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PDF-Dokument, 3,57 MB - Thomas Riess

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I amI am not


silvia aigner 05arbeiten mit korrekturbandroller 10tina teufel 30video 34günther oberhollenzer 44grafik / malerei / collagen 52thomas riess 70


04draussen / out there, 2012, 150 x 150 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas


in denzwischenräumendes lebenssilvie aignerdas eindeutige thema in den arbeiten vonthomas riess ist der mensch. oder doch nicht?schon allein mit dem begriff malerei stößt manschnell an seine grenzen und merkt dass eineeindeutige positionierung des künstlers aufdiesem weg nicht funktioniert und das themafigur bzw. mensch auch nicht all das umschreibt,was mittels seiner malerei transportiert wird. alleindie tatsache, dass ein künstler sich so vehementmit tiefseetauchern und astronauten beschäftigt,lässt erahnen, dass der betrachter aufgefordertwird, bekanntes terrain zu verlassen, um sich indas prekäre verhältnis zwischen wahrnehmung,wirklichkeit und interpretation derselben aufzumachen.die herausforderung dieses in eine neuerealität – in jene des bildes – zu übersetzen, istdem kunstschaffen immanent und daher auch fürthomas riess unausweichlich. doch selbst dann,wenn er für sich die zwischenräume des lebensbenennen kann, so steht er in der folge vor derherausforderung, diese auch für den betrachtersichtbar zu machen. letztlich wirft ihn die arbeitallen ablenkungsmanövern, wie dem motiv, derkonzeptuellen idee oder der auseinandersetzungmit dem material zum trotz, daher auch immerwieder auf die frage nach der eigenen existenzzurück und fordert ihn heraus seine grenzenauszuloten und gegebenfalls zu überschreiten.aus der persönlichen auseinandersetzungwird eine allgemeine these womit wir dannletztlich wieder vor der frage stehen: kannkunst die philosophischen gedankenschleifendes künstlers abbilden oder zumindest einenteil davon und wofür stehen in diesen überlegungendie tiefseetaucher oder astronauten,wellenreiter oder spacesurfer? den bildern haftetetwas rätselhaftes und geheimnisvolles an.man erwartet, dass etwas geschehen wird, etwasseltsames, wunderliches, symbolisches.ein bedeutungsvoller fingerzeig, etwas in der arteiner vision, etwas, das eine wahrheit vermutenlässt, aber darüber im unklaren lässt, welche.der raum in dem sich seine protagonistenbewegen ist zumeist schwarz oder weiß. einendloser raum in den unendlichen weiten desweltalls. wir schreiben das jahr 2013 in unserlogbuch des raumschiffs..... assoziationen zu bilderntauchen auf, durch die man den weltraumvor jahrzehnten via low budget produktionenin unsere wohnzimmer beamte. die assoziationsketteist zulässig, bezieht sich thomas riessdoch in seinen überlegungen auch auf die scienefiction parodie „dark star“ von john carpenteraus dem jahr 1974. dark star ist ein raumschiff,das seit zwanzig jahren im all auf der suche nachinstabilen planeten unterwegs ist. der film, dessenkatastrophales ende sich durch die kausaleverkettung verschiedener ereignisse bereits amanfang anbahnt, erzählt nicht nur von der völligenabgestumpftheit und kommunikationsunfähigkeitder crew, sondern auch vom dialog mit derletztlich explodierenden bombe 20. sie ist trotzeiner reihe von falschen befehlen, zunächst nochwillens nach eingehender verbaler überredungskunsteines computers, in den bombenschachtzurückzukehren. doch letztlich kulminiert der filmin einer unterweisung der nun bereits scharfenbombe 20 in phänomenologie durch den astronautendoolittle, der dafür sogar aus dem05


aumschiff klettert. ein leider nur vermeintlicherausweg aus der katastrophe. an dieser schnittstellesetzt thomas riess mit seien überlegungenan – nicht an der explosion – sondern am dialogüber das phänomen der realität, was uns dererklärung warum der künstler ein gewisses faiblefür taucherbrillen, schutzhelme, taucherglockenund astronautenhelme hat, etwas näher bringt.die protagonisten seiner bilder bewegen sichin einem anderen system. sie sind ausgesetztin einem raum, in dem sie ohne schutzbekleidungnicht überlebensfähig sind. die kommunikationmit der außenwelt ist möglich, jedochdurch die technische hilfe. doch ohne einendirekten kontakt ist man sich der realität derinformationen die man erhält noch sicher? welcheinformationen lässt man zu sich und welcheweist man ab? auch doolittle versuchte derbombe klar zu machen, dass sie alle informationenüber die sie umgebende außenwelt nurdurch sensoren aufnimmt und daher nicht sichersein kann, ein authentisches bild der tatsächlichenrealität zu erhalten. phänomenologie alsbezeichnung für die erkenntnis als vorstellung imunterschied zum ding an sich, wie kant diesenbegriff in der naturphilosophie verwendete bzw.als theorie der erscheinungen. diese impliziertjedoch auch, dass der irrtum (der schein) aufgedecktwerden muss, um zur wahrheit vorzudringenaber auch, dass der schein zuweilen zursubjektiven realität wird. als diese bezeichnenwir oft jene welt, die uns bekannt ist. das waswir nicht kennen, kann einfach nicht sein, wasletztlich bereits platon in seinem höhlengleichnisaufzeigte. doch ist nun der leere raum in denbildern von thomas riess, jene „terra ingocnita“,die von seinen figuren erst befüllt werden muss,oder ist es eher so, dass der astronaut oder dertaucher eine realität für sich darstellt, ein völligautarkes system, angehängt an schläuchen,die ihn mit dem lebensnotwendigen versorgen.auch bombe 20 kam letztlich zum schluss, dassaußer ihr nichts existiert und beginnt daher ihreeigene version der schöpfungsgeschichte zuerzählen. je mehr man eindringt in die geschichteder bilder von thomas riess desto unausweichlicherwird die auseinandersetzung mit demwas man gemeinhin leben nennt. wie weit reichtdarin der schutzmantel des einzelnen? waserkennen wir als wahrheit an und wie weit reichtunsere vorstellungskraft, die uns ermöglicht dasandere, fremde, das über das eigene hinausgeht überhaupt erst zu realisieren? dies ist einesder themen die den konzeptuellen überlegungenvon thomas riess zugrunde liegen. ebenso wiedas zurückgeworfen sein auf die selbstverständlichenfunktionen der atmung. diese wird unserst bewusst, wenn sie aus ihrem automatismusgekippt wird, in einer welt, die für die menschlicheexistenz nicht geschaffen ist, in die wirjedoch eindringen und versuchen uns darin zubewegen. der schutzanzug wird zum panzer, zurzweiten haut, die uns nach außen hin abgrenzt.die metaphern sind evident, jedoch nicht immerangenehm, hält uns thomas riess doch damit zugleichauch einen spiegel vor. vielleicht ist die antwortja einfach loszulassen, wie doolittle der, alsder die ausweglosigkeit der lage erkennt, in einemallerletzten wellenritt über die planeten surft. auchin jim mcbrides film „atemlos“, einem poppigenremake des jean luc godards films „außer atem“,war der „silberne surfer“ das symbol für dievöllige freiheit, in einer grenzenlosen welt. aberthomas riess zeigt uns, dass wir diese ohne diehelme und schutzkleidung eben nicht erreichenkönnen.doch anderseits: wer diesen nie verlässt, wirdletztlich nie mehr sehen und erleben, als das wasihn unmittelbar umgibt. dabei stellt thomas riess dieumgebung seiner protagonisten zumeist garnicht dar. nur in einigen bildern verortet er dietaucher in einem see oder in einem wasserbecken.doch in den großformatigen leinwänden,erscheint das wasser oder die luft nur in


unserer assoziation, denn rein formal ist es einemonochrome farbfläche, auf die der künstlerseine figuren setzt. diese werden mittelsklebebandroller aufgetragen. der ausgangspunktist gefundenes oder selbstgemachtes fotomaterial,das als mediales archiv dem künstler zuverfügung steht und als impulsgeber dient. dasauftragen mittels des immer gleichen arbeitsvorgangeswirkt einerseits wie eine verdichtungund andererseits wie eine auflösung. was keinenwiderspruch darstellt. der langsame arbeitsprozesserzwingt eine beschäftigung mit dem bildüber einen langen zeitraum hinweg. die vielfältigengedanken, die möglichen wegnetze die sichangesichts der grundierten leinwand ergeben,müssen konkretisiert und gebündelt werden.andererseits wird die geschlossen figur desmedialen ausgangsbildes aufgelöst, ähnlich derpixel am computer besteht auch im fertigen bildvon thomas riess die figur aus einer vielzahl voneinzelnen mehr oder weniger dicht nebeneinandergesetzten korrekturbandstrichen, die nahsichtiggesehen eine abstrakte farbfläche bildenund erst in der gesamtschau das motiv erkennenlassen. dem individuelle duktus des malers wirdder korrekturbandroller als übertragungsgerätzwischengeschaltet. charakteristisch für diesewerkserien ist ihr verzicht auf farbe. die reduktionauf schwarz/weiß erhöht die präsenz dermaterialität und verleiht den arbeiten zugleichetwas graphisches, obwohl sie mit dem mediumzeichnung im eigentlichen sinn kaum vergleichbarsind.auch wenn man sieht, was dargestellt ist, bleibtdie irritation vorhanden, vor allem weil dasthema so konsequent durchgezogen ist, wirddem betrachter schnell klar, dass es sich nichteinfach um ein zufälliges motiv handeln kann.zusammenhänge werden gesucht, inhalte interpretiert.diese situation der unsicherheit in derwahrnehmung nützt thomas riess auch in seinemvideo aus. dieses stellt den letztlich am schlusserkennbaren gegenstand nicht nur auf den kopf,sondern nützt den schmelzvorgang des wachshelmsum das ding im video erst eigentlich zugestalten. dieser vorgang erscheint wie vongeisterhand inszeniert. die teile formen sich ineiner faszinierenden ästhetik, krümmen sich,verschmelzen und langsam wird daraus ein helm.das wachs wird, so lässt uns das video glauben,von einer unsichtbaren quelle zugeführt, begleitetvon den atemgeräuschen eines tauchers imwasser. die inszenierung gelingt perfekt, bis zumschluss ist nicht klar wie der vorgang ausgeht.so erleben die betrachter die arbeiten vonthomas riess als antwort und frage zugleich.vielleicht ist es so wie markus lüpertz meinte, dassein kunstwerk erst im kopf dessen existiere, deres sieht, erst über die aussage des betrachterserhält das bild einen eigennamen der polyphonund niemals eindeutig klingt. letztlich sind kunstwerkeso lüpertz eine „paradoxe schaukel“. auchtheodor w. adorno reflektierte seiner ästhetischentheorie den rätselcharakter der kunst: mit denrätseln teilen die kunstwerke die zwieschlächtigkeitdes bestimmten und unbestimmten. sie sindfragezeichen, eindeutig nicht einmal durch synthesis.dennoch ist ihre figur so genau, dass sieden übergang dorthin vorschreibt, wo das kunstwerkabbricht. wie in rätseln wird die antwortverschwiegen und durch die struktur erzwungen.der zweck des kunstwerks ist die bestimmtheitdes unbestimmten. vielleicht ist es daher wirklichso, wie nietzsche annahm, dass die kunst demmenschen hilft, sich das ganze des daseins bewusstzu machen. ein mittel zu einer sensiblenannäherung an die kaum fassbaren zwischenräumedes lebens ist sie allemal.verwendete literatur:friedrich nietzsche, nachgelassene fragmente 1884-1885,ditzingen, 1995markus lüpertz, der kunst die regeln geben.ein gespräch mit heinrich hell, zürich 2005theodor w. adorno, ästhetische theorie, gesammelte schriften,frankfurt am main 1990


hülle (anzug) XI / suit XI2012, 220 x 140 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas09


10of erroneous orders, the bomb is at first andthanks to the persuasive skills of a computerstill willing to return to its bay. however, the filmeventually culminates in the live bomb’s instructionabout phenomenology by the astronautdoolittle, who even climbs out of the spaceshipto do so – unfortunately, only a supposedexit strategy out of the catastrophe. it is at thisintersection that riess applies his deliberations –not to the explosion – but to the dialogue aboutthe phenomenon of reality, which makes theartist’s liking for diving goggles, hard hats, divingbells and astronauts’ helmets more explicable.the protagonists of his paintings move withinanother system. they are set adrift in a spacein which they cannot survive without protectiveclothing. communication with the outside worldis possible, but only with the help of technology.but can one still be certain of the reality of theinformation one receives in the absence of anydirect contact? which pieces of information doesone accept, which reject? doolittle, too, tries tomake the bomb understand that it collects allthe information about the outside world only viasensors and thus cannot be sure to receive anauthentic image of actual reality. phenomenologyas a term for the realization as conception incontrast to the thing per se, as kant used thisterm in the context of natural philosophy, or asa theory of phenomena, respectively. however,this also implies that the error (the appearance)must be discovered in order to get to the truth,but also that the appearance becomes subjectivereality at times. this is how we often referto the world we know. what we do not know,simply cannot be, as plato already demonstratedwith his allegory of the cave. but is the emptyspace in the paintings of thomas riess that “terraincognita,” which has yet to be peopled by figures,or is it rather the case that the astronaut or the diverrepresents a reality in its own right, a completelyself-sufficient system, connected to tubes thatsupply everything essential to life? even bomb 20eventually concluded that nothing existed apartfrom itself and thus begins to narrate its ownversion of genesis. the more one is immersedin the story told by the paintings of thomasriess, the more inevitable the confrontation withwhat is commonly referred to as life becomes.how far does the protective covering of theindividual reach? what do we recognize as thetruth and how far does our imagination go, whichenables us to realize the other, the alien beyondourselves? this is one of the topics at the basisof thomas riess’s conceptual deliberations, justas being thrown back on the natural functionof respiration. we are only made aware of thisif the automatism is tilted, in a world that is notmade for human existence, but which we invadenevertheless, trying to move within its confines.the protective clothing becomes an armor, a secondskin, that separates us from the outside.the metaphors are evident, but not always comfortable,as thomas riess simultaneously holdsthe mirror up to our faces. maybe the answersimply is to let go, like doolittle, who, uponhaving realized the hopelessness of thesituation, goes for a final surf across the planets.the “silver surfer” also was the symbol of totalfreedom in a boundless world in jim mcbride’sfilm breathless, a pop-remake of jean-lucgodard’s production of the same name. butthomas riess shows us that we cannot reachthis boundless world without helmets or protectiveclothing. yet, on the other hand: who neverleaves this protective environment will ultimatelynever see and experience anything beyond theimmediate surroundings. and yet thomas riessdoes not even depict the environment of hisprotagonists most of the time. only in some paintingsdoes he locate the divers in a lake or a pool.but on these large-sized canvases, water or aironly appears in our associations because, on apurely formal level, it is a monochrome surface onwhich the artist places his figures. these are appliedvia a tape dispenser. the starting point is either


discovered or self-made photographic materialwhich serves the artist as a medial archive providinga fresh impetus. the application by meansof an always identical work process appearslike water or air only appears in our associationsbecause, on a purely formal level, it is amonochrome surface on which the artist places hisfigures. these are applied via a tape dispenser. thestarting point is either discovered or self-madephotographic material which serves the artistas a medial archive providing a fresh impetus.the application by means of an always identicalwork process appears like condensation on theone and dissolution on the other hand, whichdoes not pose a contradiction. the slow workprocess brings about a long-lasting occupationwith the image. the manifold thoughts, thepossible road system that arise given the primedcanvas need to be concretized and concentrated.on the other hand, the closed figure of themedial starting image is dissolved – similar tocomputer pixels, the figure in the final image ofthomas riess consists of individual pieces of tapethat are more or less closely placed next to eachother and which, upon close inspection, createan abstract color-surface and reveal the motifonly in the overall view. the correction tape roller isinterconnected as a transmitter with the painter’sindividual flow. what is typical of similar seriesis the renouncement of color. the reduction toblack and white heightens the presence of themateriality and at the same time lends somethinggraphic to these works, although they arehardly comparable to the medium of drawings inits classical meaning.even if one can see what is being depicted, theirritation remains. especially since the themeis so consistently applied, the spectator soonrealizes that this cannot be an arbitrary motif.connections are looked for, contents are interpreted.this situation of perceptional insecurityis also exploited by thomas riess in his video.it not only turns the eventually discernibleitem on its head, but also makes use ofthe wax helmet’s melting process to form thething in the video. this procedure seems to beconducted as if by an invisible hand. the parts areformed in a fascinatingly aesthetic manner, theybend and melt, and slowly turn into a helmet.the wax, so the video makes us believe, isdelivered from an invisible source, accompaniedby the breathing sounds of a diver underwater. everything is perfectly staged, it is unclearuntil the very end how the process will conclude.in this manner, spectators experience the worksof thomas riess as answer and question alike.maybe markus lüpertz was right when he saidthat a work of art only begins to exist in the mindof the person who sees it, that it is only via thespectator’s statement that the image receivesa proper name that is polyphonic and neverunambiguous. in the end and according tolüpertz, works of art are a “paradoxical swing.”theodor w. adorno also reflected upon art’senigmatic character in his aesthetic theory:“riddles and works of art share the ambiguityof the definite and the indefinite. they arequestion marks, unambiguous not eventhrough synthesis. still, their figure is so exactthat it prescribes the transition to the locationwhere the work itself abruptly ends. like inriddles the answer is kept a secret and compelledby structure. the work’s purpose is the definitionof the indefinite.” maybe it really is as nietzscheassumed, i.e. that art helps the human beingto become aware of the totality of existence. itdefinitely is a means for a sensitive approach tothe hardly graspable interstices of existence.works cited:friedrich nietzsche, nachgelassene fragmente 1884-1885,ditzingen, 1995markus lüpertz, der kunst die regeln geben. ein gespräch mitheinrich hell, zürich 2005theodor w. adorno, ästhetische theorie, gesammelte schriften,frankfurt am main 199011


12transporter - vehicle, 2013, 100 x 140 cm,korrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas


transporter - vehicle II, 2013, 150 x 150 cm,korrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas 13


14einsaugrüssler / aspirating snouter, 2011, 60 x 50 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas


16ohne titel / untitled, 2012, 120 x 100 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas


impacts III, 2012, 110 x 100 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas17


sauger / snouter, 2012, 100 x 150 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas 19


20docken II / docking II, 2010, 90 x 120 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas


ückkehr / return, 2012, 85 x 170 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas


24einsauger / aspirating, 2012, 60 x 50 cm,korrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas


unterbau / module substructure, 2012, 115 x 170 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas 25


26hülle (anzug) V / suit V2010, 220 x 140 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas


hülle (anzug) IV / suit IV2010, 220 x 140 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas 27


28anzug / suit, 2013, 220 x 140 cmkorrekturbandroller und acryl auf leinwandcorrection tape and acrylic on canvas


thomas riess. i am i am nottina teufelthomas riess erzählt mit seinen gemälden, collagen und filmen geschichten.hauptakteur seiner erzählungen ist die zeit: sie tritt in denunterschiedlichen medien des künstlers auch differenziert in erscheinung,gemeinsam ist ihnen die erfassung der zeit in einem dynamischenmoment.riess‘ collagen werden zu lebendiger narration. ähnlich william kentridge lassen uns seineanimierten filme am entstehungsprozess teilhaben und verdeutlichen, was mit erinnerungenund ereignissen in unserem gehirn passiert: in zahlreichen, mittels foto dokumentiertenarbeitsschritten überlagert er schicht für schicht fotos, zeitungs- und magazinausschnitte,farbschichten, vor allem aber fotografische auseinandersetzungen mit dem eigenenkonterfei, die er zusammenstellt, überlagert, neu interpretiert und zunächst teilweise dannwieder gänzlich löscht. in einem statischen medium fixierte abläufe werden von thomasriess wieder eine dynamische form übertragen, die unsere wahrnehmung zu täuschenvermag. wie in unseren eigenen erinnerung, bleiben oft nur fragmente von collagiertenbildern für einen bestimmten zeitraum bestehen, werden zum teil von neuen eindrücken– in diesem fall collageelementen – überlagert, welche die vorlage anfangs sogar manchmalnoch durchscheinen lassen, aber meist überdecken, aus dem kontext nehmen undmit neuen elementen vermischt für weitere assoziationen freigeben. er erzählt in bildernassoziativ, ermöglicht die nachvollziehung seines künstlerischen denkprozesses, konterkarierteine sinnvoll-chronologische auseinandersetzung mit veränderungsprozessen dereigenen person, lässt dabei aber viel raum für die betrachterin – für eigeninterpretation30


ebenso wie für die geistige weiterführung in jedem von uns. thomas riess ist dabei wichtig,dass die wahl des chronologischen ablaufs keine konstante formuliert, sondern prinzipiell einebeliebig wählbare sequenz eines größeren ganzen. die neben den animationsfilm gestelltecollage bildet somit einen status quo, der nicht zwingend der endgültigkeit unterliegt. dasstatische werk lässt spuren der rhythmischen bearbeitung erahnen. ohne den film bleibt einwichtiger aspekt des werkes verborgen, wie auch im menschlichen dasein vieles unterhalbder oberfläche, jenseits von sein und schein, ebenso wie (frühere) facetten des ich unerkanntbleiben. mit fotografischen vorlagen arbeitet thomas riess auch in seinen gemälden.obschon seine gemälde, videos, collagen und zeichnungen in gewisser weise eindeutig denmenschen als thema aufgreifen, ist seine herangehensweise in konzeptueller wie materiellerart und weise herausfordernd für die betrachter/innen. vor allem die aus korrekturband undacryl entstandenen bilder fordern dazu auf, die eigene wahrnehmung und ihre evolution innerhalbder entwicklung immer neuer bildmedien und –qualitäten ebenso wie die emotionen,die seine werke hervorrufen zu ergründen. das korrekturband, das eigentlich etwas vermeintlichfalsches löschen beziehungsweise abdeckend unlesbar machen soll, wird hier zur sichtbarmachungverwendet. sein weiß erhebt sich aus dem homogenen schwarz des gemaltenunter- und hintergrundes. die als bildstörung wahrgenommene setzung des korrekturbandesauf dem grund lässt an die übertragung eines analogen, im zeitalter von high definition altertümlicherscheinenden satellitenbildes denken. egal ob tiefseetaucher, astronaut, anonymerobdachloser oder – wie hier – mensch im schutzanzug, die figuren sind mehr erscheinungendenn physisch reale personen, enthoben jeglicher anbindung an einen fassbaren umraum, aufsich selbst zurückgeworfen. dieses herauslösen aus einem kausalen kontext gilt auch für diecollagen und aus dem collagierungsprozess entstandenen filme des künstlers.in allen medien werden seine vorlagen durch die künstlerischeintervention in zeichnerischer wie malerischer form in einen neuenkontext gesetzt und durch übermalung wieder gelöscht – dermensch kreiert seine geschichte(n) selbst und dokumentiert die zeitals seine ständige begleiterin.31


thomas riess. i am i am nottina teufelwith his paintings, collages and films thomas riess tells stories. the mainactor in his narrations is time. it appears in differentiated ways in thevarious media the artist uses; what they have in common is that theyrecord time in a dynamic moment.riess‘ collages turn into living narration. similar to william kentridge, his animatedfilms allow us to take part in the development process, illustrating what happens tomemories and events in our brains: in numerous photographically documented workingsteps he superimposes layer after layer on photos, newspaper and magazineclippings, colour layers, and particularly on photographic examinations of his ownportrait which he arranges, overlays, reinterprets and then deletes, first partially, thencompletely. thomas riess transfers procedures that are anchored in a static mediuminto a dynamic form again, which can fool our perception. like in our memories, oftenonly fragments of collaged images remain existent for a certain period of time;they are, to an extent, overlaid by new impressions – in this case collage elements– which sometimes in the beginning even allow the original to shine through, but mostlythey cover it, remove it from the context and release it, mixed with new elements,for further associations. he narrates in pictures, by means of association, allowing tofollow his creative thinking process, thwarting a reasonable chronological examinationof the change process of his own person, but leaving the viewer ample space both32


for personal interpretation as well as for mental extrapolations within everyone of us. for thomasriess it is important that the selection of the chronological sequence does not form aconstant, but basically an arbitrary sequence of a greater whole. the collage positioned nextto the animation film thus constitutes a status quo which is not necessarily subject to finality.traces of the rhythmic development can be discerned behind the static work. without the film,an important aspect of the work remains hidden, like many things in the human existencestay beneath the surface, beyond reality and appearances, and (earlier) facets of one‘s ownself remain unknown. especially the paintings made of correction tape and acrylics prompt anexamination of one‘s own perception and its evolution within the development of perpetuallynew visual media and image qualities, as well as the emotions evoked by his works. the correctiontape, usually used to delete or to blot out something that is assumed to be incorrect bycovering it, is here used to make it visible. its white colour rises from the homogenous black ofthe painted base and background. the placing of the correction tape onto the base, perceivedas an image interference, evokes the idea of an analog satellite image transmission, seeminglyantiquated in the age of high-definition. no matter if it is the deep sea diver, the astronaut, ananonymous homeless person or – like here – a person in a protective suit: the figures rather resembleapparitions than physically real persons; they are without any connection to concretesurroundings, thrown back onto themselves. this removal from a causal context also appliesto the collages of the artist and the films created during the process of making them. in allthe media his originals are placed in a new context by the artistic intervention of drawing orpainting and deleted again by overpainting – the human being creates his/her own story(ies)and documents time as his/her constant companion.thomas riess uses photographic images also in his paintings.although the subject of his paintings, videos, collages and drawingsclearly is, in one way or the other, the human being, his approach isa challenge for the viewers in a conceptual and material way.33


accreation, 2010, 6 min 29 secvideostill


36time, 2011, 8 min 21 secvideostill


time, 2011, 8 min 21 secvideostill 37


38time, 2011, 8 min 21 secvideostills


time, 2011, 8 min 21 secvideoendstill - mischtechnik auf papiervideoendstill - mixed media on paper32,5 x 41 cm 39


40i am i am not, 2012, 7 min 14 secvideostills


i am i am not, 2012, 7 min 14 secvideoendstill - Mischtechnik auf Papiervideoendstill - mixed media on paper32,5 x 41 cm


von dem versuch, die zeit zu zeichneneine annäherung an die zeichnungen,collagen und videos von thomas riessgünther oberhollenzer„die welt vergessend, um in seinem werk zu leben,schafft der künstler in seinem werk eine welt.“friedrich spielhagen (1829 - 1911), deutscher schriftstellersprache stößt immer wieder an ihre grenzen, wennes darum geht, über kunst zu schreiben, sie zubeschreiben oder zu interpretieren. gerade imvorliegenden fall scheint das eine besondere herausforderungzu sein. wie kann man sich in einem textvon überschaubarer länge einem künstler wie thomasriess nähern, der mit hunderten zeichnungen,aber auch videos und malereien ein überaus vielschichtiges,heterogenes schaffen vorliegt, bei demjede einzelne zeichnung ganze geschichten in sichbergen? riess weiß vieles über seine kunstwerke zuerzählen. doch soll die entstehungsgeschichte, dieinspiration des künstlers, seine intention überhauptoffenbart werden? nimmt man dadurch der kunstnicht ihren reiz, ihr rätsel? gleichzeitig möchte der leseretwas über die gedankenwelt des künstlers erfahren,um leichter einen zugang zum werk zu finden. derfolgende text basiert auf gesprächen mit demkünstler und versucht eine gradwanderung. ohneanspruch auf vollständigkeit möchte ich einige mirwesentliche aspekte seines künstlerischen schaffensbeschreiben, in der hoffnung, neugierig auf diearbeiten zu machen, ihnen aber gleichzeitig dienotwendige offenheit und interpretationsvielfalt zulassen. ich sehe meine herangehensweise wenigerals kunstanalytischen diskurs sondern mehr als einepersönliche annäherung, getragen von einer großenbegeisterung insbesondere für die grafischenarbeiten – übrigens ein künstlerisches medium,künstlerisches medium, dem im zeitgenössischen44


kunstbetrieb leider oft viel zu wenig beachtunggeschenkt wird.es ist privileg und fähigkeit des künstlers, genährtaus erfahrung und wissen, sich seine eigene welt zuimaginieren, mit selbst erwähltem regelwerk undgesetz – eine schöpfung, die zugleich zurückstrahltauf unser leben und über unsere existenz erzählt.thomas riess ist ein solcher künstler. riess ist sammler, einsammler von bildern. zahllose abbildungen aus zeitschriftenund prospekten, zeitungen und alten büchernfinden sich in seinem fundus. sie sind inspirationsquellenund arbeitsmaterial für immer neue zeichnungen,malereien und collagen, die seine ganz persönlichesicht auf die welt offenbaren. in einer künstlerischenanalyse bearbeitet und verändert riess das vorgefundenebildmaterial, um in einem selbstbestimmten sehen„den realitätsbezug in frage zu stellen“, wie er selbstbetont.unsere wirklichkeit ist von medial generierten bildernbeherrscht, ob nun werbesujet oder „normale“fotografie, (fast) immer scheint vorgeschrieben zusein, wie wir etwas zu sehen haben: ein bestimmterblickwinkel wird festgelegt, zwischen vorder- undhintergrund, oben und unten unterschieden, einekonkrete bedeutung durch bedeutungsträgersuggeriert. dem möchte riess entgegenwirken, indemer gängige betrachtungsmuster aufbricht. in seinengrafischen arbeiten gehen fotografie, malerei undzeichnung symbiotische verbindungen ein. durchübermalungen isoliert der künstler bilddetails undweist ihnen einen neuen sinngehalt zu, er lässtmitten in einer fotografie abstrakte (und doch wiegegenständlich wirkende) malklekse auftauchenoder collagiert verschiedene fotoschnipsel zu ungewohntenbildzusammenhängen. riess geht denbildstrukturen auf den grund und strebt eine „objektivere“wahrnehmung des gegenstandes an, indemer z.b. alle vorhandenen linien und konturen einerfotografie mit einem stift nachfährt oder alle grünentöne einer waldlandschaft mit weißer acrylfarbeübermalt. so erfährt jedes detail die gleichewertigkeit und aufmerksamkeit - wobei die malerischeauseinandersetzung dem bild eine neuebedeutung verleiht und der vormals grüne wald in derarbeit „scan“ nun wie eine winterlandschaft erscheint.riess ist ein hervorragender zeichner, die grafischenarbeiten wirken wie lockere, frei festgehaltene gedankenblasendes künstlers. besonders in der verbindungvon zeichnung und malerei, fotografie undübermalung, zeichnung und collagierte fotografiespielt er mit blick- und bildkonventionen, mit sein undschein, mit dem abbild und seiner wahrnehmung. erübermalt mit dunkler farbe schilder, die von soldatenim gleichschritt getragen werden, tilgt menschen ausfotografien und hinterlässt nur mehr ihre schatten undspiegelungen, er setzt einer heiligenfigur eine starwars-maskeauf den kopf oder verwandelt die türmedes wiener rathauses in abschussbereite raketen.der künstler geht geschickt vor, oft weiß man nicht(oder zumindest nicht auf den ersten blick), welchedetails des bildes manipuliert sind oder wo das fotografischeabbild in die malerei übergeht. die übermalungengeschehen rasch und sind bewusst nicht„sauber“ ausgeführt – so werden den nicht bemaltenstellen raum gegeben und die einzelne bildteile ineine spannungsvolle dynamik zueinander gesetzt. einwesentlicher teil des schaffungsprozesses sind dietitel. riess legt sie im akt des tuns, während desarbeitens fest, wobei die wort-bildkombinationenso offen gehalten sind, dass ein freier assoziationsprozessgewährleistet ist. alle grafischen arbeitenversteht der künstler als eigenständige werke. imzeichnerisch-grafischen findet die primäre, grundlegendeauseinandersetzung statt, wobei manchemotive und ideen in den großen malereien übernommenwerden und dem unmittelbar skizzenhaften einegeplante zufälligkeit mit stärker ausformulierter bildspracheweicht.der kreative prozess der bildwerdung kann in grafikund malerei vom betrachter nur erahnt werden,er sieht in erster linie nur das statische „endprodukt“.die videos „i am i am not“ und „time“ sind


ein künstlerischer versuch, den malerisch-zeichnerischenprozess sichtbar zu machen. „i am i amnot“ etwa besteht aus 2730 einzelfotos, angefertigtin rund zwei monaten und zu einer rhythmischenabfolge montiert. das video lässt tief in die gedankenweltdes künstlers blicken: ungefiltert legt riess offen,wie er ein bild aufbaut und bearbeitet, eine collageeinsetzt oder diese auch wieder übermalt. es istselten, dass ein künstler den betrachter so bereitwilligüber die schulter schauen lässt. man solltedie videoarbeit aber nicht mit einer dokumentationverwechseln. der akt des künstlerischen tuns wird hierzum kunstwerk erklärt:das video kennt keinen anfang und kein ende, esgibt nicht das fertige werk und den weg dorthin,sondern sich ständig wandelnde, immer wiederneu entstehende und übermalte zeichnungen undcollagen. „spannend und herausfordernd an dieserart des arbeitens ist“, so der künstler, „dass man keinkonzept vorbereiten kann, sondern spontan auf dasvorgefundene reagieren muss“. die folge ist, dass eskeine geschlossene erzählung gibt bzw. geben kann,narrative elemente tauchen zwar auf, sie werdenaber nicht konsequent verfolgt. auch wenn man alsbetrachter nicht alle bilder in den videos verstehenoder entschlüsseln kann (und das wohl auch nichtsoll, macht doch oft gerade die rätselhaftigkeit den reizeines kunstwerkes aus), der poetisch melancholischenbildersprache – wunderbar betont in „time“ durch densong „valtari“ von sigur rós – kann man sich kaumentziehen. zitate aus der film- und popkultur (z.b.die „anonymous“-maske) mischen sich mit kunsthistorischenverweisen („memento mori“-motiv) zueiner kritischen selbstbeschau des menschen, einerexistenziellen auseinandersetzung mit veränderungund vergänglichkeit, mit auslöschung und wiedergeburt.doch spätestens wenn gegen ende von „time“eine frau in einer zum raumschiff umfunktioniertenbadewanne durch das weltall fliegt, wird klar, dass dasalles nicht todernst gemeint ist. es fällt angenehm auf,dass sich riess in seiner arbeit gerne des humors und derironie (wie auch einer comicartigen sprache) bedient,und damit nicht dem missverständnis glaubenschenkt, kunst müsse todernst sein, da der witz aufkosten des tiefgangs gehe. sein fantastisch surrealerbilderkosmos strotzt vor komischen und skurrilen,aber auch grotesken und sonderbaren einfällen. undso tauchen wir in den videos völlig in welt des künstlersein – einer welt, die als eine selbstvergewisserungseines kreativen prozesses gelesen werden kann,aber auch als versuch, die dafür aufgewendete zeitzeichnerisch einzufangen und festzuhalten.immer wieder sind im video fotos des künstlers zusehen, gelegentlich finden sich diese auch in deneinzelzeichnungen. über drei jahre hat riess sich selbstfotografiert. er spielt verschiedene rollen, sein abbildsteht weniger für die eigene person, denn für denmenschen an sich – der künstler als versuchsobjekt,da immer verfüg- und analysierbar. das wesen dermenschen liegt in den augen, sie sind das spiegelbildder seele, deshalb trägt riess auf den fotos meistbrillen mit spiegelglas. das innere ich bleibt verborgenund seine person wird zum stellvertreter, zur hülle odermaske, in die wir als betrachter schlüpfen können.häufiger noch als sein selbst begegnen uns tiefseetaucher,astronauten oder andere schutzanzugträger.diese motive ziehen sich wie ein roter faden durch riess’werk. schwebend im luftleeren raum, isoliert und allein,manchmal durch schläuche miteinander verbunden,wirken die gestalten einsam, auch hilflos in ihrer nichtnäher definierten umgebung. eine astronauten- odertaucherausrüstung erlaubt es dem menschen, in eineunwirtliche, menschenfeindliche umwelt vorzudringen,sie können nur überleben, wenn sie mit dieser nichtdirekt in berührung kommen. der anzug wird zurkünstlichen, schützenden zweiten haut, die diegrenze zwischen dem menschen (das innen) und seinenumraum (das außen) symbolisiert. mensch und maschine,eigen- und fremdmechanik, biologischer körperund seine technischen erweiterungen finden in zeichnungenund collagen immer wieder ihren niederschlag,wobei die gasmaske – ein ebenfalls beliebtes motiv –an den atmungsprozess des menschen denken lässt.„das atmen ist ein akt der primären polarität“, so riess,


„ähnlich der abfolge von 0 und 1“. im ein- und ausatmenwird das außen in ein innen und das innen inein außen verwandelt und die grenze zwischen dem„selbst“ und dem „außen“ aufgehoben und überwunden.seit jeher übt der schädelknochen eine faszination aufuns menschen aus, so auch auf riess. in der kunst ister ein beliebtes sujet, um den betrachter mit vergänglichkeitund tod zu konfrontieren. die rezeption unddarstellung des totenkopfes hat aber schon längst inder popkultur eingang gefunden, gar nicht mehr bedeutungsschweraufgeladen wird er hier oft auf einenoberflächlichen (schock-)effekt reduziert. dennoch istdie auseinandersetzung mit dem tod nach wie vor eintabuthema. „heute ist der tod allgegenwärtig aber wienehmen ihn nicht persönlich“, betont riess. in seinenarbeiten tritt der tod immer wieder personifiziert alsmahner für die endlichkeit des seins auf, z.b. als „dergute hirte“, oder in ganz neuem gewand – in „meetingpoint“ (was für ein treffender titel!) trägt er einen schickenanzug und ein handy, der kopf des models wurdemit einem totenkopf übermalt. durch den künstlerischeneingriff erfährt das fotografische werbesujet(„peek & cloppenburg“ wurde bewusst nicht wegretuschiert)eine neudeutung, nicht ohne wieder raum fürein augenzwinkern zu lassen. riess möchte den totenkopfaber nicht auf einen „memento mori“-gedankenreduziert wissen. für ihn ist der kopf, insbesondere derschädel träger des gehirns und damit des denken undhandeln, des seins und auch der seele. er bildet diematerielle hülle für das kaum greifbare der menschlichenexistenz, die knochen sind letztendlich auch dieeinzigen körperteile, die die zeit des lebens weit überdauern.den schädel bezeichnet riess als „träger derschalterzentrale“ oder als „transportvehikel“, und soist es nicht verwunderlich, dass sie in seinen neuen„tipp-ex-arbeiten“ mehr „wie ein unterbau eines raumschiffesausschauen und weniger wie eine anatomischestudie“.leinwand (maskierte) gesichter und körper einzuschreiben,erweitert riess den traditionellen malereibegriffum eine außergewöhnliche wie raffiniertekomponente. doch auch das grafische werk, demdas hauptaugenmerk in diesem katalog gilt, steht dentipp-ex-arbeiten in künstlerischer hinsicht um nichtsnach. das kluge spiel der unterschiedlichen medienund bedeutungen, der spannungsreiche dialog zwischenmalerei, zeichnung und fotografie, die bewussteirreführung und gleichzeitig schärfung des blickes wieauch der überbordende ideenreichtum des künstlersüberraschen und fordern uns betrachter immerwieder auf neue heraus. aber wie auch immer, daswort bleibt an der oberfläche, die visuelle erfahrungund auseinandersetzung direkt vor dem kunstwerkkann es nicht ersetzen.die gespräche mit thomas riess wurden im sommer2013 geführt.durch den grandiosen kunstgriff, mit einem weißenkorrekturbandroller in eine schwarz grundierte


on the attempt to draw time.an approach to the drawings, collages, andvideos of thomas riess.günther oberhollenzer“forgetting the world to live in his work, the artist creates a world in his work.”friedrich spielhagen (1829-1911), german writeragain and again language hits a brick wall when itcomes to writing about art, describing or interpretingit. especially in the case at hand, this seemsto be a special challenge. how can one, in a text ofmanageable length, approach an artist such asthomas riess, whose hundreds of drawings butalso videos and paintings present a multi-layered,heterogeneous creativity and where every single drawingcontains entire stories? riess knows a lot to tellabout his artworks. but should the genesis, the artist’sinspiration, his intention be revealed at all? does onenot rob art of its attraction, its enigmatic character?at the same time, the reader wants to get to know theartist’s intellectual world in order to gain an easier accessto the work in question. the following text is basedon conversations with the artist and attempts atightrope walk. without any claim to completeness,i would like to describe a few essential aspectsof his creative work, hoping to kindle curiosityabout his works while, at the same time,maintaining their necessary openness and variety ofinterpretation. i consider my take on this less adiscourse on art-analysis than a personal approach,carried by an immense excitement, especially forthe graphic works – an artistic medium, which, inthe contemporary art scene, is sadly overlooked.it is both the artist’s privilege and skill, nourishedby experience and knowledge, to imagine his ownworld, with his own rules and laws – a creation which48


at the same time reverberates in our life andtells of our existence. thomas riess is such anartist. riess is a collector, a collector of images.countless pictures taken from magazines, brochures,newspapers, and old books can be discovered in hisfundus. they are a source of inspiration and materialfor ever new drawings, paintings, and collages, whichreveal his personal view of the world. in an artisticanalysis riess works on and changes the footage he hasencountered in order to “question the relation toreality” in an autonomous act of viewing, as heemphasizes it himself. our reality is governed bymedia-generated imagery. whether a commercialsubject or “normal” photography – it (almost) alwaysappears that the way we have to see something hasalready been prescribed: a certain perspective is set,a distinction is made between fore- and background,up and down, a concrete meaning is suggestedvia carriers of meaning. this is what riess seeks tocounter by breaking conventional patterns of viewing.photography, painting, and drawing enter into asymbiotic relation in his graphic works. byoverpainting the artist isolates details and assigns newmeaning to them, he makes abstract (and yet somehowconcrete-looking) blots appear and collages differentphotographic snippets into unusual pictorial contexts.riess gets to the bottom of the pictorial structuresand strives for a “more objective” perception of theWobject, by e.g. tracing all existing lines and contours of aphotograph with a pencil or painting over all the greentones of a forest landscape with white acrylic paint. in thismanner, every detail receives the same value andattention, whereas the painterly confrontation adds anew significance to the image and the formerly greenforest in his work “scan” now looks like a winterlandscape.riess is an excellent drawer, his graphic worksappear like the artist’s loose, freely recorded thoughtbubbles. especially in the connection of drawing andpainting, photography and overpainting, drawing andcollaged photography he plays with conventions of viewand image, illusion and reality, with the image and itssigns that are carried by soldiers in lockstep arepainted over by him with dark color, he erasespeople from the photographs only to leave theirshadows and reflections, he puts a star-wars-maskon the head of a saint’s figure or transforms thetowers of the city council of vienna into readiedmissiles. the artist operates skillfully: often, one doesnot know (or, at least, not at first glance) which detailsare manipulated or where the photographic materialmorphs into the painted. overpainting takes placequickly and deliberately without any “clean” execution– thus, the unpainted spots are given space and singleparts of the image are put into a tense dynamic to eachother. an essential part of the creative process are thetitles. riess decides on them in the act of producing,while he is working, whereas the combinations of wordand image are left open to a free process of association.all graphic works are understood as autonomousworks by the artist. the primary, basic contentiontakes place in the area of the graphic, whereas somemotifs and ideas are adapted into the large paintingsand the immediate and sketch-like yields to a plannedarbitrariness with a more emphatically formulated pictoriallanguage.the creative process of an image becoming itselfin both graphic and painting can only be surmisedby the viewer; above all, he/she only sees thestatic “final product”. the videos “i am i am not”and “time” represent the artistic attempt ofmaking the pictorial-graphical process visible.“i am i am not”, for instance, is composed of 2730individual photographs, crafted within about twomonths and assembled into a rhythmical sequence.the video offers deep insights into the intellectualworld of the artist: in an unfiltered manner, riessunfolds how he composes and works on animage, inserts a collage or paints over the latter. itis rare that an artist allows the viewer to look overhis shoulder so readily. however, one should notmistake the video for a documentary. the veryact of artistic production is declared a work of arthere: the video knows neither beginning nor end, it does


not simply present the finished product and the wayit took to get there, but presents constantly changing,ever emerging and overpainted drawings andcollages. “what is thrilling and challenging aboutthis type of work”, according to the artist, “is thatyou cannot prepare a concept, but that you have toreact spontaneously to what you discover.” as aconsequence, there is not, there cannot be,respectively, a closed narrative, narrative elementssurface, but they are not consistently pursued. evenif, as a viewer, one cannot understand or decipherall the images in the videos (and supposedly is notmeant to, as the attraction of a work of art is often foundin its mysteriousness), the poetic and melancholicpictorial language – wonderfully emphasizedin “time” with the help of the song “valtari” bysigur rós – is hard to resist. quotes from films andpopular culture (e.g. the “anonymous”-mask) blend withreferences to art history (“memento mori” motif) to form acritical self-inspection of mankind, an existentialconfrontation with change and transience, with annihilationand rebirth. but no later than the appearance of awoman in a bathtub at the end of “time” does itbecome clear that not everything is dead serious. oneis pleased to notice that riess likes to avail himself ofhumor and irony (as well as a comic-like language) inhis work and thus does not support the misconceptionaccording to which art has to be dead serious, asthe joke would then be on profundity. his fantasticallysurreal image cosmos teems with comical and quirky,but also grotesque and peculiar notions. and so webecome completely submerged in the world of theartist – a world which can be read as a self-assuranceof his creative process, but also as an attempt tographically capture and record the time spent for thisprocess.time and again pictures of the artist can be seen inthe videos, occasionally they can also be found in hisindividual drawings. for more than three years riess hastaken pictures of himself. he plays various roles, hispicture is less representative of himself as a person thanof the man himself – the artist as test object, alwaysof the man himself – the artist as test object,always available and analyzable. the humanessence lies in the eyes, the mirror of the soul,which is why riess wears mirrored sunglasses.the inner “i” remains concealed and his personbecomes a surrogate, a shell or mask which we,as viewers, can slip into. even more frequently thanwe encounter his self, we meet deep-sea divers,astronauts or other protective-suit wearers. thesemotives provide the golden thread through thework of riess. soaring in airless space, isolated andalone and occasionally connected by tubes, thesecharacters appear lonely and helpless, too, in theirnot further defined environment. astronauts’ ordivers’ equipment allows them to advance intoinhospitable territory, they can only survive if theydo not get into direct contact with the latter. the suitbecomes an artificial, protective second skin whichsymbolizes the border between the human (theinside) and the environment (the outside). man andmachine, individual and external mechanic, thebiological body and its technical enhancementsare reflected in drawings and collages, where thegasmask – also a popular motif – reminds one ofthe human respiratory process. “breathing is anact of primary polarity”, riess argues, “similar to thesequence of 0 and 1”. through breathing in andout, what is out is transformed into what is in andwhat is in is transformed into what is out and theborder between “self” and “outside” is suspended andovercome.the cranial bone has fascinated mankind eversince and riess as well. in the world of art, it is apopular subject to confront the viewer withtransience and death. the reception and depiction ofthe skull has already become part of popular culture.no longer fraught with meaning in the latter context, it isoften reduced to a superficial (shock-) effect. still,the confrontation with death is still a taboo topic.“today, death is omnipresent but we do not take itnal”, riess emphasizes. in his works death appearsas the personified admonisher for the finiteness of


scan, 2010, 21 x 29,5 cmmischtechnik auf papiermixed media on paperexistence, e.g. as “the good shepherd”, or, incompletely new guise – in “meeting point” (what afitting title), he wears a stylish suit and carries acellphone, the model’s head was painted over witha skull. the photographic commercial subject (“peek& cloppenburg” has deliberately not been glossedover) experiences a new meaning via the artisticinterference, not without leaving space for a wink,however. riess does not want the skull to be reducedto a “memento mori”-thought. for him, the head,especially the skull, is the carrier of the brain and withthat of thinking and acting, of being and also of soul.he forms the material shell for the hardly graspablehuman existence, the bones are, after all, the only bodyparts that outlast the time of our life by far. riess refersto the skull as the “carrier of the central control” or asa “vehicle of transportation” and so it is not surprisingthat they “look less like an anatomic study than thesubstructure of a spaceship” in his new “tipp-ex-works”.with the superb device of inscribing (masked)faces and bodies onto a black canvas with whitecorrection tape, riess expands the traditionalnotion of painting with a both exceptional andcunning component. but also the graphical work,which this catalogue focusses on, is in no way inferiorto the tipp-ex-works from an artistic perspective.the smart interplay of different media and meanings,the fascinating dialogue between painting, drawing,and photography, the deliberate deception andsimultaneous sharpening of perspective as well as theexuberant richness of the artist’s ideas challenge usas viewers ever afresh. however, as always, the wordremains on the surface, it cannot replace the visualexperience and confrontation directly in front of theartwork.the conversations with thomas riess took place insummer 2013.


52der gute hirte / the good shepherd, 2009, 20 x 20 cmmischtechnik auf papiermixed media


maske ab! / mask off!, 2009, 20 x 20 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper 53


54out there, 2013, 20 x 20 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper


leichtgewicht (nichtsträger) / lightweight (nothing bearer), 2009, 20 x 20 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper55


ohne titel / untitled, 2013, 29 x 21 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper<strong>57</strong>


kleinkarierte dirigenten / pettifogging conductorts, 2013, 29 x 21 cmmischtechnik auf papiermixed media on paperwider-sehen / contra view, 2013, 20 x 20 cmmischtechnik auf leinwandmixed media on paper


60meeting point, 2011, 29 x 21 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper


amor, 2013, 18 x 14 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper 61


62nichts springt über die wand / nothing jumps over the wall, 2010, 29,5 x 21 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper


schweben / floating, 2009, 20 x 20 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper 63


allspieler - spielball / powerplay, 2010, 20 x 20 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper 65


66flying blur, 2012, 27,5 x 20,5 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper


sehstern / seeing starwagrechtstarter / horizontal starting2010, 2 x 20 x 20 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper 67


komm! / come!, 2010, 20 x 20 cmmischtechnik auf papiermixed media on papersound, 2010, 20 x 20 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper


aumwunder / space miracle, 2011, 20 x 20 cmmischtechnik auf papiermixed media on paper 69


thomas riess1970 born in the tyrol1995 - 01 studied at the university mozarteum salzburg, graphicsclass with prof. herbert stejskallives and works in vienna and innsbruckselected exhibitions2013 `personal structures´ 55. biennale di venezia, palazzo bembo‚content art 2013` karlsplatz, Vienna`humans´ künstlerhaus klagenfurt`i am i am not´ artdepot innsbruck`graurand´ palais lichtenstein, feldkirch`kontextillusionen´ schloss reichenau, reichenau/rax`a little bit of history deleting´ peithner-lichtenfels, vienna2012 `me myself & them´ künstlerhaus, vienna`kontextillusionen´ haus der kunst, baden`GAM 2012` global astronomy month, video, rotterdam`out there´ gallery peithner-lichtenfels, vienna`art4barter´ seed on diamond gallery philadelphia, usa`ANGeLa whEre are you?´ galerie fischpiece, zurich`sofort kunst!` in connection with fishpiece gallery, zurich70


2011 `nothing jumps over the wall´ kunstraum pettneu/tyrol`rooms´ galerie schloss porcia spittel/drau`trans-form3` künstlerhaus klagenfurt`money for cash´ gallery peithner-lichtenfels, vienna2010 `hybridität´ artdepot, innsbruck`capsule´ gallery peithner-lichtenfels, vienna`leaves from innsbruck´ st. claude gallery new orleans, usa`nord art 2010´ KiC carlshütte, büdelsdorf/rendsburg`rlb-art award 2010´ rlb kunstbrücke, innsbruck2009 `kunst im studio´ orf-kulturhaus innsbruck`interspace´ stadtgalerie brixen, south tyrol/italy`special show for young art´ art innsbruck`radhouse´ the front art gallery new orleand, usa`block 11´ art gallery medulin, hr2008 `essencia – real conceivability´ department of fine arts, university of new orleans, usa`spacetrip´ gallery peithner-lichtenfels vienna`spacetrip II´ städtische galerie im andechshof, innsbruck`minimals´ stadtturmgalerie, innsbruck71


impressumtexte:mag. silvie aigner, freie kuratorinmag. tina teufel mas, kuratorin/curator museum der moderne salzburgmag. günther oberhollenzer, kurator/curator essl museumfotos:thomas riessmarkus bstieler© 2013 bei künstler, autoren und artdepotprinted by longo print & communication, italyoctober 2013herausgeber:birgit fraislmaximilianstrasse 3/stöcklgebäude6020 innsbruckfon: (+)43.650.533.1985mail: office@artdepot.co.atwww.artdepot.co.at


I am I am not artdepot 2013I am I am not artdepot 2013

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