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Balancer Nr. 4/2012

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Vor den Vorhang / 03Nichts über unsDie ÖAR-SelbstvertreterInnenVon Helga Hieblohne uns!Seit zwei Jahren hat sichim Rahmen des Dach verbandsder ÖAR (ÖsterreichischeArbeitsgemeinschaft fürRehabilitation) eineösterreichweite Plattformvon SelbstvertreterInnenmit Lernschwierigkeitengebildet.Die Plattform ist ein Zusammenschlussvon SelbstvertreterInnen,UnterstützerInnenund FunktionärInnen vonOrganisationen. Alle zweiMonate gibt es ein Treffen inden Räumen der ÖAR. In Zukunftsollen die notwendigenorganisatorischen Aufgabenimmer mehr von den SelbstvertreterInnenselbst übernommenwerden.Demo SelbstvertreterInnen, 03.12.<strong>2012</strong>, Wien Westbahnhof. Foto: H.HieblKontakt:Österreichische Arbeitsgemeinschaftfür Rehabilitation (ÖAR)Dachorganisation derBehindertenverbände Österreichs1010 WienStubenring 2/1/4E-Mail: dachverband@oear.or.atTel.: +43 1 5131533Fax: +43 1 5131533-150Die Ziele und Aufgaben im eigenen Wortlaut der SelbstvertreterInnen:› Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen vertreten indieser Plattform ihre Interessen selbst.› Wir besprechen Probleme und stellen Forderungen.› Die Öffentlichkeit soll von uns erfahren, was wir wollen und was wirnicht wollen.› Wir wollen mit der ÖAR zusammenarbeiten.› Wir wollen in Zukunft auch mit anderen SelbstvertreterInnen zusammenarbeiten.› Wir organisieren Aktivitäten, damit unsere Anliegen gehört werden.› Wir wollen in aktuellen politischen Diskussionen wahrgenommen werden,mitsprechen können und ernst genommen werden.› Wir wissen selbst, was gut für uns ist.Foto: BALANCE / H. HieblBALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


BALANCE Intern / 05Kommentar der ObfrauSonderschulen diskriminierenein Leben langWoran scheitert es?Im Nationalen Aktionsplansteht im Kapitel über Bildung, dassein inklusives Bildungssystem angestrebtwerde. Das klingt soweit ganzgut, wenn man von der Tatsache absieht,dass offensichtlich kein ernsthafterpolitischer Wille vorhanden ist,an dem derzeitigen separierendenSchulsystem etwas zu ändern. ImGegenteil, es gibt sogar Pläne, neueSonderschulen zu errichten.Bereits das zweite Mal, zuerstim April und dann im Oktober desheurigen Jahres, hielt der Monitoringausschusszu diesem Thema eineöffentliche Sitzung ab, da kein Fortschrittin der Umsetzung auszumachenwar. Die von zahlreichen ExpertInnenbestätigten Fakten, dass derBesuch von Sonderschulen die Chancenauf ein selbstständiges Lebenextrem reduziert, diskriminierendenCharakter habt und für die Gesellschaftaußerdem teurer in der Erhaltungkommt, sind scheinbar keinGrund für die Ministerin, endlicheffektive Maßnahmen zu ergreifen.Einmal in der Sonderschule, istder Weg abseits der Gesellschaftmeist vorgezeichnet. Er führt nurallzu oft in separierte Beschäftigungssituationenwie geschützteWerkstätten, Tagesstrukturen oderTagesstätten. Dort gibt es zwar Bemühungenzur Reintegration in denArbeitsmarkt, es stellt sich aber dieFrage, warum separiere ich zuerstMenschen, um sie dann viel späterwieder mit großem Aufwand zu reintegrieren?Die Aussagen von Kurt Nekula, Sektionschefim Unterrichtsministerium bei der 2. öffentlichenSitzung des Monitoringausschusses imOktober, zeigten ein entlarvendes Bild. Demnachsei lediglich die Schaffung inklusiver Regionenvorgesehen, ohne Verpflichtung, freiwillig sozusagen.Dieses Statement führte zu zahlreichenerzürnten Wortmeldungen von Betroffenen undselbst die sonst so besonnene Vorsitzende desAusschusses Marianne Schulze ließ sich zu einerungewohnt heftigen Wortmeldung hinreißen, inder sie feststellte, dass es sicherlich nicht ausreiche,bei der Erfüllung von Menschenrechten aufFreiwilligkeit zu hoffen. Der Gesetzgeber habehier einen klaren Auftrag und könne sich dahernicht aus der Verantwortung stehlen.„Jahrelange Erfahrungen in vielen LändernEuropas und zahlreiche gute Erfahrungen mitinklusiven Schulmodellen in Österreich zeigen,die Zeit ist reif, Sonderschulen nun endlich abzuschaffen!“So argumentierten die meisten TeilnehmerInnen.Diesem Urteil kann ich mich nur anschließen.Aus meiner früheren Tätigkeit im Unterrichtsministeriumweiß ich, wie lange schon inklusiveSchulmodelle geprobt werden. Es gibtkeinen vernünftigen Grund mehr, noch längerabzuwarten.Prof. Dr. Volker Schönwiese richtete bei derSitzung im Oktober sehr klare Worte an den Ministeriumsvertreterund schlug vor, dass ab demkommenden Schuljahr keine Kinder mehr in bestehendeSonderschulen aufgenommen werdensollten, damit könne man die Abschaffung diesesAuslaufmodells innerhalb von 8 Jahren erreichen.Studien, Erfahrungen aus der Praxis undLösungswege liegen auf dem Tisch, allein derpolitische Wille fehlt und so ist zu befürchten,dass noch weiteren Generationen von Kindernmit Behinderungen die Chance auf ein eigenständigesLeben genommen wird.MinRat Mag. Rotraut KopperFoto: A. Berger1984/85 begannen dieersten Schulversuchedes gemeinsamenUnterrichts von SchülerInnenmit und ohneBehinderung.1993 und 1996 wurdendie ersten schulischenIntegrationsgesetzeverabschiedet.2008 wurde das Völkerrechtzur Umsetzung derUN-Konvention über dieRechte von Menschenmit Behinderungen vonÖsterreich ratifiziert.Fotos: BALANCE / M. BrandlBALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


06 / BALANCE Intern – WohnenAlle wurden gerettet!Evakuierungsübung im WohnhausMaria Ponsee war erfolgreich!Von Kurt TrautsamwieserAm 06. Oktober <strong>2012</strong> fand einegroße Feuerwehrübung im WohnhausMaria Ponsee statt. Übungsannahme warein Zimmerbrand im 1. Stock, es galt dieanwesenden Bewohnerinnen zu evakuierenund zu retten. Drei Feuerwehren warenanwesend, insgesamt ca. 40 Mann,das Wohnhaus wurde vorher „eingenebelt“,sodass die Übung realitätsnah stattfindenkonnte.Die BewohnerInnen wurden vonmir bereits einen Tag vorher informiert,sodass sie die Möglichkeit hatten, aufoffene Fragen Antworten zu erhalten undetwaige Unklarheiten im Vorfeld ausgeräumtwerden konnten. Einige KlientInnenwollten nicht daran teilnehmen undhaben vor der Übung das Wohnhaus verlassen,sie besuchten das Kaffeehaus.Die anwesenden BewohnerInnen imWohnhaus wurden von der Feuerwehrmittels schweren Atemschutzes sowieunter großer körperlicher Anstrengungevakuiert und auf den Sammelplatz gebracht.Alle wurden gerettet!40 Mann probten die Rettung der BewohnerInnen im Brandfall.Foto: Freiwillige Feuerwehr Maria PonseeDie Übungsbeobachter unter derLeitung von AbschnittsfeuerwehrkommandantKarl Heinrich und BürgermeisterIng. Hermann Kühtreiber bedankten sichbei allen TeilnehmerInnen und gratuliertenzur sehr guten Abwicklung dieserpraxisnahen Übung.Als Dank für die erfolgreicheÜbung wurden die Feuerwehrmänner imNamen von BALANCE zu einer kleinenJause eingeladen, die im Hof der benachbartenTagesstätte konsumiert wurde.Herzlichen Dank auch an Erwin Bock (BA-LANCE-Mitarbeiter, Fahrtendienst), derdie Vorbereitungen mit den Feuerwehrenkoordiniert hatte.BALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


BALANCE Intern – Wohnen / 07Freudig präsentierten zwei BewohnerInnen, BALANCE Geschäftsführerin Marion Ondricek (li) und der Leiter des Standortes Maria Ponsee, Kurt Trautsamwieser (Mitte) die neueKüche den Gästen Franz Müllner (re) und zwei weiteren Mitarbeitern des Tullnerfelder Kulturvereins. Foto: A.BergerHurra, dieneueKüche ist da!Von Kurt TrautsamwieserIm Wohnhaus Maria Ponsee gibt es für dasErdgeschoß sowie das Obergeschoß jeweils eine eigenKüche. Die Küche im Parterre war in die Jahre gekommen,teilweise kaputt und schon ziemlich abgenützt.Franz Müllner vom Tullnerfelder Kulturvereinhat davon erfahren und wollte helfen. Im Rahmenvon „Licht ins Dunkel“ organisierte er im Rahmen desTullnerfelder Adventes mehrere Benefizveranstaltungenmit MusikerInnen und KabarettistInnen. Mit denEinnahmen konnte dann eine funkelnagelneue Leiner-Kücheangeschafft werden.Am Montag, den 3. September konnte ich gemeinsammit BALANCE Geschäftsführerin MarionOndricek unsere neue Küche in Empfang nehmen. Dieneue Küche ist nun bereits in täglicher Anwendungund durch die überwiegend barrierefreie Bauweisehaben die Bewohnerinnen die Möglichkeit auchselbst zu kochen bzw. aktiv mitzuhelfen.Vielen Dank an Franz Müllner und den TullnerfelderKulturverein, die mitgeholfen haben, dass diesesProjekt erfolgreich umgesetzt werden konnte!BALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


08 / Thema: Der Nationale AktionsplanWas bringt derNationale Aktionsplanfür Menschen, die inWohneinrichtungen leben?Von Andrej RubarthFotos: H. HieblDer Entwurf und der fertige PlanDer Nationale Aktionsplan ist die Reaktionder Regierung in Österreich auf dieUN-Konvention über die Rechte von Menschenmit Behinderung. Er beinhaltet 250Maßnahmen. Auf den Erstentwurf derRegierung im Dezember 2011 gab es vieleHinweise und Kritik von Menschen mit Behinderung,ihren Interessensvertretungenund auch von Leistungsanbietern.Der geänderte und fertige Aktionsplanvom Juli <strong>2012</strong> wurde dann von der ÖAR(Österreichische Arbeitsgemeinschaft fürRehabilitation) unter die Lupe genommen.Wir vom <strong>Balancer</strong> wollten wissen, welcheMaßnahmen der Aktionsplan enthält fürPersonen, die in Institutionen leben, z. B.in vollbetreuten Wohngemeinschaften.Martin Kopper (Redaktionsmitglied) undHarald Großmayer leben in der WohngemeinschaftBöckh. Sie haben sich mitAndrej Rubarth (Fachstelle Wohnen) dieMaßnahmen angeschaut.Wenn die Regierung will, muss dannauch ein Bundesland mitmachen?Es fällt auf, dass Unterstützung für Interessensvertretungenvon Menschen mit Behinderungaufgeweicht wurde. Es wurdehinzugefügt: nach Maßgabe der budgetärenMöglichkeiten. Das ist eine Ausredefür die Zukunft. Das meiste an Behindertenpolitikist Landessache. Das bringt die2. Ausrede. Die Regierung in Österreichwill keinen Druck auf die Bundesländerausüben, die Landesgesetze zu ändern.Damit wird deutlich, dass Veränderungennicht gerade gewünscht werden. DieMenschenrechte in der UN-Konventionhaben für die Regierung keine Priorität. Inden letzten Jahren hatten Milliarden Eurofür Banken, die sich verspekuliert hatten,sofortige und höchste Priorität.Eine Maßnahme ist, einen Monitoringausschussin jedem Bundesland einzurichten,der die Umsetzung der UN-Konventionüberwacht. Aber die Bundesländer habenviel Ausdauer, Gesetzesänderungen hinauszuzögernund sie müssen sich von derBundesregierung oder vom Parlamentnichts sagen lassen, was die Rechte vonMenschen mit Behinderung betrifft. Soist das mit der Verfassung und dem Menschenrechtin Österreich.Worauf es nicht ankommtDafür ist völlig unverständlich, warum diebarrierefreie Adaptierung einer ausreichendenZahl von Kinderbetreuungsplätzenfür Kinder mit Behinderungen einfachBALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


Thema: Der Nationale Aktionsplan / 09gestrichen wurde. Das ist ein Hinweisdarauf, dass die Regierung nicht in die Zukunftschaut. Chancengleichheit beginntin der Kindheit und Barrierefreiheit wurdeals Recht in der UN-Konvention unterschrieben.Warum werden Aktionen dazugestrichen und Überlegungen dazu nichtbeachtet? Weil es Bundesländersache ist.Aber die Bundesländer bewegen nichts.Wo ist der Wille der Regierung oder desParlaments erkennbar, Veränderungen fürdie Zukunft zu schaffen?Bewusstseinsbildung über die Situationvon Menschen mit Behinderung kommtoft vor, auch die Förderung bereits bestehenderUnterstützungs- und Beratungsstellen.Da muss man nichts verändern,da kann man wieder Ministerien beschäftigen.Warum wird nichts getan, damitMenschen mit Behinderung ihre Unterstützungsstellenleichter finden, die Informationbarrierefreier wird? Eine barrierefreieDatenbank. Wir haben noch nichtsgefunden, wie Menschen in Teilhabe undselbstgewählter Wohnform unterstütztwerden sollen, die in Vollbetreuung leben.Was wir finden: Auswertung statistischerDaten nach Geschlechtern – also mehr Arbeitfür die Ministerien – aber Streichungder Maßnahme für den Ausbau von Anlaufstellenfür Frauen mit Behinderung.Es gibt ein EU-Programm, das heißt AmbientAssisted Living – AAL. Das bedeutetunterstütztes Wohnen in der Umgebung.Das soll fortgeführt werden. Aber was tutÖsterreich dabei? Zuschauen, ausdrucken,in die Schublade legen? Wie wäre es mitPersönlichem Budget für kulturelle undsoziale Teilhabe und auch unterstützterErwerbsarbeit sowie dem Anspruch aufeine finanzierbare Mietwohnung?Im Nationalen Aktionsplan steht: Hilfeplanerhebungnach UN-Konvention fürPersonen mit Behinderung. Das wäre gut.Aber es geht hier nur um die Prüfung derEinrichtung einer gemeinsamen Untersuchungsstelle.Also da gibt es keinenWillen, das zu machen, sondern da wirduntersucht, ob gehen kann, was dringendnotwendig ist. Denn nur so lässt sich dieUN-Konvention umsetzen. Übrigens solldie Untersuchung bis 2020 stattgefundenhaben. Also viel Zeit, in der niemandetwas tun muss.Bei Menschenrechtsresolutionen im UN-Menschenrechtsrat will die Regierung mitarbeiten.Warum werden dann im eigenenLand wichtige Maßnahmen gestrichen?Die Rechtsordnung in Österreich solldurchforstet werden, ob dort diskriminie-BALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


10 / Thema: Der Nationale Aktionsplanrende Begriffe (Wörter) enthalten sind.Das ist gut. Es ist aber noch wichtiger,dass viele Gesetze überprüft werden, obsie die Umsetzung der UN-Konventionverhindern. Das fehlt allerdings im Aktionsplan.Das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz(BGStG) beinhaltet kein Klagsrecht.Eine Person mit Behinderung kann beiDiskriminierung nicht gerichtlich klagenund auch nicht die Aufhebung oder Unterlassungvon Diskriminierung durchsetzen.In Entwurf des Aktionsplanes vomDezember stand, dass das eingeführtwerden soll. Im fertigen Aktionsplan istnur von breit angelegter Diskussion dieRede. Wer hat in Österreich ein Interessean fortgesetzter Diskriminierung? Werhat es geschafft, die Verhinderung vonDiskriminierung zu verhindern?250 Maßnahmen und viele FragenDas Sachwalterrecht soll verändert werden.Menschen mit Behinderung sollensich daran beteiligen. Es soll ein Modellfür unterstützte Entscheidungsfindungerarbeitet werden. Das sind nützlicheMaßnahmen, weil sie die Selbstbestimmungvon Menschen mit Behinderung inGeldfragen und in Alltagsdingen stärken.Nachdem der Ausbau von Ausbildungenzum/zur GebärdensprachdolmetscherInzurückgenommen wurde und das Angebotvon GebärdendolmetscherInnen nurmehr nach budgetärer Möglichkeit zugelassenwerden soll, kommt folgendes:Unterstützung von Pilotprojekten unterEinbindung von SelbstvertreterInnen zumThema Barrierefreiheit als Initialzündungzur nachhaltigen Sensibilisierung. Wersoll das verstehen? Warum steht da nicht:In Projekten wird Barrierefreiheit unterEinbeziehung von Menschen mit Behinderungoder anderen Betroffenen geplant?Aber vielleicht kann das ja der Barrierefreiheitsbeauftragterichten, den oder diesoll es in jedem Ministerium geben.Es gibt auch gute Maßnahmen: Sozialversicherungfür Personen, die in einerBeschäftigungstherapie arbeiten. DiePflegegeldeinstufung soll auch durch Pflegefachkräftevorgenommen werden.Es soll die Anzahl der PflegegeldbezieherInnenkontrolliert werden und auch, wiesich die Stufen verteilen. Es steht nicht imAktionsplan, dass das Pflegegeld so erhöhtwird, dass es so viel Wert ist wie vor10 oder 15 Jahren. Es verliert nämlich durchdie Preissteigerungen ständig an Wert.Außerdem soll eine einheitliche medizinische(!) Begutachtungsstelle für Pension,BALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>Arbeitsmarktservice, Unfallversicherung,Pflegegeld, Behinderung und Sozialhilfeeingerichtet werden. Das ist ein sehrgroßer Rahmen, der Behinderung medizinischfestlegt, was aber noch nichts mitdem Leben der Person und mit Teilhabezu tun hat. Welche Mitbestimmungsrechtewird da eine Person mit Behinderunghaben?Gut ist, dass Lücken in der Finanzierungvon benötigten Hilfsmitteln für Menschenmit Behinderung geschlossen werdensollen.Selbstbestimmtes und unabhängigesLeben?Es gibt natürlich unter den 250 Maßnahmenviele fördernde Ideen zu Informationen,Gesundheit, Behindertensport,Kultur.Zum Thema Selbstbestimmung ist derRegierung klar, dass noch viele Personenin Wohn-und Pflegeeinrichtungen leben.Sie konnten und können nicht wählen, wound mit wem sie leben. Aber es gibt keineMaßnahme zum Artikel 19 der UN-Konvention.Für Menschen mit Behinderunggibt es bis 2020 keinen Weg zu selbstbestimmterund selbstgewählter Wohnform.So sieht das die Regierung.Es gibt keine verbesserten finanziellenMöglichkeiten, um als Person in Vollbetreuungverbesserte Teilhabe an Kulturund sozialem Leben in der Gemeinde zuerlangen. Es gibt keine Maßnahmen, diePersönliche Assistenz oder ein PersönlichesBudget vorantreiben.Da möchte Mensch fast ein bisschen mutloswerden.Zum Budgetentwurf der Regierung für2013 hat die ÖAR festgestellt: es kommenMenschen mit Behinderung nicht vor. Esgibt keinen Bezug zu Maßnahmen desAktionsplans. Zu Recht beschwert sichder Präsident der ÖAR, Dr. Klaus Voget,dass Menschen mit Behinderung nur zuAlibiaktionen benutzt werden. Fragen ja,machen nichts.StartpositionIn Wien kommt aber langsam Bewegungin die Sache. Der Monitoringausschussist eingerichtet. Die Stadträtin für Gesundheitund Soziales in Wien hat eineArbeitsgruppe beauftragt, ab sofortÜberlegungen anzustellen, wie in Wiendie UN-Konvention möglichst gut erfülltwerden kann. In dem Projekt arbeitenMenschen mit Behinderung, der Kostenträgerund Leistungsanbieter gemeinsam.Das ist ein Anfang.Fotos: H. Hiebl


Thema: Der Nationale Aktionsplan / 11Der Nationale Aktionsplan (NAP) –am Ziel vorbeiVon Helga Hiebl2008 hat Österreich einen völkerrechtlichenVertrag (UN-Konvention) unterschrieben,in dem wir uns als Nation verpflichtethaben, die Menschenrechte vonMenschen mit Behinderungen zu wahrenund Diskriminierungen abzuschaffen.Genau vor einem Jahr hat die Regierungeinen ersten Entwurf für einen konkretenAktionsplan vorgelegt, um die UN-Konventionumzusetzen. Die Endfassung wardann im Sommer <strong>2012</strong> fertig und wurdeam 24. Juli beschlossen.Menschen mit Behinderungen werden invielen Bereichen unserer Gesellschaft diskriminiert.Sie können nicht die gleichenSchulen oder Kindergärten wie alle anderenbesuchen, können bestimmte öffentlicheVerkehrsmittel oder Gebäude nichtnutzen, weil sie nicht barrierefrei sind,müssen in Sonderwerkstätten beschäftigtsein, wo sie für ihre Arbeit keinen Lohn,sondern nur ein Taschengeld erhalten undbekommen oft trotz bester Ausbildungkeine bezahlte Arbeit.Daher war es dringend notwendig, einenkonkreten Plan zu erstellen, mit welchenMitteln und in welcher Zeit man in deneinzelnen Bereichen die Gleichstellung vonMenschen mit Behinderungen erreichenwill.Die Erwartungen an den Nationalen Aktionsplanwaren hoch, umso größer ist nundie Enttäuschung, denn in vielen Punktenbleibt der NAP nur eine Absichtserklärung.Inklusion als Menschrecht und Auftragsteht gleich am Titelblatt des über 100 Seitenfassenden Werkes, das sich NationalerAktionsplan Behinderung <strong>2012</strong>–2020 (kurzNAP) nennt.Mittels 250 aufgelisteter Maßnahmen sollz. B. in den Bereichen Bildung, Beschäftigung,Barrierefreiheit, Diskriminierungsschutzund Gesundheit bis zum Jahr 2020ein großer Schritt in Richtung inklusiveGesellschaft gegangen werden. Alle Maßnahmensind darin mit Zeitschiene undfür die Umsetzung verantwortlichen Stellenaufgelistet.Gute Absichten reichen nichtGanz zu Beginn des umfangreichen Aktenstückswerden zuerst einmal die erwünschtenWirkungen festgeschrieben.Gewollt wird eine zeitgemäße Behindertenpolitik,die sich an den Grundsätzenvon Inklusion und Teilhabe, Barrierefreiheit,Chancengleichheit und Gleichstellung,finanzieller Absicherung, Selbstbestimmung,Selbstvertretung und Bewusstseinsbildungorientiert. Menschenmit Behinderungen sollen in Österreichalso ein selbstbestimmtes Leben führenund in allen gesellschaftlichen Bereichenzur Gänze teilhaben können. Sie dürfenweder im schulischen, beruflichen nochgesellschaftlichen Leben ausgegrenztwerden und ihre Rechte müssen gestärktwerden.Dabei sollen die Maßnahmen und Ziele imNAP der Politik als Leitlinien bis zum Jahr2020 dienen.Die Überwachung und Begleitung allerMaßnahmen wird eine Gruppe übernehmen,die sich unter anderem ausVertreterInnen der Selbstbestimmt-Leben-Initiative Österreich, öffentlicher Stellen,sozialer Organisationen, der Wirtschaftund Wissenschaft zusammensetzt.Am 23. Oktober <strong>2012</strong> begann nun diesesGremium mit seiner Arbeit, für November/Dezembersoll noch eine weitere Sitzungin diesem Jahr stattfinden. Künftigwill die Begleitgruppe regelmäßig, aberzumindest zwei Mal im Jahr zusammenkommenund die Fortschritte des Aktionsplansbei der Umsetzung der Maßnahmenüberprüfen.Was in der Theorie und als Absichtserklärungsehr gut klingt, ist im konkretenLeben weit von einer Umsetzung entfernt,denn es gibt zu diesem Plan keine rechtlicheVerbindlichkeit und keine Finanzierung,außerdem sind die Bundesländer,die ja in den meisten Fällen zuständigsind, bisher nicht bereit, den NationalenAktionsplan mitzutragen.BALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


12 / BALANCE KunstPräsentation derJahresgrafik <strong>2012</strong>für Förderkreismitgliedervon Christin ZuckerstätterDie Veranstaltung im bild.Balance-Atelier am Fuchsenfeld war durchwegsgelungen und gut besucht. Besondersgefreut hat uns der Besucheiniger KünstlerInnen aus MariaPonsee. Heuer stand die KünstlerinLisi Hinterlechner im Mittelpunktund präsentierte 26 eigens gefertigte,in ihrem eigenen Stil wunderbarausdrucksstarke Werke, die allesamtausgestellt und den anwesendenFörderkreismitgliedern überreichtund gerne angenommen wurden!BALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


BALANCE Kunst / 13Fotos: bild.BalanceBALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


14 / BALANCE ExternÉGALITÉ plus 5Tagung über den gleichberechtigten Alltag mobilitätsbeeinträchtigterPersonengruppen im Verkehrsgeschehen, Teil 5 – Maßnahmen undHandlungsvorschläge IV – InformationsvermittlungVon Christian ZuckerstätterÉGALITÉ plus – Maßnahmen undHandlungsvorschläge1. Bewusstseinsbildung/Awareness2. Gestaltung der physisch-baulichen Umgebung3. Mobilitätsangebote4. Informationsvermittlung5. Ableitung von weiterem ForschungsbedarfEs erscheint mir jetzt schon richtiggehend unglaublich,dass in einer eintägigen Veranstaltung so viele Inhalte„verpackt” waren, dass ich mittlerweile eine sich über einJahr erstreckende Artikelserie damit fülle! Das spricht inhöchstem Maß für die Tagung ÉGALITÉ plus, die planendenund ausführenden Institutionen und allen voran die ausführendenPersonen, die mit ihrer Energie und ihrem Wissendiese interessante Veranstaltung möglich machten.Diesen möchte ich im Namen aller interessierten <strong>Balancer</strong>-LeserInnen großen Dank aussprechen! In der Folge könnenSie sich nun den vierten und vorletzten Teil der Maßnahmen-Serie,den Artikel über das Thema „Informationsvermittlung”,zu Gemüte führen.Die Zusammenarbeit zwischenöffentlichen Institutionen undWerbefachleuten kann äußerstproduktiv und fruchtbar sein!Eine gute und zielführende Informationsvermittlungist nur möglich, wenn alle – in welcher Form auch immer– beteiligten Personen und Institutionen willens sind, diesesZiel zu erreichen und am Weg dorthin im besten Sinne kooperieren!Das Wort „zielführend” ist dabei durchaus wörtlichzu nehmen. Allerhöchstes Ziel jeder funktionierendenInformationsvermittlung muss es sein, dass die AdressatInnenerreicht werden! Und – machen wir gleich in dieserRichtung weiter – dass die angesprochenen Personen dieBotschaft, also die ihnen übermittelten Informationen, auchlückenlos und unmissverständlich verstehen können. Dazulohnt es sich durchaus, Fachleute aus der Werbebranchebeizuziehen, deren Job es ja unter anderem ist, Informationenzu vermitteln.Aus meiner Zeit als Leiter einer Werbeagentur weißich, dass die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Institutioneneinerseits und Werbe- und Presseleuten andererseitssehr produktiv und äußerst fruchtbar sein kann. WichtigerAnsatzpunkt der Informationsvermittlung, auch inpolitischem Sinn: An erster Stelle sollte stehen, dass das,was man vermitteln will, zu einem attraktiven Angebotgemacht wird! Sprich: der Ansatz, Informationen vermittelnzu wollen, sollte unbedingt zum Anlass genommen werden,das, was man vermitteln will, vorerst zu attraktiveren. Zudiesem Thema war bereits in den letzten beiden <strong>Balancer</strong>neiniges zu lesen!Dabei gilt es vor allem, wie die vorliegende Studie zeigt,folgende Schritte zu unternehmen:Schritt 1 ist die Hilfestellung bei der Vermeidung vonWegen oder Verkehrsmitteln bzw. bei der Nutzung von Alternativendazu, insbesondere dort, wo→ mangelnde oder unverständliche Information oderKennzeichnung→ unerwartete Hindernisse→ die Unzuverlässigkeit des Angebotes zu Verunsicherung,Vertrauensverlust und Angst führen.Schritt 2 ist die Bereitstellung von verlässlichen, lückenlosenInformationen über mehrere Kanäle. Das heißt:Nutzung aller zur Verfügung stehenden Medien, das sindPrintmedien und digitale Medien einerseits und eigensgeschaffene Informationsmedien wie Broschüren, Folder,Flugblätter etc. andererseits.Folgende Prinzipien sollten in erster Linie bei derPlanung vorrangig beachtet werden und in der Folge auchim Zuge der Informationsvermittlung leicht verständlichund nachvollziehbar zu den behinderten VerkehrsteilnehmerInnentransportiert werden:→ das Mehrsinne- und Mehrkanäleprinzip→ die Vereinfachung und Vereinheitlichung von Informationenund Symbolen→ die Bereitstellung von Echtzeitinformationen→ die Bereitstellung zielgruppenspezifischer InformationenAlle Punkte sind – mehr oder weniger – selbsterklärend.Ihr Name spricht für sich. Wie im Text schon vorherangedeutet, ist es sehr zu begrüßen und sehr zielführend,wenn Verkehrsanbieter, Informationsdesigner sowie Fachleuteaus Forschung und Entwicklung bei der Erstellung desInformationsangebotes zusammenarbeiten!BALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


BALANCE Extern / 15Lust auf Veränderung in LinzVon 9.–10. November fand in Linz eine Tagung mit dem Titel „Persönliche Zukunftsplanung – Lust auf Veränderung“ statt.Dabei wurde das erste deutschsprachige Netzwerk für Persönliche Zukunftsplanung gegründet. BALANCE als Kooperationspartnerbrachte viel Know-how und Erfahrungen ein.Von Helga HieblVeranstaltet wurde die 2-tägige Tagung mit Workshops,Referaten, Präsentationen und mit vielen interessanten ReferentInnenaus dem In- und Ausland vom Zentrum für Kompetenzen undder Lebenshilfe Österreich. „Das Umdenken in den Organisationenhat längst begonnen. Die Konzepte liegen vor, nur die Umsetzunglasse an vielen Orten noch auf sich warten.“ So formulierte derGeneralsekretär der Lebenshilfe Österreich, Albert Brandstätter,vor der Veranstaltung die Situation der Trägerorganisationen inÖsterreich.Die große Dichte an angefragten und teilnehmenden BA-LANCE-ExpertInnen machte deutlich, dass auch BALANCE als eineder Organisationen gesehen wird, die über besonders viel Erfahrungin diesem Bereich verfügen. Etliche BALANCE-MitarbeiterInnenübernahmen daher Workshopleitungen sowie Beiträge in Formvon Referaten und Vorträgen. Die Workshops „PersonenzentriertesDenken“, „Persönliche Lagebesprechung und Organisation“ und„Zusammenarbeit für Veränderung“ wurden von BALANCE-MitarbeiterInnenund -NutzerInnen geleitet.Die Themen der Tagung waren vielfältig. In den Workshopsbeschäftigte man sich sowohl mit den Auswirkungen von PersönlicherZukunftsplanung auf die Bereiche Familie, Bildung und Arbeit;thematisierte ob und wie Persönliche Zukunftsplanung innerhalbvon Organisationen möglich sei, als auch mit dem Konzept desSozialraums und wie Netzwerke genutzt werden können. Und welcheKraft Kreativität und Träume als Keim für jede Veränderunghaben können, konnte man in einem Workshop erfahren, in demeine „Traumreise“ zum persönlichen Wohntraum angeboten wurde.Ein Höhepunkt der Tagung war der Festakt zur Gründungdes ersten deutschsprachigen Netzwerks zur Persönlichen Zukunftsplanung.Als erste Aktivität nach außen werden 2013 vomNetzwerk Lehrgänge zur Ausbildung als ModeratorIn in PersönlicherZukunftsplanung sowie zum „Personenzentrierten Arbeiten inOrganisationen“ in Innsbruck, Salzburg, Wien und Graz angeboten.Die Lust auf Veränderung war auf dieser Tagung spürbargroß. Besonders die Erfolgsgeschichten machten Mut, stießen aufreges Interesse und viele Fragen. Auch hier war BALANCE besondersstark vertreten. Alle Beiträge aus Österreich kamen von NutzerInnen,die von BALANCE unterstützt und begleitet werden.Gratulation allen NutzerInnen und MitarbeiterInnen für ihrEngagement und die wertvollen Beiträge!Persönliche Zukunftsplanung ist eine Methode, um positive undnachhaltige Veränderungsprozesse zu erreichen. Mit Hilfe von professionellerBegleitung und Moderation wird Schritt für Schritt derHandlungsspielraum des betroffenen Menschen erweitert undsein Selbstbewusstsein gestärkt.Fotos: H. HieblBALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


16 / BALANCE BeschäftigungDas Betriebsteamam FuchsenfeldVon Christian ZuckerstätterSTILL und zumeistunbemerkt sorgt dieReinigungsmann- undfrauschaft dafür, dassalles in der Fockygasse(Tagesstruktur-StandortFuchsenfeld) wunschgemäßund SAUBER überdie Bühne geht!_Diesist der zweite Teil der in dervorletzten <strong>Balancer</strong>-Ausgabebegonnenen Serie über die Tätigkeitender verschiedenen Gruppenam Tagesstruktur-Standort Fuchsenfeld.Formal möchte ich aber an den damaligenArtikel nicht anschließen, da dieser ja als Lokalkritikgetarnt war und ich beim diesmaligen Thema nichtden Eindruck erwecken möchte, eine Kritik zu schreiben. Somöchte ich diesmal die Gelegenheit nutzen und gleich vorwegzwei riesengroße PLUS-Punkte vergeben: das eine Plus direktans Betriebsteam dafür, dass es bei uns im Haus ausnahmslosimmer blitzsauber ist und das zweite Plus an diejenigen, diesich die „Konstruktion” des Betriebes am Fuchsenfeld ausgedachthaben gemeinsam mit jenen, die den Betrieb so liebevollund lebenswert leiten. Das spürt jeder einzelne im Haus undnatürlich insbesondere die Leute vom Betriebsteam, die sicham Fuchsenfeld rundum wohlfühlen, wie ich das sonst nochnirgends erlebt habe!BALANCE kommt gänzlich ohne „Ihr da oben, wir daunten” aus_Mit Konstruktion des Betriebes meine ich zweierlei:zum einen die Namensgebung. Gebräuchliche Namen wie„Reinigungsteam”, „Putztrupp” oder ähnliches haben bereitsetwas wertendes, um nicht zu sagen entwertendes an sich. DerName „Betriebsteam” hingegen sagt gezielt etwas aus: dasTeam sorgt dafür, dass alles im Betrieb gut läuft. Die Aufgabe„Putzen” ist – wenn auch der größte – nur ein Teil davon!Durch die offene, unkomplizierte und direkte Art derLeiterin Doris Kallinger und des Leiters Martin Nemeth nehmenalle Fuchsenfelder KlientInnen diesen kooperativen Führungsstilgerne in sich auf, verhalten sich nicht entsprechendeiner unausgesprochenen Rangordnung und keiner verlangtnach strafferen Strukturen, sodass es – jetzt komme ich endlichzum Punkt – keinerlei Hierarchien gibt: weder zwischenden Gruppen noch innerhalb der einzelnen Gruppen.„WIR machen sauber, wie immer!”_Die Leute vom Betriebsteamverziehen auch keine Miene, wenn vor einem Fest odereiner anderen außertourlichen Belastung ein vermeintlicherGroßeinsatz bevorsteht. „Na und!” steht in den Gesichtern derMitglieder des Betriebsteamsgeschrieben,wenn sie von derartigenEreignissen erfahren.„Wir machen sauber,wie immer!” Undsauberer als sauber gehtnicht! Und wenn es dochgeht, so ist es mit freiemAuge nicht wahrnehmbar!Bei der Befragunggaben die Mitglieder des BetriebsteamsFolgendes zu ihrerTätigkeit an: das Betriebsteam istausreichend groß, und alle arbeiten immerin Teamarbeit zusammen. Das Team bestehtaus sechs Personen, wovon drei männlich und drei weiblichsind. Ausnahmsweise nenne ich die Männer zuerst, weil ich gernebetone, dass Männer auch zum Putzen fähig sind! Die Strukturder Arbeit ist in etwa wie folgt eingeteilt: Nachdem das Haus umeiniges zu groß ist, als dass es möglich wäre, täglich alle Reinigungsarbeitenim ganzen Haus durchzuführen, wird pro Tagjeweils ein Schwerpunkt für gründliche Reinigungsarbeiten festgesetzt.So werden etwa an einem Tag die Gänge gründlich gemacht,am nächsten das Besprechungs-Zimmer, am dritten Tagdie WCs und so fort. Täglich im ganzen Haus durchgeführt werdenfolgende Arbeiten: Mist ausleeren, Klopapier und Papier-Handtücher nachfüllen. Dass es immer sauber ist, obwohl manselten jemanden putzen sieht, hat vor allem diese Ursache: dieArbeit des Betriebsteams beginnt (und endet) zwei Stunden vorder Arbeitszeit der anderen FuchsenfelderInnen, läuft somit von7:00–13:00 Uhr. Das ermöglicht dem Team – vor allem in denMorgenstunden – gründliche Aufräumarbeiten zügig voranzubringen,ohne sich dabei mit anderen MitarbeiterInnen und NutzerInnengegenseitig im Weg zu sein! Für die tägliche fleißigeArbeit zu so früher Stund’ möchte ich dem Betriebsteam im Namenaller FuchsenfelderInnen großen Dank aussprechen!„WIR sind alle schön hoch oben!”_Gefragt nach der Hierarchiein der Gruppe betonen die Leute, wie zu Beginn des Artikelsbereits angesprochen, dass es völlige Gleichberechtigung untereinanderund mit anderen Gruppen im Haus gibt. Zitat: „Wir sindalle schön hoch oben!” BALANCE ist somit – nicht zum ersten Mal– großes Vorbild für die Welt „da draußen”! Statt – nicht zu Unrecht– zuwideren, grantigen Putzkräften, die sich durch die Gängeschleifen und jeden, der ihnen begegnet spüren lassen, wiesehr sie das alles anzipft – trifft man im Fuchsenfeld eine sympathische,stets gutgelaunte Truppe, die ihre Arbeit gewissenhaftund mit Freude (das schreibe ich nicht nur so!) erfüllt!BALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


BALANCE Beschäftigung / 17CHANGE! -Zusammenarbeit für VeränderungAm 2. Oktober veranstaltete BALANCE einen Workshop mit 85 TeilnehmerInnen imFestsaal des Wirtschaftsförderungsinstituts Wien am Währinger Gürtel.Von Cornelia RenoldnerWorum ging es da?Die große Frage war, was sich in der Tagesstrukturbei BALANCE ändern muss, damites gute Unterstützung für Personen mit Behinderung,die die Tagesstruktur in Anspruchnehmen, gibt.Wer war dabei?Was bis jetzt NICHT gut läuft beider Unterstützung wissen dieTagesstruktur (TAGS)-TeilnehmerInnenam besten. Deshalbwaren auch die meisten Personenbeim Workshop TAGS-TeilnehmerInnen.Die MitarbeiterInnen wissen auchviel darüber. Deshalb waren auch einige vonihnen dabei.Es gibt aber noch viel mehr Leute, die mitder Tagesstruktur zu tun haben.: z.B. Eltern,Geschwister und SachwalterInnen von TAGS-TeilnehmerInnen. Deshalb waren auch solchePersonen eingeladen und dabei. Die Fördergeber,die das Geld für die Tagesstrukturbereitstellen,haben natürlich auch viel dazuzu sagen, wie die Tagesstruktur sein soll. Deshalbwaren auch VertreterInnen vom FondsSoziales Wien (FSW) und von der NiederösterreichischenLandesregierung eingeladen.Gekommen sind nur die Personen, die beimFSW für Tagesstruktur und Arbeitzuständig sind, von der NÖL hatteniemand Zeit.Der Behindertenanwalt von Österreich,Dr. Erwin Buchinger war aucheingeladen, weil ihn Beschwerdenvon Menschen mit Behinderungeninteressieren. Er hatte Zeit und wardabei. Es sind noch mehr Personengekommen, die sich dafür interessieren,wie es TAGS-TeilnehmerInnen geht– SelbstvertreterInnen von Menschen mitBehinderungen aus Wien, zwei Frauen vonder Österreichischen Arbeitsgemeinschaft fürRehabilitation, eine davon arbeitet auch imMonitoring-Ausschuss zur Überprüfung derUmsetzung der UN-Konvention über die Rechtevon Menschen mit Behinderungen mit.Außerdem war eine BewohnerInnenvertreterindabei und BeraterInnen von Menschenmit Behinderung, auch ein Vertreter derWohnpartner im 22. Bezirk, die Kooperationspartnervon BALANCE sind. Auch die Obfrau,die Geschäftsführung, die BereichsleitungBeschäftigung, die Fachstelle Wohnen und dieStabsstelle Personal sowie alle TAGS-Standortleitungenund eine Wohnbereichsleitung vonBALANCE waren dabei.Mag. Oliver Koenig von der Agentur Querraummoderierte die Veranstaltung.Was schätzen wir an den TeilnehmerInnendes Workshops? Alle TeilnehmerInnen haben sich einen ganzenTag Zeit genommen. Der Workshop dauerte acht Stunden! Allehaben aktiv mitgewirkt. Sie haben nicht nur ihre Zeit geschenkt,sondern auch ihre Erfahrungen und ihrWissen! Außerdem haben viele TeilnehmerInnenAufgaben aus den Aktionsplänen mitgenommen.Das ist toll!Foto: H. GuggenbichlerBALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


18 / BALANCE BeschäftigungWas haben wir im Workshop gemacht?Die Bereichsleitung Beschäftigung berichtetezuerst, wie wir in BALANCE TAGSdarauf gekommen sind, einen solchenWorkshop zu machen: Von 2011 bis April<strong>2012</strong> hatten schon über 70 TAGS-TeilnehmerInnenbei BALANCE eine PersönlicheLagebesprechung gemacht. In den Protokollendavon gibt es ganz viele Informationen darüber,wo für TAGS-TeilnehmerInnen die Unterstützungnoch nicht passt. Diese Informationen will BALANCEnutzen, um etwas zu verändern. Deshalb hatte eineArbeitsgruppe diese Informationen aus den Protokollenherausgelesen. Das waren über 100 Aussagen. Eineweitere Arbeitsgruppe hat diese vielen Aussagen zuThemen zusammengefasst. In diesen Arbeitsgruppenhatten von Mai bis Juli TAGS-TeilnehmerInnen, MitarbeiterInnenaus BALANCE TAGS und Wohneinrichtungenund Leitungen mitgemacht.Schließlich gab es sechs Themen, die mit einem Zitataus einem Protokoll bezeichnet waren:1. „Ich habe keine Alternative zur Tagesstruktur“Gerti Lecher, Andrea Kühteubel2. „Die Tagesstruktur ist unflexibel!“Doris Kallinger, David Galko3. „Ich möchte über meine Zukunft nachdenken undreden!“Karin Mair, Iris Kopera4. „Ich habe zuwenig Kontakt zu anderenMenschen!“Cornelia Renoldner, Brigitte Wallner5. „Ich kann nicht selbständig unterwegs sein!“Martin Nemeth, Kurt Trautsamwieser, RenateRakuschanZuerst wurde bei jedem Thema gefragt:WARUM ist das so?Wir gehen der Wurzel des Problems auf denGrund. Beim zweiten Schritt wurde versucht, zu beschreiben,wie es wäre, wenn es das Problem nicht mehrgibt. Im dritten Teil wurde diskutiert und entschieden,VON WEM welche nächsten Schritte gemacht werdensollen, damit das bezeichnete Problem gelöstwerden kann und man dem Erfolg näherkommt. Es gab also am Ende des Tages SECHS Aktionspläne!Wie geht es nun weiter?Die TAGS-Leitungen haben sich schonin zwei Treffen damit beschäftigt, dieSchritte aus den Aktionsplänen zusortieren und zu den Gruppen undPersonen zu geben, die daran arbeitenmüssen.Auch im Treffen aller Leitungen von BALANCE wurdendie Aktionspläne untersucht und Personen beauftragt,Schritte zu setzen.Die Vorbereitungsgruppe des Workshops hat sichauch schon getroffen, um auszuwerten, was bei derVeranstaltung gut lief und was nicht gut lief. Sie wirdsich wieder treffen, um zu schauen, wie es mit derUmsetzung der Aktionspläne steht und weiter überprüfen,was noch zu tun ist und die verantwortlichenPersonen erinnern.In einem Jahr wird es einen Bericht geben über dieUmsetzung der Aktionspläne.6. „Ich fühle mich hier nicht immer ernstgenommen!“Brigitte Balic, Erwin HasitzkaBeim Workshop wurde für jedes Thema eine Arbeitsgruppegebildet. Jede Workshop-TeilnehmerIn suchtesich aus, wo sie mitmachen will.Für jede Arbeitsgruppe gab es ein ModeratorInnenpaar– eine MitarbeiterIn der TAGS und eine TAGS-TeilnehmerIn.Die ModeratorInnen erklärten, was zu tunist, passten auf, dass alle, die wollten, zu Wort kamenund dass das Wichtige aufgeschrieben wurde. DieModeratorInnen berichteten auch, was in der Arbeitsgruppeherausgekommen war.Prozess Zusammenarbeit für VeränderungWas wir da machen…von der Persönlichen Lagebesprechungin der Tagesstruktur bis zu einem Workshopmit allen, die mit Tagesstruktur zu tun haben, um dieTagesstruktur zu verändern…ist ausgedacht, ausprobiertund beschrieben worden von BeraterInnen inEngland. (Helen Sanderson Associates, www.helensandersonassociates.co.uk)Von denen hat BALANCE imEU-Projekt New Paths to Inclusion gelernt.BALANCE findet diesen Prozess gut, weil so nicht mehrdie Leitungen und BetreuerInnen über die TAGS-TeilnehmerInnensprechen und sich Veränderungen ausdenken.Sondern weil sie MIT den TAGS-TeilnehmerInnenund allen möglichen UnterstützerInnen sprechenund MIT ihnen verändern wollen.BALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


BALANCE Beschäftigung / 19Top secretAlles wird zum Garten!Aus einem Gespräch mit Gebhard Haider (Textilwerkstatt) undPetra Stoni (Druck/Wachswerkstatt)Von Iris KoperaWir haben schon in den letzten Jahren Verschiedenes im Gartengemacht. Bei uns am Tagesstruktur-Standort Fuchsenfeld wolltenwir heuer ein paar neue Sachen ausprobieren. Wir haben imInternet nachgeschaut und Folgendes gefunden:Guerilla Gardening:… kommt aus Amerika und ist Kunst im öffentlichen Raummit ökologischem Bezug. Es hat einen Sozialaspekt, einen umweltpolitischenAspekt und den Verschönerungsaspekt, nämlich dassalles grüner wird, die Stadt einfach freundlicher wird.Foto: Tagesstruktur FuchsenfeldBALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


20 / BALANCE BeschäftigungPermakultur:Der Begriff Permakultur wurde vonden Australiern Bill Mollison und DavidHolmgren kreiert. Ziel ist es, biologischenLandbau und möglichst viel Landschaftlichesmit möglichst geringem Aufwand zuschaffen. In der Stadt ist das nicht immermöglich. Man will möglichst viel auf kleinemRaum anbauen.Es gibt dazu verschiedene lustigeMethoden, die wir auch bei uns anwendenwollen: Zuerst einmal waren da dieseSamenbomben (oder Seedbombs), die imGrätzl oder in der ganzen Stadt ausgelegt.Man nehme verschiedene Wiesenblütensamenoder was immer man anpflanzenwill. Die werden mit Ton und Wasser vermischtund dann zu kleinen Bällen geformtund getrocknet. Dann werden sieeinfach an bestimmten Plätzen ausgelegtund durch den Regen wachsen dann schöneWiesenblumen heraus.Ein weiteres Projekt kommt eheraus der Permakultur, das sind die Salattürme:Da werden in verschiedene RohreLöcher hineingebohrt. Dann kommtErde hinein und dann werden Pflanzenangepflanzt. Da kann man auf kleinerFläche relativ viel Verschiedenesanpflanzen.Und wieder ein weiteres Projektwar dann: Elefantengras anpflanzen zumSonnenschutz. Weil es bei uns in derGruppe am Nachmittag immer so heiß imSommer ist, haben wir zwei Krüge draußenvor dem Raum hingestellt und Hirsesamenhineingegeben. Und es ist Elefantengrasherausgewachsen, das sehrschnell wächst. Elefantengras ist eineHirseart, die einfach zwei Meter hoch wirdund die Sonne ein bisschen abhält, undnebenbei auch sehr schön ist. Diese dreiProjekte sind schon im Laufen und/odersind schon abgeschlossen.Nächste Woche starten wir einneues Guerilla-Projekt: Moos-Grafitti.Man sammelt Moossporen und verrührtdiese dann mit Milch und Zucker. Und dasstreicht man dann auf Wände – drauf unddaraus entstehen grüne Bilder.Das wollen wir im Innenhof ausprobieren,um zu schauen, wie das Ganzedann gedeiht.Foto: Tagesstruktur FuchsenfeldBALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


HütteldorferFlohmarktAlle Jahre wieder bekommt BALANCE erfreulichenBesuch von zwei engagierten Damen aus derHütteldorfer Pfarre, um Spenden vorbeizubringen.Die Spenden kommen aus dem Erlös des weithin fürseine schönen Dinge bekannten Hütteldorfer Flohmarkts,den man getrost als einen der exquisitestenbezeichnen kann. Hier werden nur wirklich intakteund schöne Waren verkauft, Wühltische gibt es hiernicht, sondern zum Beispiel nach Größe geordneteHemden, gebügelt oder sogar originalverpackt. Dienächste Möglichkeit allerlei hübsche Dinge zu erstehengibt es am13.April 14:00-18:0014.April 9:00-16:00Falls Sie Waren abgeben wollen:8.-12.April 9:00-18:00Mi 10.April 9:00-20:00BarrierefreieMöbelAuch heuer war der Tullnerfelder Kulturvereinin der Adventszeit wieder unterwegs, Spenden fürLicht ins Dunkel zu sammeln. Mit den Geldern sollenfür die Tagesstätte MaPo neue barrierefreie Möbelangeschafft werden. Herzlichen Dank an Herrn FranzMüllner vom Tullnerfelder Kulturverein für sein unermüdlichesEngagement!BALANCE Pinnwand / 21300 BesucherInnenbeim Sommerfesder Tagesstättein Maria Ponsee!Von Kurt TrautsamwieserAm Freitag 10. August fand wieder das bereits zur Tradition gewordeneSommerfest der Tagesstätte MaPo statt, welches jedesJahr von den MitarbeiterInnen- und NutzerInnenteams der Tagesstätteund des Wohnhauses veranstaltet wird. Bei meinerEröffnungsrede konnte ich wieder viele Gäste aus nah und fernbegrüßen. Um 18h setzte dann aber ein richtiger Ansturm ein,alle Plätze waren im Nu besetzt.Zu unseren Gästen zählten wir Gruppen von Partnerorganisationenaus der Region wie der Behindertenhilfe Klosterneuburg,Caritas Hollabrunn, Lebenshilfe Oberwölbling, sowie der BehindertenwerkstätteSt. Pölten. Aus Wien besuchten uns BALANCE-MitarbeiterInnen und NutzerInnen wie von der Tagesstätte BA-LANCE Soho.Die Musikauswahl der CDs oblag diesmal drei Tagesstätten-TeilnehmerInnen:Reinhard Mach, Gottfried Hobiger und DorisMach.Bei hausgemachtem Schweinsbraten und Süßem zum Nachtisch,sowie einer Vielfalt an Getränken herrschte beste Stimmung,Gäste und GastgeberInnen unterhielten sich gut, plaudertenmiteinander und alle waren sich einig dass es auch im nächstenJahr wieder ein Sommerfest geben soll. Vielen Dank an die BetreuerInnenteams,sowohl in der Tagesstätte als auch im Wohnhaus,durch ihre gute Zusammenarbeit war dieses Fest wiederein großartiger Erfolg und hat allen BewohnerInnen und Tagesstätten-TeilnehmerInnenviel Freude bereitet!Fotos:Tagesstruktur MaPoBALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


22 / Interbalance„Im Bildungssystemmuss sich etwas ändern“Herbert Pichler leitet im Österreichischen Gewerkschaftsbund(ÖGB) das „Chancen-Nutzen-Büro“ – eine Sozialpartnerinitiative.Interview: Martin Kopper, Jürgen PlankFoto: Jürgen PlankZur Person: Herbert Pichler hat im zweiten Bildungsweg dieHandelsakademie absolviert und anschließend Jus sowieSonder- und Heilpädagogik studiert. Das Chancen-Nutzen-Büro ist über ein EU-Projekt entstanden und nun eine fixeAbteilung im ÖGB: Es unterstützt Unternehmen in den BereichenPrävention, Gesundheitsförderung, Behinderung,chronische und psychische Erkrankungen in der Arbeitsweltund in Bezug auf altersgerechtes Arbeiten.2008 hat Österreich die UN-Behindertenrechtskonventionunterzeichnet, <strong>2012</strong> liegt der Nationale Aktionsplan(NAP) vor, der die UN-Konvention umsetzen soll.Warum hat das solange gedauert?Das kann einige Ursachen gehabt haben,die Verantwortung liegt jedenfalls beim Ministeriumund dem Minister. Der jetzige Sozialminister,der ja auch mein ehemaliger Chef war, nimmtdieses Thema jedenfalls sehr ernst. Ich weiß auchvon Ministeriumsseite, dass die dort zuständigenMinisterialbeamten dieses Thema sehr wichtignehmen. Ein Punkt, warum es wahrscheinlichetwas länger gedauert hat und dieser Punkt istzugleich ein Nachteil des Nationalen Aktionsplans:Österreich ist ein klassisches Kompromisslandund dadurch brauchen Dinge länger, wasviele Vorteile, aber auch Nachteile hat, weil dannmanchmal etwas „nicht Fisch und nicht Fleischist.“Befristungen sind zu weit gefasstDie UN-Behindertenrechtskonvention soll mittelsNAP in Österreich umgesetzt werden, inwiefern stimmendie Maßnahmen im NAP mit der UN-Konventionüberein oder wo sehen Sie Diskrepanzen?Der Nationale Aktionsplan hat sehr vieleMaßnahmen und Themen, die mit der UN-Konventionübereinstimmen. Zwei Punkte sehe ichdrinnen, die die Umsetzung schwieriger werdenlässt, nämlich, dass die Befristungen zu weit gefasstsind und dass die Maßnahmen zu wenigverpflichtend ausformuliert sind. Eine Übereinstimmungder Maßnahmen mit der UN-Konventionist meines Erachtens auf jeden Fall gegeben,nur sind diese beiden Punkte leider wesentlich,damit man auch wirklich in angemessener Zeitetwas definitiv verpflichtend umsetzen kann.http://www.arbeitundbehinderung.atWer hat den NAP erarbeitet und was sagen Siedazu, dass Menschen mit Behinderungen nur unzureichendeingebunden waren?Bei der Erarbeitung kann ich den KritikerInnenzustimmen, Menschen mit Behinderungensind sicherlich zu wenig eingebunden worden. Ichdenke aber, wenn es um die Umsetzung geht, istBALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


Interbalance / 23man auf jeden Fall sehr interessiert und bemüht, behinderteMenschen im Sinne der Partizipation ausreichendeinzubinden. Ich kann auch einige Beispiele nennen: Esgibt da eine Arbeitsgruppe zum Thema Persönliche Assistenz,eingerichtet im Ministerium, bei der feststeht, dassbehinderte Menschen ausreichend vertreten sein werden.Ich selbst bin im Rahmen meiner Tätigkeit im Ministeriumin verschiedensten Projekten tätig, die von behindertenMenschen oder Behindertenorganisationen umgesetztwerden. Es gibt da auch eine Arbeitsgruppe zumThema „Barrierefreiheit“ und zwar nicht nur im klassischen,baulichen Sinne, sondern Barrierefreiheit im Sinnevon: Welche Barrieren gibt es in den Köpfen von Menschen,die keine Behinderungen haben, gegenüber denMenschen mit Behinderungen? In dieser Arbeitsgruppesind Menschen mit Behinderungen eingebunden und wirarbeiten jetzt schon ein gutes halbes Jahr gemeinsamdaran, um daraus ein Projekt zu entwickeln.Einen Punkt gibt es für mich, der im nationalenAktionsplan nicht oder nicht ausreichend berücksichtigtwurde und zwar ist das der Punkt „Gesundheit“. Ich binselbst Mitglied im österreichischen Netzwerk zur betrieblichenGesundheitsförderung und ich habe schon unzähligeAnträge gelesen, wenn Unternehmen Gesundheitsförderungsprojekteund Präventionsprojekte einreichen.Da sind behinderte Menschen kaum bis gar nicht vertreten.In Wirklichkeit sind mir in den vergangenen Jahren– es sind jetzt 10 Jahre seitdem ich Mitglied in diesemNetzwerk bin – nur zwei Unternehmen untergekommen,denen es wichtig ist, behinderte Menschen speziell alsZielgruppe anzusprechen und deren spezielle Bedürfnissein der Gesundheitsförderung zu berücksichtigen: Daseine Unternehmen waren die Österreichischen Bundesbahnen,also die ÖBB, und das zweite die Gemeinde Wien.Im NAP-Entwurf steht: Rechtsanspruch auf Beseitigungvon Zugangsbarrieren. In der Endfassung fehlt dieser Punkt:Was sagen Sie dazu? Passiert da nicht automatisch Diskriminierung?Ich sage es anders: Der Rechtsanspruch und dieBeseitigungsverpflichtung gehören unbedingt hinein.Anders geht und funktioniert es nicht. Wenn wir da aufFreiwilligkeit hoffen, werden wir noch viele Jahrzehntebrauchen, bis wir diese Barrierefreiheit erlangen – und dageht es in erster Linie um die bauliche Barrierefreiheitentsprechend des Gleichstellungsgesetzes. Aber wennwir die beseitigt haben wollen, dann brauchen wir einenRechtsanspruch auf Beseitigungsverpflichtung der Barrieren.Neben dem ÖGB gibt es von diversen Parteien gewerkschaftlicheOrganisationen. Welche Unterschiede sehen Sie zuPositionen des ÖGB zum NAP?Da gehen wir ziemlich konform. Da sehe ich keineUnterschiede, weil sich die Fachgewerkschaften, mitdenen ich eng kooperiere, und der österreichische Gewerkschaftsbundimmer sehr eng in verschiedenstenpolitischen Positionen abstimmen, auch mit derArbeiterkammer. In der Arbeitsgruppe zur Verwirklichungund Umsetzung des Nationalen Aktionsplans wird zumBeispiel eine Kollegin von der Arbeiterkammer vertretensein. Sie vertritt auch den ÖGB und die Fachgewerkschaften.Da gibt es meines Erachtens keine Unterschiede, sondernwirklich eine gemeinsame Stimme und einen gemeinsamenWeg. Das haben wir immer ganz gut koordiniertund abgestimmt und das gefällt mir auch sehr!Es wird etwa von Martin Ladstätter von BIZEPS kritisiert,dass die Bundesländer nicht an der Umsetzung des NAP mitgearbeitethaben. Behindertenpolitik ist aber Ländersache. Wassagen Sie dazu?Ich stimme Herrn Martin Ladstätter zu, sie istnicht ausschließlich Ländersache, aber überwiegend Ländersacheund das wäre ganz wichtig gewesen, dass dieBundesländer eingebunden sind. Allerdings muss manbedenken, dass es bereits vier Jahre gedauert hat, seit wirdie UN-Konvention unterschrieben haben, bis zur Fertigstellungdes Nationalen Aktionsplans und ich befürchteleider, wenn alle Länder noch d‘accord mit den Inhaltendes Nationalen Aktionsplans hätten werden müssen, hättees vielleicht noch 4 Jahre länger gedauert und vielleichtwären noch mehr Bereiche herausgestrichen worden,die wir unbedingt erfüllt haben möchten.SozialversicherungsgleichheitIm NAP stehen rund 250 Maßnahmen, die schrittweiseumgesetzt werden sollen. Was wären für Sie die wichtigsten 5Punkte, die am besten sofort umgesetzt werden sollten?Bildung. Im Bildungssystem muss sich etwas Wesentlichesverändern, denn in der Arbeitswelt leistet mandann ja nur mehr Reparaturarbeiten, was die Inklusionbetrifft, die man sonst nicht leisten müsste. Wir hättenalle viel weniger Aufwand, Inklusion herzustellen, wennman bereits im Kindergarten oder in den darauf folgendenBildungseinrichtungen ausreichend Inklusion schafft.Die Bildung nenne ich hiermit als erstes und wichtigstesZiel. Zweitens: Bundeseinheitliche, Persönliche Assistenzfür alle, drittens die Beseitigungsverpflichtung, was dieBarrieren betrifft. Viertens Gesundheit und fünftens dieSozialversicherungsgleichheit für alle betroffenen behindertenMenschen.Was würden Sie sich denn für die Zukunft im Kontextmit dem Nationalen Aktionsplan für Ihre Arbeit wünschen?Dass ich sie nicht mehr machen muss, dass allesumgesetzt ist und ich eine andere Arbeit machen kann.Dass die Inklusion absolut verwirklicht ist. Der ÖsterreichischeGewerkschaftsbund ist ja Interessensvertretungfür viele Menschen und für deren unterschiedlichsteDiversity-Anliegen. Da fände ich auf jeden Fall einen anderenBereich, für den ich tätig sein könnte. Das wäremein absoluter Wunsch, wenn Inklusion zu 100 Prozenterfüllt ist!BALANCER 54 | 4/<strong>2012</strong>


Lehrgang PersonenzentriertesArbeiten inOrganisationenLehrgang Ausbildung zum/zur ModeratorIn in PersönlicherZukunftsplanungZielgruppen des LehrgangsFührungskräfte, MitarbeiterInnen & NutzerInnen von Organisationender Behindertenhilfe und/oder sozialen Arbeit, dieihre Organisation mit Hilfe personenzentrierter Methoden undKonzepte weiterentwickeln wollen. Der Lern- und Transferaspektdieses Lehrgangs wird gesteigert, wenn sich mindestens zweiPersonen aus einem Team bzw. einem Arbeitsbereich einer Organisationdafür anmelden.Lehrgangstermine: März <strong>2012</strong> bis September 2013Fragen und Anmeldungen zum Lehrgang:Lebenshilfe Österreich, AkademieFörstergasse 6, 1020 WienMail: fortbildung@lebenshilfe.atWeb: www.lebenshilfe.atZielgruppen des LehrgangsPersonen aus unterschiedlichen beruflichen und privaten Kontexten,die sich als ModeratorIn in Persönlicher Zukunftsplanungausbilden lassen wollen. Dies können u. a. sein:} MultiplikatorInnen (MitarbeiterInnen, Leitungskräfte & NutzerInnen)aus Organisationen der Behindertenhilfe (über dieLebensspanne)} MitarbeiterInnen arbeitsmarktpolitischer Unterstützungsmaßnahmen(Clearing, Jugendcoaching, Arbeitsassistenz, Job Coaching,Berufsausbildungsassistenz)} Fachkräfte aus diversen Arbeitsfeldern der sozialen Arbeit} SelbstvertretInnen und Peer-BeraterInnen aus der People-FirstundSelbstbestimmt-Leben-Bewegung} Eltern und Angehörige von behinderten Menschen} LehrerInnen und PädagogInnen} BeraterInnen, TrainerInnen, CoachInnen undPsychotherapeutInnen} SozialplanerInnen und MitarbeiterInnen aus der öffentlichenVerwaltungLehrgangstermine: Februar bis Oktober 2013Verein BALANCE-Leben ohne BarrierenHochheimgasse 1, A - 1130 WienRaiffeisen Landesbank NÖ-Wien AGKonto-<strong>Nr</strong>. 07 479 868 BLZ 32000Österreichische Post AG /Sponsoring.PostGZ: 08Z037718S<strong>Nr</strong>. 54, 4/<strong>2012</strong>, Jahrgang 15Verlagspostamt 1130 WienErscheinungsort Wien

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