2 ThemaDie Ökumenische Kampagne der Fastenzeit thematisiert «Land Grabbing»Der neue KolonialismusDie diesjährige Ökumenische Kampagnevon «Fastenopfer» und «Brotfür alle» beschäftigt sich mit einerneuen Form von Kolonialisierung –dem Landraub in Entwicklungsländern.Internationale Konzerne verhelfenafrikanischen Regierungenzu schnellem Geld und versprechendem Land einen Entwicklungsschub.Doch sie zahlen Minimallöhneund zwingen ganze Völker inneue Abhängigkeiten.Seit dem frühen Morgen kniet derJunge Red bei knapp vierzig Grad Celsiusinmitten eines Zuckerrohrfeldesund jätet Unkraut. Ein Inder mit einemgrossen Sonnenhut steht überihm, passt auf, dass er auch nichtsübersieht. Red ist acht Jahre alt. Umgerechnet84 Cent verdient er, wenner einen Tag lang auf dem Feld imWesten Äthiopiens schuftet. SeineArbeitskraft ist billiger als Pflanzenschutzmittel.In Äthiopien sind derzeitüber drei Millionen Menschenauf Lebensmittelhilfslieferungen angewiesen.Doch der indische Farmpächterwill in wenigen Jahren Millionenverdienen, indem er Nahrungsmittelaus dem Hungerland Äthiopienexportiert, die mit Hilfe vonKinderarbeit produziert worden sind.Im vierzehntärmsten Land der Welthat der Wettlauf um riesige landwirtschaftlicheProduktionsflächen geradeerst begonnen. Die sozialen undökologischen Risiken und Chancensind noch nicht absehbar.Die Sicht der Investoren«Noch ist hier überall Wildnis, aberbald wird alles ordentlich aussehen,und wir werden unter anderem Zuckerrohrund Ölpalmen anbauen»,sagt Karmjeet Singh Sekhon, als erMit grosser Kelle angebaut: Zuckerrohrplantage in Sierra Leone.sich in einem Toyota-Pick-up überseine Farm kutschieren lässt. Rechtsund links der Piste brennt das bislangunberührte Buschland; wo diegelegten Feuer zu schwach waren,helfen Bulldozer nach. Der Inder istManager der gigantischen Karuturi-Farm, die sich auf einer Fläche vonzunächst 100 000 Hektar – bald sollenes 300 000 Hektar sein (grösser alsLuxemburg) – im Westen Äthiopienserstreckt.Kinderarbeit ist ebenbilliger als Pflanzenschutzmittel,Dünger und Traktoren.Hunger im Land –Export von NahrungEs gibt kein Gesetz, das besagt, dassein gewisser Prozentsatz der geerntetenLebensmittel im Land bleibenmuss, obwohl Äthiopien schon mehrereHungersnöte erlitten hat. Der(Foto: zvg)Marketing- und Logistikchef der Karuturi-Farm,Birinder Singh, machtkeinen Hehl daraus, dass seine Firmarein wirtschaftliche Ziele verfolgt undan den verkaufen wird, der am meistenzahlt. Egal wohin.«Landraub gibt es nicht!»Äthiopiens Politiker wehren sich gegenden Vorwurf des Landraubs.Kein Wunder, dass die äthiopischeRegierung zum Liebling der internationalenAgro-Investmentfirmen zählt.«Es gibt jede Menge gutes Land, genugWasser, billige Arbeitskräfte undeine stabile Regierung, die für Gesetzund Ordnung sorgt», sagt MarketingundLogistikchef Birinder Singh. LautEsayas Kebede, Chef der staatlichenAgentur, die für die Verpachtung derlandwirtschaftlichen Flächen zuständigist, profitiert Äthiopien vielfachvon der Verpachtung. «Durch den Exportder Lebensmittel kommen dringendbenötigte Devisen ins Land, dieFarmen sorgen für Beschäftigung, dieProduktivität wird verbessert und dieErnährungssicherung erhöht», sagtKebede.
Thema 3David vor den GoliathsNicht alle betrachten die Investitionender ausländischen Konzerne alsFortschritt. Der äthiopische KleinbauerOjwato steht auf seinem knappeinen Hektar grossen Feld. Es machtihn wütend, dass die neben seinemFeld angebauten Lebensmittel exportiertwerden sollen, während erund seine Familie regelmässig aufHilfslieferungen angewiesen sind.«Als die Ausländer mit ihren grossenMaschinen kamen, haben wir siewillkommen geheissen. Sie habenuns versprochen, dass sie uns Strom,Wasser und Krankenhäuser bringen.Davon ist bislang nichts passiert.Sie haben nur ein paar Männernschlecht bezahlte Arbeit ge geben»,sagt der Bauer. Auch wenn seineFamilie das kärgliche Einkommenaus der Kinderarbeit gut gebrauchenkönnte, hat Bauer Ojwato seinenKindern verboten, für die Farmzu arbeiten. Aber nicht alle sind soweitsichtig wie Ojwato. «Manchmalkommen nur fünf von sechzig Schülernzum Unterricht. Die anderen arbeitenauf den Feldern», sagt TigabaTekle. Er ist stellvertretender Leitereiner Schule, die unmittelbar an dieKaruturi-Farm angrenzt.Beschwichtigungen«Wir zahlen immer den nationalenMindestlohn», sagt Birinder Singhvon der Karuturi-Farm stolz, undEsayas Kebede von der äthiopischenRegierung sagt lapidar, dass niemandgezwungen werde, für den Lohn vonrund einem Euro pro Tag bei denIndern zu arbeiten. Dennoch schuftenviele Kinder auf den Feldern.«Die spielen doch nur im Gras», sagtEsayas Kebede, als er mit den Fotosder arbeitenden Kinder konfrontiertwird. Offiziell werden für Grossfarmenwie die des Inders nur bislangungenutzte Flächen genutzt, dochMenschenrechtsgruppen befürchten,dass es zu Zwangsumsiedlungenkommt.«Fastenopfer» setzt sich weltweit für mehr Gerechtigkeit ein.Weit entfernt vom RechtsstaatSo wirft die deutsche Gesellschaft fürbedrohte Völker der äthiopischenRegierung vor, für die neuen Grossfarmensystematisch Menschen umzusiedeln.Die Regierung bestreitetdies, doch Fakt ist: In Westäthiopienfindet derzeit ein staatliches Umsiedlungsprogrammstatt. Laut dem offiziellenRegierungsprogramm findenalle Umsiedlungen freiwillig statt unddienten lediglich dazu, der Bevölkerungeinen besseren Zugang zu Infrastruktur,Bildungs- und Gesundheitseinrichtungenzu gewähren. Die Realitätsieht anders aus.Mit ihren drei Kindern kauert BäuerinTuru Omod vor dem, was vonihrem Speicherhaus und ihrer Maisernteübrig geblieben ist. «Die Regierunghat uns immer wieder gesagt, wirsollen in ein neues Dorf ziehen, aberwir wollten hierbleiben. Hier habenschon unsere Vorfahren das Feldbestellt», sagt die Frau. Kurz daraufbrannten am helllichten Tag zeitgleichmehrere Hütten der kleinen Siedlungnieder. Die Bewohner vermuten, dassdie Regierung mit dem Feuer dem«freiwilligen» UmsiedlungsprogrammNachdruck verleihen und so unbesiedeltesLand für ausländische Investorenschaffen möchte. Die Regierung(Foto: L. N.)(die bei den letzten Parlamentswahlen99,6 Prozent aller Parlamentssitzeerzielte) bestreitet dies, hinderte denAutor jedoch an seinen Recherchenin den Umsiedlungsgebieten undwollte ihm einen offiziellen Begleiterzur Seite stellen. Begründung: «Wirwollen nicht, dass Sie politisch unerwünschteInformationen sammeln.»Farm-Manager Sekhon, der sich lieberBauer als Investor nennt, ist dasUmsiedlungsprogramm egal. Für ihnmuss es mit der Farm vorangehen,denn er hinkt dem Zeitplan hinterher.Und dafür muss der kleine Red weiterUnkraut zupfen.Philipp Hedemann/inspÄthiopien ist mit einer Fläche vonrund 1,1 Millionen Quadratkilometern25 Mal so gross wie dieSchweiz. Die Hälfte der 90 MillionenBewohner ist unterernährt.Alles Land gehört dem Staat. Dieäthiopische Regierung erhofft sichvon der Verpachtung riesiger Flächenan ausländische Investorenden benötigten Modernisierungsschubfür die Landwirtschaft.Spenden ans Fastenopfer:Postkonto: 60-19191-7