13.07.2015 Aufrufe

Silke Gersdorf - "Der Junge am Fluss"

Silke Gersdorf - "Der Junge am Fluss"

Silke Gersdorf - "Der Junge am Fluss"

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

men. Sie waren Musiker. Yves, Sturm, die anderen beiden, der Bassist, derSchlagzeuger. Sie wollten Musik machen, ihre Musik, das, wonach ihnender Sinn stand. Mit dem Sinn konnte sich auch die Musik ändern. Durfte.Musste. Künstler waren sie und keine Militärkapelle, deren Märscheeinzig dem Zweck dienten, Soldaten anzufeuern. Oder doch. Märschefür langhaarige Soldaten in Corduniform, die für den Frieden kifften; derSoundtrack einer Revolution, die nie k<strong>am</strong>; ihre Handschrift an der Wand,weggewischt vom feisten Hausmeister Kiesinger. Bloß, dass eine Militärkapellebezahlt wurde.Immerhin, der Kapitalismus war nicht nachtragend. Er verzieh seinenFeinden, wenn sie die Waffen niederlegten und sich einreihten. So wieSturm. Die Freunde waren es, die nicht vergaben. Verräter war letztlichnur ein Wort, das man überhören konnte. Unverkaufte Platten Tatsachen,die den Kühlschrank leerten.Sturm stand auf. „Was trinken?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ging eraus der Küche.„Wo willst du hin?“„Na, was zu trinken holen.“„Hast du nix hier?“„Yves, denk nach. Vicky wohnt auch hier. In der Küche würd er’s wohl alserstes finden.“Yves sah Sturms sich entfernendem Rücken hinterher. Er dachte an seinenKofferraum. Seine Kehle wurde trocken. Er sprang auf, folgte Sturm inden Flur. „Warte!“ Sein Herz schlug wie in der Schule nach dem Dauerlauf,er immer einer der ersten, d<strong>am</strong>als. „Ich . . . hab . . . was mitgebracht.“„Was zu trinken?“ Sturm stand <strong>am</strong> Ende des Flurs, das Gesicht im Dunkeln.„Im Auto.“„Was zu trinken?“Yves hasste Sturm dafür, dass er die Frage ein zweites Mal stellte. „ImKofferraum. Ist offen.“ Er wollte nicht selber gehen.Er musste nicht. Sturm hatte sich bereits auf den Weg gemacht.Yves setzte sich zurück in die Küche. Durch das offene Fenster hörte erSturms Schritte, das Quietschen des Kofferraums, das Klimpern der Flaschen.Seine Hand griff nach einem der auf dem Tisch herum liegendenBlätter, überflog es, eine Mahnung, adressiert an Daniel Lindhoff. Yvesfragte sich, was die Rechnung eines Fremden in Sturms Küche zu suchenhatte, dann fiel es ihm ein.Daniel. Sturms wirklicher N<strong>am</strong>e war Yves in den dreißig Jahren ihrer

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!