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Seniorenzeitung WIR (20/2013) - Arbeit und Leben Bremen eV

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Interview: Ehrenamtlicheunentgeltliche TätigkeitWer macht die <strong>WIR</strong>?Inge Markowsky,sie ist die gute Seele der<strong>WIR</strong>-Redaktion. Von ihrwerden die Termine <strong>und</strong>Räumlichkeiten organisiert.Nicht zuletzt ist sieauch für die Verteilung dergedruckten Hefte verantwortlich.75 Milliarden St<strong>und</strong>en sollen nach einerStudie an freiwilliger bzw. ehrenamtlicherunentgeltlicher Tätigkeit in Deutschlandpro Jahr geleistet werden. Erfasst werdenkönnen dabei naturgemäß nur solche Tätigkeiten,die in irgendeinem organisatorischenZusammenhang stattfinden – Institutionen,Verbände, Vereine, Kirchen.<strong>WIR</strong> spürt in diesem Heft besonderssolchen freiwillig erbrachten Tätigkeitennach, die außerhalb solcher Zusammenhängestattfinden. Z.B. sprach <strong>WIR</strong> mitRedaktionsmitglied Inge Markowsky überihre ehrenamtliche <strong>Arbeit</strong>.<strong>WIR</strong>: Inge, wir kennen dich als langjährigunermüdliche Aktive im ver.di Seniorenkreis<strong>und</strong> du erfüllst vielfältige Aufgabenin der Redaktion der <strong>WIR</strong>-Zeitung.Du bist auch fast überall dabei, wenn esdarum geht, Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen zuunterstützen, zuletzt bei einer Aktion imEinzelhandelsstreik.Es gibt aber in deinem <strong>Leben</strong> noch weiterefreiwillige unentgeltliche Betätigung.Kannst du uns dazu was erzählen?Inge: Das kann ich <strong>und</strong> tue ich auchgerne. Ich habe jahrelang eine ältereDame betreut, sie wohnte bei ihrer Tochter,mit der ich fre<strong>und</strong>schaftlich verb<strong>und</strong>enbin. Dann fiel sie hin, brach sich denOberschenkelhals, kam ins Krankenhaus,dann in die Reha, <strong>und</strong> ihre Tochter war zudieser Zeit nicht in Deutschland. Also binich hin, hab mich um sie gekümmert. Ichhabe sie besucht, habe auch ihre Wäschegepflegt, die dann zu pflegen war. Als siewieder nach Hause kam, haben wir auchweiter guten Kontakt gehabt.Als sie dann verstarb <strong>und</strong> ihre Tochterabwesend war, habe ich mit ihrer Enkelinalle Formalitäten bis hin zur EinäscherungWir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 3


erledigt, so dass dann nach der Rückkehrder Tochter die Urne beigesetzt werdenkonnte.<strong>WIR</strong>: Über welchen Zeitraum hat sichdie Betreuung dieser Dame hingezogen?Inge: Ich kannte die Dame ca. 13 Jahre<strong>und</strong> die Betreuung bezog sich ungefährauf zwei Jahre.<strong>WIR</strong>: Deine Motivation dafür war, dassdu sie mochtest oder wie würdest du dasbezeichnen?Inge: Ich mochte die Omi sehr gerne,bin auch gut mit ihr ausgekommen. Sovielich mitbekommen habe, ist sie mit mirsogar besser ausgekommen als mit ihrerTochter. Sie war ja nur zu Besuch da, wennsie kam. Sie hat sich von mir auch mal wassagen lassen, weil sie mit ihren 90 Jahrenschon ein bisschen starrköpfig war.<strong>WIR</strong>: Hast du jemals darüber nachgedacht, wie viele St<strong>und</strong>en du insgesamt fürdiese Betreuung aufgewendet hast?Inge: Nein, nie – ich habe das sehr gernegetan <strong>und</strong> wenn ich gebraucht wurde,war ich da.<strong>WIR</strong>: Das ist ja nun keine Tätigkeit inirgendeiner Organisation gewesen, sondernganz individuell. Dafür hast du dannsicher auch keine Aufwandsentschädigungoder irgend so etwas bekommen,oder auch eine Erstattung deiner Kostenfür Fahrgeld, Telefonate, kleine Mitbringseloder Gefälligkeiten?Inge: Nein, niemals – hätte ich auch garnicht haben wollen. Ich mochte sie ja sehrgerne. Ich habe lieber mit ihr Kaffee getrunken,auch mal ein Stück Kuchen mitgebracht.Wir sind auch mal spazieren gegangen, nachihrem Sturz dann mit dem Rollator. Da wäreich nie auf die Idee gekommen, auch nur einenPfennig dafür zu nehmen.<strong>WIR</strong>: Und hast du dir mal überlegt, welcheWertschätzung du dir für dieses jahrelangerbrachte persönliche Engagementwünschst.Inge: Was ich mir wünsche: Ich habeeine Patientenverfügung, da habe ich dieTochter mit eingesetzt <strong>und</strong> ich wünschemir, dass sich auch mal jemand ein bisschenum mich kümmert, wenn ich malHilfe brauche, weil ich hier in <strong>Bremen</strong> alleinstehend bin.<strong>WIR</strong>: Zum Schluss noch eine Frage:Was hältst du aufgr<strong>und</strong> deiner Erfahrungenvon dem Vorschlag, ein sozialesPflichtjahr im Umfang von 15 Wochenst<strong>und</strong>enfür RentnerInnen im Anschlussan ihre Berufstätigkeit einzuführen?Inge: Davon halte ich gar nichts. Es istein Zwang.<strong>WIR</strong>: Inge, wir danken dir, dass du unseines von vielen möglichen Beispielen fürdie nicht erfasste freiwillige unentgeltliche<strong>Arbeit</strong> näher gebracht hast.Wer macht die <strong>WIR</strong>?4 | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13Hugo Köser,macht mit bei der <strong>WIR</strong> von Anfang an. Was macht er sonstnoch? Er ist aktiver Metaller, ist Vater <strong>und</strong> Opa, war Betriebsrat<strong>und</strong> ärgert sich ständig über die politischen Verhältnisse. Er will ändern. Darum macht er weiter bei der <strong>WIR</strong> mit.


Sport • Kinderbetreuung • soziales Engagement in Kirchen <strong>und</strong>Sozialverbänden • Selbsthilfegruppen • Umwelt- <strong>und</strong> Naturschutz •Bürgerinitiativen • Politik <strong>und</strong> Interessenvertretungen • Jugendarbeit •Kultur • Vereinstätigkeit • Feuerwehr <strong>und</strong> Rettungsdienste •Bewährungshilfe • Schöffen •Ehre – Amt – Freiwilligkeit - ZwangGedanken zu einem viel diskutierten ThemaEhrenamtlich, freiwillig, unentgeltlicherbrachte Tätigkeiten – kein Gemeinwesenkann ohne sie auskommen: keine Nachbarschaft,keine Gemeinde, kein Staat.Für andere Menschen, für bürgerschaftliche,soziale, oder kulturelle AufgabenZeit <strong>und</strong> Kraft, oft auch eigene finanzielleMittel aufwenden – das tun vieleMillionen in Deutschland. 17 Millionensollen es sein. In <strong>Bremen</strong> wird die Zahlvon der Freiwilligen-Agentur mit 160 000angegeben. Und sie tun es in aller Regelgern, obwohl die Liebe zum Nächsten beiweitem nicht das einzige Motiv sein muss,sich ehrenamtlich in der Gemeinschaft zuengagieren. Freiwillige Tätigkeit bringtauch den einzelnen Menschen etwas:Selbsterfahrung, soziale Bindungen, einenTrittstein für die berufliche Karriere,Prestige durch ein Ehrenamt, einen Ausgleichzur beruflichen Tätigkeit.Die Grenzen zwischen unbezahlter Familienarbeit,Fre<strong>und</strong>schaftsdiensten <strong>und</strong>organisierter Freiwilligenarbeit in organisiertenStrukturen von Verbänden, Kirchen,Sozialverbänden oder Gewerkschaftenusw. sind oft fließend. Daran scheitertauch jeder Versuch, den Umfang freiwilliggeleisteter Tätigkeiten komplett zu erfassen.Eine Studie hat z.B. für Deutschlandermittelt, die „Wertschöpfung“ durchsoziale <strong>Arbeit</strong> betrage mehr als 75 MilliardenEuro. Diese Angabe wirft Fragenauf: Was ist soziale <strong>Arbeit</strong>? Sind darinauch Tätigkeiten in Sport, Vereinen, Initiativenerfasst? Wie viele <strong>Arbeit</strong>sst<strong>und</strong>enhaben zu dieser Wertschöpfung beigetragen?Wertschöpfung ist ein Begriff aus derÖkonomie. Wird unentgeltliche Freiwilligenarbeitalso als ökonomische (<strong>Arbeit</strong>s-)Leistung bewertet? Warum wird den Freiwilligendann häufig keine ihrer Leistungangemessene finanzielle Anerkennungzugestanden – wie auch bei der umfangreichenPflege- <strong>und</strong> Sorgearbeit in den Familien?Tatsächlich gibt es große Unterschiedein den vielen Facetten von ehrenamtlicherfreiwilliger Tätigkeit: auf der einen Seitegibt es Ämter mit viel Ehre <strong>und</strong> öffentlicherAufmerksamkeit – mit wenigeroder mehr <strong>Arbeit</strong> verb<strong>und</strong>en, die häufigzu einer Freistellung von der beruflichenTätigkeit führen <strong>und</strong>/oder mit ordentlichenAufwandsentschädigungen bedachtsind. Jedenfalls werden solche Ehrenämter(Verbands- <strong>und</strong> Vereinsvorsitzende,Prüfer in der Berufsbildung, Beiräte usw.)in der Regel von Menschen geleistet, dieberuflich abgesichert sind. Ein Rückgriffauf die Geschichte zeigt: Die Armenpflegevergangener Zeiten wurde von adligen,später bürgerlichen Damen geleistet. DieseFeststellungen sollen die Anerkennungdieser Tätigkeiten nicht schmälern. Abersie stellen nur einen Teil des Ganzen dar.Auf der anderen Seite stehen viele ehrenamtlicheTätigkeiten, für die gar keineoder nur eine geringe Aufwandsentschädigunggezahlt wird, die aber wirkliche<strong>Arbeit</strong> oft auch in beträchtlichem Umfang<strong>und</strong> über eine lange Zeit bedeuten. SolcheTätigkeiten leisten Menschen, in der MehrzahlFrauen, oft zusätzlich zur Familienarbeitzu Lasten der eigenen Berufstätigkeit<strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen sozialen Sicherung.Oft tun sie das, weil sie sich unterUmständen in einer Partnerschaft sozialabgesichert glauben. Bekanntlich kannsich aber die Situation in Familien schnelländern – durch Scheidung, Erwerbslosig-Traudel KasselWir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 5


keit, Invalidität oder Tod. Hier stellt sichdie Frage nach dem Wert der geleistetenFreiwilligen-<strong>Arbeit</strong>: Erhalten die Menschen,die sie freiwillig <strong>und</strong> gern leisten,dafür möglicherweise verbilligten Eintrittin Museen dank der Ehrenamtskarte, eineAuszeichnung in der Gemeinde – oder alsGlanzpunkt einen Empfang beim B<strong>und</strong>espräsidenten,für den sie allerdings vor wenigenWochen noch zusätzlich in freiwilliger<strong>Arbeit</strong> ihre Projekte in einem Pavillonpräsentieren sollten?Warum erhalten Freiwillige z.B. keineRentenpunkte, die sie vor Altersarmutschützen könnten? Oder warum wird ihreso wertvolle <strong>Arbeit</strong>, die der Allgemeinheit<strong>und</strong> der ökonomischen Wertschöpfungdient, nicht auch als solche ordentlich bezahlt?Würde damit der Anreiz für Verbände,Kirchen <strong>und</strong> Träger vielleicht entfallen,immer mehr reguläre <strong>Arbeit</strong>splätzeabzubauen <strong>und</strong> diese – neben Minijobs<strong>und</strong> befristeten Kräften – durch Freiwilligezu ersetzen? Könnten nicht viele zusätzliche<strong>Arbeit</strong>splätze in Voll- oder regulärerTeilzeit geschaffen werden, die dasEinkommen der Freiwilligen <strong>und</strong> die Sozialkassenfüllen <strong>und</strong> somit auch offiziellals Beitrag zur Wertschöpfung anerkanntwürden? Freiwilligenarbeit hat bei allenpositiven Seiten für die Freiwilligen selbstauch die Wirkung, dass es in vielen öffentlichen,kirchlichen <strong>und</strong> Verbands-Einrichtungenein <strong>und</strong>urchsichtiges Geflechtunterschiedlicher Beschäftigungsformengibt, die neben einer gut bezahlten Ebenevon Leitungen <strong>und</strong> Festangestellten einengroßen Sektor schlecht bezahlter, ungesicherteroder nicht bezahlter <strong>Arbeit</strong> aufweisen.Die kostenlose <strong>Arbeit</strong> dient dannder Stützung eines Apparats von gut bezahltenKräften. Nicht vergessen werdensollten auch die vielen Menschen, die alsbezahlte <strong>Arbeit</strong>skräfte wegen der Sinnhaftigkeitihrer sozialen Aufgabe über Jahreeine geringere Bezahlung akzeptieren alses ihrer <strong>Arbeit</strong>sleistung entspricht. Auchdiese leisten einen Anteil an unbezahlterfreiwilliger <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> haben langfristigökonomisch das Nachsehen.Die umfassendste internationale Langzeitstudiehat nachgewiesen, dass Menschengerade in den Gesellschaften gern<strong>und</strong> viel freiwillige unentgeltliche <strong>Arbeit</strong>leisten, in denen hohe staatliche Verantwortung<strong>und</strong> Wohlfahrtspolitik herrscht.Zieht sich dagegen der Staat aus seinersozialen Verantwortung zurück, wie dasbeispielsweise seit Jahren in Deutschlandder Fall ist, entfremden sich die Menschenvoneinander <strong>und</strong> von der Gesellschaft.Freiwillige werden sich auch zunehmendbewusster, dass sie nicht als Lückenbüßerda sind für Aufgaben, die eigentlich vomStaat finanziert werden müssten. Sie wollentätig sein, aber sich nicht ausnutzenlassen.Freiwilligendienste - PflichtdiensteDas freiwillige soziale, ökologischeoder kulturelle Jahr für junge Menschenals Übergang zwischen Schule <strong>und</strong> Berufdient der Selbstfindung <strong>und</strong> wird seit seinemBestehen gern angenommen. Hinzugekommenist seit <strong>20</strong>11 der B<strong>und</strong>esfreiwilligendienst,der für 6 – 18 Monate40 Wochen-St<strong>und</strong>en für Menschen bis 27Jahre <strong>und</strong> mindestens <strong>20</strong> Wochen-St<strong>und</strong>enfür Ältere vorsieht. Dieser Dienst erlaubtkeine existenzsichernde beruflicheTätigkeit mehr. Er verpflichtet die Freiwilligenzu einer planbaren <strong>und</strong> berechenbarenTätigkeit bei einem Träger zu einemMinientgelt von 360 Euro bei 40 St<strong>und</strong>enVollzeit-Einsatz, für die Teilzeit-Freiwilligenentsprechend weniger.Dies ist ein Schritt, von Seiten desStaates die Bereitschaft von Menschen zufreiwilliger <strong>Arbeit</strong> auszunutzen <strong>und</strong> sichaus vielen vormals staatlichen Pflichten6 | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13


zurückzuziehen. Ein Beispiel dafür sindTafeln <strong>und</strong> Sozialkaufhäuser: statt einenausreichenden Betrag für eine ausgewogeneErnährung <strong>und</strong> Versorgung zur Verfügungzu stellen, verweist der Staat vieleBedürftige an diese von Freiwilligen oderverpflichteten Ein-Euro-JobberInnen betriebenenEinrichtungen, wo sie sich als„Arme“ ausweisen müssen, um „SecondHand“ zu erlangen, was ihnen als Menschenin unserer reichen Gesellschaft ohnehinzusteht.Erwerbslose werden seit Einführungder Hartz-Gesetze zwangsweise zu Tätigkeitenverpflichtet, die vorher oft Freiwilligentätigkeitenwaren. Zunächst warenes 6-monatige“ Ein-Euro-Jobs“, Jobs mit„Entgeltvariante“, jetzt ist es 3-jährige„Bürgerarbeit“. Allen diesen Formen istgemeinsam, dass sie nicht freiwillig sind<strong>und</strong> die Weigerung mit Geldentzug bestraftwerden kann <strong>und</strong> dass sie der Wertschöpfungdienen, ohne entsprechend bezahltzu werden.Wenn jetzt auch noch ein Pflichtjahrfür Ältere im Anschluss an ihre Berufstätigkeitgefordert wird, zeigt sich darin einTrend, vielfaches freiwilliges Engagementin eine <strong>Arbeit</strong>s-Pflicht umzuwandeln.Erinnert sei in diesem Zusammenhangdaran, dass der <strong>Arbeit</strong>sdienst im Nationalsozialismusnahtlos an den vorherigenfreiwilligen <strong>Arbeit</strong>sdienst aus der WeimarerRepublik anknüpfen konnte.Wo Nützlichkeit für die Allgemeinheitzum Maßstab des Wertes eines Menschengemacht <strong>und</strong> staatlicherseits immerdringlicher eingefordert wird, verliert dieehrenamtliche Tätigkeit der unzähligenunentgeltlich wirkenden Menschen denCharakter der Freiwilligkeit. Wer um seineExistenz kämpfen muss, weil <strong>Arbeit</strong>splätzefehlen, kann sich unbezahlte freiwillige<strong>Arbeit</strong> nicht leisten.Ältere Menschen fragen sich, ob sieihre Nützlichkeit ständig unter Beweisstellen müssen oder ob es nicht einfachmal genug ist <strong>und</strong> sie selbst entscheidenkönnen sollten, ob <strong>und</strong> wie sie sich in dieGesellschaft einbringen. Und wenn siesich weiter einbringen möchten, wie <strong>und</strong>wo sie das tun – ohne Bevorm<strong>und</strong>ung <strong>und</strong>staatliche Einflussnahme.Wer macht die <strong>WIR</strong>?Traudel Kassel,von Kindheit an nichtauf Rosen gebettet, konntein den unterschiedlichstenBereichen der Wirtschaftals Sekretärin berufliche<strong>und</strong> <strong>Leben</strong>s-Erfahrungensammeln. Reichtümer hatsie dabei nicht angehäuft,war aber auch nicht erwerbslos.Gewerkschaftlich<strong>und</strong> politisch engagiert siesich in Bereichen, in denensich Menschen in prekären<strong>Arbeit</strong>sverhältnissen <strong>und</strong>ohne Erwerbsarbeit gegendie Zumutungen <strong>und</strong>Ungerechtigkeit der herrschendenWirtschaftsordnungzur Wehr setzen. Inden letzten Jahren auchinnerhalb der ver.di SeniorInnen<strong>und</strong> der <strong>WIR</strong>-Redaktion.Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 7


Wir erinnern unsGewerkschafter <strong>und</strong>Widerstandskämpfer Hermann Prüser„Du sollst Dich nie vor einem lebenden Menschen beugen!“Hermann Prüser wurde 1903 in <strong>Bremen</strong>in einer christlich gepräg ten <strong>Arbeit</strong>erfamiliegeboren. Während seinerLehre als Maschinen bauer auf der Atlas-Werft schloss er sich dem „BildungsvereinJugend licher <strong>Arbeit</strong>er <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>erinnen“an, der im Dezember 1918 im KommunistischenJugendverband aufging. 1918wurde er Mitglied des Deutschen Metallarbeiterverband(DMV, heute IGM) <strong>und</strong>trat 19<strong>20</strong> der KPD bei, wo Prüser bald dieFunktion des Jugendleiters übernahm.Gezeichnetvon Marlis Glaser 1983Titelseite der<strong>Arbeit</strong>er-Illustrierten-Zeitung(AIZ), Prag imOktober 19338 | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13Fast 89 Jahre alt wurde HermannPrüser, der KPD- Abgeordnete derBremerBürger schaft aus der Zeit vor derNazi-Diktatur, der Wider standskämpfer<strong>und</strong> spätere Betriebsratsvorsitzender derAG-Weser. Er starb am 18. Dezember 1992.1928 wurde er in die Bremische Bürgerschaftgewählt. Als die Nazis nach derReichstagswahl vom 5. März 1933 auchin <strong>Bremen</strong> die Macht übernahmen <strong>und</strong>in einer Bürgerschaftssitzung am 10.März die Auflö sung des Parlaments verlangten,nahm Hermann Prüser gegendie An weisung seiner schon in die Illegalitätgedrängten Partei an dieser Sit zungteil <strong>und</strong> hielt eine mutige Rede gegen den,,faschistischen Staats streich“. In der vonSA umstellten Bürgerschaft klagte er den„Weißen Terror“ an, „wo kommunistische<strong>und</strong> sozialdemokratische <strong>Arbeit</strong>er von SA<strong>und</strong> SS viehisch gemordet werden“ , <strong>und</strong>erklärte, dass die KPD weiter kämpfenwerde, gegen den Faschismus, „trotz Polizeiterror,trotz Tod <strong>und</strong> Tränen <strong>und</strong> wirmarschieren mit Rosa Luxemburg, mitKarl Liebknecht, <strong>und</strong> Ihr werdet uns nichtvernichten!“ Es war die letzte freie Redein der Bremischen Bürgerschaft <strong>und</strong> dieletzte Rede ei nes Kommunisten in einemdeutschen Parlament für die nächsten 12Jahre.*Hermann Prüser ging in den illegalenWiderstand, wo er unter ande rem als Kuriernach Holland eingesetzt wurde. ImJuni 1933 wegen der Verteilung der „Kleinen<strong>Arbeit</strong>erzeitung“ festge nommen, verbrachteer die „Schutzhaft“ in den BremerKonzentrationslagern Mißler <strong>und</strong> Ochtumsandbis Weihnachten 1933. Mitte bisEnde 1935 kam er erneut in Haft. Danachfand er <strong>Arbeit</strong> bei der AG-Weser, wo er bis1968 als Werkzeugmacher arbeitete. Auf


der Werft gehörte er zu ei ner überparteilichenWiderstandsgruppe, der Mitgliederaller <strong>Arbeit</strong>erparteien angehörten. 1945schloss er sich der „Kampfgemeinschaftgegen den Faschismus“ an, die bis Dezember1945 für eine Einheitsorganisation der<strong>Arbeit</strong>erparteien <strong>und</strong> der Gewerkschaftenplädierte . Nach dem Scheitern dieses Versuches,aus den Fehlern der Vergangenheitzu lernen, wurde er wieder für die KPDaktiv.Die Wahl zum zweiten Vorsitzendender Bremer IG-Metall nahm er 1946 nichtan, weil er auf Vorschlag von WilhelmKaisen zum hauptamtlichen Mitglied desHauptausschusses zur „Befreiung vomNationalsozialismus <strong>und</strong> Militarismus“ernannt worden war. Von diesem Amttrat er am 15. März 1947 zurück, weil u.a.prominente „Wehrwirtschaftsführer“ , dieDirektoren der AG Weser <strong>und</strong> des Vulkan,gegen seinen Willen mit einer mildenStrafe davon kamen. (siehe Schreibenvom 17.3.1947). Prüser arbeitete lieber alsHilfsarbeiter im Hafen, als sich an der Entnazifizierungals „Mitläuferfabrik“ weiterzu beteiligen. Nach der Beschäftigung beiBorgward <strong>und</strong> beim Bremer Spinnmaschinenbaufing er 1950 wieder als Maschinenbauerbei der AG Weser an, nachdem dieDemontage der Traditionswerft verspätetbeendet worden war.Nach der Wahl zum Leiter der Vertrauensleutebeteiligte er sich intensiv an denersten Streiks der Schweißer <strong>und</strong> Brenner.Nach dem sechswöchigen, erbittert auchgegen die Verwaltung der IGM geführtenStreik der Werftarbeiter vom Frühjahr1953 wählte ihn die Belegschaft zum Betriebsratsvorsitzendender AG-Weser. Alser bald darauf auf einer Betriebsversammlungeine Protestresolution gegen den erstenStahlhelmaufmarsch (der SS-NachfolgeorganisationHIAG) in Gießen hatteverabschieden lassen, wurde er auf Antragder Betriebsleitung wegen politischer Betätigung(Verletzung der Friedenspflicht)abgesetzt.Das Urteil zur Friedenspflicht in derdritten Instanz beim B<strong>und</strong>esarbeits gerichtbehindert bis heute die Betriebsratsarbeit.Zur gleichen Zeit erlebte Hermann Prüserdie aus seiner Sicht größte Enttäuschungseiner politischen Tätigkeit: den Ausschlussaus der IG Metall. Wegen seiner Unterstützungder KPD-Gewerk schaftspolitik <strong>und</strong>seinem aktiven Verhalten beim Werftarbei-Jörg WollenbergProf. Dr. phil., geb. 1937 inAhrensbök/Ostholstein; Studiumder Geschichte, Germanistik,politische Wissenschaften<strong>und</strong> Philosophie anden Universitäten Hamburg,Göttingen <strong>und</strong> Paris. Promotion(1975). PädagogischerMitarbeiter bei „<strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong><strong>Leben</strong>“ in Hannover <strong>und</strong>Göttingen (1966–1971), Leitungder Volkshochschule derStadt Bielefeld (1971–1978).Seit 1978 Professor für Weiterbildungmit dem Schwerpunktpolitische Bildung ander Universität <strong>Bremen</strong>. Mitgliedu.a. der GEW <strong>und</strong> derIG Metall seit 1967.Veröffentlichungen: Bücher<strong>und</strong> Aufsätze zum Verhältnisvon Kirche <strong>und</strong> Staat im17. Jahrh<strong>und</strong>ert, zum Nationalsozialismus<strong>und</strong> zur Judenverfolgung,zur Erwachsenenbildung<strong>und</strong> politischenKultur, zum <strong>Arbeit</strong>erwiderstand<strong>und</strong> zur <strong>Arbeit</strong>erbewegung.Mitarbeit an zahlreichenAusstellungsprojekten<strong>und</strong> Filmdokumentationen.Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 9


Foto aus dem KZ Ochtumsand,veröffentlicht in dem Buch„Konzentrationslager. Ein Appellan das Gewissen der Welt. EinBuch derGreuel. Die Opfer klagen an,Karlsbad 1934terstreik vom Frühjahr 1953 schloss ihn derIG-Metall –Vorstand im November 1953aus. Hermann Prüser war damals nichtbereit, den Revers der IG Metall zu unterzeichnen,der seinen Ausschluss aus derKPD bedeutet hätte. Denn die KPD hatteauf ihrem Parteitag in Hamburg die Gewerkschaftenzum „verlängerten Arm desUS-Imperialismus“ erklärt. Erst nach vielenSchreiben <strong>und</strong> Auseinandersetzungenwurde er 1965 wieder aufgenommen.Der 1968 gegründeten DKP gehörte erbis zu seinem Tode an. Bis in die letzten <strong>Leben</strong>sjahreblieb er politisch aktiv. Er arbeitetezusammen mit seiner Frau Frieda u.a.im <strong>Arbeit</strong>skreis Bre mer <strong>Arbeit</strong>erveteranenmit. Er berichtete in Schulen <strong>und</strong> Universitätenüber Widerstand <strong>und</strong> Verfolgung<strong>und</strong> war bei vielen Aktionen der Antifa<strong>und</strong>Friedensbewegung dabei. So blieb derbescheidene Mann mit der Werftarbeitermützeauch vielen Jüngeren bekannt.Mit Her mann Prüser, der nach 1945 dieÜbernahme von Parteiämtern ablehnte<strong>und</strong> sich nicht als kommunistischer Funktionärsondern als Basisarbeiter verstand,starb ein Stück der Tradition der alten Bremer<strong>Arbeit</strong>erbewe gung. Seine <strong>Leben</strong>sgeschichte<strong>und</strong> die seiner Frau dokumentiertein mehrstündiger, in neun Abschnittegegliederte Video-Film, der 1982 entstand<strong>und</strong> der in der Staats –<strong>und</strong> Universitätsbibliothek<strong>und</strong> in der Bibliothek der StiftungSozialgeschichte des <strong>20</strong>. Jahrh<strong>und</strong>erts ausgeliehenwerden kann. (siehe Anlage)Jörg Wollenberg* Hierzu gibt es einen Beitrag von Buten <strong>und</strong> Binnen. In dem Hermann Prüser,Gustav Böhrnsen <strong>und</strong> Udo Meinecke zu Wort kommen.http://www.ardmediathek.de/radio-bremen-tv/buten-un-binnen-regionalmagazin/hitlers-machtergreifung-1933?documentId=13239546Wer macht die <strong>WIR</strong>?Karla Wendt,auch sie gehört zur <strong>WIR</strong>-Redaktion.Bringt Kraft <strong>und</strong> Vielseitigkeitmit. Rente <strong>und</strong> Altenpflege sind für sie ein großes Thema. Außerdem ist Karla Versicherungsälteste <strong>und</strong>arbeitet ehrenamtlich in einer Kirchengemeinde mit. Ihre Berichte finden viel Interesse bei unseren <strong>WIR</strong>-Lesern. Sie istfür uns ein guter Zugewinn.10 | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13


<strong>Arbeit</strong>erverein „Use Akschen“ e.V.Die Erinnerung an die Schiffbautradition<strong>Bremen</strong>-Gröpelingen ist auch 30 lahrenach der Schließung der AG ,,Weser*‘ im,,Lichthaus“ gegenwärtig.In den Jahren 1981-1983 investierteKrupp noch mal <strong>20</strong>0 Millionen DM in dieWerft! Sie wurde zu der modernsten <strong>und</strong>leistungsfähigsten Werft Europas umgebaut.Im Sommer 1983 wurden 3 Containerschiffebestellt <strong>und</strong> es wurde angefangenzu bauen.Im September 1983 kam dann der Beschlussvon Krupp, die Werft aus angeblichwirtschaftlichen Gründen zum 31.12.1983zu schließen. Damit die dann ehemaligenBeschäftigten nach der Werftschließungeinen Anlaufpunkt für ihre Sorgen <strong>und</strong>Problemen bekommen, wurde im Rahmeneiner Betriebsversammlung im September1983 einstimmig der <strong>Arbeit</strong>erverein ,,UseAkschen“ e.V. gegründet.Auf der ,,Akschen“ hatte sich im Laufeder Jahre ein beispielhaftes Zusammengehörigkeitsgefühlentwickelt, man sprachauch deshalb immer von ,,UNSERER AK-SCHEN.Um diese Tradition weiter zu pflegen,sollte alles unternommen werden, damitdie Belegschaft, die sich kraftvoll <strong>und</strong> mitallen Mitteln gegen die Schließung derWerft gewehrt hatte, sich nicht nach derWerftschließung in alle Winde zerstreut.Das hätte diese Belegschaft nicht verdient.Den größten Erfolg erzielte der Vereinin einem Rechtsstreit mit der damaligenSchwesterwerft, der Seebeckwerft, dassunsere Mitglieder aufgr<strong>und</strong> einer damaligenbestehenden Betriebsvereinbarungüber Kurzarbeit, 123.659 DM nachgezahltbekamen. Ohne den Verein wäre es nichtmöglich gewesen den Rechtsanspruch geltendzu machen.Als ein besonderer Schwerpunkt zeigtesich bald die Beratung <strong>und</strong> Betreuungder Asbestgeschädigten bei den Anerkennungsverfahrenbei der Berufsgenossenschaft<strong>und</strong> bei den Gerichten.Aus Anlass des 25. Jubiläums des Vereins,gab der Präsident des Bremer Senats,Herr Bürgermeister Jens Böhrnsen am9. Februar <strong>20</strong>09 einen Empfang für di<strong>eV</strong>ereinsmitglieder im Bremer Rathaus. Eserschienen 284 Vereinsmitglieder sowieGäste. Im Rahmen dieses Empfangs wurdeLandt - Kunst - WerkWir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 11


Bürgermeister Jens Böhrnsen nahm dieEhrung vor.Das Vereinsheim im ,,Lichthaus“, EingangHermann-Prüser-Str. beherbergthistorische Schätze aus der <strong>Arbeit</strong>swelt derehemaligen Werftmitarbeiter <strong>und</strong> ist derAnlaufpunkt von ihnen. Das Vereinsheimwird noch heute sehr gut besucht. Sei esvon der IG Metall <strong>Arbeit</strong>skreis Geschichte,Studenten, Schülerklassen, <strong>und</strong> Schiffbauinteressierten.Ferner wurden auchzahlreiche Veranstaltungen durchgeführt.Das Vereinsheim wird seit 26 Jahren ehrenamtlichvon einer Kollegin betreut. Dasmuss man mal deutlich herausstellen.dem langjährigen 1. Vorsitzenden HerbertKienke aufgr<strong>und</strong> seines unermüdlichensozialen Einsatzes für die Vereinsmitgliederdas B<strong>und</strong>esverdienstkreuz am Bandevom B<strong>und</strong>espräsidenten verliehen. DerIn der heutigen Zeit ist das einmalig.Der Verein hat auch erreicht, dass 2 Straßenschilderauf dem Waterfront -Geländegeändert wurden. Die Straßen heißenjetzt: Gustav Böhrnsen <strong>und</strong> AG ,,Weser‘.Wie man daraus entnehmen kann, wardie Gründung des Vereins eine sinnvolle<strong>und</strong> lohnende Investition gewesen <strong>und</strong> istes noch heute.Herbert KienkeWer macht die <strong>WIR</strong>?Dieter Tarnowsky,ist auch ein Gründungsmitglied dieserZeitung. Nach seinem Ausscheiden ausdem Berufsleben hat er eine vielseitige<strong>und</strong> umfangreiche Aufgabe im Aufbauder Seniorenarbeit bei ÖTV bzw. ver.digef<strong>und</strong>en.„Ich bin bei jedem Treffen wieder erstaunt,wie engagiert <strong>und</strong> aktiv sich unsere Seniorengruppe mit dem aktuellenTagesgeschehen auseinandersetzt. Es ist traurig, wenn die Generation der Berufstätigendie <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> die Interessen der Senioren noch immer nicht wahrnimmt.Da gibt es noch viel zu tun!“12 | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13


Die Philosophen haben früher die Weltwenigstens verschieden interpretiert -heute passen sie sich nur noch an *Fünf Fragen an Richard David Precht»Freiwilligkeit ist keine Alternative«Der Philosoph Richard David Prechtüber einen neuen Gesellschaftsvertrag <strong>und</strong>seinen Vorschlag eines sozialen Pflichtjahrsfür Jung <strong>und</strong> Alt. Beim Generationendialogspricht er darüber am 3. September in Kölnmit dem B<strong>und</strong>esminister für <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Sozialesa.D. Franz Müntefering.1. Wir haben 15 zusätzliche <strong>Leben</strong>sjahregewonnen. Wie lässt sich der demografischeWandel für die Gesellschaft nutzen?»Senioren, die sich in die Gesellschafteinbringen <strong>und</strong> sich um das Allgemeinwohlverdient machen, sind in der Minderheit.Der größte Teil engagiert sich jenseits desPrivatlebens für nichts. Auf der anderenSeite wächst die Zahl der älteren Menschen,die sich einsam fühlen, <strong>und</strong> die darunterleiden, nicht mehr gebraucht zu werden.Darum habe ich einen Doppelvorschlaggemacht: ein soziales Pflichtjahr für jungeMenschen im Alter von 19/<strong>20</strong> Jahren <strong>und</strong>ein zweites soziales Pflichtjahr für Menschenim Renteneintrittsalter. Aufgr<strong>und</strong> dergeringeren Belastbarkeit dieses Personenkreisesreduziert sich der Pflichtbeitrag auf15 St<strong>und</strong>en in der Woche – drei halbe Tage.«2. Welchen Sinn hat das soziale Pflichtjahrfür den Einzelnen <strong>und</strong> für die Gesellschaft?»Der Sinn beider Pflichtjahre besteht inder Erfahrung von ‚Selbstwirksamkeit‘. Werin eine andere <strong>Leben</strong>swelt hinein riecht <strong>und</strong>einen sozialen Beitrag leistet, erlebt das bestätigendeGefühl der Nützlichkeit. Rentner<strong>und</strong> Pensionäre können die wertvolle Erfahrungmachen, ihr Wissen weiterzugeben<strong>und</strong> gebraucht zu werden – obwohl sie diesfreiwillig oft nicht tun würden, sei es aus Bequemlichkeit,Verdrängung oder Unsicherheit,für was sie sich entscheiden sollen <strong>und</strong>wie so etwas anzustellen sei. Soziale Pflichtjahredienen dem sozialen Frieden, der Toleranz,der Sinnstiftung, der Entlastung derSozial- <strong>und</strong> damit auch der Rentenkassen<strong>und</strong> dem Verständnis der Generationenfüreinander. Sie wären ein wichtiger Schrittauf dem Weg zu einer neuen Bürgerkultur,einem neuen Gesellschaftsvertrag!«3. Stehen die Bürger der Gesellschaft gegenüberin einer Pflicht?»Dass Bürgerpflichten in einer modernenGesellschaft damit erledigt sein sollen,dass man sich nicht strafbar macht <strong>und</strong> regelmäßigseine Steuern bezahlt, werden inDeutschland nur wenige politisch denkendeMenschen behaupten. Ein demokratischfunktionierendes Gemeinwesen ist auf Engagementangewiesen, sei es in Parteien,Verbänden, gemeinnützigen Organisationenoder durch private Hilfe. Die verbreitet<strong>eV</strong>orstellung, eine demokratische Wohlstandsgesellschaftkennzeichne sich durcheine unbedingte Zunahme von Freiheitenbei gleichzeitiger Abnahme von Pflichtenist irreführend. Wenn alle ein Maximuman Freiheit leben bei einem Minimum anPflichtgefühl, steuert die Demokratie in dieAnarchie.«4. Warum kann soziales Engagement imAlter nicht auf freiwilliger Basis bleiben?»Unterm Strich ist die Zahl der ehrenamtlichtätigen <strong>und</strong> sozial engagiertenBürger in Deutschland in den letzten beidenJahrzehnten nicht signifikant gewachsen.Damit bleibt die vielfach wiederholteAussage – etwa des Familienministeriums–, dass man das Engagement der Bevölkerungstärken möchte, eine Absichtserklärungohne Durchschlagskraft. Das Setzenauf Freiwilligkeit ist keine echte Alternativezum zusätzlichen Einsatz von über zweiMillionen Menschen, die durch das Pflichtjahreine soziale Aufgabe übernähmen. Werstatt der Pflichtjahre auf ‚Freiwilligkeit‘*In Anlehnung an die 11.These über Feuerbachvon Marx <strong>und</strong> EngelsRichard David PrechtWir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 13


setzt, bekennt sich eigentlich nur zum gegenwärtigenStatus Quo <strong>und</strong> optiert gegeneine gr<strong>und</strong>legende Veränderung.«5. Für wie wahrscheinlich halten Sie dieEinführung des sozialen Pflichtjahrs?»Eher für unwahrscheinlich. SozialeUtopien werden nicht in Deutschland vorgedacht,sondern in Ländern wie den Niederlandenoder in Skandinavien. Erst wennandere EU-Staaten Pflichtjahre einführen,werden sie auch in Deutschland möglich.Auf lange Sicht ist anzunehmen, dass es zudieser Veränderung kommen wird. Die Verschlechterungder wirtschaftlichen Entwicklungin Westeuropa mit all ihren sozialenFolgeerscheinungen lässt kaum eine Alternative.«Der zugehörige Artikel »Engagement inpragmatischer Hinsicht: Überlegungen zursozialen Pflicht« von Richard David Prechtist nachzulesen in der agora42, Ausgabe02/<strong>20</strong>12Kommentar zu Richard David PrechtUwe Dreier14 | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13Der Philosoph Richard David Prechtstellte unlängst in einem Interview fest,Senioren, die sich in der Gesellschaft einbringen<strong>und</strong> sich um das Allgemeinwohlverdient machen, sind in der Minderheit.Recht hat er. Aber ist ein sozialesPflichtjahr mit 15 Wochenst<strong>und</strong>en fürMenschen im Renteneintrittsalter eine Alternative?Precht stellt fest, dass ein sozialesPflichtjahr dem sozialen Frieden, der Toleranz,der Sinnstiftung, dem Verständnisder Generationen für einander <strong>und</strong> nichtzuletzt der Sozial- <strong>und</strong> damit auch derRentenkasse dient. Also: ein Schritt zu einerneuen Bürgerkultur.Aha, damit ist die Katze aus dem Sack.Nicht sozialer Frieden, Toleranz <strong>und</strong> Sinnstiftungsind die Triebfeder für diesenVorschlag, die Sozial- <strong>und</strong> Rentenkassensind zu entlasten.Precht versucht, die Verpflichtung desBürgers für seinen Staat zu begründen.Das endet in der düsteren Ahnung, dass,wenn alle ein Maximum an Freiheit lebenbei einem Minimum an Pflichtgefühl dieDemokratie in die Anarchie steuert.Anarchie? Das ist doch so etwas wieKommunismus! Damit will doch kein ordentlicherSenior, auch noch, wenn er Gewerkschafter<strong>und</strong>/oder SPD-Mitglied ist,etwas zu tun haben.Precht setzt noch einen drauf. Freiwilligkeitist keine echte Alternative zum zusätzlichenEinsatz von über zwei MillionenMenschen. Wer statt der Pflichtjahre aufFreiwilligkeit setzt, bekenne sich eigentlichnur zum gegenwärtigen Status quo.Armer Senior, der auch Gewerkschafter<strong>und</strong>/oder SPD-Mitglied ist. Gemach,gemach. Aus diesem Seniorenpflichtjahrwird so schnell nichts werden. Und daswird hoffentlich auch so bleiben.Precht ahnt dies auch. Auf die Frage,für wie wahrscheinlich er die Einführungeines sozialen Pflichtjahres halte, antworteteer: Eher für unwahrscheinlich. Aberdie Verschlechterung der wirtschaftlichenEntwicklung in Westeuropa mit all ihrensozialen Folgeerscheinungen lasse kaumeine Alternative.Lieber Senior, der Gewerkschafter<strong>und</strong>/oder auch SPD-Mitglied ist, denk daran<strong>und</strong> notfalls kämpfe dafür:Freiwilligkeit ist ohne Alternative.Uwe Dreier, HannoverRadio Flora, Redaktion SENF


Italien in der Krise<strong>Arbeit</strong>slosigkeitVon Verzweif lung, aggressivem Verhalten<strong>und</strong> Gewalttaten, die in Zusammenhangstehen mit <strong>Arbeit</strong>slosigkeit,Schulden, Entlassung, <strong>Arbeit</strong>sverlust etc.liest man immer öfter. Das bleibt in unsererKleinstadt immer ein wenig im Verborgenen,während es in der landesweitenPresse eher breitgetreten wird.Mit seinen Sorgen, besonders wenn sieüber einen hinaus wachsen, an die „Öffentlichkeit“zu gehen, ist nicht die schlechtesteIdee. Über die Art <strong>und</strong> Weise wäre zudiskutieren. Natürlich kann der leitendeAngestellte in Varese, der von einem <strong>Arbeit</strong>slosenmalträtiert wurde, nichts dafür,wenn <strong>Arbeit</strong>slosengeld gekürzt wird. Unddie Carabinieri vor dem Palazzo Chigiin Rom, die sind selbstverständlich auchnicht verantwortlich für das Drama des<strong>Arbeit</strong>slosen, der auf sie geschossen hat.Jugendliche ohne <strong>Arbeit</strong>39,5 % aller <strong>Arbeit</strong>slosen in Italien sindJugendliche (15 – 24 Jahre alt). Es sind zurZeit 635.000 (10,6 % dieser Altersgruppeder italienischen Bevölkerung).Wer hat mehr Chancen? Die, die offensind für Neues, für neue oder andereWege. Diejenigen, die das, was war, nichtunbedingt genauso haben wollen. Was gemeintist: Gebt euch mit befristeten Verträgenzufrieden?! Sie sind die Zukunft?!Seid eure Ich-AG <strong>und</strong> alternativ (machtman ja gern, wenn Startgeld <strong>und</strong>/oder Zuschüssezur Verfügung stehen)! MindestensAbitur, am besten Studium, Masterstudiengänge,bitte mehrere dranhängen!Um dann im Einkaufszentrum einen Minijobzu finden.In der Region der Kleinstadt B. heißtdas Motto für Jugendliche meist: Flexibilität<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>ssuche außerhalb der Regionoder Italiens. Aber manchmal bedeutetes auch, dass man zurück zur Familieziehen muss. Oder umgekehrt (Informationenaus meinem persönlichen Umfeld):Die Mütter sind zu Sohn/Tochter <strong>und</strong>seiner/ihrer Familie gezogen.Gemeinden ohne GeldDie Immobiliensteuer Imu auf die Erstimmobiliewurde wieder abgeschafft.Wie nun oder welches Geld stattdessen indie Kassen der Kommunen kommen sollist rätselhaft. Genauso rätselhaft, warumes überall in Europa eine solche Steuer gibt<strong>und</strong> es sie in Italien nicht geben soll. Esging darum die Anhänger von Silvio Berlusconisanft zu stimmen. Ein politischerDeal. Bevor das Geld ausging, haben einigeKommunen hier in der Gegend abernoch etwas Nützliches eingerichtet: „dasWasser des Bürgermeisters“. Auf der Piazzakann man sich gegen wenig Geld aufgesprudeltesTrinkwasser abfüllen. Genial!Selbsthilf<strong>eV</strong>or einem Jahr wusste ich noch nichtsüber die Transition-Bewegung (siehe auch:Transition Towns). Ich weiß immer nochnicht viel. Eine kleine Definition hier andieser Stelle: „... vor dem Hintergr<strong>und</strong>zurück gehender natürlicher Ressourcen,Klimawandel <strong>und</strong> Krisen aller Art reagieren,mit regionalen Konzepten, die unabhängigermachen von fossilen Brennstoffen<strong>und</strong> vom globalen Handel, <strong>und</strong> hinführenzu regionaleren, Ressourcen schonendenWirtschafts- <strong>und</strong> <strong>Leben</strong>sformen.“Stimmt, da kann man nicht von essen<strong>und</strong> auch nicht bezahlen, aber die vielenentstandenen/entstehenden Projekte (wieoben definiert), sind eine Reaktion auf diemomentane Lage. Eine Lage, die nicht versprichtsich in nächster Zeit zu bessern.Beate Weise aus ItalienWir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 15


Ein neues Hulsberg Viertel – für wen?Die Medien sprechen bereits von einerneuen Wohnungsnot im Lande. Auch in<strong>Bremen</strong> gibt es einen Mangel an von Normalverdienernoder Normalrentnern bezahlbaremWohnraum.Durch politischen Druck – auch vonden Kirchen – hat sich die Bremer Politikgerührt <strong>und</strong> u. a. beschlossen, dass beigrößeren Neubauvorhaben – über zwanzigWohneinheiten – mindestens ein ViertelSozialwohnungen gebaut werden müssen!Allerdings wird es Ausnahmen geben.Das nächste große Areal, das in <strong>Bremen</strong>für Wohnungsbau zur Verfügungstehen wird, ist der Großteil des Geländesdes Klinikums Mitte. <strong>20</strong>15/16 wenn derKlinikneubau an der Bismarckstr. bezogenist, soll auf 14 ha Fläche, derzeit imEigentum der Stadt, bzw. der stadt-eigenenKlinik, ein neues urbanes Wohnquartierentstehen.Es gab bereits verschiedene Veranstaltungen,um einen Mitwirkungsprozeß derBürger auf den Weg zu bringen – Veranstaltungenmit sehr viel gutem Willen derBehörden, solider fachlicher Begleitung,halben Versprechungen über soziale Mischung<strong>und</strong> nachhaltige Bauweise, einemangenehmen sachbezogenen Gesprächsklima…….aber …… über allen gutenAbsichten schwebt drohend die finanzielleNotwendigkeit des verschuldeten bremischenHaushalts.Um von vornherein Einfluß zu gewinnenhat sich die „Bürgeraktion NeuesHulsberg“ gebildet. Hier sind neben generellan bezahlbarem Wohnraum Interessiertenauch private – großenteils fachk<strong>und</strong>ige– Bauinteressenten versammelt.In diesen Bürgeraktionsgruppen sindausgewiesene Gewerkschafter bisher kaumvertreten.Das ist leider ein häufiges Problem beiBeteiligungsverfahren <strong>und</strong> Initiativen. Dieso genann-ten Mittelschichten sind überproportionalan diesen Prozessen vertreten,während klassische <strong>Arbeit</strong>erberufe,Geringverdiener, <strong>Arbeit</strong>slose, Migranten,ganz Junge <strong>und</strong> ganz Alte deutlich unterrepräsentiertsind.Wenn wir als Gewerkschafter ein Wortmitreden wollen bei der Bremer Wohnungsbau-politik,müssen wir uns an denInformations- <strong>und</strong> Mitsprachemöglichkeitenfrühzeitig aktiv beteiligen. Wennerst alles in der Hand von „Investoren“liegt <strong>und</strong> überteuert gebaut wird, ist es zuspät.Informationen zum neuen Wohngebietauf dem Klinikgelände gibt es unterwww.neues-hulsberg.de im Netz. Dasnächste Bürgerforum findet am Montag25. November im Hörsaal der inneren Medizindes Klinikums Mitte statt.Die Gebäude auf demGelände wurden dazu in dreiKategorien eingeteilt:16 | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13


Über die nicht so erwünschteehrenamtliche, freiwillige,unentgeltliche <strong>Arbeit</strong> in der GesellschaftSoziale <strong>Arbeit</strong>Es gibt Armut <strong>und</strong> Reichtum.Den Armen muß geholfen werden.Die Helfer/innen kleben einen Verbandauf die W<strong>und</strong>en der Armut.StaatlicheParole: Fordern <strong>und</strong> Fördern.Reparatur der GesellschaftBeispieleBremer Tafel, Hausaufgabenhilfe,Beratung, Zuschüsse für KulturSportverein etc., Treffpunkte,Weihnachtsfeier ….BefriedungSozialpartnerschaftTrägerKirchen, Stiftungen, Vereine,Gruppen, Initiativen ….GegensatzVerbindungDialektischesWechselverhältnisPolitische <strong>Arbeit</strong>Es gibt Armut, weil es Reichtum gibt, <strong>und</strong>es gibt Reichtum, weil es Armut gibt. Das istungerecht, <strong>und</strong> die <strong>Arbeit</strong> besteht hauptsächlichdarin, dieses zu bessern.Es müssen nicht die Armen geändert werden,sondern die die Armut erzeugendenVerhältnisse.Umbau der GesellschaftBeispieleGesetzlicher Mindestlohn, höhere Steuernfür Reiche, Abschaffung von Hartz IV in derjetzigen Form, mehr Rechte für Flüchtlinge,besser ausgestattete Schulen für gemeinsamesLernen, sichere Renten ….AufruhrStreikTrägerParteien?, Gewerkschaften,politische Gruppen, Initiativen ….Diese beiden Säulen sind weder theoretisch noch praktisch streng zu trennen. Jede tatsächliche <strong>Arbeit</strong> bewegt sichin ungleicher Gewichtung in beiden Bereichen.Die im engeren Sinne politische <strong>Arbeit</strong>, besonders die der Bürgerinitiativen, taucht in der Regel bei der Berechnung<strong>und</strong> Würdigung der „ehrenamtlichen <strong>Arbeit</strong>“ – sie wird hier auch anders genannt <strong>und</strong> teilweise kriminalisiert – für dieGesellschaft überhaupt nicht auf.Allein in den Bereichen der Organisation von Streiks (zahmen <strong>und</strong> wilden), der Anti-Atom Initiativen <strong>und</strong> derFriedenspolitik, müssen seit den ersten Jahren der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland zig Millionen ? Milliarden ? freiwillige,unentgeltliche, anstrengende <strong>und</strong> zum Teil auch gefahrvolle <strong>Arbeit</strong>sst<strong>und</strong>en zusammen gekommen sein.Wer macht die <strong>WIR</strong>?Margot Müller,wurde 1949 geboren <strong>und</strong> war das in den sechziger Jahrenvielzitierte „Kind aus einer bildungsfernen <strong>Arbeit</strong>erfamilie“ –ihr Vater war Maurer.Ungeachtet dieser Zuschreibung nutzte sie seit ihrem fünften<strong>Leben</strong>sjahr begeistert die Bremer Stadtbibliothek.Frauen die lesen, sind bekanntlich gefährlich; <strong>und</strong> so hatsie aus „purem Trotz“ später auf dem zweiten Bildungsweg studiert,<strong>und</strong> ein abwechslungsreiches interessantes Berufslebenals Dozentin der Erwachsenenbildung in meist ungesicherten<strong>Arbeit</strong>sverhältnissen geführt.Ein Motto ihres Unterrichts war: “Irgendetwas muß dochdran sein an der bürgerlichen Bil-dung, sonst würde man sieden <strong>Arbeit</strong>erkindern nicht so konsequent vorenthalten“.Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 17


Zuschriften zum Jubiläum der <strong>WIR</strong>18 | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13Herzlichen Glückwunschzur <strong>20</strong>. Ausgabe der <strong>WIR</strong>Im Mai <strong>20</strong>04 ist die erste Ausgabe der<strong>WIR</strong> erschienen. Nun liegt die <strong>20</strong>. Ausgabevor. Das zeugt von einem großen Engagement<strong>und</strong> Durchhaltevermögen. JedeAusgabe ist immer eine Überraschung.Die Bandbreite eurer Artikel reicht vonder Situation der <strong>Arbeit</strong>nehmerInnen, derErwerblosen <strong>und</strong> RentnerInnen, über dieWirtschaftskrise bis hin zu Berichten ausStadtteilen. Da kommen Prominente zuWort, aber auch die „einfache“ BürgerIn.In eurer Zeitung werden kritisch Themenaufgegriffen, die in normalen Veröffentlichungennicht zu finden sind. Ihrergreift Position für Gerechtigkeit, für Solidarität– für solidarisches Handeln, fürdie Umwelt, gegen Krieg <strong>und</strong> gegen Nazis<strong>und</strong> Rassismus. Ihr ergreift nicht nur Position,sonder eure Artikel regen auch zumNachdenken an. Kurzum: die <strong>WIR</strong> ist ausder gewerkschaftlichen Debatte in <strong>Bremen</strong><strong>und</strong> Bremerhaven nicht mehr wegzudenken.Ich wünsche Euch auch für die nächsten<strong>20</strong> Ausgaben viel Erfolg <strong>und</strong> wünschemir von Euch weitere Anregungen für einekritische Debatte in der Gewerkschaftsbewegung.Annette Düring,DGB VorsitzendeRegion <strong>Bremen</strong>-Elbe-WeserEin kleines Jubiläum <strong>und</strong> Gratulation!Die <strong>20</strong>ste Ausgabe der „Gewerkschafts-Zeitung Wir“ nehmen unsere Seniorinnen<strong>und</strong> Senioren zum Anlass eine Jubiläumsausgabeherauszugeben. Dazu gratuliereich im Namen des ver.di Bezirks <strong>Bremen</strong>-Nordniedersachsen <strong>und</strong> des ver.di Ortsvereins<strong>Bremen</strong> ganz herzlich. Mein ersterDank gilt dem Redaktionsteam.Eine Zeitung von Anfang bis zum Endezu erarbeiten, damit meine ich bis zur Fertigstellung,also dem Druck, ist eine verantwortungsvolleAufgabe. Am Anfangjeder Veröffentlichung stehen folgendeÜberlegungen: Was wollen wir veröffentlichen,wen wollen wir damit erreichen<strong>und</strong> was wollen wir erreichen. Dazu sindmehrere Redaktionssitzungen notwendig,um dort Ideen, Überlegungen <strong>und</strong> Teilergebnissezu einer Zeitung zusammenzutragen.Das ist viel <strong>Arbeit</strong>, manchmal auchStress, aber bestimmt auch viel Freude <strong>und</strong>Zufriedenheit insbesondere dann, wenndas Ergebnis in den Händen der Beteiligtenliegt.Daran sollten wir, als Leserin <strong>und</strong> Leserauch mal denken <strong>und</strong> dies besondersbei der jetzigen Jubiläumsausgabe.Danke aber auch allen Seniorinnen <strong>und</strong>Senioren, die diese Kommunikations- <strong>und</strong>Informationsmöglichkeit für die gewerkschaftliche<strong>Arbeit</strong> erschließen <strong>und</strong> nutzen.Wir, ein Titel, der Gemeinsamkeit umfasst.Wir informiert über aktuelle <strong>und</strong>gr<strong>und</strong>sätzliche (übergreifend <strong>und</strong> regional)Themen für unsere älteren Kolleginnen<strong>und</strong> Kollegen; aber nicht nur!Ich wünsche der <strong>WIR</strong> noch viele Ausgaben,dem Redaktionsteam weiter vielEnergie <strong>und</strong> Kraft <strong>und</strong> uns, quasi als Konsument/in,viel Freude beim Lesen!Rainer Kuhn,Geschäftsführerver.di Bezirk <strong>Bremen</strong>-Nordniedersachsen


Gratulation zur <strong>20</strong>. Ausgabe <strong>WIR</strong>Die ältere Generation wird in Medienin unzureichender Form vertreten. Malwird versucht, einen Keil zwischen jungalt zu schieben, mal ist von habgierigenRentnern, die sich auf Kreuzfahrtschiffenein schönes Restleben machen, die Rede.Erst in letzter Zeit wird die Aufmerksamkeitauf die kommende - bei einemTeil der Rentner jetzt bereits vorhandene– massenhafte Altersarmut hingewiesen.Kommende Rentner müssen aufgr<strong>und</strong> derunglückseligen Rentenreformen inklusiveder Rentenbesteuerung gegenüber denjetzigen Rentnern mit erheblichen Einbußenrechnen. Nicht zu verschweigen dieimmensen Gebührensteigerungen in denKommunen, die irrsinnig ansteigendenEnergiekosten <strong>und</strong> nicht zuletzt die Inflationbei nicht oder nur geringfügigsteigenden Rentenzahlungen. All das <strong>und</strong>noch viel mehr wird in den Medien nurunzureichend behandelt, so dass Politikerkeinen Änderungsdruck verspüren.Da können wir froh sein, dass „unsereThemen“ Altersarmut, Pflegedesaster,Rentenbetrug, Wohnungs- <strong>und</strong> Mietenproblemeim Alter etc. von Publikationenwie <strong>WIR</strong> gebührend behandelt werden.Angereichert durch Streifzüge in der Geschichte,persönliche Erlebnisse, Artikelaus <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Soziales, Leserbriefeu.a.m. lese ich <strong>WIR</strong> immer wieder gerne.Die Zeitschrift vermittelt sozusagen eineSolidarität im Kleinen. Ich spüre, dass ichnicht allein bin mit meinen Sorgen <strong>und</strong>Zukunftsängsten.Wohl wissend, dass den Redakteurenhäufig der Humor im Halse stecken bleibt,wenn man die Ergebnisse der SchwarzgelbenPolitik mit ihrem kapitalistisch neoliberalenKlüngel vor allem in Hinsicht aufdas <strong>Leben</strong> der älteren Generation ansieht,würde ich mir doch wünschen, dass dieLeser auch häufiger mal was zu lachen zulesen bekommen. So mancher Rentner hältes nur noch mit Humor aus!Weiter so wünscht sichWerner SchusterGünther Wesemann,ist seit 4 Jahren bei uns im Redaktionsteamtätig. Er hat einen gleitenden Übergangvon seiner über 30-jährigen Beamtenarbeit zuden Seniorinnen <strong>und</strong> Senioren gef<strong>und</strong>en. Beiunserer Zeitung sorgt er jetzt mit Druck fürdie rechtzeitige Drucklegung. Im April <strong>20</strong>13konnte er auf eine 50-jährige ver.di-Mitgliedschaftzurückblicken <strong>und</strong> hat sich über dieJubilarehrung im Oktober <strong>20</strong>13 sehr gefreut.Wer macht die <strong>WIR</strong>?Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 19


Wer macht die <strong>WIR</strong>?Gerd Bohling,wer kennt Gerd nicht. Gewerkschafterseit <strong>und</strong>enklichen Zeiten Stahlwerker,Rödler in der IG-Metall <strong>und</strong> beim DGB.Von Anfang an in der <strong>WIR</strong>-Redaktion<strong>und</strong> wichtiger Ideengeber. Wir sind sicher,er macht weiter bei uns mit. Wir können<strong>und</strong> wollen nicht auf Gerd verzichten.„Wir“ erinnern unsWer zum Roten <strong>Bremen</strong>, der einstigen Hochburg der <strong>Arbeit</strong>erbewegung, etwas lesenwill, findet von Zeit zu Zeit immer wieder Beiträge in „<strong>WIR</strong>“. Schon deshalb greife ichgern auf das Blatt zurück, weil ansonsten in <strong>Bremen</strong> das Thema ausgeklammert bleibt.Wünschen würde ich mir, dass gelegentlich etwas kritischer mit den Hauptakteurender Gewerkschaftsbewegung umgegangen wird. Der Beitrag über Richard Boljahn wäredazu geeignet gewesen, weil seine Verdienste auch Schattenseiten haben.„Blick zurück im Zorn“, wäre eine regelmäßige Kolumne, die ich mir im 30. Jahr derSchließung der AG Weser wünsche.Jörg Wollenberg<strong>WIR</strong> mischen uns ein!Wir sind eine Gruppe älterer, interessierter, politisch <strong>und</strong> gewerkschaftlich engagierterMenschen, die versuchen, Steine aus dem Weg zu räumen. Wir haben uns in mehrenSITZUNGEN <strong>und</strong> Seminaren mit verschiedenen seniorenpolitischen Themen befasst.In einem Seminar haben wir uns unter anderem mit Steinen beschäftigt, die als Steindes Anstoßes gelten sollen oder auch die Steine symbolisieren, die ins Rollen gebrachtwerden müssen. Unser Bild ist, wenn man einen Stein ins Wasser wirft, bilden sich Kreise,die immer größer werden.Wir wollen erreichen, daß unsere <strong>Arbeit</strong> weite Kreise zieht <strong>und</strong> sich viele Kreise anschließen,um die Situation der Senioren innerhalb der Gewerkschaften <strong>und</strong> der Gesellschaftzu verbessen. Unser Wunsch ist, dass noch viele Steine in diesem Sinne geworfenwerden.In diesem Seminar im Jahre <strong>20</strong>04 in Bad Zwischenahn sind wir durch kreative Methodenmotiviert worden, andere Wege zu gehen <strong>und</strong> uns neue Ziele zu setzen.Dies ist das Vorwort einer Dokumentation: Senioren mischen sich ein!Und somit der Anlass eine Informationsbroschüre für Senioren <strong>und</strong> Seniorinnen inden DGB- Gewerkschaften zu erstellen. Gemeinsam mit vielen Akteuren, <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong><strong>Leben</strong>, <strong>und</strong> der Unterstützung von Verdi, IG Metall, <strong>und</strong> GEW. ist es uns gelungen, nunim Jahre <strong>20</strong>13 die <strong>20</strong> zigste Ausgabe der Zeitung“ <strong>WIR</strong>„ heraus zu geben.<strong>20</strong> | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13Danke an alle die dazu beigetragen haben. Gerd Bohling


Nachtrag zu: „Wasser ist ein Menschenrecht“aus Heft Nr. 19 - Was ist daraus geworden?Die Europäische Bürgerinitiative „Wasserist ein Menschenrecht“ hat erste Etappenzieleerreicht.Über 1,7 Millionen Menschen aus13 EU-Ländern haben sich mit ihrerUnterschrift beteiligt: die meisten ausDeutschland. Ohne die ausreichendeBeteiligung in weiteren Ländern hätte dasaber nicht gereicht, die Institutionen aufeuropäischer Ebene zu einer Änderung ihresVorhabens zu zwingen.Die Initiative hat verlangt, dass die EUdie Wasserwirtschaft aus der Konzessionsrichtlinieherausnimmt. Dies ist zunächsterreicht − ein wichtiger Etappensieg!Damit ist aber nicht gesagt, dass die Priva-tisierungsfre<strong>und</strong>e in der Wirtschaft nichtweiter auf die EU-Gremien einwirken werden,neue Versuche zur Privatisierung zuunternehmen. Ver.di fordert deshalb diedeutsche <strong>und</strong> die europäische Gesetzgebungauf, den Wasserbereich dauerhaft<strong>und</strong> rechtssicher aus der Konzessionsrichtlinie(Vergabe öffentlicher Aufträge)herauszunehmen. Auch die Anwendungvon Tarifverträgen bei Vergabe öffentlicherAufträge soll gewährleistet werden.Weiteres Engagement der bestehendenInitiativen in den einzelnen Ländern wirdalso nötig sein. Die bisherigen Aktivitätenlassen hoffen, dass die öffentliche Aufmerksamkeitfür das Thema länderübergreifenderhalten werden kann.Brigitte WilkeningDie <strong>WIR</strong>-Zeitung istauf einem Seminar inBad Zwischenahn ins<strong>Leben</strong> gerufen worden.Brigitte gehörte mit zuden Gründungsmitgliedern.Sie verteilt vonAnfang an die Zeitungan unsere Leser.Auch in der ver.diSenioren-Ortsgruppe-<strong>Bremen</strong> ist sie sehr aktiv<strong>und</strong> immer bereit mitzuarbeiten.Wer macht die <strong>WIR</strong>?Hermann Wilkening,ist einer der Ersten,der zur Redaktion gehörte.Er hatte auch dieIdee unsere Zeitung<strong>WIR</strong> zu nennen, weil wirdie Zeitung machen.Wer macht die <strong>WIR</strong>?Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 21


Detlef DahlkeDetlef wurde im Frühjahr 1933 eingeschult.Die geballte Ideologie der nationalsozialistischenErziehung tat ihre Wirkung.Mit siebzehn Jahren wurde er als Soldateingezogen. Die grauenvollen Erlebnisse<strong>und</strong> seine eigene Verw<strong>und</strong>ung an der sichauflösenden Front führten zur Abkehrvom Nazismus <strong>und</strong> zu seiner späterenkonsequenten Hinwendung zu einer weltumfassend gedachten Friedenspolitik.Als langjähriger Bremer Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft / VereinigteKriegsdienstgegner, als Mitorganisator der Ostermärsche seit 1960, als Mitglied <strong>und</strong>Funktionär der IG Metall <strong>und</strong> als Kommunalpolitiker hat er sich sein ganzes erwachsenes<strong>Leben</strong> lang für Frieden, Demokratie <strong>und</strong> soziale Gerechtigkeit eingesetzt – immergetreulich begleitet <strong>und</strong> bespitzelt von Verfassungsschutz <strong>und</strong> BND.Heute versucht Detlef in Zeitzeugengesprächen mit Schulklassen seine Erfahrungenan die Jugendlichen weiter zugeben.Da er bei den meisten Ereignissen hier in <strong>Bremen</strong> selber dabei war, ist Detlef so etwaswie das politische Langzeitgedächtnis der <strong>WIR</strong> Zeitung.Wer macht die <strong>WIR</strong>?Wer macht die <strong>WIR</strong>?Uschi Figge,vielleicht ist Euch schon mal aufgefallen,dass es ganz ganz wenig Druckfehlerin unserer <strong>WIR</strong> gibt. Das verdanken wirunserer Lektorin Uschi. Dafür danken wirihr.22 | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13


Aktionen am 1. OktoberTag der Älteren Generationauf dem HanseatenhofImpressum:Die Zeitung wird gefördert durch die GEW <strong>Bremen</strong>,IG Metall <strong>Bremen</strong> <strong>und</strong> ver.di <strong>Bremen</strong>. Über weitereMitarbeiterInnen würden wir uns freuen. Auch Kritik<strong>und</strong> Anregungen sind uns willkommen.RedaktionsmitarbeiterInnen:Detlef Dahlke, IGM, Ursula Figge, IGM,Traudel Kassel, ver.di, Hugo Köser, IGM,Inge Markowsky, ver.di, Margot Müller,Karla Vendt, ver.di, Günther Wesemann, ver.di,Brigitte Wilkening, ver.di, Hermann Wilkening, IGMHerausgeber <strong>und</strong> Kontakt:<strong>Arbeit</strong>skreis DGB-SeniorInnen <strong>Bremen</strong>c/o Gerd Bohling, Dieter TarnowskyDGB-Haus <strong>Bremen</strong>Bahnhofsplatz 22-28, 28195 <strong>Bremen</strong>V.i.S.d.P.Manfred WeuleRedaktionsadresse:Bildungsvereinigung <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Leben</strong>,Tel.: 0421 / 960 89 14e-mail: m.weule@aulbremen.dee-mail: hugo.koeser@web.de(Bitte Briefe an beide Adressen zuschicken)Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13 | 23


Alle Ausgaben unserer Zeitung„Wir“ sind im Internet als PDF-Dateien einsehbar:www.aulbremen.de/seniorenzeitung-wir24 | Wir <strong>20</strong> - <strong>20</strong>13

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