizierengeben, die auf einem hohen militärischen Ausbildungsniveaustehen und Erfahrung <strong>im</strong> Festlegen von Schlachtplänen und in derFührung von Kämpfen haben. Überhaupt muss dafür ges<strong>org</strong>t werden,dass in der gesamten Armee die größtmögliche Zahl solcher Stabsoffizierezur Verfügung steht.183


Auch dies leitet sich aus der Regel ab: Was zur Erfüllung einerPflicht unerlässlich ist, wird ebenfalls zur Pflicht. Wenn die militärischeAusbildung nicht durch Erlernen theoretisch begriffen und durchdauerhaftes Training praktisch erfasst wird, dann ist auch die ausreichendeErfahrung nicht vorhanden, die zur Durchführung von Kämpfenund zur Festlegung von Schlachtplänen befähigt. Deswegen stellendie Gewährleistung einer militärischen Ausbildung auf höchstemNiveau, das stete Weiterlernen und das dauerhafte Training eine unabdingbarePflicht dar, damit die Armee auf den ¹ihÁd und auf dieDurchführung von Schlachten jeden Moment vorbereitet ist. Nachdemdie Armee in verschiedene Lager aufgeteilt wird und jedesHeerlager <strong>im</strong> Stande sein muss unverzüglich in Kämpfe einzutreten,ist es verpflichtend, dass in jedem Heerlager eine genügende Anzahlvon Stabsoffizieren vorhanden ist, gemäß der Rechtsregel: Was zurErfüllung einer Pflicht unerlässlich ist, wird ebenfalls zur Pflicht.Darüber hinaus ist es verpflichtend, dass der Armee Waffen, notwendigeGerätschaften, Munition und allgemeine Ausrüstungen in ausreichenderAnzahl zur Verfügung stehen, damit sie in der Lage ist, ihreAufgabe als islamische Armee zu erfüllen.Dies geht aus folgender göttlichen Aussage hervor:א אאא א "Und rüstet gegen sie mit allem, was ihr an Kampfkraft und Schlachtrossenaufzubringen vermögt, auf dass ihr damit die Feinde Allahsund eure Feinde einschüchtert und außer ihnen andere, die ihr nichtkennt, doch Allah kennt sie." (Sure al-AnfÁl 8, Àya 60) Die Aufrüstungfür den Kampf stellt somit eine Pflicht dar. Sie muss in einer sooffenkundigen und deutlichen Weise erfolgen, die wirklich zur Einschüchterungder Feinde und auch der Heuchler unter den Staatsbürgernführt. Die Aussage turhibÙna ("auf dass ihr einschüchtert") <strong>im</strong>Koranvers stellt gleichzeitig eine Rechtsbegründung (arab.: ÝIlla) fürdie Aufrüstung dar. Die Aufrüstung ist also nicht vollkommen erfolgt,solange nicht die Rechtsbegründung, um derentwillen die Aufrüstungbefohlen wurde, nämlich die Einschüchterung der Feinde und derHeuchler, erfüllt ist. Daraus ergibt sich die Pflicht zur Gewährleistungaller erforderlichen Waffen, Kriegsgerätschaften und aller weiteren184


notwendigen Armeeausrüstungen, um die Einschüchterung zu realisierenund – mit besserem Grund – die Armee in die Lage zu versetzen,ihre Aufgabe, nämlich den ¹ihÁd zur Verbreitung der Botschaftdes <strong>Islam</strong>, durchführen zu können. Als uns Allah, der Erhabene, dieAufrüstung anbefahl, legte er auch die diesbezügliche Rechtsbegründungfest, nämlich die Einschüchterung sowohl der offenkundigen alsauch der verb<strong>org</strong>enen Feinde. So sagt Er:א אאא א "Und rüstet gegen sie mit allem, was ihr an Kampfkraft und Schlachtrossenaufzubringen vermögt, auf dass ihr damit die Feinde Allahsund eure Feinde einschüchtert und außer ihnen andere, die ihr nichtkennt, doch Allah kennt sie." (Sure al-AnfÁl 8, Àya 60) Es muss hier dieäußerste Präzision in der Àya beachtet werden. So hat Allah die Aufrüstungnicht zum Zwecke des ¹ihÁd anbefohlen, sondern zumZweck der Einschüchterung, was in der Formulierung weitaus brillanterist. Denn das Wissen des Feindes um die Stärke der Musl<strong>im</strong>e wirdihn davon abhalten, sie anzugreifen. Es wird ihn auch davor zurückschreckenlassen, ihnen <strong>im</strong> Kampf entgegenzutreten. Somit stellt esein äußerst effektives Mittel dar, um Schlachten zu gewinnen undSiege zu erlangen.Der <strong>Islam</strong>ische Staat befindet sich <strong>im</strong> Zustand despermanenten ¹ihÁdDer <strong>Islam</strong>ische Staat befindet sich stets <strong>im</strong> Zustand des ¹ihÁd. Die islamischeUmma weiß, dass der Krieg zwischen ihr und anderen Völkernund Nationen jederzeit ausbrechen kann. Deswegen müssen sichalle kriegsrelevanten Anlagen – seien sie industrietechnischer odermilitärstrategischer Natur – auf einem Niveau befinden, das jenes derGroßmächte übertrifft. Auch muss die volle Flexibilität der industriellenund militärischen Kapazitäten in permanenter Weise gewährleistetsein. Die finanziellen Ressourcen müssen eine stetig steigendeTendenz aufweisen und dauerhaft bereitgestellt werden.Der <strong>Islam</strong>ische Staat ist ein Staat, der auf dem islamischen Überzeugungsfundamentgründet und die Gesetze des <strong>Islam</strong> anwendet. Die185


Gesetze des <strong>Islam</strong> zwingen ihn dazu, dass seine grundlegende Tätigkeit– nach der Implementierung des <strong>Islam</strong> <strong>im</strong> Inneren – das Tragendes <strong>Islam</strong> nach außen hin ist, als Botschaft an die gesamte Welt. Der<strong>Islam</strong>ische Staat ist somit für die ganze Welt verantwortlich. Er istdazu verpflichtet, die Botschaft des <strong>Islam</strong> in die entlegensten Winkeldieser Erde zu tragen, da es sich um eine universelle Botschaft handelt,die für die gesamte Menschheit gedacht ist. Der Erhabene sagt:אא"Und wir haben dich nur als Frohbotschafter und Warner an die gesamteMenschheit entsandt." (Sure SabaÞ 34, Àya 28) Auch sagt Er:"Und wir haben dich nur als Barmherzigkeit an die Weltenbewohnerentsandt" (Sure al-AnbiyÁÞ 21, Àya 107) und sagt:א א "Sprich: 'Ihr Menschen, ich bin der Gesandte Allahs zu euch allen."(Sure al-AnÝÁm 7, Àya 158) Auch sagt der Gesandte Allahs: @ אא،אאKKKA"[…] ein Prophet wurde <strong>im</strong>mer nur zu seinem Volk entsandt, ich aberan die gesamte Menschheit." (Von al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> über den Weg von¹Ábir ibn AbdillÁh überliefert.) Deswegen ist es ein Obligat, dass der <strong>Islam</strong>ischeStaat die Botschaft weiterträgt und sie allen Menschen verkündet.Der <strong>Islam</strong> hat den ¹ihÁd als Methode (ÓarÐqa) zum Tragender Botschaft festgelegt und den Unglauben zum Grund gemacht, warumUngläubige und Götzendiener bekämpft werden müssen. So sagtder Erhabene:אאאאאאאאא"Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und den Jüngsten Tagglauben und nicht das verbieten, was Allah und sein Gesandter verbotenhaben und nicht dem Glauben der Wahrheit folgen, bis sie dieDschizya nach Vermögen in Demut entrichten." (Sure al-Tauba 9, Àya 29)Auch sagt Er:א186


אאאא"O Prophet! Kämpfe gegen die Ungläubigen und Heuchler und seihart gegen sie" (Sure al-Tauba 9, Àya 73) und sagt:אא"So kämpft gegen die Freunde des Satan." (Sure al-Nisā’ 4, Àya 76). Wieterhinsagt Er:אאאאא"Ihr Gläubigen! Kämpft gegen jene unter den Ungläubigen, die eucham nächsten sind" (Sure al-Tauba 9, Àya 123) und sagt:אא"Und kämpft gegen die Götzendiener." (Sure al-Tauba 9, Àya 36)Darüber hinaus hat der <strong>Islam</strong> den ¹ihÁd durch die eindeutige Aussagein Koran und ÍadÐ× zur Pflicht erklärt. Der Erhabene sagt:א"Der Kampf ist euch v<strong>org</strong>eschrieben worden" (Sure al-Baqara 2, Àya 216)und sagt: אאאא"Rückt aus, leicht und schwer (bewaffnet), und kämpft mit eurem Gutund eurem Blut." (Sure al-Tauba 9, Àya 41) Auch sagt Er:אאאאא"Ihr Gläubigen! Kämpft gegen jene unter den Ungläubigen, die eucham nächsten sind" (Sure al-Tauba 9, Àya 123) und sagt:אא"Rückt ihr nicht aus, so wird Er euch schmerzlich strafen" (Sure al-Tauba9, Àya 39) Von Anas wird berichtet, dass der Gesandte Allahs sprach: @ אאאA"Kämpft gegen die Götzendiener mit eurem Vermögen, eurem Blutund euren Zungen." (AbÙ DÁwÙd)Deswegen wird sich der <strong>Islam</strong>ische Staat in einem permanenten Zustanddes ¹ihÁd befinden, weil es seine dauerhafte Aufgabe ist, die187


Botschaft des <strong>Islam</strong> in die Welt zu tragen. Diese Aufgabe macht den¹ihÁd erforderlich, damit der <strong>Islam</strong> letztendlich die Welt umfasst. Al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> berichten von Ibn ÝUmar, dass der Gesandte Allahssprach:אאאאאאאאאאאאAאאאאאאאאא @ א"Mir ist befohlen worden, die Menschen zu bekämpfen, bis sie bezeugen,dass es keinen Gott gibt außer Allah und dass MuÎammad derGesandte Allahs ist, sie das Gebet aufrecht halten und die ZakÁt entrichten.Wenn sie das tun, dann schützen sie ihr Blut und ihr Vermögenvor mir, bis auf das Recht, das der <strong>Islam</strong> vorschreibt. Ihre Rechenschaftobliegt dann Allah."AbÙ DÁwÙd berichtet über Anas ibn MÁlik, dass der Gesandte Allahssprach:אאאא @ KKKאאKKKA"[…] Der ¹ihÁd wird fortgesetzt von dem Tage an, als Allah michentsandte, bis die Letzten meiner Umma den Dadschal 68 bekämpfen;weder wird er durch die Ungerechtigkeit eines Ungerechten nochdurch die Gerechtigkeit eines Gerechten ausgesetzt […]." Ebensoheißt es <strong>im</strong> Buch Allahs:א "Und kämpft gegen sie, bis es zu keiner Verführung mehr kommt undder gesamte DÐn 69 Allah gehört." (Sure al-Baqara 2, Àya 193) Auch sagtEr: אא"Und bekämpft die Götzendiener allesamt, wie sie euch allesamt bekämpfen."(Sure al-Tauba 9, Àya 36)68 Der falsche Christus. Nach islamischer Überlieferung wird er am Ende der Zeitauftauchen und v<strong>org</strong>eben, der erwartete Christus zu sein. Von den wahren Gläubigenwird er als Betrüger entlarvt und bekämpft werden.69 Glaube und Lebensordnung.188


Nachdem er den Staat in Medina errichtet hatte, verbrachte der Gesandte sein Leben <strong>im</strong> ¹ihÁd. Er hielt niemals darin inne, nicht einmalals Todkranker. Auch in diesem Zustand befahl er, die ArmeeUsÁmas auszusenden, die er bereits vor seiner Krankheit zur Bekämpfungder Römer vorbereitet hatte. Es muss jedoch klar sein, dass der¹ihÁd bzw. der Krieg erst stattfinden kann, nachdem den Nichtmusl<strong>im</strong>endie Botschaft des <strong>Islam</strong> verkündet wurde. Sie werden aufgefordert,in den <strong>Islam</strong> einzutreten. Wenn sie das ablehnen, wird ihnen angeboten,sich dem <strong>Islam</strong>ischen Staat zu unterwerfen und die Dschisyah70 zu entrichten. Lehnen sie die Entrichtung der ¹izya und dieUnterwerfung unter die Herrschaft des <strong>Islam</strong>ischen Staates ebenfallsab, dann werden sie bekämpft. So wurde es <strong>im</strong> ÍadÐ× dargelegt, denSula<strong>im</strong>Án ibn Buraida von seinem Vater berichtet, der Folgendessprach:،א אאאA،אא،אאאWאא א ،، ،،KאאWאאKKK @ KKKאאאאאאא،‏אא،‏א"Wenn der Gesandte Allahs für eine Armee oder einen Soldatentruppeinen Kommandanten aufstellte, rief er ihn <strong>im</strong> Besonderen zurGottesfurcht auf und legte ihm die Musl<strong>im</strong>e, die mit ihm zogen, ansHerz. Dann sagte er: Kämpft <strong>im</strong> Namen Allahs und um Seinetwillen.Kämpft gegen jene, die nicht an Allah glauben. Erobert, aber reißtnichts Unrechtmäßiges an euch. Begeht keinen Verrat und keine Leichenschändung.Tötet kein Neugeborenes. Wenn du auf deinen Feindunter den Götzendienern triffst, so biete ihm drei Möglichkeiten oderAlternativen an. Wenn er eine dieser Möglichkeiten akzeptiert, dannn<strong>im</strong>m es von ihm an und bekämpfe ihn nicht. Ruf ihn zuerst zum <strong>Islam</strong>auf, n<strong>im</strong>mt er das an, so halte ab von ihm (bekämpfe ihn nicht)[…], bis er sagte: Wenn er das ablehnt, dann fordere ihn auf, die¹izya zu entrichten. Akzeptiert er das, so n<strong>im</strong>m es von ihm an undbekämpfe ihn nicht. Sollte er das auch ablehnen, dann zieh dir Allahzu Hilfe und bekämpfe ihn […]." (Musl<strong>im</strong>) Demzufolge muss die Ein-70 Schutzsteuer, die von den begüterten männlichen Nichtmusl<strong>im</strong>en an den<strong>Islam</strong>ischen Staat entrichtet wird.189


ladung zum <strong>Islam</strong> dem Kampf vorangehen. Auch muss die Aufforderung,sich dem <strong>Islam</strong>ischen Staat zu unterwerfen und die ¹izya zuentrichten dem Kampf vorangestellt werden. Der Krieg kommt erstan dritter Stelle.Aus diesen Gründen befindet sich der <strong>Islam</strong>ischen Staat in einem Zustanddes permanenten ¹ihÁd. Der islamischen Umma ist bewusst,dass Allah ihr das Tragen der islamischen Botschaft an die Welt auferlegthat. Ebenso hat er ihr auch aufgetragen, die Ungläubigen ihresUnglaubens willen zu bekämpfen, und zwar so lange, bis sie bezeugen,dass es keinen Gott gibt außer Allah und dass MuÎammad derGesandte Allahs ist, oder die ¹izya 71 nach Vermögen in Demut entrichten.Der islamischen Umma ist ebenfalls bewusst, dass der Unglaubeund die Ungläubigen dem <strong>Islam</strong> und der islamischen Ummafeindlich gesinnt sind. Sie tragen ihr und dem <strong>Islam</strong> gegenüber einengemeinen, abgrundtiefen Hass <strong>im</strong> Herzen und werden jede Gelegenheitnutzen, um die Musl<strong>im</strong>e zu bekämpfen. Dies lässt die Umma erkennen,dass der Krieg zwischen ihr und anderen Völkern und Nationenjederzeit möglich ist, da das Tragen der Botschaft und die Feindschaftder Ungläubigen zum <strong>Islam</strong> und zur islamischen Umma diesenKrieg erforderlich machen.Nachdem sich der <strong>Islam</strong>ische Staat in einem Zustand des permanenten¹ihÁd befindet und die islamische Umma erkennt, dass der Kriegzwischen ihr und anderen Völkern und Nationen jederzeit möglichist, muss sowohl der Staat als auch die Umma auf den Kriegsfall stetsvorbereitet sein. Mit anderen Worten muss sie ein Leben des Kriegesführen, wie es das Leben des Gesandten , seiner Gefährten und derrechtgeleiteten Kalifen nach ihm war. Dies bedingt, dass sämtlicheIndustrieanlagen des Staates, sowohl militärische als auch nichtmilitärische,das technische Niveau der Industrieanlagen anderer Staatenund Großmächte übertrifft. Auch die wissenschaftlichen Fakultätenmüssen in der größtmöglichen Zahl und auf dem höchsten Niveauvorhanden sein, um hunderttausende Ingenieure, Erfinder, Fachleuteund Technologen hervorzubringen. Der Staat muss sich in einem stetenEntwicklungs- und Fortschrittsprozess befinden, um in der Lagezu sein, eine gewaltige Kampfkraft vorzubereiten, die die Feinde Al-71 Tribut, den die vermögenden männlichen nichtmusl<strong>im</strong>ischen Staatsbürger an den<strong>Islam</strong>ischen Staat zu entrichten haben.190


lahs und seine Feinde einschüchtert. Dies gilt für reale und potentielleFeinde in gleicher Weise. So befiehlt Allah, der Erhabene:א אאא א "Und rüstet gegen sie mit allem, was ihr an Kampfkraft und Schlachtrossenaufzubringen vermögt, auf dass ihr damit die Feinde Allahsund eure Feinde einschüchtert und außer ihnen andere, die ihr nichtkennt, doch Allah kennt sie." (Sure al-AnfÁl 8, Àya 60) Dies macht erforderlich,dass der Staat eine auf den Krieg ausgerichtete Wirtschaftführt und sich in einer steten finanziellen Aufwärtsentwicklung befindet,um die gewaltigen Geldmittel aufbringen zu können, die dieProduktion sich stets weiterentwickelnder Waffensysteme erforderlichmacht. Im Besonderen gilt das für einen Staat, der das Bestrebenhat, zur Führungsmacht der Welt zu werden.191


Al-WulÁt – die GouverneureDer WÁlÐ (Gouverneur) ist jene Person, die der Kalif als Regentenund Befehlshaber in einer der Provinzen des Kalifatsstaates einsetzt.Die Länder, die der Staat regiert, werden in Einheiten aufgeteilt. JedeEinheit davon wird als WilÁya (Provinz) bezeichnet. Die Provinzenwerden ihrerseits in Bezirke aufgeteilt, die als ÝImÁla bezeichnet werden.Derjenige, der die Führung einer WilÁya übern<strong>im</strong>mt, wird WÁlÐoder AmÐr genannt. Und jenen, der die Regierungsverantwortung einerÝImÁla innehat, nennt man ÝÀmil oder ÍÁk<strong>im</strong> (Statthalter).Die WulÁt (Gouverneure) sind also Regenten, da WilÁya in diesemZusammenhang Herrschaft bedeutet. Im Wörterbuch Al-MuÎÐÔ heißtes: WalÁ al-ŠaiÞa wa Ýalaihi WalÁyatan wa WilÁyatan (inneres Objekt).Hierbei bedeutet WilÁya: der Plan, die Befehlsgewalt, die Herrschaft.Die WilÁya bedarf aber einer Ernennung durch den Kalifenoder durch eine Person, die der Kalif dazu bevollmächtigt hat. Nurder Kalif (bzw. sein Vertreter) hat das Recht, einen WÁlÐ zu ernennen.Der Ursprung in der Einrichtung einer WilÁya bzw. Imāra und in derErnennung von WulÁt bzw. AmÐrs geht aus der Handlungswiese desPropheten hervor. So steht fest, dass der Prophet in den verschiedenenGebieten Gouverneure (WulÁt) einsetzte. Er gab ihnen auchdas Recht, diese Länder zu regieren. So setzte er MuÝaÆ ibn ¹abal alsWÁlÐ über den Dschanad 72 ein, ZiÁd ibn LabÐd über Hadramaut undAbÙ Mussa al-ÝÀÒ ch c ariy über Zabid und Eden.Der WÁlÐ ist ein Vertreter des Kalifen; er übern<strong>im</strong>mt jene Tätigkeiten,zu denen der Kalif ihn bevollmächtigt hat. Eigentlich ist die WilÁya<strong>im</strong> islamischen Recht nicht eingegrenzt. Jeder, der den Kalifen in einerRegierungstätigkeit vertritt, ist ein WÁlÐ. Hierbei legt die Formulierung,die der Kalif bei der Ernennung verwendet, seinen Tätigkeitsbereichfest. Die WilÁya bzw. Statthalterschaft über Länder istjedoch örtlich eingegrenzt, da der Gesandte stets den Ort festlegte,für den er einen WÁlÐ bzw. Statthalter ernannte.Eine WilÁya (Statthalterschaft) kann sowohl von umfassender (ÝÁmm)als auch von eingeschränkter (khas) Art sein. Die umfassende WilÁya72 Gebiet <strong>im</strong> Jemen192


(WilÁya c amma) beinhaltet alle Regierungstätigkeiten <strong>im</strong> Land. Sieerfolgt, indem der Kalif einer Person die Befehlsgewalt in einemLand oder einer Region für die gesamte dortige Bevölkerung und füralle gewohnten Regierungstätigkeiten überträgt. In diesem Fall ist erumfassend befugt. In der eingeschränkten WilÁya (WilÁya khassa) hatder WÁlÐ lediglich die Aufgabe, die Armee zu führen, die Bürger zubetreuen sowie das Land und die dort lebenden Frauen und Kinder zuschützen. Er übern<strong>im</strong>mt keine Richteraufgaben und hat nicht dasRecht, die ËarÁº- und ZakÁt-Gelder einzutreiben. Der Gesandte Allahs hat sowohl umfassende Statthalterschaften übertragen, wie <strong>im</strong>Falle ÝAmrs ibn Íazm, der die umfassende WilÁya über den Jemenerhielt, als auch eingeschränkte, wie <strong>im</strong> Falle ÝAlÐs ibn ÓÁlib, der alleinfür die Rechtssprechung <strong>im</strong> Jemen zuständig war. Die Kalifennach ihm folgten seinem Beispiel. In manchen Fällen übertrugen sieumfassende Statthalterschaften, wie ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb, als er Mu-ÝÁwiya ibn AbÐ Sufian eine umfassende WilÁya übergab. In anderenFällen aber nur eingeschränkte. So hat ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib in BasraÝAbdullÁh ibn ÝAbbÁs als Statthalter ohne Finanzzuständigkeit eingesetzt,wobei er die finanziellen Belange an ZiÁd übertrug.Die Statthalterschaft (WilÁya oder Imāra) teilte sich in der Frühzeit inzwei Bereiche auf: die WilÁya für das Gebet und die WilÁya für denËarÁº 73 . Deswegen findet man in den Geschichtsbüchern zwei Bezeichnungenfür die Statthalterschaft: Die Imāra des Gebets und dieImāra des Gebets und des ËarÁº. Der AmÐr (Befehlshaber) ist alsoentweder ein AmÐr für das Gebet und den ËarÁº gemeinsam oder alleinfür das Gebet und allein für den ËarÁº. <strong>Das</strong> Wort Salah (Gebet)in der Statthalterschaft bedeutet nicht nur, die Menschen <strong>im</strong> Gebetanzuführen, sondern alle Regierungsaufgaben zu übernehmen, mitAusnahme der Eintreibung der Gelder. Wenn der WÁlÐ die Statthalterschaftfür Gebet und ËarÁº vereint, ist seine WilÁya allgemeinerNatur. Wird ihm lediglich die Statthalterschaft für das Gebet oder denËarÁº übertragen, dann spricht man von einer eingeschränkten WilÁya.Die Art der Einschränkung bei der beschränkten WilÁya obliegtder Einteilung und der V<strong>org</strong>abe des Kalifen. Er kann sie nur auf denËarÁº beschränken oder allein auf die Richtertätigkeit. Ebenso kanner sie auf andere Bereiche – außer den Finanzen, der Rechtssprechungund der Armee – beschränken. Er teilt die Statthalterschaft so ein, wie73 Gelder (Tribute), die der islamische Staat eintreibt193


es dem Vorteil der Staats- bzw. Provinzverwaltung entspricht, da dasislamische Recht dem WÁlÐ keine best<strong>im</strong>mten Tätigkeiten festlegt undnicht vorschreibt, dass er alle Regierungsaufgaben übernehmen muss.Die Rechtslehre legt nur fest, dass die Tätigkeit des WÁlÐ oder desAmÐr das Regieren und das Herrschen ist. Sie legt weiterhin fest, dassder WÁlÐ ein Vertreter des Kalifen ist und dass er nur in einem best<strong>im</strong>mtenGebiet die Befehlsgewalt innehat, wie es auch der V<strong>org</strong>ehensweisedes Propheten entspricht. <strong>Das</strong> islamische Recht hat esdem Kalifen jedoch gestattet, dem WÁlÐ eine umfassende oder nachseinem Ermessen auf gewisse Tätigkeiten beschränkte Statthalterschaftzu übertragen. Dies geht deutlich aus den Handlungen des Propheten hervor. <strong>Das</strong> Buch Al-Sira al-Nabawiyya li ibn HišÁm ("DieProphetengeschichte von ibn HišÁm") erwähnt, dass der Gesandte Allahs Farwa ibn Musaik als WÁlÐ über die Stämme MurÁd, Zubaid undMidhhadsch einsetzte. Er entsandte mit ihm SaÝÐd ibn al-ÝÀÒ als WÁlÐüber die ZakÁt. Auch wird erwähnt, dass er ZiÁd ibn LabÐd al-AnÒÁrÐnach Hadramaut entsandte und ihm ebenfalls die Statthalterschaftüber die ZakÁt übertrug. Er entsandte auch ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib nachNadschran, um die ZakÁt und die Dschizya der dortigen Bevölkerungeinzusammeln. Er entsandte ihn auch als Richter in den Jemen, wie esvon al-Hak<strong>im</strong> berichtet wird. Im Werk Al-Isti c ab wird erwähnt, dassder Gesandte MuÝÁÆ ibn ¹abal nach al-¹anad entsandte, um denMenschen dort den Koran und die Gebote des <strong>Islam</strong> zu lehren und umzwischen ihnen zu richten. Er gab ihm auch die Befugnis, die ZakÁtvon den zuständigen Statthaltern <strong>im</strong> Jemen einzuholen. In Al-SÐra liibn HišÁm wird auch erwähnt, dass der Gesandte Ibn Umm MaktÙmals WÁlÐ für das Gebet in Medina einsetzte, als er nach UÎud auszog.Die Einsetzung und Absetzung der GouverneureDie WulÁt (Gouverneure) werden vom Kalifen eingesetzt. Die Statthalter(al-ÝUmmÁl) können vom Kalifen oder von den Gouverneurenernannt werden, wenn sie dazu bevollmächtigt worden sind. Für dieWulÁt und ÝUmmÁl gelten die gleichen Bedingungen wie für die Assistentendes Kalifen (al-Muāwinūn). Sie müssen demzufolge freie,männliche, erwachsene, rechtschaffene und zurechnungsfähige Musl<strong>im</strong>esein. Sie müssen auch den ihnen übertragenen Aufgaben genügenund aus dem Kreis der rechtschaffenen und starken Persönlichkeitenausgewählt werden.194


Der Gesandte hat die WulÁt und Statthalter für die verschiedenenRegionen selbst ausgewählt. Manchmal übertrug er ihnen die Verantwortungfür die gesamte Provinz (WilÁya), wie <strong>im</strong> Falle des ÝAmribn Íazm, dem er die WilÁya über den gesamten Jemen übertrug. Inanderen Fällen übertrug er jedem einen Teil der WilÁya, wie <strong>im</strong> FalleMuÝaÆs ibn ¹abal und AbÙ MÙsÁs, von denen er jeden in ein anderesGebiet des Jemen entsandte. Er sprach zu ihnen: @ Aאאאא"Erleichtert es (den Menschen) und erschwert es (ihnen) nicht. SeidFrohbotschafter und nicht abstoßend." (BuÌÁrÐ) In einer anderen Überlieferungfindet man die Ergänzung: @ A"Und bemüht euch!" Ebenso kann es dem WÁlÐ erlaubt sein, in seinerWilÁya auch die Statthalter (ÝUmmÁl) der Bezirke und Kantone zu ernennen.Dies wird aus dem Umstand abgeleitet, dass der Kalif bei derErnennung des WÁlÐ diesem auch die Befugnis zur Einsetzung derStatthalter übertragen kann.Was die Feststellung anbelangt, dass <strong>im</strong> Falle der WÁlÐs die gleichenErnennungsbedingungen gelten wie <strong>im</strong> Falle der Assistenten (al-MuÝÁwinÙn), so ergibt sich dies aus dem Fakt, dass der WÁlÐ – gleichdem MuÝÁwin – ein Vertreter des Kalifen in Regierungsfragen ist. Somitist er ein Regent, für den die gleichen Bedingungen zu gelten habenwie für den Kalifen. Ebenso hat der MuÝÁwin alle Bedingungenzu erfüllen, die ein Kalif erfüllen muss. Der WÁlÐ muss demzufolgeein Mann sein, da der Gesandte sprach: @אאאA"Kein Volk wird erfolgreich sein, das seine Befehlsgewalt einer Frauüberträgt." (Von BuÌÁrÐ auf dem Wege AbÙ Bakrs überliefert.) Mit dem WortWilÁya <strong>im</strong> ÍadÐ× ist das Regieren gemeint. Beweis dafür ist die ErgänzungAmrahum (Befehlsgewalt). Wird das Wort Amrahum <strong>im</strong>Arabischen mit dem Wort yuwallÐ bzw. WilÁya verknüpft (wallauAmrahum), dann legt es die Bedeutung der Begriffe waliya und WilÁyamit Regierung und Herrschaft fest. Auch muss der WÁlÐ ein freierMensch sein, weil ein Sklave über sich selbst nicht verfügen kann, sodarf er erst recht nicht als Herrscher über andere verfügen. Ebensomuss er ein Musl<strong>im</strong> sein, wegen der Aussage Allahs:195


א א "Und Allah wird den Ungläubigen über die Gläubigen keine Machtgewähren." (Sura al-Nisā’ 4, Àya 141) Der WÁlÐ muss auch erwachsenund bei Verstand sein wegen des ÍadÐ×: @KKKאA"Von dreien wurde die Feder enthoben." Darunter wird erwähnt: @א،אA"[…] vom Kind, bis es geschlechtsreif ist, und vom Irren, bis er zuSinnen kommt." (AbÙ DÁwÙd) Von wem "die Feder enthoben wurde",der wird nicht zur Rechenschaft gezogen. <strong>Das</strong> "Entheben der Feder"bedeutet also die Aufhebung der Entscheidungsfähigkeit. Demzufolgeist so eine Person nicht dazu berechtigt, Regierungsentscheidungendurchzuführen, d. h., die Herrschaft auszuüben. Auch wird vorausgesetzt,dass der WÁlÐ rechtschaffen ist, denn Allah hat die Rechtschaffenheitzur Voraussetzung für die Zeugenakzeptanz gemacht. Somitgilt diese für einen Regenten mit besserem Grund. Darüber hinaussagt Allah:א אא"Ihr Gläubige! Wenn ein Frevler mit einer Nachricht zu euch kommt,so prüft sie nach." (Sure al-ÍuºurÁt 49, Àya 6) Im Falle eines Frevlers befiehltAllah, seine Aussage vor Übernahme nachzuprüfen. Der Herrschermuss aber zu jenen Menschen gehören, deren Entscheidungenman ohne nachzuprüfen annehmen kann. Es wäre unzulässig (und widersprächeder Regierungsarbeit), wenn man jede seiner Entscheidungenerst nach Überprüfung annehmen dürfte. Auch wird vorausgesetzt,dass er den ihm übertragenen Regierungsaufgaben genügt undzu deren Bewältigung in der Lage ist. So hat der Gesandte, als AbÙÅarr ihn bat, ihm eine Regierungsverantwortung zu übertragen, geantwortet: @ KKKאאאA"Ich finde dich zu schwach dafür […]." In einer anderen Überlieferungheißt es: @ אאאאA"AbÙ Åarr, du bist schwach und es ist wahrlich eine Treuhand."Beide ÍadÐ×e sind von Musl<strong>im</strong> auf dem Weg des AbÙ Åarr überliefert196


worden. Sie belegen, dass der Schwache, der nicht in der Lage ist, dieRegierungsbürde zu tragen, nicht zum WÁlÐ ernannt werden darf.Der Gesandte wählte seine Statthalter stets unter jenen Personenaus, die zur Übernahme von Regierungsaufgaben sehr geeignet waren.Es waren Persönlichkeiten, die für ihre Gelehrsamkeit und Gottesfurchtbekannt waren und die Regierungsaufgaben, die man ihnenübertrug, bravourös erfüllten. Sie tränkten die Herzen ihrer Bürgermit Gottesüberzeugung und Respekt vor dem Staat. Sula<strong>im</strong>an ibn Buraidaberichtet von seinem Vater, dass dieser sagte: אאאA @אא ،א"Wenn der Gesandte Allahs einen Befehlshaber für eine Armee odereinen Feldzug ernannte, mahnte er ihn <strong>im</strong> Besonderen zur Gottesfurcht.Dann legte er ihm die Musl<strong>im</strong>e, die mit ihm zogen, ans Herz."(Musl<strong>im</strong>) Auch ein Statthalter bzw. WÁlÐ ist in seiner WilÁya ein Befehlshaber.Deswegen fällt auch er unter diesen ÍadÐ×.Was die Absetzung des WÁlÐ anbelangt, so erfolgt sie entweder durchden Kalifen, wenn dieser seine Absetzung beschließt, oder durch dieBevölkerungsmehrheit seiner WilÁya bzw. deren Vertreter, wenn dieseihre Unzufriedenheit mit ihm oder ihren Ärger über ihn äußern. Sohat der Gesandte MuÝÁÆ ibn ¹abal als WÁlÐ <strong>im</strong> Jemen ohne Grundabgesetzt. Al-ÝAlÁÞ ibn al-ÍaÃramÐ, seinen Statthalter in Bahrain, setzteer ab, weil eine Delegation der ÝAbd Qais sich über ihn beschwerte.Auch ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb setzte seine Gouverneure und Statthaltermit und ohne Grund ab. So enthob er ZiÁd ibn AbÐ ÑufyÁn seinerStatthalterschaft, ohne einen Grund zu nennen. SaÝd ibn AbÐ WaqqÁÒsetzte er ab, weil die Menschen sich über ihn beklagten, und sagtedazu: Ich habe ihn weder aus Unfähigkeit noch wegen eines Verratsabgesetzt. Dies alles belegt, dass der Kalif den WÁlÐ, wann <strong>im</strong>mer eres möchte, absetzen kann. Er muss ihn aber absetzen, wenn dieBürger seiner WilÁya sich über ihn beschweren.Die Befugnisse des WÁlÐDer WÁlÐ hat – in Vertretung des Kalifen – die Regierungsbefugnis inseiner WilÁya inne. Er hat auch die Aufgabe, die dortige Behördenarbeitzu überwachen. In seiner Provinz besitzt er alle Befugnisse – mit197


Ausnahme der Finanzen, des Gerichts und der Armee. Über die Bevölkerungseiner WilÁya hat er die Befehlsgewalt inne und das Recht,all ihre Angelegenheiten zu betreuen. Auch wird die Polizei zwarunter sein Kommando gesetzt, jedoch betrifft das nur die Durchführungder Exekutivaufgaben und nicht die Verwaltung.Der WÁlÐ ist ein Vertreter des Kalifen an dem Ort, für den er ernanntwurde. Deswegen stehen ihm dort jene Befugnisse zu, die dem Kalifenzustehen. Wenn er eine umfassende Befugnis erhalten hat, dannbesitzt er – gleich dem bevollmächtigten Assistenten – eine allgemeineZuständigkeit (ÝUmÙm al-NaÛar), d. h., in seiner Provinz ist ermit allen Angelegenheiten betraut. Wenn er eine eingeschränkte Befugniserhalten hat, dann ist er nur für jene Angelegenheiten zuständig(ËuÒÙÒ al-NaÛar), für die er explizit ernannt wurde. Er hat nichtdas Recht, andere Angelegenheiten zu betreuen. Für Regierungsämterhat der Gesandte manchmal eine uneingeschränkte WilÁya übertragen.Einige seiner Gouverneure hat er mit einer umfassenden Vollmachtbetraut (WilÁya ÝÁmma), andere von ihnen für manche Bereichenur mit einer gesonderten (eingeschränkten) Zuständigkeit (WilÁyaÌÁÒÒa) ausgestattet. So entsandte er MuÝÁÆ in den Jemen und lehrteihn, wie er vorzugehen hatte. Al-BaihaqÐ, AÎmad und AbÙ DÁwÙdberichten von MuÝÁÆ:،אאW،אאאאאAW،אאW،אW،אאWW،،אW،א @אאאאW"Als der Gesandte Allahs MuÝÁÆ in den Jemen entsandte, sprach er zuihm: 'Wie richtest du, wenn ein Rechtsstreit dir v<strong>org</strong>etragen wird?' Erantwortete: 'Ich richte nach dem Buche Allahs.' Der Gesandte fragteihn: 'Und wenn du es dort nicht findest?' Er antwortete: 'Dann richteich nach der Sunna des Gesandten Allahs .' Daraufhin fragte ihn derGesandte: 'Und wenn du es dort auch nicht findest?' MuÝÁÆ antwortete:'Dann vollziehe ich nach Kräften IºtihÁd in meinem Ermessen'und fährt fort: Dann klopfte mir der Prophet auf die Brust und sprach:'Gepriesen sei Allah, Der den Gesandten des Gesandten Allahs zudem hinführte, was den Gesandten Allahs zufrieden stellt.'" Der Prophetentsandte auch ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib in den Jemen, belehrte ihn jedochnicht, weil er sich seines Wissens und seiner Fähigkeiten sicher198


war. MuÝÁÆ übertrug er für den Jemen die WilÁya für das Gebet unddie ZakÁt. Er setzte Farwa ibn Musaik als Statthalter über die StämmeMurÁd, MuÆÎaº und ZabÐd ein und entsandte mit ihm ËÁlid ibn SaÝÐdals Zuständigen für die ZakÁt. All dies belegt, dass der WÁlÐ bzw.Statthalter sämtliche Regierungsbefugnisse innehat, wie es aus derBelehrung MuÝÁÆs und der Ernennung ÝAlÐs ohne Belehrung herv<strong>org</strong>eht.Es belegt weiterhin, dass der Gesandte Allahs einigen Gouverneureneine allgemeine WilÁya übertrug – das Gebet und die ZakÁtbeinhaltend –, anderen aber nur eine eingeschränkte (gesonderte) WilÁya,die entweder nur das Gebet oder nur die ZakÁt umfasste.Auch wenn es dem Kalifen erlaubt ist, den Gouverneuren eine allgemeineoder eingeschränkte WilÁya zu übertragen, so hat sich doch ausder allgemeinen Statthalterschaft MuÝÁwiyas während der Zeit ÝU×mÁnsgezeigt, dass er sich vom Kalifen weitgehend unabhängigmachte. Die Macht des Kalifen ÝU×mÁn über ihn war nicht mehr sichtbar.Nach dem Tode ÝU×mÁns brachte dann MuÝÁwiya mit den ihm zurVerfügung stehenden alles umfassenden Machtbefugnissen in denLändern von al-ŠÁm diese schl<strong>im</strong>me Zwietracht (Fitna) hervor. Eszeigte sich auch in der Zeit der schwachen abbassidischen Kalifen,dass die Provinzen de facto unabhängig wurden. Bis auf den Umstand,dass man für ihn noch die Bittgebete abhielt und die Münzen inseinem Namen prägte, hatte der Kalif keine Macht mehr über sie.Demzufolge führt die Übertragung einer umfassenden WilÁya zurSchädigung des <strong>Islam</strong>ischen Staates. Aus diesem Grund wird dieVollmacht bzw. die Statthalterschaft des WÁlÐ auf jene Angelegenheiteneingeschränkt, die nicht zu einer Unabhängigkeit vom Kalifenführen. Nachdem die Bereiche Armee, Finanzmittel und Gerichtsbarkeitzur Unabhängigkeit befähigen – da die Armee die Stärke verkörpert,das Geld die Lebensader ist und die Gerichtsbarkeit den Rechtschutzund den Strafvollzug zutage treten lässt –, wird die Vollmachtder Gouverneure und Statthalter auf die Bereiche außerhalb der Armee,der Finanzmittel und der Gerichtsbarkeit beschränkt. Verbleibennämlich diese drei Bereiche in den Händen des WÁlÐ, so führt das zurLoslösungsgefahr, was für den <strong>Islam</strong>ischen Staat existenzbedrohendsein kann. Weil der WÁlÐ jedoch ein Regent ist, benötigt er eine Exekutivkraft.Deswegen steht die Polizei unter seinem Befehl. Seine Befehlsgewaltüber die Polizeikräfte ist uneingeschränkt, wie sie auchbezüglich aller Befugnisse in seiner Provinz uneingeschränkt ist, bisauf die drei eingangs erwähnten Bereiche. Nachdem die Polizei aber199


einen Teil der Armee darstellt, liegt ihre Verwaltung auch in derenHand. Was die Exekutivmaßnahmen anbelangt, so stehen diese unterder Befehlgewalt des WÁlÐ.Der WÁlÐ hat nicht die Pflicht, den Kalifen über seine Regierungstätigkeitenzu informieren, es sei denn, es geschieht auf freiwilliger Basis.Wenn es sich jedoch um eine bis dato unübliche Maßnahme neuerArt handelt, so hält er zuerst Rücksprache mit dem Kalifen und führtdas durch, was ihm befohlen wird. Sollte er aber durch das Zuwarteneinen Nachteil fürchten, so vollzieht er die Handlung unverzüglichund informiert anschließend den Kalifen auch darüber, warum er ihnnicht vor der Durchführung informieren konnte.Der Unterschied zwischen dem Vollmachtsassistenten (MuÝÁwin al-TafwÐÃ), der den Kalifen über sämtliche Tätigkeiten informierenmuss, und dem WÁlÐ, bei dem das nicht der Fall ist, liegt darin, dassder Vollmachtsassistent Vertreter der Person des Kalifen ist und alssein Bevollmächtigter auch seine Tätigkeiten übern<strong>im</strong>mt. Sollte derKalif beispielsweise sterben, so ist sein Assistent automatisch abgesetzt,da ein Vollmachtnehmer mit dem Tode des Vollmachtgebersseine Funktion verliert. Dies ist be<strong>im</strong> WÁlÐ nicht der Fall, da der WÁlÐkein Bevollmächtigter des Kalifen ist und kein Vertreter seiner Person.Er übern<strong>im</strong>mt auch nicht seine Tätigkeiten. Deswegen wird ermit dem Tod des Kalifen nicht automatisch abgesetzt.Der Gesandte ernannte seine Gouverneure und verlangte nicht von ihnen,ihn über ihre Tätigkeiten zu informieren. Auch taten sie es ihrerseitsnicht. Sie vollzogen ihre Tätigkeiten in vollkommener Unabhängigkeit.Jeder von ihnen regierte seine Provinz wie er es für richtighielt. Auf diese Weise taten es MuÝÁÆ, ÝAttÁb ibn Usaid, al-ÝAlÁÞ ibnal-ÍaÃramÐ und alle seine anderen Gouverneure. Dies beweist, dassder WÁlÐ den Kalifen über keine seiner Tätigkeiten informieren muss.Hierin unterscheidet er sich vom Assistenten (al-MuÝÁwin), der denKalifen über jede Tätigkeit, die er durchführt, zu informieren hat. DerWÁlÐ hingegen muss den Kalifen über keine seiner Tätigkeiten informieren.Auch hat der Kalif alle Handlungen des MuÝÁwin stets zuüberprüfen, <strong>im</strong> Falle des WÁlÐ muss er dies aber nicht tun. Er musszwar den allgemeinen Zustand der WulÁt überprüfen und Nachrichtenüber sie einholen, doch muss er nicht über jede ihrer Handlungen unterrichtetsein. In seiner WilÁya (Provinz) hat der WÁlÐ die uneinge-200


schränkte Entscheidungsbefugnis. Deswegen antwortete auch MuÝÁÆdem Propheten, als dieser ihn in den Jemen entsandte: @ אA"Dann vollziehe ich IºtihÁd in meinem Ermessen." Dies beweist, dassder WÁlÐ den Kalifen nicht über alles informiert, sondern in seinemErmessen handelt. Trotzdem steht es ihm zu, den Kalifen in denwichtigen Angelegenheiten zu Rate zu ziehen, jedoch soll er es nichtin den gewöhnlichen Dingen tun, damit die Anliegen der Menschennicht aufgehalten werden. Sollte etwas Ungewohntes passieren, dannwartet er mit dem Vollzug, bis er die Entscheidung des Kalifen eingeholthat. Denn die Übertragung einer WilÁya bedeutet, dass der Kalifeiner Person die Befehlsgewalt in einem Land oder einer Region fürdie gesamte dortige Bevölkerung und für alle gewohnten Regierungstätigkeitenüberträgt. Wenn es jedoch zu einem ungewohntenEreignis kommt, so muss er die Entscheidung des Kalifen abwarten,es sei denn, er fürchtet einen Nachteil, der aus dem Zuwarten erwachsenkann. In diesem Fall führt er die Maßnahme durch und setzt denKalifen anschließend in Kenntnis darüber, da es sich um eine ungewohnteAngelegenheit handelt.Die Regierungszeit einer Person in einer WilÁya sollte nicht zu langedauern. Sobald man eine gewisse Festigung des WÁlÐ in seiner Provinzbeobachtet oder die Menschen von ihm fasziniert sind, muss erabgesetzt werden.Dies ist deswegen so, weil der Gesandte einen WÁlÐ stets nur füreine gewisse Zeit ernannte und ihn anschließend absetzte. Keiner derWulÁt blieb die gesamte Herrschaftszeit des Propheten über in seinemAmt. <strong>Das</strong> belegt, dass der WÁlÐ nicht für eine dauerhafte Statthalterschafternannt wird. Vielmehr wird er für eine gewisse Zeit ernanntund dann wieder abgesetzt. Jedoch geben die Handlungen des Propheten keine Auskunft darüber, ob diese Zeitspanne lang oder kurzsein sollte. Sie belegen nur, dass der Gesandte keinen der Gouverneureseine ganze Herrschaftszeit über in einer Provinz <strong>im</strong> Amt ließ.Vielmehr ernannte er sie eine Zeit lang und setzte sie wieder ab. Allerdingswird aus der langen Statthalterschaft MuÝÁwiyas über dieLänder von al-ŠÁm während der Regierungszeit von ÝUmar und ÝU×-201


mÁn ersichtlich, dass dies zu einer schl<strong>im</strong>men Fitna 74 führte, die dasgesamte Staatsgefüge der Musl<strong>im</strong>e erzittern ließ. Daraus erkenntman, dass eine lange Amtszeit des WÁlÐ zu einem Schaden für dieMusl<strong>im</strong>e und den Staat führen kann. Deswegen darf die Amtszeit desWÁlÐ nicht lange sein.Der WÁlÐ darf auch nicht von einer Provinz in die andere versetztwerden, weil seine Vollmacht zwar vom Inhalt her allgemeiner Naturist, jedoch ist sie örtlich begrenzt. Er kann aber abgesetzt und vonneuem ernannt werden.Dies ist der Handlung des Propheten zu entnehmen. Er hat die Gouverneureabgesetzt, es wird von ihm jedoch nicht berichtet, dass er einenWÁlÐ von einem Land in das andere setzte. Auch stellt die WilÁyaeinen Vertrag dar, der mit einer klaren Formulierung vollzogen wurde.Mit der Erwähnung des Gebiets oder des Landes <strong>im</strong> WilÁya-Vertragist der Ort, in dem der WÁlÐ regieren soll, festgelegt. Er behältdort die Regierungsbefugnis, solange der Kalif ihn nicht absetzt.Wenn er nicht abgesetzt wird, bleibt er auch weiterhin WÁlÐ in diesemGebiet. Sollte er in ein anderes Land versetzt werden, so ist er dadurchseines Amtes <strong>im</strong> früheren Land nicht enthoben worden, gleichzeitighat er aber mit der bloßen Versetzung die Statthalterschaft <strong>im</strong>neuen Gebiet nicht übernommen. Die Absetzung von der WilÁya inder früheren Provinz bedarf nämlich einer klaren Enthebungsformulierung,und die Einsetzung in der neuen benötigt einen neuen, speziellauf sie lautenden WilÁya-Vertrag. Daraus leitet sich die Feststellungab, dass ein WÁlÐ nicht von einer Provinz in die andere transferiertwerden kann. Vielmehr muss er von einem Ort abgesetzt und<strong>im</strong> neuen eingesetzt werden.Der Kalif hat die Arbeit der WulÁt zu überprüfenDer Kalif muss die Arbeit der WulÁt überprüfen und sie genauestensbeobachten. Er muss auch Leute ernennen, die in seiner Vertretungden Gouverneuren und Statthaltern nachgehen und ihre Tätigkeitenkontrollieren. In gewissen Abständen sollte er sie alle bzw. einen Teil74 Zwietracht202


von ihnen zu sich rufen und auch den Klagen der Bürger in ihrenProvinzen Gehör schenken.So ist belegt, dass der Prophet die Gouverneure bei ihrer Ernennungprüfte, wie er es mit MuÝÁÆ und AbÙ MÙsÁ tat. Auch zeigte erihnen, wie sie v<strong>org</strong>ehen sollten, so geschehen <strong>im</strong> Falle von ÝAmr ibnÍazm. Manchmal machte er sie auf wichtige Dinge aufmerksam, wie<strong>im</strong> Falle AbbÁns ibn SaÝÐd, als er ihm die Statthalterschaft Bahrainsübertrug. Der Gesandte sagte ihm: @ אאאאA"N<strong>im</strong>m dich der ÝAbd Qais in Güte an und ehre ihre Oberhäupter."Ebenso ist belegt, dass der Gesandte seine Gouverneure zur Rechenschaftzog, ihre Zustände überprüfte und sich die Nachrichtenüber sie genau anhörte. Mit seinen Statthaltern rechnete er alle EinundAusgaben genau ab. Al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> berichten von AbÙËamÐd al-SÁÝidÐ:אאאאאאAWא،אאאאאאא،א אאאאWאאאאאא،אאא،א@אW،"Der Prophet verwendete Ibn al-Lutbiyya, um die ZakÁt der BanÙSalÐm einzuholen. Als er zum Propheten kam und mit ihm abrechnete,sagte er: "Dies gehört euch und das ist ein Geschenk, das mirgegeben wurde." Da antwortete ihm der Gesandte Allahs: "Dann sitzdoch <strong>im</strong> Hause deines Vaters und deiner Mutter, bis dein Geschenkzu dir kommt, wenn du die Wahrheit sprichst!" Sodann erhob sich derGesandte Allahs und sprach zu den Menschen. Er dankte Allah, preisteIhn und sagte: "Ich verwende Männer von euch in Angelegenheiten,die mir Allah übertragen hat. Nun kommt einer von euch undsagt: 'Dies gehört euch und das ist ein Geschenk, das mir gegebenwurde.' So möge er doch <strong>im</strong> Hause seines Vaters und seiner Mutterverweilen, bis sein Geschenk zu ihm kommt, wenn er die Wahrheit203


spricht. Bei Allah, jeder von euch, der etwas davon in unrechterWeise an sich n<strong>im</strong>mt, tritt am Jüngsten Tage vor Allah und trägt esmit sich. Wahrlich werde ich es sodann bekannt geben, was ein Mannan einem brummenden Kamel, einer muhenden Kuh oder einem blökendenSchaf vor Allah mit sich trägt." Der Gesandte hob seine Armeempor, bis ich das Weiße seiner Achseln sehen konnte und sprach:"Habe ich nun verkündet?" Auch ÝUmar war sehr streng in der Kontrolleseiner Gouverneure. Er ernannte MuÎammad ibn Maslama, umihnen nachzugehen und ihre Tätigkeiten zu überprüfen. In der Pilgerzeitsammelte er seine Gouverneure und Statthalter, um ihre Arbeit zubewerten, die Beschwerden der Bürger anzuhören, mit ihnen die Angelegenheitenihrer Provinzen zu besprechen und sich ein eigenesBild über ihren Zustand zu machen. Es wird berichtet, dass ÝUmar einesTages zu den Leuten um ihn sprach: "Wenn ich den Besten, denich kenne, euch vorsetze und ihm befehle, gerecht zu sein, glaubt ihrdann, dass ich meine Pflicht erfüllt habe?" Sie antworteten: "Jawohl!"Doch ÝUmar sprach: "Nein, solange ich nicht seine Arbeit überprüfthabe, um zu sehen, ob er das, was ich ihm anbefohlen habe, auch getanhat oder nicht!" ÝUmar war sehr streng, wenn er seine Gouverneureund Statthalter zur Rechenschaft zog. In seiner Strenge ging erso weit, dass er manchen von ihnen schon wegen eines Verdachts absetzte,für den es keinen klaren Beweis gab. Er enthob sie auch ihresAmtes aufgrund von bloßen Zweifeln, die nicht einmal zu einemVerdacht reichen. Als er eines Tages dazu gefragt wurde, antworteteer: "Wahrlich ist's geringfügig, einen Befehlshaber durch einen anderenzu ersetzen, wenn ich ein Volk damit bessern kann." Trotz seinerStrenge zu den Gouverneuren ließ er ihnen jedoch freie Hand undachtete auf den Erhalt ihre Würde als Regenten. Er hörte sie an undlauschte aufmerksam ihren Argumenten. Wenn das Argument ihnüberzeugte, machte er keinen Hehl daraus und lobte danach seinenStatthalter. Eines Tages erfuhr er über seinen Statthalter in Homs ÝUmairibn SaÝd, dass dieser auf der Kanzel Folgendes sprach: "Der <strong>Islam</strong>bleibt unbesiegbar, solange die Herrschaft stark ist. Die Stärkeder Herrschaft liegt jedoch nicht <strong>im</strong> Töten mit dem Schwert oder demGeißeln mit der Peitsche; sie liegt <strong>im</strong> Urteilen mit der Wahrheit und<strong>im</strong> Einholen der Gerechtigkeit." ÝUmar sagte daraufhin: "Wie sehrwünschte ich es, einen Mann wie ÝUmair ibn SaÝd zu haben, den ichfür die Angelegenheiten der Musl<strong>im</strong>e heranziehe."204


<strong>Das</strong> Gericht – al-QaÃÁ'Richten (al-QaÃÁÞ) bedeutet, einen Schiedsspruch in verbindlicherWeise bekannt zu geben. <strong>Das</strong> Gericht entscheidet in den Streitfällenzwischen den Menschen, verhindert, dass das Recht der Gemeinschaftzu Schaden kommt und hebt alle Streitigkeiten auf, die zwischenden Menschen und einer Person des Regierungsapparates entstehen– sei die Person Regent oder Beamter, der Kalif oder einer seinerUntergebenen.Der Ursprung und die Rechtmäßigkeit des Gerichts gehen aus Koranund Sunna hervor. Was den Koran anbelangt, so sagt Allah, der Erhabene:א א"[…] so richte unter ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat."Auch sagt Er:א205אא"[…] und wenn sie zu Allah und Seinem Gesandten aufgerufen werden,auf dass er zwischen ihnen richte […]." Was die Sunna betrifft,so hat der Gesandte Allahs selbst das Richten übernommen undzwischen den Menschen in ihren Streitfällen entschieden. So berichtetal-BuÌÁrÐ von ÝÀÞiša, der Frau des Gesandten , dass sie sagte:אאאאאאA،אאאWאא،אאWאאא،א،אאאאאWKאאאאWאWא،WאKא @ אא"ÝUtba ibn AbÐ WaqqÁÒ hatte seinem Bruder SaÝd anvertraut, dass derSohn von ZumÝas Mädchen von ihm stamme, er möge ihn zu sichnehmen. Im Eroberungsjahr von Mekka nahm ihn SaÝd dann zu sichund sagte: 'Dies ist mein Neffe, mein Bruder hat ihn mir anvertraut.'Da erhob sich ÝAbd ibn ZumÝa und sprach: 'Mein Bruder und derSohn meines Vaters Mädchen. Er wurde auf seinem Bette geboren.'Sie eilten zum Propheten und SaÝd sprach: 'O Gesandter Allahs!Dies ist mein Neffe, mein Bruder hat ihn mir anvertraut.' Doch ÝAbd


ibn ZumÝa erwiderte: '<strong>Das</strong> ist mein Bruder, der Sohn meines VatersMädchen, er wurde auf seinem Bette geboren.' Da sagte der GesandteAllahs : 'Er gehört dir, o ÝAbd ibn ZumÝa und fügte hinzu: '<strong>Das</strong> Kindgehört dem Bett und der Ehebrecherin der Stein.'" Der Prophet ernannte auch Richter. So setzte er ÝAlÐ als Richter <strong>im</strong> Jemen ein undmachte ihn auf die Art des Richtens in folgender Weise aufmerksam:אאאאA @ "Wenn zwei Männer in einer Streitsache zu dir kommen, so richtenicht für den Ersten, bis du auch den Zweiten angehört hast. Dannwirst du wissen, wie du richten musst." (BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong>) In einerÜberlieferung von AÎmad heißt es: @אאאאאA"Wenn die beiden Gegner sich zu dir setzen, so spreche erst, wenn duden Zweiten in gleicher Weise angehört hast wie den Ersten." DerGesandte ernannte auch MuÝÁÆ ibn ¹abal als Richter über den ¹anad.All das belegt die Rechtmäßigkeit des Gerichts. ÝÀÞišas ÍadÐ× belegtaber auch die Art und Weise, in der der Gesandte das Richten vollzogenhat. So waren sich SaÝd und ÝAbd ibn ZumÝa strittig bezüglich desSohnes von ZumÝa Frau. Jeder von ihnen beanspruchte ihn für sich.Der Prophet gab ihnen den Rechtsspruch bekannt, dass dieser Sohnder Bruder des ÝAbd ibn ZumÝa sei und dass das Kind stets "demBett" gehöre. Der Richterspruch des Propheten stellt somit die Bekanntgabedes islamischen Rechtsspruches dar. Der Prophet machteihnen diesen auch verbindlich, indem ÝAbd ibn ZumÝa den Jungenunverzüglich zu sich nahm. Dies ist der Rechtsbeweis für dieeingangs angeführte Definition des Richtens. Die Definition ist <strong>im</strong>Grunde eine Realbeschreibung des Status quo. Nachdem es sich hierbeijedoch um eine juristische Angelegenheit handelt und die juristischeDefinition selbst einen Rechtsspruch verkörpert, bedarf es einesRechtsbeweises, aus dem sich diese Definition ableitet. Und dieserÍadÐ× stellt den Rechtsbeweis dar.Manche definierten das Richten als das Entscheiden in den Streitfällenunter den Menschen. Diese Definition ist einerseits unvollständig,andererseits wird sie der Realität des Richtens, wie sie aus denHandlungen des Propheten herv<strong>org</strong>eht, nicht gerecht. Sie stellt lediglicheine Erläuterung dessen dar, was sich aus einem Richterspruch206


zwar ergeben kann aber nicht ergeben muss. So könnte der Richter ineiner Angelegenheit entscheiden, ohne dass die Streitigkeit zwischenden Gegnern aufgehoben wird. Deswegen ist die umfassende undgleichzeitig abgrenzende Definition jene, die in diesem Kapitel eingangserwähnt und aus dem ÍadÐ× abgeleitet wurde.Sie umfasst sowohl den Richterspruch zwischen den Menschen – wiees <strong>im</strong> ÍadÐ× von ÝÀÞiša angeführt wurde – als auch das so genannte"Íisba-Gericht", das wie folgt definiert wurde: Die Bekanntgabe desislamischen Rechtsspruchs in verbindlicher Weise bezüglich allerAngelegenheiten, die zum Schaden der Gemeinschaft führen können.Beleg dafür ist der ÍadÐ× über "die angehäuften Nahrungsmittel"(Ñubratu-l-ÓaÝÁm). Im ÑaÎÐÎ von Musl<strong>im</strong> wird von AbÙ Huraira berichtet,אW،א אAאאW،אאאW؟א @ ،אאdass der Gesandte Allahs an angehäuften Nahrungsmittel vorbeikam.Er griff mit der Hand hinein und seine Finger wurden nass. <strong>Das</strong>agte er: "Was ist das, o Warenbesitzer?" Der Besitzer antwortete:"Der Regen hat es getroffen, o Gesandter Allahs." Da sprach der Gesandte: "Dann lege es doch oben auf, damit die Menschen es sehen.Wer betrügt, der gehört nicht zu mir." Die angeführte Definition umfasstaber auch die so genannten MaÛÁl<strong>im</strong> 75 -Fälle, die ebenfalls zumBereich des Richtens und nicht zu dem des Regierens gehören. Siebetreffen nämlich alle Klagen, die gegen einen Vertreter des Herrschaftsapparatesgeführt werden. <strong>Das</strong> MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht wirdfolgendermaßen definiert: Die Bekanntgabe des islamischen Rechtsspruchesin verbindlicher Weise bezüglich aller Streitigkeiten, diezwischen den Menschen und dem Kalifen, einem seiner Assistenten,Gouverneure oder Angestellten entstehen. Auch werden Streitfälleunter den Musl<strong>im</strong>en in der Deutung von Offenbarungstexten, nachdenen Recht gesprochen und regiert wird, durch das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichtentschieden. <strong>Das</strong> Wort MaÛÁl<strong>im</strong> in dieser Bedeutung ist <strong>im</strong> ÍadÐ× des75 MaÛÁl<strong>im</strong> bezeichnen alle vom Herrscher ausgehenden Ungerechtigkeitengegenüber seinen Bürgern.207


Gesandten über das Verbot der Preisl<strong>im</strong>itierung erwähnt worden. Sosagte er: @אא،אאאאKKKA"[…] und ich wünsche, dass ich Allah (am Jüngsten Tage) begegne,ohne dass mich jemand wegen einer Ungerechtigkeit (MaÛl<strong>im</strong>a) belangt,die ich ihm in seinem Blut oder seinem Vermögen angetan habe."(Von AÎmad auf dem Weg von Anas überliefert.) Dies belegt, dass eineUngerechtigkeit, die von jemandem behauptet wird und von einemHerrscher, einem WÁlÐ oder einem Beamten auszugehen scheint, demMaÛÁl<strong>im</strong>-Richter v<strong>org</strong>elegt werden muss. Dieser gibt sodann den islamischenRechtsspruch in verbindlicher Weise bekannt. Demzufolgeumfasst die Definition alle drei Gerichtsarten, die aus den Aussagenund Handlungen des Gesandten herv<strong>org</strong>ehen, und zwar: das Entscheidenin Streitfällen zwischen den Menschen, die Verhinderungder Schädigung von Gemeinschaftsrechten und die Aufhebung vonStreitigkeiten, die zwischen Bürgern und Regierungspersonen entstehenoder zwischen den Bürgern und Beamten während der Ausübungihrer Tätigkeit.Die Arten von RichternEs gibt drei Arten von Richtern: 1. Der (herkömmliche) Richter (al-QÁÃÐ); er richtet in den Streitfällen zwischen den Menschen <strong>im</strong> Bereichder vertraglichen Beziehungen (al-MuÝÁmalÁt) und des Strafrechts(al-ÝUqÙbÁt). 2. Der MuÎtasib; er entscheidet in jenen Fällen,bei denen die Rechte der Gemeinschaft verletzt werden. 3. Der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter;er hebt die Streitigkeiten auf, die zwischen den Menschenund dem Staat entstehen.In dieser Form werden die Gerichte unterteilt. Was den Beweis fürdie erste Art betrifft – nämlich den Schiedsspruch in den Streitfällenzwischen den Menschen –, so geht dies aus den Handlungen desPropheten und seiner Ernennung von MuÝÁÆ ibn ¹abal als Richter ineinem Teilgebiet des Jemen hervor. Was den Rechtsbeweis für dasÍisba-Gericht angeht, das die Fälle entscheidet, in denen das Rechtder Gemeinschaft zu Schaden kommt, so ist dies durch die Handlungund Aussage des Propheten belegt. So sprach der Gesandte Allahs:208


@A"Wer betrügt, der gehört nicht zu uns." Dies ist der Teil eines ÍadÐ×,den AÎmad auf dem Weg des AbÙ Huraira überliefert hat. Der Prophetwandte sich auch dem Betrüger zu und tadelte ihn. So berichtetAÎmad über Qais ibn AbÐ Çarza al-KinÁnÐ, dass dieser sagte: "Wirhandelten an den Märkten Medinas und wurden SamÁsira 76 genannt.Da kam der Gesandte Allahs zu uns und gab uns einen Namen, derbesser als jener war, mit dem wir uns selbst bezeichneten. Er sprach: @ אאאאאאA"Ihr Volk von Händlern! Bei diesem Handel kommt es zu Geschwätzund Schwüren, so vermischt ihn mit Almosen."AÎmad berichtet von AbÙ al-MinhÁl,אאאA @ אdass Zaid ibn Arqam und al-BarrÁÞ ibn ÝÀzib Geschäftspartner waren.Sie kauften Silber teilweise in bar und teilweise auf Zeit. Der Prophet erfuhr davon und befahl ihnen: "Was ihr davon in bar erworbenhabt, könnt ihr durchführen. Was ihr aber auf Zeit gekauft habt, sogebt es zurück!" <strong>Das</strong> alles gehört in den Bereich des Íisba-Gerichts.Die Bezeichnung Íisba für den Gerichtshof, der die Streitfälle, diedas Recht der Gemeinschaft verletzen, entscheidet, ist ein Fachbegriff,der eine spezielle Tätigkeit <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>ischen Staat beschreibt.Diese Tätigkeit umfasst das Beobachten der Händler und Gewerbeleute,um den Betrug <strong>im</strong> Handel, bei der Gewerbetätigkeit und beiden Erzeugnissen zu verhindern. <strong>Das</strong> Íisba-Gericht trägt unter anderemauch dafür S<strong>org</strong>e, dass die Händler und Gewerbeleute die MaßundGewichtseinheiten korrekt einhalten. Kurz gesagt, betrifft dasÍisba-Gericht alle Handlungen, die die Gemeinschaft schädigen. Diesentspricht genau der Tätigkeit, die der Prophet erläuterte undanbefahl und in der er selbst den Schiedsspruch führte, wie aus demÍadÐ× von al-BarrÁÞ ibn ÝÀzib – als er beiden Partnern den Kauf aufZeit verbot – deutlich herv<strong>org</strong>eht. Auch hat der Gesandte SaÝÐd ibnal-ÝÀÒ als Kontrolleur über den Markt von Mekka – nach dessenEroberung – eingesetzt, wie es in den Werken ÓabaqÁt ibn SaÝd undא76 Geschäftsleute, die ähnlich einem Makler für andere Handel treiben.209


Al-IstÐÝÁb li ibn ÝAbd al-Barr erwähnt wird. Demzufolge ist die Sunnader Beleg für die Rechtmäßigkeit des Íisba-Gerichts. Der zweiteKalif ÝUmar setzte al-ŠifÁÞ – es ist dies Umm Sula<strong>im</strong>an ibn AbÐ Hi×ma,eine Frau aus seinem Stamm – als Marktrichterin, d. h. als Íisba-Richterin, ein. Ebenso ernannte er ÝAbdullāh ibn ÝUtba als Richterüber den Markt von Medina, wie es MÁlik in seinem Werk Al-MuwaÔÔaÞund al-ŠafiÝÐ in seiner Überlieferung erwähnen. Auch übernahmer selbst die Aufgaben des Íisba-Richters und zog in denMärkten umher, wie es auch der Prophet getan hatte. Die Kalifenübernahmen selbst die Íisba-Aufgaben bis der abbasidische Kalif al-MahdÐ für die Íisba einen eigenen Gerichtshof einrichtete. Auf dieseWeise wurde sie zu einer eigenständigen gerichtlichen Institution. Inder Zeit des HÁrÙn al-RašÐd zog der MuÎtasib 77 durch die Märkte,kontrollierte Maß- und Gewichtseinheiten, um Betrug zu verhindern,und untersuchte die Transaktionen der Händler.Was den Rechtsbeweis für den Gerichtshof betrifft, den man alsMaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht bezeichnet, so ist er in folgendem Koranvers zufinden:אא "Und wenn ihr in einer Angelegenheit strittig seid, so führt sie aufAllah und Seinen Gesandten zurück." (Sure al-Nisā’ 4, Àya 59) DieserBefehl folgt der Aussage Allahs: אא אא אאא"Ihr, die ihr glaubt! Gehorcht Allah und gehorcht Seinem Gesandtenund jenen, die unter euch die Befehlsgewalt innehaben." (Sure al-Nisā’4, Àya 59) <strong>Das</strong> heißt, die Streitigkeit zwischen den Bürgern und denInhabern der Befehlgewalt muss auf Allah und Seinen Gesandten zurückgeführt,mit anderen Worten, auf das Gesetz Allahs zurückgeführtwerden. Dies bedingt jedoch die Existenz eines Richters, ebendes MaÛÁl<strong>im</strong>-Richters, der in dieser Streitigkeit entscheidet. Denn dieDefinition des MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichts umfasst die Untersuchung derStreitfälle, die zwischen den Bürgern und dem Kalifen entstehen.Rechtsbeweis für das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht sind ebenso die Handlungenund Aussagen des Propheten. Der Prophet hat jedoch <strong>im</strong> gesamten<strong>Islam</strong>ischen Staat keinen eigenen Richter für MaÛÁl<strong>im</strong>-Fragen er-77 Íisba-Richter210


nannt. In gleicher Weise haben auch die Kalifen nach ihm die MaÛÁl<strong>im</strong>-Angelegenheitenselbst übernommen, wie es bei ÝAlÐ ibn AbÐÓÁlib der Fall war. Er best<strong>im</strong>mte für diese Angelegenheiten jedochkeine eigene Zeit oder eine gesonderte V<strong>org</strong>ehensweise, vielmehrwurde die Ungerechtigkeit (MaÛÁl<strong>im</strong>) behandelt, sobald sie geschah.Somit war sie ein Teil seines Tätigkeitsspektrums. Dieser Zustandblieb bestehen bis zu der Zeit von ÝAbd al-Malik ibn Marawan. Erwar der erste Kalif, der für MaÛÁl<strong>im</strong>-Fragen eine best<strong>im</strong>mte Zeit undeine best<strong>im</strong>mte V<strong>org</strong>ehensweise festlegte. Er setzte dafür einen speziellenTag fest und untersuchte die v<strong>org</strong>ebrachten Ungerechtigkeitsklagen.Wenn ihm eine Angelegenheit Schwierigkeiten bereitete,dann schob er sie seinem Richter zu, um darüber zu entscheiden.Nach dieser Zeit ernannten die Kalifen Vertreter, die an ihrer Stelledie Beschwerden der Menschen (MaÛÁl<strong>im</strong>) untersuchten. So entstandfür MaÛÁl<strong>im</strong>-Angelegenheiten ein eigener Behördenapparat, der auchDÁr al-ÝAdl (Stätte der Gerechtigkeit) genannt wurde. Es ist islamrechtlicherlaubt; dafür einen eigenen Richter einzusetzen, denn füralle Befugnisse, die er selbst innehat, kann der Kalif auch Vertreterernennen. Ebenso ist es zulässig, eine best<strong>im</strong>mte Zeit und V<strong>org</strong>ehensweisedafür festzulegen, da dies in den Bereich des islamischErlaubten fällt.Die Voraussetzungen für die Bestellung von RichternWer ein Richteramt übernehmen möchte, muss folgende Voraussetzungenerfüllen: Er muss sich zum <strong>Islam</strong> bekennen und frei, geschlechtsreif,bei Verstand, rechtschaffen und rechtswissenschaftlichgeschult sein. Für den MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter wird zusätzlich dazu vorausgesetzt,dass er ein Mann und ein Muºtahid sein muss. Gleiches giltauch für den Obersten Richter. Die Tätigkeit des MaÛÁl<strong>im</strong>-Richtersumfasst nämlich das Richten und das Regieren, da er (in Regierungsfragen)auch über den Regenten entscheidet und das islamische Rechtüber ihn anwendet. Deswegen wird zusätzlich zu den Bedingungendes Richters – zu denen auch die Gelehrsamkeit zählt – noch vorausgesetzt,dass der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter ein Mann ist. Darüber hinausmuss er ein Muºtahid (Rechtsausleger) sein, denn zu den Ungerechtigkeiten(MaÛÁl<strong>im</strong>), die er zu untersuchen hat, zählt, die Entscheidungendes Regenten zu überprüfen, wenn der Verdacht besteht,dass er nicht nach dem regiert hat, was von Allah herabgesandt wur-211


de. Dies ist z. B. der Fall, wenn er in einer Angelegenheit einenSchiedsspruch fällt, der keinen Rechtsbeleg aufweist, oder wenn derRechtsbeleg, den er heranzieht, auf diese Angelegenheit nicht zutrifft.In solch einer MaÛl<strong>im</strong>a (Unrechtsfall) kann nur ein Muºtahid entscheiden.Sollte der Richter kein Muºtahid sein, dann entscheidet eraus Unwissenheit heraus, was verboten und unzulässig wäre. Aus diesemGrund muss der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter – zusätzlich zu den Bedingungendes Regenten und des gewöhnlichen Richters – ein Muºtahidsein.Die Ernennung der RichterEs ist zulässig, den Richter, den MuÎtasib und den MaÛÁlilm-Richterumfassend für alle Rechtsfragen in sämtlichen Landesteilen zu ernennen.Ebenso ist es erlaubt, sie in spezifischer Weise für einen best<strong>im</strong>mtenOrt und eine best<strong>im</strong>mte Art von Rechtsangelegenheiteneinzusetzen. Dies geht aus der V<strong>org</strong>ehensweise des Gesandten hervor.So ernannte er ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib als Richter über den Jemen,MuÝÁÆ ibn ¹abal über einem Teil des Jemens und ÝAmr ibn al-ÝÀÒ ineiner spezifischen Rechtsangelegenheit.Die Zusammensetzung der Gerichte<strong>Das</strong> Gericht darf nur aus einem in der Rechtssache entscheidungsbefugtenRichter bestehen. Es ist zwar zulässig, dass noch ein odermehrere Richter ihm beisitzen, jedoch haben sie lediglich die Befugniszur Beratung und zur Meinungsäußerung. Ihre Ansicht ist für denentscheidungsbefugten Richter jedoch nicht bindend.Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Gesandte für eineStreitsache niemals zwei, sondern stets nur einen Richter ernannte.Auch ist das Richten als das "Verkünden des Rechtsspruches in verbindlicherWeise" definiert worden. Der Rechtsspruch (al-Íukm alšarÝÐ)in einer Angelegenheit darf für einen Musl<strong>im</strong> aber nicht vielfältigsein, da es das Gesetz Allahs ist, und das Gesetz Allahs ist stetsein Einziges und kann in einer Sache nicht mehrfach ausfallen. Natürlichkann es diesbezüglich verschiedene Rechtsauffassungen geben.Wenn es aber um den Vollzug der Handlung geht, so kann der212


Musl<strong>im</strong> für sich nur eine Rechtsauffassung befolgen. Er kann keinesfallsgleichzeitig mehrere Auffassungen umsetzen. Was er aus derRechtssache versteht bzw. ableitet, ist das Gesetz Allahs in seinemSinne. Jede andere diesbezügliche Rechtsmeinung stellt nicht dasGesetz Allahs in seinem Sinne dar, auch wenn er sie als einen (möglichen)islamischen Rechtsspruch anerkennt. Ebenso ist die Rechtsmeinung,die er nachahmt (TaqlÐd) und in seinen Handlungen befolgt,das Gesetz Allahs in seinem Sinne, und jede andere diesbezüglicheRechtsauffassung stellt für ihn nicht das Gesetz Allahs dar. Und wennder Richter das Gesetz Allahs in einer Rechtssache verbindlichverkündet, so muss die Verkündung in einfacher (und nicht mehrfacher)Weise erfolgen, da es sich um die verbindliche Verkündung einesgöttlichen Gesetzes handelt. Im Grunde ist es nichts anderes alsder (verbindliche) Vollzug des Gesetzes Allahs. Und das Gesetz Allahskann <strong>im</strong> Moment des Vollzuges nicht vielfältig sein, auch wenndas betreffende Rechtsverständnis (<strong>im</strong> Ursprung) vielfältig ausfallenkann. Deswegen darf es nicht mehrere Richter geben, da (<strong>im</strong> verbindlichenVollzug) das Gesetz Allahs nicht vielfältig sein darf. Diesgilt für eine spezifische Streitsache, mit anderen Worten, für einenspezifischen Gerichtsfall. Gibt es nun in einem Land an einem Ort fürsämtliche Streitfälle verschiedene Gerichtshöfe, so ist das zulässig, dadas Richten in Vertretung des Kalifen vollzogen wird. Gleich derVollmachtsübertragung, die mehrfach erfolgen kann, ist die Vielfältigkeitauch <strong>im</strong> Bereich der Gerichte zulässig. Ebenso kann es aneinem Ort mehrere Richter geben. Sind die Streitparteien über dieRichterwahl an einem Ort uneins, so überwiegt die Meinung derKlägerseite, und der Richter ihrer Wahl wird herangezogen, da derKläger sein Recht fordert und man demjenigen, der das Recht fordert,stets den Vorzug gegenüber jenem gibt, von dem das Recht gefordertwird.Der Richter darf jedoch nur in einer Gerichtssitzung entscheiden.Beweisführung und Eid werden nur innerhalb der Gerichtssitzunganerkannt.Dies geht aus folgender Überlieferung von ÝAbdullÁh ibn al-Zubair hervor, in der er sagte: @ אאאאאA"Der Gesandte Allahs entschied, dass die Streitgegner vor demRichter Platz nehmen." (AbÙ DÁwÙd und AÎmad) Dieser ÍadÐ× erläutert213


die Form, in der das Gericht abgehalten werden soll. Diese Form istbereits für sich rechtlich v<strong>org</strong>egeben. Es muss also eine gewisse Formeingehalten werden, wenn man ein Gericht abhält, und zwar dassbeide Kontrahenten vor dem Richter Platz nehmen. Dies entsprichteiner Gerichtssitzung. Sie stellt eine Bedingung dar, um das Gerichtals korrekt zu bezeichnen. Demzufolge muss eine best<strong>im</strong>mte Sitzungeinberufen werden, in der das Gericht abgehalten wird, um von einemGericht (<strong>im</strong> rechtlichen Sinne) zu sprechen. Beide Kontrahentenmüssen vor dem Richter Platz nehmen. Dies wird durch ÝAlÐs ÍadÐ×bestätigt, in dem der Gesandte Allahs zu ÝAlÐ spricht: @ אאאאאאA"Wenn sich beide Kontrahenten zu dir setzen, so sprich nicht, bis duden Zweiten in gleicher Weise anhörst wie den Ersten." Auch hierlegt er mit den Worten: @אאאאA"Wenn sich beide Kontrahenten zu dir setzen" eine gewisse Form dar,in der das Gericht abgehalten werden soll. Demzufolge ist die Gerichtssitzungeine Voraussetzung für die Richtigkeit des Gerichts.Ebenso stellt sie eine Bedingung für die Annahme des Eides dar, dader Gesandte sprach: @אאA"Der Schwur obliegt dem Beklagten." (Von al-BuÌÁrÐ auf dem Wege des IbnÝAbbÁs überliefert.) Die Eigenschaft, "beklagt zu sein", trifft nur in einerGerichtssitzung auf jemanden zu. Ebenso hat die Beweisführung nurin einer Gerichtssitzung Gültigkeit, da der Gesandte sprach: @אא،אאKKKA"[…] jedoch obliegt die Beweisführung dem Kläger und der Schwurdemjenigen, der abstreitet." (al-BaihaqÐ) Diese Eigenschaften treffenauf die Kontrahenten nur innerhalb der Gerichtssitzung zu.Auch ist es zulässig, dass es mehrere Gerichtsstufen für die unterschiedlichenGerichtsfälle gibt. So können einige Richter mit Gerichtsfällenbis zu einem best<strong>im</strong>mten Grad betraut werden, währendalle weiteren Gerichtsfälle anderen Gerichten übertragen werden.<strong>Das</strong> Richten stellt nämlich eine Tätigkeit dar, die in Vertretung desKalifen vollzogen wird. Sie entspricht voll und ganz einer Bevoll-214


mächtigung, ohne jeden Unterschied. Im Grunde stellt sie selbst eineForm der Bevollmächtigung dar, die sowohl in umfassender (ÝÁmm)als auch in spezieller Weise (ÌÁÒÒ) ergehen kann. Demzufolge ist eszulässig, einen Richter nur für best<strong>im</strong>mte Gerichtsfälle zu ernennen,ohne die Befugnis, andere Fälle zu behandeln. Mit seinen und denanderen Fällen können andere Richter betraut werden, auch wenn siesich am gleichen Ort befinden. Ebenso ist es zulässig, ihre Befugnisauf die ihm verwehrten Gerichtsfälle zu beschränken. Demzufolge istes islamrechtlich erlaubt, die Gerichte abzustufen. In den ersten Jahrhundertenwar dies auch unter den Musl<strong>im</strong>en üblich. So erwähnt al-MÁwirdÐ in seinem Buch Al-Ahkām al-SulÔÁniyya: AbÙ ÝAbdullÁh al-ZubairÐ erklärte: "Bei uns in Basra haben die Befehlshaber seit geraumerZeit einen Richter in der Zentralmoschee eingesetzt. Sie nennenihn den 'Moschee-Richter'. Er entscheidet in den Streitfällen bis zuzweihundert Dirham oder zwanzig Dinar. Auch legt er die Al<strong>im</strong>entationszahlungenfest. Er darf jedoch seinen Ort und seine Zuständigkeitnicht überschreiten." Ebenso ließ sich der Gesandte als Richterin einer spezifischen Gerichtssache durch ÝAmr ibn al-ÝÀÒ vertreten.Andererseits ließ er sich in einer der Provinzen in allen Gerichtsangelegenheitenvertreten, wie es mit ÝAlÐ ibn AbÐ ÓÁlib geschah, als erihm die gesamte Gerichtsbarkeit des Jemen übertrug. Dies belegt,dass es erlaubt ist, sowohl Gerichtszuständigkeiten einzuschränkenals auch auszudehnen.Hingegen existieren keine Berufungs- bzw. Revisionsgerichte. Vonder Entscheidungsbefugnis her gibt es bei den Gerichten nur eine Instanz.Wenn der Richter das Gerichtsurteil fällt, dann ist es vollzugspflichtig.Dieses Urteil kann nicht durch das Urteil eines anderenRichters aufgehoben werden, es sei denn, es widerspräche einem definitivenText aus dem Koran, der Sunna des Gesandten oder demKonsens der Prophetengefährten.<strong>Das</strong> Urteil eines Richters – sollte es aus einem nicht definitivenRechtsbeleg aus Koran oder Sunna herv<strong>org</strong>ehen – kann weder durchihn selbst noch durch einen anderen Richter aufgehoben werden. Beweisdafür ist der Konsens (IºmÁÝ) der Prophetengefährten. So hatAbÙ Bakr in einigen Angelegenheiten nach seiner Rechtsauffassunggerichtet, wobei ÝUmar (als er Kalif wurde) ihm darin widersprach.Den Richtspruch AbÙ Bakrs hob er jedoch nicht auf. Ebenso widersprachÝAlÐ den Rechtsauffassungen von AbÙ Bakr und ÝUmar, hob215


ihre Entscheidungen aber genauso wenig auf. So wird berichtet, dasseine Delegation aus NaºrÁn zu ÝAlÐ kam und ihm sagte: "O Führer derGläubigen! <strong>Das</strong> Edikt liegt in deiner Hand und die Fürsprache aufdeiner Zunge." Doch ÝAlÐ antwortete: "Wehe euch! In seinen Entscheidungenwar ÝUmar recht und weise. Ich werde keinen Richtspruchaufheben, den ÝUmar getroffen hat!" Auch wird berichtet, dassÝUmar elterngleiche Geschwister von der Geschwistererbschaft ausschloss.Später ließ er sie daran teilhaben und sprach: <strong>Das</strong> Vorige wargemäß unserem Richtspruch und dies war (ebenfalls) gemäß unseremRichtspruch. Er führte beide Entscheidungen durch, obwohl sie sichwidersprachen. Bei der Erbschaft des Großvaters entschied er ebenfallsauf unterschiedliche Weise, hob aber seine frühere Entscheidungnicht auf. Andererseits wird von ŠuraiÎ berichtet, dass er be<strong>im</strong> Erbanspruchzweier Vettern – wobei der eine auch ein Bruder mütterlicherseitsdes Verstorbenen war – die gesamte Erbschaft dem Halbbruderzuerkannte. Als die Angelegenheit ÝAlÐ v<strong>org</strong>elegt wurde sagtedieser: "Bringt ihn (ŠuraiÎ) zu mir." Als man ihn zu ihm brachte,fragte er ihn: "An welcher Stelle <strong>im</strong> Buche Allahs hast du das gefunden?"ŠuraiÎ antwortete: "Allah, der Erhabene, hat gesagt:א אא"Und Gebärmutterverwandte stehen einander näher <strong>im</strong> Buche Allahs."(Sure al-AnfÁl 8, Àya 75) Da sprach ÝAlÐ zu ihm: "Allah, der Erhabene,hat aber auch gesagt:אאא "Und wenn ein Mann oder eine Frau von seitlicher Verwandtschaftbeerbt werden und sie einen Bruder oder eine Schwester haben, sogehört jedem von ihnen das Sechstel." (Sure al-Nisā' 4, Àya 12), und erhob seinen Richterspruch auf. Dazu führt Ibn QudÁma in seinemWerk Al-MuÈnÐ (Teil 9; Gerichtsbuch S. 56) Folgendes aus: Unsererseitssteht nicht fest, dass ÝAlÐ den Richterspruch tatsächlich aufgehobenhat. Sollte es so gewesen sein, dann ist es möglich, dass ÝAlÐ überzeugtwar, dass ŠuraiÎs Richtspruch der von ihm entgegengehaltenenÀya (definitiv) widersprach und er ihn deswegen aufhob. Darüberhinaus steht fest, dass die Gefährten in zahlreichen Angelegenheitennach ihrer Rechtsableitung entschieden, wobei der Kalif – sei es inder Zeit von AbÙ Bakr, ÝUmar, oder ÝAlÐ – ihnen in dieser Ableitung216


widersprach. Trotzdem hat niemand die Entscheidung des anderenaufgehoben. Ebenso steht fest, dass ÝUmar in der gleichen Angelegenheitauf verschiedenartige Weise entschieden hat. Er führte sämtlicheEntscheidungen durch, ohne die frühere Entscheidung durch die neueaufzuheben, obwohl sich beide widersprachen. Er sagte dazu: <strong>Das</strong>Vorige war gemäß unserem Richtspruch und dies war (ebenfalls) gemäßunserem Richtspruch. Damit machte er klar, dass die Richterentscheidungennicht aufgehoben werden. Ibn QudÁma erwähnt dazu inseinem Werk Al-MuÈnÐ: Wenn sich aber sein IºtihÁd ändert, ohne einemOffenbarungstext oder einem IºmÁÝ zu widersprechen, oder seinIºtihÁd dem eines V<strong>org</strong>ängers widerspricht, so hebt er deswegen denfrüheren Rechtsspruch nicht auf, weil die Gefährten dies übereinst<strong>im</strong>mendbilligten. Ändert sich aber seine Rechtsmeinung vor derUrteilsverkündung, so hat er nach seiner neuen Rechtsauffassung zuurteilen.Ebenso ist der vorhandene Rechtsbeleg für das Verbot der Existenzmehrerer Richter in einem Rechtsfall gleichzeitig auch ein Beweis fürdie Unzulässigkeit einer nachträglichen Aufhebung des Richterspruchs.Denn das Gesetz Allahs ist eines und kann nicht vielfältigausfallen. Auch gilt das Gesetz Allahs – wenn es in einer Angelegenheitdurchgeführt wurde – als vollzogen und kann nicht mehr rückgängiggemacht werden. Wenn der Richter in einem Rechtsfall entschiedenhat, so hat er das Gesetz Allahs zur Anwendung gebracht,und seine Umsetzung wird nunmehr zur Pflicht. Es darf keinesfallsaufgehoben werden, denn seine Aufhebung würde die Aufhebungeines göttlichen Gesetzes bedeuten, was unzulässig wäre. Demzufolgeist es dem Richter selbst untersagt, seinen eigenen Richtspruchaufzuheben, wie es auch jedem anderen untersagt ist, denn das GesetzGottes kann nicht vielfältig ausfallen. Seine Aufhebung käme – nebender Tatsache, dass es die Aufhebung eines göttlichen Gesetzes bedeutenwürde – einer Vervielfältigung des Gesetz Gottes gleich. Unddies wäre islamrechtlich unzulässig.Was den Brief anbelangt, den ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb an AbÙ MÙsÁrichtete, so muss Folgendes dazu erläutert werden. ÝUmar schreibt indiesem Brief: So möge dich ein Richtspruch, den du gestern gefällthast, du dich dann besinnst und zum Rechten geleitet wirst, nicht davonabhalten, zur Wahrheit zurückzukehren. Denn die Wahrheit istalt und die Rückkehr zu ihr ist besser als das weitere Fortschreiten <strong>im</strong>217


Unrecht. Dieser Brief – setzt man seine Richtigkeit voraus – ist einAusspruch ÝUmars und stellt keinen islamischen Rechtsbeweis dar.Hier darf nicht eingewendet werden, dass die Gefährten dazu schwiegen,was ihren bezüglichen Konsens offenbart. Denn das Schweigenoffenbart nur dann einen Konsens, wenn der Vorfall bekannt gewordenist, da er ein allgemeines Gesetz für alle Menschen darstellt unddie Gefährten davon erfahren haben. Auch muss der Vorfall zu jenenAngelegenheiten gehören, die für gewöhnlich abzulehnen wären(wenn es keine diesbezügliche Anweisung des Propheten gäbe), dadie Gefährten niemals zu einem Unrecht schweigen würden. DieserBrief richtet sich jedoch an einen best<strong>im</strong>mten Richter, somit ist ernicht allgemeiner Natur. Obgleich er später bekannt geworden ist,stellte der Brief bei seiner Ausstellung kein generelles Ereignis dar,das den Gefährten bekannt geworden ist. Auch beinhaltet er nichts,was für gewöhnlich abzulehnen wäre, da er keine Aussage enthält,die vom islamischen Recht verurteilt wird. Darüber hinaus ist mit derBriefaussage gemeint, dass ein Rechtsspruch, den man zuvor fällteund dessen Unrichtigkeit man feststellte, <strong>im</strong> nächsten Fall nicht mehrangewendet werden soll. Vielmehr soll nach dem neuen Rechtsspruchentschieden werden. Es ist jedoch keineswegs damit gemeint, denfrüheren Richterspruch aufzuheben. Deswegen sagt ÝUmar […] dieRückkehr zu ihr (der Wahrheit) und nicht "die Rücknahme deinesRichtspruches". Die Rückkehr zur Wahrheit bedeutet nichts anderesals die Aufgabe einer falschen Meinung und die Annahme derrichtigen. Darin besteht kein Rechtsbeleg für die Aufhebung einerGerichtsentscheidung. Im <strong>Islam</strong> existieren aus diesem Grunde keineso genannten gerichtlichen Präjudize, wo bei neuen Fällen Urteile ausfrüheren (ähnlichen oder gleichen) Gerichtsfällen herangezogen werden.Wenn in einem früheren Gerichtsfall ein best<strong>im</strong>mtes Urteil gefälltwurde, so ist dieses Urteil für keinen anderen bindend. So kannderselbe Richter oder ein anderer in einem gleichen Fall ein anderesUrteil fällen. Für den früheren Gerichtsfall aber ist das göttlicheUrteil (Richtspruch) bereits vollzogen worden, somit ist es für denRichter nicht erlaubt, das Urteil zurückzunehmen oder zu verändern.Demzufolge gibt es <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> keine Instanzen und keine Revisionsgerichte.Von der Entscheidungsgewalt her gibt es nur eine Gerichtsinstanz.Die diesbezügliche Rechtsregel lautet: Ein IºtihÁd 78 wirddurch einen anderen nicht aufgehoben. Kein Muºtahid besitzt von78 Ableitung eines Rechtsspruches bzw. Rechtsurteils aus den Offenbarungstexten.218


sich aus Beweisdominanz über einen anderen wie auch kein Gerichtdas Rechtsurteil anderer Gerichte aufheben kann.Wenn ein Richter jedoch das Richten nach islamischem Recht aufgibtund nach den Gesetzen des Unglaubens entscheidet oder in einer Angelegenheitein Urteil fällt, das den definitiven Texten aus dem Koran,der Sunna oder dem Konsens der Prophetengefährten entgegensteht,so wird sein Urteil aufgehoben. Ebenso wird sein Urteil aufgehoben,wenn er einen Richtspruch fällt, der den realen Fakten widerspricht.Dies ist beispielsweise der Fall, wenn er über einen vermeintlichvorsätzlichen Mörder mit Widervergeltung 79 urteilt und der tatsächlicheMörder dann auftaucht. In solchen und ähnlichen Fällenwird das Urteil des Richters aufgehoben. Dies ist folgendem Ausspruchdes Gesandten zu entnehmen: @אאאA"Wer in dieser unserer Angelegenheit etwas Neues hervorbringt, wasnicht dazugehört, so ist es zurückzuweisen." (Von al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong>auf dem Wege der ÝÀÞiša überliefert.) Auch wird von ¹Ábir ibn ÝAbdillÁhberichtet, @אאKאA"dass ein Mann mit einer Frau Unzucht trieb. Der Prophet richteteüber ihn, und er wurde ausgepeitscht. Danach teilte man ihm mit,dass der Mann verheiratet war. Der Prophet richtete (ein zweites Mal)über ihn und er wurde gesteinigt." Und MÁlik ibn Anas berichtet:WKאAאאאWאWא،א אא@،،"Ich hörte, dass man eine Frau zu ÝU×mÁn brachte, die nach sechsMonaten (Ehe) ein Kind gebar. Er befahl, sie zu steinigen. Da sagteÝAlÐ zu ihm: 'Für sie gilt die Steinigung nicht, denn Allah, der Erhabene,sagt: Und es (das Kind) zu tragen und zu entwöhnen erfordertdreißig Monate. (Sure al-AÎqÁf 46, Àya 15) Auch sagt Er: Und die Gebärendenstillen ihre Kinder zwei volle Jahre. (Sure al-Baqara 2, Àya 233)<strong>Das</strong> Tragen dauert demzufolge (mindestens) sechs Monate, deswegen79 Arab.: QiÒÁÒ.219


darf sie nicht gesteinigt werden.' ÝU×mÁn befahl daraufhin, sie zurückzuholen,doch fand er sie schon gesteinigt vor." ÝAbd al-RazzÁqberichtet von al-Imam al-ÕaurÐ, dass dieser sagte: "Wenn der Richter<strong>im</strong> Widerspruch zum Buche Allahs, zur Sunna des Gesandten Allahsoder <strong>im</strong> Widerspruch zu etwas richtet, worüber Übereinst<strong>im</strong>mungherrscht, so muss der Richter nach ihm sein Urteil aufheben."Wer die Befugnis hat, diese Urteile aufzuheben, ist der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter.Der MuÎtasibDer MuÎtasib ist jener Richter, der alle Fälle untersucht, bei denen esum die Rechte der Allgemeinheit geht, es keinen (personifizierten)Kläger gibt und die nicht in den Bereich von ËudÙd 80 und Strafverbrechenfallen.Dies ist die Definition des Íisba-Richters. Sie wurde dem ÍadÐ× überdie "angehäuften Nahrungsmittel" (Ñubratu al-ÓaÝÁm) entnommen. Sofand der Gesandte Nässe in einem Berg angehäufter Nahrungsmittelvor. Er befahl, das Nasse obenauf zu legen, damit es für die Menschensichtbar wird. Hier ging es um ein Recht der Allgemeinheit.Der Gesandte untersuchte es und entschied, den nassen Teil obenaufzu legen, um den Betrug zu beseitigen. Dies umfasst alle Rechte dieserArt. ËudÙd und Strafverbrechen gehören jedoch nicht dazu, da sienicht zu dieser Art Vergehen zählen, sondern in ihrem UrsprungStreitfälle zwischen Personen sind.Die Befugnisse des MuÎtasibDer MuÎtasib hat das Recht, in jeder Übertretung zu entscheiden, sobalder davon erfährt. <strong>Das</strong> kann an jedem Ort geschehen, ohne dieNotwendigkeit, eine Gerichtssitzung einzuberufen. Es werden ihmeinige Sicherheitskräfte unterstellt, um seine Befehle durchzuführen.Seine Urteile werden unverzüglich vollzogen.80 Von Gott für gewisse Vergehen festgesetzte Strafen.220


Um eine Klage zu untersuchen, ist die Gerichtssitzung für den Mu-Îtasib nicht erforderlich. Er urteilt in einem Vergehen, sobald er sichdessen sicher ist. Er kann zu jeder Zeit und an jedem Ort richten: amMarkt, <strong>im</strong> Haus, auf dem Rücken eines Reittiers, <strong>im</strong> Auto, bei Tagund bei Nacht. Denn der Rechtsbeleg, der eine Gerichtssitzung zurUntersuchung des Gerichtsfalles voraussetzt, trifft auf den MuÎtasibnicht zu. Der ÍadÐ×, in dem eine Gerichtssitzung zur Abhaltung desGerichts vorausgesetzt wird, besagt nämlich: @ אאאאA"Die beiden Kontrahenten sitzen dem Richter gegenüber." Im zweitenÍadÐ× heißt es: @אאאאA"Wenn beide Kontrahenten sich zu dir setzen […]." Dies ist be<strong>im</strong>Íisba-Richter aber nicht der Fall, da es keinen Kläger und keinenBeklagten gibt. Vielmehr existiert eine Verletzung öffentlichenRechts oder eine Übertretung islamischer Gesetze. Auch hat der Prophet,als er den Fall der angehäuften Lebensmittel untersuchte, eswährend eines Marktganges getan. Die Lebensmittel waren zumVerkauf dargeboten. Der Prophet hat den Besitzer nicht erst zu sichgerufen. Im Moment, als er die Übertretung wahrnahm, hat er sie unverzüglichbehandelt. Dies belegt, dass eine Gerichtssitzung in denÍisba-Fällen nicht zwingend erforderlich ist.Der MuÎtasib hat das Recht, Vertreter für sich zu ernennen, wenn siedie Bedingungen eines Íisba-Richters erfüllen. Er kann sie auf dieverschiedenen Plätze verteilen. Diese Vertreter sind dann befugt, inden Plätzen und Orten, die ihnen zugeteilt wurden, jene Íisba-Aufgabenzu übernehmen, in denen sie bevollmächtigt worden sind.Dieses Recht ist jedoch daran gebunden, ob der MuÎtasib bei seinerEinsetzung die Befugnis erhalten hat, Vertreter bzw. Folgebeauftragtefür sich zu best<strong>im</strong>men. Dies gilt für den Fall, dass seine Ernennungdurch den Kalifen erfolgt. Erfolgt seine Ernennung jedoch durch denObersten Richter, so muss zusätzlich zu dieser Bedingung der ObersteRichter (QÁÃÐ al-QuÃÁt) bei seiner Ernennung die Befugnis erhaltenhaben, den von ihm eingesetzten Richtern auch das Recht einzuräumen,Vertreter bzw. Nachfolgebeauftragte für sich zu ernennen.Wenn die Ernennung des Obersten Richters diese Befugnis jedoch221


nicht erhält, dann darf er den von ihm eingesetzten Richtern nicht dasRecht einräumen, Vertreter bzw. Folgebeauftragte für sich zu ernennen.In diesem Fall hat der MuÎtasib nicht die Befugnis, sich vertretenzu lassen bzw. Folgeernennungen durchzuführen. <strong>Das</strong> Recht, sichvertreten zu lassen, besitzt der Richter nur dann, wenn der Kalif ihmdieses Recht gewährt oder der WÁlÐ al-QaÃÁÞ, der Oberste Richter,sowohl die Befugnis erhält, die Richter zu ernennen, als auch die Befugnis,ihnen das Recht zu gewähren, Vertreter bzw. Nachfolgebeauftragtefür sich zu best<strong>im</strong>men. Dies gilt für den MuÎtasib, den normalenRichter und den MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter in gleicher Weise. Dem MuÎtasibwurde nämlich ein best<strong>im</strong>mter Gerichtsbereich übertragen, undzwar der Bereich des Íisba-Gerichts. Wenn ihm das Recht, Folgebeauftragte,d. h. Vertreter für sich, zu best<strong>im</strong>men, nicht gegeben wird,so besitzt er diese Befugnis nicht. Dies gilt ebenso für den normalenals auch für den MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter. Jeder von ihnen ist für den Gerichtsbereichbest<strong>im</strong>mt worden, den die Ernennungsformulierung beinhaltet.Darüber hinausgehende Befugnisse besitzen sie nicht. Demzufolgehaben sie nicht das Recht, andere Richter zu ernennen – es seidenn, der Ernennungsvertrag erwähnt dies ausdrücklich. Der MuÎtasibhat somit nicht die Befugnis, sich in den Íisba-Tätigkeiten vertretenzu lassen, außer man hat ihm diese bei seiner Ernennung ausdrücklichgewährt. Dies gilt für den Obersten Richter in gleicherWeise. Was die Zulässigkeit betrifft, dass ein Richter für sich Vertreterernennen darf, so ist das auf den Umstand zurückzuführen, dassdem Gesandten ein Gerichtsfall v<strong>org</strong>etragen wurde und er sich darinvertreten ließ. So wird der Fall eines Wüstenarabers berichtet, derzum Propheten kam und ihm mitteilte, dass sein Sohn Diener bei einemvon ihm benannten Mann war. Er beging Unzucht mit dessenFrau und bat nun um Vergeltung. Daraufhin sagte der GesandteAllahs: @אאאאאאA"Unais, begebe dich zur Frau des Mannes. Wenn sie es zugibt, sosteinige sie. […]" (Von al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> auf dem Weg AbÙ Hurairas undZaids ibn ËÁlid al-¹uhanÐ überliefert.) Dieser ÍadÐ× belegt, dass es einemRichter erlaubt ist, einen Vertreter zu entsenden, um in einer ihm benanntenAngelegenheit zu richten. Gleiches gilt für den MuÎtasib, daauch er ein Richter ist. Es wird jedoch vorausgesetzt, dass der Richterseinem Vertreter die Entscheidungsbefugnis in vollem Umfang überträgt.Er muss also das Recht haben, die Klage zu prüfen und darüber222


zu richten, damit seine Ernennung gültig ist. Denn das Richten ist dieVerkündung des Urteils in verbindlicher Weise. Diese Definition lässtkeine Aufteilung mehr zu. Somit wäre es ungültig, ihn nur zur Falluntersuchungaber nicht zur Fallentscheidung zu ernennen. Vielmehrmuss er ihn in umfassender Weise beauftragen, damit er als Richterfungieren kann und sein Urteil gültig ist. Auch wenn er letztendlichkein Urteil fällt, ist seine Tätigkeit gültig, denn die Bedingung lautetnicht, dass er tatsächlich richten muss. So ist es zulässig, dass einRichter einen Fall untersucht, ihn aber nicht abschließt und vor seinemRichtspruch abgesetzt wird. Ein anderer Richter kann nun denFall untersuchen und darüber entscheiden. Ebenso gilt für den Vertretungsrichternicht die Bedingung, tatsächlich zu richten, jedochmuss ihm bei seiner Ernennung sowohl die Befugnis zum Untersuchenals auch zum Richten erteilt werden. Demzufolge muss er inseinem Zuständigkeitsbereich als Richter mit allen Richterbefugnissenernannt werden. Gleiches gilt für den MuÎtasib. Er kann für sichVertreter mit der Befugnis ernennen, in best<strong>im</strong>mten Fällen oder anbest<strong>im</strong>mten Orten – die er ihnen festlegt – Gerichtsuntersuchungenund Gerichtsurteile vorzunehmen. Dies gilt für den Fall, dass seine eigeneErnennung die Befugnis zu Folgeernennungen beinhaltet hat.Derjenige, den er als Vertreter aufstellen will, muss folgende Voraussetzungenerfüllen: Er muss ein Musl<strong>im</strong> sein. Er muss frei, rechtschaffen,geschlechtsreif und in jenen Gerichtsfällen bewandert sein,die ihm zur Entscheidung übertragen werden. Mit anderen Wortengelten für den Vertreter des MuÎtasib die gleichen Bedingungen wiefür den MuÎtasib selbst, da er gleich ihm ein Richter ist.Der MaÛÁl<strong>im</strong>-RichterDer MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter wird eingesetzt, um jede Ungerechtigkeit (MaÛl<strong>im</strong>a)zu beseitigen, die <strong>im</strong> Staat oder seitens des Staates irgendeinerunter der Herrschaft des Staates lebenden Person widerfährt. Dies giltfür Staatsbürger und Ausländer in gleicher Weise, und zwar für jedeUngerechtigkeit, die vom Kalifen selbst oder von einem seinerRegierungspersonen oder Beamten ausgeht.Dies ist die Definition des MaÛÁl<strong>im</strong>-Richters. <strong>Das</strong> MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichtgeht in seinem Ursprung auf einen ÍadÐ× des Propheten zurück, indem er jede ungerechte Regierungshandlung eines Herrschers gegenüberden Bürgern als MaÛl<strong>im</strong>a (Ungerechtigkeit) bezeichnet. Von An-223


as wird berichtet, dass dieser sagte: "Die Preise stiegen in der Zeit desGesandten Allahs . Da baten die Menschen ihn: 'O Gesandter Allahs,wenn du doch die Preise festlegen würdest?' Da antwortete er:،אאאא،אאאאאאאAאא@ "Allah ist der Schöpfer. Er ist der Nehmer, der Geber, der Unterhaltsspender.Er ist Derjenige, der die Preise festlegt. Und ich hoffe (amJüngsten Tage) auf Allah zu treffen, ohne dass mich jemand wegeneiner Ungerechtigkeit belangt, die ich ihm in Blut oder Vermögen zugefügthabe." (AÎmad) Der Prophet hat in diesem ÍadÐ× das Festlegender Preise zu einer Ungerechtigkeit (MaÛl<strong>im</strong>a) erhoben. Würde er estun, so hätte er (nach seiner Aussage) eine Ungerechtigkeit begangen.Ebenso hat er die Untersuchung der Gerichtsfälle, die der Staat fürdie Bürger regelt und die das Recht der Allgemeinheit betreffen, alsUntersuchung einer MaÛl<strong>im</strong>a bezeichnet, so geschehen <strong>im</strong> Falle derPflanzenbewässerung aus öffentlichem Gewässer, die nacheinandererfolgen soll: Der Gesandte untersuchte den Wasserstreit, derzwischen al-Zubair ibn al-ÝAwwÁm und einem Mann der AnÒÁrausgebrochen war. Er kam selbst dorthin und sprach zu al-Zubair: @אאאA"So bewässere du doch deine Pflanzen, al-Zubair, und lass dann dasWasser zu deinem Nachbarn fließen." (Von al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> übereinst<strong>im</strong>mendüberliefert.) Demzufolge wird jede Ungerechtigkeit, die einerPerson widerfährt und die von einem Herrscher, einem staatlichenOrgan oder einer staatlichen Verfügung ausgeht, als MaÛl<strong>im</strong> angesehen.<strong>Das</strong> geht aus der Aussage beider ÍadÐ×e hervor. Die MaÛl<strong>im</strong>awird dem Kalifen oder einem der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter v<strong>org</strong>etragen, dieja als seine Vertreter fungieren.Die Ernennung der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter und ihre AbsetzungDer MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter wird vom Kalifen oder vom Obersten Richterernannt. Seine Ab- und Versetzung, seine Zurechtweisung und dieRechenschaftsforderung von ihm obliegen dem Kalifen, dem MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichtselbst oder dem Obersten Richter, wenn der Kalif ihnendiese Befugnisse gewährt hat. Dies geht aus der Tatsache hervor, dassdie Untersuchung der MaÛÁl<strong>im</strong> ein Mandat darstellt, das der Kalifalleine innehat. Niemand sonst teilt es mit ihm. Demzufolge muss der224


Statthalter in MaÛÁl<strong>im</strong>-Angelegenheiten vom Kalifen bestellt werden.Darüber hinaus gehören MaÛÁl<strong>im</strong> in den Bereich der Justiz, da dasUrteil in einem MaÛÁl<strong>im</strong>-Fall die Verkündung des islamischenRechtsspruches in verbindlicher Weise darstellt. Und der Richter wirdbekanntlich vom Kalifen ernannt, da feststeht, dass der Gesandte selbst die Richter ernannt hat. Dies alles belegt, dass es der Kalif ist,der die MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter ernennt. Ebenso kann der Oberste Richter(QÁÃÐ al-QuÃÁt) den MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter ernennen, wenn er in seinemEinsetzungsvertrag die Befugnis dazu erhalten hat.Was die Absetzung des MaÛÁl<strong>im</strong>-Richters betrifft, so sollte diesgrundsätzlich dem Kalifen obliegen, ebenso wie er das Recht hat, ihneinzusetzen. Er hat jedoch nicht die Befugnis, ihn abzusetzen, wennein Klagefall gegen den Kalifen, einen seiner bevollmächtigten Assistentenoder gegen den Obersten Richter vorliegt. Dies wird durchdie Rechtsregel belegt: <strong>Das</strong> Mittel zum Verbotenen ist auch verboten.Der Gesandte hat selbst das Richten in MaÛÁl<strong>im</strong>-Fällen übernommen.Es wurde nirgendwo berichtet, dass er das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht als allgemeinesMandat jemandem übertrug. Auch die vier rechtgeleiteten Kalifenhaben niemanden mit den MaÛÁl<strong>im</strong>-Fällen betraut. Der KalifÝAlÐ hat selbst in den MaÛÁl<strong>im</strong>-Fällen entschieden und mehrere solcherFälle untersucht. Als ÝAbd al-Malik ibn Marawan Kalif wurde,hat er den ÚulamÁt 81 einen best<strong>im</strong>mten Tag festgelegt, in denen er denBerichten der Kläger lauschte, ohne sie unverzüglich zu beurteilen.Wenn ihn ein schwieriger Fall konfrontierte oder er einen vollzugspflichtigenRichtspruch benötigte, übertrug er ihn seinem Richter AbÙIdris al-Azdiy. Demzufolge war AbÙ Idris die Person, die mit demMaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht direkt betraut war. Er war Richter und übernahmgleichzeitig die MaÛÁl<strong>im</strong>-Fälle, die der Kalif ÝAbd al-Malik an ihnweiterleitete. Als der Führer der Gläubigen, Kalif ÝUmar ibn ÝAbd al-ÝAzÐz, kam, übernahm er selbst das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht. Er gab die ungerechtenAneignungen (MaÛÁl<strong>im</strong>) der Omayaden den eigentlichenBesitzern zurück. In der Mitte der abassidischen Epoche übertrugendie Kalifen die Untersuchung der MaÛÁl<strong>im</strong>-Fälle einem eigenen, mitden MaÛÁl<strong>im</strong> betrauten Richter. Seit dieser Zeit gibt es die vomKalifen getrennte Institution des MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichts. Vorher war dasMaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht von der Person des Kalifen nicht getrennt, vielmehrhat er die MaÛÁl<strong>im</strong>-Fälle selbst untersucht. Demzufolge hat der Kalif81 Andere Bezeichnung für MaÛÁl<strong>im</strong>.225


das Recht, die MaÛÁl<strong>im</strong>-Fälle selbst zu untersuchen, weil er dazu befugtist, wie er auch das Recht hat, einen MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter zu ernennen.Er kann diesen Richter auch absetzen und einem anderen dasMandat übertragen. All dies ist dem Kalifen islamrechtlich erlaubt(mubÁÎ).Ebenso übern<strong>im</strong>mt der Kalif die Aufgabe, den MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter zurRechenschaft zu ziehen, ihn zurechtzuweisen und abzusetzen, da erdie Verantwortung für sämtliche MaÛÁl<strong>im</strong> trägt. Ebenso trägt er dieVerantwortung für den Richter, den er an seiner Stelle und in seinerVertretung mit den MaÛÁl<strong>im</strong>-Angelegenheiten betraut hat. Der Kalifkann das Recht der Ab- und Versetzung und der Zurechtweisung derMaÛÁl<strong>im</strong>-Richter ebenso wie das Recht zur Rechenschaftsforderungvon ihnen entweder den MaÛÁl<strong>im</strong>-Richtern selbst oder dem OberstenRichter übertragen. Wenn er ihnen dieses Recht überträgt, haben siedie Befugnis, den MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter abzusetzen, Rechenschaft vonihm zu fordern und ihn zurechtzuweisen.Die Zahl der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter darf nicht auf einen oder mehrere beschränktwerden. Vielmehr kann der Kalif so viele MaÛÁl<strong>im</strong>-Richterernennen, wie die Aufhebung der MaÛÁl<strong>im</strong> es erforderlich macht –egal wie groß ihre Zahl ist. Wenn ein konkreter Gerichtsfall jedochuntersucht wird, obliegt die Entscheidungsbefugnis nur bei einemeinzigen Richter. Es ist zulässig, dass eine Anzahl von MaÛÁl<strong>im</strong>-Richtern der Gerichtssitzung beisitzt. Jedoch haben sie lediglich dasRecht zu Rate gezogen zu werden. Ihre Meinung ist für den befugtenRichter aber nicht bindend.Dies geht aus der Tatsache hervor, dass es dem Kalifen zwar erlaubtist, einen oder mehrere Vertreter zu ernennen, jedoch kann die Befugnisder MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter – auch wenn es mehrere sind – in derUntersuchung der MaÛÁl<strong>im</strong>-Fälle nicht aufgeteilt werden. So hat jedervon ihnen das Recht, einen der MaÛÁl<strong>im</strong>-Fälle zu untersuchen. DemKalifen ist es erlaubt, in jeder der Provinzen einen MaÛÁl<strong>im</strong>-Richterzu ernennen. Er kann dessen Befugnis auf einige Fallarten beschränken,da er das Recht hat, sowohl ein allgemeines als auch ein speziellesMandat für die MaÛÁl<strong>im</strong>-Fälle zu übertragen. Auch kann er einallgemeines Mandat für alle Provinzen oder für eine best<strong>im</strong>mte Provinzoder Region übertragen. Er tut dies in seinem eigenen Ermessen.<strong>Das</strong>s bei der Untersuchung eines Gerichtsfalles nicht mehrere MaÛÁ-226


l<strong>im</strong>-Richter entscheidungsbefugt sind, geht aus der bereits dargelegtenRegel hervor, dass für einen best<strong>im</strong>mten Gerichtsfall nur einRichter zulässig ist. Für mehrere Orte darf es hingegen mehrere Richtergeben. Zum Zwecke der Beratung ist es jedoch zulässig, dassmehrere MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter der Gerichtssitzung beiwohnen. Ihre Meinungist für den entscheidungsbefugten Richter jedoch nicht bindend.Ihre Präsenz ist von seinem Einverständnis und seinem Willen abhängig.Sollte er ihre Präsenz nicht wünschen, dürfen sie der Sitzungnicht beiwohnen, da sich niemand zum Richter setzen darf, der ihnvon dem ihm übertragenen Fall ablenkt. Wenn die Sitzung geschlossenist, kann er sie nunmehr zu Rate ziehen.Die Befugnisse des MaÛÁl<strong>im</strong>-RichtersDer MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter hat das Recht, jede Regierungsperson und jedenBeamten <strong>im</strong> Staat abzusetzen, wie er auch das Recht hat, den Kalifenabzusetzen.So hat der MaÛÁl<strong>im</strong>-Richter das Recht, den Regenten abzusetzen. JederRegent ist nämlich durch einen Ernennungsvertrag eingesetztworden. Er wird auch als Amtseinsetzungsvertrag bezeichnet (ÝAqdtaqlÐd). Der Kalif hat zum einen die Regierungsbefugnis (al-Íukm),zum anderen die Ernennungsbefugnis (al-TaqlÐd) inne. <strong>Das</strong> Ernennenstellt einen Vertrag dar, der durch klare Formulierungen zu erfolgenhat. Die Absetzung einer Regierungsperson, die der Kalif eingesetzthat, entspricht einer Aufhebung dieses Vertrages. Der Kalif hat dieseBefugnis definitiv inne, da der Gesandte (in seiner Funktion alsStaatsoberhaupt) die Gouverneure ernannte und wieder absetzte.Auch haben die rechtgeleiteten Kalifen dies getan. Ebenso kann derKalif Vertreter für sich ernennen, denen er die Befugnis zur Ein- undAbsetzung überträgt. <strong>Das</strong> MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht hat jedoch nicht dasRecht, in Vertretung des Kalifen Regierungspersonen abzusetzen, dadas Gericht ihn in Einsetzungs- und Absetzungsfragen nicht vertritt.Vielmehr vertritt es ihn in der Untersuchung von Ungerechtigkeitsfällen.Wenn jedoch der Verbleib einer Regierungsperson in ihrem Amtan sich schon ein Unrecht darstellt, so hat das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht dasRecht (und auch die Pflicht), dieses Unrecht (MaÛl<strong>im</strong>a) zu beseitigen,d. h., diese Regierungsperson abzusetzen. Die Befugnis des Gerichts,einen Regenten abzusetzen, ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass227


sie den Kalifen vertreten, sondern aus der Verpflichtung, die Ungerechtigkeitzu beseitigen. Deswegen ist derjenige, dessen Absetzungdas Gericht entscheidet, seines Amtes enthoben, auch wenn der Kalifdas nicht billigen sollte, denn seine Absetzung war in diesem Fall einUrteil zur Aufhebung einer MaÛl<strong>im</strong>a. Dieses Urteil ist für alle bindend,sowohl für den Kalifen als auch für jeden anderen. <strong>Das</strong> Urteildes Richters ist nämlich ein Urteil für alle. Was die Befugnis des Ma-ÛÁl<strong>im</strong>-Gerichts betrifft, den Kalifen abzusetzen, so stellt es ebenso einUrteil zur Aufhebung einer Ungerechtigkeit dar. Widerfährt dem Kalifennämlich ein Zustand, der ihn aus dem Amt hebt bzw. in dem seineAbsetzung erforderlich wird, so stellt sein Verweilen <strong>im</strong> Amt ansich bereits eine Ungerechtigkeit dar. Nun ist das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichtbefugt, über die Beseitigung der Ungerechtigkeit zu richten. <strong>Das</strong> Urteildes MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichts, den Kalifen abzusetzen, ist daher ein Urteilzur Beseitigung einer Ungerechtigkeit (MaÛl<strong>im</strong>a).<strong>Das</strong> MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht hat die Befugnis, jede Art von MaÛl<strong>im</strong>a zu untersuchen,ob sie nun von einer Person des Staatsapparates ausgehtoder mit einer Übertretung der islamischen Rechtsprüche durch denKalifen zu tun hat. Eine MaÛl<strong>im</strong>a kann ebenso mit der Interpretationeiner Textpassage aus der Verfassung, den Gesetzen oder den anderenislamischen Rechtsprüchen, die der Kalif bindend gemacht hat,verbunden sein. Sie kann aber auch eine (evtl. zu Unrecht) eingehobeneSteuer oder etwas anderes betreffen.So hat der Gesandte eine Preisfestlegung abgelehnt, als die Preise anstiegenund die Gefährten es von ihm verlangten. Er betrachtete diePreisfestlegung als eine Ungerechtigkeit (MaÛl<strong>im</strong>a). Ebenso erachteteer das ungerechte Festlegen der Bewässerungsreihenfolge durch denHerrscher als Ungerechtigkeit. Dies belegt, dass die Handlung desHerrschers, wenn sie der Wahrheit oder den islamischen Rechtssprüchenwiderspricht, eine MaÛl<strong>im</strong>a darstellt. Der Gesandte war derRegent und das Staatsoberhaupt der Musl<strong>im</strong>e.Ebenso ist jede Handlung einer staatlichen Behörde, die von einerPerson des Staatsapparates ausgeht und der Wahrheit oder den islamischenRechtssprüchen widerspricht, als MaÛl<strong>im</strong>a anzusehen. DiesePerson fungiert nämlich als Vertreter des Kalifen in der jeweiligenBehördentätigkeit, in der sie vom Kalifen eingesetzt wurde.228


Demzufolge ist der ÍadÐ× über die Preisfestlegung (ÍadÐ× al-TasÝÐr)ein Rechtsbeleg dafür, dass die Übertretung des Kalifen eine MaÛl<strong>im</strong>adarstellt. Und das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht hat die Befugnis, alle MaÛÁl<strong>im</strong>-Fälle zu untersuchen.Was die Untersuchung eines Verfassungs- oder Gesetzestextes anbelangt,so verkörpert die Verfassung das grundlegende Gesetz, wobeidas Gesetz die verbindliche Anordnung des Herrschers bedeutet. DieUntersuchung eines Gesetzes ist demzufolge die Untersuchung derAnordnung des Herrschers. Somit umfasst der ÍadÐ× über die Preisfestlegung(ÍadÐ× al-TasÝÐr) auch diesen Bereich, da es auch hier umdie Untersuchung der Handlungen des Kalifen geht. Darüber hinaushat Allah, der Erhabene, befohlen:אא "Und seid ihr in einer Sache strittig, so führt sie auf Allah und denGesandten zurück." (Sure al-Nisā' 4, Àya 59) <strong>Das</strong> bedeutet: Seid ihr unddie Inhaber der Befehlsgewalt in einer Sache strittig, so soll diese aufGott und den Gesandten zurückgeführt werden. Die Streitigkeit übereinen Verfassungs- oder Gesetzesparagraphen stellt definitiv eineStreitigkeit zwischen den Bürgern und den Inhabern der Befehlsgewaltbezüglich eines islamischen Rechtspruches dar. Somit muss dieseAngelegenheit auf Allah und den Gesandten zurückgeführt werden.Ihre Rückführung auf Allah und den Gesandten bedeutet nichtsanderes als ihre Rückführung auf das Urteil des MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichts,das den Richtspruch Allahs und seines Gesandten verkörpert.Was die Befugnis des MaÛÁl<strong>im</strong>-Richters betrifft, die Rechtmäßigkeitder Einhebung einer Steuer zu überprüfen, so ergibt sich dies aus derAussage des Gesandten : @אא،אאאאKKKA"[…] und ich wünsche, dass ich Allah (am Jüngsten Tage) begegne,ohne dass mich jemand wegen einer Ungerechtigkeit (MaÛl<strong>im</strong>a) belangt,die ich ihm in Blut oder Vermögen zugefügt habe." (Von AÎmadauf dem Wege Anas' überliefert.) <strong>Das</strong> unberechtigte Einheben von Gelderndurch den Kalifen stellt demzufolge eine MaÛl<strong>im</strong>a dar. Ebenso stelltdas Einheben von Geldern, die das islamische Recht den Bürgernnicht auferlegt hat, eine MaÛl<strong>im</strong>a dar. Somit hat das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichtdas Recht, die auferlegten Steuern zu untersuchen, da es sich um Gel-229


der handelt, die von den Bürgern eingehoben werden. Die Untersuchungder Steuern durch das Gericht hat den Zweck festzustellen, obdas eingehobene Geld vom islamischen Recht her den Musl<strong>im</strong>en verpflichtendauferlegt wurde. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn damitMittellose gespeist werden sollen. Hierbei handelt es sich dannum keine MaÛl<strong>im</strong>a. Ist dieses Steuergeld vom islamischen Recht herden Musl<strong>im</strong>en jedoch nicht verpflichtend auferlegt worden, wie <strong>im</strong>Falle des Baus eines Staudamms, auf den man verzichten könnte, sohandelt es sich um ein unrechtmäßig eingehobenes Geld, um eineMaÛl<strong>im</strong>a also, die beseitigt werden muss. Aus diesem Grunde hat dasMaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht das Recht, die Steuern zu untersuchen.Bei der gerichtlichen Untersuchung irgendeiner Ungerechtigkeit (Ma-Ûl<strong>im</strong>a) ist weder das Vorhandensein einer Gerichtssitzung noch dieExistenz eines Klägers oder eines Beklagten erforderlich. <strong>Das</strong> gilt sowohlbei Ungerechtigkeiten, die von irgendeiner Person des Staatsapparatesausgehen, bei Verletzungen der islamischen Rechtsprüchedurch den Kalifen, bei der Interpretation von Textpassagen aus demislamischen Recht, aus der Verfassung oder den Gesetzen, die derKalif erlassen hat, bei der Festlegung einer Steuer, bei Willkür- undGewalthandlungen, die vom Staat an den Bürgern verübt werden, beiÜbertretungen während des Eintreibens von Geldern, bei Kürzungender Löhne von Beamten und Soldaten als auch bei verspäteten Gehaltszahlungen.<strong>Das</strong> Gericht hat somit das Recht, eine MaÛl<strong>im</strong>a zuuntersuchen, auch wenn sie niemand v<strong>org</strong>ebracht hat.Der Rechtsbeleg, der die Voraussetzung einer Gerichtssitzung zurUntersuchung eines Gerichtsfalles festlegt, trifft auf das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichtnicht zu, da es keinen Kläger gibt. So ist die Existenz eines Klägersin MaÛÁl<strong>im</strong>-Fällen nicht unbedingt erforderlich. <strong>Das</strong> MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht kann einen Fall auch dann untersuchen, wenn er von keinemKläger v<strong>org</strong>ebracht wurde. Ebenso ist die Gegenwart des Beklagtennicht notwendigerweise erforderlich, da das Gericht die Angelegenheitauch ohne seine Anwesenheit behandeln kann. <strong>Das</strong> MaÛÁl<strong>im</strong>-Gerichtuntersucht <strong>im</strong> Besonderen das Spezifikum der MaÛl<strong>im</strong>a (desUnrechts, das seitens der Staatsmacht an den Bürgern verübt wird).Deswegen trifft der Rechtsbeleg für die Voraussetzung einer Gerichtssitzungdarauf nicht zu. Dies geht zum einen aus dem bei AbÙDÁwÙd und AÎmad überlieferten ÍadÐ× hervor, in dem ÝAbdullÁh ibnal-Zubair Folgendes berichtet:230


@ אאאאאA"Der Gesandte Allahs hat entschieden, dass die Streitgegner (Kontrahenten)vor dem Richter Platz nehmen." Zum anderen sprach derGesandte in einem ÍadÐ× zu ÝAlÐ: @אאאאA"Wenn die beiden Kontrahenten vor dir Platz nehmen […]." Demzufolgekann das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht eine MaÛl<strong>im</strong>a untersuchen, sobaldsie geschieht, ohne an irgendeine Sache gebunden zu sein, weder aneine Örtlichkeit noch an eine Zeit, eine Gerichtssitzung oder irgendetwassonst. Nachdem dieses Gericht aber aufgrund seiner Befugnisseeinen hohen Stellenwert besitzt, wurde es mit entsprechenden Dingenausgestattet, die ihm Würde und Größe verleihen. In der Zeit der Sultānein Ägypten und Syrien bezeichnete man den Sitzungsort des Sultāns,in dem die MaÛÁl<strong>im</strong>-Fälle behandelt wurden, als DÁr al-ÝAdl(Stätte der Gerechtigkeit). Der Sultān ernannte für sich dort Vertreter,auch waren Richter und Gelehrte anwesend. Al-MiqrÐzÐ erwähnt inseinem Werk Al-SulÙk ilÁ MaÝrifat Duwal al-MulÙk, dass der Sultān-König al-ÑÁliÎ AyyÙb <strong>im</strong> DÁr al-ÝAdl Vertreter für sich ernannte, umdie MaÛÁl<strong>im</strong>-Fälle zu beseitigen. Zeugen, Richter und Gelehrte saßenihnen bei. Es ist nichts dagegen einzuwenden, für das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht ein pompöses Gebäude zu wählen. Dies gehört zu den erlaubtenDingen, insbesondere dann, wenn damit die Macht der Gerechtigkeitdemonstriert wird.231


Der VerwaltungsapparatDie Verwaltung der Staats- und Bürgerangelegenheiten werden vonÄmtern, Ressorts und Verwaltungsstellen übernommen. Diese habendie Aufgabe, die Staatsangelegenheiten zu betreuen und die Interessender Bürger wahrzunehmen. Jeder Behörde steht ein Generaldirektorvor. Für die Ressorts und Verwaltungsstellen werden Direktorenernannt, die deren Leitung übernehmen und für diese direkt zuständigsind. Diese Direktoren sind, was ihre Tätigkeit betrifft, vor jenenPersonen verantwortlich, die die Gesamtleitung ihrer Behörden,Ressorts oder Verwaltungsstellen innehaben. Was die Einhaltung derGesetze und der allgemeinen Ordnung angeht, so tragen sie dieVerantwortung vor dem WÁlÐ oder Statthalter.Der Verwaltungsapparat ist ein Verwaltungsstil und keineRegierungsformDer Verwaltungsapparat stellt einen Tätigkeitsstil (UslÙb) und einTätigkeitsmittel (WasÐla) dar. Deswegen bedarf er keines eigenenRechtsbeleges. In diesem Fall ist der allgemeine Rechtsbeleg (DalÐlÝÁmm) ausreichend, der auf seine ursprüngliche Existenz hinweist.Hier darf nicht eingewendet werden, dass der Tätigkeitsstil eineHandlung des Menschen darstellt, die nur gemäß den islamischenRechtssprüchen ablaufen darf. Dieser Einwand ist unzulässig, da derRechtsbeleg für den Ursprung dieser Tätigkeiten in allgemeiner Formergangen ist. Somit umfasst er alles, was sich an Tätigkeiten darausableitet. Es sei denn, es ist ein weiterer Rechtsbeleg für eine spezifische,sich aus diesem Ursprung ableitende Handlung vorhanden. Indiesem Fall muss die Handlung gemäß diesem Rechtsbeleg erfolgen.So sagt Allah zum Beispiel:אא"Und entrichtet die ZakÁt!" <strong>Das</strong> stellt einen allgemeinen Rechtsbelegdar. Nun sind weitere Belege vorhanden, die sich auf daraus abgeleiteHandlungen beziehen. Sie betreffen die Höhe des NiÒÁb 82 , die Perso-82 Vermögenshöhe, ab der die ZakÁt entrichtet werden muss.232


nen, die mit der Einhebung der ZakÁt betraut sind, und die Vermögensarten,für die ZakÁt eingehoben wird. All diese Handlungenleiten sich aus dem Gebotאא"Und entrichtet die ZakÁt!" ab. Jedoch sind keine Belege ergangen,auf welche Weise die betrauten Personen die ZakÁt eintreiben sollen.Sollen sie gehend oder fahrend hingelangen; dürfen sie Personenanmieten, die ihnen dabei behilflich sind, oder nicht? Müssen sie allesschriftlich in Rechnungsbüchern eintragen? Sollen sie einen best<strong>im</strong>mtenOrt festlegen, an dem sie zusammenkommen? Sollen sieLager einrichten, um die Güter dort aufzubewahren? Sollen sich dieseLager unter der Erde befinden oder wie Kornhäuser gebaut sein? Solldie ZakÁt aus Bargeld in Säcken oder in Kisten eingesammeltwerden? All dies und Ähnliches sind Tätigkeiten, die sich aus demBefehlאא"Und entrichtet die ZakÁt!" ableiten. Der allgemeine Beleg umfasstsie aber, da keine spezifischen Belege für diese Zweigtätigkeiten ergangensind. Gleiches gilt für alle Tätigkeitsstile. Der Tätigkeitsstil isteine Handlung, die sich aus einer anderen Handlung – dem Ursprung,für den ein allgemeiner Rechtsbeleg ergangen ist – ableitet. Deswegenist es nicht erforderlich für diese Zweigtätigkeit einen (eigenen)Rechtsbeleg zu erbringen, da der allgemeine Rechtsbeleg fürihre Ursprungshandlung, auch für sie ein Rechtsbeleg ist.Hingegen stellt die Verwaltungstätigkeit an sich, d. h. die Aufstellungvon Personen, die die Angelegenheiten der Menschen in jedem Bereich,der einer Verwaltung bedarf, betreuen, eine Ursprungs- undkeine Zweighandlung dar. Deshalb wird dafür ein Rechtsbeleg benötigt.Dieser geht aus den Handlungen des Gesandten hervor. DerProphet übernahm sowohl die Regierungs- als auch die Verwaltungsaufgaben.Er war Verkünder der Botschaft, Exekutor der Gesetzeund Verwalter der Interessen und Angelegenheiten der Musl<strong>im</strong>e.Was die Verkündung angeht, so liegt es auf der Hand. Was dieDurchführung der Gesetze betrifft, so hat die Offengarung dem Prophetenbefohlen, die ZakÁt einzuheben, dem Dieb die Hand abzuschlagen,den Ehebrecher zu steinigen, den Verleumder zu geißelnund den Wegelagerer zu töten. Dies sind alles klare Aufträge, auch233


die Durchführung der Gesetze zu übernehmen. Darüber hinaus hatder Gesandte die Götzenstatuen mit seiner eigenen Hand zerstörtund Leute entsandt, um sie zu entfernen. <strong>Das</strong> sind ebenso Tätigkeiten,die die Durchführung der Gesetze betreffen. Auch hat der Prophet (inKriegen) getötet und Leute gefangen genommen, er hat die Menschenzur Gerechtigkeit befohlen und diese auch durchgeführt, er hat dieUngehorsamen aller Couleur gemäß den islamischen Gesetzenbestraft und brachte die Menschen dazu, all das umzusetzen, was ihmoffenbart wurde. Dies sind alles Handlungen, die die Gesetzesdurchführungbetreffen.Was die Betreuung der Bürgerangelegenheiten angeht, so hat der Gesandte– neben all den erwähnten Tätigkeiten – auch die Angelegenheitender Bürger und ihre Interessen verwaltet. Dazu ernannte erSchriftführer (KuttÁb). In Medina übernahm er selbst diese Aufgabeund setzte auch Leute ein, die ihn bei der Verwaltung unterstützten.So war Ý AlÐ ibn AbÐ ÓÁlib der Schriftführer seiner Verträge und Abkommen,wenn er welche abschoss. Dies gehört zu den Verwaltungsundnicht zu den Regierungstätigkeiten. MuÝaiqib ibn AbÐ FÁÔ<strong>im</strong>a warsein Siegelträger, auch diese Aufgabe ist dem Bereich der Verwaltungzuzurechnen. Unter dem Kapitel Al-TÁriÌ berichtet al-BuÌÁrÐ aufdem Wege des MuÎammad ibn BaššÁr von dessen GroßvaterMuÝaiqib, dass dieser sagte:אK @ אאA"<strong>Das</strong> Siegel des Gesandten Allahs war aus Eisen mit Silber verziert.Es war in meiner Hand. Al-Mu c aiqib war mit dem Siegel desPropheten betraut." Al- MuÝaiqib ibn AbÐ FÁÔ<strong>im</strong>a war ebenfallsSchriftführer für Kriegsbeute. Auch das ist der Verwaltung und nichtdem Bereich Regieren zuzuordnen. ÍuÆaifa ibn al-YamÁn warSchriftführer für die Ernteerträge des ÍiºÁz, was ebenso zum Verwaltungsbereichzählt. ÝAbdullÁh ibn Arqam war Schriftführer für dieAngelegenheiten der Stämme und deren Wasserstellen. Auf dieseWeise wurden Schriftführer bzw. Verwalter eingesetzt. All dies istein Rechtsbeleg dafür, dass der Gesandte die Verwaltungsaufgabenebenso übernommen hat wie die Aufgabe des Regierens. Allerdingslegte der Prophet diesen Verwaltern die Tätigkeiten fest, die sie zuerfüllen hatten: das Registrieren der Kriegsbeute, das Erfassen der234


Ernterträge und Ähnliches. Die Zweigtätigkeiten jedoch, die sich beider Bewältigung dieser Aufgaben ergeben, hat der Gesandte seinenVerwaltern nicht festgelegt. Seine Nichtfestlegung bedeutet, dassdiese Tätigkeiten sich aus der Ursprungstätigkeit (bzw. Ursprungsaufgabe)ableiten. Derjenigen, dem diese (Ursprungs-)Tätigkeit aufgetragenwurde, kann somit jeden Tätigkeitsstil anwenden, der zur Bewältigungder ihm gestellten Aufgabe in der für die Bürgerbetreuungeinfachsten Art und Weise führt.<strong>Das</strong> Wahrnehmen der Bürgerinteressen gehört zur Betreuungihrer AngelegenheitenNachdem die Wahrnehmung der Bürgerinteressen zu den Betreuungsaufgabenzählt, die allein dem Kalifen obliegen, kann er dafür jenenVerwaltungsstil (UslÙb) bindend machen (TabannÐ), den er für richtighält. Diesen befiehlt er dann umzusetzen. Der Verwaltungsstil gehörtzu den Zweigtätigkeiten, bei denen es dem Kalifen erlaubt ist, einevon ihnen auszuwählen und ausschließlich diese den Menschen verbindlichanzuordnen. Sobald das geschehen ist, wird der Gehorsamihr gegenüber verpflichtend, da es sich um eine verbindliche Anordnunghandelt, die aus einem vom Kalifen erlassenen Gesetz resultiert.Die Anordnung eines Tätigkeitsstils bedeutet gleichzeitig, von anderenMöglichkeiten Abstand zu nehmen, mit anderen Worten: diesezu verbieten. Dabei verfährt man in vollkommener Analogie zur V<strong>org</strong>ehensweisebei der verbindlichen Übernahme islamischer Rechtssprüche(Gesetze). So darf den übernommenen Rechtssprüchen nichtwidersprochen werden. Hier kann nicht eingewendet werden, dassTätigkeitsstile zu den erlaubten Dingen zählen (mubÁÎ). Deswegensteht es jeder Person zu, den Stil ihrer Wahl anzuwenden. Wenn derKalif eines der erlaubten Dinge bindend v<strong>org</strong>ibt und eine andere erlaubteSache verbietet, so hat er (von sich aus) den MubÁÎ, das göttlichErlaubte, verboten. Dieser Einwand ist unzulässig, da er durchdie verbindliche Übernahme eines Tätigkeitsstils keinen MubÁÎ zurPflicht erklärt und keinen anderen verboten hat. Vielmehr tut er das,wozu ihn das islamische Recht befugt hat: nämlich das verbindlicheÜbernehmen von Rechtssprüchen und von dem, was zu deren Umsetzungführt. Seine Befugnis zur verbindlichen Übernahme vonislamischen Rechtssprüchen ist gleichzeitig seine Befugnis zur verbindlichenÜbernahme von dem, was zu deren Umsetzung führt. Es235


steht dem Kalifen deswegen zu, Tätigkeitsstile bindend vorzuschreiben,und die Bürger haben die Pflicht, dem zu folgen. Gleichzeitig istes ihnen untersagt, andere V<strong>org</strong>ehensweisen bzw. Tätigkeitsstile zuwählen, wenn er es ihnen verboten hat. Zudem handelt es sich dabeium Erlaubtes (MubÁÎ), was zur Betreuung der Bürgerangelegenheitennotwendig ist. Somit gilt es nur dem Kalifen als erlaubtund nicht allen Menschen, da ihm die Betreuung der Bürgerangelegenheitenobliegt und die anderen Menschen dazu keine Befugnishaben. Die Pflicht zur Durchführung dessen, was der Kalif für verbindlicherklärt hat, ergibt sich demzufolge aus der Gehorsamspflichtihm gegenüber und führt keineswegs zum Schluss, er habe das Erlaubtezur Pflicht erhoben.Verwaltungstechnische Einzelheiten<strong>Das</strong> zuvor Gesagte gilt für die Rechtmäßigkeit der Verwaltung ansich. Was die verwaltungstechnischen Einzelheiten betrifft, so lassensich diese aus der Verwaltungsrealität ableiten. Bei genauer Betrachtungdieser Realität erkennt man, dass es Tätigkeiten gibt, die der Kalifselbst oder seine Assistenten (MuÝÁwinÙn) durchführen, sei es <strong>im</strong>Bereich des Regierens, d. h. der Implementierung des islamischenRechts, oder der Verwaltung, d. h. der Wahrnehmung abgeleiteterBürgerinteressen. Dies bedarf gewisser Arbeitsstile und Mittel.Deswegen ist ein spezieller Apparat für den Kalifen erforderlich, umalle Angelegenheiten zu verwalten, die für die Bewältigung der Kalifatsaufgabennotwendig sind. Es zeigt sich ebenso, dass die MenschenInteressen und Anliegen haben, die sie erledigen wollen. Diesehängen grundsätzlich mit ihrer Eigenschaft als Staatsbürger zusammen.Auch benötigen diese Angelegenheiten Mittel und Tätigkeitsstile,um sie durchzuführen. Deswegen ist ein spezieller Apparat notwendig,um die Anliegen der Menschen betreuen zu können.Dieser Apparat besteht aus Ämtern, Ressorts und Verwaltungsstellen.<strong>Das</strong> Amt (al-MaÒlaÎa) stellt die höchste Behörde für jede staatlicheVerwaltungsinstitution dar. Dazu zählen das Unterrichts-, das Gesundheits-,das Landwirtschafts-, das Industrieamt und andere. <strong>Das</strong>Amt übern<strong>im</strong>mt die eigene Verwaltung sowie die Verwaltung allerihr unterstehenden Ressorts und Verwaltungsstellen. <strong>Das</strong> Ressort (al-DÁÞira) übern<strong>im</strong>mt seinerseits die Leitung der eigenen Bereiche sowie236


aller ihm unterstehenden Verwaltungsstellen. Die Verwaltungsstelle(al-IdÁra) verwaltet ihre eigenen Angelegenheiten sowie alle zu ihrgehörenden Abteilungen und Zweigstellen.Diese Ämter, Ressorts und Verwaltungsstellen werden errichtet, umdie Staatsangelegenheiten zu bewältigen und die Bürgerinteressenwahrzunehmen.Damit ihre Funktionalität gewährleistet ist, müssen sämtlichen BehördenVerantwortliche v<strong>org</strong>esetzt werden. So wird für jedes Amt einGeneraldirektor ernannt, der die unmittelbare Leitung der Amtsangelegenheiteninnehat. Er steht auch allen Ressorts und Verwaltungsstellenvor, die seinem Amt angeschlossen sind. Für jedes Ressortund jede Verwaltungsstelle wird ein Direktor bestellt, der für seinRessort bzw. seine Verwaltungsstelle sowie für alle ihr zugehörigenAbteilungen und Zweigstellen direkt verantwortlich ist.Aus dieser Erläuterung der Verwaltungsrealität bzw. der Realität derso genannten Staatsverwaltung wird klar, dass es sich dabei um einenallgemeinen Verwaltungsapparat für alle Bürger handelt sowie für alljene, die unter der Herrschaft des <strong>Islam</strong>ischen Staates leben. Früherwurde er al-DÐwÁn genannt. Die Verwaltung der Bürgerangelegenheitenbzw. des so genannten DÐwÁn 83 war in der Zeit des Gesandten nicht strukturiert vorhanden. Vielmehr ernannte er für jede (erforderliche)Verwaltungsangelegenheit einen Schriftführer. Er war der Leiter,der Schriftführer und alles in einer Person.Der erste, der DÐwÁne einführte war ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb. Der Grund,warum er dies tat war eine Güteraussendung, die er durchzuführengedachte. Al-HurmuzÁn war bei ihm und fragte ihn: "Diese Leutehast du mit Geld und Gütern ausgestattet. Wenn jemand von ihnenzurückbleibt und an seinem Ort verharrt, wie soll dein Mann (amZielort) von ihm erfahren? Lege ihnen DÐwÁne fest!" ÝUmar fragte ihnnach den DÐwÁnen und er erklärte es ihm. ÝÀbid ibn YaÎyÁ berichtetvon al-ÍÁri× ibn Nufail, dass sich ÝUmar mit den Musl<strong>im</strong>en über dieEinführung der DÐwÁne beriet. Ý AlÐ ibn AbÐ ÓÁlib sagte: "Verteilejedes Jahr das, was sich an Gütern bei dir angesammelt hat, undbehalte nichts davon zurück." ÝU×mÁn ibn ÝAffÁn jedoch meinte: "Ich83 Register237


sehe sehr viel Geld, das allen Menschen genügt. Wenn sie aber nichterfasst werden, damit man weiß, wer etwas erhalten und wer nichtserhalten hat, so fürchte ich, dass sich das Problem ausdehnen wird."Darauf sagte al-WalÐd ibn HišÁm: "Ich war in al-ŠÁm und sah diedortigen Könige DÐwÁne einrichten und Soldaten rekrutieren. Sorichte DÐwÁne ein und rekrutiere Soldaten." ÝUmar übernahm seinenVorschlag, rief ÝAqÐl ibn AbÐ ÓÁlib, MaÌrama ibn Naufal und ¹ubairibn MiÔÝam zu sich – unter den Quraišiten waren sie Stammeskenner– und befahl ihnen: Schreibt die Menschen in ihren Wohngebietenfest.Nach dem Aufkommen des <strong>Islam</strong> <strong>im</strong> Irak wurde der DÐwÁn für Einnahmenund Tribute (DÐwÁn al-IstÐfÁÞ wa ¹ibÁyat al-AmwÁl) in seinerbisherigen Form beibehalten. Der DÐwÁn des ŠÁm 84 war in Latein geschrieben,da al-ŠÁm zum römischen Herrschaftsgebiet gehörte. DerDÐwÁn des Irak hingegen war auf Persisch, da der Irak dem persischenReich zugehörig war. In der Zeit des ÝAbd al-Malik ibn Mararwanwurden die DÐwÁne des ŠÁm ins Arabische übertragen. Diesgeschah <strong>im</strong> Jahre 81 nach der Hiºra. Danach wurden DÐwÁne je nachBedarf eingeführt und wie es für die Betreuung der Bürgerangelegenheitenerforderlich war. So gab es spezielle DÐwÁne für die Kostenund Aufwendungen des Heeres, andere für Gebühren und gesetzlicheAnsprüche und solche für die Einsetzung und Ablöse von Statthalternund WÁlÐs. Ebenso gab es DÐwÁne, die für die Ein- und Ausgaben desBait al-Mal (musl<strong>im</strong>isches Schatzhaus) eingerichtet wurden. Aufdiese Weise ging man bei der Einrichtung der DÐwÁne vor. Siewurden je nach Bedarf eingerichtet. Der konkrete Stil be<strong>im</strong> Verwaltungsablaufwar jedoch von einer Periode zur anderen verschieden,da sich Mittel und Tätigkeitsstile änderten.Für jeden DÐwÁn wurde ein Direktor ernannt und die notwendigenBeamten eingestellt. Manchmal erteilte man dem Direktor die Befugnis,seine Beamten selbst zu best<strong>im</strong>men, in anderen Fällen wurden sieihm seitens des Staates unterstellt.Demzufolge geht man bei der Einrichtung von Verwaltungsbehördenbzw. DÐwÁnen gemäß der Notwendigkeit vor. Man wählt die passen-84 Korrekte arabische Bezeichnung für das Gebiet von Syrien, dem Libanon,Jordanien und Palästina.238


den Tätigkeitsstile (UslÙb) und Mittel (WasÐla), die die erforderlichenAufgaben opt<strong>im</strong>al erfüllen. Diese können von einem Zeitalter zumanderen, von einer Provinz zur anderen und von einem Land zumanderen variieren.Soviel zur Einrichtung von Verwaltungsbehörden bzw. DÐwÁnen.Was die Verantwortlichkeit der Beamten betrifft, so handelt es sichbei ihnen um Angestellte. Gleichzeitig sind es Staatsbürger. Als Angestellte,d. h. für ihre Tätigkeit, sind sie vor ihrem V<strong>org</strong>esetzten inder Behörde verantwortlich, mit anderen Worten vor dem Behördendirektor.Als Staatsbürger sind sie aber vor den jeweiligen Regierungspersonen,seien es Gouverneure oder Statthalter, und vor demKalifen verantwortlich. Sie sind an die Rechtssprüche des <strong>Islam</strong> undan die Verwaltungssysteme gebunden.Die VerwaltungspolitikEine effektive Verwaltungspolitik basiert auf der Einfachheit <strong>im</strong> System,der Schnelligkeit in der Bewältigung der Aufgaben und derFähigkeit der Verwaltungsbeamten. Dies leitet sich aus dem Umstandab, dass die Verwaltung zur Erledigung der Bürgeranliegen eingerichtetwurde. So möchte derjenige, der ein Anliegen hat, es möglichstschnell und vollständig erledigt wissen. Und der Gesandte sprach:אאא،אאא،אאAא @"Allah hat die Perfektion in allem v<strong>org</strong>eschrieben. Wenn ihr tötet,dann tut es in guter Manier, und wenn ihr schlachtet, dann schlachtetauf gute Weise. […]" Von Musl<strong>im</strong> auf dem Wege des ŠaddÁd ibnAus überliefert. Die Perfektion und Richtigkeit bei der Erledigungirgendwelcher Dinge ist von Rechts wegen v<strong>org</strong>eschrieben. Um diesePerfektion bei der Erledigung der Bürgeranliegen zu erreichen, mussdie Verwaltung folgende drei Eigenschaften erfüllen: 1. Die Einfachheitdes Systems. Dies führt zur leichten und unproblematischenErledigung, denn Kompliziertheit führt zu Schwierigkeiten. 2. DieSchnelligkeit in der Erledigung der Anliegen. Für die Menschen stelltdies eine ungemeine Erleichterung dar. 3. Die Eignung und Befähi-239


gung jener, denen man die Verwaltungsarbeit überträgt. Dies ergibtsich aus dem Gebot der Perfektion und aus der Notwendigkeit, dieArbeit selbst bewältigen zu können.Wer hat das Recht, <strong>im</strong> Staatsapparat angestellt zu werden?Jeder, der die Staatsangehörigkeit trägt und die entsprechendenFähigkeiten besitzt – sei es Mann oder Frau, Musl<strong>im</strong> oder Nichtmusl<strong>im</strong>– hat das Recht, als Direktor oder sonstiger Beamter in einem derÄmter angestellt zu werden.Dies ist den Gesetzen zur Anheuerung von Arbeitskräften (Ahkām al-IºÁra) entnommen. So ist es uneingeschränkt zulässig, eine Arbeitskraft,egal ob es sich um einen Musl<strong>im</strong> oder Nichtmusl<strong>im</strong> handelt,anzumieten. Dies geht aus der Allgemeingültigkeit der Rechtsbeweisezur Anmietung von Personen hervor. So sagt Allah, der Erhabene: "Und wenn sie 85 für euch stillen, so gebt ihnen ihren Lohn!" (Sure al-ÓalÁq 65, Àya 6). Diese Anordnung ist allgemeingültig (ÝÁmm). Auchberichtet al-BuÌÁrÐ von AbÙ Huraira, dass der Gesandte sprach:אאאKKKאאWאA @ "Allah, der Erhabene, sagt: Dreien bin ich am Jüngsten Tage ein Gegner:[…] und ein Mann, der eine Arbeitsperson anheuert, ihre Leistungvollständig erhält und ihr dann den Lohn verwehrt." Dieser ÍadÐ×gilt ebenfalls in allgemeiner Weise. Auch hat der Gesandte Allahseinen Mann vom Stamm der BanÙ ad-DÐl angeheuert, obwohl er demGlauben seines Stammes angehörte. Dies belegt, dass es islamrechtlicherlaubt ist, einen Musl<strong>im</strong> wie auch einen Nichtmusl<strong>im</strong>, einenMann wie auch eine Frau anzuheuern. <strong>Das</strong> geht ebenfalls aus der Allgemeingültigkeitder Rechtsbelege hervor. Somit ist es einer Frau erlaubt,Direktorin oder Beamtin in einer der staatlichen Verwaltungsbehördenzu sein. Ebenso ist es einem Nichtmusl<strong>im</strong> erlaubt, Direktoreiner Behörde zu werden oder Beamter <strong>im</strong> staatlichen Dienst. Beiihnen handelt es sich um Angestellte, d. h. um angeheuerte Arbeits-85 Die von euch geschiedenen Mütter.240


kräfte. Und die Rechtsbelege zur Anmietung von Arbeitskräften geltenallgemein. Die Beschränkung auf Staatsbürger geht aus der Tatsachehervor, dass die islamischen Rechtssprüche (d. h. die Gesetze)nur auf diese angewandt werden. Auf denjenigen, der kein Staatsbürgerist, d. h., der in der Stätte des <strong>Islam</strong> nicht behe<strong>im</strong>atet ist, werdendie Gesetze nicht angewendet, auch wenn er ein Musl<strong>im</strong> seinsollte. Dies geht aus der folgenden Aussage des Gesandte hervor,die er an einen Armeekommandanten richtete:אאאא،אאאאאאאA @ א"[…] Rufe sie 86 sodann dazu auf, von ihrer Stätte in die Stätte derMuhÁºirÙn 87 zu wechseln. Und teile ihnen mit, dass ihnen in diesemFalle alles zusteht, was den MuhÁºirÙn zusteht, und was den MuhÁºirÙnals Pflicht obliegt, auch ihnen obliegt." (Von Musl<strong>im</strong> auf dem Wegedes Buraida überliefert.) Daraus lässt sich ableiten, dass ihnen <strong>im</strong> Falle ihresNichtwechselns in unsere Stätte nicht das zusteht, was uns zusteht,und nicht das als Pflicht obliegt, was uns obliegt, auch wenn esMusl<strong>im</strong>e sind. <strong>Das</strong> Erwähnte gilt somit für jene, auf die die islamischenRechtssprüche, d. h. die islamischen Gesetze, angewendet werden.Andernfalls würde der diesbezügliche Rechtsspruch lauten, dassdas Anheuern einer Person, die kein Staatsbürger ist, erlaubt sei, weildie Rechtsbelege die Anmietung betreffend allgemeingültig sind.Die Staatsbediensteten sind AngestellteDirektoren und Beamte <strong>im</strong> Staatsdienst sind Angestellte (Mietlinge),auf die die Rechtssprüche zur Anmietung von Arbeitskräften angewandtwerden. Ihre Ernennung und Absetzung, ihre Versetzung undZurechtweisung erfolgt gemäß den Verwaltungsregeln durch jene, diedie Gesamtleitung ihrer Ämter, Ressorts oder Verwaltungsstellen innehaben.Dies ist den Angestelltengesetzen entnommen worden. So müssendem Angestellten gegenüber die Vertragsbedingungen eingehalten86 Zu deren Bekämpfung du ausgezogen bist.87 Auswanderer aus Mekka, die sich in Medina dem <strong>Islam</strong>ischen Staat angeschlossenhaben.241


werden. Ebenso muss er die Vertragsbedingungen erfüllen, da derVertrag für beide Vertragspartner gemäß den vereinbarten Bedingungenbindend ist. Wenn ein Angestellter bzw. Mietling für eine gewisseZeit angestellt wurde, so darf er in dieser Frist nicht von seiner Arbeitentlassen werden.Was die Einhaltung der Verwaltungsregeln betrifft, so sind diese alsAngestelltenbedingungen zu betrachten, die eingehalten werden müssen.Der Gesandte sagt: @ אA"Die Musl<strong>im</strong>e stehen zu ihren Bedingungen." (Von AbÙ DÁwÙd aufdem Wege des AbÙ Huraira überliefert.) Was die Versetzung der Angestelltenvon einer Tätigkeit in die andere anbelangt, so kann dies eineOption des spezifischen Anstellungsvertrages sein. In diesem Fallwird vertragsgemäß v<strong>org</strong>egangen.Verantwortlich für ihre Ernennung, Absetzung, Zurechtweisung oderVersetzung ist derjenige, der die Gesamtleitung ihres Amtes, ihresRessorts oder ihrer Verwaltungsstelle innehat. Er ist für die Behörde,in der sie arbeiten, zuständig und hat die Befugnis gemäß der ihmübertragenen Verantwortung inne.242


Der Maºlis al-Umma – die RatsversammlungDie Ratsversammlung besteht aus Personen, die Meinungsvertreterder Musl<strong>im</strong>e sind. Der Kalif lässt sich von ihnen in den verschiedenstenAngelegenheiten beraten. Sie vertreten auch die Umma in der Rechenschaftsforderungvon den Regenten. Die Ratsversammlung istdem Handeln des Propheten entnommen worden. So hat der GesandteAllahs von den MuhÁºirÙn und den AnÒÁr vierzehn Vertreter ausgewählt,um sie in den verschiedensten Dingen zur Beratung heranzuziehen.Auch geht dies aus dem Handeln AbÙ Bakrs hervor, der einigebest<strong>im</strong>mte Männer unter den MuhÁºirÙn und den AnÒÁr auswählteund sich mit ihnen beriet, wenn eine Angelegenheit ihn beschäftigte.Die Ratsmitglieder in der Zeit von AbÙ Bakr waren die Gelehrten, dieauch Rechtsmeinungen äußerten. Ibn SaÝd brachte von al-QÁs<strong>im</strong>folgenden Bericht heraus: "Wenn AbÙ Bakr al-ÑiddÐq eine Sache beschäftigte,dann zog er jene zu Rate, die für ihre weise Ansicht undihre Gelehrsamkeit bekannt waren. Er zog Männer sowohl unter denMuhÁºirÙn als auch unter den AnÒÁr zur Beratung heran. Diese warenÝUmar, ÝU×mÁn, ÝAlÐ, ÝAbdurraÎmÁn ibn ÝAuf, MuÝÁÆ ibn ¹abal, Ubaiibn KaÝb und Zaid ibn ÕÁbit." Sie alle erteilten auch Rechtsmeinungen(FatwÁs). Wenn es Rechtsfragen unter den Menschen gab, dannwurden diese Personen herangezogen. AbÙ Bakr setzte es auf dieseWeise fort. Als ÝUmar das Kalifat übernahm, zog er ebenfalls diesePersonen zu Rate. Die FatwÁ, d. h. das Erteilen von Rechtsmeinungen,wurde in seiner Zeit ÝU×mÁn, Ubai und Zaid übertragen.Dies belegt die Erlaubnis, eine eigene Ratsversammlung einzurichten,die die Umma in der Rechenschaftsforderung von den Regenten undin der ŠÙrÁ 88 , die durch Koran und Sunna feststeht, vertritt. DieseRatsversammlung wird Maºlis al-Umma genannt, da er die Umma inder Rechenschaftsforderung und in der ŠÙrÁ vertritt.Es ist erlaubt, dass sich in dieser Ratsversammlung auch nichtmusl<strong>im</strong>ischeStaatsbürger befinden. Sie haben das Recht, sich über Ungerechtigkeitender Regenten ihnen gegenüber zu beklagen und darüber,dass der <strong>Islam</strong> in schlechter Weise auf sie angewendet wird.88 die Beratung, das Zu-Rate-Ziehen243


<strong>Das</strong> Recht zur ŠÙrÁDie ŠÙrÁ (Beratung) ist ein Recht, das allen Musl<strong>im</strong>en gegenüber demKalifen zusteht. Sie haben ihm gegenüber das Recht, von ihm in denverschiedensten Angelegenheiten zu Rate gezogen zu werden. DerErhabene sagt: א אא"[…] und berate dich mit ihnen in der Angelegenheit. Doch wenn dudich entschlossen hast, dann vertraue auf Allah." (Sure Àli-ÝImrÁn 2, Àya159) Der Gesandte beriet sich mit den Menschen <strong>im</strong>mer wieder. Soberiet er sich mit ihnen bei der Schlacht von Badr über den (opt<strong>im</strong>alen)Kampfort. Am Tage der Schlacht von UÎud beriet er sich mit ihnendarüber, ob sie innerhalb oder außerhalb Medinas kämpfen sollten.Im ersten Fall (der Schlacht von Badr) übernahm er die Meinungdes ÍabbÁb ibn al-MunÆir, weil es eine Fachmeinung war, die von einemExperten stammte. Im Falle der Schlacht von UÎud folgte er derMehrheitsmeinung, obwohl er selbst anderer Meinung war.Auch der Kalif ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb beriet sich mit den Musl<strong>im</strong>en <strong>im</strong>Falle der Ländereien des Irak: Soll er sie auf die Musl<strong>im</strong>e als Beuteverteilen oder in den Händen ihrer Besitzer belassen, auf dass sie dafüreinen Betrag an ËarÁº entrichten? Ihr Urbesitz 89 bliebe dann inden Händen des musl<strong>im</strong>ischen Schatzhauses. Daraufhin setzte er dasum, wozu ihn sein IºtihÁd führte, wobei die meisten der Prophetengefährtenseiner Meinung waren. Er beließ das Land in den Händenseiner Besitzer, und sie entrichteten dafür einen ËarÁº. Auch enthober SaÝd ibn AbÐ WaqqÁÒ seines Amtes als Gouverneur aus dem einzigenGrund, weil man sich über ihn beklagte. Er sagte dazu: "Ich habeihn nicht wegen Untreue oder Schwäche abgesetzt."Genauso wie die Musl<strong>im</strong>e gegenüber dem Kalifen das Recht haben,zu Rate gezogen zu werden, haben sie auch die Pflicht, die Regentenwegen ihrer Taten und Verhaltensweisen zur Rechenschaft zu ziehen.Allah, der Erhabene, hat es den Musl<strong>im</strong>en als apodiktische Pflichtauferlegt, die Regenten zur Rechenschaft zu ziehen und sie anzuprangern,wenn sie die Rechte der Bürger verletzen, ihre Pflichten ihnengegenüber vernachlässigen, eines ihrer Anliegen übergehen, den89 arab.: "Raqabatu-l-ArÃ"244


Gesetzen des <strong>Islam</strong> widersprechen oder nach etwas anderem regierenals dem, was Allah herabgesandt hat. Musl<strong>im</strong> berichtet von Umm Salama,dass der Gesandte Allahs sprach:،א،،אאA@א،W؟א،"Es werden Herrscher kommen, ihr werdet (einige ihrer Taten) gutheißenund andere (ablehnen). Wer (ihre Untaten) innerlich verabscheut,der ist frei von Schuld, und wer sie anprangert, der bleibt unversehrt.Wehe jenem aber, der in Zufriedenheit folgt." Sie fragten:"Sollen wir sie nicht bekämpfen?" Er antwortete: "Nein, solange siebeten!"Die Gefährten kritisierten auch den Gesandten Allahs und widersprachenihm. ÝUmar beispielsweise widersprach entschieden der Passage<strong>im</strong> Vertrag von Íudaibiya, in der es heißt:،אאA@"Derjenige, der von Quraiš zu MuÎammad kommt, ohne die Erlaubnisseines Vormunds, wird von diesem an ihn zurückgeschickt. Wervon jenen, die bei MuÎammad sind, zu Quraiš kommt, wird nicht anihn zurückgeschickt." (Bei Ibn HišÁm in Al-SÐra auf dem Weg des al-ZuharÐüberliefert.) Auch kritisierten die Musl<strong>im</strong>e anfangs – allen voran ÝUmar– AbÙ Bakr in seiner Entscheidung, die Apostaten zu bekämpfen.Ebenso kritisierten ihn ÓalÎa und al-Zubair als sie erfuhren, dass ervorhatte, ÝUmar das Kalifat zu übergeben.Auch kritisierten BilÁl ibn RabÁÎ, al-Zubair und andere ÝUmar dafür,dass er die Ländereien des Irak nicht auf die Kämpfer aufteilte. EineFrau widersprach ÝUmar, als er den Menschen untersagte, mehr alsvierhundert Dirham Brautgabe zu verlangen. Sie sagte zu ihm: "O ÝUmar,das steht dir nicht zu! Hast du nicht Allah gehört, als Er sagte: אאא"[…] und ihr einer von ihnen ein Vermögen (als Brautgabe) gabt, sozwackt nichts davon ab!" (Sure al-Nisā’ 4, Àya 20) ÝUmar antwortete ihrdarauf: "Die Frau hat Recht und ÝUmar hat Unrecht!"245


Aus alldem geht hervor, dass der Maºlis al-Umma das Recht auf ŠÙrÁund die Pflicht zur Rechenschaftsforderung hat.Der Rechtsspruch bezüglich der ŠÙrÁ<strong>Das</strong> Wort al-ŠÙrÁ ist die Stammform des Verbs šÁwara. Es bedeutet:"vom Befragten den Rat einholen". Man sagt auch: istašÁrahu, d. h.,jemanden zu Rate zu ziehen.Die Wörter al-ŠÙrÁ und al-MašÙra haben die gleiche Bedeutung,ebenso das Wort al-Mašwara mit stummem "Š". Im Wörterbuch LisÁnal-ÝArab heißt es: "Man sagt: 'Er ist von guter MašÙra oder Mašwara.'Beide Bezeichnungen sind arabisch korrekt. Al-FarrÁÞ sagte:"Al-MašÙra leitete sich ursprünglich aus al-Mašwar ab. Man transformiertees dann zu al-MašÙra, weil es leichter auszusprechen ist."Und al-Lai× meinte: "<strong>Das</strong> Wort al-Mašwara entspricht der FlexionmafÝala; sie leitet sich aus dem Wort al-IšÁra ab." Man sagt: MašÙraund meint damit al-ŠÙrÁ; man kann es al-Mašura (mit u-Vokal nachdem "š") oder auch al-Mašwara aussprechen. Daraus leitet sich dieAussage ab: šÁwartuhu fil Amr oder auch: istašartuhu, mit gleicherBedeutung (nämlich jemanden zu Rate zu ziehen)." Im WörterbuchMuÌtar al-ÑaÎÎÁÎ heißt es: "Al-Mašwara bedeutet al-ŠÙrÁ, ebenso al-MašÙra mit u-Vokal nach dem "š". Daraus leitet sich die Aussage ab:šÁwartuhu fil Amr oder: istašartuhu, mit gleicher Bedeutung.Die islamrechtliche Gültigkeit der Beratung (al-ŠÙrÁ) ergibt sich ausdem Befehl Allahs an Seinen ehrwürdigen Gesandten , die Gläubigenzu Rate zu ziehen. So sagt Er zu ihm: א"Und berate dich mit ihnen in der Angelegenheit." (Sure Àli-ÝImrÁn 3,Àya 159) Dieser Befehl zur Beratung ist in offener, ungebundenerForm ergangen. Ob es sich nun um ein Pflichtgebot, um etwas Wünschenswertesoder um eine bloße Erlaubnis handelt, geht aus dendamit verbundenen Indizien (QarÁÞin) hervor.Dieser Befehl zur Beratung ist jedoch mit keinem Indiz verknüpftworden, das auf einen apodiktischen Zwang, d. h. auf ein Pflichtge-246


ot, hinweisen würde. Vielmehr sind Indizien vorhanden, die Zwangund Verpflichtung ausschließen. <strong>Das</strong> geht aus Folgendem hervor:1. Die Aussage Allahs in derselben Àya fil amr ("in der Angelegenheit")bedeutet, sich in jeder Angelegenheit zu beraten, egal um welcheArt von Angelegenheiten es sich handelt. Es steht jedoch fest,dass in den Pflichten, den Verboten und den Rechtssprüchen, die dasislamische Recht dargelegt und in konkreter Form ausgesprochen hat,die Ansicht des Menschen keine Rolle spielt. Demzufolge gibt es hierauch keinen Raum für Beratung, weil Allah, der Erhabene, deralleinige Gesetzgeber ist. Er allein ist zur Rechtsgebung befugt, undIhm obliegt die Gesetzesentscheidung. So sagt Er: א"Die Entscheidung liegt allein bei Allah." (Sure YÙsuf 13, Àya 40) Auchsagt Er:אא"Und folgt dem, was euch von eurem Herrn herabgesandt wurde!"(Sure al-AÝrÁf 7, Àya 3) und sagt:אא"Und was euch der Gesandte gibt, so nehmt es an, und was er euchuntersagt, so haltet euch fern davon." (Sure al-Íašr 59, Àya 7) Es gibtnoch viele andere ÀyÁt, in denen das Zu-Rate-Ziehen der Menschenin diesem Bereich für wertlos und für fehl am Platz erklärt wird. <strong>Das</strong>belegt, dass diese Rechtssprüche die Allgemeingültigkeit des Wortesal-Amr (die Angelegenheit) in der o. a. Àya einschränken. Sie belegenweiter, dass die Beratung in den anderen, islamrechtlich erlaubtenDingen erfolgen soll. Dies stellt ein Indiz dar, das Zwang undVerpflichtung von der ŠÙrÁ ausschließt.2. Die Aussage Allahs in derselben Àya א א"Und wenn du dich entschlossen hast, so vertraue auf Allah!" legt dieBeschlussnahme, d. h. die Absicht zur Durchführung und die Entscheidung,ausdrücklich in die Hand des Gesandten und nicht indie Hand jener, die zu Rate gezogen worden sind. Dies ist ein zweitesIndiz dafür, dass der Aufruf zur Beratung kein Pflichtgebot darstellt.247


3. Der Gesandte Allahs hat viele Handlungen getan bzw. Dingevollzogen, wie die Ernennung von Gouverneuren, Richtern, Schriftführern,Armee- und Truppenkommandanten, das Abschließen vonAbkommen und das Entsenden von Botschaftern und Delegierten, ohneseine Gefährten zu Rate zu ziehen. Dies ist ein drittes Indizium dafür,dass die Beratung (ŠÙrÁ) kein apodiktisches Gebot darstellt.Wenn die Aufforderung zur Beratung apodiktischen Pflichtcharakterhätte, wäre der Prophet bei all diesen Handlungen mit seinen Gefährtenin Beratung getreten.Nachdem ŠÙrÁ, MašÙra oder IstišÁra nicht verpflichtend sein kann,bleibt nur mehr die Möglichkeit übrig, dass es sich um eine wünschenswerte(mandÙb) oder eine erlaubte (mubÁÎ) Sache handelt.Nach Darlegung aller Rechtsbelege und Indizien erkennt man, dassŠÙrÁ in die Kategorie der wünschenswerten Handlungen (mandÙb)fällt. Im Folgenden wird eine Gruppe davon aufgelistet, die den wünschenswertenCharakter der ŠÙrÁ untermauert:1. Allah, der Erhabene, hat die ŠÙrÁ gelobt, als Er die Gläubigen damitlobte, dass sie ihre Angelegenheiten untereinander beraten. Sosagt Er: "[…] und deren Angelegenheit in gegenseitiger Beratung steht." (Sureal-ŠÙrÁ 42, Àya 48)2. Die Tatsache, dass der Prophet seine Gefährten in zahlreichenAngelegenheiten sehr oft zu Rate zog, belegt, wie sehr er daraufachtete und welchen Wert die Beratung hatte. Damit lehrte er dieMusl<strong>im</strong>e, auch nach ihm auf die Beratung zu achten und sie <strong>im</strong>merwieder durchzuführen. So berichtet al-TirmiÆÐ von AbÙ Huraira, dassdieser sagte:"Ich habe niemanden gesehen, der sich mehr mit seinen Gefährtenberiet, als der Gesandte Allahs ."3. Der göttliche Befehl an den Gesandten, sich mit den Gläubigen zuberaten, erfolgte in Verbindung mit Seinem Befehl an ihn, milde zuihnen zu sein, ihnen zu verzeihen und für sie um Vergebung zu bitten.So sagt der Erhabene:248


אא א אא"Und in Anbetracht von Allahs Barmherzigkeit warst du milde zu ihnen.Wenn du grob und hartherzig gewesen wärest, hätten sie sichvon dir abgewandt. Verzeih ihnen nun und bitte (Allah) für sie umVergebung, und berate dich mit ihnen in der Angelegenheit!" (SureÀli-ÝImrÁn 3, Àya 159) All dies sind Indizien, die belegen, dass ŠÙrÁ (Beratung)wünschenswert ist.Obwohl die wünschenswerte Beratung in den erlaubten Dingen undHandlungen erfolgt, so wird bei Rechtssprüchen, für die kein klarerTextbeleg aus Koran oder Sunna existiert und wo eine tiefgreifendeUntersuchung und Nachforschung zu deren Findung erforderlich ist,die Meinung der Rechtsgelehrten und Fachleute herangezogen. Diesist ebenso der Fall bei der Festlegung von Definitionen, bei intellektuellenund fachlichen Fragen, die einer eingehenden Betrachtung undUntersuchung bedürfen, und bei Angelegenheiten, die in den BereichPlanung, List und Kriegsstrategie fallen. In all diesen Dingen ist dieMeinung von Fachgelehrten, von Leuten mit entsprechender Erfahrungund von Spezialisten gefragt, ohne dass der Mehrheit oderMinderheit Rechnung getragen wird. Die Meinung der Berater isthierbei nicht bindend. Dies ist den Handlungen des Gesandten undder rechtgeleiteten Kalifen entnommen. So hat der Prophet seine Gefährtenin der Frage zu Rate gezogen, welche der bereits offenbartenislamrechtlichen Optionen bei Kriegsgefangenen er <strong>im</strong> Falle der Gefangenenvon Badr anwenden solle. Auch haben sich AbÙ Bakr undÝUmar während ihres Kalifats mit den führenden Persönlichkeiten derÑaÎÁba 90 und den Gelehrten unter ihnen beraten, und zwar <strong>im</strong>merdann, wenn ein wichtiges Ereignis geschah oder ein Rechtsfall ihnenv<strong>org</strong>elegt wurde, für den sie keinen Rechtsspruch <strong>im</strong> Buche Allahsoder in der Sunna seines Gesandten finden konnten. Diese Regelungist auch der V<strong>org</strong>ehensweise des Propheten bei der Wahl des Kampfortesder Schlacht von Badr entnommen, als er der Fachmeinung desÍubÁb ibn al-MunÆir folgte.90 Arab. Bezeichnung für die Gefährten des Propheten.249


Obwohl die ŠÙrÁ in den islamrechtlich erlaubten Dingen und Handlungenwünschenswert ist, so steht es dem Kalifen zu, sie für sich inmanchen oder allen Fragen verbindlich zu machen. Wenn er sie fürsich in einer oder mehreren Angelegenheiten verbindlich macht, dannmuss er sich in diesen Angelegenheiten daran halten. Er muss dieŠÙrÁ in jenen Bereichen zwingend durchführen, in denen er sich zurBeratung verpflichtet hat. Dies ist dem Verhalten ÝU×mÁns ibn ÝAffÁnentnommen, als er das Kalifat unter der Bedingung annahm, sich inden ihm v<strong>org</strong>elegten Angelegenheiten an die Sunna 91 der beidenScheichs vor ihm zu binden: AbÙ Bakr und ÝUmar. Dies geschah unterden Blicken und dem Gehör der ÑaÎÁba, ohne dass jemand vonihnen dem widersprach.Wenn der Kalif die Ratsversammlung zu Rate zieht, so muss er sichin den praktischen Angelegenheiten und Handlungen, die keiner genauerenUntersuchung und Betrachtung bedürfen, an die Mehrheitsmeinunghalten. Dazu zählen die inneren Staatsangelegenheiten, wieRegierungs-, Unterrichts-, Gesundheits-, Handels-, Industrie-, Landwirtschaftsfragenund Ähnliches. In gleicher Weise gilt das für jeneHandlungen aus diesen Bereichen, die er bereits vollzogen hat und fürdie er seitens der Ratsversammlung zur Rechenschaft gezogen wird.Diese Festlegung ist dem Verhalten des Propheten entnommen, als er<strong>im</strong> Falle der Schlacht von UÎud der Mehrheitsmeinung folgte und ausMedina auszog, um der Armee der Götzendiener zu begegnen, dies,obwohl seine Meinung und die der großen Gefährten jene war, inMedina zu verharren und nicht loszuziehen. Auch ist diese Regelungfolgenden Worten des Propheten entnommen, die er an AbÙ Bakr undÝUmar richtete: @אA"Wenn ihr euch in einer Mašwara (Beratungsangelegenheit) einigseid, so werde ich euch nicht widersprechen." (Von AÎmad auf dem Wegedes Ibn Çanam al-AšÝarÐ überliefert.)Wenn der Kalif die Ratsversammlung jedoch in anderen Angelegenheitenzu Rate zieht, wie in fachlichen und intellektuellen Fragen, dieeiner genaueren Untersuchung und Nachforschung bedürfen, oder inAngelegenheiten der Planung, der List und der Kriegsstrategie, so ist91 D. h. ihr Weg, ihre Entscheidungen, ihre V<strong>org</strong>ehensweise.250


die Mehrheitsmeinung für ihn nicht bindend. In diesem Fall bleibt erder Entscheidungsberechtigte. Dies ist ebenfalls der V<strong>org</strong>ehensweisedes Propheten entnommen. So hat er <strong>im</strong> Falle der Festlegung desKampfortes der Schlacht von Badr die Ansicht des ÍubÁb ibn al-MunÆir übernommen, ohne die Meinung der Gefährten zu berücksichtigen,ja sogar ohne sie einzuholen. Auch ist diese Regelung ausder Weigerung AbÙ Bakrs abgeleitet, der Mehrheit der Prophetengefährtenzu folgen, als sie der Meinung waren, die Apostaten und ZakÁt-Verweigererzu Beginn seines Kalifats nicht zu bekämpfen. Gleichesgilt auch, wenn die Ratsversammlung den Kalifen für die bereitsvollzogenen Handlungen aus diesem Bereich zur Rechenschaft zieht.Die Mehrheitsmeinung ist diesbezüglich nicht bindend.Was die Rechtssprüche und Gesetze betrifft, die der Kalif verbindlichübernehmen möchte (TabannÐ), so steht es ihm zu, dem Maºlis al-Umma diese zur Beratung vorzulegen. Die Meinung der Ratsversammlungist diesbezüglich nicht bindend. Der Mehrheits- bzw. Minderheitsmeinungmuss hierbei keine Rechnung getragen werden. DerKalif bleibt allein entscheidungsberechtigt, da die verbindlicheÜbernahme von islamischen Rechtssprüchen und Gesetzen (TabannÐ)ihm alleine zusteht. Dies wurde aus dem Konsens der Prophetengefährten(IºmÁÝ al-ÑaÎÁba) abgeleitet, dass die verbindliche Übernahmevon Rechtssprüchen dem Kalifen obliegt. Auch wurde es ihremSchweigen gegenüber ÝUmar entnommen, als dieser die Musl<strong>im</strong>e bezüglichder eroberten Ländereien des Irak zu Rate zog.Die Wahl der Mitglieder der RatsversammlungDie Mitglieder der Ratsversammlung werden vom Volk gewählt undnicht ernannt. Sie sind Meinungsvertreter des Volkes, und ein Vertreterwird von demjenigen ausgewählt, den er vertreten soll. Ein Vertreterbzw. ein Bevollmächtigter kann dem Vollmachtgeber niemalsaufgezwungen werden. Die Mitglieder der Ratsversammlung sindMeinungsvertreter der Menschen als Einzelpersonen und Gemeinschaften.In einem ausgedehnten Gebiet mit unbekannten Menschenkönnen Volksvertreter nur dann ermittelt werden, wenn sie von jenen,die sie vertreten sollen, ausgewählt werden. Auch hat der Gesandte die Personen, die er zur Beratung hinzuzog, nicht auf der Grundlageihres Könnens und ihrer persönlichen Fähigkeiten ausgewählt, son-251


dern bewusst <strong>im</strong> Hinblick auf zwei Aspekte: Zum einen mussten siein ihrem Stamm oder ihrer Sippe Repräsentationscharakter besitzen,ganz abgesehen von ihren persönlichen Fähigkeiten und Kapazitäten.Zum anderen mussten es Vertreter der MuhÁºirÙn 92 und der AnÒÁr 93sein. Die Absicht, die der Prophet mit der Gründung der Beratergruppeverband, war demnach das Aufstellen von Volksrepräsentanten.Somit ist das Kriterium, auf deren Grundlage die Mitglieder desMaºlis al-Umma ausgewählt werden, ihr Repräsentationscharakterfür die Menschen. Dies geht (<strong>im</strong> Falle des Propheten) aus der bewusstenWahl von Personen mit Repräsentationscharakter hervor und –was die Volksgruppen betraf – der bewussten Wahl von Vertreternaus den Reihen der MuhÁºirÙn und der AnÒÁr. Die Ermittlung vonRepräsentanten einzelner Personen oder Volksgruppen in der unbekanntenMasse ist aber nur durch Wahlen möglich. Deswegen ist dieWahl der Mitglieder der Ratsversammlung unabdingbar. <strong>Das</strong>s derProphet seine Ratsmitglieder selbst ausgewählt hat, ist auf die Tatsachezurückzuführen, dass das Gebiet, in dem sich die MuhÁºirÙnund die AnÒÁr befanden, relativ klein war und nur den Ort Medinaumfasste. Auch waren die Musl<strong>im</strong>e ihm bekannt. Beweis dafür ist diezweite Bai Ý a von ÝAqaba. Damals waren ihm die Musl<strong>im</strong>e, die ihm dieBai Ý a leisteten, noch nicht bekannt. Deswegen überließ er ihnen dieVertreterauswahl und sprach zu ihnen:@אאאאאA"Bringt mir aus euren Reihen zwölf Vertreter (NuqabÁÞ) hervor, damitsie ihrem Stamm ein Bürge sind." (Von Ibn HišÁm in Al-SÐra auf dem Wegedes KaÝb ibn MÁlik überliefert.)Demzufolge sind die Mitglieder der Ratsversammlung Meinungsvertreter,und die Rechtsbegründung (ÝIlla) für die Einrichtung einerRatsversammlung ist die, Repräsentanten für die Einzelpersonen undGruppen der Gesellschaft zu haben, und zwar <strong>im</strong> Bereich der Meinungsäußerungund der Rechenschaftsforderung. Nachdem dieseRechtsbegründung in der unbekannten Masse nur durch allgemeineWahlen erfüllt werden kann, wird aus alldem abgeleitet, dass die Mitgliederder Ratsversammlung gewählt und nicht ernannt werdendürfen.92 Auswanderer aus Mekka.93 Unterstützer aus Medina.252


Die Dauer der RatsmitgliedschaftDie Dauer der Ratsmitgliedschaft muss eingeschränkt werden, da sichAbÙ Bakr nicht an dieselben Personen hielt, die der Gesandte zurBeratung heranzog. Ebenso hielt sich ÝUmar nicht an die Personen,die AbÙ Bakr zu Rate zog. Auch wählte ÝUmar am Ende seiner Regierungszeitandere Personen zur Beratung aus als am Anfang. All diesbelegt, dass die Mitgliedschaft in der Ratsversammlung zeitlich begrenztsein sollte.Die Mitgliedschaft in der RatsversammlungJeder, der die Staatsbürgerschaft trägt, geschlechtsreif und bei Verstandist, hat das Recht, Mitglied der Ratsversammlung zu werden.Ebenso hat er das Recht, die Mitglieder der Ratsversammlung zuwählen und zwar abgesehen davon, ob er ein Mann oder eine Frau,ein Musl<strong>im</strong> oder ein Nichtmusl<strong>im</strong> ist. Dies ergibt sich aus der Tatsache,dass die Ratsversammlung lediglich eine Meinungsvertretungfür die Menschen darstellt. Sie hat weder Regierungs- noch gesetzgeberischeBefugnisse. Nachdem es sich be<strong>im</strong> Maºlis al-Umma um eineMeinungsvertretung handelt, haben die Menschen <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>ischenStaat das Recht, diejenigen als Vertreter aufzustellen, die islamrechtlichzur Rechtsvertretung befugt sind. Ebenso wie der Musl<strong>im</strong> denAnspruch auf ŠÙrÁ hat, so hat der Nichtmusl<strong>im</strong> das Recht, seine Meinungzur fehlerhaften Anwendung der islamischen Gesetze auf ihnund zur Ungerechtigkeit, die ihm seitens des Herrschers widerfährt,zu äußern. Somit steht es ihm zu, sich durch wen er will vertreten zulassen und selber wen er will zu vertreten. Es muss weder der Vertreter(Bevollmächtigte) noch der Vertretene (Vollmachtgeber) einMusl<strong>im</strong> sein, vielmehr ist es zulässig, dass sie Musl<strong>im</strong>e oder auchNichtmusl<strong>im</strong>e sind. Demzufolge ist es sowohl den Musl<strong>im</strong>en als auchden Nichtmusl<strong>im</strong>en erlaubt, diejenigen, die sie vertreten sollen, in denMaºlis al-Umma zu wählen, und zwar abgesehen vom Umstand, obes sich um Musl<strong>im</strong>e oder Nichtmusl<strong>im</strong>e handelt, solange sie dieStaatsbürgerschaft des <strong>Islam</strong>ischen Staates tragen.Darüber hinaus betrachtet der <strong>Islam</strong> alle Bürger, die er regiert, alleinunter dem Gesichtspunkt, dass es Menschen sind, ganz abgesehenvon ihrer Volkszugehörigkeit, ihrer Rasse oder ihrem Geschlecht. Die253


sie betreffende Regierungspolitik muss allein auf die Eigenschaft ihresMenschseins ausgerichtet sein, damit diese Regentschaft zumWohle der Menschheit gedeiht, um sie aus der Finsternis zum Lichtehinzuführen. Deswegen sind die Bürger in allen Rechten und Pflichten,die sie als Menschen betreffen, gleichgestellt und zwar unter demGesichtspunkt, dass die Rechtssprüche auf alle in gleicher Wieseangewendet werden. Der Richter, wenn er in einem Streitfall entscheidet,und der Regent, wenn er regiert, machen zwischen denMenschen keine Unterschiede. Sie behandeln alle gleich, unter demeinzigen Gesichtspunkt, dass sie Staatsbürger sind, und unter keinemanderen. Deswegen hat jeder in seiner Eigenschaft als Staatsbürgerdas Recht, seine eigene Meinung zu äußern. Ebenso hat er das Recht,einen Vertreter zu wählen, der seine Meinung und die Meinung seinerWähler vertritt. Dies geht aus der Tatsache hervor, dass Allah, alleMenschen allein in ihrer Eigenschaft als Menschen mit dem <strong>Islam</strong>angesprochen hat. So sagt Er:אא "Ihr Menschen! Nunmehr ist von eurem Herrn ein klarer Beweis zueuch gekommen. Und ein offenkundiges Licht haben wir zu euchherabgesandt." (Sura al-NisÁÞ 4, Àya 174) Auch sagt Er:א א "Ihr Menschen! Ich bin der Gesandte Allahs zu euch allen." (Sure al-AÝrÁf7, Àya 158). Die Gelehrten der Musl<strong>im</strong>e, insbesondere die UÒÙl-Gelehrten 94 , sind sich darüber einig, dass jeder zurechnungsfähigeMensch, der die Ansprache versteht, unabhängig von seinem Glaubenoder seinem Geschlecht durch die islamischen Rechtssprüche angesprochenist.<strong>Das</strong> betrifft die Mitgliedschaft von Nichtmusl<strong>im</strong>en. Was die Mitgliedschaftvon Frauen anbelangt, so wird dies damit begründet, dass dieRatsversammlung nicht zur Regierung gehört. Sie fällt nicht unterden ÍadÐ× des Propheten, der die Statthalterschaft der Frau betrifft.Auch steht fest, dass der Kalif ÝUmar, wenn ihn eine Angelegenheitbeschäftigte – sei es <strong>im</strong> Bereich der Rechtssprüche (Gesetzgebung),<strong>im</strong> Regierungsbereich oder in irgendeinem Bereich staatlicher Tätigkeiten–, alle Musl<strong>im</strong>e in die Moschee rief, sowohl Frauen als auch94 Gelehrte der Grundlagenwissenschaft der Rechtslehre.254


Männer. Er zog sie alle zu Rate. Auch revidierte er seine Meinung,als eine Frau ihm in der Frage der Brautgabenfestlegung widersprach.Darüber hinaus kamen <strong>im</strong> dreizehnten Jahr nach Offenbarungsbeginn(dem Jahr, in dem der Prophet die Hiºra vollzog) 75 Musl<strong>im</strong>e zumPropheten, darunter 73 Männer und zwei Frauen. Sie alle leistetenihm den Eid der zweiten Bai Ý a von c Aqaba. Es war sowohl einKampf- und Kriegseid als auch ein politischer Eid. Nachdem dieBai Ý a vollzogen war, sagte er zu ihnen allen: @אאאאאA"Bringt mir aus euren Reihen zwölf Vertreter (NuqabÁÞ) hervor, damitsie ihrem Stamm ein Bürge sind." Diese Aufforderung des Prophetenwar an alle gerichtet, aus ihrer gesamten Gruppe zwölf Vertreter auszuwählen.Der Prophet hat sie nicht auf die Männer beschränkt undauch die Frauen davon nicht ausgeschlossen, weder <strong>im</strong> Hinblick aufdie Wählenden noch auf die Gewählten. Die unbest<strong>im</strong>mte Formulierung(MuÔlaq) bleibt uneingeschränkt gültig, solange kein näher best<strong>im</strong>menderBeleg (DalÐl al-TaqyÐd) existiert. Ebenso bleibt die allgemeineAussage (ÝÁmm) allgemeingültig, solange kein spezifizierender(bzw. einschränkender) Beleg (DalÐl al-TaÌÒÐÒ) vorhanden ist.In diesem Fall ist die Aussage in allgemeingültiger, unbest<strong>im</strong>mterForm erfolgt. Es gibt überhaupt keinen Beleg für eine nähere Best<strong>im</strong>mungoder Einschränkung. <strong>Das</strong> beweist, dass der Prophet auchdie beiden Frauen aufgefordert hat, Vertreter zu wählen. Ebenso hater ihnen das Recht gewährt, von den Musl<strong>im</strong>en als Vertreterinnengewählt zu werden.Eines Tages setzte sich der Prophet, um von den Menschen die Bai Ý azu erhalten. Männer und Frauen leisteten ihm den Eid. Es war einausschließlicher Eid auf die Regentschaft und nicht auf den <strong>Islam</strong>, daalle Frauen bereits Musl<strong>im</strong>innen waren. Nach der Bai Ý atu al-RiÃwÁn 95in Íudaibiya leisteten auch die Frauen dem Propheten den Eid. Sosagt Allah: אProphet! Wenn gläubige Frauen zu dir kommen, um dir den Eid zuleisten, Allah nichts beizugesellen, nicht zu stehlen, keine Unzucht zuאאאא א95 BaiÝa zum Einverständnis für den Kampf.255


egehen, ihre Kinder nicht zu töten, kein Unrecht zu ihren Händenoder Beinen zu begehen, das sie selbst in verlogener Weise ersonnenhaben, und sich dir in nichts zu widersetzen, was rechtens ist, dannn<strong>im</strong>m ihren Eid entgegen und bitte Allah für sie um Vergebung!Allah ist barmherzig und bereit zu vergeben. (Sure al-MumtaÎana 60, Àya12) Diese Bai Ý a wurde ebenfalls für das Regieren gegeben, da der Koranselbst erwähnt, dass es gläubige Frauen sind. Der Eid wurde daraufgeleistet, dem Propheten in nichts, was rechtens ist, ungehorsamzu sein.Darüber hinaus steht es der Frau zu, sich in ihrer Meinungsäußerungvertreten zu lassen, ebenso kann sie Meinungsvertreterin für anderesein. Eine Frau hat nämlich das Recht auf Meinungsäußerung, somithat sie auch das Recht, sich dabei vertreten zu lassen. Männlichkeitist bei Vertretungs- bzw. Vollmachtsangelegenheiten keine Bedingung,somit kann eine Frau auch Vertreterin für andere sein.Allerdings haben Nichtmusl<strong>im</strong>e kein Recht, sich zu Fragen der Gesetzgebungzu äußern. Denn das islamische Recht entspringt dem islamischenÜberzeugungsfundament. Hierbei handelt es sich umpraktische Rechtssprüche, die aus ihren detaillierten Rechtsbelegenabgeleitet wurden. Sie lösen die Probleme des Menschen gemäß einerspezifischen Lebensanschauung, die vom islamischen Überzeugungsfundamentfestgelegt wird. Ein Nichtmusl<strong>im</strong> besitzt eine der islamischenwidersprechende Glaubensvorstellung, und seine Lebensanschauungwiderspricht der des <strong>Islam</strong>. Deswegen wird seine Meinungbei der Gesetzgebung nicht herangezogen.Ebenso hat ein Nichtmusl<strong>im</strong> kein Recht, den Kalifen zu wählen odersich am Auswahlverfahren der Kandidaten zu beteiligen, aus denenein Kalif gewählt wird, da er nicht regierungsbefugt ist. In allen anderenBereichen jedoch, die zu den Befugnissen des Maºlis al-Ummazählen, ist der Nichtmusl<strong>im</strong> dem Musl<strong>im</strong> in der Meinungsäußerunggleichgestellt.Die Befugnisse des Maºlis al-UmmaDer Maºlis al-Umma (Ratsversammlung) hat folgende Befugnisse:256


1. a) Die Ratsversammlung wird seitens des Kalifen zur Beratungherangezogen, ebenso äußert sie selbst ihren Ratschlag in allenpraktischen Dingen und Tätigkeiten, die keiner genaueren Untersuchungund Betrachtung bedürfen. Dazu zählen Regierungsfragen,Unterrichts-, Gesundheits-, Wirtschafts-, Handels-, Industrie-, Landwirtschaftsangelegenheitenund Ähnliches. Die Meinung der Ratsversammlungist in diesem Bereich verbindlich.b) Was jedoch intellektuelle Fragen betrifft, die eine genauere Untersuchungerfordern sowie fachspezifische Angelegenheiten und Angelegenheitender Armee, der Finanz- und der Außenpolitik, so hatder Kalif das Recht, die Ratsversammlung in diesen Bereichen zuRate zu ziehen und ihre Meinung einzuholen. Jedoch ist ihre Meinungdiesbezüglich nicht bindend.2. Der Kalif hat das Recht, der Ratsversammlung die Rechtssprücheund Gesetze vorzulegen, die er zu erlassen gedenkt. DieMusl<strong>im</strong>e haben das Recht, diese Vorlagen zu diskutieren und den ihrerMeinung nach richtigen bzw. falschen Aspekt darzulegen. IhreMeinung ist diesbezüglich jedoch nicht bindend.3. Die Ratsversammlung hat das Recht, den Kalifen für alleHandlungen, die vom Staat tatsächlich ausgeführt wurden, zur Rechenschaftzu ziehen. Dies betrifft die Angelegenheiten der InnenundAußenpolitik, der Finanzen, der Armee und anderer Bereiche.Die Meinung der Ratsversammlung ist in jenen Bereichen verbindlich,in denen die Mehrheitsmeinung von Rechts wegen verbindlichist. In den Bereichen, in denen die Mehrheitsmeinung nicht verbindlichist, ist die Meinung der Ratsversammlung für den Kalifen ebenfallsnicht verbindlich.Wenn es zwischen der Ratsversammlung und dem Kalifen zueiner Meinungsverschiedenheit über den Rechtscharakter einer bereitsvollzogenen Handlung kommt, wird das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht angerufen,um über die Rechtmäßigkeit der Angelegenheit zu entscheiden.Die Meinung des Gerichts ist diesbezüglich bindend.Die Ratsversammlung hat das Recht, ihren Unmut über Assistenten(MuÝÁwinÙn), Gouverneure oder Statthalter zu äußern. Ihre Meinung257


ist diesbezüglich bindend. Der Kalif hat sodann die Pflicht, diese unverzüglichabzusetzen.Den musl<strong>im</strong>ischen Mitgliedern der Ratsversammlung steht das Rechtzu, in einem Auswahlverfahren die Kandidaten für das Kalifat einzugrenzen.Ihre Meinung ist diesbezüglich bindend. So werden nur jeneKandidaten zur Wahl zugelassen, die von der Ratsversammlung dazuausgewählt wurden.Dies sind die Befugnisse der Ratsversammlung.Der erste Punkt beinhaltet zwei Absätze. Rechtsbeleg für den erstenAbsatz (a) ist die folgende Aussage Allahs:א"Und berate dich mit ihnen in der Angelegenhet" (Sure Àli-ÝImrÁn 2, Àya159) sowie seine Aussage: "[…] und deren Angelegenheit in gegenseitiger Beratung steht." (Sureal-ŠÙrÁ 42, Àya 48) Mit den Worten fil amr ("in der Angelegenheit") hatEr somit die Beratung allgemein in jeder Angelegenheit anbefohlen.<strong>Das</strong> arabische Wort al-Amr ist ein so genanntes Gattungsnomen (Ism¹ins), das mit dem best<strong>im</strong>mten Artikel al- versehen wurde. <strong>Das</strong> WortAmruhum ("deren Angelegenheit") ist ebenfalls ein Gattungsnomen,welches mit einem Genitivobjekt verknüpft wurde (MuÃÁf). BeideAusdrücke stellen in dieser Konstellation (nach den Gesetzmäßigkeitender arabischen Sprache) allgemeingültige Formulierungen dar.Demzufolge umfassen sie jede Art von Angelegenheit. Aus dieser Allgemeingültigkeitsind jedoch die islamischen Rechtssprüche ausgeschlossenworden, da die Rechtssprüche eine Offenbarung Gottessind. Menschliche Ansichten dürfen auf göttliche Offenbarung keinenEinfluss nehmen, da Gott allein der Souverän und Gesetzgeber ist.Was den Beweis angeht, dass die Meinung der Ratsversammlung inden praktischen Angelegenheiten und Handlungen, die keiner näherenBetrachtung und Untersuchung bedürfen, bindend ist, so leitetsich dieser aus der V<strong>org</strong>ehensweise des Propheten ab. Am Tag derSchlacht von UÎud fügte sich der Prophet der Mehrheitsmeinungund zog aus Medina aus, um der Armee der Götzendiener zu begeg-258


nen, dies, obwohl, er persönlich sowie die großen Gefährten derMeinung waren, in Medina zu verbleiben und nicht auszuziehen.Auch ergibt sich der Beweis aus der folgenden Aussage des Prophetenzu AbÙ Bakr und ÝUmar: @אA"Wenn ihr in einer Mašwara (Beratungsangelegenheit) einig seid, sowerde ich euch nicht widersprechen."Der Beweis für den zweiten Teil (Absatz b)) geht aus der Tatsachehervor, dass der Gesandte Allahs den (strategischen) Kampfort derSchlacht von Badr auf der Basis des Vorschlags von al-ÍubÁb ibn al-MunÆir auswählte, ohne seine Gefährten darüber zu Rate zu ziehen.Erst recht hätte er sich in diesem Fall an ihre Meinung nicht gehalten.Somit wird in den intellektuellen Angelegenheiten sowie in denAngelegenheiten spezifischer Fachgebiete, in den Fragen der Finanzen,der Armee oder der Außenpolitik die Meinung der erfahrenenFachleute und Spezialisten herangezogen, ohne der Mehrheits- bzw.Minderheitsmeinung der Menschen Rechnung zu tragen.Die Tatsache, dass die Beratung (al-ŠÙrÁ) in den islamrechtlich erlaubtenDingen stattfindet, ist ein Indiz dafür, dass sie selbst wünschenswertist. Der Gesandte Allahs beriet sich mit seinen ehrwürdigenGefährten in vielen Dingen und zu zahlreichen Gelegenheiten,um ihre Meinung einzuholen. So berichtet AÎmad über Anas, @ אא259אA"dass der Gesandte Allahs eine Beratung abhielt, als er von der AnkunftAbÙ SufyÁns hörte". AÎmad berichtet weiter über Anas, dassdieser sprach:א،אא אאA،אאאWאא،Wאאא؟אWאאאא،אאאא @"Der Prophet beriet sich über seinen Auszug nach Badr. AbÙ Bakrteilte ihm seine Meinung mit. Dann zog er ÝUmar zu Rate, und dieserteilte ihm ebenfalls seine Meinung mit. Der Prophet rief weiter zurBeratung auf, da sagten einige der AnÒÁr: "Ihr Volk der AnÒÁr! Der


Prophet Allahs meint doch euch." Daraufhin sagte einer der AnÒÁr:"Du ziehst uns zu Rate, o Prophet Allahs? Wir werden dir wahrlichnicht das sagen, was das Volk Israel zu Moses sagte: 'Geh du dochmit deinem Herrn und kämpft, wir bleiben lieber hier sitzen.' BeiDem, Der dich mit der Wahrheit entsandte, wenn du den Reittierenbis zu den Birak al-ÇamÁd 96 die Sporen gibst, so werden wir dir folgen."Weiterhin überliefert AÎmad einen ÍadÐ× über die Gefangenenvon Badr, in dem es heißt: @ אאA"Der Gesandte Allahs zog AbÙ Bakr, ÝAlÐ und ÝUmar zu Rate. […]"Ibn IsÎÁq berichtet von al-ZuharÐ, dass dieser erzählte:אאאאאאAאא،אאא،אאא،א،אאאא،אאא א،א @א،"Als die Menschen unter starkem Druck gerieten 97 , schickte der GesandteAllahs einen Boten zu ÝUyaina ibn ÍiÒn und al-ÍÁri× ibn ÝAufal-MirrÐ, den Anführern des Stammes ÇaÔfÁn. Er bot ihnen ein Drittelder Ernte Medinas an, auf dass sie mit ihren Leuten von dannen ziehen.Der Vertrag wurde zwischen ihnen vereinbart und sogar schriftlichverfasst. Jedoch war er noch nicht bezeugt und willentlich entschiedenworden. Man stand noch <strong>im</strong>mer in Verhandlungen. Als derGesandte Allahs den Vollzug beabsichtigte, schickte er nach SaÝd ibnMuÝÁÆ und SaÝd ibn ÝUbÁda. Er setzte sie über seine Absicht inKenntnis und beriet sich mit ihnen. […]" Ebenso beriet sich der GesandteAllahs mit seinen Gefährten am Tage der Schlacht von UÎud,ob sie aus Medina ausziehen oder dort verweilen sollten. Er führteauch andere Beratungen durch. Auch der Kalif AbÙ Bakr zog dieHäupter der MuhÁºirÙn und AnÒÁr sowie ihre Gelehrten zu Rate. Erberiet sich mit ihnen über die Bekämpfung der Apostaten und ZakÁt-Verweigerer, über einen Feldzug gegen die Römer und über andere96 Wörtlich: "die Teiche der al-Çamad". Bezeichnung für eine weit entfernte Gegend.97 Während des Grabenkrieges (der Schlacht der Verbündeten).260


Dinge. Genauso haben ÝUmar und die Kalifen nach ihm sich mit denMenschen beraten und ihre Meinung eingeholt.Manchmal richteten die Menschen von sich aus in einer AngelegenheitRatschläge an den Kalifen. So geschah es, als AbÙ Bakr das Kalifatübernahm und die Armee von UsÁma entsenden wollte. Zwischenzeitlichwaren die meisten Araber vom <strong>Islam</strong> abgefallen. Da tratenÝUmar, ÝU×mÁn, AbÙ ÝUbaida, SaÝd ibn AbÐ WaqqÁÒ und SaÝÐd ibnZaid mit dem Ratschlag an ihn heran, UsÁmas Armee nicht auszusenden.Er aber befolgte ihren Ratschlag nicht. All diese Vorfälle ausdem Leben des Gesandten und der rechtgeleiteten Kalifen nach ihm,die sich unter den Augen und Ohren der Gefährten abspielten, belegen,dass die ŠÙrÁ, das Zurateziehen der Menschen, zu den wünschenswertenHandlungen <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> (mandÙb) zählt. Demzufolge istes für den Kalifen empfehlenswert, die Ratsversammlung in den verschiedenstenAngelegenheiten und Dingen zu Rate zu ziehen und ihreMeinung einzuholen.Wenn sich der Kalif mit der Ratsversammlung in den praktischenDingen und Tätigkeiten berät, dann ist die Mehrheitsmeinung des Ratesfür ihn bindend. Diese Best<strong>im</strong>mung ist der Handlungsweise desPropheten entnommen, als er in der Schlacht von UÎud der Mehrheitsmeinungfolgte, obwohl seine Meinung und die der großen Gefährteneine andere war. Er stellte seine Meinung und die seiner engstenGefolgsleute zurück und folgte der Meinung der Mehrheit. Diesbelegt, dass in solchen und ähnlichen Fällen, die zu der Art Tätigkeitenzählen, die keiner eingehenden Untersuchung und Betrachtungbedürfen, die Mehrheitsmeinung der Musl<strong>im</strong>e befolgt wird. Daraufweist auch folgende Aussage des Propheten hin, die er ÝUmar undAbÙ Bakr gegenüber machte. So berichtet AÎmad auf dem Wege desIbn Çanm al-AšÝarÐ, dass der Gesandte Allahs zu ihnen sprach: @אA"Wenn ihr in einer Mašwara (Beratungsangelegenheit) einig seid, sowerde ich euch nicht widersprechen." <strong>Das</strong> Wort Mašwara <strong>im</strong> ÍadÐ×bedeutet dezidiert ŠÙrÁ, sie umfasst die Beratung in jeder beliebigenpraktischen Frage oder Tätigkeit.Dies gilt für den ersten Absatz (a) des Punktes 1. Was den zweitenAbsatz (b) anbelangt, so ist die Meinung der Ratsversammlung für261


den Kalifen nicht bindend, wenn er sie in diesem Bereich zu Ratezieht. Im Grunde sollte der Kalif bei dieser Art von Angelegenheitendie Meinung der Gelehrten, der erfahrenen Fachleute und Spezialistenheranziehen. So geschah es, als der Gesandte Allahs die Meinungdes al-ÍubÁb ibn al-MunÆir bei der Wahl des Kampfortes für dieSchlacht von Badr übernahm. Im Buch Al-Sira von Ibn HišÁm wirddazu Folgendes erwähnt:،אאאאאאאAאאאאאאWW،אאאW؟אאאאK،אא،אאא،،אאא،Wא،א،אאאא،، @אא،אא"Als sich der Prophet an der tiefsten Stelle des Badr-Wassers niederließ,war al-ÍubÁb ibn al-MunÆir mit diesem Lagerplatz nicht einverstanden.Er ging zum Gesandten hin und fragte ihn: "O Gesandter Allahs,ist dieser Platz ein Ort, den Allah dir best<strong>im</strong>mt hat, so dass esuns nicht zusteht, davon vor- oder abzurücken, oder ist es Ansicht,Kriegsstrategie und List?" Der Gesandte antwortete: "Es ist vielmehrAnsicht, Kriegsstrategie und List." Daraufhin sagte al-Hubab: "O GesandterAllahs, das hier ist kein Lagerplatz. Erhebe dich mit den Leutenund ziehe zum Wasser, das dem (feindlichen) Volk am nächstenist. Dort schlagen wir unser Lager auf. Was dahinter an Wasserstellenübrig bleibt, legen wir trocken. Wir bauen dann ein Becken undfüllen es mit Wasser. Danach kämpfen wir gegen das Volk; wirkönnen trinken, sie aber nicht." Da sprach der Gesandte Allahs zuihm: '"Du hast wahrlich den rechten Rat gegeben." Der Gesandteerhob sich mit den Leuten, zog bis zur Wasserstelle, die dem Feindam nächsten war, und ließ sich dort nieder. Sodann befahl er, dierestlichen Wasserstellen trockenzulegen, er baute an der Wasserstelle,an der er sich niederließ, ein Becken, das mit Wasser gefüllt wurde.Dann tauchten sie die Gefäße ein." Der Gesandte hörte also al-ÍubÁbzu und befolgte seinen Rat.262


Bei diesem Ereignis, das in den Bereich von "Ansicht, Kriegsstrategieund List" fällt, hatte die Meinung der Allgemeinheit der Menschenkeinerlei Bedeutung, vielmehr wurde die Ansicht eines Fachmannsherangezogen. In gleicher Weise verfährt man mit den fachspezifischenund intellektuellen Angelegenheiten, die eine genaue Untersuchungund Betrachtung erfordern. Ebenso steht es mit dem Erstellenvon Definitionen. Auch hier wird die Meinung von Fachleuten undSpezialisten herangezogen und nicht die der Allgemeinheit der Menschen.Die Mehrheitsmeinung spielt dabei keine Rolle. Hier zählennur Fachwissen, Erfahrung und Spezialistentum.Gleiches gilt auch für Finanzfragen. <strong>Das</strong> islamische Recht hat dieGelder festgelegt, die (durch den Staat) eingehoben werden, wie esauch die Ausgabenbereiche festgelegt hat. Ebenso hat es die Fälledargelegt, in denen Steuern eingehoben werden dürfen. Demzufolgespielt die Meinung der Menschen bei der Einnahme und Ausgabe vonGeldern keine Rolle. <strong>Das</strong> Gleiche gilt auch für die Armee. So hat dasislamische Recht die Regelung aller Armeefragen dem Kalifenübertragen. Es hat die Rechtssprüche bezüglich des ¹ihÁd festgelegt.Auch hier ist die Meinung der Menschen nicht relevant. Ebenso stehtes mit der Beziehung des Staates zu anderen Staaten. Dies ist einDenkbereich, der eine eingehende Untersuchung und eine genaue Betrachtungerfordert. Er ist auch mit dem ¹ihÁd verbunden und gehörtdarüber hinaus zu den Angelegenheiten, die in den Bereich "Ansicht,Kriegsstrategie und List" fallen. Deswegen spielt auch die Mehrheitsbzw.Minderheitsmeinung der Menschen keine Rolle. Trotzdem stehtes dem Kalifen zu, diese Angelegenheiten dem Maºlis al-Ummavorzulegen, um sich mit ihm zu beraten und seine Meinungeinzuholen. Denn das Vorlegen an sich stellt eine erlaubte Handlungdar, jedoch ist die Meinung des Rates in diesen Dingen, wie es derVorfall von Badr belegt, für den Kalifen nicht verbindlich.Was den Punkt 2 angeht, so muss Folgendes dazu ausgeführt werden:Obwohl der Kalif die Befugnis hat, Gesetze und Rechtsprüche inseinem eigenen Ermessen zu erlassen, und die Meinung der Ratsversammlungdiesbezüglich nicht bindend ist, so kann er trotzdem ihreAnsicht zu seinen gesetzlichen Vorhaben einholen. Dies tat auchÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb, als er die Musl<strong>im</strong>e bezüglich der islamischenRechtssprüche zu Rate zog und keiner der Gefährten ihn deswegenrügte. Er tat es <strong>im</strong> Falle der eroberten Ländereien des Irak. Die Mus-263


l<strong>im</strong>e verlangten von ihm, das Land auf die Kämpfer aufzuteilen. ÝUmarberiet sich mit den Menschen und kam zum Schluss, es in denHänden seiner Besitzer zu belassen, auf dass sie dafür einen festgelegtenTribut (ËarÁº) entrichten. Zusätzlich hatten sie für ihre Persondie ¹izya zu bezahlen. Die Tatsache, dass ÝUmar und vor ihm AbÙBakr die Gefährten des Propheten in den islamischen Rechtssprüchenzu Rate zogen und niemand der Gefährten sie deswegen rügte, ist einBeleg für den Konsens der Gefährtenschaft, dass es dem Kalifen zusteht,sich mit den Musl<strong>im</strong>en in Fragen der Rechtsprüche zu beraten.Dies gilt für jene Rechtsprüche und Gesetze, für die er keine eindeutigenTextbelege in Koran oder Sunna findet, die schwierig zu verstehensind oder die er bindend erlassen möchte. In all dem ist ihreMeinung für den Kalifen nicht verbindlich.Die nichtmusl<strong>im</strong>ischen Mitglieder der Ratsversammlung haben jedochnicht das Recht, die Gesetzes- und Rechtsvorlagen des Kalifenzu überprüfen, da sie nicht an den <strong>Islam</strong> glauben. Ihr Anspruch aufMeinungsäußerung beschränkt sich auf das Recht, die Ungerechtigkeitenanzuprangern, die ihnen durch Regierungspersonen widerfahren.Die Stellungnahme zu islamischen Rechtssprüchen und Gesetzenist davon ausgeschlossen.Rechtsbeleg für den Punkt 3 sind die allgemeingültigen Texte überdie Rechenschaftsforderung von den Herrschern. AÎmad berichtetüber Ibn ÝUmar, dass dieser sagte: "Allahs Gesandter sprach:،،אאA @א،،"Es werden Herrscher über euch kommen, die euch das befehlen, wassie selber nicht tun. Wer ihnen in ihren Lügen Recht gibt und sie inihrem Unrecht unterstützt, der gehört nicht zu mir und ich nicht zuihm, und er wird am Becken 98 nicht auf mich treffen." AÎmad berichtetweiterhin von AbÙ SaÝÐd al-ËudarÐ, dass der Gesandte Allahssprach: @אKKKA"[…] Der beste ¹ihÁd ist ein rechtes Wort zu einem unrechten Herrscher."Al-ÍakÐm berichtet von ¹Ábir, dass der Prophet sprach:98 Gemeint ist das Wasserbecken <strong>im</strong> Jenseits, von dem der Prophet seiner Umma amJüngsten Tage zu trinken geben wird.264


@אא،אאאA"Der Herr der Märtyrer ist Íamza ibn ÝAbd al-MuÔÔalib sowie einMann, der sich gegen einen ungerechten Imam erhebt, ihm dasRechte gebietet und sein Unrecht anprangert und dafür von ihm getötetwird." Musl<strong>im</strong> berichtet über den Weg des ÝAuf ibn Malid al-AšºaÝÐ, dass der Gesandte Allahs sprach:א،אאKKKA @א"[…] Wem ein Herrscher v<strong>org</strong>esetzt wird und er sieht ihn etwasSündhaftes tun, so soll er das Sündhafte, das dieser tut, verabscheuen,jedoch keine Hand aus dem Gehorsam ziehen." Musl<strong>im</strong> berichtetauch von Umm Salama, dass der Gesandte Allahs sagte:،،،אאA @KKK"Es werden Herrscher kommen, ihr werdet (einige ihrer Taten) gutheißenund andere (ablehnen). Wer (ihre Untaten) innerlich verabscheut,der ist frei von Schuld, und wer sie anprangert, der bleibt unversehrt.Wehe jenem aber, der in Zufriedenheit folgt. […]" All diessind allgemeingültige Aussagen, die belegen, dass die Rechenschaftsforderungin jeder Art von Taten erfolgen kann. Als die Gefährtendem Propheten be<strong>im</strong> Vertrag von Íudaibiya aufs Heftigste widersprachen,tadelte er sie für diesen Widerspruch nicht. Er lehnte lediglichihre Meinung ab und brachte den Vertrag zum Abschluss.Sein Handeln entsprang nämlich einer göttlichen Offenbarung, beider die Meinung von Menschen keine Rolle spielt. Er tadelte sie, weilsie seinen Befehl missachteten, als er von ihnen verlangte, die Opferlämmerzu schlachten, ihre Köpfe zu rasieren und sich aus demIÎrÁm-Zustand 99 zu lösen. Auch tadelte der Prophet al-ÍubÁb ibn al-MunÆir nicht, als er in Badr seinen Einwand gegen den Lagerplatzvorbrachte. Er folgte sogar seiner Meinung. Demgemäß kann die Rechenschaftsforderungvon der Ratsversammlung in jeder Handlung99 Verbotszustand des Pilgers während der Pilgerfahrt. In diesem Zustand hat ergewisse Vorschriften einzuhalten bzw. sich von gewissen Dingen zu enthalten. BeiAbschluss der Pilgerfahrt löst sich der Pilger aus diesem Zustand. Im o. a. Fallenthielt der Vertrag die Klausel, dass die Musl<strong>im</strong>e in diesem Jahr zurückkehrten,ohne die Pilgerfahrt zu absolvieren, ein Umstand, der die Gefährten aufs Äußersteerzürnte (Anm. des Übersetzers).265


erfolgen, die vom Kalifen, den Assistenten, den Gouverneuren oderStatthaltern tatsächlich vollzogen wurde. Die Rechenschaft erfolgt,weil die Handlung (ihrer Meinung nach) entweder dem Rechtsspruchwiderspricht, sie falsch oder schädlich ist oder sich daraus eine Ungerechtigkeitfür die Bürger ergibt. Ebenso wird Rechenschaft gefordert,wenn die Betreuung der Angelegenheiten der Bürger in irgendeinerWeise vernachlässigt wird. Der Kalif hat die Pflicht, bei derRechenschaftsablegung auf die v<strong>org</strong>ebrachten Einwände einzugehen,indem er seinen Standpunkt und seine Argumente bezüglich seinervollzogenen Handlungen, seiner getätigten Aussagen und seiner Entscheidungendarlegt. Dadurch kann sich die Ratsversammlung vomrichtigen Ablauf aller Dinge und V<strong>org</strong>änge und vom korrekten Verhaltendes Kalifen überzeugen. Akzeptiert die Ratsversammlung denStandpunkt des Kalifen jedoch nicht und lehnt sie seine Argumenteab, so gilt Folgendes: Betrifft es eine Angelegenheit, in der die Mehrheitsmeinungbindend ist, so ist die Meinung der Ratsversammlungfür den Kalifen bindend. Betrifft es eine andere Angelegenheit, so istsie nicht bindend.An dieser Stelle darf nicht eingewendet werden, was die Rechenschaftsforderungdenn für einen Sinn habe, wenn der Kalif zu ihrerBefolgung nicht verpflichtet sei. Dieser Einwand ist unzulässig, da essich bei der Rechenschaftsforderung um einen islamischen Rechtsspruchhandelt, den man zu befolgen hat. Sie stellt eine Pflicht dar,die zur Genüge erfüllt werden muss (Farà KifÁya). Darüber hinauskommt es in der Realität der Rechenschaftsablegung zu einer Herauskristallisierungund Klärung von Ansichten und zu einer Bewusstseinsbildungund einem Erwachen in der öffentlichen Meinung, diemächtiger sein kann als Armeen. Überall wird sie von den Herrscherngefürchtet. Deswegen kommt der Rechenschaftsforderung ein großerNutzen zu.Sind sich Rechenschaftsforderer und Regenten in einer Angelegenheitvom rechtlichen Standpunkt her uneinig, so wird das MaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht durch einen Antrag der Ratsversammlung angerufen. Diesgeht aus folgendem Koranvers hervor: אאאאאאא"Ihr Gläubigen, gehorcht Allah und gehorcht Seinem Gesandten undjenen, die unter euch die Befehlsgewalt innehaben. Und seid ihr in266


einer Angelegenheit strittig, so führt sie auf Allah und den Gesandtenzurück." (Sure al-Nisā' 4, Àya 59) <strong>Das</strong> bedeutet: Seid ihr Musl<strong>im</strong>e mit denInhabern der Befehlsgewalt in einer Angelegenheit strittig, so führtsie auf Allah und den Gesandten zurück. Mit anderen Worten: Lasstdas islamische Recht entscheiden. Die islamische Rechtsentscheidungobliegt jedoch dem Gericht. Deswegen wird in diesem Fall dasMaÛÁl<strong>im</strong>-Gericht angerufen, und seine Entscheidung ist bindend.Was Punkt 4 anbelangt, so geht sein Rechtsbeleg aus dem Handelndes Propheten hervor: Der Gesandte setzte al-ÝAlÁÞ ibn al-ÍaÃramÐ,seinen Statthalter in Bahrain, allein deswegen ab, weil die Delegationder ÝAbd al-Qais sich über ihn beschwerte. Ibn SaÝd berichtet auf demWeg des MuÎammad ibn ÝUmar,אאאאאאAא،אא،אאא،אאא،אא @אאאאא،א"dass der Gesandte Allahs an al-ÝAlÁÞ ibn al-ÍaÃramÐ schrieb, ermöge mit zwanzig Mann der ÝAbd al-Qais zu ihm kommen. So kamer mit zwanzig Mann zu ihm, an deren Spitze ÝAbdullÁh ibn ÝAuf ibnal-Ašaºº stand. Al-ÝAlÁÞ hatte für seine Abwesenheit al-MunÆir ibnSÁwÁ als seinen Stellvertreter in Bahrain eingesetzt. Die Delegationbeschwerte sich (be<strong>im</strong> Propheten) über al-ÝAlÁÞ ibn al-ÍaÃramÐ. Daraufhinsetzte der Gesandte Allahs ihn ab und ernannte AbbÁn ibnSaÝÐd ibn al-ÝÀÒ zu seinem Nachfolger. Er sagte ihm: 'N<strong>im</strong>m dich derÝAbd al-Qais in Güte an und ehre ihre Oberhäupter!'" Ebenso hatÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb SaÝd ibn AbÐ WaqqÁÒ von der Statthalterschaftabgesetzt, weil sich die Menschen über ihn beschwerten. Er sagtedazu: "Ich habe ihn nicht wegen Unvermögen oder Treulosigkeit abgesetzt."Dies belegt, dass die Einwohner der Provinzen das Rechthaben, ihren Zorn und Unmut über die Gouverneure und Statthalterkundzutun. In so einem Fall müssen diese vom Kalifen abgesetztwerden. Gleichzeitig steht es auch der Ratsversammlung zu – die jaalle Musl<strong>im</strong>e in den Provinzen vertritt –, ihre Unzufriedenheit überdie Gouverneure und Statthalter zu äußern. Auch hier muss der Kalifsie unverzüglich absetzen.267


Was Punkt 5 betrifft, so steht fest, dass die Musl<strong>im</strong>e von ÝUmar – alsdieser niedergestochen wurde und keine Hoffnung auf sein Überlebenbestand – verlangten, er solle einen Nachfolger best<strong>im</strong>men. Als erdies ablehnte, baten sie ihn ein zweites Mal. Daraufhin grenzte erseine Nachfolge auf sechs Personen ein. Die Gefährten akzeptiertenes, was ihrem schweigenden Konsens entsprach. Dies ist ein Beweisdafür, dass die Musl<strong>im</strong>e unter den Ratsmitgliedern das Recht haben,die Kandidaten für das Kalifat einzuschränken. Ihre Meinung ist diesbezüglichbindend, da feststeht, dass ÝUmar fünfzig Männer den sechsKandidaten vorsetzte. Er befahl ihnen, den Widersacher unter densechs zu töten. Den Kandidaten setzte er eine Frist von drei Tagen.All das weist auf den verpflichtenden Charakter hin. Die Nichtmusl<strong>im</strong>eunter den Ratsmitgliedern haben jedoch nicht das Recht, dieEingrenzung der Kalifatskandidaten mit vorzunehmen, da die Bai Ý aallein den Musl<strong>im</strong>en zusteht.<strong>Das</strong> Recht auf Rede und Meinungsäußerung ohne BedrängnisJedes Mitglied der Ratsversammlung hat – innerhalb der Grenzen desislamrechtlich Erlaubten – das beliebige Recht auf Rede und Meinungsäußerung,ohne in irgendeiner Weise bedrängt zu werden. <strong>Das</strong>Ratsmitglied ist ein bevollmächtigter Vertreter, es vertritt die Musl<strong>im</strong>ebei ihrer Meinungsäußerung und bei der Rechenschaftsforderung.Seine Aufgabe ist die Überprüfung der Tätigkeiten des Kalifen,irgendeiner staatlichen Regierungsperson oder irgendeines Beamten<strong>im</strong> Staatsapparat. Von all diesen Personen fordert es Rechenschaftund gibt ihnen gleichzeitig aufrichtige Ratschläge. <strong>Das</strong> Ratsmitgliedäußert ihnen gegenüber seine Meinung, unterbreitet Vorschläge,diskutiert sie und erhebt Einspruch gegen staatlicherseits verübte,rechtswidrige Handlungen. Es erfüllt all diese Aufgaben inVertretung der Musl<strong>im</strong>e, die islamrechtlich die Pflicht haben, das,was rechtens ist, zu gebieten, und das Unrecht anzuprangern. Ebensohaben sie die islamische Pflicht, von den Herrschern Rechenschaft zufordern und ihnen gegenüber Rat und Meinung zu äußern. Der Erhabenesagt:268


א"Ihr seid die beste Gemeinschaft, die je den Menschen herv<strong>org</strong>ebrachtwurde; ihr gebietet das, was rechtens ist, und ihr prangert dasUnrecht an." (Sure Àli ÝImrÁn 3, Àya 110) Auch sagt Er:אאאאאאאאא"Diejenigen, die – wenn wir ihnen Macht auf Erden verleihen – dasGebet aufrecht halten, die ZakÁt entrichten, das gebieten, was rechtensist, und das Unrecht anprangern" (Sure al-Íaºº 22, Àya 41) und sagt: אא"Möge aus euch eine Gemeinschaft herv<strong>org</strong>ehen, die zum Guten aufruft,das, was rechtens ist, gebietet, und das Unrecht anprangert." (SureÀli ÝImrÁn 3, Àya 104). Darüber hinaus existiert eine Fülle von ÍadÐ×en,die das Gebieten dessen, was rechtens ist, und das Anprangern desUnrechts zur Pflicht erklären. So sagte der Gesandte beispielsweise:אא،א،אA @،"Bei Dem, in Dessen Händen meine Seele liegt. So gebietet das, wasrechtens ist, und prangert das Unrecht an. Ansonsten wird Allah seineStrafe über euch kommen lassen; ihr werdet Ihn anflehen und Er wirdeuch nicht erhören." (Von AÎmad auf dem Wege des ÍuÆaifa überliefert.)Auch sagte er:،،אA @אא"Wer von euch ein Unrecht sieht, der soll es mit der Hand beseitigen.Wenn er dazu nicht <strong>im</strong> Stande ist, dann soll er es mit der Zunge anprangern.Wenn er dazu auch nicht <strong>im</strong> Stande ist, dann soll er es mitdem Herzen tun, und dies ist der schwächste Iman 100 ." (Von Musl<strong>im</strong> aufdem Wege des AbÙ SaÝÐd al-ËudarÐ überliefert.)All diese ÀyÁt und ÍadÐ×e befehlen den Musl<strong>im</strong>en, das Rechte zugebieten und das Unrecht anzuprangern. Die Rechenschaftsforderung100 Glaube, Überzeugung269


von den Herrschern gehört zweifellos dazu. Es existieren sogarÍadÐ×e, welche die Rechenschaftsforderung von den Regenten <strong>im</strong>Besonderen erwähnen, dies deswegen, weil der Rechenschaftsforderungvon den Regenten – d. h., ihnen das, was rechtens ist, zu gebieten,und ihr Unrecht anzuprangern – eine große Wichtigkeit zukommt.So wird von Umm ÝAÔiyya auf dem Wege des AbÙ SaÝÐd berichtet,dass der Gesandte Allahs sprach: @אA"Der beste ¹ihÁd ist ein rechtes Wort zu einem unrechten Herrscher."<strong>Das</strong> ist ein klarer Textbeleg für die Pflicht, den Herrscher zur Rechenschaftzu ziehen und ihm gegenüber die Wahrheit auszusprechen.Diese Pflicht wurde dem ¹ihÁd gleichgestellt, sie wurde sogar zumbesten ¹ihÁd erklärt. Der Prophet hat sie <strong>im</strong> Besonderen herv<strong>org</strong>ehobenund die Musl<strong>im</strong>e in sehr starker Form dazu angespornt,auch wenn es zum Tode führen sollte. In einer korrekten Überlieferungsagt der Gesandte Allahs: @אא،אאאA"Der Herr der Märtyrer ist Íamza ibn ÝAbd al-MuÔÔalib und einMann, der sich gegen einen ungerechten Imam erhebt, ihm dasRechte gebietet und sein Unrecht anprangert und dafür von ihm getötetwird."Die Gefährten des Propheten – Allahs Wohlgefallen über sie – habenihm ebenfalls in manchen Dingen widersprochen. Auch haben sie dierechtgeleiteten Kalifen nach ihm zur Rechenschaft gezogen. Wederwurden sie vom Propheten noch von den rechtgeleiteten Kalifen dafürgetadelt. So folgte der Gesandte der Meinung des al-ÍubÁb ibn al-MunÆir, als dieser ihm bei der Schlacht von Badr widersprach. AmTage der Schlacht von UÎud folgte er der Mehrheitsmeinung, demStamm der Quraiš außerhalb Medinas zu begegnen, obwohl er dergegenteiligen Meinung war. Auch be<strong>im</strong> Abschluss des Íudaibiya-Vertrages widersprachen ihm die Musl<strong>im</strong>e in heftiger Weise. ÝUmaribn al-ËaÔÔÁb gehörte zu den größten Kritikern. Und nach derSchlacht von Íunain ärgerten sich die AnÒÁr darüber, dass der Prophet jenen, deren Herzen man gewinnen wollte, von der Beute gab,ohne ihnen etwas davon zuzuteilen.Die Gefährten zogen auch ÝUmar ibn al-ËaÔÔÁb über seine V<strong>org</strong>ehensweisebei der Aufteilung der jemenitischen Umhänge zur Re-270


chenschaft. Ebenso stellte sich ihm eine Frau entgegen, als er die Erhöhungder Brautgaben verbieten wollte. Die Gefährten erhoben auchEinwände gegen ihn und zogen ihn zur Rechenschaft, als er dieLändereien des Irak, des ŠÁm und Ägyptens nach deren Eroberungnicht aufteilte. BilÁl und al-Zubair kritisierten ihn in sehr heftigerWeise dafür. Er zog die Gefährten zu Rate und diskutierte mit ihnen,bis er sie von seiner Meinung überzeugen konnte.Demzufolge hat jedes Ratsmitglied – in seiner Eigenschaft als Vertreterder Musl<strong>im</strong>e – das Recht, sich in der Ratsversammlung nachBelieben zu Wort zu melden. Er hat das Recht, seine Meinung ohneVerbot oder Bedrängnis zu äußern. Er kann den Kalifen, die Assistenten,die Gouverneure sowie jeden Beamten des Staatsapparates zurRechenschaft ziehen. Sie alle müssen ihm gegenüber Rede undAntwort stehen, solange er sich in seiner Rechenschaftsforderung undMeinungsäußerung an die Gesetze des <strong>Islam</strong> hält.271


Der <strong>Islam</strong> muss auf einmal und in vollständigerWeise <strong>im</strong>plementiert werden – es ist verboten, in derDurchführung seiner Gesetze stufenweise vorzugehenDer heilige Koran ist dem Gesandten Allahs – je nach Ereignis undGeschehen – in Teilen offenbart worden. Jedes Mal, wenn ihm eineÀya offenbart wurde, verkündete er sie. Wenn sie ein Gebot beinhaltete,dann vollzogen er und die Musl<strong>im</strong>e es unverzüglich. Beinhaltetedie Àya ein Verbot, so hielten er und die Musl<strong>im</strong>e sich fern davon.Die Durchführung der Gesetze erfolgte somit unverzüglich nach derenOffenbarung, ohne die geringste Verzögerung. <strong>Das</strong> Gesetz, dasherabgesandt wurde, war unmittelbar nach dessen Offenbarung vollzugs-und <strong>im</strong>plementierungspflichtig – egal um welches Gesetz essich handelte. Man fuhr in dieser Weise fort, bis Allah den DÐn 101 erfüllteund Seinen Vers offenbarte:אא"Heute habe ich euch euren DÐn vervollkommnet und Meine Gabe aneuch erfüllt und euch den <strong>Islam</strong> als Lebensordnung gutgeheißen."(Sure al-Mā’ida' 5, Àya 3) Nach der Offenbarung dieses heiligen Versessind die Musl<strong>im</strong>e aufgefordert, alle Gesetze des <strong>Islam</strong> in vollkommenerund umfassender Weise durchzuführen. Dies gilt für die Gesetzeder Glaubensgrundlagen (ÝAqÁÞid), der gottesdienstlichen Handlungen(ÝIbÁdÁt), der ethischen Eigenschaften (AÌlÁq) und der Vertragsbeziehungen(MuÝÁmalÁt). Es gilt für die vertraglichen Beziehungen derMusl<strong>im</strong>e untereinander, für ihre Beziehungen zu dem sie regierendenHerrscher sowie für ihre Beziehungen zu anderen Völkern, Nationenund Staaten. Genauso gilt es auch für die Gesetze in den verschiedenenRechtsbereichen, wie beispielsweise dem Bereich der Regierungsangelegenheiten,der Wirtschaft, des Gesellschaftssystemssowie der Außenpolitik in Friedens- und Kriegssituationen. So sagtder Erhabene:אאאאא"Was der Gesandte euch bringt, das nehmt an, und was er euch untersagt,dessen enthaltet euch. Und fürchtet Allah, denn Allah ist wahr-א א101 Lebensordnung272


lich hart <strong>im</strong> Strafen." (Sure al-Íašr 59, Àya 7) <strong>Das</strong> bedeutet: Nehmt alldas an und tut all das, was der Gesandte euch bringt. Enthaltet euchund haltet euch fern von allem, was er euch untersagt hat. <strong>Das</strong> WortmÁ in der Àya ist eine allgemeingültige, umfassende Formulierung.Sie umfasst die Pflicht zum Vollzug aller Gebote und zur Enthaltungvon all dem, was verboten ist. Die Aufforderung in der Àya zur Einhaltungbzw. zur Enthaltung hat einen definitiven, apodiktischenCharakter. Sie stellt somit eine Pflicht dar, da sie am Ende der Àyamit dem Befehl verknüpft wurde, Allah zu fürchten, und mit der Androhungvon schwerer Strafe für denjenigen, der nicht alles ann<strong>im</strong>mt,was der Gesandte gebracht hat bzw. sich nicht von allem enthält, wasder Gesandte verboten hat. Der Erhabene sagt:אאא אא "Und richte unter ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat, undfolge ihren Neigungen nicht. Und n<strong>im</strong>m dich in Acht vor ihnen, dasssie dich nicht von einigem abbringen, was Allah zu dir herabgesandthat." (Sure al-Mā’ida' 5, Àya 49)Dies stellt einen zwingenden Befehl Gottes an den Propheten undnach ihm an alle Regenten der Musl<strong>im</strong>e dar, nach all dem zu richten,was Allah dem Propheten an Gesetzen herabgesandt hat – seien esGe- oder Verbote. Auch hier ist das Wort mÁ in der Àya eine allgemeingültigeFormulierung; sie umfasst somit alle offenbarten Gesetze.Darüber hinaus hat Allah dem Gesandten und den Regenten der Musl<strong>im</strong>enach ihm verboten, den Neigungen der Menschen zu folgen undihren Wünschen nachzugeben. So sagt Er:א"Und folge nicht ihren Neigungen."Ebenso hat Allah den Gesandten und die Regenten der Musl<strong>im</strong>e nachihm davor gewarnt, von den Menschen in Versuchung geführt undvon einigen Gesetzen, die Allah herabgesandt hat, abgebracht zuwerden. Der Prophet hat vielmehr die Pflicht, alle Gesetze anzuwenden,die Allah ihm offenbarte, seien es Ge- oder Verbote, ohne den273


Wünschen der Menschen in irgendeiner Weise Rechnung zu tragen.So sagt Er:א א"Und n<strong>im</strong>m dich in Acht vor ihnen, dass sie dich nicht von einigemabbringen, was Allah zu dir herabgesandt hat." (Sure al-Mā’ida' 5, Àya49) Und Er sagt: א אUnd wer nicht nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat, so sinddies wahrlich die Ungläubigen. (Sure al-Mā’ida' 5, Àya 44) In einem anderenVers sagt Er:אא "Und wer nicht nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat, so sinddies wahrlich die Ungerechten." (Sure al-Mā’ida' 5, Àya 45) Und in einemdritten Vers heißt es:אא "Und wer nicht nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat, so sinddies wahrlich die Frevler." (Sure al-Mā’ida' 5, Àya 47) In diesen drei Versenerklärt Allah jene, die nicht nach all dem richten bzw. regieren,was Allah herabgesandt hat – egal ob es sich dabei um Ge- oder Verbotehandelt –, zu Ungläubigen, zu Ungerechten und zu Frevlern. <strong>Das</strong>Wort mÁ in den drei ÀyÁt stellt wiederum eine allgemeingültige Formulierungdar; sie umfasst somit alle islamischen Rechtssprüche, dievon Allah herabgesandt wurden. Dies gilt gleichermaßen für Geboteund Verbote.<strong>Das</strong> bisher Gesagte erläutert in definitiver, unzweifelhafter Weise,dass es für alle Musl<strong>im</strong>e – seien es Einzelpersonen, Gruppierungenoder der Staat – eine apodiktische Pflicht ist, die islamischen Gesetzein ihrer Gesamtheit anzuwenden, und zwar so, wie es Allah, der Erhabene,verlangt hat: ohne Verzögerung, Aufschub oder Abstufung. Esgibt weder für die Einzelperson noch für die Gruppierung oder denStaat irgendeine Entschuldigung, die göttlichen Gesetze nicht anzuwenden.Die Anwendung der islamischen Gesetze muss vollständig und umfassenderfolgen, in einem Zug und ohne Abstufung. Die stufenweise274


Anwendung widerspricht dem islamischen Recht diametral. Derjenige,der einige Gesetze anwendet und andere auslässt, wird vor Gottzum Frevler. <strong>Das</strong> gilt für Einzelpersonen, Gruppierungen und Staat ingleicher Weise.Ein Pflichtgebot (WÁºib) ist unumstößlich verpflichtend, es bleibtverpflichtend und muss vollzogen werden. Ebenso ist ein Verbot(ÍarÁm) unumstößlich verboten, es bleibt verboten und muss gemiedenwerden. So lehnte es der Gesandte entschieden ab, den Leutenvon ÕaqÐf ihren Götzen al-LÁt drei Jahre lang zu belassen, als ihreDelegation ihn darum bat. Er akzeptierte es ebenso nicht, sie vomGebet zu befreien, auf dass sie in den <strong>Islam</strong> eintreten. Mit aller Entschiedenheitlehnte er diese Vorschläge ab und bestand darauf, dassder Götze sofort zerstört und das Gebet ohne Verzögerung eingehaltenwird.Ebenso hat Allah den Herrscher, der nicht alle Gesetze des <strong>Islam</strong>anwendet bzw. sie nur teilweise zur Umsetzung bringt, zum Ungläubigenerklärt, sollte er nicht mehr von der Richtigkeit des <strong>Islam</strong> oderder Gesetze, deren Anwendung er ausgelassen hat, überzeugt sein. Erhat ihn zum Ungerechten und zum Frevler erklärt, wenn er nicht alleislamischen Gesetze anwendet bzw. einen Teil von ihnen auslässt,jedoch weiterhin von der Richtigkeit und Anwendbarkeit des <strong>Islam</strong>überzeugt ist.Auch hat der Gesandte den bewaffneten Kampf gegen den Herrscherzur Pflicht erklärt, wenn dieser den offenen Unglauben (al-Kufr albawÁÎ),für den wir von Allah einen eindeutigen Beweis haben, aufkommenlässt, mit anderen Worten, wenn er nach Gesetzen regiertbei denen zweifellos feststeht, dass es Gesetze des Unglaubens sind.Hier spielt es keine Rolle, ob es sich um viele oder wenige Gesetzehandelt. So wird <strong>im</strong> ÍadÐ×, den ÝUbÁda ibn al-ÑÁmit berichtet, erwähnt: @א،אאאאW،אאאKKKA"[…] und dass wir die Befehlsgewalt jenen, die sie innehaben, nichtstreitig machen. Er (der Prophet) ergänzte: 'Es sei denn, ihr seht einenoffenen Kufr (Unglaube), für den ihr von Allah einen eindeutigenBeweis habt.'" (Musl<strong>im</strong>)275


Demzufolge darf es keine Nachsicht und auch keine Abstufung beider Anwendung der islamischen Gesetze geben, da es zwischen einemPflichtgebot und einem anderen keinen Unterschied gibt. Ebensogibt es zwischen einem Verbot und einem anderen oder zwischeneinem Rechtsspruch und einem anderen keinen Unterschied. Vielmehrsind sämtliche Gesetze Allahs gleichwertig; sie müssen alle ohneVerzögerung, ohne Aufschub und ohne Abstufung angewendetwerden, ansonsten trifft auf uns folgende göttliche Aussage zu:אאאאאאא"Glaubt ihr denn nur an einen Teil des Buches und an den anderennicht? Der Lohn derer unter euch, die dies tun, ist Erniedrigung <strong>im</strong> irdischenLeben, und am Tage der Auferstehung wird ihnen schwersteStrafe zuteil." (Sure al-Baqara 2, Àya 85)Somit hat kein existierender Staat in der islamischen Welt irgendeineEntschuldigung, die islamischen Gesetze nicht anzuwenden, wederunter dem Vorwand des Unvermögens noch unter der Behauptungunpassender Umstände. Auch ist der Einwand unzulässig, die Weltöffentlichkeitwürde diese Anwendung nicht akzeptieren oder dieWeltgroßmächte ließen uns dazu keine Möglichkeit. Ebenso sind alleweiteren Vorwände und Rechtfertigungen wertlos. Wer sie vorbringt,hat bei Allah jede Aussicht auf Erlösung verloren.276


Der <strong>Islam</strong> verbietet die PolizeiherrschaftRegentschaft und Herrschaft (al-Íukm wa al-SulÔÁn) <strong>im</strong> <strong>Islam</strong> ist dasBetreuen der Angelegenheiten der Menschen durch die islamischenRechtssprüche (Gesetze). Dies ist nicht mit "Stärke" (al-Quwwa)gleichzusetzen, da Stärke nicht das Betreuen der Angelegenheiten derMenschen bedeutet und auch nicht das Wahrnehmen ihrer Interessen."Stärke" bedeutet also nicht "Herrschaft" (al-SulÔÁn), auch wenn ihreExistenz, ihr Aufbau, ihre Führung und ihre Vorbereitung ohneHerrschaft nicht möglich sind. Stärke besteht aus einem materiellenGebilde, das sich in den Streitkräften – zu denen auch die Polizeigehört – manifestiert und dessen sich der Herrscher bedient, um dieGesetze anzuwenden. Durch dieses Gebilde werden Verbrecher undFrevler dingfest gemacht, Aufrührer bezwungen und Angreiferzurückgeschlagen. Der Regent benutzt sie, um seine Herrschaft zuschützen sowie die Ideen und Konzeptionen, auf denen sie gründet.Daraus wird klar, dass Herrschaft nicht gleich Stärke ist, auch wenndie Herrschaft ohne Stärke nicht überleben kann. Ebenso ist Stärkenicht gleich Herrschaft, auch wenn Stärke ohne Herrschaft nichtexistieren kann.Demzufolge darf die Herrschaft nicht zur reinen Machtausübungwerden. Denn wenn sich die Herrschaft in bloße Machtwillkür verwandelt,dann verdirbt das Betreuen der Angelegenheiten der Menschen.In diesem Falle werden die Konzeptionen und Handlungsmaßstäbedes Herrschers zu solchen, die von Unterdrückung, Willkürund Despotismus geprägt sind und nicht vom Bestreben zur Betreuungder Bürgeranliegen. Die Herrschaft mutiert so zu einer Polizeidiktatur,die nichts als Terror, Machtstreben, Unterdrückung, Willkürund Blutvergießen kennt.Genauso wie es unzulässig ist, dass die Herrschaft zur reinen Ausübungder Stärke wird, ist es auch falsch, wenn das Machtgebildeselbst die Herrschaft ausübt. In so einem Fall wird es die Menschenmit der Logik der Stärke regieren und ihre Angelegenheiten nachKriegsrechtsverständnis und nach dem Maßstab von Unterdrückungund Willkür regeln. Beides führt zu Zerstörung und Niedergang, erzeugtEinschüchterung, Angst und Schrecken und führt die Umma an277


den Rand des Abgrunds. All das schädigt die Umma aufs Schl<strong>im</strong>mste.Die Militärregierungen in der arabischen und islamischen Welt sindder beste Beweis dafür.Der <strong>Islam</strong> verbietet es, den Musl<strong>im</strong>en Leid zuzufügen oder sieauszuspionierenDer <strong>Islam</strong> hat es dem Herrscher verboten, die Menschen zu folternoder ihnen Leid zuzufügen. Musl<strong>im</strong> berichtet von HišÁm ibn ÍakÐm,dass dieser sagte: "Ich bezeuge, dass ich den Gesandten Allahs sagenhörte: @אאאאA"Wahrlich, Allah foltert jene, die die Menschen <strong>im</strong> Diesseits gefolterthaben."Auch sprach der Gesandte Allahs : @KKKאא،אאאA"Zwei Arten von Bewohnern des Feuers habe ich nicht gesehen: Leute,die Peitschen wie Kuhschwänze haben und die Menschen damitgeißeln. […]" Dieser ÍadÐ× wurde von Musl<strong>im</strong> auf dem Wege desAbÙ Huraira überliefert. Ebenso hat es der <strong>Islam</strong> verboten, die Unantastbarkeitender Musl<strong>im</strong>e zu verletzen. Er hat es untersagt, ihre Würde,ihr Eigentum, ihre Familie und die Unantastbarkeit ihrer Häuseranzugreifen. So sprach der Gesandte Allahs: @،אאאA"Der ganze Musl<strong>im</strong> ist für den Musl<strong>im</strong> verboten: Sein Blut, sein Vermögenund seine Familie." Dies ist der Teil eines ÍadÐ×, der vonMusl<strong>im</strong> auf dem Wege des AbÙ Huraira überliefert wurde. Auchsprach der Gesandte, als er die Kaaba 102 umkreiste:א،אא،א،אAאאא،،אאא@ "Wie gut du bist und wie gut ist dein Geruch. Wie gewaltig du bistund wie gewaltig ist deine Unantastbarkeit. Bei Dem, in Dessen Hän-102 Heiliges Gotteshaus in Mekka.278


den MuÎammads Seele liegt! Wahrlich, die Unantastbarkeit einesGläubigen ist gewaltiger bei Allah als deine Unantastbarkeit: Es istdie Unantastbarkeit seines Vermögens, seines Blutes, und dass mannur Gutes von ihm denkt." (Von Ibn MÁºa auf dem Wege des ÝUbaidullÁh ibnÝAmr überliefert.) Auch sagte der Gesandte Allahs: @،אA"<strong>Das</strong> Besch<strong>im</strong>pfen eines Musl<strong>im</strong> ist Frevel und seine BekämpfungUnglaube." (Von al-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> auf dem Wege des ÝAbdullÁh ibn MasÝÙdüberliefert.) Über die Unantastbarkeit der Häuser äußerte der Prophetsich folgendermaßen: @،אאA"Wenn dich jemand ohne deine Erlaubnis beobachtet, du ihn mit einemKieselstein bewirfst und ihm sein Auge ausschlägst, so trifft dichkeine Schuld." (Von Musl<strong>im</strong> auf dem Wege des AbÙ Huraira überliefert.) Undvon Sahl ibn SaÝd al-SÁÝidÐ wird berichtet, dass er sagte:אW א אאAא،אאאאא@ "Ein Mann spähte von einem Loch in die Gemächer des Propheten .Der Prophet hielt gerade eine Stange in der Hand und kratzte sich damitden Kopf. Dann sagte er: "Wenn ich gewusst hätte, dass du hineinschaust,hätte ich dir damit die Augen ausgestochen. <strong>Das</strong> Bittenum Erlaubnis ist doch wegen des Blickes geboten worden." (BuÌÁrÐ undMusl<strong>im</strong>) Auch sprach der Gesandte Allahs : @אאאA"Wer Menschen in ihrem Hause ohne ihre Erlaubnis beobachtet, sosteht es ihnen zu, ihm das Auge auszustechen." (Von AÎmad auf dem Wegedes AbÙ Huraira überliefert.)In gleicher Weise hat der <strong>Islam</strong> das Ausspionieren der Musl<strong>im</strong>e, ihreÜberwachung, ihre Verfolgung und das Erforschen ihrer persönlichenund gehe<strong>im</strong>en Angelegenheiten verboten. Ebenso hat er es untersagt,dass der Musl<strong>im</strong> zum Spion über die Musl<strong>im</strong>e wird. Der Erhabenesagt:אא א אאאאא"Ihr, die ihr glaubt! Meidet vieles an Argwohn, denn manch Argwohnist Sünde. Und belauert nicht." (Sure al-ÍuºurÁt 49, Àya 12) Und der Gesandtesprach:279


،א،א،א،אאא،אאA @אאאא،א،אא"Wehe euch und den Mutmaßungen. Denn Mutmaßungen sind wahrlichdas verlogenste Gerede. Und belauert niemanden und spioniertniemandem hinterher. Beneidet euch nicht gegenseitig und kehrt euchnicht voneinander ab und seid Diener Allahs in Brüderlichkeit." (Vonal-BuÌÁrÐ und Musl<strong>im</strong> auf dem Wege des AbÙ Huraira überliefert.) Auch sagte er:א،אא،א،A @א،אא،א"Ihr Volk von Leuten, die mit ihrer Zunge glauben, deren Herzenaber vom Glauben nicht durchdrungen wurden. Redet den Musl<strong>im</strong>ennicht übel nach und verfolgt nicht ihre Blößen. Wer ihre Blößen verfolgt,dessen Blöße verfolgt Allah. Und wessen Blöße Allah verfolgt,den stellt Er in seinem Hause bloß." (Von AÎmad auf dem Wege des AbÙBurza al-AslamÐ überliefert.)Der Koranvers und die ÍadÐ×e verbieten es den Musl<strong>im</strong>en, sich gegenseitigauszuspionieren. Ebenso verbieten sie ihnen, ihre Blößenverfolgen. Sie drohen sogar den Musl<strong>im</strong>en damit, dass derjenige vonihnen, der den Blößen seiner Glaubensbrüder nachgeht, von Allah inseinen Blößen verfolgt und bloßgestellt wird. Ebenso gibt es ÍadÐ×e,die den Musl<strong>im</strong>en die Tätigkeit in den Gehe<strong>im</strong>diensten zur Ausspionierungder Musl<strong>im</strong>e verbieten. So berichtet al-Miswar, dass der GesandteAllahs sprach:،א،אאA @KKKא"Wer sich zum Schaden eines Musl<strong>im</strong>s eine Speise leistet, den speistAllah mit gleichem aus der Hölle. Und wer sich zum Schaden einesMusl<strong>im</strong>s mit einem Gewand kleidet, den kleidet Allah mit gleichemaus der Hölle […]."Genauso wie das Ausspionieren der Musl<strong>im</strong>e untersagt ist, ist auchdas Ausspionieren der nichtmusl<strong>im</strong>ischen Staatsbürger (Schutzbefohlene)verboten. Ihnen steht nämlich die gleiche gerechte Behandlungwie den Musl<strong>im</strong>en zu. In gleicher Weise obliegt ihnen auch einkorrektes Verhalten. Der ehrwürdige Gesandte hat uns eine gute280


Behandlung der Nichtmusl<strong>im</strong>e ans Herz gelegt und uns verboten, ihnenLeid zuzufügen. So sagte er: @אאאאA"Wer zum Inhaber eines Schutzvertrages ungerecht ist oder ihn übergebührbelastet, so klage ich ihn bis zum Jüngsten Tage an." (VonYaÎyÁ ibn AdÁm <strong>im</strong> Buch Al-ËarÁº überliefert.) Und ÝUmar sagte: "Ich legedem Kalifen nach mir die Schutzbefohlenen des Gesandten Allahsans Herz. Möge er ihren Schutzvertrag erfüllen, sie <strong>im</strong> Kampf verteidigenund sie nicht übergebühr belasten." (Von YaÎyÁ ibn AdÁm überliefert.)Obwohl die Àya und die ÍadÐ×e das Verbot der Spionage inallgemeingültiger Form (ÝÁmm) erwähnen, so ist das Ausspionierender Ungläubigen, mit denen wir uns juristisch (Îukman) oder tatsächlich(fiÝlan) <strong>im</strong> Kriegszustand befinden, vom allgemeinen Verbot derTexte exkludiert. Es existieren nämlich andere ÍadÐ×e, die das Spionageverbotauf die nicht Krieg führenden Ungläubigen einschränken.Was die Krieg führenden Ungläubigen angeht (al-KuffÁr al-HarbiyyÙn), so ist ihr Ausspionieren nicht nur erlaubt, sondern verpflichtend,und der <strong>Islam</strong>ische Staat hat diese Aufgabe zu übernehmen.So hat der Prophet ÝAbdullÁh ibn ¹aΚ mit einer Gruppevon acht MuhÁºirÙn zu einem Ort namens NaÌla geschickt, der sichzwischen Mekka und al-ÓÁÞif befindet. Er trug ihm auf, Nachrichtender Quraiš zu erkundschaften und zu erfahren. <strong>Das</strong> Ausspionieren desungläubigen Feindes gehört zu jenen Dingen, die weder die Armeeder Musl<strong>im</strong>e noch der <strong>Islam</strong>ische Staat entbehren kann.Genauso wie das Ausspionieren der ungläubigen Feinde eine Pflichtfür den <strong>Islam</strong>ischen Staat darstellt, ist es auch seine Pflicht, über einenentsprechenden Abwehrapparat zu verfügen, um den Spionagetätigkeitender ungläubigen Feinde gegen den Staat zu begegnen.Dies geht aus folgendem ÍadÐ× hervor, den al-BuÌÁrÐ von Salama ibnal-Akwa c überliefert:،א،אאאאA @،Kאא א"Ein Spion der Götzendiener kam zum Propheten, als dieser sich aufeiner Reise befand. Er setzte sich zu seinen Gefährten und unterhieltsich mit ihnen. Dann machte er sich von dannen. Daraufhin befahlder Prophet : "Geht ihm nach und tötet ihn." Salama tötete ihn und281


der Prophet gab ihm seinen Besitz als Beute." Auch hat AÎmad vonFurÁt ibn ÍiyyÁn berichtet, @אA"dass der Gesandte ihn zu töten befahl." Er war ein Spion von AbÙSufyÁn und sein Verbündeter. Er kam an einer Gesprächsrunde derAnÒÁr vorbei und sagte: "Ich bin doch Musl<strong>im</strong>." Da sagten sie: "OGesandter Allahs, er behauptet, dass er Musl<strong>im</strong> sei." Daraufhinsprach der Gesandte : @אאאאA"Es gibt Männer unter euch, die wir ihrem Glauben überlassen. Zu ihnengehört FurÁt ibn ÍiyyÁn."Al-BuÌÁrÐ berichtet von ÝAlÐ , dass er sagte:אאאWאאאאאאAא،،אא،אW،אא،، @KKK א،אאא"Der Gesandte Allahs entsandte mich, al-Zubair und al-MiqdÁd ibnal-Aswad mit einem Auftrag. Er befahl uns: "Reitet los, bis ihr zu einemOrt namens RawÃatu ËÁÌ gelangt. Dort lebt (eine Frau namens)ÚaÝÐna, die einen Brief bei sich hat. Nehmt ihr den Brief ab!" Und sogaloppierten wir mit unseren Pferden los, bis wir am Ort RawÃa anlangten.Dort trafen wir auch auf ÚaÝÐna. Wir sagten ihr: "Rück denBrief heraus!" Sie antwortete: "Ich habe keinen Brief bei mir." <strong>Das</strong>agten wir: "Entweder du rückst den Brief heraus oder wir legen dieKleider ab." Daraufhin zog sie ihn aus ihrem Ledersack und wirbrachten ihn zum Gesandten Allahs. […]"Aus all dem Gesagten wird deutlich, dass die Herrschaft <strong>im</strong> <strong>Islam</strong>keine Polizeiherrschaft ist und keine Polizeiherrschaft sein darf. EinePolizeiherrschaft würde die Musl<strong>im</strong>e aufs Äußerste schädigen. Siewiderspricht des Weiteren den islamischen Rechtssprüchen und demRechtsgrundsatz: Keinen Schaden nehmen und keinen Schaden zufügen.Es wird ebenfalls deutlich, dass es dem <strong>Islam</strong>ischen Staat verbotenist, einen Spionageapparat zu errichten, der die Bürger – Musl<strong>im</strong>e282


oder Nichtmusl<strong>im</strong>e – ausspioniert. Auch ist es ihm verboten, ihnenLeid zuzufügen.Allerdings geht aus dem Gesagten hervor, dass der Staat die Pflichthat, einen Spionageapparat gegen die ungläubigen Feinde einzurichten,um ihre Nachrichten zu erkunden und die Spionagetätigkeiten,die sie gegen ihn durchführen, zu bekämpfen.283


Der Gehorsam gegenüber dem musl<strong>im</strong>ischenHerrscher, der mit dem <strong>Islam</strong> regiert, ist verpflichtendDer Gehorsam gegenüber dem musl<strong>im</strong>ischen Regenten, der die Gesetzedes <strong>Islam</strong> anwendet, stellt eine Verpflichtung für die Musl<strong>im</strong>edar. Dies gilt auch für den Fall, dass er ungerecht ist und ihre Rechteverschlingt, solange er nicht zu einer Sünde aufruft oder den offenkundigenKufr emporkommen lässt.Der Rechtsbeleg dafür, dass der Gehorsam verpflichtend ist, sindzahlreiche ÀyÁt und ÍadÐ×e, die das erwähnen. So sagt der Erhabene: אאאאאאא"Ihr, die ihr glaubt! Gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten undjenen, die unter euch die Befehlsgewalt innehaben." (Sura al-Nisā' 4, Àya59) Al-BuÌÁrÐ berichtet von den AbÙ Salama ibn ÝAbd al-RaÎmÁn,dass er AbÙ Huraira sagen hörte: "Der Gesandte Allahs sprach:،אאא،א،אאאA @א"Wer mir gehorsam ist, der ist Allah gehorsam, und wer mir ungehorsamist, der ist Allah ungehorsam. Wer dem von mir eingesetzten Befehlshabergehorsam ist, der ist mir gehorsam, und wer ihm ungehorsamist, der ist auch mir ungehorsam." In einer anderen Überlieferungvon AbÙ Huraira heißt es: @KKKאאKKKA"[…] Wer dem Befehlshaber gehorcht, der gehorcht mir. […]" Al-BuÌÁrÐ berichtet von Anas ibn MÁlik, dass der Gesandte Allahs sprach: @אאאאאאA"Hört und gehorcht, auch wenn ein äthiopischer Sklave euch v<strong>org</strong>esetztwird, dessen Kopf einer Rosine gleicht." Musl<strong>im</strong> berichtet vonÝAmr ibn al-ÝÀÒ, dass der Prophet sagte:،،אא،אA @אא"Wer einem Imam die Bai Ý a leistet, ihm seinen Handschlag gibt unddie Frucht seines Herzens, dann soll er ihm gehorchen, so er dazu <strong>im</strong>284


Stande ist. Wenn ein anderer kommt und ihm die Herrschaft streitigmacht, so schlagt dem anderen den Kopf ab."All dies sind klare Belege für die Gehorsamspflicht. So hat Allah, derErhabene, zum Gehorsam gegenüber den "Inhabern der Befehlsgewalt",den "Befehlshabern" und den "Imamen" aufgefordert. DieseAufforderung ist mit einem Indizium verknüpft worden, das denzwingenden Charakter festlegt. So hat der Gesandte den Ungehorsamgegenüber dem Befehlshaber mit dem Ungehorsam gegenüber ihmselbst und gegenüber Allah gleichgesetzt. Er hat den Gehorsam untermauert,auch wenn der Regent ein äthiopischer Sklave wäre. All dassind klare Beweise dafür, dass es sich bei der Gehorsamsaufforderungum eine apodiktische (zwingende) Aufforderung handelt. Demzufolgeist der Gehorsam gegenüber dem Herrscher verpflichtend.Der Befehl zum Gehorsam ist in freier, unbest<strong>im</strong>mter Weise (muÔlaq)erfolgt. Er wurde weder an einen best<strong>im</strong>mten Herrscher noch an best<strong>im</strong>mteBereiche gebunden. Somit stellt der Gehorsam gegenüberirgendeinem musl<strong>im</strong>ischen Herrscher eine Pflicht dar, auch wenn erungerecht ist oder ein Frevler oder das Vermögen der Menschen inungerechter Weise verschlingt. Der Gehorsam ihm gegenüber ist verpflichtend,da die Rechtsbelege in unbest<strong>im</strong>mter Form ergangen sind.Deswegen bleiben sie auch in ihrer Unbest<strong>im</strong>mtheit gültig.Darüber hinaus existieren ÍadÐ×e, die die Pflicht zum Gehorsam belegen,auch wenn der Herrscher ungerecht und frevelhaft ist. Al-BuÌÁrÐ berichtet von ÝAbdullÁh, dass dieser sagte: "Der GesandteAllahs sprach zu uns:אאW؟אאKאאאAא،אא@ "Ihr werdet nach mir eine Bevorzugung erleben und Dinge, die ihrablehnt.' Sie fragten: 'Was befiehlst du uns, o Gesandter Allahs (wennwir das erleben)?' Er antwortete: 'Gebt ihnen das, was ihnen zusteht,und fordert bei Allah das ein, was euch zusteht.'" Al-BuÌÁrÐ berichtetauch über AbÙ al-Darda' und Ibn ÝAbbÁs, dass der Gesandte Allahssprach:אא،A@"Wer von seinem Befehlshaber etwas sieht, was ihm missfällt, so soller sich in Geduld üben. Wer sich nämlich von der Gemeinschaft um285


eine Handbreit trennt und dann stirbt, der stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya."Diese ÍadÐ×e sind klar in der Aussage, dass der Gehorsam gegenüberdem Regenten – egal wie er sich verhält – verpflichtend ist. Der GesandteAllahs hat diesen Gehorsam in einer Weise herv<strong>org</strong>ehoben, dieäußerst bemerkenswert ist. So berichtet Musl<strong>im</strong> über NÁfiÝ und IbnÝUmar, dass dieser den Gesandten Allahs Folgendes sagen hörte:אאאA@"Wer seine Hand aus dem Gehorsam zieht, der trifft Allah am Tagder Auferstehung ohne Entschuldigung, und wer stirbt, ohne <strong>im</strong> Banneiner Bai Ý a zu stehen, der stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya 103 !" Bei IbnHakÐm wird der ÍadÐ× von Ibn ÝUmar angeführt, in dem der GesandteAllahs sagt:W،אאאA@א"Wer sich von der Gemeinschaft um eine Handbreit entfernt, der hatdas 'Band des <strong>Islam</strong> von seinem Nacken gelöst' 104 , bis er zurückkehrt."Er (der Prophet ) sagte auch: "Und wer stirbt, ohne dass derImam einer Gemeinschaft über ihm steht, so ist sein Tod ein Tod der¹Áhiliyya."Demzufolge ist der Ungehorsam gegenüber dem Herrscher – egal wieer sich verhält – nicht erlaubt. Es ist islamrechtlich verboten, sichgegen ihn zu stellen oder ihn gar zu bekämpfen, und zwar abgesehenvon seinem Verhalten den Bürgern gegenüber. Al-BuÌÁrÐ berichtetvon ÝAbdullÁh ibn ÝUmar, dass der Gesandte Allahs sprach:@אA"Wer gegen uns die Waffe erhebt, der gehört nicht zu uns." So ist esgrundsätzlich unzulässig, ihm die Herrschaft streitig zu machen - egalwas geschieht. Die einzige Ausnahme, die die Offenbarungstextedazu anführen, ist das Aufkommen des offenkundigen Unglaubens.103 Vorislamische Zeit der Unwissenheit.104 D. h., er hat sich vom islamischen Bann gelöst.286


<strong>Das</strong> Verbot, sie zu bekämpfen, ist in eindeutiger Form erfolgt, auchwenn sie Sündhaftes tun. So berichtet Musl<strong>im</strong> von Umm Salama,dass der Gesandte Allahs sprach:،א،،אאA@א،W؟א،"Es werden Herrscher kommen, ihr werdet (einige ihrer Taten) gutheißenund andere (ablehnen). Wer (ihre Untaten) innerlich verabscheut,der ist frei von Schuld, und wer sie anprangert, der bleibt unversehrt.Wehe jenem aber, der in Zufriedenheit folgt." Sie fragten:"Sollen wir sie nicht bekämpfen?" Er antwortete: "Nein, solange siebeten!" Und <strong>im</strong> ÍadÐ× des ÝAuf ibn MÁlik, der bei Musl<strong>im</strong> überliefertist, heißt es: @KKKאאא،W؟אWאKKKA"[…] Man fragte ihn: "O Gesandte Allahs, sollen wir sie nicht mitdem Schwerte bekämpfen?" Er antwortete: "Nein! Es sei denn, ihrseht einen offenkundigen Kufr 105 aufkommen, für den ihr von Allaheinen definitiven Beleg habt."All das sind klare Textbelege für das Verbot, sich gegen den Herrscherzu wenden, ihn zu bekämpfen oder ihm seine Herrschaft streitigzu machen. Dem zur Seite stehen die zahlreichen anderen ÍadÐ×e, dieden Gehorsam ihm gegenüber zur Pflicht erheben, egal wie ungerechtoder sündhaft er sein mag. Sie alle fordern zum uneingeschränktenGehorsam auf. Wenn nun ÀyÁt und ÍadÐ×e existieren, die in generellerForm zum Gebieten des Rechten, zum Verbieten des Unrechts undzu dessen Beseitigung mit der Hand aufrufen, so wird ihre Allgemeingültigkeitdurch diese ÍadÐ×e eingeschränkt und der Herrscherdavon ausgenommen. Demzufolge ist der Gehorsam der Musl<strong>im</strong>edem Herrscher gegenüber ein uneingeschränkter Gehorsam, der nurdurch das eingeschränkt werden darf, was die Offenbarungstexte ausgenommenhaben.Kein Gehorsam in der SündeAus der Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber dem Herrscher istnur ein Fall ausgenommen worden, und zwar der, dass er eine Sünde105 Unglaube287


anbefiehlt. Wenn der Herrscher zu einer Sünde aufruft, darf ihm nichtgehorcht werden, da die Offenbarungstexte diesen Fall aus der Gehorsamspflichtausgeschlossen haben. So berichtet NÁfiÝ von IbnÝUmar, dass der Prophet sagte:،א،אאאאאA@"Der Musl<strong>im</strong> hat zu hören und zu gehorchen, in allem, was ihm liebund unlieb ist. Es sei denn, es wird ihm eine Sünde anbefohlen. Wennihm eine Sünde anbefohlen wird, so gibt es weder ein Hören noch einGehorchen." (Musl<strong>im</strong>) Hiermit ist gemeint, dass er dem Musl<strong>im</strong> denVollzug einer Sünde anbefiehlt, und nicht, dass er sie selbst begeht.Wenn der Herrscher vor dem Musl<strong>im</strong> eine Sünde begeht, sie ihm abernicht anbefiehlt, so bleibt der Gehorsam ihm gegenüber verpflichtend.Musl<strong>im</strong> berichtet von ÝAuf ibn MÁlik al-AšºaÝÐ, dass diesersprach: "Ich hörte den Gesandten Allahs sagen:א،،אAאK،א،אא،אא،W@א،אא'Die Besten unter euren Imamen sind jene, die ihr liebt und die euchlieben, für die ihr betet und die für euch beten. Und die Schl<strong>im</strong>mstenunter euren Imamen sind jene, die ihr verabscheut und die euch verabscheuen,die ihr verflucht und die euch verfluchen.' Sie fragten: 'OGesandter Allahs, sollen wir sie dann nicht mit dem Schwerte bekämpfen?'Er antwortete: 'Nein, solange sie das Gebet aufrecht halten!Wem ein Statthalter v<strong>org</strong>esetzt wird und er sieht ihn etwas Sündhaftestun, so soll er das Sündhafte, das er tut, verabscheuen, aberkeine Hand aus dem Gehorsam ziehen.'"Dieser ÍadÐ× ist ein Beleg dafür, dass mit der Sünde nicht das Begehender Sünde durch den Herrscher gemeint ist, sondern lediglich dasAnbefehlen der Sünde. Wenn man ihn aber die Sünde selbst begehensieht, so ist es nicht erlaubt, ihm (deswegen) ungehorsam zu werden.Wenn er jedoch befiehlt, Gott gegenüber ungehorsam zu werden, sodarf ihm nicht gehorcht werden, da es keinen Gehorsam gegenüber288


einem Geschöpf gibt, wenn dem Schöpfer Ungehorsam geleistetwird.Dies ist der einzige Fall, der aus der Gehorsamspflicht ausgeschlossenwurde: der Fall, dass der Herrscher eine Sünde anbefiehlt. Mit"Sünde" ist in diesem Zusammenhang die eindeutige Sünde gemeint,wo zweifellos feststeht, dass es sich um eine Sünde handelt, wie beispielsweise<strong>im</strong> Falle des Befehls, Zinsen (RibÁ) zu nehmen. Wenn erjedoch etwas anbefiehlt, was in seinen Augen erlaubt ist und in denAugen anderer verboten, so ist es Pflicht, ihm zu gehorchen. In diesemFalle handelt es sich nicht um das Anbefehlen einer Sünde, sondernum den Befehl, etwas Erlaubtes zu tun. Wenn man beispielsweiseder Ansicht ist, Lichtbilder seien verboten, er aber die Meinungvertritt, sie seien islamrechtlich erlaubt, und den Befehl erteilt, vonoffiziellen Vertragsabschlüssen Lichtbilder zu nehmen, so ist derGehorsam ihm gegenüber verpflichtend. Es ist in diesem Falle sogarverboten, ihm den Gehorsam zu verweigern. Er ist nämlich derRechtsauffassung, dass mit dem Abbildungsverbot <strong>im</strong> ÍadÐ×, den IbnÝAbbÁs überliefert, das manuelle Abbilden (von Lebewesen) gemeintist und der ÍadÐ× auf die Photoabbildung nicht zutrifft. Für ihn entsprichtdas einem Rechtsbeleg oder zumindest einem Scheinbeleg.Deswegen stellt sein Befehl, ein Lichtbild auf alle offiziellen Vertragsdokumentezu setzen, keinen Befehl zur Sünde dar. Er muss befolgtwerden, und eine Befehlsverweigerung wäre in diesem Falleverboten.289


Die Rechenschaftsforderung von den Regenten ist fürdie Musl<strong>im</strong>e eine VerpflichtungDie Rechenschaftsforderung von den Herrschern stellt für die Musl<strong>im</strong>eeine Pflicht dar. <strong>Das</strong> Gebot. ihnen zu gehorchen – auch wenn sieungerecht sind und die Rechte anderer verschlingen – bedeutetnämlich nicht, ihr Unrecht hinzunehmen. Vielmehr ist der Gehorsamihnen gegenüber ebenso verpflichtend wie das Gebot, sie für ihreTaten und Verhaltensweisen zur Rechenschaft zu ziehen.So hat es Allah, der Erhabene, den Musl<strong>im</strong>en zur Pflicht gemacht,ihre Herrscher zur Rechenschaft zu ziehen. Er befahl ihnen in zwingenderWeise, verändernd auf sie einzuwirken, wenn sie die Rechteder Bürger verletzen, ihren Pflichten ihnen gegenüber nicht nachkommen,eine ihrer Angelegenheiten vernachlässigen, den Gesetzendes <strong>Islam</strong> zuwiderhandeln oder nach etwas anderem richten als dem,was Allah herabgesandt hat. Musl<strong>im</strong> berichtet von Umm Salama, dassder Gesandte Allahs sprach:،א،،אאA@א،W؟א،"Es werden Herrscher kommen, ihr werdet (einige ihrer Taten) gutheißenund andere ablehnen. Wer (das Schlechte als solches) erkennt,der ist frei von Schuld (da er einen Weg zu der für ihn rettendenAnprangerung gefunden hat), und wer (das Schlechte) anprangert, derbleibt unversehrt. Wehe dem aber, der in Zufriedenheit folgt." Siefragten: "Sollen wir sie nicht bekämpfen?" Er antwortete: "Nein,solange sie beten!" In einem anderen Wortlaut bei Musl<strong>im</strong> heißt es:@،א،A"Wer (ihre Untaten) innerlich verabscheut, der ist frei von Schuld,und wer sie anprangert, der bleibt unversehrt. Wehe dem aber, der inZufriedenheit folgt." Der Wortlaut der zweiten Überlieferung erläutertden Wortlaut der Ersten. So hat der Gesandte das Anprangernbzw. Zurechtweisen des Herrschers anbefohlen und es mit jedemmöglichen Mittel zur Pflicht erklärt, unter der Voraussetzung aber,dass es kampflos, d. h. ohne Blutvergießen, erfolgt, solange der Kalifden offenkundigen Kufr nicht aufkommen lässt. Der Befehl zurAnprangerung mit dem Wort ist jedoch uneingeschränkt ergangen,d. h. mit jeder möglichen Aussage. Schließlich kann der Musl<strong>im</strong> das290


Unrecht auch mit dem Herzen "anprangern", wenn er zurVeränderung mit "der Hand" oder zur Anprangerung mit der Zungenicht in der Lage ist. Denjenigen aber, der in keiner Weise dasUnrecht anprangert, hat der ÍadÐ× zum Teilhaber des Herrschers inder Sünde gemacht, indem er sagt: Wehe dem aber, der mit ihrenHandlungen zufrieden ist und ihnen folgt, denn er ist nicht frei vonSchuld, bleibt nicht unversehrt.Darüber hinaus sind die Rechtsbelege für das Gebieten dessen, wasrechtens ist, und für das Anprangern des Unrechts auf Rechtsbelegefür die Rechenschaftsforderung vom Herrscher, da sie in allgemeiner,genereller Form erfolgt sind und somit den Herrscher und andereumfassen. Allah hat das Gebieten dessen, was rechtens ist, und dasAnprangern des Unrechts zu einer apodiktischen Pflicht erhoben. Sosagt Er: אא"Aus euch möge eine Gemeinschaft herv<strong>org</strong>ehen, die zum Guten aufruft,das gebietet, was rechtens ist, und das Unrecht anprangert." (SureÀli ÝImrÁn 3, Àya 104) Und Er sagt: א"Ihr seid die beste Gemeinschaft, die je den Menschen herv<strong>org</strong>ebrachtwurde; ihr gebietet das, was rechtens ist, und ihr prangert dasUnrecht an." (Sure Àli ÝImrÁn 3, Àya 110) Auch sagt Er:אאא"Diejenigen, die dem Gesandten, dem Propheten, der des Lesens undSchreibens unkundig ist, folgen, den sie bei sich in der Thora und <strong>im</strong>Evangelium verzeichnet finden und der ihnen gebietet, was rechtensist, und verbietet, was verwerflich ist." (Sure al-AÝrÁf 7, Àya 157). Er sagt:א א אא אאא"Die Bußfertigen, die Betenden, die Lobpreisenden, die auf SeinemWege wandern, die sich beugen, sich niederwerfen, das gebieten, wasrechtens ist, und das Unrecht anprangern und diejenigen, die dieאאאאאאאאאאאא291


Grenzen Allahs einhalten, und verkünde den Gläubigen die Frohbotschaft."(Sure al-Tauba 9, Àya 112) Und Er sagt:אאאא אאא אא"Diejenigen, die, wenn Wir ihnen Macht auf Erden verleihen, das Gebetaufrecht halten, die ZakÁt entrichten, das gebieten, was rechtensist, und das Unrecht anprangern." (Sure al-Íaºº 22, Àya 41)In all diesen ÀyÁt hat Allah zum Gebieten dessen, was rechtens ist,und zum Anprangern des Unrechts aufgefordert. Diese Aufforderungist jedoch mit einem Indizium verknüpft worden, das ihren zwingenden(apodiktischen) Charakter belegt, und zwar durch das expliziteLob in der Aussage:א"[…] und diese sind wahrlich die Erfolgreichen" (Sure Àli ÝImrÁn 3, Àya104) sowie in der Aussage: "Ihr seid die beste Gemeinschaft […]" (Sure Àli ÝImrÁn 3, Àya 110) undebenso durch andere Aussagen. Somit stellt dies ein Indizium dar,dass es sich bei dieser Aufforderung um eine zwingende Aufforderunghandelt, um ein Pflichtgebot also. Und die Rechenschaftsforderungvom Regenten bedeutet ja, ihm das Rechte zu gebieten und dasUnrecht, das er tut, anzuprangern. Demzufolge stellt sie islamrechtlicheine Pflicht dar.Ebenso existieren zahlreiche ÍadÐ×e, die das Gebieten dessen wasrechtens ist, und das Anprangern des Unrechts (verpflichtend) belegen.Von ÍuÆaifa ibn al-YamÁn wird berichtet, dass der GesandteAllahs sprach:אא،א،אA @،"Bei Dem, in Dessen Händen meine Seele liegt. So gebietet das, wasrechtens ist, und prangert das Unrecht an. Ansonsten wird AllahSeine Strafe über euch kommen lassen; ihr werdet Ihn anflehen und292


Er wird euch nicht erhören." (AÎmad und al-TirmiÆÐ) Von AbÙ SaÝÐd al-ËudarÐ wird berichtet, dass der Gesandte Allahs sagte:،،אA @אא"Wer von euch ein Unrecht sieht, der soll es mit der Hand beseitigen.Wenn er dazu nicht <strong>im</strong> Stande ist, dann soll er es mit der Zunge anprangern.Wenn er dazu auch nicht <strong>im</strong> Stande ist, dann soll er es mitdem Herzen tun, und dies ist der schwächste Iman 106 ." (Musl<strong>im</strong>) Auchberichtet AÎmad von ÝUdai ibn ÝUdai ibn ÝUmaira al-KindÐ, dass diesersprach: "Ich habe den Gesandten Allahs sagen hören:אאא،אאאאA @אאאאא،אא"Allah, der Erhabene und Gewaltige, bestraft die Allgemeinheit nichtmit den Taten der Vornehmen, bis sie das Unrecht unter sich aufkommensieht, sie in der Lage ist, es anzuprangern, und dies nicht tut.Wenn das geschieht, dann bestraft Allah Vornehme und Allgemeinheit."All diese ÍadÐ×e belegen die Pflicht zum Gebieten des Rechten undzum Anprangern des Unrechts. Somit belegen sie auch die Pflicht,dem Herrscher das Rechte zu gebieten und sein Unrecht anzuprangern,und dies entspricht zweifelsohne einer Rechenschaftsforderungvon ihm für seine Taten. Darüber hinaus existieren ÍadÐ×e, die denHerrscher explizit erwähnen, um die Rechenschaftsforderung vonihm zu untermauern, da der Rechenschaftsforderung vom Herrscher,dem Gebieten des Rechten ihm gegenüber und dem Anprangern seinerunrechten Taten große Wichtigkeit zukommt. AÎmad berichtetvon AbÙ SaÝÐd, dass der Gesandte Allahs sprach: @אA"Der beste ¹ihÁd ist ein wahres Wort zu einem ungerechten Herrscher."Und von AbÙ UmÁma wird berichtet, dass er sagte:؟אאאWאאאA؟אאWא،א، @W،אאWEin Mann kam be<strong>im</strong> ersten Steinwurf zum Gesandten Allahs undfragte ihn: "O Gesandter Allahs, was ist der beste ¹ihÁd?" Der Pro-106 Glaube, Überzeugung293


phet jedoch schwieg. Als er den zweiten Stein geworfen hatte, fragteihn der Mann ein zweites Mal, doch der Prophet schwieg auch diesmal.Als er den dritten ( c Aqaba)-Stein warf und seinen Fuß in denBügel setzte, um aufzusteigen, sprach er: "Wo ist der Fragende?" DerMann meldetet sich: "Ich o Gesandter Allahs." Da antwortete er ihm:"Ein wahres Wort zu einem ungerechten Machthaber." (AÎmad undIbn MÁºa)Dies ist ein Textbeleg den Herrscher betreffend. Er legt die Pflichtfest, dem Herrscher gegenüber die Wahrheit auszusprechen, mit anderenWorten: ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Somit stellt die Abwehrder Machenschaften der Herrscher, wenn diese die Rechte derBürger unterschlagen, ihren Pflichten ihnen gegenüber nicht nachkommen,eine ihrer Angelegenheiten vernachlässigen oder Ähnlichestun, ein Pflichtgebot dar (FarÃ). Denn Allah hat dies zur Pflicht erhobenund es dem ¹ihÁd gleichgesetzt. Er hat es sogar zum besten¹ihÁd erklärt, als ob er sagen würde: Der beste ¹ihÁd bei Allah istdie Abwehr (der Machenschaften) der ungerechten Herrscher. Diesallein würde ausreichen, um die Pflicht der Rechenschaftsforderungvon den Herrschern zu belegen.Der Gesandte hat zum Widerstand gegen die ungerechten Herrscherin sehr deutlicher Form angespornt, egal welches Leid man dafür ertragenmuss – auch wenn es zum Tod führen sollte. So hat al-HakÐmauf dem Wege des ¹Ábir überliefert, dass der Prophet sagte: @אא،אאאA"Der Herr der Märtyrer ist Íamza ibn Abd al-Muttalib sowie einMann, der sich gegen einen ungerechten Imam erhebt, ihm dasRechte gebietet und sein Unrecht anprangert und dafür von ihm getötetwird." Dies gehört zu den bestechendsten Formulierungen überdas Aussprechen der Wahrheit und das Ertragen von Leid, das biszum Tode führt, um die Herrscher zur Rechenschaft zu ziehen undden Ungerechten von ihnen in ihren Machenschaften Widerstand zuleisten.294


<strong>Das</strong> Bekämpfen des Herrschers ist Pflicht, wenn er den offenkundigenKufr aufkommen lässtWie aus der Gehorsamspflicht gegenüber dem Herrscher ein Fallausgenommen wurde, nämlich der, dass er eine Sünde anbefiehlt, istaus dem Verbot, sich gegen ihn aufzulehnen und ihn mit der Waffe zubekämpfen, ebenso ein Fall ausgenommen worden, und zwar der,dass der offenkundige Unglaube aufkommt. Wenn der offenkundigeUnglaube aufkommt, wird der bewaffnete Kampf gegen ihn zurPflicht, da klare Textbelege für eben diesen Fall existieren. So habendie Offenbarungstexte diesen Fall aus dem Verbot, sich (mit derWaffe) gegen den Herrscher aufzulehnen, herausgenommen. ÝAuf ibnMÁlik al-AšºaÝÐ berichtet: "Ich hörte den Gesandten Allahs sagen:א،،אAאK،א،אא،אא،W@א،אא"Die Besten unter euren Imamen sind jene, die ihr liebt und die euchlieben, für die ihr betet und die für euch beten. Und die Schl<strong>im</strong>mstenunter euren Imamen sind jene, die ihr verabscheut und die euch verabscheuen,die ihr verflucht und die euch verfluchen.' Sie fragten: 'OGesandter Allahs, sollen wir sie dann nicht mit dem Schwerte bekämpfen?'Er antwortete: 'Nein, solange sie das Gebet aufrecht halten!'"(Musl<strong>im</strong>) Mit der "Aufrechterhaltung des Gebets" ist das Regierennach dem <strong>Islam</strong> gemeint, d. h. die Durchführung der Gesetze desislamischen Rechts. Es handelt sich hier um eine metaphorische Formulierung,bei der ein Teil erwähnt wird, um das Ganze zu bezeichnen.In ähnlicher Weise stellt es sich bei der göttlichen Aussagedar:"[…] so ist ein "Hals" in Freiheit zu setzen." (Sure al-MuºÁdala 58, Vers 3)Hier ist die Befreiung des ganzen Sklaven gemeint und nicht nur dieBefreiung "seines Halses". In unserem Fall sagt der Gesandte: @אאאA"[…] solange sie das Gebet aufrecht halten." <strong>Das</strong> bedeutet, die gesamtenGesetze des islamischen Rechts aufrechtzuerhalten und nichtnur das Gebet. Diese Aussage gehört zu den metaphorischen Formu-295


lierungen (al-MaºÁz), bei der ein Teil erwähnt wird, um das Ganze zubezeichnen. Von Umm Salama wird berichtet, dass der GesandteAllahs sprach:،א،،אאA@א،W؟א،"Es werden Herrscher kommen, ihr werdet (einige ihrer Taten) gutheißenund andere ablehnen. Wer (das Schlechte als solches) erkennt,der ist frei von Schuld (da er einen Weg zu der für ihn rettenden Anprangerunggefunden hat), und wer (das Schlechte) anprangert, derbleibt unversehrt. Wehe dem aber, der in Zufriedenheit folgt." Siefragten: "Sollen wir sie nicht (mit der Waffe) bekämpfen?" Er antwortete:"Nein, solange sie beten!" (Musl<strong>im</strong>) <strong>Das</strong> bedeutet: solange siedie Gesetze des islamischen Rechts aufrecht halten, wozu auch dasGebet gehört. Auch hier wird ein Teil erwähnt, um das Ganze zubezeichnen. Und von Ý ÝUbāda ibn al-ÑÁmit wird berichtet, dass ersagte:אאאאW،אAאאאאW،אאא،،، @אא"Der Prophet rief uns zur Bai Ý a auf, und wir gaben sie ihm. Zu dem,wofür er uns die Bai Ý a abnahm, zählte, dass wir hören und gehorchenin allem, was uns lieb und unlieb ist, in leichten wie in schwierigenDingen, dass wir die Befehlshaber uns selbst vorziehen und die Befehlsgewaltjenen, die sie innehaben, nicht streitig machen." Er ergänzte:Es sei denn, ihr seht einen offenkundigen Kufr, für den ihrvon Allah einen definitiven Beleg habt!" (Musl<strong>im</strong>)Diese drei ÍadÐ×e – der ÍadÐ× von ÝAuf ibn MÁlik, von Umm Salamaund von ÝUbÁda ibn al-ÑÁmit – beschäftigen sich mit dem Thema derbewaffneten Auflehnung gegen den Imam. Sie verbieten diese Auflehnungin definitiver Weise:@WA"Sollen wir sie dann nicht mit dem Schwerte bekämpfen?" Er antwortete:"Nein."296


@W،A"Sollen wir sie nicht (mit der Waffe) bekämpfen?" Er antwortete:"Nein." @אאאA"[…] und die Befehlsgewalt jenen, die sie innehaben, nicht streitigmachen." All diese ÍadÐ×e verbieten in definitiver Weise, den Herrscherzu bekämpfen. Sie beinhalten nämlich eine Unterlassungsaufforderung.Wenn diese mit den ÍadÐ×en verknüpft wird, die eine Auflehnunggegen den Herrscher verurteilen, wie z. B. die Aussage desGesandten @،א،אA"Wer den Gehorsam verlässt, sich von der Gemeinschaft trennt undstirbt, der stirbt einen Tod der ¹Áhiliyya" (von al-NasÁÞÐ auf dem Wege desAbÙ Huraira überliefert), dann handelt es sich um eine apodiktische(zwingende) Unterlassungsaufforderung. So hat dieser ÍadÐ× den Toddessen, der sich gegen den Imam auflehnt, als ¹Áhiliyya-Tod bezeichnet.<strong>Das</strong> ist ein juristisches Indizium dafür, dass es sich bei derUnterlassungsaufforderung um eine zwingende Aufforderung handelt.Deswegen sind diese ÍadÐ×e ein Beleg für das Verbot, sich gegenden Herrscher aufzulehnen.Die ÍadÐ×e haben jedoch einen Zustand davon ausgenommen. In denersten beiden ÍadÐ×en, wurde dieser als "Nichtaufrechterhaltung desGebets" bzw. als "Nichtbeten" bezeichnet, <strong>im</strong> dritten ÍadÐ× mit dem"Aufkommen des offenkundigen Kufr". Die "Nichtaufrechterhaltungdes Gebets" und das "Nichtbeten", also das Nichtregieren nach denGesetzen Allahs, meint das Regieren nach den Gesetzen des Kufr,was zweifelsohne dem "Aufkommen des offenkundigen Kufr" entspricht.Der Ausdruck Kufran bawÁÎan (offenkundiger Kufr) <strong>im</strong>ÍadÐ× stellt ein unbest<strong>im</strong>mtes, attribuiertes Nomen (Nakira mawÒÙfa)dar, das alles umfasst, was unter die Bezeichnung "offenkundigerKufr" fällt. Wenn also der offenkundige Kufr, für den wir von Allaheinen definitiven Beleg haben, aufkommt, dann müssen wir demHerrscher mit der Waffe begegnen. Dies gilt für den Fall, dass er mitden Gesetzen des Unglaubens richtet – indem er nach etwas anderemrichtet als dem, was Allah herabgesandt hat –, in gleicher Weise wiefür den Fall, dass er nicht nach dem Unglauben richtet, aber den Unglauben,z. B. in Form von Zulassung der Apostasie und ihrem offe-297


nen Zur-Schau-Tragen durch die Apostaten, aufkommen lässt. Gleichesgilt auch für ähnliche Fälle. Sie alle fallen unter die Bezeichnung"Aufkommen des offenkundigen Kufr", die jede Form des offenenUnglaubens umfasst. Dies ist die einzige Situation, die vom Verbotder Auflehnung gegen den Herrscher ausgenommen wurde, nämlichdas Aufkommen des offenkundigen Kufr. Wenn der offenkundigeKufr aufkommt, wird die bewaffnete Auflehnung zur Pflicht.Der Beweisaspekt (Waºh al-DalÁla) in diesen ÍadÐ×en für die Verpflichtung,sich gegen den Herrscher aufzulehnen, ist die Tatsache,dass der Gesandte es verboten hat, die Herrscher zu bekämpfen, dasSchwert gegen sie zu erheben und ihnen die Herrschaft streitig zumachen. Er hat nur diesen einen Zustand davon ausgenommen. DieHersausnahme dieses Zustandes bedeutet allerdings, ihn vom generellenVerbot auszuschließen. Dieser Ausschluss ist gleichzeitig alsHandlungsaufforderung zu verstehen. Ihrer sinngemäßen Bedeutung(MafhÙm) nach weisen die ÍadÐ×e somit auf den Befehl hin, denHerrscher zu bekämpfen, das Schwert gegen ihn zu erheben und ihmdie Herrschaft streitig zu machen, wenn dieser Zustand eintritt. Diesinngemäße Bedeutung (MafhÙm) von Textaussagen ist in ihrer Beweiskraftder wörtlichen Aussage (ManÔÙq) gleichgestellt. Somitstellt sie einen Rechtsbeleg dar, dass der Gesetzgeber es angeordnethat, den Herrscher zu bekämpfen, die Waffe gegen ihn zu erhebenund ihm die Herrschaft streitig zu machen, wenn er den offenen Unglaubenaufkommen lässt.Was das belegende Indizium (al-QarÐna) anbelangt, dass es sich hierbeium eine zwingende (apodiktische) Anordnung handelt, so gehtdies aus folgendem Umstand hervor: Der Gegenstand der Anordnungwurde durch das islamische Recht <strong>im</strong> Besonderen betont und als verpflichtendherv<strong>org</strong>ehoben. So ist das Regieren nach dem <strong>Islam</strong> vomislamischen Recht zur Pflicht (FarÃ) erhoben worden und nicht nur zueiner wünschenswerten Angelegenheit (MandÙb), und das Aufkommendes offenen Unglaubens (al-Kufr al-bawÁÎ) ist definitivverboten und nicht bloß für unerwünscht (makrÙh) erklärt worden.Der Gegenstand der Anordnung (MawÃÙÝ al-Óalab) stellt somit selbstein juristisches Indizium dafür dar, dass es sich um eine zwingendeAnordnung handelt. Demzufolge ist die bewaffnete Auflehnung gegenden Herrscher in dieser ausgenommenen Situation nicht nur erlaubt,sondern verpflichtend für die Musl<strong>im</strong>e.298


Es muss jedoch bedacht werden, dass mit dem "Aufkommen des offenkundigenKufr" der Unglaube gemeint ist, der als solcher durcheinen definitiven Beweis feststeht. Der Gesandte hat sich nämlichnicht mit der Aussage@אאA"offenkundiger Kufr" begnügt, sondern hat dies noch mit dem Nachsatzergänzt: @אA"für den ihr von Allah einen definitiven Beleg habt." <strong>Das</strong> Wort BurhÁn<strong>im</strong> ÍadÐ× bezeichnet ausschließlich den definitiven Beleg. Demgemäßist die Existenz eines definitiven Beweises für das Auftretendes offenen Unglaubens eine Voraussetzung, um sich gegen denHerrscher aufzulehnen. Sollte es den leisesten Zweifel daran geben,dass es sich wirklich um Unglauben handelt, oder nur ein glaubhafterBeleg (DalÐl ÛannÐ) dafür existieren – auch wenn dieser richtig ist –,so ist die Auflehnung gegen den Herrscher in diesem Falle verboten,da die Auflehnung nur dann erlaubt ist, wenn ein definitiver Beweisvorhanden ist, dass es sich um einen Unglauben handelt.Demzufolge ist mit dem offenen Kufr der Unglaube gemeint, überden es keinen Zweifel mehr gibt, dass es sich um einen Unglaubenhandelt, und der durch einen definitiven Beweis als solcher belegt ist.Wenn der Herrscher jedoch eine Handlung anbefiehlt, bei der nochUnsicherheit besteht, ob es Unglauben ist, so darf man sich nicht mitdem Vorwand des offenen Kufr gegen ihn stellen, weil noch <strong>im</strong>merein Zweifel daran besteht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn derHerrscher das Unterrichten der Theorie der Dialektik an den Universitätenanordnet oder das Unterrichten von nichtislamischen Glaubensgrundlagen.Ist man nun der Ansicht, dass das Unterrichten vonnichtislamischen Glaubensgrundlagen zum Unglauben führt, so hatman trotzdem die Pflicht, ihm zu gehorchen und die nichtislamischenIdeen, deren Unterrichtung er angeordnet hat, müssen in den Lehrplanaufgenommen werden. In diesem Fall ist es nicht erlaubt, sich gegenihn mit dem Argument aufzulehnen, der offenkundige Kufr sei aufgetreten.Der Herrscher besitzt nämlich einen islamischen Rechtsbelegdafür, dass das Kennenlernen von nichtislamischen Glaubensgrundlagenerlaubt ist, weil Allah <strong>im</strong> Koran nichtislamische Glaubensgrundlagenanführt und sie widerlegt.299


In dieser Weise ist mit allen Angelegenheiten zu verfahren, die einenBeleg oder Scheinbeleg besitzen, dass sie nicht zum Unglauben gehören,bzw. die einen Beleg oder Scheinbeleg haben, dass sie islamischsind. Wenn der Herrscher sie anbefiehlt oder selbst vollzieht,so ist das weder als Regieren nach den Gesetzen des Unglaubensnoch als Aufkommen des offenkundigen Unglaubens anzusehen.Dieser Fall ist in der Ausnahme nicht beinhaltet. Somit ist es nichterlaubt, deswegen gegen den Herrscher aufzubegehren, vielmehr istder Gehorsam ihm gegenüber weiterhin verpflichtend.300


Die Gründung politischer Parteien ist eine Pflicht derGenügeDie Rechenschaftsforderung von den Regenten, die Allah den Musl<strong>im</strong>enanbefohlen hat, wird von Einzelpersonen in ihrer Eigenschaftals Individuen und von Blöcken und Parteien in ihrer kollektivenbzw. parteispezifischen Eigenschaft durchgeführt.Allah hat den Musl<strong>im</strong>en den Aufruf zum Guten, das Gebieten desRechten, das Verbieten des Unrechts und die Rechenschaftsforderungvon den Regenten anbefohlen. In gleicher Weise befahl er ihnenauch, politische Böcken zu bilden, die in ihrer Eigenschaft als Kollektivzum Guten, d. h. zum <strong>Islam</strong>, aufrufen, das gebieten, was rechtensist, das Unrecht anprangern und die Regenten zur Rechenschaftziehen. Allah, der Erhabene, sagt: אא"Und aus euch soll eine Gemeinschaft herv<strong>org</strong>ehen, die zum Gutenaufruft, das Rechte gebietet und das Unrecht anprangert." (Sure ÀliÝImrÁn 3, Àya 104) <strong>Das</strong> bedeutet: Ihr Musl<strong>im</strong>e sollt aus eurer Mitte eineGemeinschaft gründen, welche die Wesensmerkmale einer Gemeinschaftbesitzt und zwei Aufgaben zu erfüllen hat: das Verkünden des<strong>Islam</strong>, das Gebieten des Rechten und das Anprangern des Unrechts.Diese Aufforderung zur Gründung einer Gemeinschaft bzw. Gruppeist in zwingender Weise erfolgt, denn die Tätigkeit, die diese Gruppegemäß dem Koranvers erfüllen soll, ist eine Pflicht für die Musl<strong>im</strong>e,wie es viele ÀyÁt und ÍadÐ×e belegen. Dies ist somit ein juristischesIndizium dafür, dass es sich bei der Aufforderung zur Gründung einerGruppierung um eine apodiktische, d. h. zwingende Aufforderunghandelt. Demzufolge stellt der Befehl in der Àya ein Pflichtgebot dar,das von den Musl<strong>im</strong>en zur Genüge erfüllt werden muss (FarÃKifÁya). Wenn dieses Gebot von einigen Musl<strong>im</strong>en erfüllt wurde, sofällt es von den anderen ab. Es handelt sich dabei nicht um einindividuelles Gebot (Farà ÝAin), denn Allah hat von den Musl<strong>im</strong>enverlangt, aus ihren Reihen eine Gruppe zu gründen, die zum Gutenaufruft, das Rechte gebietet und das Unrecht anprangert. Er hat nichtvon allen Musl<strong>im</strong>en verlangt, dies zu tun. Vielmehr hat er sie dazuaufgefordert, aus ihren Reihen eine Gruppe zu gründen, die dieser301


Pflicht nachkommt. Der Befehl in der Àya bezieht sich nämlich nurauf die Gründung einer Gruppe und nicht auf die anderen (erwähnten)Tätigkeiten.Die anderen Tätigkeiten stellen eine Erläuterung der Aufgaben dar,die dann von der Gruppe, die es zu gründen gilt, erfüllt werden müssen.Es handelt sich somit um die Beschreibung der Art der Gruppierung,die es zu gründen gilt.Damit eine Gruppierung ihre Tätigkeit als kollektive Bewegung inAngriff nehmen kann, muss sie gewisse Bedingungen erfüllen, um alsGruppe zu gelten und ihre Tätigkeiten als solche fortzuführen.Was sie als Gruppe gelten lässt, ist die Existenz einer Bindung unterihren Mitgliedern, damit sie zu einem einzigen Körper, d. h. zu einemBlock, verschmelzen. Wenn es diese Bindung nicht gibt, dann gibt esauch die Gruppe nicht, die es zu gründen gilt. Was ihren Fortbestandals tätige Gruppe gewährleistet, ist das Vorhandensein einesAnführers (AmÐr), dem man gehorchen muss. <strong>Das</strong> islamische Rechthat nämlich jeder Gemeinschaft, die drei und mehr Mitglieder zählt,befohlen, einen AmÐr zu ernennen. So sagt der Gesandte Allahs: @אאאA"Drei Leuten ist nicht erlaubt in einer öden Gegend zu existieren,ohne dass sie einen von ihnen zum Anführer ernennen. […]" (VonAÎmad auf dem Wege des ÝAbdullÁh ibn ÝAmr überliefert.)Diese beiden (für die Gruppe notwendigen) Merkmale, nämlich dieExistenz einer Bindung innerhalb der Gruppe und eines Anführers,dem man gehorchen muss, belegen, dass der göttliche Ausspruch "Und aus euch soll eine Gemeinschaft herv<strong>org</strong>ehen" folgende ausführlicheBedeutung hat: Aus euch soll eine Gruppe entstehen, dieeine Bindung zwischen ihren Mitgliedern hat und einen Anführer,dem man verpflichtend gehorchen muss. Und so eine Gruppe bezeichnetman auch als Gemeinschaft, Block, Partei oder Vereinigung.Es sind auch andere Gruppenbezeichnungen zulässig, solange sie dasExistenzmerkmal einer Gruppe beinhalten und die Voraussetzung, diesie als tätige Gruppe fortbestehen lässt. Daraus ergibt sich, dass in302


dem Koranvers der Befehl ergangen ist, Parteien, Blöcke, Vereinigungen,Organisationen oder Ähnliches zu gründen.<strong>Das</strong>s es sich um einen Befehl zur Gründung politischer Parteien handelt,geht aus der Tatsache hervor, dass der Koranvers die Tätigkeitdieser Vereinigung mit dem Aufruf zum <strong>Islam</strong>, dem Gebieten desRechten und dem Anprangern des Unrechts festgelegt hat. Der Befehlzum Gebieten des Rechten und zum Anprangern des Unrechts ist inallgemeiner Form (ÝÁmm) ergangen; er umfasst somit auch, denHerrschern das Rechte zu gebieten und ihr Unrecht anzuprangern.Demzufolge beinhaltet er die Pflicht, sie zur Rechenschaft zu ziehen.Die Rechenschaftsforderung von den Regenten ist eine politischeTätigkeit, die von politischen Parteien vollzogen wird. Sie gehört zuden wichtigsten Aufgaben politischer Parteien.Der Vers stellt somit einen Rechtsbeleg für die Gründung politischerParteien dar, die zum <strong>Islam</strong> aufrufen, das Rechte gebieten, das Unrechtanprangern und die Herrscher für ihre Taten und ihr Verhaltenzur Rechenschaft ziehen.Der Vers belegt weiterhin, dass es islamische Parteien sein müssen,die auf dem Fundament der islamischen gründen und sich die islamischenRechtssprüche angeeignet haben (TabannÐ). So ist es unzulässig,dass es kommunistische, sozialistische, kapitalistische, nationalistischeoder patriotische Parteien sind. Ebenso dürfen es keineParteien sein, die zur Demokratie, zur Säkularisierung, zur Fre<strong>im</strong>aurereiaufrufen, die nicht auf dem islamischen Überzeugungsfundamentgründen oder sich nicht die islamischen Rechtssprüche aneignen.Der Vers hat nämlich das Attribut dieser Parteien durch die Tätigkeitenfestgelegt, die sie zu erfüllen haben. Diese Tätigkeiten sindder Aufruf zum <strong>Islam</strong>, das Gebieten des Rechten und das Anprangerndes Unrechts. Wer diese Tätigkeiten erfüllt, ist notwendigerweise einTräger des <strong>Islam</strong>, der auf dem Fundament des <strong>Islam</strong> aufbaut und sichseine Rechtssprüche angeeignet hat. Wer sich auf kommunistischer,sozialistischer, kapitalistischer, demokratischer, laizistischer, fre<strong>im</strong>aurerischer,nationalistischer, patriotischer oder regionalistischerGrundlage zusammenschließt, kann nicht auf der Grundlage des <strong>Islam</strong>aufbauen; er kann kein Träger des <strong>Islam</strong> sein und sich seineRechtssprüche auch nicht angeeignet haben. So jemand baut vielmehr303


auf den Grundlagen des Unglaubens auf und hat sich auf der Basisungläubiger Ideen zusammengeschlossen.Deswegen ist es den Musl<strong>im</strong>en verboten, sich auf kommunistischer,sozialistischer, kapitalistischer, demokratischer, laizistischer, fre<strong>im</strong>aurerischer,nationalistischer, patriotischer oder auf irgendeiner anderenGrundlage als dem <strong>Islam</strong> zusammenzuschließen.Diese Parteien müssen öffentlicher und dürfen nicht gehe<strong>im</strong>er Natursein. Der Aufruf zum Guten (al-DaÝwa), das Gebieten dessen, wasrechtens ist, das Anprangern des Unrechts, die Rechenschaftsforderungvon den Regenten und der Einsatz zur Herrschaftsübernahmeauf dem Wege der Umma sind alles Tätigkeiten, die in öffentlicherund klarer Form vollzogen werden müssen und nicht <strong>im</strong> Gehe<strong>im</strong>enund Verb<strong>org</strong>enen, um den damit verbundenen Zweck zu erfüllen.Die Tätigkeit dieser Parteien muss <strong>im</strong>materieller (d. h. gewaltfreier)Natur sein, denn ihre Aufgabe ist die Verkündung mit dem Wort. Sorufen sie mit dem Wort zum <strong>Islam</strong> auf, sie gebieten das Rechte undprangern das Unrecht mit Worten an. Deswegen sind ihre Mittelfriedlicher Natur. Sie verwenden keine Waffen und bedienen sichkeiner Gewaltmittel in ihren Tätigkeiten, weil das Erheben der Waffegegen den Herrscher gemäß der Aussage zahlreicher ÍadÐ×e verbotenist. <strong>Das</strong> Gebieten dessen, was rechtens ist, das Anprangern des Unrechtsund die Rechenschaftsforderung von den Regenten könnensomit gewaltfrei erfolgen, ohne die Waffe gegen sie zu erheben.Demzufolge müssen sich diese Parteien friedlicher Mittel bedienen,sie dürfen nicht materieller Natur sein. <strong>Das</strong> Heben der Waffe gegenden Herrscher ist verboten, außer in einem einzigen Fall: wenn er denoffenkundigen Kufr aufkommen lässt, für den wir von Allah einendefinitiven Beweis haben. So ist es <strong>im</strong> ÍadÐ× von ÝUbÁda ibn al-ÑÁmitangeführt: @אאאאאאW،אאאA"[…] und dass wir die Befehlsgewalt jenen, die sie innehaben, nichtstreitig machen. Er (der Prophet) ergänzte: "Es sei denn, ihr seht einenoffenen Kufr (Unglaube), für den ihr von Allah einen eindeutigenBeweis habt."304


Die Gewährleistung der Anwendung des <strong>Islam</strong>Die natürliche Gewähr für die Anwendung des <strong>Islam</strong>, für das Tragenseiner Botschaft, für den Fortbestand seiner Anwendung und ihreKorrektheit ist die Gottesfurcht des Herrschers und die Festigung dieserGottesfurcht in seinem Herzen. Diese Gottesfurcht lässt ihn nämlichmehr auf den <strong>Islam</strong> achten als auf sein eigenes Leben. Erst rechtsetzt er ihn dann vor seine eigenen Bedürfnisse. Sie entwickelt beiihm eine Feinsinnigkeit, die ihn in jedem Moment und bei jeder TatAllahs gedenken lässt. In jeder seiner Handlungen wird er Ihnbeobachten und an Ihn denken. Wenn der Herrscher die Gottesfurchtverliert, dann verliert er die natürliche Gewähr für die Anwendungdes <strong>Islam</strong>, für die Richtigkeit seiner Anwendung und für ihren Fortbestand.Er verliert auch die natürliche Gewähr für das Tragen derislamischen Botschaft. Nachdem der Herrscher der Möglichkeit ausgesetztist, dass ihm die Gottesfurcht abhanden kommt, bedarf es einesmateriellen Mittels, das ihn zur Anwendung des <strong>Islam</strong> zwingtoder ihn von der Herrschaft entfernt und einen anderen Herrscher anseine Stelle setzt, der den <strong>Islam</strong> anwendet und seine Botschaft weiterträgt.Dieses praktische Mittel ist die Umma selbst. Deswegen istes die Pflicht der islamischen Umma, wenn sie einen Herrscher sieht,der die Verbote Allahs erlaubt, den Eid Allahs bricht, der Sunna desGesandten Allahs zuwiderhandelt und unter den Dienern Allahs mitSünde und Willkür waltet, ihn mit Wort oder Tat zurechtzuführenoder ihn auszuwechseln. Damit die Umma dieser Aufgabe nachkommt,muss sie selbst durch Gottesfurcht ausgezeichnet sein, da ihreFurcht vor Allah ihre Bedachtsamkeit betreffend den <strong>Islam</strong> und seineAnwendung hervorruft. Dies zwingt sie dazu, den Herrscher für seinVerhalten zur Rechenschaft zu ziehen. Sie wird mit ihm diskutierenund ihn <strong>im</strong>mer dann zur Rede stellen, wenn sie bei ihm eineNachlässigkeit in der Anwendung, eine Abkehr von den GesetzenAllahs oder eine Fehlerhaftigkeit <strong>im</strong> Vollzug der Systeme des <strong>Islam</strong>zu erkennen glaubt. Auf diese Weise werden die Anwendung des <strong>Islam</strong>und die Richtigkeit seiner Anwendung fortbestehen.Die Umma jedoch – die ja das praktische Mittel auf Erden verkörpertfür die Anwendung des <strong>Islam</strong>, für die Beobachtung des Herrschersund die Rechenschaftsforderung von ihm – bedarf der Gründung einesrichtigen Blockes auf der Grundlage des <strong>Islam</strong>. Dieser Block305


muss sich durch ein tiefes Verständnis und eine ausgeprägte Gottesfurchtauszeichnen, da er auf einer einzigen Grundlage aufbaut,nämlich auf der islamischen. Er setzt sich dafür ein, die Menschenmit einer konzentrierten islamischen Geistesbildung auszubilden, dieden Verstand erweitert, die Wahrnehmung schärft und die Seele reinigt,da sie die Gefühle mit dem Denken verknüpft und zwischenIdeen und inneren Neigungen eine richtige Harmonie erzeugt. Dieslässt den Musl<strong>im</strong> zur erwünschten islamischen Persönlichkeit werden.Wenn der Block, der notwendigerweise erforderlich ist, auf dieserPersönlichkeit gründet, ist er das passende Mittel, um die Umma zurverschmelzen. Er reinigt ihre Ideen und verschmelzt sie mit einemeinzigen Gedankengut. So führt er sie zu einem Ziel hin, dem <strong>Islam</strong>.Sie lebt für ihn und trägt seine Botschaft. Dadurch wird ihrepermanente Wachsamkeit für die Ideologie, die sie trägt, erweckt;und sie entwickelt ein richtiges Bewusstsein dafür. Wer sie jedocherweckt, ist eben dieser Block, der für die Ideologie lebt, für ihreVerkündung, für ihre Anwendung und den Fortbestand ihrer Anwendung.Dieser Block ist die ideologische Partei, die innerhalb der Ummaentsteht. Mit anderen Worten ist es die Partei, die auf der Grundlagedes <strong>Islam</strong> als ideologisch-intellektuelle Führung aufbaut. Die Parteiträgt diese intellektuelle Führung innerhalb der Umma, um ein Bewusstseinfür den <strong>Islam</strong> zu erzeugen, und trägt sie überall hin, damitdie Menschen sie annehmen. Deshalb ist es eine Partei des DaÝwa 107 -Tragens, die keine andere Tätigkeit hat als die Verkündung der islamischenBotschaft. Der Einsatz in den anderen Tätigkeitsbereichengehört nämlich zu den Aufgaben des Staates und nicht zu den Aufgabender Partei.Wenn die Partei in der Umma entsteht und sie zu führen beginnt, wirdsie zum Wächter über den Staat, da sie die Umma verkörpert bzw. repräsentiert.Sie führt die Umma an und lässt sie ihre Aufgabe erfüllen:nämlich den Disput mit dem Staat, die Rechenschaftsforderungvon ihm, seine Zurechtführung durch Worte bzw. Taten oder aberseine Veränderung, wenn man seinetwegen um den <strong>Islam</strong> fürchtet.107 Verkündung der islamischen Botschaft.306


Für die Umma stellt es sich schwierig dar, einen Disput mit dem Staatzu führen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie über keinePartei verfügt, die – gegenüber dem Staat - <strong>im</strong> Leitzentrum derUmma steht. Ansonsten würden ihr große Hindernisse entgegentreten,die nur durch eine einheitliche Führung, die sich in einem Blockund nicht in einer oder mehrer Einzelpersonen manifestiert, überwundenwerden können. Aus diesem Grunde ist es unerlässlich, dassin der Umma eine ideologische politische Partei entsteht, deren einzigeAufgabe es ist, die islamische Botschaft zu tragen und dereneinzige Methode zum Tragen dieser Botschaft die politische Methodeist. Die Entstehung dieser Partei ist deswegen unerlässlich, da sie daspraktische Mittel darstellt, mit dem die Umma geführt werden kann.Diese Führung gewährleistet, dass der Staat seine Aufgabe durch dasTragen der islamischen Botschaft, das Anwenden des <strong>Islam</strong> und dieFortführung dieser Anwendung auf die beste Art erfüllt. Auch stelltsie das praktische Mittel dar, um eine fehlerhafte Anwendung zuverhindern.Die Tatsache, dass der Prophet die Musl<strong>im</strong>e in einem Block um den<strong>Islam</strong> zusammengeschlossen hat, wird <strong>im</strong> Hause des al-Arqam offenbar.Danach umfasste dieser Block alle Prophetengefährten. Siebildeten den Zusammenschluss, der für die Musl<strong>im</strong>e das Tragen derBürde des <strong>Islam</strong> praktisch übernahm, auch wenn alle Musl<strong>im</strong>e in generellerWeise die Bürde des <strong>Islam</strong> zu tragen haben. So wird berichtet,dass der Prophet bei seinem Tod sechzigtausend Gefährten hinterließ.Diese bildeten den islamischen Block oder die islamischePartei, die das praktische Tragen der islamischen Bürde übernahm.Denn andererseits bildeten die Musl<strong>im</strong>e be<strong>im</strong> Tode des Prophetenbereits ein Vielfaches dieser Zahl. Als das Zeitalter der Gefährten,ihrer Nachfolger (TÁbiÝÙn) und deren Nachfolger (TÁbiÝu al-TÁbiÝÐn)verging, verschwand dieser Block, und Schwäche befiehl die Herzender Regenten, weil es keine Partei mehr gab, die die Umma bei derBeobachtung der Regenten, dem Disput mit ihnen und der Rechenschaftsforderungvon ihnen anführte. <strong>Das</strong> setzte sich fort, bis es zueiner fehlerhaften Anwendung des <strong>Islam</strong> kam. Demzufolge ist diepolitische, islamische Partei die eigentliche Garantie für die Anwendungdes <strong>Islam</strong>, für seine richtige Anwendung und für das Weitertragenseiner Botschaft.307

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