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Tradewind Atoll

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■ TEST & TECHNIKsegelntestAh, toll!Schöner segeln: Die <strong>Tradewind</strong> <strong>Atoll</strong>ist knuffig und gemütlich. Das derkleine Gaffelkutter auch ansprechendsegelt, davon konntesich Thorsten Höge (Textund Fotos) bei einem Testüberzeugen<strong>Tradewind</strong> <strong>Atoll</strong>➤ Testrevier: Enkhuizen, Ijsselmeer➤ Testbedingungen: 10 bis 12 Knoten Wind,keine Welle➤ Das Konzept: Retro-Gaffelkutter➤ Der Preis: ab 115.000 EuroBreites Laufdeck, geschütztes Cockpit:Die <strong>Atoll</strong> ist voll Starkwind-tauglichSegler sind ein merkwürdigesVolk. Mit missionarischemEifer diskutierensie am Steg Vorzügeund Nachteile jedes anlegendenQuarkbechers, vergleichen ausdauernddie See-Eigenschafteneiner schwimmenden Holzhandlungmit Langkiel gegenden Kohle-Renner, der geradean Schlengel C festmacht. Nurmanchmal, da schweigen fastalle, nicken wohlgefällig in dieRichtung des Neuankömmlingsund brummen ein „Ganz nett“vor sich hin. Das bedeutet eingewisses Maß an Anerkennung.Die <strong>Tradewind</strong> <strong>Atoll</strong> dürfte soein Fall sein.Retro-SchickDenn irgendwie vereint eineRetroyacht wie die <strong>Atoll</strong> dieGemüter. Rumpf und Deck ausGFK, da kann kein potenziellerKlassiker-Kapitän über allzuviel Lackier-Arbeit meckern.Die klassischen, knuffigen Formenberuhigen das Auge desHolz-Enthusiasten. Und auf denersten Blick sieht die kleineGroße so aus, als könne sie eineMenge Wind vertragen. Alsoalle zufrieden.Aber wie steht es mit denSegelleistungen eines solchenGaffelkutters? Zugegeben: Nochbei der Abfahrt zum Testenüberlegen wir, das Hand-GPSfür Geschwindigkeits-Messungenzuhause zu lassen. Schließlichgeht es hier um gemütlichesSchippern und nicht um denletzten Zehntel-Knoten.Breitschultrig steht AustinW.J. Lion am Steg und fängtfröhlich grinsend gleich alserstes an, von einer Klassiker-Regatta am Vortag zu erzählen,bei der der Hüne die Konkurrenzin Grund und Boden segelte.Schnell überdenken wir dasmit dem GPS nochmal… Lion,Bootsbauer, Werft-Inhaber undVater der <strong>Atoll</strong> in einem, fackeltnicht lange und wirft die Leinenlos.Kaum aus dem Hafen vonEnkhuizen ausgelaufen, schaltetLion den Diesel ab und holtdas Groß hoch. Das geht fix.Die Steilgaffel wiegt bei dieserBootsgröße noch nicht so viel,das nicht eine Person alleine sieden Mast hoch bekommt. DasTopsegel steht ebenfalls schnell.Klüver und Fock lassen sichdank Rollanlagen aus dem ➣24 segeln 8/20058/2005 segeln 25


■ TEST & TECHNIKCockpit heraus setzen. Zwarbesitzt die <strong>Atoll</strong> als schönesDetail eine klassische Nagelbankam Mastfuß, jedoch ließensich auch die Fallen nach achternführen, so dass die Crewdas sichere Cockpit eigentlichnicht verlassen muß.Und dann segelt die <strong>Atoll</strong>erstaunlich agil los – immerhinbringt das kleine Boot fast fünfTonnen auf die Waage, mit derzur Verfügung stehenden Segelflächeist es nicht gerade üppigbestückt (das erste Reff solltebei fünf bis sechs Beaufort eingebundenwerden). Vor allemauf Raumschotskursen und vordem Wind spielt ein GaffelgetakeltesBoot seine Stärken aus.Bis zu sechs Knoten loggen wirin der Spitze. Damit hält die<strong>Atoll</strong> mit jedem modernen Bootgleicher Größe mit.Ein Kreuz an der KreuzSo schön ein Gaffelkutterraumschots rennt, soviel mehrGeduld muss an der Kreuz aufgewendetwerden. Die <strong>Atoll</strong>erreicht einen Wendewinkel vonungefähr 105 Grad, bei mehrWind vielleicht 100. Das sind20 Grad mehr als ein modernerKurzkieler. Aber. Wer will miteinem solchen Boot frei nachsegelntestVolles Groß, Klüver, Fock – die gaffelgetaktelte <strong>Atoll</strong> segelt sich sicher und einfach26 segeln 8/2005dem Motto „Gentlemen don’tgo upwind“ (Gentlemen kreuzennicht) schon unbedingt denbeschwerlichen Kurs wählen.Der kurze Mast des Gaffelriggsbedarf Backstagen, die beijeder Wende oder Halse bedientwerden müssen. Ein klassischerLangkieler wie die <strong>Atoll</strong> weistüblicherweise bei mehr Windeinen stärkeren Ruderdruck auf.Anders als bei Ruder an einemkurzen Skeg oder sogarfreischwebenden Ruderblätternlässt sich die Konstruktion wenigerstark vorbalancieren. Entsprechendmuss der Steuermannkräftig arbeiten, wenn er Kurswechselvornehmen will. Dafürhat der Langkieler den Vorteil,richtig getrimmt, lange schnurstracksgeradeaus zu laufen,ohne das die Pinne überhauptangefasst werden muss.Wer glaubt, ein gaffelgetakeltesBoot käme ohne viel Trimmaus, irrt. Durch Ansetzen derSteilgaffel lässt sich das Großzum Beispiel flacher ziehen,Holepunkte der Vorsegel könnengenau wie bei einer Slupverstellt werden. Austin Lionhat sich sogar einen Unterliekstreckerfür das Groß eingebaut.Wir werfen den Diesel an undmotoren in den Hafen. Klar, dasdiese Art Boot einen deutlichgrößeren Drehkreis hat als einmoderner Kurzkieler. Dafür vertreibtdas Boot weniger.Omas KücheIm Hafen steigen wir endlichunter Deck. Schon auf dem Ijsselmeerlugten wir ständig denNiedergang in diese gemütlicheKajüte herab. „Very british“ istdas erste, was uns zu diesem Stileinfällt. Alles glänzt in gediegenemHolz, jedes Detail sieht soaus, als entstamme es einerfrüheren Epoche. Die Pantryerinnert ein wenig an OmasKüche: Mit Original Taylor-Petroleumherd, viel Messingund Mahagoni. Das WC fällt fürein Boot dieser Größe sehransprechend aus, Vorschiff, Lotsenkojenund Salonkojen sindzwar alle recht kurz, aber sehrbequem.Der kleine Kutter ist ausgesprochensolide gebaut. Vollaminataus GFK im Rumpf, dasDeck mit Balsa-Sandwich,Rumpf und Deck sind nicht nurmit drei Lagen zusammenlaminiert,sondern zusätzlich verbolzt.Alle Schotten weisenenorme Stärken von 18 Millimeterauf und das Wrangen-System ist wirklich kräftig.Unser Testboot ist bereits dreiJahre alt und einige tausendMeilen gesegelt – man sieht esihm nicht an.Ansehen kann man der <strong>Atoll</strong>dafür die Klasse – da dürfte esam Steg tatsächlich nicht viel zumeckern geben.Wie ein edler britischer Rennwagen: Unter Deck begeistert die <strong>Atoll</strong>. Mahagoni, Petroleum-Ofenund Heizung, Glasschranktüren … die kleineYacht hat Platz wie ein wesentlich größeres Boot<strong>Atoll</strong>GEMESSEN UND GETESTETDesign:John RockCE-Konstruktionsklasse: ALüA:9,14 mLüDeck:7,62 mBüa:3,00 mTiefgang:1,25 mGewicht:4.673 kgBallast:2.032 kgRigg:GaffelriggGroß: 20,6 m 2Klüver: 10,6 m 2Kojenzahl: 5Motor: Yanmar 2GM20 Dieselmotormit 1 kw(18 PS), WelleDiesel:60 lTrinkwasser:140 lGrundpreis: ab ca. 115.000 EuroGeschwindigkeitAm Wind (50°)5,9 KnHalbwind5,5 KnRaumschots (135°) 5,2 KnVor dem Wind4,8 KnWendewinkel: 105 GradMotorvollkreis (in Marschfahrt):29 Sek., 2,5 BootslängenFahrt in Volllast (3300 upm) 6 knMarschfahrt (2200 upm) 5,0 knStehhöhen:Unter Salon1,89 mWC1,64 mKojenmaße:Salon Stb L 1,93 m; B Schulter 0,51;B Fußende 0,53 mSalon Bbd L 1,95 m; B Schulter 0,50;B Fußende 0,23 mVorschiff L 1,90 m; B Schulter 1,50;B Fußende 0,29 mSalon Bbd L 1,87 m; B Schulter 0,47;B Fußende 0,42 mVORBILDLICH● sehr geschütztes Cockpit● breites Laufdeck, etwas angeschrägt,so dass es bei Lage nahezuwaagerecht wird● sehr kräftige Scheuerleiste● Der Eigner hat viel Einfluss auf denAusbau● vertieftes Vordeck für sehr sicheresArbeiten vorn● Glasprismen im Aufbau sorgen fürLicht unter Deck● sehr viel Stauraum, großer Ölzeugschrank● leicht wegnehmbarer Klüverbaum● sehr solide Bauweise● schöne Details, wie beispielsweiseLaternenbretter in den Wanten Die Pantry hat viel Stauraum und ist mit einem Taylor-Petroleumherd ausgerüstet.Wer will, bekommt auch einen modernen Gasherd, eine Aufnahme für die Flasche istim Cockpit vorgesehen. Steuerbords des Niedergangsfindet sich ein kleiner Kartentisch,der die Stufen des Niedergangs alsSitz nutzt. Der Tisch ist ausreichendgroß, alle Instrumente finden Platz. Die <strong>Atoll</strong> besitzt eine ausziehbareLotsenkoje, die auf See zumSchlafen dienen kann. Leider fälltdiese recht schmal und kurz aus.BEWERTUNGEN(in Punkten von 1 bis 5)SegelspaßAm-Wind•••Halbwind und Raumschots •••••Leichtwind••••Starkwind•••••Handling••••Die Bewertung muss im Vergleich zumodernen Fahrtenyachten gesehenwerden. Für ein Boot dieses Typs sinddie Segeleigenschaften rundum gutWohnen:Kojen Vorschiff•••Pantry•••••Komfort••••Stauraum•••••Auf See•••••Zur Abwertung führten: kurze Kojen.Ausstattung:Beschläge•••••Rigg & Segel•••••Unter Deck•••••++ Der WC-Raum im Vorschiffbesitzt einen sehr großenÖlzeugschrank, der einenAblauf in die tiefe Bilge hat.LAUTSTÄRKE-MESSUNGENADRESSENleise angenehm lautCockpit 70 dBSalon 72 dBAchterkajüte nicht v.Vorschiff 62 dB60 dB 70 dB 80 dBWerft: Lion Classic Boats, AustinW. J. Lion, Walsoordenstraat11a, 4588 KA Walsoorden,Niederlande, Tel. 0031-1146 81 127, www.lionclassicboats.comDer Motorraum ist groß und gutzugänglich. Der eingebaute Yanmarreicht von der Leistung aus. UnterMaschine dreht der Langkieleranders als ein moderner Kurzkieler.Aber die <strong>Atoll</strong> bietet dafür andereVorzüge.VERBESSERUNGSWÜRDIG● viel Ruderdruck● auf dem Testboot war die Kojenlängenicht ausreichend. Künftigwird die Nasszelle umgestaltet, dieVorschiffskojen werden so 20 Zentimeterlänger–FAZITEin traumhafter Gaffelkutter, derseinen Wert über lange Jahre alskünftigerKlassiker noch steigernkann. Die Bewertungen in SachenSegelspaß und Komfort passennicht in das übliche Raster modernerFahrtenyachten. Schließlichsegelt man ein traditionellesSchiff, für das andere Kriteriengelten. Höhe am Wind ist auf solchenSchiffen sekundär.■8/2005 segeln 27

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