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60 Jahre Evangelische Arbeitsgemeinschaft für soziale Fragen in ...

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<strong>60</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Evangelische</strong><strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong> <strong>für</strong> <strong>soziale</strong><strong>Fragen</strong> <strong>in</strong> Bayern und Thür<strong>in</strong>genVorwort:Eugen Hähnel, Vorsitzender der EAGE<strong>in</strong> Rückblick auf die Arbeit der EAGzur <strong>60</strong> Jahrfeier kann nur den e<strong>in</strong>enoder anderen Punkt streifen, dazudient der kurze geschichtliche Abriss,den Me<strong>in</strong>rad Wensauer und HanneloreFesenmeier dankenswerterweise erstellthaben.Wir danken auch allen, die uns e<strong>in</strong>Grußwort überbracht haben. Siedrücken damit die Sympathie aus, diesie mit uns und unsere Arbeit verb<strong>in</strong>det.Besonderer Dank gilt unserenFestrednern Herrn Dr. Platzer und Dr.Hans Gerhard Koch. Ebenso dankenwir Herrn Kirchenrat Re<strong>in</strong>er Schübel<strong>für</strong> die Gestaltung des Gottesdienstesund se<strong>in</strong>e Predigt.Die EAG ist <strong>in</strong>nerkirchlich, im gesellschaftlichenRaum, ökumenischund Bundesländer übergreifend aktiv.Das können wohl wenige Organisationenvon sich behaupten.Rückblick, Geschichte ist <strong>für</strong> unsJüngere, oft schwer, weil nach <strong>60</strong><strong>Jahre</strong>n viele Zeitzeugen bereits vonuns gegangen s<strong>in</strong>d: Unsere 3 Vorsitzendens<strong>in</strong>d alle nicht mehr am Lebenund das Sichern von Daten und FaktenEugen Hähnelhat man früher nicht <strong>für</strong> so wichtiggehalten oder sie g<strong>in</strong>gen verloren.Dennoch e<strong>in</strong> kurzer Rückblick: Der1. Vorsitzenden August Gogl war vonder Gründung 1952 bis 1981 der 1.Vorsitzende und während dieser Zeitauch stellvertretender Vorsitzenderder ACA‐Bayern. Horst Michler, Sozialsekretär<strong>in</strong> Hof, war zunächst von1965 bis 1981 stellvertretender Vorsitzender.Von 1981 Vorsitzender derEAG bis 1991. Seit 1991 hat dann RolandSteuerwald die EAG geprägt. SeitOktober 2011 ist Eugen Hähnel 1.Vorsitzender.Wir danken unseren Mitgliedernherzlich <strong>für</strong> Engagement und ihretreue f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung. DerLandeskirche <strong>für</strong> den jährlichen Zuschusszur laufenden Arbeit und dieSonderzuwendungen zu den Sozialwahlen,sowohl <strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzieller, wieideeller Unterstützung. Dem KirchlichenDienst <strong>in</strong> der Arbeitswelt <strong>für</strong>personelle wie f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung.Ganz besonders danken wir unsererMitgliedsorganisation derAktionsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>für</strong> Arbeitnehmerfragen<strong>in</strong> der evang.‐luth. Kirche<strong>in</strong> Bayern (afa) und ihren Mitarbeitenden<strong>für</strong> das geme<strong>in</strong>same Mite<strong>in</strong>anderund die gegenseitige Unterstützung.Mit dieser Dokumentation hoffenwir, e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> unsereArbeit zugeben und unsere Vernetzungendeutlich zu machen.Allen, die an der Erstellung undmit Ihren Beiträgen mitgeholfen habendiese Dokumentation zustande zubr<strong>in</strong>gen, herzlichen Dank.Im Namen des Vorstandes der EAG


Grußwort:Dr. Heike Jung, Bayrisches Arbeitsm<strong>in</strong>isteriumDr. Heike JungSehr geehrter Herr Hähnel,sehr geehrte Damen und Herren,gerne b<strong>in</strong> ich Ihrer E<strong>in</strong>ladung zur <strong>60</strong>‐Jahrfeier der EAG nachgekommen.Ich darf Ihnen die herzlichen Grüßeund Glückwünsche von Frau Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong>Christ<strong>in</strong>e Haderthauer undHerrn Staatssekretär Markus Sackmannausrichten.Normalerweise sollte es e<strong>in</strong> Rednermit Albert E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> halten, vondem der Ausspruch stammt: „Mehr alsdie Vergangenheit <strong>in</strong>teressiert michdie Zukunft, denn <strong>in</strong> ihr gedenke ichzu leben.“<strong>60</strong> <strong>Jahre</strong> EAG geben jedoch allenAnlass, e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong>nezuhalten und sichdas Vergangene, das Erreichte kurz zuvergegenwärtigen. Sie haben allenGrund, stolz auf <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong> engagierteund erfolgreiche Arbeit zurückzublicken.Ihre Mitglieder haben <strong>in</strong> diesensechs Jahrzehnten <strong>in</strong> der Arbeits‐ undSozialgerichtsbarkeit als ehrenamtlicheRichter und Richter<strong>in</strong>nen sowieals Mitglieder der Selbstverwaltungsorganeder Sozialversicherungen dasArbeits‐ und Sozialrecht mitgestaltet.Sie haben dabei stets und vor allem<strong>für</strong> e<strong>in</strong>es gesorgt: <strong>für</strong> durch Lebenser‐Seite 2 von 25fahrung und Sachkenntnis gespeistePraxisnähe. <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong> EAG stehen somit<strong>für</strong> e<strong>in</strong> gewaltiges Maß an bürgerschaftlichemEngagement. Viele vonIhnen, me<strong>in</strong>e sehr geehrten Damenund Herren s<strong>in</strong>d langjährig – oftmalssogar jahr‐zehntelang – <strong>in</strong> der Arbeits‐und Sozialgerichtsbarkeit undbei der <strong>soziale</strong>n Selbst‐verwaltung tätig.Für dieses großartige Engagementdarf ich Ihnen Dank und Anerkennungder Bayerischen Staatsregierung aussprechen.Ich weiß, wie schwierig esim Laufe der Zeit geworden ist, Bürger<strong>in</strong>nenund Bürger <strong>für</strong> die Ausübungvon Ehrenämtern im <strong>soziale</strong>n Bereichzu gew<strong>in</strong>nen. Umso wichtiger aber istIhr lebendiges Vorbild.In Bayern ist jeder dritte Bürgerehrenamtlich tätig. Dies ist e<strong>in</strong> schönesund konkret erfahrbares Zeichenfunktionierenden <strong>soziale</strong>n Zusammenhalts<strong>in</strong> Bayern. Jeder e<strong>in</strong>zelne dieserMenschen verdient daher unseren tiefenRespekt – egal <strong>in</strong> welchem Bereicher oder sie sich engagiert. IhrEngagement, me<strong>in</strong>e sehr geehrtenDamen und Herren, zeichnet sichdurch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive zeitliche Beanspruchungund e<strong>in</strong> hohes Maß an Verantwortungaus. Die milliardenschwerenHaushalte der Sozialversicherungsträger,über die Sie mitentscheiden,zeugen davon ebensowie die E<strong>in</strong>zelschicksale, die h<strong>in</strong>terden Verfahren bei der Renten‐, Kranken,Pflege‐ und Unfallversicherungstehen. Hier geht es um elementarsteLebens‐ und Sicherungs‐bedürfnisse.Die immensen Herausforderungen,vor denen unsere <strong>soziale</strong>n Sicherungssystemestehen – ich darf hier nurbeispielhaft auf die Alterung unsererGesellschaft bei gleichbleibend niedrigenGeburtenraten verweisen–, machenIhre Aufgabe nicht leichter.Viele von Ihnen, me<strong>in</strong>e sehr geehrtenDamen und Herren, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> denSelbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungtätig. Sie s<strong>in</strong>d die lebendigeGarantie da<strong>für</strong>, dass die Sozialversicherung<strong>in</strong> der Bevölkerung verankertbleibt.Die Bayerische Staatsregierung bekenntsich daher zur Selbstverwaltung.Das Pr<strong>in</strong>zip derSelbstverwaltung ist e<strong>in</strong>er der Grundpfeilerund Erfolgsgaranten der Sozialversicherungvon Beg<strong>in</strong>n an ihrerüber 100‐jährigen Geschichte.Sie deckt sich mit dem Pr<strong>in</strong>zip dereigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung,auf dem unser gesamtes Geme<strong>in</strong>wesengründet.Durch die Selbstverwaltung ist sichergestellt,dass die Aufgabenerledigungunter Mitwirkung der von derAufgabe selbst Betroffenen geschieht.Der Selbstverwaltung wohnt somit e<strong>in</strong>besonders schützenswertes Pr<strong>in</strong>zip<strong>in</strong>ne: derjenige, der unmittelbar unddirekt <strong>für</strong> die Lösung e<strong>in</strong>es ProblemsSorge zu tragen hat, der wird <strong>in</strong> derRegel am allerwenigstens geneigtoder da<strong>für</strong> anfällig se<strong>in</strong>, die Lösungdurch allzu komplexe und bürokratischeVerfahren künstlich zu erschweren.In den <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong>n ihres Bestehenshat die EAG gezeigt, dass die Entsendungvon Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmerndie Selbstverwaltung sostark und wirkungsvoll macht, weil sieso nah und unmittelbar an der Aufgabeund an den Problemen angesiedelts<strong>in</strong>d.Die Selbstverwaltung ist auch soeffektiv, weil die hier<strong>in</strong> handelndenund verantwortlichen Entscheidungsträgerzuerst mit dem erkannten Problem– und danach mit der selbstgefundenen Lösung leben und arbeitenmüssen.Die Selbstverwaltung ist somit e<strong>in</strong>Stück gelebter Sozialpartnerschaft.Sie steht <strong>für</strong> Mitbestimmung und Demokratie.Die Selbstverwaltung hat <strong>in</strong>Deutschland über e<strong>in</strong> Jahrhundertlang bewiesen, dass die Befriedigungwesentlicher Bedürfnisse der Men‐


Grußwort:Dieter Maly, Stadt NürnbergLiebe Vorstände der EAG, Frau Grille,Herr Hähnel, Herr Krämer,liebe Festgäste,ich freue mich, <strong>in</strong> Vertretung desOberbürgermeisters Ihnen heute dieGeburtstagsgrüße der Stadt Nürnbergüberbr<strong>in</strong>gen zu dürfen. Er hat vieleandere Term<strong>in</strong>e wahrzunehmen unddeshalb mich als Sozialamtsleiter gebeten,ihn zu vertreten. Ich b<strong>in</strong> allerd<strong>in</strong>gsnicht nur der Sozialamtsleiter,sondern auch der Bruder von Uli Maly– so kriegen Sie doch e<strong>in</strong>en Maly heuteals Grußwortredner.Zunächst also: Alles Gute undherzliche Glückwünsche zum <strong>60</strong>. Geburtstag.Das ist <strong>für</strong> nicht wenigeMenschen der Geburtstag, an demman sich auf den Ruhestand vorbereitet.Nicht so <strong>für</strong> die EAG: Sie habenmorgen die Zukunftsvisionen auf derTagesordnung stehen, das bedeutet,die EAG hat noch viel vor und richtetsich auf die nächsten <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong> e<strong>in</strong>.Das kann ich aus der Sicht derStadt Nürnberg nur begrüßen. Unsere<strong>soziale</strong>n Sicherungssysteme brauchenstarke und kompetente Akteure, diesich dar<strong>in</strong> engagieren. Wir s<strong>in</strong>d alsStadt, me<strong>in</strong> Amt ist als Sozialamt jaauch Teil des <strong>soziale</strong>n Sicherungssystems<strong>in</strong> Deutschland – mit der Sozialhilfeund mit der Grundsicherung –und unser Selbstverwaltungsgremiumist der Stadtrat. Von daher weiß ichaus eigener Erfahrung, wie wichtigdie Qualität des Selbstverwaltungsgremiums<strong>für</strong> die Arbeit ist, auchwenn man Stadtrat und Selbstverwaltungder Renten‐ und Krankenversicherernicht e<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>s gleichsetzenkann – manches ist doch vergleichbar.Sie sorgen da<strong>für</strong>, dass <strong>in</strong> diesen Gremienerfahrene Frauen und Männersitzen, das das nicht als lästige Pflichtansehen, sondern als sozialpolitischeAufgabe. Die auf der Basis e<strong>in</strong>erchristlich fundierten <strong>soziale</strong>thischenHaltung Akzente setzen wollen, E<strong>in</strong>flussausüben wollen zum Wohl dervielen Millionen Versicherten bzw.Arbeitnehmer.Nun könnte man sagen: Wenn dasmal nicht klappt, wenn <strong>in</strong> der täglichenPraxis der <strong>soziale</strong>n Sicherungder Wurm dr<strong>in</strong> ist, wenn also e<strong>in</strong> Fallvor Gericht geht – dann s<strong>in</strong>d Sie wiederdabei als EAG, die ehrenamtlicheRichter vorschlägt und benennt. Diedann hoffentlich auch das Recht aufder Basis e<strong>in</strong>er christlichen Haltunganwenden zum Wohle der Betroffenen.Für diesen E<strong>in</strong>satz und <strong>für</strong> dieseGrundhaltung danke ich Ihnen im Namender Stadt Nürnberg. Ich freuemich, dass Sie Nürnberg als Ort <strong>für</strong>Ihre Geburtstagsfeier gewählt haben.Dieter MalyDas passt auch deshalb, weil <strong>in</strong> derStadt Nürnberg traditionell e<strong>in</strong>e Sozialpolitikgepflegt wird, die die Solidarität,die Förderung derBenachteiligten und den <strong>soziale</strong>nFrieden zum Ziel hat. Da sehe ich viele<strong>in</strong>haltliche Geme<strong>in</strong>samkeiten.Nun wünsche ich Ihnen e<strong>in</strong>e schöneGeburtstagsfeier, und weil das zugleiche<strong>in</strong>e Tagung ist, fruchtbareDebatten und <strong>in</strong>teressante Vorträge.Ich rate Ihnen aber auch, vielleichtheute Abend nach dem Buffet:Machen Sie noch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Rundedurch unsere schöne Altstadt, e<strong>in</strong>bisschen Sightsee<strong>in</strong>g – nach e<strong>in</strong>er Besteigungunseres Burgbergs schläftman viel besser!Vielen Dank.Grußwort:Matthias Jena, Vorsitzender DGB‐BayernHerzlichen Glückwunsch:Zu <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong> Evang. <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong><strong>für</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Fragen</strong> <strong>in</strong> Bayern.Mir ist ‐ ihr wisst es ‐ die Zusammenarbeitzwischen Kirchen und Gewerkschaftene<strong>in</strong> wichtiges ‐ auch e<strong>in</strong>ganz persönliches Anliegen Wir s<strong>in</strong>ddankbar da<strong>für</strong>, dass die EAG so offensivdie Anliegen der Arbeitnehmer<strong>in</strong>nenund Arbeitnehmer <strong>in</strong> Kirche undÖffentlichkeit zur Sprache br<strong>in</strong>gt. Esist <strong>für</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmer‐ aber auch <strong>für</strong> die Gewerkschaften‐ gut, e<strong>in</strong>en so engagiertenPartner an ihrer Seite zu wissen.Seite 4 von 25E<strong>in</strong>en Partner, der sich e<strong>in</strong>mischt undklar Position bezieht. Dass die EAGdabei <strong>in</strong> ihren Positionen allermeistetwas weiter ist als andere, ‐ auch alsandere <strong>in</strong> unserer eigenen Kirche ‐zeichnet sie als Vordenker<strong>in</strong> aus. Ichwill die EAG ausdrücklich ermutigensich weiter ‐ und vielleicht gar stär‐


Matthias Jenaker noch als bisher ‐ <strong>in</strong> die politischenDebatten e<strong>in</strong>zuschalten.Vielen Mächtigen <strong>in</strong> unserem Landist es ja immer wieder e<strong>in</strong> Dorn imAuge, wenn Kirche sich engagiert zuden <strong>soziale</strong>n Belangen unserer Gesellschaftäußert. Mir geht es genau andersherum.Ich wünsche mir diechristlichen Kirchen manchmal nochetwas engagierter.Der ehemalige bayerische M<strong>in</strong>isterpräsident,Edmund Stoiber, hatmal die Kirchen aufgefordert, sichmehr auf das Jenseits zu begrenzenund das Diesseits der Politik zu überlassen.Ich erhoffe mir das Gegenteil. Icherwarte von den Kirchen ‐ von me<strong>in</strong>ereigenen der evangelischen, genausowie von der katholischen ‐, dass sieihre Stimme dort deutlich erhebt, woFairness und Nachhaltigkeit <strong>in</strong> Vergessenheitgeraten, wo Unrecht geschieht,dort wo Schwache unterdie Räder kommen, wo die Renditeüber die Würde des Menschen gestelltwird. Wer tagtäglich mit denNöten und Sorgen der arbeitendenMenschen konfrontiert ist, der musssich auch zu den Problemen äußern,die Menschen heute verängstigenoder krank machen, der muss sich zuden Umständen äußern, die Menschen<strong>in</strong> Armut treiben oder <strong>in</strong> die Arbeitslosigkeit.Dass der Glaube an Gott und derE<strong>in</strong>satz <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e bessere Welt untrennbarzusammengehören, hatDietrich Bonhoeffer wunderbar zumAusdruck gebracht: "Wenn morgender Jüngste Tag anbricht, dann wollenwir gerne die Arbeit <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e bessereZukunft aus der Hand legen.Vorher aber nicht" Christ se<strong>in</strong> und sichengagieren <strong>in</strong> dieser Welt bedeutet,ständig deutlich zu machen, dassMenschen mehr wert s<strong>in</strong>d, als Masch<strong>in</strong>en,auch wenn es sich <strong>in</strong> der Bilanzdes e<strong>in</strong>zelnen Unternehmens nicht sozu rechnen sche<strong>in</strong>t.Wenn „Wirtschaft“ mehr ist, alsUnternehmensbilanzen, Standortverlagerungenund Masch<strong>in</strong>enlaufzeiten,wenn Wirtschaftspolitik auch etwaszu tun hat mit den e<strong>in</strong>zelnen Arbeitnehmer<strong>in</strong>nenund Arbeitnehmern, mitihren Ängsten und Sorgen, mit ihrerTeilhabe am gesellschaftlichen Lebenund ihren Entfaltungschancen. Wennwir also e<strong>in</strong>en solchen ‐ umfassenden‐ Begriff von Wirtschaftspolitik zuGrunde legen, dann stelle ich fest:Es gibt e<strong>in</strong>e wirtschaftspolitischeKompetenz, die bei den Kirchen vielmehrzu f<strong>in</strong>den ist, als z.B. <strong>in</strong> denTalk‐Shows mit Politikern und Professorender Wirtschaft.Deshalb me<strong>in</strong>e Aufforderung anEuch alle: mischt euch e<strong>in</strong>, wir brauchendiese wirtschaftspolitische Kompetenzder Christen und ihrer Kirchen,lasst Euch den Mund nicht verbieten‐ weder durch Kritiker <strong>in</strong> derKirche und schon gar nicht durch solchevon außen. Warum wundern sicheigentlich manche, wenn die Christenund/oder Gewerkschafter versuchenPolitik und Ethik zu verb<strong>in</strong>den, vielverwunderlicher ist doch der VersuchPolitik und Ethik vone<strong>in</strong>ander zu trennen.Die wachsende Armut. Immermehr Menschen die jede Woche 40Stunden (und mehr), hart arbeitenund dennoch nicht genug zum Lebenhaben, Arbeit hart an der Grenze zuGottes Lohn, der unerträgliche Missbrauchder Leiharbeit, Menschen, die<strong>für</strong> die gleiche Arbeit 40 oder 50 %weniger Lohn bekommen als die Festange‐stelltenund dabei auch noch jedenTag Angst haben müssen ihrenArbeitsplatz zu verlieren.Die nicht vorhandenen Chancenvon K<strong>in</strong>dern aus bildungsfernenSchichten, die Sozialstaatsdebatten ála Westerwelle ‐ Themen gibt es mehrals genug. Themen bei denen Kircheals diakonische Kirche gefragt ist.Aber auch als gesellschaftliche Kraft,die sich deutlich zu Wort meldet.Themen bei denen ich viele Geme<strong>in</strong>samkeitenzwischen Kirchen und Gewerkschaftensehe. Ja, es gibt auchTrennendes, zwischen Kirchen undGewerkschaften ‐ ich sage nur: Stichwort:3. Weg ‐ aber es gibt eben auchviele Geme<strong>in</strong>samkeiten.Diese Geme<strong>in</strong>samkeiten lasst unsnicht vergessen und geme<strong>in</strong>sam weiterstreiten ‐ jeder an se<strong>in</strong>em Platz.Ich gratuliere ganz herzlich zum<strong>60</strong>. Geburtstag ‐ macht weiter so.Grußwort:Dieter Wagner, ACA‐Landesvorsitzender <strong>in</strong> BayernVon Herzen übermittle ich <strong>für</strong> die <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong>Christlicher Arbeitnehmerorganisationen(ACA) <strong>in</strong>Seite 5 von 25Bayern die besten Grüße und Glückwünschezum <strong>60</strong>. Geburtstag der EAGBayern und sage Dank und Anerkennung<strong>für</strong> die kooperative und vertrauensvolleZusammenarbeit <strong>in</strong> den verschiedenenAnliegen der <strong>soziale</strong>n


Selbstverwaltung.Die ACA Bayern war e<strong>in</strong>er der erstenökumenischen Zusammenschlüsse,mit dem Ziel, die Beteiligung derChristen im Bereich‐ der Selbstverwaltung (Krankenkassen,Berufsgenossenschaften, Handwerkskammern),‐ der Gerichte (ehrenamtliche Arbeits‐und Sozialrichter,‐ der Mitsprache im Handwerk (Berufsbildungsausschüsse,Prüfungsausschüsse)und‐ der Beteiligung von Bürgern (Verbraucherund Landesplanung) zu ermöglichen.Dieter WagnerIn e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der die Mitentscheidungsmöglichkeitender Bürgerimmer mehr e<strong>in</strong>geschränkt werden(wir erfahren dies <strong>in</strong> der Selbstverwaltung,bei den Richtern, bei derBeratung von staatlichen Entscheidungen)s<strong>in</strong>d breite Bündnisse <strong>für</strong>mehr Beteiligung von besonderer Bedeutung.Die Ause<strong>in</strong>andersetzungenum Regulierungen und Reformen prägenden politischen Alltag. Streitfragenkommen neu auf oder kehrenkonjunkturartig wieder. Politischeund gesellschaftliche Gruppen vertretenunterschiedliche Interessen undnehmen vone<strong>in</strong>ander abweichendStellung zum jeweiligen Sachverhalt.Sozialpolitische Themen berührenjedoch die Lebenssituation großerTeile der Bevölkerung und werdendaher oftmals besonders kontroversdiskutiert.Die gegenwärtige Diskussion überdie Kernprobleme unserer wirtschaftlichenund <strong>soziale</strong>n Situation s<strong>in</strong>ddeutlich davon gekennzeichnet, dassjede Gruppe, jede Partei, jede gesellschaftlicheGröße ihren je eigenenLösungsweg vertritt. Es s<strong>in</strong>d Lösungswegeanzustreben, die nach Möglichkeitensuchen, wie die Belange derBenachteiligten und Schwächerenwahrgenommen werden können.Lösungen s<strong>in</strong>d im Mite<strong>in</strong>ander zusuchen, das hat mit Grundorientierungene<strong>in</strong>er demokratischen, mündigenund verantwortlichen Gesellschaftzu tun. Niemand kann <strong>für</strong> sichalle<strong>in</strong> die richtige Lösung haben.E<strong>in</strong>e Gesellschaft ist auf die breiteMitwirkung und Mitsprache ihrer Bürgerund Bürger<strong>in</strong>nen und der engagiertenGruppen konstitutiv angewiesen.Über die Zukunft der Gesellschaftkönnen nicht alle<strong>in</strong>e die Experten derstaatlichen Adm<strong>in</strong>istration und derWissenschaft bef<strong>in</strong>den, weil sie nichtüber die notwendige Kompetenz <strong>in</strong>humanitären und zwischenmenschlichen<strong>Fragen</strong> verfügen und über dieBef<strong>in</strong>dlichkeiten der Betroffenen unddie besonderen Problemlagen zuweilennur unzureichend Bescheid wissen.Hier müssen auch die Kundigen vorOrt, Geme<strong>in</strong>den, Kirchen, Caritas undDiakonie beteiligt se<strong>in</strong>.Verantwortbare und zukunftsweisendeLösungen bedürfen des geme<strong>in</strong>samenAustausches und desR<strong>in</strong>gens um die bestmöglichsten undpraktikabelsten Lösungen <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Zukunft<strong>in</strong> Solidarität und Gerechtigkeit.Es ist e<strong>in</strong> wichtiger Dienst, den dieKirchen leisten, wenn sie das geme<strong>in</strong>sameGespräch <strong>in</strong> der Gesellschaftanstoßen und zu e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samenNachdenken auffordern. Da, wo Defizites<strong>in</strong>d, Defizite an Dialogbereitschaftund Wahrnehmungsfähigkeit,Defizite an E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die Problemeder Menschen und ihre Bedürfnisse,dort können die Kirchen den Dialoganstoßen und auch vorhandene Dialogbereitschaft<strong>in</strong> der Gesellschaft zustärken versuchen.Gerade uns Kirchen ist der Auftraggegeben, die Zusammenarbeit mit allenMenschen guten Willens zu suchenund zu pflegen. Wir werden nichtaufhören, dies immer wieder zu lernenund zu praktizieren: mite<strong>in</strong>anderzu reden, aufe<strong>in</strong>ander zu hören undLösungen geme<strong>in</strong>sam zu suchen.Dazu bedarf es <strong>soziale</strong>r Bewegungenund <strong>soziale</strong>r Bündnisse.Statement:Dr. Johannes Rehm, Leiter des Kirchlichen Diensts <strong>in</strong> derArbeitswelt der evang.‐luth. Kirche <strong>in</strong> BayernIm Juni diesen <strong>Jahre</strong>s nahm ich amTransformationskongress 2012 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>teil. Der Kongress stand unter demMotto: Nachhaltig handeln – Wirtschaftneu gestalten – Demokratiestärken. Der Kongress wurde veranstaltetvom Deutschen Gewerkschaftsbund,dem DeutschenNaturschutzr<strong>in</strong>g und E<strong>in</strong>richtungender evangelischen Kirche. InzwischenSeite 6 von 25s<strong>in</strong>d die zahlreichen Teilnehmendenauf dem Weg vom Kongress zum Prozess,zu e<strong>in</strong>em neuen Bündnis an demder Kirchliches Dienst <strong>in</strong> der Arbeitsweltaktiv beteiligt ist. Ich setze auf


dieses neue Bündnis große Hoffnungen,dass es mitbeiträgt zu e<strong>in</strong>erTransformation des Bewusstse<strong>in</strong>s <strong>für</strong>e<strong>in</strong>e gerechtere Welt. Im Folgendenmöchte ich <strong>soziale</strong>thische Anliegenbenennen, die der kda aus me<strong>in</strong>erSicht <strong>in</strong> diesen Transformationsprozesse<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen sollte.1.Wertschätzung der ArbeitDer Lebensbereich Arbeit erhält ausder Perspektive christlicher Ethik, geradeauch <strong>in</strong> der reformatorischerTradition, e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert.Arbeit ist <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne Mitarbeit <strong>in</strong>der Schöpfung Gottes. „So geht dannder Mensch aus an se<strong>in</strong>e Arbeit undan se<strong>in</strong> Werk bis an den Abend“, soheißt es im Psalm 104, Vers 23. Fürdie Bibel ist es e<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit,dass Menschen arbeiten undsich und die ihren von ihrer HändeArbeit ernähren. Es ist e<strong>in</strong>fach diemenschliche Lebensform zu arbeiten.Der Mensch ist nach Luther <strong>für</strong> e<strong>in</strong> tätigesLeben geschaffen „wie der Vogelzum Fliegen“. Er darf sich alsEbenbild und als Mitarbeiter Gottesverstehen. Arbeit, das heißt die eigenenGaben so gut wie möglich <strong>in</strong> derWelt und <strong>für</strong> die Mitmenschen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>genund zu entfalten. Dies tun zukönnen, ist auch e<strong>in</strong> Ausdruck derWürde des Menschen.Welche Bedeutung die Arbeit <strong>für</strong>Mensch und Gesellschaft hat, merktman, wenn sie knapp wird. Seit fastvier Jahrzehnten beklagen wir Massenarbeitslosigkeit<strong>in</strong> Deutschland.Sie gilt als das zentrale sozialpolitischeProblem. Die Kirchen haben vordiesem H<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong> Ihrem wichtigenGeme<strong>in</strong>samen Wort von 1997 e<strong>in</strong>„Menschenrecht auf Arbeit“ postuliert.Auch wenn die Zahl der registriertenArbeitslosen zuletzt auf dreiMillionen zurückgegangen ist und wiruns darüber freuen dürfen, dass derArbeitsmarkt die F<strong>in</strong>anzkrise bislangverkraftet hat, s<strong>in</strong>d wir vom Ziel derVollbeschäftigung noch e<strong>in</strong> weitesStück entfernt.E<strong>in</strong> Fortschritt <strong>in</strong> der Debatte derletzten <strong>Jahre</strong> war es aber ohne Zweifel,dass neben der Quantität der Arbeitsplätzeauch die Qualität derArbeitsplätze wieder Gegenstand unsererAufmerksamkeit und unsererpolitischen Forderungen gewordenist. Das Motto „Hauptsache Arbeit –egal um welchen Preis“ hat die <strong>soziale</strong>Spaltung am Arbeitsmarkt nichtverr<strong>in</strong>gert, sondern vertieft, „GuteArbeit“ist e<strong>in</strong> politisches Leitmotiv,dem wir uns als arbeitsweltbezogeneKirche voll anschließen.Denn auch der Kirchliche Dienst <strong>in</strong>der Arbeitswelt beobachtet vor Ort <strong>in</strong>den Betrieben, dass Erwerbsarbeitunter dem Druck steht, immer marktförmigerzu werden. Die Ware Arbeitsoll flexibel, billig, austauschbar se<strong>in</strong>– ohne große Rücksicht auf den Menschen,der an dieser Ware dranhängt.Leiharbeit, Befristungen, prekäreSelbstständigkeit, M<strong>in</strong>i‐ und Multijobber– die Arbeitswelt hat <strong>in</strong> den letzten<strong>Jahre</strong>n amerikanische Zügeangenommen. Dazu zählt auch e<strong>in</strong>eforcierte Lohnspreizung, also E<strong>in</strong>kommenszuwächsebei den Spitzenverdienern,stagnierende Reallöhne <strong>in</strong> derMitte und s<strong>in</strong>kende Reallöhne bei denohneh<strong>in</strong> schon niedrigen E<strong>in</strong>kommen.Laut e<strong>in</strong>er aktuellen Untersuchungdes Instituts <strong>für</strong> Arbeitsmarkt‐ undBerufsforschung (IAB) bef<strong>in</strong>den sichdie Löhne der Ger<strong>in</strong>gqualifizierten <strong>in</strong>unserem Land preisbere<strong>in</strong>igt wiederauf dem Niveau, das sie e<strong>in</strong>mal Mitteder 80er <strong>Jahre</strong> hatten.E<strong>in</strong> fundamentales Gerechtigkeitsproblemsehen wir vom KirchlichenDienst <strong>in</strong> der Arbeitswelt, wenn Menschen,die bisher eigentlich aus ihrereigenen Kraft und Lebensleistung <strong>für</strong>sich sorgen konnten, auf ergänzendeSozialleistungen angewiesen s<strong>in</strong>d.Wir empören uns, wenn Erwerbstätigenach getaner Arbeit noch zum Sozialamtbzw. Job Center gehen müssen,um dort das zu bekommen, was ihnenzum Leben fehlt. Dieser Trend verändertden Charakter unserer SozialenMarktwirtschaft. Es ist e<strong>in</strong>e Paradoxiedes Liberalismus, dass oft dort, wo erauf unregulierte Marktkräfte setzt,Seite 7 von 25Dr. Johannes Rehmschon bald der Staat wieder herbeigerufenwerden muss – ob bei den geplatztenBlasen am F<strong>in</strong>anzmarkt oderbei den Armutslöhnen am Arbeitsmarkt.So selbstverständlich es der Bibelist, dass die Arbeit zur Lebensformdes Menschen gehört, so selbstverständlichist es, dass der Arbeiter se<strong>in</strong>erSpeise wert ist (Mt. 10,10). DerArbeiter soll ja sich und se<strong>in</strong>e Familievon den Früchten se<strong>in</strong>er Arbeit ernährenkönnen. Der Verweigerung desLohnes gilt deshalb die prophetischeKritik des Jeremia 22, 13: „Weh dem,der se<strong>in</strong> Haus mit Sünden baut undse<strong>in</strong>e Gemächer mit Unrecht, der se<strong>in</strong>enNächsten umsonst arbeiten lässtund gibt ihm se<strong>in</strong>en Lohn nicht.“Wenn <strong>in</strong> unserer Gesellschaft Arbeitso hohe Wertschätzung erfährt, dannmuss sich das auch <strong>in</strong> der Bezahlungam unteren Ende der Lohnskala spiegeln.Arbeitsleistung muss anständigentlohnt werden – und zwar m<strong>in</strong>destensso, dass der Arbeitnehmende davonleben kann. Wenn über zweiMillionen Beschäftigte nach Zahlendes Instituts <strong>für</strong> Arbeit und Qualifikation(IAQ) <strong>für</strong> weniger als sechs Eurodie Stunde brutto. arbeiten, s<strong>in</strong>dLohnuntergrenzen e<strong>in</strong>e Frage höchsterDr<strong>in</strong>glichkeit. Die vielen guten,auch ökonomischen Argumente <strong>für</strong>den M<strong>in</strong>destlohn setzen sich nachme<strong>in</strong>er Wahrnehmung <strong>in</strong> der Debatte


auch nach und nach durch. E<strong>in</strong>eMehrheit der Bevölkerung will ihn. Inzehn Branchen s<strong>in</strong>d mittlerweile M<strong>in</strong>destlöhnevere<strong>in</strong>bart. Für e<strong>in</strong>en allgeme<strong>in</strong>enGesetzlichen M<strong>in</strong>dest‐lohnaber, der <strong>in</strong> vielen Ländern doch bereitse<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit ist,müssen wir uns hier weiterh<strong>in</strong> starkmachen.In all diesen <strong>Fragen</strong> s<strong>in</strong>d natürlichauch wir Kirchen als große Arbeitgeberangesprochen und stehen selbst<strong>in</strong> manchen Bereichen vor Herausforderungen.Das Ziel guter und fairerArbeit gilt dabei übrigens nicht nur<strong>für</strong> den so genannten ersten Arbeitsmarkt,sondern auch <strong>für</strong> den geförderten,<strong>soziale</strong>n Arbeitsmarkt, <strong>in</strong> demsich kirchliche Verbände wie die Diakonieengagieren. Auch <strong>für</strong> geförderteArbeit sollte gelten, dass sie sozialversicherungspflichtig,arbeitsvertraglichgeregelt und existenzsicherndse<strong>in</strong> muss. Die Arbeitsmarktpolitik derletzten <strong>Jahre</strong> hat jedoch gerade dieInstrumente, die diesem Ziel noch amehesten entsprechen (z.B. ABM, Arbeitsgelegenheiten<strong>in</strong> Entgeltvariante)zurückgefahren oder abgeschafft.Die „Instrumentenreform“, die imletzten Jahr verabschiedet wurde undmit massiven Sparvorgaben verknüpftist, wird <strong>für</strong> viele arbeitsmarktferneMenschen absehbar sogar das Endejeder Förderung bedeuten.Alle Politik muss sich daran messenlassen, wie gut es ihr gel<strong>in</strong>gt Bed<strong>in</strong>gungenda<strong>für</strong> zu schaffen, dassLangzeitarbeitlose e<strong>in</strong>e neue Chanceauf dem Arbeitsmarkt bekommen. Das<strong>soziale</strong> Menschenrecht auf Arbeit gilteben auch <strong>für</strong> diejenigen Menschen,die von der Wirtschaft auf den erstenBlick nicht gebraucht zu werdensche<strong>in</strong>en.2. Arbeit ist nicht allesWas wird <strong>in</strong> unserer Arbeitsgesellschaftmit denen, die dauerhaft ke<strong>in</strong>eArbeit haben? Aus Sicht evangelischerEthik ist bei aller Wertschätzung derArbeit zugleich vor ihrer Überhöhungzu warnen. Der Mensch ist mehr alse<strong>in</strong> Arbeiter und e<strong>in</strong> Leistungserbr<strong>in</strong>ger.Zum e<strong>in</strong>en gilt es, e<strong>in</strong>e übermäßigeFokussierung auf Erwerbsarbeitzu überw<strong>in</strong>den, die doch nur e<strong>in</strong>evon mehreren Formen der Mitarbeit <strong>in</strong>der Schöpfung Gottes darstellt, etwaneben Familienarbeit oder bürgerschaftlichemEngagement. Zum anderenmuss verh<strong>in</strong>dert werden, dass <strong>in</strong>der marktgeprägten LeistungsgesellschaftMenschen nur noch nach ihremErfolg im Erwerbsleben bewertet undnicht wenige damit zu Verlierern gestempeltwerden. Bei allen notwendigenAnstrengungen, möglichst vieleMenschen an Arbeit teilhaben zu lassen,ist es gerade aus reformatorischerSicht e<strong>in</strong>e Aufgabe der Kirche,„deutlich zu machen, dass derMensch von Gott angenommen ist vorjeder eigenen Leistung und <strong>in</strong> diesemSeite 8 von 25Bewusstse<strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Verhältnis zurArbeit bekommt.“ (Arbeit <strong>für</strong> alle?Ziff. 9).E<strong>in</strong> gutes Verhältnis zur Arbeit bedeutetauch, der Arbeit e<strong>in</strong>mal Grenzenzu setzen. E<strong>in</strong>e sehr alte Grenzeist biblischen Ursprungs: der Sabbat,<strong>für</strong> uns Christen der Sonntag. Er iste<strong>in</strong> biblischer Arbeitsschutz, e<strong>in</strong> Traditionselementunserer Sozial‐ undWirtschaftskultur. Der freie Sonntagweitet den Blick über die Knappheitsproblemeunseres verzweckten Alltagsh<strong>in</strong>aus. Am Sonntag erleben wirdie verheißene Fülle des Lebens. AmSonntag nehme ich mich noch e<strong>in</strong>mal<strong>in</strong> ganz anderer Weise als GeschöpfGottes wahr. Er bewirkt e<strong>in</strong> gesellschaftlichesAufatmen, das auch derWirtschaft gut tut, weil es dem Menschengut tut. Das zeigt sich auch anmessbaren Fakten: Menschen, diesonntags arbeiten müssen, erlebennachweislich ähnliche gesundheitlicheBelastungen wie Menschen imSchichtdienst – (s. z.B. Studien desArbeitspsychologen Prof. Dr. Nachre<strong>in</strong>er).Den Sonntag zu bewahren ist nichtzuletzt e<strong>in</strong>e politische Aufgabe, derenBewältigung allerd<strong>in</strong>gs zunehmendprekär ersche<strong>in</strong>t. Bundesweit liegt dieZahl der Erwerbstätigen, die gelegentlich,regelmäßig oder ständigauch an Sonn‐ oder Feiertagen arbeitenmüssen, laut Mikrozensus mittlerweilebei 11 Millionen, das s<strong>in</strong>d ca. 29Prozent der Erwerbstätigen. Wir zählenheute 3,3 Millionen Sonntagsarbeitermehr als noch vor 20 <strong>Jahre</strong>n.Zusammen mit den Gewerkschaftenund unseren katholischen Partnernhaben wir deshalb vor sechs <strong>Jahre</strong>ndie „Allianz <strong>für</strong> den freien Sonntag“gegründet, die auf allen Ebenen ‐ <strong>in</strong>vielen Bundesländern und zahlreichenKommunen und mittlerweile sogar aufEU‐Ebene <strong>in</strong> Brüssel ‐ mit der Politik<strong>in</strong> den Dialog tritt und die konsequenteE<strong>in</strong>haltung von Sonntagsschutzbestimmungene<strong>in</strong>fordert. Das Themaliegt, wie wir dabei merken, quer zuden parteipolitischen Lagern. In allenParteien f<strong>in</strong>den wir Unterstützer,


aber auch Gegner unserer Sache.3. Haus der GerechtigkeitWie ist nun e<strong>in</strong>e gute, e<strong>in</strong>e gerechteArbeitswelt erreichbar? Man könntesich gesellschaftliche Gerechtigkeitwie e<strong>in</strong> Haus mit drei Ebenen vorstellen:Se<strong>in</strong> Fundament steht <strong>für</strong> die gerechteTeilhabe e<strong>in</strong>es jedenMenschen. Jede und jeder erhältdurch dieses Fundament die Chance,an den Lebensmöglichkeiten und materiellenGütern des Geme<strong>in</strong>wesenszu partizipieren und sich mit ihren/se<strong>in</strong>enGaben und se<strong>in</strong>er Arbeitaktiv e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. In diesem Teil desHauses müsste z.B. endlich <strong>für</strong> armutsfesteHartz‐IV‐Regelsätze unde<strong>in</strong>en echten Rechtsanspruch auf Förderungim Fall von Arbeitslosigkeitgesorgt se<strong>in</strong>. Erst wenn dieser Zuganggesichert ist, kann im ersten Geschossdes Hauses die Leistungsgerechtigkeitzum Zuge kommen. Am Markt erzieltder Tüchtigere oder Glücklichere bessereErgebnisse und das ist legitim,wenn die Teilhabe aller gewährleistetbleibt. Doch auch am Markt muss esRegeln geben, damit niemand ausgebeutetwerden kann, etwa Lohnuntergrenzenoder das Pr<strong>in</strong>zip Equal Pay<strong>in</strong> der Leiharbeit. Das Dachgeschossschließlich sorgt <strong>für</strong> die Dauerhaftigkeitdes Gebäudes, damit es auchmorgen nicht h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>regnet. Dort könnendie Kriterien der Nachhaltigkeitberücksichtigt werden, zu denen etwaauch die nachhaltige F<strong>in</strong>anzierungdes Sozialstaats gehört. Hier wärez.B. an Maßnahmen wie e<strong>in</strong>e Verr<strong>in</strong>gerungder Steuerlast der unterenund mittleren E<strong>in</strong>kommen, an dieE<strong>in</strong>führung der F<strong>in</strong>anztransaktionssteuerund auch an e<strong>in</strong>e Vermögenssteuerzu denken.Im Haus der Sozialen Gerechtigkeitdarf man die Möbel verrücken odernotwendige Umbauten vornehmen.Man darf aber nicht das Dach e<strong>in</strong>reißenoder das Fundament gefährden.In den vergangenen zwei Jahrzehnten– über verschiedene Regierungs‐konstellationenh<strong>in</strong>weg – s<strong>in</strong>d so e<strong>in</strong>ige„Renovierungen“ vorgenommen worden,die der Stabilität nicht unbed<strong>in</strong>gtgut getan haben. Als Kirchetreten wir da<strong>für</strong> e<strong>in</strong>, dass das Hausder Gerechtigkeit stabil bleibt. D.h.auch, sich <strong>in</strong> der Rolle der Anwält<strong>in</strong><strong>für</strong> die Armen und Schwächeren bemerkbarzu machen. Es gilt, nach denReformwellen der vergangenen <strong>Jahre</strong>den hohen Wert <strong>in</strong>takter <strong>soziale</strong>r Sicherungs‐systemeund menschenwürdigerBed<strong>in</strong>gungen auf demArbeitsmarkt wieder <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung zurufen. Der <strong>soziale</strong> Friede ist e<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gung<strong>für</strong> das gute Leben aller –nicht nur der Hilfebedürftigen, sondernauch der Leistungsträger. An ihmerweist sich die Stärke e<strong>in</strong>er Gesellschaft.Wir streben nach e<strong>in</strong>er Gesellschaft,die geprägt ist von<strong>soziale</strong>m Frieden. Sozialer Friede,den wir uns sicher alle <strong>für</strong> unser Landwünschen, hat aber <strong>soziale</strong> Gerechtigkeitzur Voraussetzung. Die Bedeutsamkeitdes <strong>soziale</strong>n Friedens(oder: des Zusammenhangs von Gerechtigkeitund Frieden) nimmt bereitsder alttestamentliche ProphetJesaja vorweg, wenn er sagt: „Undder Gerechtigkeit Frucht wird Friedese<strong>in</strong>, und der Ertrag der Gerechtigkeitwird ewige Stille und Sicherheitse<strong>in</strong>.“ (Jes 32, 17)4. Ethik der NächstenschaftDas Doppelgebot der Gottes‐ undNächstenliebe bildet die grundlegendePerspektive der christlichen Ethik,so hat es das Geme<strong>in</strong>same Wort derKirchen 1997 zutreffend herausgestellt.Diese Perspektive führt zu e<strong>in</strong>eranderen Sicht des Mite<strong>in</strong>andersvon Menschen als der unter f<strong>in</strong>anzkapitalistischenBed<strong>in</strong>gungen üblichen:Der Mensch, mit dem ich zusammenarbeiteoder Handel treibe, ist <strong>in</strong> dieserPerspektive nicht irgendwer <strong>für</strong>mich, sondern er ist me<strong>in</strong> Nächster.Seite 9 von 25Diese andere Sicht führt zu e<strong>in</strong>ergrundsätzlich geme<strong>in</strong>wesensorientiertenHaltung oder, mit anderen Wortensie führt zu e<strong>in</strong>er Haltunggesellschaftlicher Solidarität.Diese geme<strong>in</strong>wesensorientierteHaltung wiederum führt konsequenterWeise zu e<strong>in</strong>em anderen Verständnisvon Wirtschaft. An die Stelle e<strong>in</strong>esWirtschaftsmodells, das vorrangig vonKonkurrenz und Wettbewerb bestimmtist, tritt hier e<strong>in</strong> Verständnisvon Wirtschaft als Kooperation. Alsgrundlegende an e<strong>in</strong>er Ethik derNächstenschaft orientierte Perspektivebe<strong>in</strong>haltet es e<strong>in</strong>e ständige Infragestellungallen politischen,wirtschaftlichen und kirchlichen Handelnsdurch das Kriterium christlicherSozialethik schlechth<strong>in</strong>, der es nichtauszuweichen gilt: „Die christlicheNächstenliebe wendet sich vorrangigden Armen, Schwachen und Benachteiligtenzu. So wird die Option <strong>für</strong>die Armen zum verpflichtenden Kriteriumdes Handelns.“ (GW 105)Die e<strong>in</strong>gangs angesprocheneTransformation des Bewusstse<strong>in</strong>s kanndurch e<strong>in</strong> breites Bündnis befördertwerden <strong>für</strong> das auch gesellschaftlicheGruppen gewonnen werden sollten,die bisher nicht beteiligt waren.Letztlich gel<strong>in</strong>gen wird sie nur, wennGott selbst se<strong>in</strong>en Geist dazugibt.Dankbar b<strong>in</strong> ich <strong>für</strong> Gruppierungen <strong>in</strong>unserer Kirche, die hier e<strong>in</strong>e sozialpolitischeVorreiterrolle e<strong>in</strong>nehmendazuzählt <strong>für</strong> mich <strong>in</strong> hohem Maßedie <strong>Evangelische</strong> <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong><strong>für</strong> Soziale <strong>Fragen</strong>, als der ältestenArbeitnehmerorganisation <strong>in</strong> unsererLandeskirche. Aus Anlass der <strong>60</strong> Jahrfeiermöchte ich von me<strong>in</strong>er Seite allenMitgliedern der EAG sehr herzlichgratulieren und <strong>für</strong> alles ehrenamtlicheEngagement danken. In großerDankbarkeit denke ich heute an unsereverstorbenen Kollegen DietrichGrille und Roland Steuerwald zurück.afa, EAG und kda haben <strong>in</strong> der letztenZeit erfreulicherweise zu e<strong>in</strong>er vertieftenKooperation gefunden. Ichfreue mich auf e<strong>in</strong>e weiterh<strong>in</strong> guteZusammenarbeit‐ vielen Dank!


Festvortrag:Dr. Helmut Platzer, Vorstand der AOK‐BayernDie Rolle der Selbstverwaltung und ihre Bedeutung <strong>für</strong> dieGesellschaft. Welche Bedeutung kommt den Verbänden zu?Dr. Helmut PlatzerMe<strong>in</strong>e sehr verehrten Damen undHerren,stellen Sie sich e<strong>in</strong>mal vor, es hättedas Selbstverwaltungsgesetz vom Februar1951 – also kurz bevor Ihre <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong>gegründet wordenist – so nicht gegeben. Und stellen Siesich weiter vor, die Politik hätte sichnach dem Ende der Nazi‐Diktaturnicht <strong>für</strong> die komplette Wiedere<strong>in</strong>setzungder selbstverwalteten Sozialversicherungentschieden, wie wir sieheute kennen, sondern <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e andereForm der Absicherung der großenLebensrisiken Alter, Krankheit, Unfallund Pflegebedürftigkeit sowie Arbeitslosigkeit.Das Bundesverfassungsgerichthat übrigens schonmehrmals betont, dass der Gesetzgeberauf diesem Gebiet e<strong>in</strong>e sehrgroße Gestaltungsfreiheit hat undauch andere Alternativen vom Grundgesetzgedeckt wären. So hätten diepolitisch Verantwortlichen von damalsauch m<strong>in</strong>destens zwei grundsätzlichverschiedene und völlig andere alsden tatsächlich gewählten Weg e<strong>in</strong>schlagenkönnen:Entweder hätte der Staat die Vorsorge<strong>für</strong> diese großen Lebensrisiken<strong>für</strong> die gesamte Bevölkerung selbst <strong>in</strong>die Hand nehmen und deren Versorgungüber Steuern statt über Sozialversicherungsbeiträgef<strong>in</strong>anzierenkönnen. So ähnlich haben die skand<strong>in</strong>avischenund angelsächsischen Länderihre Wohlfahrtsstaaten vorJahrzehnten aufgebaut. Oder derStaat hätte der Bevölkerung völligfreie Hand gelassen und die Absicherungihrer Lebensrisiken zum großenTeil dem Markt überlassen. So funktioniertes – allerd<strong>in</strong>gs mehr schlechtals recht – <strong>in</strong> den USA.Beide Wege – die staatliche unddie private Risikoabsicherung – werdenvon den genannten Ländern <strong>in</strong> ihrerRe<strong>in</strong>form schon längst nicht mehrverfolgt. Die skand<strong>in</strong>avischen Länderwie auch Großbritannien haben ihreehemals überwiegend steuerf<strong>in</strong>anziertenWohlfahrtsstaaten gehörig„gestutzt“ und bieten ihrer Bevölkerungnur noch e<strong>in</strong>e staatliche Grundsicherungmit vielfältigen privatenErgänzungsmöglichkeiten. Die traditionellhohen Steuerbelastungen mitdirekten und <strong>in</strong>direkten Steuern h<strong>in</strong>gegens<strong>in</strong>d den Ländern wie z. B.Schweden, Dänemark und Großbritannien(allesamt mit Spitzensteuersätzenzwischen 50 % und 56 %)erhalten geblieben.Dramatischer sieht es <strong>in</strong> den USAaus. Die US‐amerikanischen Bürgerund ihre Regierung müssen mit den„Kollateralschäden“ der globalen F<strong>in</strong>anzkrisefertig werden, die sich geradezukatastrophal auf dieüberwiegend privat f<strong>in</strong>anzierte Alters‐und Krankenversicherung <strong>in</strong> denUSA auswirken. Dennoch oder geradedeswegen muss der amerikanischeSeite 10 von 25Staat seit <strong>Jahre</strong>n <strong>für</strong> die Gesundheitsversorgungsozial schwacher Menschenund von Rentnern immer mehrSteuermittel aufbr<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong> Erfolgvon Obamas Gesundheitsreform wäredeshalb dr<strong>in</strong>gend notwendig, auchdamit endlich alle US‐Bürger e<strong>in</strong>e bezahlbareKrankenversicherung erhalten.Übrigens bekommen jetzt auch dierund 90 berufsständischen Versorgungswerke,die ebenfalls selbstverwalteteE<strong>in</strong>richtungen desöffentlichen Rechts s<strong>in</strong>d und die Rentenvon rund 800.000 Freiberuflern <strong>in</strong>Deutschland garantieren sollen, dienegativen Auswirkungen der globalenF<strong>in</strong>anzkrise <strong>in</strong> Form von dauerhafthistorisch niedrigen Z<strong>in</strong>sen zu spüren.Dies hat zur Folge, dass die Versorgungswerkezum<strong>in</strong>dest <strong>für</strong> die jüngerenFreiberufler ihreRentenversprechen nicht mehr haltenkönnen. In der privaten Versicherungswirtschaftsieht es <strong>für</strong> die Lebens‐und Krankenversicherungen vonMillionen Bürgern nicht viel andersaus. So steht – wie praktisch jedesJahr um diese Zeit – fest, dass zahlreicheprivate Krankenversicherungsunternehmendie Tarife vor allem <strong>für</strong>Neukunden bereits ab Dezember zwischen4 und 10 % anheben werden.Gerade jetzt zur Zeit der nochnicht ausgestandenen globalen F<strong>in</strong>anzkriseund der hoch verschuldetenöffentlichen Haushalte schauen deshalbandere Nationen nicht ohneGrund zum Teil neidvoll auf Deutschlandund den so genannte „DritteWeg“, den wir seit knapp 130 <strong>Jahre</strong>nmit unserem solidarischen und selbstverwaltetenSozialversicherungssystembeschreiten. Offenbar ohnegrößere Auswirkungen der globalenF<strong>in</strong>anzkrise und vor allem ohne E<strong>in</strong>‐


uch bei der Beschäftigung erweisensich die <strong>soziale</strong>n Sicherungssystemegeradezu lehrbuchhaft als e<strong>in</strong>e Artautomatischer Stabilisator. Das zeigtsich vor allem <strong>in</strong> dem dieses Jahr erreichtenHöchststand der Beschäftigungund e<strong>in</strong>em historisch e<strong>in</strong>malighohen Überschuss der Sozialkassen.Alle<strong>in</strong> die E<strong>in</strong>nahmeüberschüsse derSozialversicherung im ersten Halbjahr2012 <strong>in</strong> Höhe von 11,6 Mrd. € sorgenda<strong>für</strong>, dass trotz des kumulierten Defizitsvon Bund, Länder und Geme<strong>in</strong>den<strong>in</strong> Höhe von 3,3 Mrd. € erstmalsseit 2007 <strong>in</strong>sgesamt noch e<strong>in</strong> staatlicherE<strong>in</strong>nahmeüberschuss von 8,3Mrd. € verbucht werden kann. DieÜberschüsse der Sozialversicherunghelfen damit maßgeblich dem F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister,se<strong>in</strong>e Gesamtverschuldungzu drücken, die er nach Brüssel meldenmuss.Ersparen Sie mir bitte an dieserStelle e<strong>in</strong>e Fortsetzung der sche<strong>in</strong>barunerschöpflichen, im Ergebnis jedochunergiebigen Diskussion, was mandenn alles an Wohltaten mit diesenMilliardenüberschüssen der Sozialkassen– <strong>in</strong>sbesondere der gesetzlichenKrankenversicherung (GKV) – f<strong>in</strong>anzierenkönnte. Dazu nur so viel: kurioserweiseposaunen die teilweiseabenteuerlichsten Ideen, wie die momentanenÜberschüsse der Sozialversicherungam schnellsten wiederausgegeben werden könnten, geradediejenigen h<strong>in</strong>aus, die sich gar nichtan deren F<strong>in</strong>anzierung beteiligen. Politikerund die so genannten Leistungserbr<strong>in</strong>gerim Gesundheitswesen –allen voran Ärzte, Apotheker undKrankenhäuser – überbieten sich seitMonaten mit Vorschlägen und abnormenForderungen, das Geld, das dieBeitragszahler von ihrem hart erarbeitetenLohn aufbr<strong>in</strong>gen, quasi mitder Gießkanne gleich wieder auszuschütten.Befragt man h<strong>in</strong>gegen dieVersicherten selbst, dann spricht siche<strong>in</strong>e überwältigende Mehrheit da<strong>für</strong>aus, die momentanen Überschüsseder Sozialversicherung <strong>in</strong> deren Reservenzu belassen, um sie zur Stabilisierungder Beiträge <strong>in</strong> dem mitSicherheit kommenden wirtschaftlichenAbschwung sowie <strong>für</strong> die Verbesserungder Qualität derVersorgung vorzuhalten.Ebenso kommen regelmäßigdurchgeführte repräsentative Umfragenimmer wieder zum selben erfreulichenErgebnis: die überwiegendeMehrheit der Bevölkerung <strong>in</strong> Deutschlandbe<strong>für</strong>wortet die umfassende <strong>soziale</strong>und solidarische Absicherung dergroßen Lebensrisiken Alter, Arbeitslosigkeit,Krankheit und Pflegebedürftigkeit<strong>in</strong> ihren jetzigen Strukturen.Allen Unkenrufen zum Trotz hat dieBevölkerung großes Vertrauen <strong>in</strong> dieSicherheit und Verlässlichkeit unseresgegliederten Sozialversicherungssystems.Und die Geschichte gibt ihrRecht. Die solidarische selbstverwalteteSozialversicherung hat zweiWeltkriege, zwei Währungsreformen,die Weltwirtschaftskrise und die Wiedervere<strong>in</strong>igungnahezu unbeschadetüberstanden. Mit großer Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitwird sie auch die globale F<strong>in</strong>anzkrisesowie die damit verbundeneSchwächephase der EuropäischenWährungsunion „überleben“.An dieser Stelle könnte ich eigentlichme<strong>in</strong>en heutigen Festvortrag bereitsbeenden, nachdem ich Ihnen dieErfolgsgeschichte der solidarischen,selbstverwalteten Sozialversicherunggeschildert habe. Aber e<strong>in</strong> entschei‐Seite 11 von 25dender Faktor dieses Erfolges fehltnoch: die Rolle der Selbstverwaltung.Sie ist der eigentliche Kern des so genannten„Dritten Wegs“ zwischen denSteuerungsformen Staat und Markt;sie ist das tragende Pr<strong>in</strong>zip der <strong>soziale</strong>nSicherung <strong>in</strong> Deutschland. Gleichzeitigist sie Ausfluss des <strong>in</strong> Artikel 20des Grundgesetzes verankerten Sozialstaatsgebotes.Das Pr<strong>in</strong>zip der <strong>soziale</strong>n Selbstverwaltungleitet sich wiederum zw<strong>in</strong>gendaus den Ordnungspr<strong>in</strong>zipien ab,die unsere Soziale Marktwirtschaftmit ihren sozialstaatlichen Idealender <strong>soziale</strong>n Sicherheit und der <strong>soziale</strong>nGerechtigkeit seit Anbeg<strong>in</strong>n prägen:‐ das Solidaritätspr<strong>in</strong>zip,‐ das Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zip und‐ das Pr<strong>in</strong>zip der persönlichen Freiheitund Selbstverantwortung.Auf e<strong>in</strong>en Nenner gebracht lässtsich das Pr<strong>in</strong>zip der <strong>soziale</strong>n Selbstverwaltungfolgendermaßen umschreiben:„Soziale Selbstverwaltung bedeutetim materiellen S<strong>in</strong>ne im Rahmengesetzlicher Zielvorgaben die selbstverantwortliche,dezentralisierte Erfüllungdieser Aufgaben entsprechenddem Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zip durch Solidargeme<strong>in</strong>schaften.“(He<strong>in</strong>z Lampert/JörgAlthammer, 2007, Lehrbuch


der Sozialpolitik, S. 491).Was bedeutet dieses doch sehrnüchtern formulierte, aber gleichzeitigerhabene Pr<strong>in</strong>zip der <strong>soziale</strong>nSelbstverwaltung <strong>für</strong> Staat und Gesellschaft?Wie wird es tatsächlich <strong>in</strong>die Praxis umgesetzt?E<strong>in</strong>e wichtige und <strong>in</strong> der heutigenZeit der Überlastung des Staates mitvon ihm übernommenen Aufgabenund f<strong>in</strong>anziellen Lasten äußerst bedeutsameWirkung der <strong>soziale</strong>nSelbstverwaltung ist die Entlastungdes Staates. In Anbetracht von gut <strong>60</strong><strong>Jahre</strong>n Erfahrung mit der <strong>soziale</strong>nSelbstverwaltung <strong>in</strong> Deutschland nachdem Krieg wäre es durchaus denkbar,dass sich der Staat durch e<strong>in</strong>e weitereAusweitung der Selbstverwaltungsbereichenoch mehr entlasten könnte.Ich gehe sogar so weit und stelle dieThese auf, dass durch die vermehrteÜbernahme von hoheitlichen Aufgabendurch selbstverwaltete Institutionenund Träger die Qualität undEffizienz staatlicher Tätigkeit verbessertwird. Dass dem so ist, konntenund können wir alle zum Beispiel amProzess der Wiedervere<strong>in</strong>igungDeutschlands beobachten. Dem unermüdlichenE<strong>in</strong>satz Tausender Mitarbeiter<strong>in</strong>nenund Mitarbeiter derSozialversicherungsträger sowie derenSelbstverwaltungsmitgliedern ist eszu verdanken, dass seit dem erstenTag der Wiedervere<strong>in</strong>igung die <strong>soziale</strong>selbstverwaltete Renten‐, Kranken‐,Unfall‐ und Arbeitslosenversicherungzusätzlichen 17 Millionen Mitbürger<strong>in</strong>nenund Mitbürgern zur Verfügungsteht.Hätte die Politik damals e<strong>in</strong>en anderenWeg beschritten, wäre das„Projekt“ Wiedervere<strong>in</strong>igung wohlnicht gescheitert, aber mit Sicherheitwesentlich teurer <strong>für</strong> den Staat unddie Steuerzahler geworden. Denne<strong>in</strong>en erheblichen Teil der Wiedervere<strong>in</strong>igungslastentragen ausschließlichdie Beitragszahler der Sozialversicherung.Plausible Berechnungenvon Professor Fritz Beske bereits ausdem <strong>Jahre</strong> 2004 gehen davon aus,dass alle<strong>in</strong> die der GKV vom Staataufoktroyierten Wiedervere<strong>in</strong>igungslastendauerhaft 1,4 Beitragssatzpunkteund damit jährlich 14 Mrd. €ausmachen.Professor Beske hat weiter berechnet,dass zusätzliche 9 Mrd. €oder 0,9 Beitragssatzpunkte alle<strong>in</strong> <strong>in</strong>der GKV auf politische Entscheidungenzurückgehen, mit denen ausschließlichdie Beitragszahler undnicht – wie es ordnungspolitisch gebotenwäre – alle Steuerzahler zur Kassegebeten werden (z.B. stark reduzierteKrankenversicherungsbeiträge <strong>für</strong>Arbeitslose). Angesichts dieser offensichtlichungleichen, wenn nicht garungerechten Verteilung von Lastenoffenbart sich e<strong>in</strong>e sehr eigen‐artigeAuffassung der Politik über den Stellenwertdes sowohl <strong>für</strong> die Sozialver‐Seite 12 von 25sicherung als auch <strong>für</strong> die gesamteGesellschaft zentralen Solidaritätspr<strong>in</strong>zips.An diesem Beispiel zeigt sich außerdem,dass der Staat sehr gerneAufgaben an die Selbstverwaltung derSozialversicherung überträgt, derenTräger jedoch nur unzureichend mitden notwendigen F<strong>in</strong>anzmitteln ausstattet.M<strong>in</strong>destens ebenso widerwilligund nur sehr begrenzt stattet derStaat die <strong>soziale</strong> Selbstverwaltung mitder notwendigen Entscheidungsgewaltund Autonomie aus, die <strong>für</strong> e<strong>in</strong>selbstverantwortliches Handeln derTräger der <strong>soziale</strong>n Selbstverwaltungunabd<strong>in</strong>gbar s<strong>in</strong>d. Dieses übrigens seitvielen <strong>Jahre</strong>n von den verschiedenenRegierungen praktizierte Verhaltenstellt e<strong>in</strong>e klare Verletzung des Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zipsdar.Die praktischen Erfahrungen mitden politischen Entscheidungen vorallem <strong>in</strong> den letzten <strong>Jahre</strong>n zeigen,dass es ganz offensichtlich mit demVertrauen der Politik <strong>in</strong> die <strong>soziale</strong>Selbstverwaltung nicht weit her ist.Vielmehr ist e<strong>in</strong>e klare Tendenz zuerkennen, dass der Selbstverwaltungdurch die Politik zunehmend Kompetenzenentzogen werden. ZahlreichePolitiker der heutigen Generation offenbarene<strong>in</strong> zum<strong>in</strong>dest ambivalentes,wenn nicht gar ablehnendesVerhältnis gegenüber der <strong>soziale</strong>nSelbstverwaltung.Bestes Beispiel da<strong>für</strong> ist das 2009<strong>in</strong> Kraft getretene GKV‐Wettbewerbsstärkungsgesetzund e<strong>in</strong>ige der darauffolgenden,teilweise völligwidersprüchlichen gesundheitspolitischenEntscheidungen. Schon die BezeichnungGKV‐Wettbewerbsstärkungsgesetz unddie Häufung des Begriffs „Wettbewerb“im Gesetzestext erwecken denE<strong>in</strong>druck, jetzt solle dem bis datonicht sehr ausgeprägten Wettbewerbim Gesundheitswesen endlich „richtigLeben e<strong>in</strong>gehaucht“ und die Verantwortungder Selbstverwaltung ausgeweitetwerden. Tatsächlich ist dasGegenteil der Fall, wie ich Ihnen kurzdarlegen möchte.


Mit diesem Gesetz wurde erstmals<strong>in</strong> der Geschichte der Selbstverwaltungder GKV ihr wichtigstes Rechtgenommen: die F<strong>in</strong>anzhoheit und dasRecht jeder e<strong>in</strong>zelnen Krankenkasse,ihren Beitragssatz autonom zu bestimmen.Seit dem 1. Januar 2009 gilte<strong>in</strong> vom Gesetzgeber festzulegenderE<strong>in</strong>heitsbeitragssatz <strong>für</strong> alle Kassen.Die F<strong>in</strong>anzmittel werden den Kassenvom Bundesversicherungsamt aus demso genannten Gesundheitsfonds nachbestimmten Zuweisungskriterien(Morbi‐RSA) zugewiesen. Gleichzeitigwurden ehemals regionale Verhandlungskompetenzenauf E<strong>in</strong>zelkassenebenee<strong>in</strong>em neu gebildetenGKV‐Spitzenverband übertragen, der<strong>in</strong> zentralen Verhandlungen mit denSpitzen der Leistungserbr<strong>in</strong>gerverbändealle wesentlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungendes Leistungsgeschehensauf Bundesebene festlegt. Diese Entscheidungder damaligen Großen Koalitionist das genaue Gegenteil desansonsten <strong>in</strong> Sonntagsreden von vielenPolitikern hochgelobten Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zips.Und mit Wettbewerbhaben E<strong>in</strong>heitsbeitrag und Gesundheitsfondsgar nichts zu tun.Außerdem wird die persönlicheFreiheit und Selbstverantwortung derSelbstverwaltung vor Ort bestimmtnicht gestärkt, wenn die F<strong>in</strong>anzhoheitzentralisiert und die Verhandlungskompetenzzum großen Teil von derregionalen auf die Bundesebene verlagertwird. E<strong>in</strong>es der wesentlichenZiele des GKV‐Wettbewerbsstärkungsgesetzes– die „Qualitäts‐ und Effizienzsteigerungdurch Intensivierungdes Wettbewerbs auf Kassenseite“wird damit konterkariert. Versicherteund Patienten profitieren davonüberhaupt nicht.Aber e<strong>in</strong>e noch viel größere Bedrohung<strong>für</strong> die <strong>soziale</strong>, selbstverwalteteGKV geht von e<strong>in</strong>em jetzt geradeim parlamentarischen Verfahren„feststeckenden“ Gesetzesvorhabenaus. Die Regierungskoalition hat dieAbsicht, mit e<strong>in</strong>er Wettbewerbsnovelledas Kartell‐ und Wettbewerbsrechtim Wesentlichenune<strong>in</strong>geschränkt auch auf die gesetzlichenKrankenkassen zu übertragen,obwohl sie als selbstverwaltete Körperschaftendes öffentlichen Rechtskaum mit privaten Wirtschaftsunternehmenvergleichbar s<strong>in</strong>d. So ist zumBeispiel den gesetzlichen Krankenkassendie Gew<strong>in</strong>nerzielung verbotenund sie unterliegen als E<strong>in</strong>richtungendes öffentlichen Rechts nicht derSteuerpflicht. Sollte der EuropäischeGerichtshof <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er kurz bevorstehendenEntscheidung dieses Gesetzesvorhabender Bundesregierung alsweiteres Indiz <strong>in</strong>terpretieren, dassunsere gesetzlichen Krankenkassenvielmehr als privatwirtschaftliche Unternehmungenanzusehen wären,droht der selbstverwalteten <strong>soziale</strong>nKrankenversicherung <strong>in</strong> Deutschlanddie Zerschlagung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er jetzigenForm. Dies hätte geradezu dramatische,weil unumkehrbare und historischbisher noch nie dageweseneKonsequenzen.Körperschafts‐ und Gewerbesteuerpflichtsowie die Streichung vonjährlich 14 Mrd.€ Steuerzuschüssen,die von der EU dann als verboteneBeihilfen gewertet würden, verteuertendie Krankenversicherung <strong>für</strong> 70Millionen Bürger horrend. E<strong>in</strong>e <strong>soziale</strong>Selbstverwaltung der dann privatisiertenKrankenversicherungsunternehmengäbe es nicht mehr. Warumsollte sich auch Brüssel bzw. der EuropäischeGerichtshof <strong>für</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong> ganzEuropa nahezu e<strong>in</strong>zigartiges Systemder <strong>soziale</strong>n Selbstverwaltung e<strong>in</strong>ese<strong>in</strong>zelnen Mitglieds stark machen?Gleichzeitig würde Deutschland se<strong>in</strong>enationale Gestaltungshoheit über dasGesundheitswesen an die EU verlieren.Diese Argumente, die die Kassenschon vor Monaten e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich sowohlan die Politiker der Regierungskoalitionals auch an die Ländergerichtet haben, veranlassten wohle<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelnen CSU‐Politiker, dieVerabschiedung der Kartellrechtsnovelleim letzten Augenblick zum<strong>in</strong>destzu verschieben.Wie Sie anhand dieser Beispieleaus dem Gesundheitsbereich sehen,Seite 13 von 25liegt offen‐sichtlich der Politik nichtmehr viel an e<strong>in</strong>em seit rund 130 <strong>Jahre</strong>ngewachsenen, selbstverwaltetenSozialversicherungssystem. Zum<strong>in</strong>destmuss man dem e<strong>in</strong>en oder anderenPolitiker unterstellen, dass er dieKonsequenzen se<strong>in</strong>es Tuns wohl nichtganz überblickt. Denn welch schwerwiegendenFolgen e<strong>in</strong> ause<strong>in</strong>anderbrechendesselbstverwaltetesGesundheitswesen haben könnte, erkennendiese Personen erst dann,wenn es unwiederbr<strong>in</strong>glich verlorengegangen ist.Dies wäre aber e<strong>in</strong> Schlag <strong>in</strong>s Gesichtvon vielen Tausenden zumeistehrenamtlich tätigen Frauen undMännern <strong>in</strong> der Selbstverwaltung der<strong>soziale</strong>n Krankenversicherung. In diesemZusammenhang komme ich zumSchluss noch auf die Beantwortungder Frage, die mir <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Vortragquasi als Zweitüberschrift „untergeschoben“wurde – Welche Bedeutungkommt den Verbänden zu?E<strong>in</strong> unschätzbar großer Vorteil derSelbstverwaltung vor allem <strong>in</strong> der gesetzlichenKrankenversicherung besteht<strong>in</strong> ihrer Nähe zu denVersicherten und Arbeitgebern undgleichzeitig <strong>in</strong> ihrer Distanz zu denVerbänden. Erschrecken Sie jetztnicht – ich me<strong>in</strong>e damit nicht Sie,sondern vor allem die (Lobby‐) Verbändeder Leistungserbr<strong>in</strong>ger im Gesundheitswesen.Verbände wie IhreEAG, aber auch die Gewerkschaften


stärken h<strong>in</strong>gegen die Kompetenz dervon ihnen <strong>in</strong> die Selbstverwaltungsgremiender Sozialversicherung entsandtenFrauen und Männer. 70Millionen Versicherte der gesetzlichenKranken‐ und Pflegekassen, aber auchder Renten‐ und Arbeitslosenversicherungverlassen sich darauf, dassihre vitalen Interessen von kompetentenFrauen und Männern <strong>in</strong> denSelbstverwaltungsgremien gut vertretenwerden.Wie Sie wahrsche<strong>in</strong>lich bereitswissen, beabsichtigt die Politik nochvor den nächsten Sozialwahlen 2017e<strong>in</strong>e Reform der <strong>soziale</strong>n Selbstverwaltung.E<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise auf möglichereformbedürftige Elementeenthält der vor wenigen Wochen vorgelegteSchlussbericht des Bundeswahlbeauftragten<strong>für</strong> dieSozialversicherungswahlen zu den Sozialwahlen2011. Sicherlich kann mantrefflich darüber streiten, ob weiterh<strong>in</strong><strong>für</strong> die meisten Krankenkassen diebisherige Form der Friedenswahlengelten soll, oder ob alle Kassen künftigUrwahlen verpflichtend durchführenmüssen. Dabei sollte man jedochbedenken, dass noch mehr als aufVersichertenseite die Arbeitgeber <strong>in</strong>der Selbstverwaltung schon bislangallergrößte Besetzungsschwierigkeitenbei der Listenaufstellung zu bewältigenhaben.Gegen mehr Wahlmöglichkeitenund s<strong>in</strong>nvollen Wettbewerb ist <strong>in</strong> der<strong>soziale</strong>n Selbstverwaltung ebenso wenige<strong>in</strong>zuwenden wie <strong>in</strong> der Politik.Was aber konsequent ausgeschlossenwerden muss ist die Möglichkeit derInfiltration der Selbstverwaltungsgremienmit Lobbyisten der Leistungserbr<strong>in</strong>ger,die sich über „Tarnlisten“oder im Wettbewerb zue<strong>in</strong>anderstehendenVerbänden Zugang zu denKrankenkassen verschaffen wollen.Ebenso trefflich kann man über e<strong>in</strong>eStärkung der demokratischen Legitimationder <strong>soziale</strong>nSelbstverwaltung an sich oder überdie Erhöhung der Attraktivität der Sozialwahlenund damit der Wahlbeteiligungder sozialversichertenMitglieder diskutieren. Die Wahlbeteiligungan den Sozialwahlen lagaber seit jeher kaum über 30 %. Deshalbist es fraglich, ob 50 bis 70 %Wahlbeteiligung, die (bisher) bei politischenWahlen üblich s<strong>in</strong>d, <strong>für</strong> Sozialwahlenals e<strong>in</strong>e realistische,anzustrebende Zielgröße dienen können.Statt letztendlich „kosmetischerRetuschen“ am Wahlmodus <strong>für</strong> dieSelbstverwaltung bedarf es vielmehre<strong>in</strong>er grundlegenden Stärkung derHandlungskompetenz der Selbstverwaltungund dabei <strong>in</strong>sbesondere derFörderung der ehrenamtlichen Mitarbeit<strong>in</strong> den verschiedenen Gremiender Selbstverwaltung. Denn letztendlichsteht und fällt die Qualität derSeite 14 von 25Arbeit der <strong>soziale</strong>n Selbstverwaltungmit der Bereitschaft von Frauen undMännern, sich überhaupt <strong>für</strong> die ehrenamtlicheTätigkeit <strong>in</strong> den SelbstverwaltungsgremienderSozialversicherung zur Verfügung zustellen. Und da sehe ich bislang nicht,wie die Politik diese Bereitschaft <strong>in</strong>sbesonderebei jüngeren Menschenfördern will. Auch zur Stärkung derKompetenz der Frauen und Männer <strong>in</strong>den Selbstverwaltungsgremien derSozialversicherung habe ich bishervon der Politik noch ke<strong>in</strong>erlei Vorschlägevernommen.An dieser Stelle kommt die zentraleRolle der Verbände <strong>für</strong> die <strong>soziale</strong>Selbstverwaltung <strong>in</strong>s Spiel.Gerade Sie leisten mit Ihrer EAG,oder auch vergleichbare Verbände sowiedie Gewerkschaften wertvolleund von der Politik viel zu ger<strong>in</strong>g geschätzteArbeit. Die Schulung und <strong>in</strong>tensiveVorbereitung auf dieSelbstverwaltungstätigkeit ist e<strong>in</strong>ewesentliche Voraussetzung da<strong>für</strong>,dass dem Hauptamt <strong>in</strong> den Krankenkassenkompetente und motivierteMitglieder der Selbstverwaltung gegenüberstehen.Nur dann können sichdie Versicherten sicher se<strong>in</strong>, dass ihreInteressen auch wirklich gut vertretenwerden. Und nur durch e<strong>in</strong>e kompetenteSelbstverwaltung kann e<strong>in</strong>ewirkungsvolle Kontrolle des Hauptamtesgel<strong>in</strong>gen.Wenn Politiker <strong>in</strong> Sonntagsredendas hohe Lied über das Ehrenamt anstimmenund jedes Jahr Orden an Ehrenamtlicheverteilen, dann me<strong>in</strong>ensie <strong>in</strong> den seltensten Fällen die ehrenamtlichenMitglieder der Selbstverwaltung<strong>in</strong> der Sozialversicherung.Das mag wohl auch daran liegen, dassdie vielen Frauen und Männer <strong>in</strong> denSelbstverwaltungsgremien der Sozialversicherungsträgerseit Jahrzehntenihre Arbeit „geräuschlos“ quasi imH<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>es seit 130 <strong>Jahre</strong>n gutfunktionierenden <strong>soziale</strong>n Sicherungssystemsausüben. E<strong>in</strong>e offensivereund verbesserte Öffentlichkeitsarbeitnach der Devise „tue Gutes und rededarüber“ sowie e<strong>in</strong>e wirklich gute


Vernetzung aller Akteure <strong>in</strong> denSelbstverwaltungsgremien könnte derenTätigkeit der Bevölkerung näherbr<strong>in</strong>gen.Und an die Politik richte ich abschließendnoch den dr<strong>in</strong>genden Appell:statt regelmäßig e<strong>in</strong>en Kniefallvor den Lobby‐Verbänden der Leistungserbr<strong>in</strong>gerim Gesundheitswesenund teilweise sich deren Argumentezu eigen zu machen, sollten sich unsereVolksvertreter une<strong>in</strong>geschränkth<strong>in</strong>ter die ehrenamtlich tätigen Menschenund deren Verbände <strong>in</strong> der <strong>soziale</strong>nSelbstverwaltung stellen.Gerade jetzt zu e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der dieglobale F<strong>in</strong>anzkrise viele MillionenMenschen weltweit um die Früchteihrer lebenslangen Arbeit zu br<strong>in</strong>gendroht, stünde es der Politik gut zuGesicht, sich klar und deutlich zu unseremselbstverwalteten Sozialversicherungssystemzu bekennen, das sichschon mehrfach als krisensicher erwiesenhat. Denn nicht zuletzt verlassensich über 70 MillionenMenschen <strong>in</strong> Deutschland darauf, dass<strong>in</strong> diesem System die zentralenGrundwerte, auf die das Zusammenleben<strong>in</strong> unserer Gesellschaft angewiesenist, auch <strong>in</strong> Zukunft praktiziertwerden: Solidarität, Freiheit undSelbstverantwortung.Predigt:Kirchenrat Re<strong>in</strong>er SchübelPredigt im Festgottesdienst <strong>in</strong> St. Lorenzkirche NürnbergKirchenrat Re<strong>in</strong>er SchübelLiebe Festgeme<strong>in</strong>de,Seite 15 von 25wir feiern das <strong>60</strong>jährige Bestehen der<strong>Evangelische</strong>n <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong><strong>für</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Fragen</strong> und damit <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong>herausragendes Engagement <strong>für</strong> dieDurchführung von Sozialwahlen unddie Mitarbeit <strong>in</strong> der <strong>soziale</strong>n Selbstverwaltung,<strong>in</strong> gesetzlichen Krankenkassen‐und Sozialversicherungen undBerufsgenossenschaften, durch Benennungvon ehrenamtlichen SozialundArbeitsrichtern, von Planungsbeiräten,Versichertenberatern und Mitgliedern<strong>in</strong> Bildungsausschüssen.<strong>60</strong> <strong>Jahre</strong> EAG, das s<strong>in</strong>d <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong>ehrenamtliche Tätigkeit e<strong>in</strong>er Vielzahlvon Christ<strong>in</strong>nen und Christen <strong>in</strong>Bayern und Thür<strong>in</strong>gen, die danach suchen,ihren Glauben im Alltag wirksamwerden zu lassen und unsereGesellschaft mitzugestalten. Und diesstets im geschwisterlichen Mite<strong>in</strong>andermit der Aktionsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>für</strong>Arbeitnehmerfragen, dem kirchlichenDienst <strong>in</strong> der Arbeitswelt, mit derkath. Arbeitnehmerbewegung unddem Kolp<strong>in</strong>gwerk, ja, geme<strong>in</strong>sam unterwegs<strong>in</strong> der <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong>der christlichen Arbeitnehmerorganisationen(ACA) und mit weiterenPartnern.Das alltägliche persönliche undgesellschaftliche Leben aus der Perspektivedes christlichen Glaubens zugestalten, darum geht es auch imBrief des Jakobus, aus dem der Predigttext<strong>für</strong> den heutigen Sonntagentstammt. Der Glaube an den Gekreuzigtenund Auferstandenen bleibtnicht ohne Folgen <strong>für</strong> das eigene Lebenund <strong>für</strong> unser gesellschaftlichesMite<strong>in</strong>ander. Im Gegenteil: der Glaubean Jesus Christus ist dann erstwirklich und echt, wenn er im konkretenalltäglichen Leben heilsameWirkungen entfaltet. Davon ist Jakobuszutiefst überzeugt. Daher wird ernicht müde zu betonen, dass unserGlaube nicht alle<strong>in</strong> auf geistige undseelische Bereiche unserer Existenzbeschränkt werden kann, sondern immerSeele und Leib, ja, die ganzePerson <strong>in</strong> allen <strong>soziale</strong>n Beziehungenheilsam durchdr<strong>in</strong>gen will, e<strong>in</strong> Glaubemit Auswirkungen auf das eigene Leben,die Geme<strong>in</strong>schaft um uns herund die Gesellschaft <strong>in</strong>sgesamt.E<strong>in</strong> Glaube jedoch, dem ke<strong>in</strong>e Tatenfolgen, e<strong>in</strong> Glaube, der im alltäglichenUmgang Reiche hofiert und zuTisch bittet und den Armen an dasuntere Ende setzt oder übersieht, e<strong>in</strong>Glaube, der sich die Nöte des bedürftigenNächsten nicht zu Herzen gehenlässt, ist <strong>für</strong> Jakobus tot.Den Gekreuzigten und Auferstandenenimmer vor Augen und dahernach se<strong>in</strong>en Wirkungen <strong>in</strong> unseremLeben fragend ist der Jakobusbriefke<strong>in</strong> „strohener Brief“ wie e<strong>in</strong>st Mart<strong>in</strong>Luther me<strong>in</strong>te, sondern e<strong>in</strong> Werbebrief,dem Glauben konkreteGestalt zu geben. Und da se<strong>in</strong> Brief,geschrieben <strong>in</strong> christlicher Weisheit,nicht an e<strong>in</strong>e bestimmte, sondern analle christlichen Geme<strong>in</strong>den gerichtetist, gelten se<strong>in</strong>e Worte auch uns, diewir heute diesen Gottesdienst mite<strong>in</strong>anderfeiern. Hören wir daher se<strong>in</strong>eWorte an uns: Leidet jemand untereuch, der bete; ist jemand guten Mutes,der s<strong>in</strong>ge Psalmen. Ist jemandunter euch krank, der rufe zu sich dieÄltesten der Geme<strong>in</strong>de, dass sie überihm beten und ihn salben mit Öl <strong>in</strong>dem Namen des Herrn. Und das Gebet


des Glaubens wird dem Kranken helfen,und der Herr wird ihn aufrichten:Und wenn er Sünden getan hat, wirdihm vergeben werden. Bekennt alsoe<strong>in</strong>ander eure Sünden und betet <strong>für</strong>e<strong>in</strong>ander,dass ihr gesund werdet. DesGerechten Gebet vermag viel, wennes ernstlich ist.Liebe Geme<strong>in</strong>de,wir s<strong>in</strong>d die Menschen, denen dieseWorte des Jakobus gelten, Menschen,die e<strong>in</strong>e Sehnsucht <strong>in</strong> sich spürennach Heilung und Heil <strong>in</strong> ihrem Leben,ja, die sich danach sehnen, wieder Glaube <strong>in</strong> unserem Leben trotzmancher Zweifel, <strong>in</strong>mitten vonKrankheit und Sünde, <strong>für</strong> uns, dieMenschen um uns her und <strong>für</strong> unsereGesellschaft wirksam werden kann.Jakobus ermutigt uns dar<strong>in</strong> aller erst,unsere eigene gegenwärtige Lebenssituationwahrzunehmen und h<strong>in</strong> zuspüren, was wir eben jetzt <strong>in</strong> dieserSituation brauchen. Leidet jemand,der bete, ist jemand guten Mutes, ders<strong>in</strong>ge, ist jemand krank, der rufeMenschen, die über ihm beten.Unser christlicher Glaube ist niemalsnur e<strong>in</strong> abstraktes Gedankengebäude,vielmehr entfaltet er se<strong>in</strong>eKraft, wo wir unsere konkrete Lebenssituationwahr‐ und erstnehmenund mit dem lebendigen Gott unddem Auferstandenen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungbr<strong>in</strong>gen, sei es unsere Freude über <strong>60</strong><strong>Jahre</strong> EAG oder über das Familientreffen,das Sie, lieber Herr Heller,mit vielen Familienangehörigen heutehier <strong>in</strong> Nürnberg auch mit der Teilnahmean diesem Gottesdienst feiern,ja, hier <strong>in</strong> der Lorenzkirche, an derzahlreiche Familienmitglieder alsPfarrer wirksam gewesen s<strong>in</strong>d. Jakobusermuntert uns dazu, all unsereFreuden, aber auch unsere Nöte undKrankheiten wahr‐ und ernst zu nehmenund mit Gott <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zubr<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong> Liedern und im Gebet.Alles, was uns <strong>in</strong>nerlich bewegt,alles, was uns krank macht an Leibund Seele, darf und soll ausgesprochenwerden: die Angst vor der Operationund vor Schmerzen, die Sorge,wie es mit der schweren Erkrankungnun weiter gehen soll und die Furcht,die anfallenden Kosten von der Krankenkassenicht erstattet zu bekommen,aber auch die Sorge jungerMenschen, e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatzund e<strong>in</strong>en späteren Arbeitsplatz zuf<strong>in</strong>den und die Prüfungen zu bestehen,die Angst alle<strong>in</strong>erziehender Mütter,im beruflichen Wettbewerb aufder Strecke zu bleiben, die Furchtvon Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmern,dem steigenden Leistungsdrucknicht auf Dauer gewachsen zuse<strong>in</strong>, die Angst vor e<strong>in</strong>em „burn‐out“,vor Frühverrentung, vor zu ger<strong>in</strong>gerRente und fehlender materieller Sicherungim Alter.Alles, was uns krank macht an LeibSeite 16 von 25und Seele darf und soll ausgesprochenwerden im Gebet.Solches Gebet des Glaubens, vondem Jakobus spricht, braucht freilichoffene Herzen, offene Herzen um wieJesus im Garten Gethsemane es letztlichdem himmlischen Vater zu überlassen,auf welchem Wege er mit unszum Ziel kommen möchte, „nicht wieich will, sondern wie du willst“. Denndas Gebet des Glaubens lebt vomVertrauen, vom Vertrauen <strong>in</strong> die heilendenKräfte dessen, der unser allerLeben hält und trägt, ja, vom Vertrauen,dass er es zutiefst gut mit unsme<strong>in</strong>t, auch wenn er andere Wegemit uns geht, als wir uns dies manchmalvorstellen.In solchem Vertrauen wird es möglich,auch das offen anzusehen undauszusprechen, was wir vor andernund vor uns selbst oder zu verdrängensuchen, eigene Fehler und Fehlhaltungen.Auch sie sollen und dürfen imGebet des Vertrauens zur Sprachekommen. Daher spricht Jakobus nichtnur von den Krankheiten, die im Gebetvor Gott gebracht werden sollen,sondern auch von Sünde.Wir haben heute verlernt, angemessenvon Sünde zu sprechen. Dennweder das, was Spaß macht, aber irgendwieverboten ist, ist damit geme<strong>in</strong>t,noch irgendwelche Park‐ oderDiätsünden. In der Bibel haben wedersolche Banalisierungen noch solcheMoralisierungen etwas mit Sünde zutun. Vielmehr wird damit etwas beimNamen genannt, was wir genau kennen,wor<strong>in</strong> wir feststecken und ausdem wir selbst nicht herausf<strong>in</strong>den.Mart<strong>in</strong> Luther hat Sünde treffend bezeichnetals die “Verkrümmung desMenschen <strong>in</strong> sich selbst“.Solche Verkrümmung <strong>in</strong> sichselbst, mit ständigem Blick auf deneigenen Bauchnabel schneidet uns abvon unseren Lebensquellen, der Beziehungzu Gott und zu anderen Menschen.Sie aber zu bekennen befreit,ja, befreit von der Anstrengung, sichpermanent auf sich selbst zu fixieren,befreit, sich dauernd vor sich und andernzu verbergen. So werden neueKräfte frei, sich wieder aufrichtenund nun mit offenem Blick durchs Lebengehen zu können. Offen <strong>für</strong> Gottund offen <strong>für</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit denMitmenschen.Was <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Perspektive <strong>für</strong> unserpersönliches Leben! Und welch e<strong>in</strong>ePerspektive <strong>für</strong> unsere Gesellschaft!Ja, es gibt auch Gesellschaften,die unter Sünde leiden, die verkrümmts<strong>in</strong>d <strong>in</strong> sich selbst. In solchenGesellschaften starren die Menschenbewundernd auf steigende Aktienkurseund Immobilienwerte, auf Haus,Auto und Segelboot des Nachbarn,aber der Reichtum menschlicher Beziehungenlässt sie solange ungerührt,


is sie merken, dass ihre menschlichenBeziehungen zerbrochen s<strong>in</strong>d,bis sie spüren, was sie verloren haben.Der Wunsch nach schnellem materiellemReichtum hat auch unsere Gesellschaft<strong>in</strong> den letzten <strong>Jahre</strong>nimmer mehr beschleunigt. Der materielleWohlstand ist dadurch gewachsen.Aber der menschliche Wohlstandhat nicht Schritt gehalten. Viele Menschens<strong>in</strong>d ausgelaugt. Viele Menschenkönnen nicht mehr. DieArbeitszeiten müssen sich immermehr dem anpassen, was <strong>für</strong> den Betriebam effektivsten ist. Familienhaben kaum noch Zeit <strong>für</strong> geme<strong>in</strong>sameAktivitäten. Deshalb treten dieKirchen mit Nachdruck <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en freienSonntag e<strong>in</strong>. Wir brauchen e<strong>in</strong>eGesellschaft, <strong>in</strong> der wir wiederMensch se<strong>in</strong> dürfen.Das Gebet des Vertrauens, vondem Jakobus spricht, nimmt auch solchegesellschaftliche Fehlentwicklun‐gen <strong>in</strong> den Blick. Sie zu bekennen befreit,ja, befreit uns, neu zu sehnen,wor<strong>in</strong> der Reichtum unserer Gesellschafteigentlich besteht, und ermutigt,zu e<strong>in</strong>er Gesellschaft derAchtsamkeit. E<strong>in</strong>er Gesellschaft, dieden Reichtum menschlicher Beziehungenwahrnimmt, <strong>in</strong> der die MenschenAugen <strong>für</strong> ihre Mitmenschenund <strong>in</strong> der sie auch noch Kraft <strong>für</strong> anderehaben. Ja, e<strong>in</strong> ernsthaftes Gebet,dass aus dem rückhalt‐losenVertrauen <strong>in</strong> die Liebe und VergebungGottes zu uns gesprochen wird, vermagviel, ja, mehr als wir meist erahnen.Denn im Gebet des Vertrauens undim Bekennen, fließen uns neue heilvolleKräfte zu, zumal wenn dies geme<strong>in</strong>sammit andern Christ<strong>in</strong>nen undChristen oder durch sie <strong>für</strong> uns geschieht,heilvolle Kräfte, die uns stärken,die uns aufrecht und frei, mutigund entschlossen machen, uns <strong>für</strong> dieBelange anderer e<strong>in</strong>zusetzen ‐ sei es<strong>in</strong> unserer Familie oder im Freundeskreis,am Arbeitsplatz oder im ehrenamtlichenzivilgesellschaftlichenEngagement. Denn im Gebet des Vertrauenswerden wir sensibel da<strong>für</strong>,wo wir gebraucht werden, vielleichtja auch <strong>in</strong> der Selbstverwaltung vonKranken‐ und Rentenkassen, als ehrenamtlicheArbeits‐ und Sozialrichteroder <strong>in</strong> der Mitarbeit oder Mitgliedschaft<strong>in</strong> der EAG.Im Gebet des Vertrauens werdenwir sensibel da<strong>für</strong>, wo Gott unsbraucht, wo wir anderen gleich e<strong>in</strong>emSalböl wohl tun, sie mit unserem Gebetoder Tun heilsam berühren.So bleibt uns nur dem Herrn desLebens <strong>für</strong> all dies zu danken und zuloben, im vertrauensvollen Gesprächmit ihm zu bleiben, um so von ihmgestärkt, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Namen die nötigenSchritte zu tun. Stimmen wir alledar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>.Amen.Festvortrag:Dr. Hans Gerhard Koch, Sozialpfarrer i.R.Zukunftsvisionen <strong>für</strong> EAG und Kirche:Was unsere Vergangenheit <strong>für</strong> die Zukunft hergibt.1.VisionenZukunftsvisionen – Eugen Hähnel hatmich im Sommer angefragt, ob ich dieTagung mit e<strong>in</strong>em Referat über „Zukunftsvisionen<strong>für</strong> EAG und Kirche“abschließen könnte. Ich hab zunächstgezögert. Wer b<strong>in</strong> ich, dass ich als e<strong>in</strong>er,der jedenfalls se<strong>in</strong>e beruflicheZukunft längst h<strong>in</strong>ter sich hat, derEAG und gar der Kirche Zukunftsvisionengeben könnte? Und taugen solcheVisionen, solche Blicke <strong>in</strong> die Zukunftüberhaupt etwas? „Wer Visionen hat,sollte zum Arzt gehen“ hat angeblichmal Helmut Schmidt e<strong>in</strong>mal gesagt,der dies allerd<strong>in</strong>gs heute bestreitet.Aber Angela Merkel könnte es auchgesagt haben. „Alternativlos“ war ei‐ne Zeit lang ihr Liebl<strong>in</strong>gswort. Unddas heißt ja: es geht nur so, wie iches sehe, andere Vorstellungen s<strong>in</strong>dnicht real, sondern nur Hirngesp<strong>in</strong>ste.Was irgendwer <strong>in</strong> Visionen sieht, istun<strong>in</strong>teressant, weil es eh nicht geht.ALTERNATIVLOSAlternativlos ist angeblich, dass wirdie Guthaben reicher Leute auf Bankkontenretten, <strong>in</strong>dem wir die <strong>soziale</strong>nRechte armer Leute weiter beschneiden.Alternativlos soll se<strong>in</strong>, dass unsereWirtschaft immer weiterwachsen muss, obwohl wir seit geraumerZeit dadurch nicht mehr glücklicherund zufriedener werden.Alternativlos ist angeblich, dass dieSeite 17 von 25Renten der nächsten Generation vonRentner<strong>in</strong>nen und Rentnern so s<strong>in</strong>kenmüssen, dass e<strong>in</strong> großer Teil von ihnendamit nur noch gerade essen undwohnen kann, und sonst nichts mehr.Visionen, „visions“ auf neudeutschhaben heutzutage nur noch die Market<strong>in</strong>gleute,die versuchen, ihre Kundenund Mitarbeiter mithochgejubelten Seifenblasen von immerhöheren Umsätzen und immerbesseren Renditen im nächsten Jahrzu immer größeren Anstrengungen zumotivieren. Und „Visionen“ hat natürlichauch der „homo oeconomicus“,der Geld‐Mensch, der davonträumt, ohne alle Regeln und Begrenzungenunendlich viel Geld zu verdienenund sich dann mit se<strong>in</strong>er Beute


Dr. Hans Gerhard Kochauf e<strong>in</strong>e hochgesicherte Insel der Seligenzurück zu ziehen.So ist e<strong>in</strong> Wort heruntergekommen,das e<strong>in</strong>mal die Fähigkeit vonMenschen beschrieb, über das Heuteund das Morgen h<strong>in</strong>aus zu denken unde<strong>in</strong>e Vorstellung davon zu entwickeln,wie die Welt aussähe, wenn sie denn<strong>in</strong> Ordnung wäre. Und wo, wenigstens<strong>in</strong> etwa, es da h<strong>in</strong>gehen würde. Aberdie großen Visionen des vorigen Jahrhundertss<strong>in</strong>d verblasst.Wir hatten da die Vision <strong>soziale</strong>rGerechtigkeit <strong>für</strong> alle Menschen, aberwir haben uns zuerst mit Armut undTod <strong>in</strong> zwei Dritteln der Welt abgefundenund mussten uns dann und genaudeswegen im Zuge derGlobalisierung auch mit der Zweidrittelgesellschaft<strong>in</strong> unserem Landabf<strong>in</strong>den.Wir hatten die Vision e<strong>in</strong>er Weltohne Gewalt, aber wir haben zähneknirschendoder resigniert geschwiegenzu den Versuchen, die Gewaltweg zu bomben, im Irak, <strong>in</strong> Serbien,<strong>in</strong> Afghanistan. Und wir erlebten, dassdie Gewalt von Amokläufern oderRechtsradikalen auch ganz <strong>in</strong> unsererNähe ausbrach. Wir hattendie Vision e<strong>in</strong>es Friedens mit der Natur,aber wir schauen dem Artensterbenund der Klimakatastrophepraktisch tatenlos zu. Und die meistenvon uns schauen lieber gleich garnicht h<strong>in</strong>, weil sie schon wissen, dassdas, was sie sehen, ihnen auch nochdie letzten Illusionen nehmen würde.Wir hatten e<strong>in</strong>mal, zu e<strong>in</strong>er Zeit,als unsere Gesellschaft viel ärmer warals heute, die Vision e<strong>in</strong>er Sozialpolitik,die <strong>für</strong> alle das Grundlegendezum Leben bereitstellt: Arbeit, Bildung,Wohnung, Lebensmittel, Kulturund Gesundheitsvorsorge. Wir f<strong>in</strong>denuns heute, wo wirklich Geld genug daist, damit ab, dass wir bei dem allenimmer neue E<strong>in</strong>schränkungen machenund den Rest reichen Sponsoren undder so genannten „Eigenverantwortung“zuschieben.Wir hatten e<strong>in</strong>mal, nach der Katastrophedes Dritten Reiches, die mite<strong>in</strong>er Weltwirtschaftskatastrophe begonnenhatte, die Vision e<strong>in</strong>er Wirtschaft,die zu allererst denLebensbedürfnissen dient, und denMarkt da<strong>für</strong> nur <strong>in</strong> Grenzen und alsMittel e<strong>in</strong>setzt, e<strong>in</strong>er <strong>soziale</strong>n Marktwirtschafteben. Und wir sehen heutemit an, wie der globale Markt dieMenschen als Mittel e<strong>in</strong>setzt zurgrößtmöglichen Geldvermehrung vonimmer weniger immer Reicheren. UnsereVisionen s<strong>in</strong>d verblasst. UnserBlick reicht zwar vielleicht geradenoch da<strong>für</strong>, die Spaltungen und Widersprüche<strong>in</strong> unserer Welt zu erkennen.Aber wie sie werden soll, damitsie gut wird, kann man bei uns nichtmehr erfahren. Und wie gehandeltwerden muss, erst recht nicht. Wosonst gibt es noch Visionen und denMut, auf sie zuzugehen?2. Biblische VisionenIm Buch der Sprüche <strong>in</strong> der Bibel, Kapitel29, Vers 18 steht e<strong>in</strong> oft zitierterSatz: „Wenn e<strong>in</strong> Volk ke<strong>in</strong>e Visionhat, verwildert es, wenn es sich andie Weisung hält, wird es glücklich“ –so heißt es <strong>in</strong> der „Bibel <strong>in</strong> gerechterSprache“.„Verwildern“ – das kl<strong>in</strong>gt auf denersten Blick seltsam. Kann denn e<strong>in</strong>Volk, kann e<strong>in</strong>e Gesellschaft verwildern?E<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> unsere eigene Gesellschaftlehrt uns, dass das sehrwohl passieren kann. In den letztenSeite 18 von 25zehn <strong>Jahre</strong>n ist unser Arbeitsmarktverwildert. Immer größer wird dieZahl der „Niedriglöhner“, und immermehr von ihnen verdienen trotz Vollzeitarbeitnicht e<strong>in</strong>mal das Existenzm<strong>in</strong>imum.Immer mehr Menschen, vorallem jüngere, werden nur noch befristetbeschäftigt und haben ke<strong>in</strong>estabile Zukunftsperspektive. Das istdas Gegenteil e<strong>in</strong>er guten Ordnung,das ist Verwilderung. Zu verwilderndroht auch das Sozialsystem – zuZwei‐Klassen‐Systemen bei Gesundheitund Rente, zu e<strong>in</strong>seitiger Belastungder Arbeitnehmerseite.Auf den F<strong>in</strong>anzmärkten herrschtsowieso Wildwuchs mit Derivaten undHochfrequenzhandel, Nahrungsmittelspekulationund Wetten auf dieabsurdesten D<strong>in</strong>ge. Und verwildert istauch e<strong>in</strong>e Politik, die sich immermehr von diesen F<strong>in</strong>anzmärkten vorsich her treiben und von den Lobbyistendie Gesetze machen lässt.Die Bibel sagt, das käme heraus,wenn e<strong>in</strong> Volk ke<strong>in</strong>e Visionen mehrhat, wenn ihm ke<strong>in</strong>e Ordnung des Zusammenlebensmehr vorschwebt, dievon Würde ausgeht und nicht vomPreis. Und die Bibel ist e<strong>in</strong> Buch vollerVisionen, voller Vorstellungen, wiees anders se<strong>in</strong> könnte, anders se<strong>in</strong>müsste, als es ist.„De<strong>in</strong> Reich komme, de<strong>in</strong> Willegeschehe wie im Himmel, so auf Erden.“So beten Christen und ähnlichJuden seit Jahrtausenden, und was istdas anderes als die Beschwörung e<strong>in</strong>erVision von e<strong>in</strong>er Welt, die so ist,wie Gott sie geme<strong>in</strong>t hat. Und imLaufe der Jahrhunderte hat sich dieseVision gewandelt von e<strong>in</strong>er, die nur<strong>für</strong> e<strong>in</strong> auserwähltes Volk gilt, zu e<strong>in</strong>er<strong>für</strong> alle Völker, <strong>für</strong> alle Menschen,<strong>für</strong> alle K<strong>in</strong>der Gottes.Visionen s<strong>in</strong>d es, die ganz am Anfangder Bibel stehen: die Vision e<strong>in</strong>esGartens Gottes, den Menschen <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em Auftrag bauen und bewahren.Die Vision e<strong>in</strong>es Landes, <strong>in</strong> dem <strong>für</strong>alle Milch und Honig fließt, und dasman erreichen kann, wenn man ausder Sklaverei <strong>in</strong> Ägypten aus‐ undaufbricht.


Die Vision e<strong>in</strong>er Gesellschaft, <strong>in</strong>der Gerechtigkeit daran gemessenwird, ob es den Armen gut geht undjede Witwe und jedes Waisenk<strong>in</strong>d genugzum Leben hat. Die Vision vomSchalom, vom Frieden, den Jesus e<strong>in</strong>malmit „volle Genüge“ übersetzthat, und vom Sabbat, der Ruhe undder menschlichen Zuwendung als Zielund Ende des Wirtschaftens. Die Visionvom Reich Gottes mitten unteruns, <strong>in</strong> der Jesus das Zukünftige unddas Gegenwärtige verbunden hat.Denn so, wie die Visionen sie beschriebenhaben, war die Welt janicht, auch nicht damals, als die Visionender Bibel entstanden. Es warenhöchstens Wünsche und Träume, vorallem die der Armen. Aber Jesuswollte es dabei nicht belassen. Erwurde ja bekanntlich e<strong>in</strong>mal von Johannesdem Täufer aus dem Gefängnisheraus sehr dr<strong>in</strong>glich gefragt, ober der sei, der die Welt verändernwürde, oder ob man auf e<strong>in</strong>en anderenwarten müsse.Da hat er gesagt: „Geht und erzähltJohannes, was ihr gesehen habt:Bl<strong>in</strong>de sehen wieder, Lahme gehen,und Aussätzige werden re<strong>in</strong>; Taubehören, Tote stehen auf, und den Armenwird e<strong>in</strong>e frohe Botschaft verkündet.“(Lukas 7, 22)Jesus hat dabei, wie se<strong>in</strong>e Zuhörersicher wussten, aus dem Prophetenbuchdes Jesaja zitiert, aus e<strong>in</strong>er damalsschon viele hundert <strong>Jahre</strong> altenVision e<strong>in</strong>er Welt <strong>in</strong> Frieden und Gerechtigkeit.Und er hat nicht nur zi‐tiert. Er konnte sagen: Erzählt, wasihr gesehen habt ! Ich mach das schonmal. So hat es e<strong>in</strong>mal angefangen,mit unserem Glauben.Klar: das ist lange her. E<strong>in</strong> klugerTheologe hat schon 150 <strong>Jahre</strong>n darüberironisch gesagt: „Jesus verkündigtedas Reich Gottes. Was aberkam, war die Kirche.“ Aber als <strong>Evangelische</strong><strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong> <strong>in</strong> dieserKirche arbeiten, das kann nure<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n haben, wenn auch die Visiondes Reiches Gottes vom Anfangdieser Kirche nicht ganz tot ist. Wennunter der jahrtausendealten Ascheder Kirchenrechtsparagraphen undKetzerprozesse, der Kaiserkrönungsritualeund der Feldgottesdienste, derObrigkeitsverehrung und der Akzeptanzdes ver‐me<strong>in</strong>tlich kle<strong>in</strong>erenÜbels noch das Feuer glüht, das Jesusund Jesaja beseelt hat.Die Vision des Durchblicks <strong>für</strong> dieBl<strong>in</strong>dgehaltenen, des aufrechtenGangs <strong>für</strong> die Gelähmten, des Dazugehörens<strong>für</strong> die Ausgegrenzten, derneuen Hoffnung <strong>für</strong> die <strong>in</strong>nerlich Erstorbenen.Die Vision und die frohenBotschaft von der Veränderung derVerhältnisse <strong>für</strong> die Ärmsten.E<strong>in</strong>e evangelische <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong><strong>für</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Fragen</strong> macht nurS<strong>in</strong>n, wenn diese Vision nicht nur <strong>in</strong>Büchern wohnt, wenn sie auch wenigstensab und zu mal wieder greifbarwird. Tut, was ihr <strong>für</strong> notwendighaltet. Erzählt, was ihr gesehen habt.Und lasst euch eure Visionen nichtnehmen. Denn mit weniger lässt sichdie Welt nicht bewegen. Und e<strong>in</strong> Volkohne Visionen gibt auf, e<strong>in</strong>e Kircheohne e<strong>in</strong>e Ahnung vom Reich Gottesist hohl, und e<strong>in</strong>e EAG ohne Visionenwird sich früher oder später widerstandslosauflösen lassen.Ich will versuchen, e<strong>in</strong>e solche Visionzu beschreiben und e<strong>in</strong> paar anderewenigstens nennen.3. Der Traum von e<strong>in</strong>er <strong>soziale</strong>nKircheSeite 19 von 25In der Apostelgeschichte, der Geschichteder ersten christlichen Geme<strong>in</strong>den,steht dieser Traum <strong>in</strong> Gestalte<strong>in</strong>es Berichtes von den erstenTagen der Kirche nach dem Pf<strong>in</strong>gstereignis.Da hätten, so heißt es, alle,die Geld und Güter hatten, das alleszusammengeworfen und allen, die etwasbrauchten, davon gegeben.„Liebeskommunismus“ hieß derFachausdruck der Theologen da<strong>für</strong>,und sie haben sofort darauf h<strong>in</strong>gewiesen,dass die Jerusalemer Geme<strong>in</strong>dedadurch auf die Dauer so arm gewordensei, dass Paulus <strong>für</strong> sie Almosensammeln musste. Und dass sie das nurgemacht hätten, weil sie gedachthätten, dass Jesus gleich wieder umdie Ecke kommt, und das sei halt leidere<strong>in</strong>e Fehle<strong>in</strong>schätzung gewesen.Ist auch alles richtig.Aber die Vision trägt weiter als dersche<strong>in</strong>bare historische Misserfolg. Sieheißt: Die Bedürfnisse von Menschen<strong>in</strong> Not s<strong>in</strong>d heilig. Privateigentum istes nicht. Sie ist nie ganz verstummt <strong>in</strong>der Kirche. Die Kirchenväter der erstenJahrhunderte, die franziskanischeBewegung des Mittelalters, der so genanntel<strong>in</strong>ke Flügel der Reformation,die Brüdergeme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Herrnhut, dieMennoniten <strong>in</strong> Russland und USA habenihn aufgenommen. Sie haben ihnmit unterschiedlichem Erfolg und oftangefe<strong>in</strong>det <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>schaftengelebt. Die Gesellschaft als Ganzeist den entgegengesetzten Weg gegangen.Zwar steht <strong>in</strong> unseremGrundgesetz, dass „Eigentum verpflichtet“und dass „se<strong>in</strong> Gebrauchder Allgeme<strong>in</strong>heit dienen“ muss.Aber was das heißt, das ist kaumausgeführt. Im Bürgerlichen Gesetzbuchdagegen ist tausend Seiten langder Schutz des Privateigentums geregelt– bis <strong>in</strong> die letzten E<strong>in</strong>zelheiten.Und Privateigentum wird im BGB dadurchdef<strong>in</strong>iert, dass ich andere vonse<strong>in</strong>em Gebrauch ausschließen kann.Karl Marx hat uns dann gelehrt,dass es, wenn man die Vision vom geme<strong>in</strong>samenEigentum umsetzen will,vor allem um das Eigentum an Produktionsmittelngeht, nicht um dasAuto oder das Häuschen im Grünen.Und er konnte sich e<strong>in</strong>e Gesellschaft


vorstellen, <strong>in</strong> der Boden, Banken undArbeitsstätten geme<strong>in</strong>sam besessenund demokratisch verwaltet werden.Die ersten Versuche, das zu realisieren,s<strong>in</strong>d im real existierenden Sozialismusgescheitert. Aber sogarSchweizer Wirtschaftsethiker wie PeterUlrich sagen, dass im Zeitalter derKonzerne und des großen Geldeswirtschaftliche Macht neutralisiertwerden muss, damit die Bedürfnisseder Armen, der Natur und der nächstenGeneration nicht vom shareholdervalue, vom kurzfristigen Profit der Eigentümer,e<strong>in</strong>fach überrollt werden.Wenn wir heute lesen, dass dieMieten auf breiter Front steigen undMenschen mit ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommenaus ganzen Stadtvierteln verdrängtwerden – hatten wir nicht irgendwannmal auch <strong>in</strong> der alten Bundesrepublike<strong>in</strong>e Debatte darüber, dass Grund undBoden nicht vermehrbar s<strong>in</strong>d und deswegendem Markt nicht e<strong>in</strong>fach preisgegebenwerden dürfen?Lassen wir als EAG und Kirche unse<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den <strong>in</strong> die Tabuisierung des Eigentumsoder er<strong>in</strong>nern wir daran,dass Eigentum vor Menschenwürdegeht? Entwickeln wir mit Ulrich DuchrowAlternativen zur „Diktatur desPrivateigentums“ oder lassen wir unsmit billigen Sozialismusvorwürfen denSchneid abkaufen?Akzeptieren wir stillschweigend,dass unser heutiger Konsum weder <strong>für</strong>die ganze Welt noch <strong>für</strong> unsere Enkeltaugt?Gewöhnen wir uns daran, dass dieZahl der Milliardäre <strong>in</strong> unserem Landim Gleichtakt mit der Zahl der Niedriglöhnersteigt? Weil wir ke<strong>in</strong>e Visionenmehr haben, und den Visionender anderen das Feld überlassen?Dabei bräuchten wir nur die Bibelaufzuschlagen. Da würden wir zur Eigentumsfrageund zum M<strong>in</strong>destlohndie nötigen Visionen schon f<strong>in</strong>den.4. Der Soziale ProtestantismusWir brauchen aber gar nicht bis zurBibel zurück zu gehen, um Visionenzu f<strong>in</strong>den, die uns heute noch tragenkönnen. Es hat seit dem Ende des 19.Jahrhunderts immer wieder auch <strong>in</strong>unserer evangelischen Kirche Visionenund Visionäre gegeben. Dass sie zuihrer Zeit nicht erfolgreich warenoder von den Ereignissen überrolltwurden, ist <strong>für</strong> Visionen nicht das Ende.Sterne am Horizont verlöschennicht, wenn es regnet.Ich denke an das Genossenschaftswesenim 19.Jahrhundert. Da habensich die, die kaum etwas hatten, zusammengetan und es geschafft,Volksbanken und Genossenschaftssiedlungen,E<strong>in</strong>kaufsmöglichkeitenund Bildungse<strong>in</strong>richtungen, die ihnenvorenthalten wurden, selbst auf dieBe<strong>in</strong>e zu stellen. Heute tun sich erneutMenschen zusammen, um dieEnergiewende selbst auf die Be<strong>in</strong>e zustellen oder leerstehende Schlecker‐Läden als Nahversorgungstreffs neuzu eröffnen. Ist unserer Kirche, ist dieEAG an ihrer Seite?Ich denke an die Religiösen Sozialistenim Berl<strong>in</strong> der 30er <strong>Jahre</strong>, die <strong>in</strong>den Arbeitersiedlungen mit den Arbeiterngelebt und Kirche gestaltethaben. Ist e<strong>in</strong>e Kirche, die nicht nurab und zu öffentlich <strong>für</strong> die <strong>in</strong> unsererGesellschaft Ausgeschlossenen dasWort ergreift, sondern sich auch malganz auf sie e<strong>in</strong>lässt, wirklich nur e<strong>in</strong>eUtopie, e<strong>in</strong>e Idee, <strong>für</strong> die es ke<strong>in</strong>enPlatz auf der Welt gibt? Oder gibtes <strong>in</strong> unserer Kirche, bei den evangelischenArbeitnehmern, wenigstensInseln e<strong>in</strong>er Kirche nahe bei den Menschenund e<strong>in</strong>er mitten im Alltag?Ich denke an die Gründerväter derSozialen Marktwirtschaft, von denene<strong>in</strong> Teil ja Männer aus dem SozialenProtestantismus waren. Müssen wirden guten Namen und die gutenGrundsätze der Sozialen Marktwirtschaftwirklich er unsäglichen „InitiativeNeue Soziale Marktwirtschaft“,die von den Metallarbeitgebern f<strong>in</strong>anziertwird, überlassen? Oder gibt eszum Beispiel <strong>in</strong> der EAG e<strong>in</strong>e andereStimme, die die D<strong>in</strong>ge zurecht rücktund die Er<strong>in</strong>nerung daran wach hält,dass immer zuerst die Spaltung derGesellschaft kommt und dann men‐Seite 20 von 25schenfe<strong>in</strong>dliche Strömungen, die da<strong>für</strong>Sündenböcke suchen?Ich denken an den Aufbruch derSynode von Espelkamp 1955, als sichunsere Kirche endlich von den so genanntenChristlichen Gewerkschaftenund von ihrer Fe<strong>in</strong>dschaft gegenüberallen sozialistischen Strömungen verabschiedete.Damals hat die <strong>Evangelische</strong>Kirche Ja zurE<strong>in</strong>heitsgewerkschaft gesagt und derDGB Ja zu Menschen, die aus christlichenMotiven bei ihm mitarbeiten.Wer sorgt eigentlich da<strong>für</strong>, dass dasso bleibt und dass aus wohlwollenderDistanz konkrete Zusammenarbeitwird? Reichen die paar Hauptamtlichendes KDA <strong>für</strong> diese Jahrhundertaufgabe?Ich denke an das Geme<strong>in</strong>sameWort „Für e<strong>in</strong>e Zukunft <strong>in</strong> Solidaritätund Gerechtigkeit“ von 1997. Schonse<strong>in</strong> Titel beschreibt e<strong>in</strong>e Vision, unddr<strong>in</strong> stehen so viele richtige D<strong>in</strong>ge,die schon wieder <strong>in</strong> Vergessenheit geraten.Es heißt, dass e<strong>in</strong> neues Geme<strong>in</strong>samesWort auf dem H<strong>in</strong>tergrund derEreignisse seit 2008 derzeit nichtmöglich ist, weil die beiden großenKirchen zu unterschiedliche Positionendazu haben. Wer er<strong>in</strong>nert siedaran, dass die an dieser Stelle e<strong>in</strong>eBr<strong>in</strong>gschuld haben und nicht wartenkönnen, bis andere das richtige Wortzur richtigen Zeit sagen?


5. Blick <strong>in</strong> die ZukunftIch habe bis jetzt viel zurück geblickt,weil ich ja auch behaupte,dass die Vergangenheit etwas <strong>für</strong> dieZukunft hergibt. An e<strong>in</strong> paar Stellenhabe ich auch angedeutet, was dasse<strong>in</strong> könnte und wo der Platz der EAGse<strong>in</strong> könnte.Könnte, denn Visionen geben zwardie Richtung vor, aber sie ersparennicht das Bemühen um den richtigennächsten Schritt. Da<strong>für</strong> braucht dieKirche Gruppen wie zum Beispiel dieEAG, die sich von Visionen leiten lassen,aber auch das Gelände kennen,<strong>in</strong> dem die nächsten Schritte zu tuns<strong>in</strong>d, und andere kennen, die von woanders her, aber <strong>in</strong> der gleichen Richtungunterwegs s<strong>in</strong>d. Und natürlichauch die, die gerade <strong>in</strong> die ganz entgegengesetzte Richtung wollen. Menschenmit Visionen, aber auch mitpolitischem und wirtschaftlichemSachverstand, <strong>in</strong> den sie ihre Visionenübersetzen können. Und Orte, wo derDiskussionsprozess darüber geführtwird, mit Gleichges<strong>in</strong>nten wie mit andersDenkenden.Denn es gibt politisch und ökonomischimmer verschiedene Möglichkeiten.Nichts ist alternativlos, eswird nur von denen, die von e<strong>in</strong>er bestimmtenAlternative profitieren, dazuerklärt. Im Blick auf e<strong>in</strong>elebenswerte Zukunft mit Perspektivegibt es immer die e<strong>in</strong>e Möglichkeit,aber auch die andere <strong>in</strong> der Gegenrichtung.Da braucht es e<strong>in</strong>en Ort, wodie Sachen geklärt und die Menschengestärkt werden.Unsere evangelische Kirche alsGanze ist ja nicht immer dieser Ort.E<strong>in</strong>epolitische Auslegung des Evangeliumswird <strong>in</strong> ihr immer noch mit Misstrauenbetrachtet. Lieber predigt sieüber Mensch und Mitmensch, über dieheile Familie oder umweltschonendesVerhalten, so eben, dass es gut <strong>in</strong>sWohnzimmer passt. Aber die Bibel istke<strong>in</strong> Wohnzimmerbuch. Sie spricht zue<strong>in</strong>em Volk, zu e<strong>in</strong>er ganzen Geme<strong>in</strong>de,<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en politischen Horizont. Esist nicht der Horizont der Welt vonheute, das ist wahr. Aber es ist unsereAufgabe, <strong>in</strong> den Strukturen von damalsdie von heute wieder zuerkennen. So lange wir als Kirche nurüber e<strong>in</strong>zelne Personen und nichtüber Strukturen und über Macht reden,eignen wir uns gut als Hofnarrdes modernen F<strong>in</strong>anzkapitalismus. E<strong>in</strong>paar Werte dürfen wir den Managernund ihren K<strong>in</strong>dern schon vermitteln,denn ganz ohne e<strong>in</strong> bisschen Moralund Verlässlichkeit geht es auch beiihnen nicht. Und manchmal s<strong>in</strong>d siesich ja auch selber e<strong>in</strong> bisschen unheimlich.Aber das System <strong>in</strong> Fragestellen, das leisten sie sich erst imRuhestand. Vorher zahlen sie nur Kirchensteuern,wenn die Kirche sich umdie Opfer kümmert, die ihre Profitgiernun mal fordert. Wenn Kirche dieVerursacher benennt, droht der Austritt.Wird sie es wagen, die Jagd derF<strong>in</strong>anzmärkte nach Geld um se<strong>in</strong>erselbst willen als Götzendienst zu benennen?Oder wird sie sich ihnen alsreligiöse Wellness‐Oase im Schattender Bankentürme anbieten? Das wirdimmer wieder die Frage se<strong>in</strong>, und esbraucht Leute <strong>in</strong> der Kirche, die vonden alten Visionen her deutlich sagen,was geht und was nicht geht.6. Die Zukunft ist offen – aber nichtbeliebigWenn ich es jetzt noch e<strong>in</strong> paar Skizzenüber die Zukunft unserer Gesellschaftversuche, tue ich es imBewusstse<strong>in</strong>, dass ich vieles nichtSeite 21 von 25verstehe und me<strong>in</strong>e Voraussicht sehrbegrenzt ist. E<strong>in</strong> kluger Wirtschaftswissenschaftlerhat e<strong>in</strong>mal gesagt,Prognosen seien immer unsicher, vorallem, wenn sie sich auf die Zukunftbeziehen. Und se<strong>in</strong>e Zunft hat sich jagerade damit besonders blamiert. Ichwill es ihnen nicht gleich tun und aufProzent und Euro genau sagen, waskommen wird. Ich versuche aber e<strong>in</strong>malzu beschreiben, was aus me<strong>in</strong>erSicht auf dem Spiel steht, und wiedas mit unseren Visionen zusammenhängen könnte.6.1 E<strong>in</strong>e Welt oder e<strong>in</strong>e geteilteWeltIn vieler H<strong>in</strong>sicht ist die Welt heutezusammen gewachsen. Wirtschaftrechnet weltweit, und die Börsenrund um den Globus schlafen nie. In24 Stunden können wir an jedem Ortder Welt se<strong>in</strong>, und im Internet dauertes nur Sekunden.In anderer H<strong>in</strong>sicht spaltet sich dieWelt und jedes e<strong>in</strong>zelne Land <strong>in</strong> sichaber immer mehr. Immer mehr Zäuneund Sicherheitsdienste trennen Armen‐von Reichenvierteln. In jedemLand, <strong>in</strong> jeder Stadt und sogar Erdteilsweise.Die Vision der Erklärung der Menschenrechteund der Bibel, dass jederMann, jede Frau und jedes K<strong>in</strong>d dasgleiche Recht auf Leben und Grundbedürfnissehat, würde die Reichenzu viel kosten. Also schotten sie sichund uns ab, denn wer das Geld nichtteilen will, ist gezwungen, die Weltzu teilen.Das wird auf die Dauer nicht funktionieren,wie das Schicksal allergroßen Mauern auf dieser Welt vonder Ch<strong>in</strong>esischen bis zur Berl<strong>in</strong>erMauer beweist. Nur e<strong>in</strong>e Zeit langkann man damit Privilegien verteidigen.Auch unsere Privilegien, wie unserenEnergie‐ und Rohstoffverbrauchund unser letztes bisschen <strong>soziale</strong> Sicherheit.Ist es unsere Vision, auf der richtigenSeite der Mauer zu se<strong>in</strong>, oder istunsere Vision e<strong>in</strong>e Welt ohne Mauern?


Auch wenn diese Vision erfordert,dass wir teilen und notfalls auch anderedurch klare Regeln zum Teilenbr<strong>in</strong>gen?6.2 Leben im Gleichgewicht oderWachstum, bis der Arzt kommt?Es gibt viele e<strong>in</strong>prägsame Beschreibungendarüber, wie unser derzeitigerLebensstil die Möglichkeitenunseres Planeten überfordert. Ame<strong>in</strong>prägsamsten ist mir immer dieplanetarische Schuldenuhr. Die sagt,an welchem Tag des <strong>Jahre</strong>s wir so vielverbrauchen und <strong>in</strong> die Umwelt blasen,dass die Erde es gerade nochverkraften kann. Dieses Jahr war dasweltweit e<strong>in</strong> Tag im August. WirDeutschen hatten es schon April geschafft.Ab diesem Term<strong>in</strong> lebten wirvon der Substanz, brauchten wir danneigentlich e<strong>in</strong>e zweite und dritte Erde.Die gibt es nur leider nicht. Weretwas genauer wissen will, woh<strong>in</strong> dasführt, kann es beim neuen Bericht desClub of Rome 2052 nachlesen. Es gehtdabei nicht nur um mehr oder wenigerCo2, sondern um Wasser, umAckerboden, um viele Rohstoffe, diezur Neige gehen, um Gleichgewichteauf der Erde, die dann endgültig ausdem Lot geraten. Es gibt auch hierzwei Möglichkeiten: wir sichern unse<strong>in</strong>e Zeit lang das, was wir habenwollen, mit unserem Geld und mitunseren Soldaten, und sagen den anderen,sie müssten eben ohne auskommen.Oder wir entwickeln mitunserem Geld, aber ohne Soldaten e<strong>in</strong>eLebensform, die nur so viel verbraucht,wie nachwächst, undtrotzdem glücklich macht. Und sagenden anderen, sie sollten das dochauch mal probieren. Oder lernen vonihnen, wie sie das schon seit Jahrhundertenschaffen.6.3 Öffentliche oder private Güter?Je mehr uns klar wird, dass die Weltnur e<strong>in</strong>e ist und alles mit allem zusammenhängt,desto klarer müssteuns eigentlich auch werden, dass nuröffentliches, geme<strong>in</strong>sames Handelndie Probleme lösen kann. Und dassdieses öffentliche Handeln demokratischverantwortet und kontrolliertwerden muss, wenn es nicht aus demRuder laufen soll.‐Gleichzeitig läuft<strong>in</strong> der Realität etwas ganz anderesab: Privates Kapital stürzt sich auf alles,was knapp wird, und versucht dieVerfügung darüber zu erlangen, umvon den steigenden Preisen knapperGüter zu profitieren. Das ist so mitNahrungsmitteln, wo es besondersempörend ist, aber auch mit Wasser,Bildung, Verkehr, Kommunikationoder Gesundheit. Nur die Bereiche, <strong>in</strong>denen sich nichts verdienen lässt,weil die Leute ke<strong>in</strong> Geld haben, überlässtman großzügig dem Staat, wennman ihn nicht dazu br<strong>in</strong>gen kann,auch da<strong>für</strong> an Private zu zahlen.Unsere Zukunft wird sich daranentscheiden, ob wir e<strong>in</strong>e vernünftigeBalance zwischen öffentlicher Verantwortungund privater Initiativef<strong>in</strong>den, und ob es uns gel<strong>in</strong>gt, das privateProfitstreben <strong>in</strong> Schranken zuhalten. Die Vision der alten, der echtenSozialen Marktwirtschaft brauchtan dieser Stelle Menschen und Gruppen,die <strong>für</strong> sie kämpfen, quer durchdie politischen Lager h<strong>in</strong>durch.6.4 Konsumgesellschaft oder Genugist genugWer sieht, dass die Hälfte aller Nahrungsmittel<strong>in</strong> unserem Land weggeworfenwerden, dass viele unsererGeräte geplant veralten oder auch,dass die Weltmeere <strong>in</strong>zwischen vone<strong>in</strong>em Teppich von Plastikabfällenbedeckt s<strong>in</strong>d, ahnt, das auch dasnicht so weiter gehen kann. Auf jedenFall nicht, wenn es die gesamteMenschheit oder auch nur der Teil,der <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a und Indien jetzt zur Mittelschichtwird, so macht. Auch nicht,wenn wir weiterh<strong>in</strong> und immer mehrdie Menschen mit e<strong>in</strong>er Werbungbombardieren, die ihnen D<strong>in</strong>ge alsunbed<strong>in</strong>gt notwendig e<strong>in</strong>trichtern, diesie vor Kurzem noch gar nicht kannten.Seite 22 von 25Wir werden auf Dauer zwei <strong>Fragen</strong>nicht ausweichen können: was wirwirklich brauchen, weil es unser Lebenerhält und uns zufrieden macht.Und was wir dazu nicht brauchen,wann es genug ist. Mahatma Gandhihat vor <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong>n gesagt, die Welt seigroß genug <strong>für</strong> jedermanns Bedürfnisse,aber nicht <strong>für</strong> jedermanns Gier.Se<strong>in</strong> Satz ist immer noch richtig, aberdie Welt hat sich seit Gandhis Zeitennicht <strong>in</strong> diese Richtung, sondern <strong>in</strong>sgenaue Gegenteil entwickelt. Auchdas kann nur so lange weiter gehen,bis das System mit e<strong>in</strong>em Knall zusammenbricht.Br<strong>in</strong>gen wir es von der Idee des„Schalom“, vom Frieden durch „Genug“,und von der Idee des „Sabbat“,des Wirtschaftens, damit man damitaufhören kann, her fertig, den Uns<strong>in</strong>nder Konsumgesellschaft zu erkennenund anders glücklich zu werden?Ich höre an dieser Stelle erst malauf. <strong>Fragen</strong> gäbe es noch mehrere.‐ Gehört die Zukunft eigentlich dem„Wettbewerb“ oder der Kooperation– und worauf bereiten wir unsereK<strong>in</strong>der <strong>in</strong> unserem Bildungswesen,gerade <strong>in</strong> Bayern, vor?‐ Werden wir das Geldsystem zähmenkönnen, oder werden wir ganz ausdem heutigen System automatischerGeldvermehrung aussteigen müssen,um e<strong>in</strong>e Zukunft zu haben?‐ Werden Religion und Spiritualitätdie Menschen fähig machen, dieProbleme der Zukunft solidarisch zulösen, oder werden sie eher auf Irrwegeführen, <strong>in</strong> Sche<strong>in</strong>konflikteverwickeln und mit Sche<strong>in</strong>lösungenvertrösten?‐ Wenn mich jemand fragt: ich weißes nicht. Aber ich hoffe, dass me<strong>in</strong>eKirche und <strong>in</strong> ihr die EAG e<strong>in</strong> Orts<strong>in</strong>d, wo ich mit anderen darüber<strong>in</strong>s Gespräch und vielleicht auch <strong>in</strong>Aktion komme.


Rückblick:Me<strong>in</strong>rad Wensauer und Hannelore Fesenmeier, EAG MitgliederGeschichte der<strong>Evangelische</strong> <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong> <strong>für</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Fragen</strong>Gründung:Gründung der EAG hat im <strong>Jahre</strong> 1952stattgefunden. 1950 rechnete manmit Sozialwahlen mit der Begründung:Die Selbstverwaltung der Sozialpartnermuss an die Stelle staatlicher Bevormundungtreten. Hier haben sichvon evangelischer Seite 19 Organisationenim Rahmen der EAG e<strong>in</strong>gesetzt.Diese hier alle aufzuzählenwürde zu weit führen. 1952 ist dieGründung der EAG vorgenommenworden.Aus taktischen Gründen hat mansich dem ACA angeschlossen. Wer istnun der ACA. Er ist e<strong>in</strong> Zusammenschluss,auf katholischer SeiteKAB, Kolp<strong>in</strong>g, auf evangelischer Seitedie EAG und beiderseits e<strong>in</strong> paar kle<strong>in</strong>ererOrganisationen. Somit konnteder ACA gegenüber dem DGB <strong>für</strong> dieSozialwahlen 1953 auch Forderungenbezüglich der Sitzverteilung stellen.Die E<strong>in</strong>igung sah so aus, dass der Gewerkschaftsbund70 % und der ACA 30% der Sitze <strong>in</strong> Anspruch nehmen konnte.Davon erhielt die EAG wiederume<strong>in</strong> Drittel der Mandate, das sich bisheute nicht geändert hat.Selbstverwaltungsgremien:Unser Sozialversicherungssystem entstanddurch die kaiserliche Botschaftvom 17.11.1881 auf Verlangen vonBismarck, weil er der Ansicht war, e<strong>in</strong>ere<strong>in</strong>e Staatsverwaltung ist <strong>in</strong> derSozialversicherung zu eng, denn,sachverständige ehrenamtliche Mitgliederder Selbstverwaltung könnenwertvolle Beiträge <strong>für</strong> die Entwicklungder Sozialversicherung leisten.Ferner wird zu den Bürgern e<strong>in</strong> vertraulicheresVerhältnis geschaffen. ImGrundgesetz ist die SelbstverwaltungMe<strong>in</strong>rad Wensauerder Sozialversicherung nicht verankert.Sie entspricht aber allgeme<strong>in</strong>demokratischen Grundsätzen undschließlich wünscht der Artikel 9 imGrundgesetz e<strong>in</strong>e partnerschaftlicheGestaltung der Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen,denen die Sozialversicherung zuzurechnenist.Dementsprechend forderte KonradAdenauer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Regierungserklärungvom 20.09.1949: Die Selbstverwaltungder Sozialpartner muss an dieStelle staatlicher Bevormundung treten.Alsdann rechnete man 1952 mitSozialwahlen, deshalb hier die Gründungder EAG!Im dritten Anlauf 1953 wurden dieSozialwahlen durchgeführt (Gründungder afa mit Pfarrer Siebert, und SozialsekretärFreimut Hirte). In diesemJahr erg<strong>in</strong>g auch dasSelbstverwaltungsgesetz, das wiederumdurch das Sozialgesetzbuchabgelöst wurde.Das Geld war ja damals schonknapp, so hat man beschlossen so genannteFriedenswahlen, also Wahlenohne eigentlichen Wahlvorgang durchSeite 23 von 25Hannelore FesenmeierE<strong>in</strong>reichung e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heitsliste durchzuführen,mit der Sitzverteilung, wieschon erwähnt, 70 % der DGB und 30%ACA.Vorstandschaften <strong>in</strong> der EAG :Wie es so üblich ist, gehört zu e<strong>in</strong>emVere<strong>in</strong> auch e<strong>in</strong> Vorstand. Um effektiverarbeiten zu können, wurden 1992Bezirksvorstände von den Mitgliedernder e<strong>in</strong>zelnen Bezirke gewählt. DerBezirksvorstand hat die Aufgaben‐ Leitung und Durchführung von Bezirksversammlungen,Mitgliedertreffen,‐ Benennung von Kandidat<strong>in</strong>nen undKandidaten <strong>für</strong> die Organe derSelbstverwaltung, Arbeits‐ und Sozialgerichten.Zweck und Aufgaben :Die EAG ist e<strong>in</strong>e selbstständige Vere<strong>in</strong>igungmit sozial‐ und berufspolitischerZwecksetzung. Bildung undWeiterbildung ihrer Mitglieder, Entsendungvon Arbeitnehmer /‐<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>


die Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherung,weiter die Entsendungvon Arbeitnehmer /‐<strong>in</strong>nen zu den Arbeits‐und Sozialgerichten, zu denLandessozial‐ und Landesarbeitsgerichten,zu den Planungsbeiräten, zuden Renten‐ und Widerspruchsausschüssen,zu den Direktionsbeirätenusw. Leider wird es immer schwieriger,junge Leute <strong>für</strong> diese Ämter zumotivieren. An dieser Stelle die großeBitte an Euch, Kandidaten da<strong>für</strong> zubegeistern.Aktivitäten der EAG:Im <strong>Jahre</strong> 1980, seitdem ich, Me<strong>in</strong>radWensauer, im Vorstand der EAG war,bis 2004, wurden bei der Landesdelegiertenversammlungviele Themenerörtert:Im Rahmen der Landesdelegiertenversammlung1986 war der Brennpunktdie Krankenversicherung. 1984e<strong>in</strong> Defizit von 3 Milliarden, 1985 e<strong>in</strong>weiterer Fehlbetrag von 2,3 Milliarden.Somit stieg von 84‐86 der Beitragssatzvon 11.4 % auf 12,2 % an.Zum 1.1.1997 standen die Krankenkassenvor e<strong>in</strong>er Welle weitererBeitragserhöhungen. Wir sehen also,Schwierigkeiten auf dem Gebiet derKrankenversicherung gab es damalsschon.Am 27. März 1992 wurde die EAG‐Thür<strong>in</strong>gen gegründet, die dann am13. Juni 1992 Gründungsmitglied derACA‐Thür<strong>in</strong>gen ist.Am 17. Oktober 1992 beschließtdie Delegiertenversammlung der EAG‐Bayern die Aufnahme der EAG‐Thür<strong>in</strong>genals 6. Bezirk und heißt von nunan <strong>Evangelische</strong> <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong><strong>für</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Fragen</strong> <strong>in</strong> Bayern und Thür<strong>in</strong>genNun e<strong>in</strong>en Sprung <strong>in</strong> das Jahr 1995.Ich möchte die Gelegenheit nutzen,am Beispiel der geme<strong>in</strong>samen Sitzungdes afa Landesvorstandes und EAGVorstandes die gute Zusammenarbeit,die ja bis heute funktioniert, herauszustellen.Auch hier wurden wichtigeBeschlüsse gefasst:Zum e<strong>in</strong>en fordern afa und EAGdie E<strong>in</strong>richtung von Krankenversichertenältesten,um die <strong>soziale</strong> Kompetenzbisheriger, nun ausscheidenderSelbstverwalter zu erhalten und zufördern.Zum anderen wird die Evangelisch‐Lutherische Kirche <strong>in</strong> Bayern aufgefordert,im Amt <strong>für</strong> Industrie‐ und Sozialarbeitdie Stelle e<strong>in</strong>erSozialreferent<strong>in</strong> zu <strong>in</strong>stallieren, dadie neuen <strong>soziale</strong>n Probleme sozialpolitischerund sozialrechtlicher Beurteilungbedürfen.Im Januar 1997 hat der Vorstanddas Erlanger Manifest, welches dieThesen der EAG zur Schaffung zusätzlichers<strong>in</strong>nvoller und nützlicher Erwerbsarbeitenthält, <strong>in</strong> Kraft gesetzt.Auf der Info‐Tagung am 11. September1999 <strong>in</strong> Nürnberg wurden dieEAG‐Mitglieder zum Thema Gesundheitsreform2000 <strong>in</strong>formiert.19. bis 22. April 2001 Fachtagung<strong>in</strong> der Sozialakademie FriedewaldSeite 24 von 25zum Thema Reform der Alterssicherung.26. bis 28. Oktober 2001 Fachtagungim DGB Bildungszentrum Niederpöck<strong>in</strong>gzum Thema Sozialcharta12. bis 13. April 2002 BVEA (Bundesverband‐<strong>Evangelische</strong>rArbeitnehmerorganisationen)Tagung überZukunft des Sozialsystems, Krankenkassenreformund Selbstverwaltung.1. bis 2. Juni 2002 Delegiertenversammlungunter dem Motto: E<strong>in</strong>satz<strong>für</strong> die Soziale Selbstverwaltung und50 Jahrfeier der EAG <strong>in</strong> Nürnberg25. bis 27. Oktober 2002 Fachtagung<strong>in</strong> Friedewald mit dem Thema:Betriebliche Mitbestimmung <strong>in</strong> Europa.18. bis 19. Juli 2003 Zukunftswerkstatt<strong>in</strong> Paulushofen. Das Thema:Perspektiven <strong>für</strong> die zukünftige Arbeitder EAG Bayern und Thür<strong>in</strong>gen.14. bis 15. November 2003 trafsich der Landesvorstand der afa undder EAG <strong>in</strong> Paulushofen. Dort wurdendie 10 Punkte, wie Planung, Kürzungen,Vorbereitungen <strong>für</strong> Sozialwahlen,ausgearbeitet.18 bis 23. Oktober 2004 Studienreisenach Brüssel zu dem Thema: Arbeitsmarktund Sozialpolitik <strong>in</strong> dererweiterten Europäischen Union.12. Februar 2005 Info‐Tagung <strong>in</strong>Nürnberg im Caritas‐Pirckheimer‐Hauszum Thema:Das Modell <strong>für</strong> e<strong>in</strong> familiengerechtesund solidarisches System der Alterssicherung<strong>in</strong> der Bundesrepublik.1. Juni 2005 Mit der Sozialwahl2005, die zu diesem Stichtag abgeschlossense<strong>in</strong> musste, wurde <strong>für</strong> dienächsten sechs <strong>Jahre</strong> die Zusammensetzungder jeweiligen Versicherten‐Parlamente festgelegt. Insgesamt waren50 Millionen Deutsche zur Wahlaufgerufen. Aufgrund der Unwissenheitder Bürger „Was und wo<strong>für</strong> s<strong>in</strong>dSozialwahlen?“ hat die EAG e<strong>in</strong>e Werbekampagnegestartet. Die Organisationenafa und kda haben e<strong>in</strong>ePräsentation der Kampagne und derErgebnisse der Sozialwahlen 2005 <strong>in</strong>Bayern erarbeitet.6. – 10. Juni 2006 veranstaltete


die EAG e<strong>in</strong>e Klausurwoche <strong>in</strong> Untertauernmit aktueller Thematik zurGesellschaftspolitik.3. Februar 2007 Die EAG wird e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>getragener Vere<strong>in</strong>. Die Gründungund E<strong>in</strong>tragung der EAG e.V. wurde <strong>in</strong>Schwarzenbruck im Raumerhaus desDiakonischen Werks Rummelsberg anlässliche<strong>in</strong>er außerordentlichen Delegiertenversammlungbeschlossen.29. Oktober 2007 Die EAG geht onl<strong>in</strong>e.Der Weg zum Webportal lautet:www.eag‐<strong>in</strong>‐bayern‐und‐thuer<strong>in</strong>gen.de23./24. November 2007 <strong>Jahre</strong>sabschlusstagungder EAG und afa imLandgasthof Eur<strong>in</strong>ger Hotel <strong>in</strong> Paulushofen.Diskutiert wurde das Strukturpapiervon Mart<strong>in</strong> Becher sowie dieWeiterarbeit an der strukturellen Zusammenarbeitvon kda, afa und EAG.Mit der „Pressemeldung zum M<strong>in</strong>destlohnermöglicht fairen Wettbewerb“wird die Tagung beendet.2. Oktober 2010 Im H<strong>in</strong>blick aufdie Sozialwahlen 2011 fand <strong>in</strong> Nürnberge<strong>in</strong> Aktions‐ und Infotag der EAGstatt.Der Aktionstag lief unter dem Motto:„Zukunft gestalten – Verantwortungwahrnehmen – <strong>soziale</strong> Selbstverwaltungunterstützen.“ Am Infostandauf dem Ludwigsplatz <strong>in</strong> Nürnbergverteilten die Anwesenden den EAG‐Flyer und den Flyer zur Sozialwahl2011.Im Eckste<strong>in</strong>haus hörten wir denVortrag zum Thema: „Offene Wundeim Sozialstaat: Die Zukunft unseresGesundheitswesens von der AOK‐BayernRolf Miehl<strong>in</strong>g, den Zwischenruf„Zukunft <strong>in</strong> Solidarität und Gerechtigkeit“vom Sozialpfarrer FriedemannPreu.19./20. März 2011 Schnellen underheblichen Handlungsbedarf der Politikbei der Pflegeversicherung sehendie Delegierten der EAG nach Abschlusse<strong>in</strong>er Fachtagung zum Thema„Die Zukunft der Pflegeversicherung“die im Rahmen der Delegiertenversammlung<strong>in</strong> Nürnberg stattgefundenhat. Es diskutierten im Rahmen e<strong>in</strong>erPodiumsveranstaltung der Pflegekritiker‐ Claus Fussek ‐, der ehemaligerLeiter des Seniorenamtes der StadtNürnberg – Friedrich Strauch ‐, dieErlanger VdK‐Kreisgeschäftsführer<strong>in</strong> ‐Elisabeth Paulus ‐, vom PflegestammtischNürnberg ‐ Kurt Hanauer ‐ undder Ressortdirektor Pflege bei derAOK Bayern ‐ Harold Engel ‐ zum Thema:Es ist 5 vor 12 was die Pflege unddie Pflegeversicherung betrifft. Kirchenhaben e<strong>in</strong>e besondere ethischeVerantwortung zum Handeln.“15. Oktober 2011 Im Rahmen deraußerordentlichen Delegiertenversammlungim Tagungszentrum bzw.im Jugendzentrum Rummelsberg /Schwarzenbruck wählten 25 Delegierteder EAG aufgrund der Rücktrittedes Vorsitzenden Roland Steuerwaldund des stellvertretenden VorsitzendenThomas Thöne e<strong>in</strong>en neuen EAG‐Vorstand, der sich wie nachstehendaufgeführt, zusammensetzt: Vorsitzender:Eugen Hähnel, stellvertretendeVorsitzende: Barbara Grille,stellvertretender Vorsitzender: ThomasKrämer, Ehrenvorsitzender: RolandSteuerwald.18./19. November 2011 Wie alle<strong>Jahre</strong> fand im Landgasthof Eur<strong>in</strong>ger <strong>in</strong>Beilngries‐Paulushofen die geme<strong>in</strong>same<strong>Jahre</strong>sabschlusstagung ‐ afa – EAG– statt. Diskutiert wurde von denTeilnehmenden u. a. zu dem Thema„Wie stellen wir uns geme<strong>in</strong>sam dieZukunft vor (afa / EAG / kda)“. DasKonsenspapier – Zusammenarbeit vonEAG, afa und kda wurde von den geschäftsführendenVorständen der afaund EAG unter E<strong>in</strong>schluss des Leitersdes kda, Pfr. Dr. Johannes Rehm, aktualisiertund e<strong>in</strong>stimmig durch dieVorstände von afa und EAG <strong>in</strong> der geme<strong>in</strong>samenSitzung beschlossen.17. März 2012 Auf der Kooperationstagungder Aktionsgeme<strong>in</strong>schaft<strong>für</strong> Arbeitnehmerfragen der evangelisch‐luth.Kirche <strong>in</strong> Bayern (afa),Kirchlicher Dienst <strong>in</strong> der Arbeitsweltder evangelisch‐luth. Kirche <strong>in</strong> Bayern(kda) und der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong><strong>für</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Fragen</strong> <strong>in</strong>Bayern und Thür<strong>in</strong>gen e.V. (EAG) <strong>in</strong>Nürnberg diskutierten die Teilnehmendenzu den „Aktuellen Herausforderungen<strong>in</strong> der Gesundheitspolitik“.Impressum<strong>Evangelische</strong> <strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft</strong> <strong>für</strong> Arbeitnehmerfragen Bayern und Thür<strong>in</strong>gen e.V. (EAG)Heilig‐Kreuz‐Str. 15, 86152 Augsburg| verantwortlich: Eugen Hähnel, Barbara Grille, Thomas KrämerGestaltung: Thomas Krämer| Fotos: Barbara Grille, Hannelore Fesenmeier, e<strong>in</strong>zelne Bilder wurde von den Referenten zur Verfügung gestellt.E‐Mail: <strong>in</strong>fo@eag‐<strong>in</strong>‐bayern‐und‐thuer<strong>in</strong>gen.de| Internet: http://www.eag‐<strong>in</strong>‐bayern‐und‐thuer<strong>in</strong>gen.deSeite 25 von 25

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