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Rosen auf den Weg gestreut - Nr. 21 - Autonome Antifa Berlin [A2B]

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<strong>Rosen</strong> <strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Weg</strong> <strong>gestreut</strong>: Hallo, schön, dass duZeit gefun<strong>den</strong> hast. Stell dich doch am besten erstmalvor.Nina: Hi, ich heiße Nina, ich bin 23 Jahre alt und arbeiteals Sexarbeiterin.R: Da stellt sich mir gleich die erste Frage: Warumnennst du dich „Sexarbeiterin“ und nicht „Hure“oder „Prostituierte“ oder noch anders?N: Naja, Sexarbeit war ja gesellschaftlich noch niesonderlich gern gesehen. Die Wörter „Hure“ und„Prostituierte“ haben, finde ich, immer einen Beigeschmackvon dieser Ablehnung – auch wenn vieleLeute seltsamerweise der Meinung sind, „Prostituierte“klinge besonders wissenschaftlich und neutral.Vielleicht, weil es lateinisch klingt, ich weiß nicht. DerBegriff „Sexarbeiterin“ hat <strong>den</strong> Vorteil, dass dieser in<strong>den</strong> Fokus rückt, dass es sich hier um Arbeit handelt,so wie Bauarbeiterin oder Hausarbeit. Also nichts mitSeele verk<strong>auf</strong>en oder so, sondern einfach eine Arbeitwie andere Arbeiten auch.<strong>Rosen</strong> <strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Weg</strong> <strong>gestreut</strong> . Herbst 2013 . Seite 18 <strong>Rosen</strong> <strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Weg</strong> <strong>gestreut</strong> . Herbst 2013 . Seite 19„Wenn es passt, vereinbartman einen Preis und gehthoch <strong>auf</strong> ein Zimmer“Interview mit einer SexarbeiterinR: Und wie kamst du dazu? Die meisten Frauen wür<strong>den</strong>wohl kaum dr<strong>auf</strong> kommen, oder <strong>den</strong>ke ich mirdas nur so in meiner Männerposition und der Gedanke,mit Sex Geld zu verdienen, ist bei vielen Frauentatsächlich viel präsenter als viele <strong>den</strong>ken wür<strong>den</strong>?N: Wie präsent das bei anderen Frauen ist, kann ichnatürlich nicht sagen. Obwohl schon ein, zwei Freundinnenvon mir halb im Witz gesagt haben, wenn siekeine Kohle mehr haben, kommen sie mal mit (lacht).Ich selbst habe mal mit einer Kommilitonin darübergeredet, die in einem Bordell gearbeitet hat, und ichhatte Lust, das mal auszuprobieren. Sie hat michdann mitgenommen, und ich war natürlich ziemlich<strong>auf</strong>geregt und unsicher, weil sowas macht man janicht alle Tage. Aber das Bordell, in dem wir arbeiten,ist ziemlich nett und achtsam, also wur<strong>den</strong> meine Unsicherheitenda schnell <strong>auf</strong>gefangen.R: Was unterscheidet deine Arbeitsstelle von anderenBordellen oder anderen Formen der Sexarbeit?N: „Mein“ Bordell wird von einer Frau geleitet, dieziemlich nett ist und die früher auch viel für die Rechtevon Sexarbeiterinnen gekämpft hat. Das merktman auch an der Atmosphäre: Zickenkrieg wird nichtgern gesehen, und wir wer<strong>den</strong> auch mal gefragt, obbei uns alles okay ist und wir was brauchen. Praktischläuft das bei uns so, dass es eher wie eine Bar ist. Allesitzen da rum und können sich unterhalten, und dieMänner können die Frauen ansprechen. Und wenn espasst, vereinbart man einen Preis und geht hoch <strong>auf</strong>ein Zimmer. Das gibt uns natürlich immer die Möglichkeit,zu sagen „Nein, <strong>den</strong> will ich nicht“, und ichfinde es auch ganz nett, mit dem Typ vorher ein paarWorte wechseln zu können. Ich glaube, das läuft vonder Struktur her in vielen Bordellen nicht anders, aberich finde das eigentlich ziemlich gut.Soweit ich weiß, arbeitet die Betreiberin auch mitHydra zusammen, zumindest haben die Leute vonHydra sehr positiv von ihr gesprochen.R: Hydra?N: Ja, das ist eine Selbstorganisation von Sexarbeiterinnen.Also, eigentlich ist es ein Verein, der einerseitspolitische Arbeit zum Thema Sexarbeit macht,aber auch alle möglichen Formen von Unterstützunganbietet: Einstiegsberatung, Ausstiegsberatung,Schulungen, Gesundheitsberatung, Veranstaltungenfür Freund*innen oder Familienmitglieder von Sexarbeiterinnen,Steuerberatung und so weiter. Ich selbstwar bei <strong>den</strong>en bei der Einstiegsberatung, was fantastischwar, und gefühlte hundert Mal, weil ich mit demSteuer-Scheiß nicht klargekommen bin. Soweit ichweiß, können in <strong>den</strong> Vorstand nur Sexarbeiterinnengewählt wer<strong>den</strong>, um sicherzustellen, dass es eineSelbstorganisation bleibt.R: Welcher Art sind die Erlebnisse, die du bei deinerArbeit machst? Macht das auch mal Spaß, oder istes manchmal richtig eklig? Was ist normal, was istAusnahme?N: Also wie gesagt, wenn ich jeman<strong>den</strong> richtig ekligfinde, dann kann ich ihn ja jederzeit ablehnen. Aberansonsten ist eigentlich alles dabei. Manchmal sinddie Typen richtig nett und wir können uns gut unterhalten.Obwohl die Gespräche natürlich für mich meistenshalbwegs langweilig sind, wenn ich das naiveMädchen spielen muss und kaum was Politischessagen kann. Wenn wir <strong>auf</strong> dem Zimmer sind, ist esfür mich in der Regel entweder langweilig oder unangenehm.Ich gehöre nicht zu <strong>den</strong> Sexarbeiterinnen,<strong>den</strong>en das total viel Spaß macht, obwohl es das sichernicht selten gibt. Es gehört halt nicht zur Rolle,meine Bedürfnisse äußern zu können, und ich kannauch nicht sagen: „Hey, lass doch jetzt lieber Serienschauen“, wie ich das beim Sex mit Freund*innenmachen könnte. Also, zumindest theoretisch (lacht).Und ich hab halt auch <strong>den</strong> Rahmen von einer Stunde,<strong>den</strong> ich nicht überschreiten darf, weil ich sonst Ärgerkriege, und andererseits darf der Typ aber auch nichtzu schnell kommen, sonst ist er vielleicht ärgerlich.Also schaue ich im Grunde viel <strong>auf</strong> die Uhr und konzentrieremich dar<strong>auf</strong>, was ihm zu gefallen scheint.R: Gibt es einen bestimmten Männer-Typ, der deinerErfahrung nach besonders gern und häufig deine unddie Dienste deiner Kolleginnen nachfragt?N: Nein, bisher habe ich ehrlich gesagt kein Mustererkennen können (lacht). Ich glaube, die Typen, dieda kommen, sind so ziemlich ein Querschnitt der Gesellschaft.Jung oder alt oder verheiratet oder Single...alles. Wobei – wahrscheinlich sind die meistennicht grade arm. Also, auch nicht unbedingt reich,aber ich schätze mal, dass Leute, die von ein paarhundert Euro im Monat leben müssen, kaum 200 davonfür einen Abend raushauen wer<strong>den</strong>.R: Wie hat dein privates Umfeld reagiert, und wiedein politisches?N (lacht): Das ist ja im Grunde das gleiche. Also, naja.Meine Familie weiß nicht, was ich arbeite, und dassoll auch so bleiben. Aber ansonsten habe ich michdafür entschie<strong>den</strong>, offen damit umzugehen. Weilerstens ein Doppelleben viel anstrengender ist, alsein bisschen Gossip jemals sein kann, und zweitensweil es ja sonst eh irgendwann durchsickert. Aber ichhabe <strong>den</strong> Eindruck, dass die meisten Leute nicht wissen,wie sie damit umgehen sollen. Wenn ich erzähle,was ich arbeite, dann geht in <strong>den</strong> Leuten glaub ichso ein Gedankenkarussell los: Wie, wirklich? Was sollich jetzt dazu sagen, was ist politisch korrekt? Ist dasnicht alles zu intim, um nachzufragen? Und am Endekommt meistens dabei raus, dass sie dann gar nichtssagen. Und das fühlt sich natürlich scheiße an: StellProtestaktion von „Hydra“ vor dem Bundestag, 24. Juni 2013

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