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ZUR PROBLEMATIK DER SLAWISCHEN ZAHLWÖRTER

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SBORNfK PRACf FILOSOFICKF, FAKULTY BRNENSKE1964, A 12UNIVERSITYRADOSLAVVECERKA<strong>ZUR</strong><strong>PROBLEMATIK</strong> <strong>DER</strong> <strong>SLAWISCHEN</strong><strong>ZAHLWÖRTER</strong>1. Die Problematik der Zahlwörter in den slawischen Sprachen ist für den Slawistendeshalb so außerordentlich anziehend, weil sie ihm die seltene Gelegenheit bietet,unmittelbar in der historischen Entwicklung zu verfolgen, wie sich eine völlig neueWortart gebildet hat oder genauer gesagt bildet.Der Ausgangspunkt sowie die allgemeine Tendenz der weiteren Entwicklungder slawischen Zahlwörter sind zur Genüge bekannt. Der Vergleich der Situationin den alten Denkmälern der slawischen Sprachen führt zu dem Schluß, daß dieurslawischen Zahlwörter 1—4 ihrem syntaktischen Charakter nach kongruenteAttribute mit dem gezählten Gegenstand darstellten; morphologisch gehörten dieZahlwörter 1 und 2 zur pronominalen Deklination, das Zahlwort 3 hatte die Plural-Deklination der i-Stämme, das Zahlwort 4 wurde gemischt dekliniert wie die konsonantischenund i-Stämme im Plural. Die Zahlwörter 5—10 waren morphologischund syntaktisch Zahl- oder Zählsubstantiva mit Deklination nach den i-Stämmen,beim Zahlwort 10 daneben auch noch mit konsonantischer Deklination. Ähnlichverhielten sich auch die Ausdrücke für die Zahlwörter 100 und 1000 wie reineSubstantiva, u. zw. sT>to wie neutr. o-Stamm, tys&ji (tysqtji) wie femin. ja-Stamm.Die Benennung der übrigen Glieder der Zahlenreihe wurde durch verschiedeneKombinationen dieser Grundausdrücke für den Zahlbegriff gebildet.Das grob umrissene Bild der urslawischen Zahlwörter ist nicht nur ein Rekonstruktionsergebnisnach dem Stand der alten slawischen Sprachen, sondern istin dieser seiner Ursprungs- und Ausgangsform auch nahezu genau erhalten in denältesten schriftlichen slawischen Denkmälern, im Altkirchenslawischen.Die Zahlwörter bildeten somit weder im Urslawischen noch im Altkirchenslawischeneine selbständige Wortart, die durch spezielle morphologische undsyntaktische Eigenschaften gekennzeichnet wäre. Sie waren lediglich eine besondere,durch eine sehr spezifische Semantik ausgezeichnete Wortklasse: sie bezeichnetedie einzelnen Glieder der natürlichen Zahlenreihe.An diesen Stand werden wir uns in den weiteren Ausführungen als an eine fixeund ermittelte Tatsache und zugleich festen Ausgangspunkt der Weiterentwicklunghalten. Die slawischen Zahlwörter haben sich nämlich in den historischen Phasender einzelnen slawischen Sprachen — auf verschiedene Weise und in verschiedenemAusmaß — von jenen Wortarten freigemacht, in die sie noch im Urslawischen infolgeihrer Morphologie und Syntax gezwängt wurden. Und auf einige Triebkräfte diesesProzesses und ihre Auswirkungen auf die Ausdrucksmittel möchte ich mich in meinenweiteren Darlegungen konzentrieren.2. Allgemein wurden die Faktoren, die zu grundsätzlichen Veränderungen desSystems der slawischen Zahlwörter geführt hatten, bereits öfters formuliert. Ich will


DIE <strong>SLAWISCHEN</strong> <strong>ZAHLWÖRTER</strong> 71bezat' dva-devjanosta-to memych verst u. a. m., 4die ebensogut ein Petrefakt einesälteren Standes wie ein verhältnismäßig junger Neologismus sein können. Jedenfallsstellen sie eine mehr oder weniger seltene Randerscheinung dar und können keineswegsden Schluß ändern, daß sich bereits im Urslawischen die Zahlwörter — ausgenommendie Zahl 10 — im wesentlichen nicht nach dem Numerus schieden. Die grammatischeKategorie des Numerus als Gegensatz Singulars, Duals und Plurals gab es bei ihnende facto nicht.Gewisse Keime der Weiterentwicklung zeigten sich schon im Urslawischen femerdarin, wie die Zahlwörter die Kategorie des grammatischen Geschlechteszum Ausdruck brachten. Wie Suprun (op. cit.) bemerkt, war die Kategorie desgrammatischen Geschlechtes keinesfalls universal für das gesamte System der urslawischenZahlwörter, und die inneren Disproportionen in ihrer Natur und Ausdrucksweisegaben den Ausschlag zum gegenseitigen Ausgleich sowie zu den totalenVeränderungen im System der slawischen Zahlwörter. Ein Spannungsfeld bildetenim Urslawischen einerseits die Zahlwörter der niedrigen Zählweise, die als kongruenteAttribute dreierlei Geschlecht hatten und bei denen das Geschlecht folglich einesyntaktische Kongruenzkategorie darstellte, andererseits die Zahlwörter der höherenZählweise, die als Zahlsubstantiva ein Geschlecht hatten — größtenteils waren esFeminina (s~bto war jedoch ein Neutrum) — und bei denen das Geschlecht einemorphologische Kategorie darstellte. Und das zweite Spannungsfeld bildeten dieZahlwörter der niedrigen Zählweise selbst, bei denen dem Nominativ, bzw. demgenusscheidenden Nominativ-Akkusativ, die indirekten Fälle (casus obliqui) ohneformale Geschlechtsunterscheidung gegenüberstanden. Dieselben Verhältnisse imPlural und Dual herrschten zwar auch bei den Pronomina und zusammengesetztenAdjektiva, aber zum Unterschied von ihnen fehlte den Zahlwörtern niedriger Zählweiseder Hintergrund des Singulars, in dem die Unterscheidung nach dem Geschlechthätte realisiert werden können.Fix und fest war im Urslawischen bei den Zahlwörtern noch die Kategoriedes Kasus, wenn auch hierin ein kategorialer Unterschied bestand zwischen denZahlwörtern 1—4, wo sie Kongruenzcharakter besaß, und den Zahlwörtern von5 aufwärts, wo sie einen semantisch-syntaktischen Charakter aufwies. Die Zahlwörtervon 5 aufwärts gehörten außerdem zu den i-Stämmen, d. h. zu jenem Deklinationstyp,der von allen das ärmlichste Arsenal der Singularformen hatte: lediglich drei Formen,auf -b (1.4.5.), auf -i (2.3.6.) und auf — bJQ (7). Die kleine Anzahl von Kasusendungenbei den Zahlen von 5 aufwärts bildete ohne Zweifel auch die günstige Voraussetzungdafür, daß es im weiteren Verlauf der Entwicklung in einigen slawischen Sprachenzur Einschränkung (z. B. im Tschechischen) oder zur Liquidierung der Formenüberhaupt (z. B. im Serbokroatischen) kam, in anderen Sprachen wieder zu ihrerFormveränderung und zum Übergang zu den adjektivischen Deklinationstypen(z. B. im Slowakischen).3. Die ausführlichere Analyse der Zahlbegriffe im Urslawischen führte also zudem Schluß, daß sie schon im Urslawischen keine reinen Substantiva und Pronominawaren und daß auch schon im Urslawischen die Stimulantien zur Weiterentwicklungder Zahlwörter im Verborgenen bereitlagen, die sich morphologisch und syntaktischvon der Entwicklung jener Wortarten unterschied, zu denen die Zahlwörter ursprünglichgehört hatten. Diese mehr oder weniger spekulative Überlegung kannauch durch einige formale Symptome dahin ergänzt und bekräftigt werden, daßdie Zahlwörter schon in den ältesten Phasen der slawischen Sprachen infolge einiger


72 RADOSIAV VECERKAihrer grammatischen Eigenschaften aus dem Rahmen der Substantiva und Adjektivsfielen und einen eigenen Entwicklungsweg einschlugen.Ein Signal dafür, daß sich in der die Zahl 5 und mehr bezeichnenden WortklasseVerschiebungen von einer wortartmäßigen Tragweite abspielten, sind einige Besonderheitenihrer Verbindung mit einem den gezählten Gegenstand bezeichnenden Substantiv;sie kommen schon in den ältesten slawischen literarischen Äußerungen vor.Beachtenswert ist dabei vor allem, daß der gezählte Gegenstand, ungeachtet dessen,daß er von einem Zahlwort mit ursprünglich substantiver Gültigkeit abhängt,bloß im Genitiv vorkommt, niemals aber die Form eines Adjektivs annimmt. Unddennoch ließ sich die Abhängigkeit eines Substantivs von einem andern landläufigin den slawischen Sprachen grundsätzlich auf zweierlei Art ausdrücken: das subordinierteGlied einer solchen Verbindung stand entweder im Genitiv oder verändertesich in ein Adjektiv. Dieses syntaktische Phänomen der Zahlwörter ist freilich nichtder Aufmerksamkeit der Forscher entgangen und pflegt in der Regel in dem allgemeinenLehrsatz festgehalten zu werden, daß man den partitiven adnominalenGenitiv keineswegs durch ein Adjektiv ersetzen kann. 6Diese Feststellung ist jedochnicht ganz genau. Insofern der regierende Ausdruck des adnominalen partitivenGenitivs ein wirkliches Substantiv war, sind bei demselben in den älteren slawischenSprachen trotzdem auch abhängige Glieder in Form eines Adjektivs belegt; vgl. z. B.im Aksl.: vb stadosvinoeM&t. 8.31 Zogr. Mar. Assem. Sav. eig rrjv ayiXr\v rä>v xoiqoiv;jakoze otb mnoibstva hrbvbnaago umociti «g rizamrb Supr. 179.29, 6oder in GebauersMaterial aus dem Alttschechischen: na, hromadu rtutovü — in acervum mercurii,podle stohu snopoveho — acervum manipulorum, cislo hudcove — numerum musicorum,u. a. 7 Dies war allerdings eine minder übliche Ausdrucksweise und theoretisch lassensich diese spärlichen und seltenen Belege auf zweierlei Art erklären: entweder handeltes sich hier um ein Überbleibsel des älteren Standes oder im Gegenteil um einesekundäre, jüngere Erscheinung, eine Art Ubergreifen der Adjektiva anstelle desGenitivs auch dort, wo diese Konkurrenz sonst nicht üblich war. Aber welche vondiesen zwei Möglichkeiten auch immer gültig sein mag, sie signalisiert für die Entwicklungder Zahlwörter in beiden Fällen ein und dasselbe. Haben wir es in denerwähnten adjektivischen Verbindungen mit einem überlebten Archaismus zu tun,dann weist der völlige Ausfall dieses Archaismus bei den Zahlwörtern darauf hin,daß gerade bei dieser Wortgruppe seine Verdrängung rascher, vollkommener undfrüher vor sich ging als bei den Substantiven, d. h. ihre Entwicklung hatte einenandern Verlauf, als die Entwicklung der anderen Substantiva. Handelt es sich umeine Neuerscheinung, die sich nach der üblichen Ausdruckskonkurrenz per analogiamin der Ausdrucksweise der adnominalen Beziehung verbreitet, dann erweisen sichdie Zahlwörter wieder eben dadurch als unterschiedlich von anderen Substantiven,daß sich bei ihnen diese Neuheit überhaupt nicht mehr durchgesetzt hat.4. Das war die eine Besonderheit der Verbindung der Zahlwörter von 5 aufwärtsmit dem gezählten Gegenstand; wir stoßen aber noch auf eine andere. Man kannsie allgemein so formulieren, daß der Gen. plur., in dem der gezählte Gegenstandnach den Zahlwörtern 5 und aufwärts steht, eben in der Verbindung mit demZahlwort nicht selten archaistische Form zu haben pflegt, daß gerade in dieserStellung ältere Formdubletten gebraucht werden, die in anderen genitivischenFunktionen bereits unmöglich oder ungewöhnlich erscheinen u. ä. Einen solchenFall hat bereits P. Diels aus aksl. Denkmälern verzeichnet, in dem er zeigte, daßdas Substantivum dbnb die Endung der konsonantischen Deklination im Gen. pl.


DIE <strong>SLAWISCHEN</strong> <strong>ZAHLWÖRTER</strong> 73(also dbWb) nur in Verbindung mit Zahlwörtern hat, während in den übrigen Fällenim Gen. pl. die i-Stamm- Neuform dbnbjb geläufig ist. 8Und dasselbe Substantivbewahrt die archistische Form des Gen. pl. dan in slowenischen und den in russischenDialekten wiederum nur als gezählter Gegenstand der Zahlwörter. 9Oder im Alttschechischenund Altpolnischen werden die ursprünglichen Formen des Gen. pl.bei Substantiven der o-Stämme, ohne die neuere Endung -6v, -6w (urspr. u-Stamm),wiederum vornehmlich nach Zahlwörtern bewahrt. 10Vom diachronischen Standpunkt aus betrachtet, dürfte die angeführte Erscheinungdaraufhinweisen, daß die Verbindung des Zahlwortes mit dem gezählten Gegenstanderstarrt sei und daß wir somit die Anfänge ihrer Umbildung in eine „unzerlegbare"Einheit antreffen, wie diese Verbindung in der heutigen Sprache von der russischenSchule interpretiert wird. 11Funktionell, synchronisch betrachtet, ließe sich, diesesPhänomen am ehesten noch als formale Äußerung (Bestätigung) dessen erklären,daß sich in der Sprache aus dem Genitiv ein besonderer Kasus, „Numerativ" abgespaltenhat, bzw. abzuspalten begann, wie dies a. a. O. Kopeön^ andeutet. Auf jedenFall ist es ein wertvolles Indizium, das darauf hinweist, daß sich die Zahlwörterim Unterschied zu den echten Substantiven anders verhielten, u. zw. schon in denältesten historisch belegten Etappen der slawischen Sprachen.5. Ein weiteres Merkmal der Eigenart der slawischen Zahlwörter und ihrer Verschiedenheitvon den Substantiven schon bei Anbruch der historischen Zeit istdie Form des Prädikats in Sätzen, in denen die Verbindung des Zahlwortes von 5aufwärts mit dem gezählten Gegenstand das Subjekt bildet. Der Ausgangszustandwurde — wie allgemein anerkannt — vom zweigliedrigen Satztypus repräsentiert,in dem das substantivisch gebrauchte Zahlwort selbst Subjekt war und das Prädikatmit ihm teils durch die congruentia ad sensum, teils durch die congruentia ad formamverbunden war.Der erste Typus dieser Sätze, mit dem Prädikat im Plural, war gemeinslawischund ist in den älteren slawischen Sprachen gut belegt; vgl. z. B. im Aksl.: i pQJe§ejq sedmb i ne ostaviSe s&rnene Mat. 12.22 Zogr. Mar.; oder im Alttschechischen:jakS sip& smyslöv roztirhajl Alb 28 b 1 8 ; oder im Altpolnischen: dany bedq pi$6 rvblow. 13Und dieselbe Kongruenz „nach dem Sinne" — mit dem Prädikat im Plural — warin den älteren slawischen Sprachen gleichfalls üblich beim Subjekt, das durch einenSammelnamen im Singular ausgedrückt wurde; vgl. z. B. im Aksl.: mnogi» narod'b...po nemb idoSe Mr. 3.7 Zogr. (Mar. ide) xal nokv n^'&og... rixoÄovftriOBv (-aav),oder im Alttschech.: zdstup vracovdchu si EvOl 261 a , 14im Altpoln.: i Mania6 siebedq przed nitn proknia czeladi ludzka Ppl, lsu. e. Die Zahlwörter haben also in diesemPunkte genau dieselbe Syntax wie die substantivischen Kollektiva.Der zweite Typus, mit konsequenter und zweifelloser Kongruenz des Prädikatsmit dem substantivisch gebrauchten Zahlwort in Numerus und Genus, ist ebenfallsbelegt, allerdings bloß beschränkt im Altruss. und Altpoln; vgl. z. B. das altruss.:a drugaja pjatb vervej Sla ot-b Ontona i ot~b Ivana — Jurid. akt. 18 ; oder das altpoln.:szeiö niedziel wyszla. vAuch solche Sätze lassen die substantivische Geltung desZahlwortes erkennen.In den alten slawischen Sprachen ist jedoch außerdem noch ein dritter Typusgut belegt — mit dem Prädikat im Sing. Neutr., ein Typus, der in den Grammatikenals subjektloser oder unpersönlicher Typus bezeichnet wird, vgl. z. B. im Alttschech.:jiuz bS Sest dni pominulo Alx. V. 1995, 18im Altpoln.: u mos bylo siedm braeiencowB,przem, 19 oder im Altruss.: ot Elizara $lo pjatb vervej — Jurid. akt. 20 Und eben


74 RADOSLAV VECERKASätze dieser Art zeugen von den Verschiebungen und Veränderungen in der Wortart-Geltung der Zahlwörter, eigentlich ehemaliger Substantiva, die Zahl von 5 anbezeichnen.Eine (offene) Frage ist allerdings ihr Alter. In den ältesten slawischen Texten,in den aksl. Denkmälern, ist nämlich im Prädikat beim Subjekt, das durch Verbindungdes Zahlwortes von 5 an mit dem gezählten Gegenstand ausgedrückt wird, keinesolche Form belegt, die das grammatische Geschlecht ausdrücken würde. Wendungenmit dem aktiven Zeitwort im Präsens, Imperfekt oder Aorist vom Typus petb mqibide, die hier (neben dem Plural-Prädikat) lediglich vorkommen, bringen das grammatischeGeschlecht zwar nicht zum Ausdruck, aber man kann sie trotzdem entwederals Typ 2 (persönlicher Typ) oder als Typ 3 (unpersönlicher Typ) bewerten. DerUnterschied zwischen den beiden Typen besteht nämlich nicht und bestand auchnicht allein im Geschlecht des prädikativen Verbs, sondern war tiefer, strukturell.Die Form der 3. Person war beim zweiten Typ tatsächlich eine Kongruenzform,direkt durch das Bedürfnis motiviert, die Kongruenz zwischen Prädikat und Subjektauszudrücken, während es sich beim dritten Typ um eine grundsätzlich andereSatzkonstruktion handelt und die Verbalform der 3. Person drückt hier nicht dieKongruenz mit dem Subjekt, das diese ,,3. Person" darstellt, sondern eigentlichdie „Nichtperson" aus. Und wie wir im heutigen Tschechisch durch die dritte Artdie Wendung pet hocJv&jde und durch die zweite Art die Wendung skupina hochüjdebewerten, trotzdem die Form jde in beiden Fällen die gleiche ist, auf dem Hintergrundderselben Sätze in der Vergangenheitsform, d. h. pit hochü Mo — skupina hochtiHa, so mußten nach einer von diesen Arten auch im Aksl. die Sätze des Typs petbmqzb ide auf dem Hintergrund der potentiellen Wendungen mit der Form des1-Partizips oder passiven Partizips bewertet worden sein, die im Aksl. geläufigprädikativ verwendet wurden und die in dieser Funktion nur deshalb nicht auchin Verbindung mit einem Zahlwort vorkommen, weil sich zu einer solchen Konstruktionrein zufallig keine (textliche) Gelegenheit bot. Es ergibt sich allerdings dasmethodologische Problem, wie diese Frage heute an Hand jenes unvollständigenMaterials, das zur Verfügung steht, entschieden werden könnte. Man kann im vorhineinsagen, daß eine eingehendere Erforschung dieses scheinbar neutralen Materialsdennoch die Möglichkeit einer gewissen Lösung in Aussicht stellt.Die bisherigen Versuche verstanden die aksl. Sätze vom Typ petb mqzb ide eherals petb mq£b jest'b Sbla denn als petb mqzb jest'b äblo. Diels spricht z. B. im Falldes Singular-Prädikats bei der Zahlwortwendung allgemein von seiner Kongruenz 21und Suprun sagt schon direkt, daß das Prädikat hier mit dem Zahlwort in Numerusund Genus übereinstimmt. 22Er stützt seine Uberzeugung durch den Hinweis aufdie Existenz von Belegen, in denen das Attribut mit dem Zahlwort übereinstimmt,also Belegen wie: ta petb mqzb. Aber dieses Argument entbehrt echter Beweiskraft,weil die Kongruenzverhältnisse beim Attribut nicht notwendig auch schon mit denKongruenzverhältnissen beim Prädikat übereinstimmen müssen und weil manaus ihrer bloßen Existenz nicht den Schluß über die Existenz und vor allem Nichtexitenzirgendeines Satztyps ziehen kann. Im Alttschech. sind z. B. ebenfallsVerbindungen von Zahlwort mit kongruentem Attribut vom Typ ta pit muzövbezeugt, aber ein unzweifelhaftes Prädikat vom Typ *pit muzöv Ma ist trotzdem nichtbelegt, sondern lediglich pit muzöv Mi und pit muzöv Mo.Daneben weisen einige Besonderheiten in der Syntax der aksl. Zahlwörter daraufhin, daß die Interpretation belegter Singular-Prädikate in unpersönlicher Formganz gut, in bestimmten Fällen sogar einzig möglich ist. So wurden die Zahlwörter


DIE <strong>SLAWISCHEN</strong> <strong>ZAHLWÖRTER</strong> 7540 und 4000 auf die Weise gebildet, daß im ersten Fall die Zehner (cetyre desete),im zweiten dann die Tausender (cetyri tysoSte) gezählt wurden, d. h. der Zahlbegriffstand hier im Plural, so daß im Satz, wo er Subjekt war, das Prädikat wie bei derKongruenz nach dem Sinne so auch bei der Kongruenz nach der Form im Pluralstehen sollte. Aber es sind auch Belege mit dem Prädikat im Singular bezeugt;vgl. z. B. i ed-bHichrb bSaSe cetyri tyseSte mqzb Mat. 15.38 Zogr. (Assem. Sav. be) xMar.beSg oi de eoftlovxei; fjaav rergaxiax^101 ävögeg; be ze ed'bSiich'b eko cetyri tysqStqMr. 8.9 Zogr. Mar. ^aav de d>Q xexqaxia%i'kioi; cetyre desete ich'b jesfb Supr. 78.13.Desgleichen sollte bei einem mit den Zahlwörtern 12 und 20 gebildeten Subjetdas kongruente Prädikat im Dual stehen — und meist war es auch so; es könnte —dem Sinne nach — auch im Plural stehen, aber wiederum sind Belege mit Prädikatim Singular bezeugt, vgl. d"bva na desete ich'b jest-b Supr. 121.20 dcbdexd eiat,se bo dva deseti jesfb dnii Supr. 519.20 Idov yäq eixoai XOITIOV rj/uegai.In diesen Belegen kann das Singular-Prädikat allerdings auch potentiell nichtfemininale Kongruenz haben, u. zw. einfach deshalb nicht, weil das Zahlwort darinkeinen femininalen Singular darstellt. Die Form der 3. Pers. Sg. des Verbs ist hiernicht durch das Bedürfnis einer Kongruenz mit dem Subjekt, mit der 3. Person,hervorgerufen, es ist also keine 3. Person, sondern jene „Nichtperson", wie obenausgelegt wurde. Sie kann nicht anders erklärt werden, denn als Form, bei der manmöglicherweise ein Partizip im Neutrum verwendet hätte.Diese Interpretation der Form der 3. Pers. Sg. von einem Verb, das bei der Wendungmit einem höheren Zahlwort steht, trifft freilich nicht nur auf die angeführten5 Belege zu. Die Singularform des Verbs bei Zahlwörtern wie 12, 20, 40, 4000 u. a.war weder durch congruentia ad sensum noch durch congruentia ad formam motiviert;sie ist hier nach der Analogie von Sätzen mit den Zahlwörtern 5, 50 usw. imSubjekt eingedrungen. Wurde jedoch die sekundäre Konstruktion mit den Zahlwörtern40 a. a. und mit der verbalen Singularform als unpersönlich gewertet — wieich eben gezeigt habe — mußte auch schon ihre primäre Form, die Vorlage selbst,in derselben Weise gewertet worden sein, nach der diese Analogie zustande kam,d. h. die Standardwendungen vom Typ petb mqzb ide, petb desetb mqib ide u. dgl. m.In den aksl. Wendungen vom Typ petb mqib ide ist neben dem potentiellen petbmoibjestb Sbla zweifellos auch der Typ petb mqz.bjest'b Sblo verborgen mitenthalten.Der Stand im Aksl. im Verein mit den Verhältnissen in den ältesten Phasen derübrigen slawischen Sprachen, in denen der Typ petb mqzb jest"b Sbla manchmalüberhaupt nicht verzeichnet ist, wie z. B. im Alttschech., und der in den andernslaw. Sprachen sonst wesentlich seltener vorkommt als der unpersönliche Typ, wiedies z. B. J. Lo6 23ausdrücklich vom Altpoln. konstatiert, erlaubt uns den Schlußzu ziehen, daß der Typ petb mqib jest~b Sblo schon im Urslawischen oder zumindestin seiner jüngeren Phase existiert hat.Die Entstehung der erwähnten Konstruktion wird in der Regel mit Wendungenin Verbindung gebracht, die die quantiativen Adverbia malo, mrbnogo, koliho u. a.enthalten, deren Prädikat im Plural stand oder bei denen sich das Verb in der3. Pers. Sg. Neutr. befand, vgl. z. B. im Aksl.: malo ze est"b tächT>izeiobretaJQt7>'Ei\ich.Sin. 69 bl9, oder im Altpoln. sq wiele milosierdzia jego BZ, malo sie. ich uczynüoPFL u. ä. 24Aber die Verbreitung des Typs petb mqzb jest~b Sblo und eine gewisseVerallgemeinerung desselben hing offensichtlich damit zusammen, daß der ursprünglichesubstantivische Charakter der Zahlwörter von 5 aufwärts abgeschwächtund der gezählte Gegenstand zum wirklichen Kern der Zahlwortfügung gewordenwar. Seine Genitivform war ursprünglich durch eine lebende syntaktische Abhängig-


76 RADOSLAV VECERKAkeit (des gezählten Gegenstandes) vom Zahlwort motiviert, die nun jedoch abflaute,und der Genitiv selbst wurde infolgedessen im Bewußtsein der Sprechenden nichtsyntaktisch, sondern semantisch, als „Partitiv" oder „Numerativ", gewertet, miteinem Wort als Kasus, der bestimmte quantitative Angaben über sein Nomen ausdrückte.Da der gezählte Gegenstand in der Zahlwortfügung zum wirklichen Hauptgliedgeworden war, hätte man erwartet, daß er in den Sätzen unseres Typs dasSubjekt bilden werde. Aber die Genitivform hinderte ihn formalerweise daran, einnormales Subjekt eines zweigliedrigen Personalsatzes zu bilden. Die Aussage überdas genitivisch ausgedrückte Satz-Hauptglied geschieht in den slaw. Sprachenunpersönlich, d. h. durch eine neutr. Verbalform der 3. Pers. Sg., vgl. z. B. das aksl.nikogo sbde ne be oder das russ. sobraloS narodu oder das tschech. mSsta bylo dobyto.Die Zahlwortwendungen des Typspät tnuSü Mo schließen sich durch ihr Grundkonstruktionsschemaden Sätzen dieser breiten Art an: die Korrespondenz zwischen demnominalen Genitiv und der unpersönlichen Verbalform bildet das eigentliche Gerippesolcher Sätze und das Zahlwort tritt darin als Ausdruck auf, der den gezählten•Gegenstand weiterentwickelt. Man könnte es daher am ehesten mit Kopeöny als„quantitatives Attribut" bewerten.Das Anerkenntnis einer gewissen konstruktiven Verknüpfung der neutr. Formder 3. Pers. Sg. gerade mit dem Genitiv (des gezählten Gegenstandes) dürfte — wiees scheint — durch die in den aksl. Denkmälern nachgewiesene, bemerkenswerteTendenz seine Unterstützung finden. Nach Suprun erscheint im Aksl. das Prädikatim Plural eher dort, wo das Zahlwort allein, ohne den gezählten Gegenstand, dasteht,z. B. i pojeße jq sedmb i ne ostavi&e semene Mr. 12.22 Zogr. Mar. xal eXaßov avrrjvoi enrä xal ovx äyrfjxav aneqfia, im Singular dagegen dann, wenn beim Zahlwortder gezählte Gegenstand steht, z. B. be ze vb nas~b sedmb bratijg Mat. 22.25 Mar.Zogr. b rjoav de nag' rjfjüv inxä dSek izide Luk. 8.2 Zogr. Mar.daifiovia enrä i^EXrjXv&et, u. a. 26Suprun bemerkt zwar, daß die Anzahl der sämtlichen Belege nicht hinreichendgenug sei, um dieses Phänomen als eine Art Gesetzmäßigkeit zu formulieren; daßes sich jedoch um eine tatsächlich ausgeprägte Tendenz handelte, das geht auch ausseinem weiteren Material mit höheren Zahlbegriffen (50, 70, 5000...) hervor, ausdem — wiewohl es er selber nicht erwähnt — die gleichen Verhältnisse ersichtlichsind (op. cit. S. 91—92). Für unsere Betrachtung resultiert aus dieser zweifellosenTendenz in der Syntax der aksl. Zahlwörter die Bestätigung, daß das Vorhandenseindes gezählten Gegenstandes, d. h. des Genitivs, gewissermaßen mit dem Prädikatim Singular korrespondierte, das in vielen Fällen — wie ich weiter oben gezeigt habe —ohne allen Zweifel als unpersönlich gewertet wurde.6. Aus dem bisher Gesagten dürfte m. E. erhellen, daß sich die Zahlwörter bereitsum die Wende der prähistorischen zur historischen Zeit nicht restlos den Wortartender Substantiva und Pronomina anfügten, wie man mit einer gewissen Vereinfachungmitunter dafürhält, und daß ihnen schon damals — kraft ihrer zahlreichen speziellensemantischen und grammatischen Eigenschaften — Impulse zur Weiterentwicklunginnewohnten, die sie in der Geschichte der slawischen Sprachen zu einer selbständigenWortart formen sollten. Wir hatten schon zu Beginn unserer Ausführungen Gelegenheitgehabt, auf die Grundtriebkräfte dieses Prozesses zu verweisen, die, allgemeingesprochen, bei der Verbindung von Wörtern, die die Zahlen von 5 an bezeichneten,mit Wörtern, die die gezählten Gegenstände ausdrückten, dem Widerspruch zwischenForm und Inhalt entsprangen.


DIL <strong>SLAWISCHEN</strong> <strong>ZAHLWÖRTER</strong> 77An dieser Entwicklung beteiligten sich freilich auch innere Faktoren. So machtesich in der Tendenz, bei höheren Zahlwörtern den gezählten Gegenstand zu deklinieren,gewiß der Druck des gesamten Systems sowie das Bestreben geltend, ihn durchAnalogie auszugleichen: nach trbtni raby begann anstatt des ursprünglichen p$tbjqrabt allmählich p^tbjq raby u. ä. in Erscheinung zu treten.Scharfsinnig waren A. Supruns Beobachtungen, die ihn gleichfalls an Hand aksl.Materialien erkennen ließen, daß die zusammengesetzten und umschreibenden(periphrastischen) Zahlwörter zum Ausgangßbereich der Veränderungen im grammatischenWesen der Zahlwörter wurden, weil sich in ihnen morphologisch und syntaktischunterschiedliche Komponenten zu einer Funktions- und Bedeutungseinheitverquickten. Dies öffnete Tür und Tor vornehmlich Attraktionen verschiedenenTyps, so daß z. B. anstatt des ursprünglichen na trbcht desqtbchrb strebrbnikrb — mitdem vom Zahlwort 10 abhängigen Genitiv des gezählten Gegenstandes — Fälleerscheinen, konnten, wie na trbchrb desqtbckb srbrebrbnicichb mit flektiertem gezähltenGegenstand, als ob er direkt mit dem Zahlwort 3 verknüpft wäre. 29Zu dem Gesagten könnte man noch hinzufügen, daß in diesem Prozeß die Zahlwörterder zweiten Zehner-Reihe, bei denen für die Analogiewirkung besondersgünstige Bedingungen gegeben waren, eine Art Schlüsselstellung einnahmen. Eswaren ursprünglich umschreibende, mit dem präpositionalen Ausdruck na desgtegebildete Zahlwörter, dem die Zahlwörter von 1—9 vorangestellt waren (also:jedim> na deagte, d"bva na des$te,... p$tb na desgte...). Das syntaktisch ausschlaggebendeGlied einer solchen Umschreibung war die Einheitskomponente, und daherhatten die Zahlwörter 11—14 den Charakter eines kongruenten Attributs und dergezählte Gegenstand wurde in Verbindung mit ihnen genauso dekliniert wie bei denZahlwörtern 1—4; die Zahlwörter 15—19 dagegen wurden allein (selbständig)dekliniert, oder genauer gesagt, ihre Einheitskomponente wurde dekliniert und dergezählte Gegenstand war ihnen stets im Genitiv PI. angefügt, geradeso wie bei deneinfachen Zahlwörtern 5—9. Man sagte also ursprünglich z. B. trbje na des$te rabi,s-b trbmi na desgte raby usw., aber pgtb na desqte rabt,s'bp$tbJQ na desqte rabt u.s.w.Es ist offensichtlich, daß die Zahlwörter 11—14 schon deshalb, weil sie eine Artspezielle, in der natürlichen Zahlenreihe von Zahlwörtern anderer syntaktischerEigenschaften völlig umgebene, Enklave bildeten, einem gesteigerten Druck derselbenausgesetzt waren, insbesondere dem Druck der Zahlwörter 15—19, mitdenen sie eine zweite, völlig kongruente, präpositionale Komponente (na des&e)gemein hatten.Diese Tendenz zur Uniffizierung der Zahlwörter der zweiten Zehner-Reihekonnte sioh außerdem auch schon deshalb durchsetzen, weil aus diesen umschreibendenZahlwörtern zusammengesetzte Zahlwörter wurden, d. h. weil sie zu einem einzigenWort verschmolzen, wobei ihre Einheitskomponenten — die ursprünglich fürihre Syntax entscheidend waren — allmählich ihre nominale Selbständigkeit einbüßten.Und dieser Prozeß setzte sehr früh ein; er ist schon in den ältesten aksl.Denkmälern bezeugt. Von der allmählichen Erstarrung der Zahlwörter der zweitenZehner-Reihe im Aksl. zeugt z. B. die archaistische Beibehaltung der konsonantischenForm des präpositionalen Lokals des Zahlwortes desgtb auf -e. A. Suprun, der dieserErscheinung in den aksl. Denkmälern gewissenhaft nachgeht, stellt ausdrücklichfest, daß der Lokal des Zahlwortes desgtb als Komponente der Zahlwörter der zweitenZehner-Reihe in den aksl. Denkmälern konsequent die Endung -e aufweist (miteiner einzigen Ausnahme: oh> obojuna desqti Mat. 26.47 Assem., in den übrigen Kodexenjedoch des$te), während er in anderen Fällen, wo das Zahlwort desgtb selbständig


78 RADOSLAV VECERKAgebraucht wird, im Gegenteil gewöhnlich die jüngere Endung -i (nach den i-Stämmen)hat, z. B.: o desgti prokazervb Zogr. 1. 130. 27Aus der Tatsache, daß desgtb als Bestandteilder Zahlwörter der zweiten Zehner-Reihe überhaupt nicht in den Entwicklungsprozeßeinbezogen wurde, den es selbständig mitmachte, außerhalb der erwähntenspeziellen Verbindung, läßt sich folgern, daß na desgte hier nicht mehr den Charaktereines echten und syntaktisch lebenden Lokals besaß — als solcher hätte er dieEndung -i gehabt — sondern ein bereits erstarrtes, seine nominale Selbständigkeiteinbüßendes, oder zu dieser Einbuße zumindest inklinierendes, Gebilde darstellteund mit der vorangehenden Einheitskomponente zu einem einzigen Wort verschmolz.Ein weiteres Zeugnis für die Verquickung der einzelnen Komponenten der Zahlwörterder zweiten Zehner-Reihe schon in den ersten Etappen des slawischen literarischenSchaffens legen die Ordnungszahlwörter ab, bei denen die Ausgangssituationwie folgt aussah: die Form der Ordnungszahl hatte die Einheitskomponente, währenddie präpositionale Wendung na desgte unverändert blieb; vgl. z. B. im Aksl.: st osmoena des$e leto Luk. 13. 16 Zogr. Assem. Sav. Diese alte Bildungsweise hielt sich kraftder Tradition ziemlich lange; sie ist z. B. auch in alttschech. Denkmälern belegt,z. B.: sdm Sesty na dcätje se k Baküsöm bezeti Dal. K. 89. Auf der anderen Seite findensich jedoch daneben auch Belege neueren Typs, mit der Einheitskomponente inStammform und adjektivischer Flexion der „Zehner"-Komponente, also Wendungenwie: VT> leto osmonadesetoje Supr. 254. 28. Sie waren freilich nur unter derVoraussetzung möglich, daß die Grundzahlen der zweiten Zehner-Reihe, von denendie Ordnungszahlen abgeleitet waren, den Charakter einer umschreibenden Wendungverloren und bereits ein einziges Wort bildeten.Der zeitliche Vorsprung der morphologisch-syntaktischen Entwicklung derZahlwörter der zweiten Zehner-Reihe gegenüber allen anderen Zahlwörtern ist imAksl. tatsächlich auch textlich belegt: zu den Zahlen 11—14 drangen die Genitiveder gezählten Gegenstände {d/bva na desete rod~b statt roda) schon in den Übersetzungenaus der Zeit des Kyrills und Methodios, während die anderen Neologismenin der Syntax der aksl. Zahlwörter erst in spätere Zeitabschnitte fallen. 28Drang auf der einen Seite der Usus, den gezählten Gegenstand in den Genitivzu setzen, von den Zahlen 15—19 zu den Zahlen 11—14 vor, so wurde dadurch aufder anderen Seite wieder erleichtert, daß sich von den Zahlen 11—14 auf die Zahlen15—19 der Usus ausdehnen konnte, den gezählten Gegenstand in den indirektenFällen zu deklinieren. In den alten Texten kommt dieser Prozeß als besondere,abgegrenzte Entwicklungsstufe zwar nicht vor — offenbar wohl deshalb nicht, weildie Entwicklung mittlerweilen in derselben Richtung durch viele weitere Kongruenzkräftevorangetrieben wurde — aber mit seiner Existenz innerhalb des gesamtenEntwicklungsverlaufs der slawischen Zahlwörter können wir ohne allen Zweifelrechnen.Zusammenfassung7. Mit unseren Bemerkungen verfolgten wir den Zweck, auf einige Momente in denAnfangsphasen der Herausbildung der slawischen Zahlwörter als selbständigeWortart aufmerksam zu machen. Die ersten Symptome für Veränderungen derWortart in der Wortgruppe der Zahlbegriffe werden schon um die Wende der prähistorischenzur historischen Zeit sichtbar. Es sind einige Besonderheiten in derVerbindung der Zahlwörter von 5 an mit einem die gezählten Gegenstände bezeich-


DIt <strong>SLAWISCHEN</strong> <strong>ZAHLWÖRTER</strong> 79nenden Substantiv — archaistische Formen des Gen. PI. dieser Substantiva sowiedie Unmöglichkeit, an ihrer Stelle Adjektiva zu gebrauchen — und die Entstehungeines besonderen, unpersönlichen Satztyps (mit dem Verb in 3. Pers. Sg. N.) ausSätzen, in denen das Zahlwort ursprünglich normales Subjekt war. Unter den Triebkräftender Weiterentwicklung der Zahlwörter in den ältesten Etappen der slawischenSprachen nahmen die bei den Zahlwörtern der zweiten Zehner-Reihe verlaufendenProzesse geradezu eine Schlüsselstellung ein.ANMERKUNGEN1V. V. Vinogradov: Russkij jazyk, Moskva 1947, 288 n.2F. Kopeöny, Slovo a slovesnost 14, 1953, 151 n.3A. J. Suprun: Nekotoryje obsiije javhnija v istoriöeskom razvitii öislitel'nych v slavjanskichjazykach, Frunze 1958.4S. A. Suprun, op. cit. F. I. Buslajev: Istori6eskaja grammatika russkogo jazyka*,Moskva 1959, 429.6S. z. B. J. Gebauer: Historickd mluvnice jazyka ieske'ho IV, Praha 1929, 167; V. Smilauer:Adnomindlni genitiv partitivni, Cesky öasopis filologicky 1, 14 ff.6S. R. Veöerka: Sintaksis bespredloznogo roditel'nogo padeza v ataroslavjanskom jazyIssledovanija po sintaksisu staroslavjanskogo jazyka, Praha 1963, 194.7J. Gebauer: Hist. ml. jaz. £es. IV, 162.8AslPh 32, 1911, 311-312.9Vergl. V. Vondrak: Vergleichende Slawische Grammatik II, Göttingen 1928, 16.1 0AslPh 38, 1922-1923, 145; ÖMF 18, 1932, 10.11T. P. Lomtev: Oierki po istoriieskomu sintaksisu russkogo jazyka, Moskva 1956, 444.12Nach J. Gebauer: Hist. IV, 278.1 3Nach Klemensiewicz, Lehr — Splawiriski, Urbanczyk: Gramatyka historyczna jazykapolskiego, Warszawa 1955, 401.1 1Nach J. Gebauer: Hist. IV, 114.15Klemesiewicz u. a.: Gram. hist. 400.16Buslajev: Ist. gram. 433.17Klemensiewicz u. a.: Gram. hist. 401.1 8Nach J. Gebauer: Hist. IV, 279.1 9Klemensiewicz u. a.: Gram. hist. 401.2 0Buslajev: Ist. gram. 433.21P. Diels: AÜkirchenslavische Grammatik I, Heidelberg 1932, 217.2 2A. Suprun: Staroslavjanskije (islitel'nyje, Frunze 1961, 83.23Jezyk Polski 13, 1928, 107.2 4Jezyk Polski 13, 1928, 108.25Suprun: Staroslavjanskije (islitel'nyje 84 — 86.26Surpun: Staroslavjanskije (islitel'nyje 67 — 68, 70.27Suprun: Staroslavjanskije öisliel'nyje 16 und 52.28R. Veöerka: K sintaksisu imen öislitel'nych v staroslavjanskom jazyke (Ezikovedskoetnografskiizsledvanija v pamet na akad. St. Romanski, Sofija 1960, 195 — 208).Z <strong>PROBLEMATIK</strong>? SLOVANSKYCH CISLOVEKClänek upozorftuje na n&ktere momenty v poöatecnich fäzich vytväfeni slovanskych öislovekjako samostatneho slovniho druhu. Pirol symptomy slovnSdruhovych zmen ve skupin£ slovciselneho vyznamu lze pozorovat uz na pfelomu doby prehistoricke a historicke. Jsou to näkterezvlaStnosti ve vazbfe fiislovekod 5 vy"äe se substantivem oznaöujicim poöftane pfedmßty — archaick6tvary gen. pl. techto Substantiv a nemoznost uzit misto nich adjektiva — a vznik zvläStniho,„neosobniho" vStneho typu (se slovesem v 3. os. sg. neutra) z v6t, v nichz byla ßislovka püvodnänormalnim podmStem. Mezi vnitrnfmi hnacimi silami dalMho vyVoje 6islovek mely v nejstarSfohobdoblch slovanskych jazyku pfimo kliöove postaveni procesy probihajici u Cislovek druhedesitky.

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