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Barbara Bokern über Eckart Grenzer in: „Ostfriesland Magazin 11 ...

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<strong>Barbara</strong> <strong>Bokern</strong> <strong>über</strong> <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> <strong>in</strong>: <strong>„Ostfriesland</strong> Magaz<strong>in</strong><strong>11</strong>/1998, S. <strong>11</strong>4 bis <strong>11</strong>9


Als <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> im Alter von etwa zehn Jahren erste Versuche <strong>in</strong> der Bildhauereiunternahm, stand für se<strong>in</strong>e Großmutter fest: „Aus dem wird e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Künstler!“Denn mitgeschultem Auge erkannte die alte Dame sofort die Geschicklichkeit im Tun des Enkeljungen:Doch der wollte unbed<strong>in</strong>gt Seemann werden. Das Meer war zwar nah –aber das nutzte ihmnicht viel. Denn als jüngstes von fünf K<strong>in</strong>dern war er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e alte Oldenburger Ste<strong>in</strong>metz- undBildhauerdynastie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geboren worden, zudem noch ausgestattet mit e<strong>in</strong>em künstlerischenTalent. Also begann <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> nachder Schule se<strong>in</strong>e Ste<strong>in</strong>metzausbildung <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em Betrieb, dessen Ausbildungsmeisterschon bei se<strong>in</strong>em Großvater gelernt hatteund der Me<strong>in</strong>ung war: „Du musst aberbesser werden als de<strong>in</strong> Großvater!“ -wodurch e<strong>in</strong> großer Druck auf dem jungenMann lastete. „Die hoheErwartungshaltung des Ausbilders ließme<strong>in</strong>e eigenen künstlerischen Ideenzunächst <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund treten.Andererseits festigte sich bei mir durch denKontakt mit e<strong>in</strong>em anerkanntenschlesischen Bildhauer <strong>in</strong> Vaters Betriebschon damals der Gedanke, später etwasAußergewöhnliches machen zu wollen.“Zunächst jedoch g<strong>in</strong>g <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> nachder Gesellenprüfung nach Berl<strong>in</strong> undwidmete sich dort diversenRestaurationsarbeiten, die se<strong>in</strong>erhandwerklichen Geschicklichkeit sehrzugute kamen. Se<strong>in</strong>e Meisterprüfung alsSte<strong>in</strong>metz und Bildhauer legte er <strong>in</strong>Oldenburg ab und begann danach imväterlichen Betrieb zu arbeiten. Liebte erauch se<strong>in</strong>e künstlerische Arbeit, so hielt esden Bildhauer jedoch nie lange <strong>in</strong> derHeimatstadt, sondern es zog ihn immerwieder <strong>in</strong> die Ferne zu fremden Kulturen,getrieben von Neugier und Abenteuerlust. „Für mich ist das etwas ganz Wichtiges, dass ich e<strong>in</strong>Erbgut von Neugierde mitbekommen habe. Schon alle<strong>in</strong> das, wovor andere warnten, zog michgeradezu magisch an - das ist noch heute so!“Se<strong>in</strong>e Reisen, die ihn auf alle Kont<strong>in</strong>ente führten,<strong>in</strong>sbesondere aber nach Indien, unternahm <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> zumeist als E<strong>in</strong>zelgänger, häufigohne das notwendige Kle<strong>in</strong>geld <strong>in</strong> der Tasche. Dafür brachte er die unterschiedlichstenKulturphilosophien mit <strong>in</strong> die Heimat, welche <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Arbeiten ihren Niederschlag f<strong>in</strong>den.Und er setzte sich mit der jeweiligen politischen Situation vor Ort ause<strong>in</strong>ander, nicht zuletztdurch viele Gespräche mit den Freunden, die er auf se<strong>in</strong>en Reisen gewann und zu denen erheute noch Kontakte pflegt. „Durch die Konfrontation mit den verschiedenen Kulturen war ichstets Fragender und Zuhörer, h<strong>in</strong>terfrag(t)e vieles, immer auch das Kritische, und versuchte zudifferenzieren, was <strong>in</strong> unserer Medienwelt zu sehr globalisiert wird. Dar<strong>in</strong> sehe ich me<strong>in</strong>eVerantwortung als Künstler, mir durch Differenzierung e<strong>in</strong> neutrales Urteil zu bilden. Dassollte, so me<strong>in</strong>e ich, im Übrigen e<strong>in</strong> jeder tun.“Und er fährt fort: „Darum bemühe ich mich alsMensch und als Künstler täglich zu <strong>über</strong>prüfen, wo ich stehe und wo ich Fehler gemacht habe.Täte ich das nicht, dann wäre das Gleichgültigkeit, und die hasse ich.“Se<strong>in</strong>e


Lebenserfahrungen und se<strong>in</strong>e -philosophie br<strong>in</strong>gt <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Werken,vornehmlich Skulpturen, zum Ausdruck gemäß se<strong>in</strong>em Pr<strong>in</strong>zip: „Mensch und Arbeit müssene<strong>in</strong>e Identität haben. Denn man wird ke<strong>in</strong> Künstler auf der Akademie, sondern man wächst dah<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Das Leben prägt e<strong>in</strong>en ebenso wie die persönliche Lebense<strong>in</strong>stellung.“ Er achtet aberstets darauf, nicht zu persönlich zu werden <strong>in</strong> der Umsetzung, um dem Betrachter Raum zulassen, eigene Ansatzpunkte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Werk zu f<strong>in</strong>den. „Humor, Sarkasmus, Ironie, Höhen undTiefen des Lebens, alles drückt sich heute <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Skulpturen aus.“ Se<strong>in</strong>e heutigeLebensphilosophie ist nicht nur e<strong>in</strong>e durch se<strong>in</strong>e vielen Reisen gewachsene, sondern ebensoe<strong>in</strong>e durch die <strong>in</strong>tensiveDangaster Zeit Anfang dersiebziger Jahre geprägte.Das Seebad am Jadebusenist <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> vonK<strong>in</strong>desbe<strong>in</strong>en an vertrautund lieb geworden. Dortlernte er Anfang der 70erJahre „den Ziehvaterme<strong>in</strong>es künstlerischenSchaffens" kennen, Anatol(alias Karl-He<strong>in</strong>zHerzfeld, damalsMeisterschüler von JosephBeuys. Mit der Begegnungbegann e<strong>in</strong>e „verrückte“Zeit für den OldenburgerBildhauer und se<strong>in</strong>en Künstlerkollegen, mit dem ihn noch heute e<strong>in</strong>e herzliche Freundschaftverb<strong>in</strong>det. „Anatol und ich hatten damals e<strong>in</strong>e großartige geme<strong>in</strong>same Zeit. Unser geme<strong>in</strong>samerkünstlerischer Ansatz - eben der e<strong>in</strong>es Joseph Beuys - war, die Lebensphilosophie umzusetzen<strong>über</strong> das Handwerk. Alles, was Beuys theoretisch zu vermitteln suchte - unter anderem, bis zuse<strong>in</strong>em Ausscheiden, an der Kunstakademie <strong>in</strong> Düsseldorf -, konnten Anatol und ich praktischumsetzen. Dadurch betrachte ich mich irgendwie auch als e<strong>in</strong>en Schüler Joseph Beuys.“Alsexzellenter Handwerker konnte sich <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> dabei ganz auf die künstlerischeUmsetzung se<strong>in</strong>er Ideen konzentrieren. Zudem durften er und Herzfeld <strong>über</strong>all dort, wo esihnen gefiel, arbeiten, ob im Kurhaus, draußen vor dem Gebäude oder <strong>in</strong> der Natur. Währenddieser Zeit entstanden Bilder, Skulpturen, F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>gsarbeiten - das Spektrum war groß. Dochschufen <strong>Grenzer</strong> und Herzfeld <strong>in</strong> der Dangaster Zeit nicht nur künstlerische Objekte, auch ihregesamte Lebense<strong>in</strong>stellung suchten die beiden Künstler an andere zu vermitteln durch viele,auch spontane Feste und Session mit kuriosen Geschichten, literarischen und musikalischenAbenden. „Die Lebensfreude war verbunden mit unseren ernsthaften Arbeitsprozessen, alleLebensbereiche flossen <strong>in</strong> dieser Zeit mit e<strong>in</strong>.“So war immer etwas los <strong>in</strong> Dangast. Da blieb esnatürlich nicht aus, dass sich allmählich europaweit herumsprach, dass <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> undAnatol Herzfeld e<strong>in</strong>e Künstlerenklave <strong>in</strong> Dangast geschaffen hatten. Besuche von MuseumsundKunsthallendirektoren ließen nicht lange auf sich warten und hatten E<strong>in</strong>ladungen zuAusstellungen <strong>in</strong> deren deutschen und europäischen Häusern zur Folge. Doch kamen <strong>Grenzer</strong>und Herzfeld immer wieder nach Dangast zurück, wo sie vor<strong>über</strong>gehend ihre künstlerischeHeimat gefunden hatten, wie zuvor schon manch andere bekannte Künstler, zum Beispiel FranzRadziwill und die Brücke-Maler.Die Resonanz auf ihre praktische Umsetzung künstlerischer Theorien war - bei aller Kritik -<strong>in</strong>sgesamt so ermutigend, dass <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> und Anatol Herzfeld zusammen mit demdamaligen Leiter des Oldenburger Kunstvere<strong>in</strong>s, Dr. Dr. Ummo Francksen, Mitte der 70er Jahre


die „Freie Akademie Oldenburg“ausriefen. „Diese Akademie war und hatte etwas Imag<strong>in</strong>äres,da es ke<strong>in</strong>en festen Stammsitz gab. Ihr Motto lautete: ‚Arbeit ist Kunst und Kunst ist Arbeit.’Wir sagten uns: Den Menschen, die etwas <strong>über</strong> Kultur machen möchten, vermitteln wir etwasund bekommen von ihnen etwas zurück. Jeder war also Schüler und Lehrer zugleich, wirlernten vone<strong>in</strong>ander - übrigens auch e<strong>in</strong>e Grundidee Joseph Beuys.“Die Menschen kamen zur„Freien Akademie“, und zwar dorth<strong>in</strong>, wo <strong>Grenzer</strong> und Herzfeld sich gerade aufhielten undarbeiteten. Vielfach war Dangast noch Treffpunkt, oder sie erhielten E<strong>in</strong>ladungen vonKunstvere<strong>in</strong>en, zu denen sie fünf bis sechs Leute mitnahmen, „die gerade e<strong>in</strong>e gute Ideehatten“, und arbeiteten dort vor Ort. „Unsere Anwesenheit genügte oft schon, dass Leutekamen, wir waren der Motor mit unseren unermüdlichen Aktionen - und fühlten uns wieKulturzigeuner: Das Medien<strong>in</strong>teresse war groß, <strong>in</strong>sbesondere dann, wenn Beuys se<strong>in</strong>enSchülern e<strong>in</strong>en Besuch abstattete und das Tun begutachtete.Als größte Anerkennung ihres Schaffens und ihres persönlichen künstlerischen E<strong>in</strong>satzeswährend dieser „Ära" erlebten <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> und Anatol Herzfeld die E<strong>in</strong>ladung zur„dokumenta“nach Kassel im Jahre 1977. „Wir waren sehr stolz darauf, dass wir als jungeKünstler die Möglichkeit bekamen, uns auf der ,dokumenta’darzustellen, und das vor e<strong>in</strong>em<strong>in</strong>ternationalen Publikum. Wir nahmen uns vor, 100 Tage dort zu se<strong>in</strong> und zu arbeiten. Wir - daswaren unter anderen Anatol Herzfeld, Wilfried Gerdes, besser bekannt unser se<strong>in</strong>emKünstlernamen, Butjatha’, und ich.“Während der „dokumenta“ entwickelte <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong>se<strong>in</strong>e ersten Säulen, genannt „Ste<strong>in</strong>wald“, die mittlerweile zu e<strong>in</strong>er Art Markenzeichen desKünstlers geworden s<strong>in</strong>d. Auf ihnen thronen heute <strong>in</strong> <strong>Grenzer</strong>s kle<strong>in</strong>em Galeriegartenverschiedene Tiere, Früchte, diverse menschliche Köpfe sowie Vulva und Phallus. MancheSäulen s<strong>in</strong>d gearbeitet als Bären oder enden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em menschlichen F<strong>in</strong>ger(zeig) oder stehensich als Menschenpaar gegen<strong>über</strong>.Auch Thomas Gottschalks Gummibären haben E<strong>in</strong>zug gehalten <strong>in</strong> <strong>Grenzer</strong>s Säulensammlung.„Ich b<strong>in</strong> eben sehr spontan, habe ke<strong>in</strong>e Vorurteile. Ich schöpfe eben aus allen D<strong>in</strong>gen. Die‚dokumenta’hat uns darum auch <strong>in</strong>teressante E<strong>in</strong>ladungen zu weiteren Ausstellungen gebrachtund neue Kontakte für die Freie Akademie Oldenburg’“, erzählt <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> stolz. Doch wieso oft nach dem Höhepunkt e<strong>in</strong>er Geschichte oder Aktion, neigte sich die Dangaster Ära nachder „dokumenta“ihrem Ende zu.Auch die „Freie Akademie Oldenburg" begann zu vertrocknen. „Wir waren nie e<strong>in</strong>e festeGruppe, weil e<strong>in</strong>e Gruppenbildung zu sehr festlegt, sondern wir hatten e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>samePhilosophie, die wir - so befanden wir - ausreichend weitergegeben hatten“, er<strong>in</strong>nert sich<strong>Grenzer</strong> an das Ende dieser Zeit, <strong>in</strong>sbesondere der mit Anatol Herzfeld. Künstlerische Relikteder Dangaster Ära s<strong>in</strong>d als Skulpturen <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de und <strong>in</strong> Privatbesitz zu f<strong>in</strong>den. Währendsich der Künstlerfreund Anatol wieder nach Düsseldorf zurückzog und e<strong>in</strong> Sammler se<strong>in</strong>eWerke <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Enklave auf der Insel Hombroich bei Neuss ausstellte, die zu besichtigen ist,widmete sich <strong>Grenzer</strong> Anfang der 80er Jahre e<strong>in</strong>em neuen Projekt. Mit dessen Erstellung warAufsehen vorprogrammiert - und vom Künstler gewollt. Die Rede ist vom „Phallus vonDangast“, an dessen Existenz sich noch heute so manche Geister scheiden. Andererseits ist erimmer wieder e<strong>in</strong> gern und häufig besuchtes Ausflugsziel - vielleicht sogar Wahrzeichen - <strong>in</strong>dem Seebad am Jadebusen, „Heute hat doch kaum e<strong>in</strong>er mehr den Mut, etwasAußergewöhnliches zu machen, weil er damit aneckt. Und das kostet letztendlich viel Geld. Ichpersönlich stelle andere Ansprüche an mich und habe den Mut, mit me<strong>in</strong>er Arbeit auch fürnegatives Aufsehen zu sorgen.“Das gab es zur Genüge - bundes- wie europaweit und von denMedien begierig aufgenommen - als bekannt wurde, was der Bildhauer <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> da imWatt von Dangast im Begriff war zu schaffen. „Ich wurde verbal von vielen Seiten attackiert,Fem<strong>in</strong>ist<strong>in</strong>nen protestierten lauthals und taten ihre Empörung kund“, er<strong>in</strong>nert sich der Künstleran den Aufruhr, den se<strong>in</strong> „Phallus“aus bestem schwedischem Granit provozierte. Doch konnte


ihm niemand etwas, schließlich arbeitete er auf se<strong>in</strong>em Grund und Boden, rechtmäßig erworbenvom vormaligen Grundstückseigner Karl-August Tapken, dem Besitzer und Betreiber desDangaster Kurhauses. Die Frage, was denn e<strong>in</strong> Phallus im Watt zu suchen habe, wird h<strong>in</strong>gegenganz e<strong>in</strong>fach und ausgesprochen plausibel von <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> beantwortet. „Hier hat me<strong>in</strong>eaußergewöhnliche Großmuttererneut ihre F<strong>in</strong>ger im Spielgehabt. Als Achtzigjährigebrachte sie mir noch dasSchwimmen im Jadebusen vorDangast bei. Sie erklärte mirdamals, das Meer sei weiblich,aus ihm komme der Ursprungallen Lebens. Fortan fühlte ichmich immer wie im Mutterleib,wenn ich im warmenWattenmeerwasser badete. Undich konnte, wie Oma gesagthatte, die Vielfalt des Lebensim Watt beobachten. Ihre Worteg<strong>in</strong>gen mir nicht mehr aus demKopf, und als ich dann zu demvon ihr prophezeiten Künstlergeworden war, entstand bei mirdas Bedürfnis, zum weiblichenMeer e<strong>in</strong> männliches Zeichenzu setzen. Den Phallus. Nunkommt es bei jedemHochwasser zur Begegnungder Geschlechter, zur Umarmung der beiden oder anders ausgedrückt, zur Begattung imnatürlichsten S<strong>in</strong>ne. Dem Meer, dem Weiblichen und damit der Frau habe ich durch den ganzbewussten Standort me<strong>in</strong>es Kunstwerks huldigen wollen.“Für <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> ist es nebensächlich, ob die „eigens<strong>in</strong>nigen Sachen“, die er macht, Kunsts<strong>in</strong>d. Für ihn bleiben es umgesetzte Ideen, die durch se<strong>in</strong>e Lebenserfahrungen geprägt s<strong>in</strong>d unddem Betrachter Raum lassen für eigene Interpretationen. Das Spiel mit se<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Granitgeschlagenen Vornamen - ECKART - zum Beispiel, lässt ebenso unterschiedliche Deutungen zuwie se<strong>in</strong>e Rasteder Figuren, genannt „PARK Menschen - ART Menschen“, entstanden währendse<strong>in</strong>er Zeit im Rasteder Palais-Garten, der ihm 1996 und 1997 als Bildhauer-Werkstatt diente.„Alle <strong>in</strong> Rastede entstandenen Figuren s<strong>in</strong>d spitz zugeschnitten, ihre Silhouetten könnte mannennen: wie messerscharf h<strong>in</strong>durch.“ Gespräche <strong>über</strong> die „PARK Menschen“ gab's vielezwischen den Besuchern und dem Künstler. Ganze Schulklassen kamen und diskutierten weit<strong>über</strong> Schulschluss h<strong>in</strong>aus mit <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> <strong>über</strong> se<strong>in</strong>e Werke.Auch mit den Vandalen, die die Skulpturen des Nachts umgeworfen hatten, kam der Bildhauer<strong>in</strong>s Gespräch. „Während andere mit e<strong>in</strong>er Anzeige gedroht hätten, hab' ich die Solidarität mitden Tätern gesucht, habe Bier gekauft, mit ihnen zusammen getrunken und b<strong>in</strong> mit ihnen <strong>in</strong>sGespräch gekommen. Von Stund' an war der nächtliche Spuk im Park vorbei. Me<strong>in</strong> Fazitdaraus: Man muss oft viel unkonventioneller denken, nämlich nicht gegen, sondern mit denMenschen“- auch e<strong>in</strong>e Facette der <strong>Grenzer</strong>sehen Lebensphilosophie. Diese f<strong>in</strong>det sich, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erweiteren Nuance, bei den F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>gs-Köpfen auf der Grünfläche der Polizeidirektion <strong>in</strong>Oldenburg wieder. <strong>Grenzer</strong> tituliert die aus ihnen bewusst gestaltete Pyramide mit „Kopf-


Ste<strong>in</strong>e". Aufgeschichtet aus rund 500 F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>gen, hat er jedem Ste<strong>in</strong> e<strong>in</strong> eigenes Gesichtgegeben, auch den nicht sichtbaren im Innern der Pyramide. „Sonst wär's ja verlogen. Nichtjeder Mensch ist fürmich sichtbar, auch imS<strong>in</strong>ne von erkennbar,dennoch bleibt er e<strong>in</strong>Individuum miteigenem Gesicht - sowie die unsichtbarenKöpfe <strong>in</strong> derPyramide.“ Um ihrenStandort rankt sichdaneben e<strong>in</strong> Mythos.Denn auf dem Arealsoll im spätenMittelalter e<strong>in</strong>ePestwiese gewesense<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Ort also, andem die Pesttotennamenlos begrabenwurden. Auf diesemH<strong>in</strong>tergrund erhält dieSte<strong>in</strong>pyramide e<strong>in</strong>enweiteren symbolischenS<strong>in</strong>n. Der Standort se<strong>in</strong>er Werke war und ist <strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong> stets wichtig, so auch bei se<strong>in</strong>emneuesten Wunschprojekt, dessen Realisierung bisher an den Kosten, nicht aber am Standortgescheitert ist. Se<strong>in</strong>e aktuelle Idee beschäftigt sich mit e<strong>in</strong>em „zwittrigen Wesen“, e<strong>in</strong>emSchneemann oder e<strong>in</strong>er Schneefrau. „Denn diese Figur ist nun mal geschlechtslos, <strong>in</strong> ihrernatürlichen Substanz aber <strong>in</strong> unseren Breitengraden leider nur wenig beständig, wie man imletzten W<strong>in</strong>ter wieder e<strong>in</strong>mal erfahren musste.“Als dreifacher Vater g<strong>in</strong>g es ihm stets zu Herzen, wenn se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> mühevoller Arbeit mitviel Kreativität im nicht gerade Schneeverwöhnten Oldenburg endlich e<strong>in</strong>en herrlichenSchneemann gebaut hatten, der aber schon nach kurzem Leben dah<strong>in</strong>schmolz und für großeEnttäuschung bei dem Nachwuchs sorgte. Damals schon entwickelte <strong>Grenzer</strong> die Idee,irgendwann e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e(n) beständige(n), weith<strong>in</strong> sichtbare(n) Schneemann/-frau zu schaffen,ausgestattet mit Attributen, die ihn/sie als männlich und weiblich erkennen lässt. Das Materialhat er schon lange ausgewählt. „Mich fasz<strong>in</strong>ierten schon immer F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>ge, die Relikte aus derEiszeit, die zum Teil durch das Geschiebe aus Skand<strong>in</strong>avien bis zu uns nach Norddeutschlandgebracht worden s<strong>in</strong>d.“Aus drei solcher F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>ge - sie werden erwartungsgemäß zwischenzehn und dreißig Tonnen wiegen - möchte der Bildhauer gerne e<strong>in</strong>e(n) Schneemann/-frauschaffen, „am liebsten an der ostfriesischen Küste, an e<strong>in</strong>em dortigen Strand mitPublikumsverkehr“. Die Leute, die sich dort aufhalten, könnten sich den Schneemann alsSchattenspender zunutze machen. Wichtiger noch ist dem Künstler die zu erwartende und vomihm <strong>in</strong>tendierte Kommunikation zwischen den Menschen <strong>über</strong> das ungewöhnliche Strandobjekt.„Man kommt dar<strong>über</strong> <strong>in</strong>s Gespräch.“Anders als zum Beispiel e<strong>in</strong>e Bronzerobbe biete e<strong>in</strong> an derSchneeentwöhnten Küste platzierter Schneemann viel mehr Gesprächsstoff zwischen denMenschen, nicht zuletzt <strong>über</strong> geologische Themen. „Das Material des Schneemanns könnteAnlass se<strong>in</strong>, dass Eltern mit ihren fragenden K<strong>in</strong>dern <strong>über</strong> die Eiszeit sprechen“, wünscht sich<strong>Eckart</strong> <strong>Grenzer</strong>. Bei e<strong>in</strong> geplanten Gesamthöhe von sechs bis sieben Metern durch Auftürmenvon drei großen F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>gen dürfte e<strong>in</strong> derartiger Schneemann nicht zu <strong>über</strong>sehen, weith<strong>in</strong>


sichtbar und immer e<strong>in</strong> Gesprächsthema se<strong>in</strong>. Zum Bedauern des Künstlers ist die wiedere<strong>in</strong>mal außergewöhnliche Kunstwerk-Idee bis heute <strong>in</strong> der Planung stecken geblieben. KonkreteInteressenten sche<strong>in</strong>t es aber schon zu geben - denn e<strong>in</strong>e Attraktion dürfte e<strong>in</strong>(e) Schneemann/-frau, nach allen bisherigen Erfahrungen mit <strong>Grenzer</strong>s Werken, für die Küste allemal se<strong>in</strong>.Dar<strong>über</strong> sche<strong>in</strong>en sich die Interessenten im klaren zu se<strong>in</strong>, alle<strong>in</strong> fehlt es im Moment am liebenGeld oder an entsprechenden Sponsoren, die dem Künstler die Umsetzung se<strong>in</strong>er Ideeermöglichen könnten.Gefragt nach se<strong>in</strong>en weiteren künstlerischen Plänen, s<strong>in</strong>niert der Bildhauer: „Ich habe tausendIdeen, bloß noch nicht die Idee, wie ich so alt werden kann, sie alle noch realisieren zukönnen.“Eis-Mann-Frau (Entstehungs-Jahr 2003)• Standort: Varel-Hafen-Schleuse• Skulptur aus drei <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander gefügten F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>gen• Höhe: 8 Meter, auf e<strong>in</strong>er Wurt stehend• Gewicht: ca. 25 Tonnen• Sonstiges Material: Nase, Augen,Mund aus Bronze, Hut aus Alum<strong>in</strong>iumFotos: <strong>Barbara</strong> <strong>Bokern</strong>Phallus-Foto: StrotmannAlle Rechte vorbehalten bei <strong>Barbara</strong> <strong>Bokern</strong>

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