Renaissance der E-Werke Hans Achim Grube Vorwort
Renaissance der E-Werke Hans Achim Grube Vorwort
Renaissance der E-Werke Hans Achim Grube Vorwort
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<strong>Vorwort</strong><br />
<strong>Renaissance</strong> <strong>der</strong> E-<strong>Werke</strong><br />
Wissenstransfer und Austausch zur Revitalisierung von Industriebauten Im Spannungsfeld zwischen Denkmalschutz, Wirtschaftlichkeit und Nutzerorientierung<br />
In Berlin und den östlichen Bundeslän<strong>der</strong>n zeugen zahlreiche Bauwerke von einer beispiellosen<br />
Industrialisierung im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t. Diese hatte eine weite Strahlungskraft auch<br />
für die angrenzenden Regionen. Großunternehmen wie AEG und Siemens haben mit dem<br />
Berliner Energiedienstleister Bewag (seit 2006 Vattenfall Europe Berlin) durch technische<br />
Innovationen den Aufbau einer mo<strong>der</strong>nen Stromversorgung in Berlin begründet und damit<br />
die Entwicklung in Deutschland maßgeblich beeinfl usst.<br />
Zwischen 1925 und 1932 entstanden in Berlin unter an<strong>der</strong>em 14 große Abspannwerke und<br />
über 30 weitere Energieverteilungsstandorte, in denen <strong>der</strong> in Großkraftwerken produzierte<br />
und gelieferte Starkstrom auf die lokale Verteilungsspannung abgespannt wurde. Heute sind<br />
sie auf Grund neuer technologischer Entwicklung stillgelegt und haben damit ihren eigentlichen<br />
Zweck verloren. Viele dieser Gebäude aber stehen unter Denkmalschutz. Als Bauwerke<br />
<strong>der</strong> herausragenden Industrialisierung Berlins sind sie von großer Bedeutung. Sie gelten als<br />
gebaute „Elektropolis“.<br />
Umspannwerk Leibniz, Berlin-Charlottenburg<br />
Ohne realisierbare Umnutzungskonzepte<br />
sind viele technische Denkmale jedoch dem<br />
Verfall preisgegeben. Berlins Energiedienstleister<br />
hat es sich in den letzten Jahren als<br />
Eigentümer <strong>der</strong> Immobilien zur Aufgabe gemacht,<br />
die Gebäude zu erhalten. Dadurch<br />
wurden mehr als 100.000 m² Bruttogeschossfl<br />
äche in ehemaligen Abspannwerken<br />
und Kraftwerken neuen wirtschaftlich trag-<br />
und umsetzbaren Nutzungen zugeführt.<br />
Zwischen 1997 und 1998 hat die damalige<br />
Bewag für zahlreiche Immobilien <strong>der</strong> Energieverteilung<br />
eine systematische Bestandserfassung<br />
veranlasst und Konzepte entwickelt.<br />
Dazu gehören z. B. die Abspannwerke<br />
Leibniz, Buchhändlerhof, Scharnhorst und<br />
Marienburg sowie die Kraftwerke Schiffbau-<br />
Bewag – später Vattenfall – war sich <strong>der</strong> Denkmalwürdigkeit <strong>der</strong> Abspannwerke bewusst<br />
und hat die Verantwortung als Eigentümer in einem umfangreichen, jährlich festgeschriebenen<br />
baulichen Instandhaltungsprogramm wahrgenommen. Umnutzungsstrategien wurden<br />
erarbeitet, um das denkmalpfl egerische Ziel des baulichen Erhalts mit den wirtschaftlich<br />
umsetzbaren Zielen des Immobilieneigentümers im Rahmen eines stimmigen Gesamtkonzeptes<br />
in Einklang zu bringen und zielorientiert umzusetzen. Das Unternehmen musste<br />
das Gleichgewicht im magischen Dreieck von zu erhaltendem Einzeldenkmal, Aufl agen des<br />
Denkmalschutzes und wirtschaftlicher Immobilienkonzeption herstellen.<br />
Als einer <strong>der</strong> großen Grundstückseigentümer in <strong>der</strong> Hauptstadt<br />
legte Vattenfall ein Konzept für das gesamte Immobilienportfolio<br />
fest. Dieses sah die Entwicklung von <strong>der</strong> passiven<br />
Vorhaltepolitik zu aktiver Verwertung vor. Dabei musste<br />
die beson<strong>der</strong>e Immobiliensituation Berlins, die seit 1995<br />
durch einen zunehmenden Leerstand und Preisverfall gekennzeichnet<br />
war, berücksichtigt werden. Entsprechend war<br />
die Nachfrage <strong>der</strong> professionellen, gewerblich tätigen Immobilien-Projektentwickler<br />
verhalten. Klassische Immobilieninvestoren<br />
und Kapitalsammelstellen wie Pensionskassen,<br />
Versicherungen und Immobilienfonds interessierten sich nur<br />
dann für diese Son<strong>der</strong>gebäude, wenn eine langfristige Mieterbindung<br />
erfolgte und <strong>der</strong> Umbau bereits abgeschlossen<br />
war, da so das Investitionsrisiko minimiert wurde.<br />
Für einzelne Gebäude jedoch kristallisierten sich potenzielle<br />
Käufergruppen heraus. Die ehemaligen Abspannwerke<br />
sind durch ihre Lage in nachgefragten Innenstadtbereichen<br />
sowie aufgrund <strong>der</strong> funktionalen Flächenzuschnitte und einer<br />
guten Flächenökonomie beson<strong>der</strong>s für Unternehmen aus<br />
den Bereichen Kommunikation, Medien, Informationstechnologie<br />
und Design nutzerseitig interessant und wirtschaftlich<br />
umsetzbar. Diese potenziellen Eigennutzer suchen vorzugsweise<br />
ehemalige Industriekomplexe, die <strong>der</strong> jeweiligen<br />
fi rmeneigenen Unternehmensphilosophie entsprechen.<br />
<strong>Hans</strong> <strong>Achim</strong> <strong>Grube</strong><br />
erdamm und Rummelsburg. Abspannwerk Buchhändlerhof, Berlin-Mitte<br />
04 05
<strong>Vorwort</strong><br />
Denkmal-Marketing<br />
Die entwickelten Denkmal-Marketing-Strategien tragen zu einer zeitnahen Umnutzung<br />
<strong>der</strong> leer stehenden Gebäude <strong>der</strong> Elektrizitätswirtschaft bei. Da ihre schnelle Verfügbarkeit<br />
jedoch nur langsam bekannt wurde, stellte Berlins Energiedienstleister ab 1998 die Flächen<br />
auch für temporäre Kunst- und Kommerzprojekte zur Verfügung.<br />
Umspannwerk Humboldt, Berlin<br />
Erfolgreiche Beispiele für diese Nutzungen<br />
sind Ausstellungskonzepte im Abspannwerk<br />
Paul-Lincke-Ufer und das Vitra-Design-Museum<br />
sowie das Opernprojekt „Malpopita“<br />
im Abspannwerk Humboldt. Anschauliche<br />
Dokumentationen, Publikationen und Ausstellungen<br />
führten das Nutzungspotenzial<br />
<strong>der</strong> Komplexe, die auch unter verän<strong>der</strong>ten<br />
Rahmenbedingungen langfristig zu erhalten<br />
sind, <strong>der</strong> interessierten Öffentlichkeit vor<br />
Augen.<br />
Im Jahr 2000 erhielt Bewag bzw. Vattenfall<br />
für seine Bemühungen vom Land Berlin die<br />
Ferdinand-von-Quast-Medaille, 2002 folgte<br />
<strong>der</strong> Preis für Denkmalpfl ege <strong>der</strong> Stiftung<br />
Denkmalschutz Berlin und im Jahre 2005<br />
„Die Silberne Halbkugel“, verliehen vom<br />
Deutschen Nationalkommitee für Denkmalschutz.<br />
Mittlerweile hat Vattenfall unter an<strong>der</strong>em in Zusammenarbeit mit den Architekten Professor<br />
Petra und Professor Dr. Paul Kahlfeldt, dem Landesdenkmalamt Berlin und unterschiedlichen<br />
Nutzern eine Reihe erfolgreicher Projekte realisiert.<br />
So ist z. B. die Firma MetaDesign seit 2001 mit ihrem neuen Firmenstandort im ehemaligen<br />
Abspannwerk Leibniz – heute MetaHaus – in <strong>der</strong> Leibnizstraße in Berlin-Charlottenburg<br />
sehr zufrieden. Im Zusammenspiel zwischen Denkmalschutz, Wirtschaftlichkeit und Nutzerorientierung<br />
entstand eine Architektur, die in idealer Weise die Unternehmenskultur von<br />
MetaDesign wi<strong>der</strong>spiegelt, aber dabei dem beson<strong>der</strong>en Charakter des Hauses mit Respekt<br />
begegnet. Die Projektentwickler schufen einen Ort, <strong>der</strong> es erlaubt, die Vorstellungen von<br />
mo<strong>der</strong>ner und humaner Arbeitsweise in idealer Weise zu realisieren. Ein weiterer prominenter<br />
Nutzer eines Denkmals ist <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong> RTL, <strong>der</strong> sein Hauptstadtstudio im 1889 erbauten<br />
Kraftwerk Schiffbauerdamm in Berlin Mitte einrichtete.<br />
Auch das 1928 erbaute Großabspannwerk<br />
Scharnhorst in <strong>der</strong> Sellerstraße wurde nach<br />
seiner Außerbetriebnahme in den 90er Jahren<br />
wie<strong>der</strong> einer neuen, zukunftsfähigen<br />
Nutzung zugeführt. Der kompakte, axialsymmetrisch<br />
angelegte Bau ist das größte<br />
und bedeutendste Werk seiner Art. Es weist<br />
in seiner formalen Ausgestaltung, insbeson<strong>der</strong>e<br />
mit den Faltungen an <strong>der</strong> Schaufassade<br />
zum ehemaligen Nordhafen, deutliche<br />
Anklänge an persische Architekturen auf. Im<br />
Juli 2006 zog hier das neue Vertriebszentrum<br />
von Vattenfall Europe ein. Mit seinen<br />
kundenorientierten Organisationsstrukturen<br />
fi ndet dieser Bereich an diesem Ort ideale<br />
räumliche Voraussetzungen für eine offene,<br />
kommunikative Arbeitsweise.<br />
<strong>Hans</strong> <strong>Achim</strong> <strong>Grube</strong><br />
Umspannwerk Scharnhorst, Berlin-Wedding<br />
06 07
<strong>Vorwort</strong><br />
Perspektiven für die Zukunft<br />
Vattenfall Europe zeigt mit diesen Umnutzungsstrategien, dass durch professionelles<br />
Denkmalmanagement <strong>der</strong> Denkmalwert eines Industriegebäudes gesichert, <strong>der</strong> Immobilienwert<br />
gleichzeitig gesteigert und durch die nachhaltige Nutzung ressourcenschonend gewirtschaftet<br />
werden kann.<br />
Ebenso wie Vattenfall engagiert sich das Institut für Neue Industriekultur (INIK) e. V. in vorbildlicher<br />
Form für das Thema <strong>der</strong> Revitalisierung von ehemaligen Industriestandorten in den<br />
strukturschwachen Regionen Deutschlands und Polens. Gerade die von INIK angestrebte<br />
ökologische, wirtschaftliche und kulturelle Revitalisierung bietet dabei die größte Chance für<br />
langfristigen Erhalt. Denn dieses Konzept geht über den bloßen technischen Erhalt weit hinaus.<br />
Bisher neigen Denkmalpfl eger und auch Architekten gelegentlich dazu, den baulichen<br />
Erhalt bis hin zur Rekonstruktion in den Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong> Lösung zu stellen.<br />
Mit dem auch von INIK entwickelten Ansatz des interdisziplinären Zusammenspiels von<br />
wirtschaftlichen, technischen, kulturellen und ökologischen Impulsen kann ein ganzheitlicher<br />
Lösungsansatz für <strong>der</strong>zeit nicht genutzte Industriestandorte geliefert wurden. Die so möglichen<br />
win-win-Lösungen bieten Chancen sowohl für Nutzer, Eigentümer und Kommunen.<br />
Beson<strong>der</strong>s wichtig erscheint auch <strong>der</strong> akademische Lehransatz.<br />
Mit den von INIK entwickelten Konzepten können die bereits an vielen Universitäten und<br />
Fachhochschulen bestehenden Studiengänge Architektur, Immobilienmanagement und die<br />
Aufbaustudiengänge, wie z. B. Denkmalpfl ege- und Denkmalerhalt, um die notwendige interdisziplinäre<br />
Komponente sinnvoll ergänzt werden. Denn nur wenn die Beteiligten eines<br />
Revitalisierungsprojektes, Eigentümer, Nutzer, Planer, Fachplaner, Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung und<br />
Genehmigungsbehörden, die Position des jeweils an<strong>der</strong>en verstehen, einschließlich <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Primärziele, wird ein realisierungsfähiges Konzept tragbar und umsetzbar.<br />
Ein weiterer Erfolg wird sein, dass sich die immer mit einem solchen Projekt verbundenen<br />
Risiken deutlich eingrenzen lassen. Deshalb bietet das vorliegende Buch über die Betrachtung<br />
<strong>der</strong> einzelnen Standorte hinaus einen übergeordneten Lösungsansatz, <strong>der</strong> sowohl<br />
Immobilienfachleuten als auch Genehmigungsbehörden, Denkmalpfl egern, Projektentwicklern,<br />
Studenten und vor allem Nutzern die tatsächlichen Chancen und Potenziale <strong>der</strong> leerstehenden<br />
Industrieorte näher bringt.<br />
Vattenfall Europe Berlin AG & Co. KG<br />
Dr. <strong>Hans</strong> <strong>Achim</strong> <strong>Grube</strong><br />
<strong>Hans</strong> <strong>Achim</strong> <strong>Grube</strong><br />
08 09
II<br />
F2 Museum für Industrie und Technik, Wałbrzych Analyse / Bewertung F2II<br />
Das Museum für Industrie und Technik befi ndet sich am nördlichen Fuß des Riesengebirges<br />
in unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums von Wałbrzych (1,5 km). Das heutige Museum<br />
blickt auf eine lange Tradition des Bergbautourismus zurück. Bereits Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
fanden Bootsfahrten auf den Kanälen <strong>der</strong> Steinkohlestollen statt. Der bis heute erhaltene<br />
Fuchsstollen ist <strong>der</strong> älteste schiffbare Stollen auf dem europäischen Kontinent.<br />
1996 wurde die Zeche geschlossen und schrittweise zum Museum für Industrie und<br />
Technik umgebaut. Zahlreiche internationale Tagungen und Publikationen zum Thema folgten.<br />
Die Initiative zur Museumgründung ging insbeson<strong>der</strong>e von <strong>der</strong> Stadt Wałbrzych und<br />
<strong>der</strong> Politechnika Wrocławska aus. Die Besucherzahlen lagen bis 2005 bei unter 6.000 Gästen<br />
pro Jahr.<br />
Gegenwärtig verfügt das Museum über ein zehnköpfi ges Mitarbeiterteam. Die etwa<br />
6 ha große Anlage setzt sich aus 22 historischen Industriegebäuden mit hochwertigen<br />
technischen Anlagen zusammen, von denen 16 Häuser unter Denkmalschutz<br />
stehen. Das Museum weist bezüglich <strong>der</strong> Lebens- und Arbeitskultur des ehemaligen<br />
Bergbaubetriebs in weiten Bereichen einen hohen Grad an Authentizität auf.<br />
Das Besucherangebot besteht im Wesentlichen aus zwei Routen:<br />
Gebäudetour: Führungen durch Kraftwerk, Lagerhallen, Kesselhaus, Schmiede, Kaue,<br />
Werkstatt und Verladebahnhof.<br />
Stollentour: Führungen durch den alten Stollen.<br />
Die Stadt Wałbrzych möchte die öffentlichen Zuschüsse für das Museum in den<br />
kommenden Jahren zurücknehmen, das Museum umbauen und schrittweise selbst<br />
tragende Strukturen entwickeln. In diesem Zusammenhang wurden Ende <strong>der</strong> 1990er<br />
Jahre mehrere Machbarkeitsuntersuchungen erstellt.<br />
Museum für Industrie und Technik, Wałbrzych<br />
80 81<br />
100<br />
25<br />
10<br />
0<br />
100
II<br />
F2<br />
1850<br />
127.000 E<br />
1.500 m<br />
Museum für Industrie und Technik, Wałbrzych Projektverlauf F2II<br />
Intro<br />
Das Museum für Industrie und Technik in Wałbrzych weist ein hohes industrietouristisches<br />
Entwicklungspotenzial auf. In unmittelbarer Nachbarschaft von touristischen Besuchermagneten<br />
gelegen, konnte sich das Museum trotz mehrfacher Qualifi zierungsbemühungen jedoch<br />
bisher nicht zu einer überregional bedeutenden<br />
Tourismusdestination entwickeln.<br />
Klärung <strong>der</strong> Entwicklungsschritte.<br />
[1] Beschlussfassung<br />
Vorstellung <strong>der</strong> Arbeitsergebnisse vor regionalen<br />
Akteuren.<br />
[2] Präsentation<br />
Gründung <strong>der</strong> Arbeitsgruppe MPiT in Zusammenarbeit<br />
mit den regionalen Akteuren.<br />
Einbindung <strong>der</strong> Stadt.<br />
[3] Gründung<br />
Öffentlichkeitswirksame Neueröffnung des Museums<br />
bei verän<strong>der</strong>ten Besucherangeboten.<br />
[4] Neueröffnung<br />
01 Vorbereitung 02 Entwicklung 03 Umsetzung 04 Betrieb<br />
[a] Abstimmung<br />
Stärken-/Schwächenanalyse, Bewertung <strong>der</strong><br />
Ergebnisse, Marktuntersuchung, Abstimmung<br />
und Präsentation des Vorhabens mit<br />
lokalen Partnern.<br />
[b] Neuausrichtung<br />
Überarbeitung des Museumskonzepts, bauliche<br />
und technische Vorplanung, Finanzierungsrahmen.<br />
[c] Netzwerk<br />
Abstimmung mit Tourismuspartnern, Marketingarbeit,<br />
Einrichten einer Schaustelle.<br />
[d] Planung und Umbau<br />
Schrittweise Umsetzung <strong>der</strong> Planungs- und Umbauarbeiten<br />
bei weitgehen<strong>der</strong> Sicherung desBestandes.<br />
Gemeinsames touristisches Marketingkonzept<br />
<strong>der</strong> Region.<br />
Die Strategie schlägt vor, das Technikmuseum und den denkmalgeschützten Stollen<br />
zu einem industriekulturellen Erlebnisort auszubauen und in ein touristisch-räumliches<br />
Beziehungsgefüge mit <strong>der</strong> Region Nie<strong>der</strong>schlesien, dem Schloss Książ und <strong>der</strong><br />
Stadt Wałbrzych aufzubauen.<br />
82 83<br />
Strategie<br />
04
II<br />
F2 Museum für Industrie und Technik, Wałbrzych Idee / Umsetzung F2II<br />
Literaturauswahl<br />
Technikmuseum wird Industrieerlebnisraum<br />
Grundsätzlich sind die Rahmenbedingungen zum Umbau des Technikmuseums als gut<br />
einzuschätzen. Die Stadt, das Museum für Industrie und Technik (MPiT), das Muzeum w<br />
Wałbrzychu und weitere einbezogene Akteure zeigen durch zahlreiche Studien und Untersuchungen<br />
sowie mit ihrem bisherigen fi nanziellen Engagement ein deutliches Interesse an<br />
<strong>der</strong> Entwicklung und Qualifi zierung des Museums.<br />
Die Strategie schlägt vor, das Technikmuseum zum industriekulturellen Erlebnisort auszubauen.<br />
Zunächst gilt es, die vorhandenen Bauwerke unverän<strong>der</strong>t zu erhalten. Die bestehende<br />
Qualität des „verlassenen Arbeitsortes“ soll bewusst bewahrt und durch gezielte Gestaltungsinterventionen<br />
verstärkt werden. Darüber hinaus wird <strong>der</strong> Fuchsstollen als Alleinstellungsmerkmal<br />
mit internationaler Ausstrahlung vermarktet.<br />
In Anlehnung an die Inszenierungen des frühen 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts werden Kahnfahrten auf<br />
dem schiffbaren Stollen angeboten, begleitet von einem qualitätvollen Theater- und Varietéprogramm.<br />
Für dieses Vorhaben sind bergbausichernde Investitionen notwendig, die den<br />
gegebenen geologischen Bedingungen Rechnung tragen.<br />
Weiterhin beabsichtigt die Strategie, das Museum als touristische Sehenswürdigkeit mit<br />
dem regionalen Umfeld zu verbinden. Dabei soll insbeson<strong>der</strong>e eine Brücke zwischen <strong>der</strong><br />
Altstadt von Wałbrzych und dem Schloss Książ hergestellt werden.<br />
Dobesz, Janusz L., Das Waldenburger Industriegebiet: Aufgaben und Möglichkeiten <strong>der</strong> Denkmalpfl ege,<br />
in: Kunstchronik, Bd. 54, Nr. 9–10, Sept./Okt. 2001, S. 450–453.<br />
Kosmaty, J., Szansa przetrwania zabytków przemysłowych w rejonie Wałbrzycha w aspekcie możliwości fi -<br />
nansowania, in: Szansy przetrwania zabytków techniki fi nansowanie ochrony dziedzictwa przemysłowego<br />
w Polsce, Warszawa 24, Października 2000.<br />
Międzynarodowa konferencja, Lisia Sztolnia w Wałbrzychu jako zabytek techniki europejskiego dziedzictwa<br />
kulturowego, Wałbrzych 20–22, Wrzesnia 2001.<br />
Scharnholz, Lars (Hg.), Die Unbekannte Mo<strong>der</strong>ne. Von Eberswalde nach Wałbrzych, Forst (Lausitz)<br />
2006.<br />
ul Konopnickiej<br />
Stado Ogierów Książ<br />
Wałbrzych Miasto<br />
84 85<br />
Książ<br />
MPiT<br />
Kościół pw. św. Anny<br />
Ryneck<br />
Świebodzice<br />
Zamek Stary Książ<br />
Palmiarnia<br />
Wałbrzych Szczawienko<br />
Borowa<br />
Grundlage des Ansatzes ist ein engmaschiges Tourismusnetzwerk, das die Schwerpunktthemen<br />
Natur, Kultur und Industrie miteinan<strong>der</strong> verbindet. Bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />
des Technik- und Industriemuseums sollte dabei <strong>der</strong> Erlebniswert im Vor<strong>der</strong>grund<br />
stehen.<br />
Um einen erfolgreichen Projektverlauf zu ermöglichen, muss das Museum in klaren<br />
Strukturen mit regionalen Partnern kooperieren. Kernteam zur Umsetzung <strong>der</strong> Strategie<br />
ist die Arbeitsgruppe MPiT. Sie konstituiert sich zu Beginn <strong>der</strong> Maßnahmen unter<br />
Leitung des Museums und wird von externen Fach- und Sachmitglie<strong>der</strong>n begleitet.<br />
Schocken<br />
Harcówka<br />
Wałbrzych Fabryczny<br />
Wałbrzych Glówny
II<br />
J1<br />
Tuchfabrik Emil Cattien, Forst [Lausitz] Analyse / Bewertung J1II<br />
Das ca. 6.000 m² große Grundstück befi ndet sich am nordöstlichen Stadtrand von Forst<br />
(Lausitz), ca. 1,3 km vom Stadtzentrum entfernt. Sein Umfeld soll als Verwaltungs-, Bildungs-<br />
und Kulturzentrum entwickelt werden.<br />
Das trapezförmige Grundstück weist eine L- förmige Blockrandbebauung auf, die sich aus<br />
drei Baukörpern mit einer Bruttogeschossfl äche von insgesamt ca. 4.000 m² zusammensetzt.<br />
Diese grenzen das Grundstück nach Norden und Westen hin ab und formen eine<br />
Raumkante für die ausgedehnte Freifl äche im Süden. In unmittelbarer Nachbarschaft befi nden<br />
sich Einrichtungen des Gemeinbedarfs, wie das Oberstufenzentrum und die Kreisverwaltung<br />
Spree-Neiße.<br />
Die Fabrik wurde 1889 vom Forster Tuchmacher Emil Cattien errichtet. Die Familie<br />
Cattien zählte zu den bedeutendsten Tuchmacherfamilien am Ort. Seit Anfang <strong>der</strong><br />
1990er Jahre stehen die Bauwerke nun leer, was ein schnelles Handeln erfor<strong>der</strong>t, um<br />
den Bestand zu erhalten.<br />
Die architektonische Qualität <strong>der</strong> Bauten, <strong>der</strong> großzügige Grundstückszuschnitt mit<br />
ausgedehnter Freifl äche im Süden, die Nähe zur Neiße und die Lage in unmittelbarer<br />
Nähe zu öffentlichen Einrichtungen stellen eine vorteilhafte Ausgangssituation dar.<br />
Tuchfabrik Emil Cattien, Forst [Lausitz]<br />
Kreisverwaltung<br />
164 165<br />
Mühlgraben<br />
Zentrum<br />
500<br />
Stadtpark<br />
10 0<br />
50<br />
Neiße<br />
500
II<br />
J1<br />
1889<br />
23.000 E<br />
1.300 m<br />
650 m²<br />
3.300 m²<br />
05<br />
Tuchfabrik Emil Cattien, Forst [Lausitz] Projektverlauf J1II<br />
Intro<br />
Die Tuchfabrik Emil Cattien in Forst (Lausitz) steht leer und verfällt zunehmend. Ihre architektonische<br />
Qualität, die Lage im Raum und <strong>der</strong> Grundstückszuschnitt bieten jedoch<br />
ausreichend Potenziale zu einer Neunutzung. Die Entwicklungsstrategien sollten jedoch<br />
berücksichtigen, dass die wirtschaftlich angespannte Situation in Forst (Lausitz) und das<br />
vorhandene Überangebot an Wohn- und Gewerberaum eine Neunutzung nach kurzfristigen<br />
Rentabilitätsüberlegungen wenig aussichtsreich erscheinen lässt.<br />
Aktive Suche nach interessierten Personen<br />
und Aufbau <strong>der</strong> AG Freiraum.<br />
[1] Gründung AG Freiraum<br />
Aus dem Kernteam <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft bildet<br />
sich ein gemeinnütziger Verein, <strong>der</strong> das Objekt<br />
zu einem symbolischen Preis erwirbt.<br />
[2] Gründung Freiraum e.V.<br />
Das Gebäude wird mit geringem fi nanziellem<br />
Aufwand gesichert und für eine zunächst<br />
temporäre Nutzung vorbereitet.<br />
[3] Teilsanierung<br />
Hat sich eine stabile Nutzergemeinschaft mit einer<br />
tragfähigen Nutzungszusammensetzung gebildet,<br />
wird das Gebäude für eine dauerhafte<br />
Nutzung saniert.<br />
[4] Komplettsanierung<br />
01 Vorbereitung 02 Entwicklung 03 Umsetzung 04 Betrieb<br />
[a] Netzwerkarbeit<br />
Die Arbeitsgemeinschaft baut gezielt Kontakte<br />
zu weiteren potenziellen Mitglie<strong>der</strong>n,<br />
Interessenten und Multiplikatoren auf, um<br />
das Projekt auf eine breite personelle Basis<br />
zu stellen.<br />
[b] Öffentlichkeitsarbeit<br />
Die Arbeitsgemeinschaft führt saisonal publikumswirksame<br />
Veranstaltungen auf dem Gelände<br />
durch, um den Bekanntheitsgrad des Projektes<br />
zu erhöhen und Nutzer und Unterstützer für<br />
das Vorhaben zu gewinnen.<br />
[c] Sommercamp<br />
Zwischennutzung des Gebäudes von Mai bis<br />
September als Sommercamp.<br />
[d] Schaustelle<br />
Die Sanierungsarbeiten werden öffentlichkeitswirksam<br />
inszeniert. Das Gebäude erfährt eine<br />
dauerhafte Nutzung.<br />
Die Projektidee verfolgt einen experimentellen Ansatz, um ein Fabrikgebäude, neu zu nutzen.<br />
Die Strategie zielt auf eine Nutzergruppe aus dem Kreativmilieu <strong>der</strong> umliegenden Großstädte<br />
ab. Dabei soll sich im Sinne einer „gesteuerten Hausbesetzung“ eine tragfähige Nutzung<br />
fi nden lassen. Vorgeschlagen wird, dass die Nutzer gewissermaßen als Raumpioniere<br />
agieren. Sie entwickeln den Standort in Eigeninitiative. Eine geeignete und tragfähige<br />
Nutzungs- und Nutzerzusammensetzung ist hierbei nicht vorbestimmt.<br />
166 167<br />
Strategie<br />
12
II<br />
J1<br />
Literaturauswahl<br />
Tuchfabrik Emil Cattien, Forst [Lausitz] Idee / Umsetzung J1II<br />
Raumpioniere stärken<br />
Mit dem Projekt Freiraumlabor Emil Cattien wird ein Ansatz <strong>der</strong> „gesteuerten Hausbesetzung“<br />
verfolgt. Es bietet fl exible Rahmenbedingungen, um Eigeninitiative und Eigenleistung<br />
als wichtige Faktoren <strong>der</strong> Projektentwicklung zu nutzen. Die Nutzerzusammensetzung<br />
ist dabei nicht von vornherein festgelegt. Sie soll sich vielmehr im Laufe <strong>der</strong> Projektentwicklung<br />
einstellen. Zielgruppe ist das junge Kreativmilieu <strong>der</strong> 20- bis 45-Jährigen im Raum Berlin,<br />
Cottbus und Zielona Góra.<br />
Entwicklung und Betrieb übernimmt ein gemeinnütziger Verein. Er betreut die Nutzer und<br />
übt dadurch eine steuernde Funktion aus. Berufen wird ein projektbezogener Beirat aus Vertretern<br />
<strong>der</strong> Politik, Bildung, Kultur und Wirtschaft.<br />
Clemens, Petra, Die aus <strong>der</strong> Tuchbude. Alltag und Lebensgeschichten Forster Textilarbeiterinnen, Cottbuser<br />
Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Bd. 6, Münster 1998.<br />
Clemens, Petra, Fadenbruch – Bil<strong>der</strong> zur Erinnerung aus dem VEB Forster Tuchfabriken, Forst (Lausitz)<br />
2000.<br />
Kaiser, Annett u. a., Forst – ein ›deutsches Manchester‹ in <strong>der</strong> Lausitz, in: kunsttexte.de, Nr. 2, 2002 (12<br />
Seiten), http://www.kunsttexte.de (01.07.2007).<br />
Lärmer, Karl und Dirk Wilking, Märkisches Birmingham – Deutsches Manchester, England und die Frühindustrialisierung<br />
in Brandenburg, Forst (Lausitz) 1997.<br />
Die Entwicklung glie<strong>der</strong>t sich in drei Phasen, die nicht zwangsläufi g linear aufeinan<strong>der</strong><br />
folgen. In <strong>der</strong> Aufbauphase gründet sich eine lose organisierte Arbeitsgemeinschaft,<br />
die das Grundkonzept formuliert, Netzwerke aufbaut und erste temporäre Veranstaltungen<br />
organisiert. In <strong>der</strong> Experimentierphase übernimmt <strong>der</strong> Verein das Gebäude<br />
und bereitet es für die Aneignung durch Raumpioniere vor.<br />
Nachdem unterschiedliche Nutzerkonstellationen in dem Gebäude zu einer stabilen<br />
und nachhaltigen Nutzerstruktur geführt haben, kann die Immobilie mit größerem fi -<br />
nanziellen Aufwand saniert werden.<br />
168 169