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Der Angriffskrieg als Lesestoff: Der Krieg an der Ostfront in der ...

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Es geht darum, daß die Literatur dem Wesen <strong>der</strong> Sache gerecht werden, daß sie das Typischeaufsuchen und darstellen soll – und all diese zweifelnden, ahnenden o<strong>der</strong> gar wissenden Soldaten [<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>an</strong>tifaschistischen Literatur <strong>der</strong> „alten Garde“] s<strong>in</strong>d eben nicht Abbil<strong>der</strong> jenes Soldaten <strong>der</strong>deutschen Wehrmacht, <strong>der</strong> sich so schmählich von den Faschisten mißbrauchen ließ. 32Hier referieren die Autoren nicht nur das offizielle Geschichtsbild <strong>der</strong> SED, das den e<strong>in</strong>fachenSoldaten <strong>als</strong> passiv-verblendet h<strong>an</strong>delnden Arbeitersohn jeglicher <strong>in</strong>dividuellenVer<strong>an</strong>twortung für die Verbrechen <strong>der</strong> Wehrmacht entzog, son<strong>der</strong>n K<strong>an</strong>t und Wagnerversuchen <strong>in</strong> diesem Essay, g<strong>an</strong>z praktisch die von <strong>der</strong> SED <strong>an</strong>gestrebte Herrschaft über dieVerg<strong>an</strong>genheitsdiskurse <strong>in</strong> <strong>der</strong> DDR-Gesellschaft durchzusetzen. 33 Dementsprechend schließtdie Abh<strong>an</strong>dlung auch mit <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung, „positive Helden“ des <strong>an</strong>tifaschistischenKampfes zu schaffen, die glaubhaft um Erkenntnis und Umkehr r<strong>in</strong>gen, die „gegen alle<strong>in</strong>neren und äußeren Wi<strong>der</strong>stände und Verirrungen zu [ihren] neuen Ansichten vordr<strong>in</strong>gen.“ 34Dies war nicht zuletzt auch e<strong>in</strong>e Frage <strong>der</strong> Wahl des Rom<strong>an</strong>- und <strong>Krieg</strong>sschauplatzes, denn daes e<strong>in</strong>e Tatsache sei, dass[…] die Hauptentscheidung des zweiten Weltkrieges <strong>an</strong> <strong>der</strong> sogen<strong>an</strong>nten <strong>Ostfront</strong> fiel, daß diegründliche Umerziehung <strong>der</strong> deutschen Soldaten fast schon zu spät und dennoch nicht zu spät <strong>in</strong>sowjetischer Gef<strong>an</strong>genschaft beg<strong>an</strong>n, da die Herstellung freundschaftlicher Beziehungen des g<strong>an</strong>zendeutschen Volkes zu den Völkern <strong>der</strong> Sowjetunion e<strong>in</strong>e lebensnotwendige Aufgabe ist, for<strong>der</strong>n wirunsere Schriftsteller auf, sich noch mehr <strong>als</strong> bisher gerade mit dem faschistischen Überfall auf dieSowjetunion ause<strong>in</strong><strong>an</strong><strong>der</strong>zusetzen und diese Hauptfront des militärischen Klassenkampfes ständig –auch <strong>als</strong> H<strong>in</strong>tergrund – im Auge zu behalten. 35Diese oktroyierte Konzentration auf den <strong>Krieg</strong> gegen die Sowjetunion (und die Schlacht vonStal<strong>in</strong>grad <strong>als</strong> die Wende des <strong>Krieg</strong>es) erklärt somit zum<strong>in</strong>dest teilweise, warum sich dieDDR-Literatur im Vergleich zur westdeutschen Literatur mit e<strong>in</strong>er früheren und <strong>in</strong>tensiverenliterarischen Ause<strong>in</strong><strong>an</strong><strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> <strong>Ostfront</strong> hervortat. Auch das unter SED-Strategenund Schriftstellern verbreitete, ausdrücklich politische Verständnis von Literatur sowie ihrStreben nach e<strong>in</strong>er möglichst effektiven Nutzbarmachung <strong>der</strong> Verg<strong>an</strong>genheit für gegenwärtigePolitik und <strong>der</strong>en Legitimation, haben zur stärkeren Konzentration auf Geschichte und Folgendes Russl<strong>an</strong>dfeldzugs <strong>in</strong> <strong>der</strong> frühen DDR-Literatur beigetragen.Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund gelesen, repräsentiert die hier <strong>an</strong>alysierte Auswahl von Rom<strong>an</strong>en undErzählungen das Ergebnis von politik- und ideologiegesteuerter Literatur, <strong>der</strong>en Inhaltejedoch nicht zw<strong>an</strong>gsläufig alle<strong>in</strong> historischer Legendenbildung dienten, son<strong>der</strong>n stets auchhistorische Realitäten – wenngleich auch mit welt<strong>an</strong>schaulicher Färbung – ver- jaaufarbeiteten wollte. Günter de Bruyn hat die Entstehung e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>art ambivalenten Literaturmit <strong>der</strong> folgenden rückblickenden Bemerkung nüchtern kommentiert: <strong>in</strong> <strong>der</strong> DDR „über <strong>Krieg</strong>und Nachkrieg zu schreiben, war <strong>in</strong> den fünfziger und sechziger Jahren, wenn m<strong>an</strong> gedrucktwerden wollte, nur mit Verschweigen und Lügen möglich.“ 367

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