02-2011 · EXPERTEN-TALK 15Anlagenprüfung geführt werden. Wenn nurein oder zwei so weit kommen, kann keinaussagekräftiges Bild über den Zuchtwertder Elterntiere gewonnen werden.Hofterheide: Entschuldigen Sie, aber wirZüchter wünschen immer, dass sich die gutenAnlagen der Elterntiere an ihre Welpenvererben. Was die reinen Anlagen betrifftbin ich allerdings der Meinung, dass ein begabterHundeführer auch einen weniger gutveranlagten Hund erfolgreich auf Prüfungenführen kann. Insofern sind für mich bestandeneJagdprüfungen nicht das wichtigsteKriterium für eine gute Zucht. Ich legeWert auf Führigkeit und diese Anlagenkann ich auch bei anderen Arbeiten mitdem Hund erkennen und bewerten.<strong>Fichtlmeier</strong>: Wenn ein Züchter in einemWelpen die Tendenz erkennt, dass er fürden Jagdbetrieb ungeeignet ist, kann ermeinetwegen auch an Privathalter abgebenwerden. Du kannst sehr früh erkennen, wasfür ein Tier das ist, ob er stark auf Beutegeht oder sich lieber im Hintergrund hält.Hofterheide: Die Leute wollen sich ihreHunde aber selbst aussuchen und nichtvom Züchter zugeteilt bekommen.Hollmichel: Bestimmte Anlagen sind angewölft*,wie zum Beispiel die Nasenleistungoder der Spurwille*, diese Fähigkeiten gehenfür die Arbeit in Wald und Feld verloren.In solchen Fällen plädiere ich für einegetrennte Zuchtlinie, damit ich mir als JägerHunde ganz gezielt aus einer jagdlichenZucht aussuchen kann.Schmidt-Körby: Der JGHV beobachtet aufmerksamdie Entwicklung, dass zunehmendJagdhunde als Familienhunde gehalten werden.Wir könnten uns vorstellen, dassJagdhundezuchtvereine mit vielen Nichtjägernin ihren Zuchtbüchern Familienhund-Liniengetrennt von jagdlichenZuchtlinien führen.<strong>Fichtlmeier</strong>: Den Hunden muss eine Einsatzmöglichkeitfür ihre Fähigkeiten gebotenwerden. Das Problem: Der Welpe wirdintensiv bespast, doch wenn er das welpenhafteverloren hat, verlieren viele Besitzerdas Interesse am Tier. Hunde zeigen daraufhinentweder das „Zwingersyndrom“, heißt,sie geben auf und sehen mit 1.5 Jahren wieHundegreise aus. Sie verlieren das Interesse„Retriever können auch vonNichtjägern gehalten werden.Die Möglichkeiten zur sinnvollenBeschäftigung sindfür unsere Multitalente vielfältig.Der Jagdschein alleinmacht noch keinen gutenHundeführer“.Veronika Hofterheidean ihrer Umwelt, verfallen in Lethargie. Anderezeigen Ersatzhandlungen, fangen anTüren zu zerkratzen oder suchen, wennman sie von der Leine lässt, nach einemAuslösereiz, verfolgen Spuren und kommenso irgendwann an Wild. Spätestens ab dannist das Jagen für den Hund selbstbelohnend.Halter brauchen ein Regelwerk, das erklärtwie man den Hund eng auf ein Ziel hinführt. Ansonsten bekommen Hund undHalter irgendwann Probleme.Schmidt-Körby: Das ist vorbehaltlos zu unterstützen.Wer einen Jagdhund besitzt,dem muss klar sein, dass der Hund leistungsbezogengefordert sein möchte.<strong>Fichtlmeier</strong>: Bei mir kann er Familienmitgliederfinden lernen; oder ein Spielzeugwird über den Boden geschleift und versteckt,so lernt er eine Spur zu verfolgen.Das sind Möglichkeiten den Hund auszulasten.Darüber verdient er sich sein Futter,und ich habe seine Aufmerksamkeit undbin interessant. Ich fördere dadurch dieKommunikation mit dem Hund. Sicher:das geht nicht mit jedem Jagdhund. Wennda einer hoch passioniert ist, habe ich einProblem. Aber ich würde sagen, dass man90 Prozent der geeigneten Jagdhunderassendamit auslasten kann. Die vermissen nichts!Stichwort: JagdtriebMITTLERWEILE HAT FAST JEDEHUNDESCHULE EIN „ANTI<strong>JAGD</strong>TRAINING FÜR <strong>IM</strong> PRO-GRAMM. HILFT DAS?<strong>Fichtlmeier</strong>: Das ist eher ein „Antilaufnichtwegtraining“bei dem Trainer vorgaukeln,dass man Hunde durch Umlenkenvom Jagen abhalten kann. Aber einem passioniertenJäger kann ich nicht sagen: dasignorieren wir, da lenken wir mit einemQuietscherl von der Hasenspur ab. Dasfunktioniert nicht.Alsen: Diese Halter erkennen wenigstensdas Problem und tun etwas gegen das unerwünschteJagen ihres Hundes. Andere lassenweiter laufen, ohne zu wissen, dass ihrHund ein Reh – auch wenn er es nicht bekommt– in extreme Lebensgefahr bringt.Der Grund: Die letzten Winter waren hart,für Wild eine echte Durststrecke. Um Kraftzu sparen, fahren Rehe in kalten Zeiten ihreKörperenergie auf ein Drittel herunter. JedeFlucht vorm Hund schwächt sie ungemein.<strong>Fichtlmeier</strong>: Wir müssen dem Hund paralleletwas bieten, das seinen Anlagen gerechtwird, gute Dummy- oder Nasenarbeit beispielsweise.Dazu brauchen solche Hundein der Erziehung einen klaren, engen Rahmenvon Welpenbeinen an. Jedes Jagenmuss konsequent abgestraft werden. DiesesVerbot muss ich deutlich kommunizieren!Und ihm im Gegenzug etwas bieten, dasihn beschäftigt und gerecht auslastet.Alsen: Manche Leute fordern in diesem Zusammenhangsogar eine Ausbildung zumJagdgebrauchshund für alle Rassen.Hofterheide: Davon halte ich nichts. Hunde,die nie zur Jagd geführt werden, solltennicht an kaltes Wild* herangebracht werden.Da gibt es genügend andere Möglichkeiteneinen Hund anders auszulasten.<strong>Fichtlmeier</strong>: Ich finde es problematischwenn man Menschen, nur weil sie einenJagdhund haben motiviert: mach doch eineJagdhund-Ausbildung mit deinem Hund!„Die meisten Hunde werdenheute als Frührentner alsArbeitslose geführt! Die braucheneine Einsatzmöglichkeitgemäß ihren Fähigkeiten,damit sie für den Familienalltagausgelastet sind.“<strong>Anton</strong> <strong>Fichtlmeier</strong>Denn wenn diese Tiere in Kontakt mit Wildgebracht werden, wird es oft erst problematisch,weil der Hund hier in seinen Instinktenausgelöst wird. Deshalb können vieleHalter nach der Jagdhundeausbildung ihreHunde gar nicht mehr kontrollieren.Stichwort: Hunde abhärtenAUF DEM LAND SIEHT MAN<strong>JAGD</strong>HUNDE, DIE GANZJÄHRIG<strong>IM</strong> ZWINGER GEHALTEN WER-DEN. SIND HUNDE FÜR JÄGERDOCH EHER SPORTGERÄT ALSTREUER FAMILIENPARTNER?Schmidt-Körby: Diese Beobachtung ist nurmit Einschränkungen zu bestätigen undwird in Jägerkreisen kritisiert. Für die meistenJäger ist der Jagdhund heute ein Jagdbegleiter,der selbstverständlich den sozialenFamilienanschluss braucht und bekommt.Trotzdem sollte jeder Jagdhund temporärim Zwinger gehalten werden, aber nichtausschließlich. Der Grund: Er muss besondersgesund, widerstandsfähig und imchen Anforderungen gewachsen ist.Hollmichel: Auch ein Jagdhund brauchtden regelmäßigen sozialen Kontakt, letztlichauch um die notwendige Bindung aufzubauen.Mein Jagdterrier ist überwiegend imHaus und dort ein verschmustes Familienmitglied.Aber sobald es nach draußen insRevier geht, interessiert ihn nur noch dieJagd. Damit er für die Arbeit ausreichendabgehärtet ist, kommt er am Nachmittag beijeder Witterung für ein paar Stunden in einenüberdachten Zwinger mit großzügigemFreiauslauf. Eine ausschließliche Zwingerhaltungkommt für mich nicht in Frage.Stichwort: üble MethodenUNTER JÄGERN WIRD BISWEI-LEN ZUR AUSBILDUNG UNTERZWANG MIT E-REIZGERÄTEN*ODER DEM APPORTIERTISCH*GERATEN. WOZU DIESE QUAL?Alsen: Das hat mit viel tradiertem Gedankengutzu tun. Einige Jäger sind relativ hilfloswas die Ausbildung ihres Hundes angeht.Und was machen viele Menschen,wenn sie hilflos sind? Dann hauen sie drauf.Andere aber geben sich wahnsinnig vielMühe und suchen nach dem besten Weg fürsich und ihren Hund. Es ist wohl eine Fragedes Glücks, an welchen Ausbilder man alsJungjäger mit seinem Hund gerät.Schmidt-Körby: Ich bin kein Freund vonE-Reizgeräten. Wenn ein Junghund in seinerEntwicklung einer unsachgemäßen Behandlungmit diesem Gerät unterzogenwurde, ist das auf einer Anlagenprüfung(siehe Kasten, Seite 000) zu erkennen. DerGehorsam überbrückt dann wichtige jagdlicheAnlagen, die es für die Zuchtwertschätzungzu erkennen und zu bewerten gilt. Unverzichtbaraber sind verantwortungsvolleingesetzte und auf größere Entfernung wirkendeAusbildungshilfen immer dann,wenn ein Jagdhund auf große Entfernungenbei selbstständiger Arbeit unerwünschteVerhaltensweisen zeigt, die dem Jagdbetriebnicht dienlich sind oder ihn gar gefährden.<strong>Fichtlmeier</strong>: Die Anwendung von Reizstromgeräteund Apportiertisch ist heuteHaarkleid robust sein, damit er den jagdli- *) Erklärung siehe Kasten Seite 000