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„25 Jahre offene Werkstatt“, ernst Posch - Steiermarkhof

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Ein leicht verschwommener Dialog – Offene Werkstatt GrazErnst <strong>Posch</strong>[Leiter derOffenen Werkstatt]An einem späten Nachmittag im Maistehen ein älterer und ein jüngerer Maleran der Bushaltestelle und warten aufden Sonderbus, der zum <strong>Steiermarkhof</strong>fährt. Der Bus kommt nicht und die zweiMänner kommen ins Gespräch. Das Gesprächentwickelt sich über das Einfacheund das Schwere in der Kunst und über dieOffenheit in der Kunst .Am Anfang ist die Malerei, ist die Kunsteinfach.Es ist einfach, weil man unbeeinflusstvon Normen, Gesetzen und VorschriftenFarben auf das Papier zu klecksen beginnt,das Ganze zu einem Bild mit Blumen in einerVase vermischt, und man ist erstaunt,was für ein gut gelungenes Kunstwerkman soeben erschaffen hat. Es entstehenspontane, sehr oft tolle Bilder, weil manoffen ist für alles Neue und die Vielfaltder Farbe – etwa so wie Kinder, die Bildermalen, sie tun es aus Freude an der Sacheselbst, erwarten weder eine Bewertungnoch eine Belohnung für das Werk. Unbefangenund vorurteilsfrei entstehen Werkevon beeindruckender Kraft, spürbarer Fröhlichkeitoder Melancholie, die immer offenund ehrlich sind.Der andere Maler antwortet darauf …Es ist nicht einfach, weil das Schwere inder Malerei erst nach den Anfangserfolgensichtbar wird. Man erreicht eine Grenze,bei vielen geht das recht schnell, einigeerreichen diese Grenze erst nach Monatenoder <strong>Jahre</strong>n. Zwar beherrscht man das Erreichtegut oder sogar sehr gut, weiß aberdarüber hinaus nicht weiter. Sich auf dieZufälle im Schaffensprozess zu verlassen,ist dann zu wenig, um weiterhin Freude ander Sache zu haben. Picasso sagte, er habeein Leben lang gebraucht, um wieder einKind zu werden – manche Leute meinen,dass er sich seine Kindlichkeit währendseines ganzen Lebens bewahrt habe.Der andere Maler antwortet darauf …Es ist nicht schwierig, weil das Einfacheund der Zufall des Entstehens durch oftmaligesWiederholen steuerbar werden unddadurch die ersten zielgerichteten Bilderentstehen. Der eigene Stil entwickelt sichsehr langsam. Wichtig ist, dass die Freudean der Malerei in den schwierigen Phasenerhalten bleibt und dass die Vorstellung mitdem Ergebnis größtenteils übereinstimmt.Ein erwähnenswertes Beispiel ist dasWerk von Giselbert Hoke, welcher ohneden Versuch, die Natur so naturgetreu wiemöglich abzubilden, ausgekommen ist undder Vorstellungskraft des Betrachters großenSpielraum zugesteht. Dies verleiht seinenBildern große Mystik und Leichtigkeit,Abstraktion in Perfektion.Der andere Maler antwortet darauf …Es ist nicht einfach, weil das Schwereim Kopf liegt, und man verliert die Offenheit.Je nach individueller Ausprägungund persönlicher Biographie können Versagensängste,Konkurrenzdenken, Leistungsdruckvon außen und/oder innen, zuhochgesteckte Ziele, passive Kritikunfähigkeit,negative Erinnerungen an unangebrachtnegativer Beurteilung durch alsAutoritäten anerkannte Personen und denoft kontra-kreativen Schulunterricht sehrhemmend wirken. Das wahrlich Mühevolleist der tägliche Kampf mit sich selbst undseiner individuellen Vergangenheit.Der andere Maler antwortet darauf …Es ist nicht schwierig, weil das Einfachein der Gruppe mit anderen, mit gleichgesinntenKünstlern liegt und man sich traut,Neues über das bereits Erlernte hinaus zubeginnen, neue Experimente, neue Inhalte,neue Betrachtungsweisen, neue Farben... Und wieder beginnt, Farben auf dasPapier zu klecksen ...Der andere Maler antwortet darauf …Es ist nicht einfach, weil das Schweredas Loslassen des gut beherrschten Bildgestaltensist, und man unsicher ist, ob dasentstandene Bild auch was darstellt, dennoftmals überschätzt man sich selbst ...Der andere Maler antwortet darauf …Es ist nicht schwierig, weil das Einfachein der Malerei ist die Regel, dass einfachalles erlaubt ist, und alles richtig ist, waseinem selbst gefällt. Weiters ist es sehrwichtig, mit <strong>offene</strong>n Augen die Umwelt zubetrachten und nicht nur abzubilden, sondernwie ein Kind offen und neugierig zumalen …Ein kleiner Bus fährt in die Haltestelle ein,Brigitte und Veronika sitzen in der erstenReihe, Gerhard winkt mit neuen Bildernvon der letzten Reihe, Heidi, Gerti und Helgaerzählen Witze, Gerdi sitzt mit einer großenZeichenmappe in der vorletzten Reihe,Carmen denkt an Paris und Anita freut sichauf das Malen. Irene, Elisabeth und Sandralachen unbekümmert über den Busfahrer,Franzi steht neben dem Busfahrer, Elfi wirdheute Trachtenbilder malen und Christa Bilderfertigstellen, die sie vorigen Dienstagangefangen hat, Renate hat eine selbst gemachteIkone bei sich und der Busfahrer,auch ein Maler, ruft fröhlich: „Bitte alleseinsteigen, wir fahren zur Offenen Werkstatt.“– Hans redet gerade mit GiselbertHoke und wartet im <strong>Steiermarkhof</strong> auf uns... Unser Hund bellt, ich springe aus meinemBett und Doris macht das Frühstück.Es ist Dienstag und um 18 Uhr beginntmeine Offene Werkstatt, danach gehenwir wie immer zum Lindenwirt und essendort gut ...Ernst <strong>Posch</strong>8 9

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