<strong>Kloster</strong> <strong>Baldegg</strong>Trost finden in der BegegnungProf. Christiane Blank, Zofingen1. Die Auseinandersetzung mit Schmerzund Leid«Selig sind, die da Leid tragen», heisst esbei Matthäus 5,4, «denn sie sollen getröstetwerden.» Angesichts dieses Versprechensaber stellt sich die Frage, wie sichsolcher Trost in der ganz konkreten Krisensituationverwirklichen lasse.Der heutige Mensch hat sichtlich Mühe,mit Leid und Schmerz umzugehen. DieFragen nach Tod und Leben, Krankheitund Sterben, Leid und Not waren früherweit mehr als heute im täglichensozialen Ablauf eingebettet. Der heutigeMensch aber tut sich schwer damit, ihnenzu begegnen; und ebenso schwierig istes für viele, tröstend für den andern dazu sein. Dabei fehlt es keineswegs angutem Willen. Vielmehr ist es eine gewisseHilflosigkeit, die den heutigen Menschenhemmt, helfend da zu sein. In einer Zeitdes Individualismus wird schnell gefürchtet,dass man dem andern zu nahe trete.Zudem fehlt auch oft die Erfahrung imspontanen und unbeschwerten sozialenUmgang. Die individuelle Abgrenzung desEinzelnen hat dazu geführt, dass man verlernthat, dem andern offen zu begegnenund auf ihn zuzugehen.2. Trost durch KommunikationGerade in Notsituationen aber wächst dieGefahr, dass sich der Einzelne isoliert undletztlich die Fähigkeit verliert, andere anseinem Leid teilnehmen zu lassen.Die zeitgenössische Psychologie hat sichintensiv mit dieser Problematik befasst. Eswurden Methoden ausgearbeitet, die demMenschen helfen sollen, seine Sprachlosigkeitzu überwinden. Zwei der diesbezüglichenAnsätze werden im Folgendenkurz skizziert:a) Trost finden im Reden über daseigene LeidAus einem falsch verstandenen Aktivismusheraus, meinen wir oft, es gehe beimTrösten in erster Linie darum, die Ängsteund Befürchtungen des Leidenden zubeschwichtigen oder ihm mit guten Ratschlägenzu helfen, seine Probleme zu mildern.Dabei wird übersehen, dass Hilfe imGrunde immer Hilfe zur Selbsthilfe seinsollte. Im Mittelpunkt der Bemühungenmüssen die Bedürfnisse des Betroffenenstehen. Um diese jedoch zu kennen, istes nötig, dass der Leidende selber darüberspricht. Sein Reden über die eigeneNot kann für ihn selbst sehr schmerzhaftsein. Gerade gutmeinende Begleitpersonenglauben daher nicht selten, solcheexistentielle Konfliktthemen müssten tunlichstvermieden werden. Sie bemühensich in der Folge darum, die Sprache aufUnverfänglicheres zu lenken. Damit wirdaber dem Leidenden kein Dienst erwiesen.Es ist von eminenter Bedeutung, dassdie betroffene Person mit jemandem offenüber ihre Sorgen sprechen kann. Der dabeistattfindende Prozess des Erzählens (Narration)beinhaltet weit mehr, als nur dieWiedergabe der Geschehnisse. Indem derMensch seine Nöte und Ängste zur Sprachebringt, konfrontiert er sich von neuemmit ihnen. Um über sie reden zu könnenund um sie dem Zuhörenden plausibel zumachen, muss er sie neu einordnen. Derdabei notwendige Versuch, eine Übersichtzu schaffen und die einzelnen Prozesse zueinem verständlichen Ganzen zusammenzufügen,schafft neue Perspektiven. Indemversucht wird, das vergangene Geschehenim Prozess des Erzählens dem Zuhörendenbegreifbar zu machen, verändertsich die Interpretation der Ereignisse, jenachdem welchem Zuhörer oder welcherZuhörerin sie erzählt werden. Sie erscheinenin der Folge für beide Beteiligten inneuem Licht und gewinnen an Klarheit.Der Prozess des Erzählens erhält so einetherapeutische und heilende Funktion. Inder Begegnung mit dem andern wird dasLeid «mitgeteilt». Es wird begreifbarer,kann besser gedeutet und verarbeitet werden.Es zeigen sich Lösungswege, dasGefühl der Ohnmacht wird überwunden.Das bringt Trost, Hoffnung und Zuversichtund ermutigt zum autonomen Handeln.b) Beim andern Trost findenWie kann der Leidende getröstet werden?Um diese Frage beantworten zukönnen, braucht der Tröstende sehr vielEinfühlungsvermögen. Es muss ihm zuerstgelingen, eine Vertrauensbasis zu schaffen,damit sich die andere Person in ihrer Notüberhaupt öffnet. Gerade in Krisensituationenist dies nicht leicht. Oft haben Enttäuschung,Kränkungen und Verrat dazugeführt, dass die leidende Person sichschwer tut, wieder Vertrauen zu schöpfen.Nur ein sensibles Sicheinfühlen indie Situation und ein intensives Hinhören,schaffen die Voraussetzungen, um dieBedürfnisse des andern wirklich wahr-4
Früher oder später begegnen wir alle Schmerz und Leid in unserem Leben. Bei deneinen bricht es plötzlich und zerstörend ein, bei anderen schleicht es sich langsamins Leben und löst die bestehenden Sicherheiten auf. In solchen Krisen- undExtremsituationen brauchen wir Zuwendung und Trost.nehmen zu können. Dabei gilt es, trotzaller Nähe die nötige Distanz zu wahrenund auch zu akzeptieren, dass Hilfe undZuspruch nicht immer gefragt sind. Trostspenden soll ja nicht die Opferrolle verstärken,sondern soll vielmehr dem andernMut machen, neu aufzubrechen und seineZukunft konstruktiv zu gestalten. Um soweit zu kommen, braucht es nicht nurZeit, sondern auch die Möglichkeit, dieTrauer zu verarbeiten. Dem andern tröstendbeistehen wird somit zu etwas, dasweit über eine momentane Hinwendunghinausgeht und zu einer kürzeren oderlängeren Wegbegleitung werden kann.Das unterstützende und liebevolle Eingehenauf den andern soll ihm helfen, neueGeborgenheit in aller Ungeborgenheit zufinden, soll heilend auf die Verletzungeneinwirken und zu einer neuen Bereitschaftbeitragen, die Probleme zuversichtlichanzugehen. Damit dies wirklich zueiner konkreten Unterstützung wird, ist eswesentlich, auf die Ängste des leidendenMenschen einzugehen und dabei gleichzeitigimmer die Dimension der Hoffnungzu bewahren. Dass der Betroffene dabeigelegentlich mit Abwehr und vielleichtsogar Aggression reagiert, ist normal unddarf keineswegs als Angriff verstandenwerden. Stattdessen muss deutlich werden,dass Zorn und Auflehnung in derSituation des Schmerzes ebenso normalsind wie Tränen und depressive Phasen.Indem der Tröstende auf diese Weise aufdie komplexe Situation des andern Menscheneingeht, ist es möglich, dass jenesTrösten sich vollzieht, das uns in Mt 5,4versprochen wird.Frau Prof. Dr. Christiane Blank war bis zu ihrerEmeritierung an der Päpstlichen theologischenFakultät von São Paulo und an mehreren anderenUniversitäten in Brasilien tätig. Die Spezialistinin Ehe-Theologie und Logotheorie bietetauch in der <strong>Kloster</strong>herberge in <strong>Baldegg</strong> Kursean, vgl. Jahresprogramm «TreffPunkt».5