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Sozialräumliche Prozesse in urbanen Räumen der ... - raumdaten

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<strong>Sozialräumliche</strong> <strong>Prozesse</strong><strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> <strong>der</strong> SchweizDissertationzurErlangung <strong>der</strong> naturwissenschaftlichen Doktorwürde(Dr. sc. nat.)vorgelegt <strong>der</strong>Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät<strong>der</strong>Universität ZürichvonCor<strong>in</strong>na HeyeausDeutschlandPromotionskomiteeProf. Dr. Hans Elsasser (Vorsitz)Dr. André O<strong>der</strong>matt (Leitung <strong>der</strong> Dissertation)Prof. Dr. Kurt BrasselZürich, 2007


ZusammenfassungZusammenfassungIn dieser Arbeit werden die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>, die aufgrund <strong>der</strong> Überlagerungvon Sub- und Reurbanisierung entstehen, für die Schweizer Agglomerationenanalysiert. Zu diesem Zweck wurden Querschnittsanalysen von Volkszählungsdatenmit Längsschnittsanalysen von Umzugsdaten komb<strong>in</strong>iert. Dabei wird nicht nur dieStadt <strong>in</strong> ihren adm<strong>in</strong>istrativen Grenzen, son<strong>der</strong>n jeweils die gesamte Agglomerationbetrachtet.Um die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong> analysieren zu können, wird e<strong>in</strong> Konzept e<strong>in</strong>ertheoriegeleiteten Sozialraumanalyse vorgestellt, das den postmo<strong>der</strong>nen Bed<strong>in</strong>gungen<strong>der</strong> heutigen Gesellschaft gerecht wird und zeitliche Vergleiche zulässt. Damit leistetdie Arbeit e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zur Methodenforschung. E<strong>in</strong>e Stärke des hiervorgestellten Konzeptes ist se<strong>in</strong>e Übertragbarkeit auf an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong>, da es sich aufdas „Modell des sozialen Raumes“ nach Bourdieu stützt, welches nicht nur für dieSchweiz Gültigkeit besitzt.Mithilfe dieses Konzeptes e<strong>in</strong>er theoriegeleiteten Sozialraumanalyse wird das Gefügeurbaner und suburbaner Wohnmilieus nach Status und Lebensstil modelliert. Die Ergebnissezeigen, dass die sozialökologischen Modelle, die e<strong>in</strong>e sektorale Verteilungnach Status und e<strong>in</strong>e konzentrische Verteilung nach Lebensstilen postulieren, auchheute noch Gültigkeit besitzen. Interessant ist dabei, dass die räumlichen Unterschiede<strong>in</strong> <strong>der</strong> Konzentration <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung <strong>in</strong> den Schweizer Agglomerationenprimär auf Status- und Lebensstilunterschiede zurückzuführen s<strong>in</strong>d und nichtauf ethnisches community build<strong>in</strong>g.Der Reurbanisierungsprozess hat <strong>in</strong> allen grossen Agglomerationen <strong>der</strong> Schweiz e<strong>in</strong>estarke soziale Aufwertung (Gentrifizierung) <strong>der</strong> meisten Kernstadtquartiere zur Folge.Obwohl die Suburbanisierung mit e<strong>in</strong>er Abwan<strong>der</strong>ung von Familien weiter anhält,haben sich im Zuge <strong>der</strong> Reurbanisierung die negativen Folgen, die durch die anhaltendeSuburbanisierung entstanden s<strong>in</strong>d, deutlich abgeschwächt. Die Unterschiedezwischen Kernstadt und ihrem sub<strong>urbanen</strong> Raum s<strong>in</strong>d nicht länger sozioökonomischerNatur, son<strong>der</strong>n manifestieren sich vor allem <strong>in</strong> unterschiedlichen Lebensstilen.Das unter dem Begriff <strong>der</strong> A-Stadt bekannte Phänomen <strong>der</strong> Konzentration von Alten,Armen, Arbeitslosen, Auszubildenden und ausländischen Personen <strong>in</strong> den Kernstäd-


Zusammenfassungten hat sich deutlich abgeschwächt. Es ist e<strong>in</strong>e Verlagerung <strong>der</strong> A-Stadt-Phänomene<strong>in</strong> den sub<strong>urbanen</strong> Raum zu beobachten.Es bestätigt sich, dass Gentrifizierung vor allem e<strong>in</strong> Konflikt verschiedener Lebensstilgruppenist, bei dem es zu Verdrängungsprozessen kommt. Der Prozess <strong>der</strong> Gentrifizierungwird vor allem durch Zuziehende aus an<strong>der</strong>en Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong>itiiert. Dabe<strong>in</strong>ehmen die Anteile <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung und <strong>der</strong> Familien zugunsten <strong>der</strong>„neuen <strong>urbanen</strong> Mittelschicht“ ab. Entgegen den gängigen Annahmen ist <strong>der</strong> sozialeAufwertungsprozess allerd<strong>in</strong>gs nicht zw<strong>in</strong>gend mit e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> Bausubstanz<strong>in</strong> diesen Kernstadtquartieren verbunden.Die Verdrängung verstärkt die sozialräumliche Polarisierung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Kernstädteund führt zur Ausbildung von marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren. Diese s<strong>in</strong>d aber nichtdurch hohe Fluktuationsraten und überdurchschnittlich hohe Anteile <strong>der</strong> ausländischenBevölkerung geprägt. Vielmehr handelt es sich um ehemals sehr stabile Quartieream Stadtrand mit sehr ger<strong>in</strong>gen Anteilen ausländischer Bevölkerung, die nun mite<strong>in</strong>em starken Zuzug ausländischer Personen konfrontiert s<strong>in</strong>d.Insgesamt zeigt sich, dass sich <strong>der</strong> soziale Wandel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialräumlichen Polarisierung<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Schweizer Agglomerationen zwischen 1990 und 2000 nie<strong>der</strong>schlägt.Es kann bestätigt werden, dass die grösseren sozialen Unterschiede <strong>in</strong> globalcities e<strong>in</strong>e stärkere sozialräumliche Polarisierung mit sich br<strong>in</strong>gen.


VorwortVorwortZu allererst möchte ich mich bei me<strong>in</strong>em Doktorvater Prof. Dr. Hans Elsasser herzlichdafür bedanken, dass er mir e<strong>in</strong> so optimales Arbeitsumfeld geboten hat und mirstets mit Rat und Unterstützung zur Seite stand.Dr. André O<strong>der</strong>matt hat nicht nur die fachliche Betreuung dieser Arbeit und die Leitungdes Forschungsprojektes des Nationalfondsprojektes, <strong>in</strong> dessen Rahmen dieseDoktorarbeit entstanden ist, übernommen, son<strong>der</strong>n hat mich stets mit se<strong>in</strong>en kritischenNachfragen angetrieben. Für die zahlreichen fruchtbaren und anregenden Diskussionen,se<strong>in</strong> Vertrauen und die gute Zusammenarbeit möchte ich mich ganz beson<strong>der</strong>sbedanken.Für die spontane Bereitschaft me<strong>in</strong>e Doktorarbeit zu begutachten, danke ich sehr Dr.Ernst Gächter und Prof. Dr. Walter Siebel. Prof. Dr. Kurt Brassel sei dafür gedankt,dass er als Komitteemitglied zur Verfügung stand.Ich hatte das grosse Glück, dass ich diese Arbeit nicht als E<strong>in</strong>zelkämpfer<strong>in</strong> verfassenmusste. Viele <strong>der</strong> Ideen wurden zusammen mit den Kollegen und Freunden MichaelHermann, Heiri Leuthold und Joris Van Wezemael <strong>in</strong> fruchtbaren und anregendenDiskussionen gesponnen, entwickelt und umgesetzt. Vielen herzlichen Dank für diese<strong>in</strong>tensive Zusammenarbeit, <strong>in</strong> denen unter an<strong>der</strong>em die Publikationen, die Teil dieserDissertation s<strong>in</strong>d, entstanden s<strong>in</strong>d.Für die F<strong>in</strong>anzierung des Projektes bedanke ich mich beim Schweizer Nationalfonds.Die Daten wurden vom Bundesamt für Statistik, Statistik Stadt Zürich und dem statistischenAmt Kanton Zürich im Rahmen von Forschungszusammenarbeiten bereitgestellt.Für die Kooperation und reibungslose Zusammenarbeit bedanke ich mich sehr.Das Geographische Institut <strong>der</strong> Universität Zürich bot mir e<strong>in</strong> hervorragendes undentspanntes Arbeitsumfeld. Dafür sei me<strong>in</strong>en Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen, die ich beiAperòs, auf dem Gang o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Kommissionen kennen und schätzen gelernt habe, sehrherzlich gedankt. Me<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Dank gilt dabei me<strong>in</strong>en Büropartnern aus dem L72und L52 für ihre Hilfsbereitschaft und ihr stets offenes Ohr.Gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Endphase <strong>der</strong> Arbeit ist man auf die Mithilfe von Freund<strong>in</strong>nen undFreunden angewiesen. Hier möchte ich mich ganz beson<strong>der</strong>s bei Hilke Stümpel, ValescaZaugg, Jette Sudhaus und Wilko Nölken bedanken. Ohne ihre Unterstützung <strong>in</strong>


VorwortForm von Korrekturlesen, Kochen, Zuhören o<strong>der</strong> Mutzusprechen wäre ich wohl niefertig geworden, son<strong>der</strong>n wohl eher verzweifelt.Trotz grosser räumlicher Entfernung haben me<strong>in</strong>e Eltern und me<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> samt Familiemich stets unterstützt und den Prozess aufmerksam verfolgt. Vielen herzlichenDank an me<strong>in</strong>e Familie für diese Geduld und Unterstützung!


Glie<strong>der</strong>ungTeil 1 _______________________________________________ 11 E<strong>in</strong>leitung________________________________________________________12 Theoretischer Rahmen _____________________________________________53 Fragestellung und Methoden _______________________________________274 Theoriegeleitete Sozialraumanalyse _________________________________375 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> ________________________576 Fazit und Ausblick _______________________________________________77Literatur___________________________________________________________79Teil 2 ______________________________________________ 91Manuskript 1: ______________________________________________________93Heye, C. & H. Leuthold (2005): Theory-based social area analysis: an approachconsi<strong>der</strong><strong>in</strong>g the conditions of a post-<strong>in</strong>dustrial society.Manuskript 2: _____________________________________________________103Heye, C. & H. Leuthold (2006): <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich.Konsequenzen von Suburbanisierung und ReurbanisierungManuskript 3: _____________________________________________________119Hermann, M.; Heye, C. & H. Leuthold: Drei Indizes zu räumlichen Disparitäten –theoriegeleitete Sozialraumanalyse unter den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er pluralisierten und<strong>in</strong>dividualisierten Gesellschaft.Manuskript 4: _____________________________________________________137Heye. C. & A. O<strong>der</strong>matt (2006): E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Umzüge auf die sozialräumlichen<strong>Prozesse</strong> im <strong>urbanen</strong> Raum Zürichs.Manuskript 5: _____________________________________________________153Heye, C. & J.E. Van Wezemael (2007): Herausfor<strong>der</strong>ungen des soziodemographischenWandels für die Wohnbau<strong>in</strong>dustrie.


Teil 1Glie<strong>der</strong>ung1 E<strong>in</strong>leitung________________________________________________________12 Theoretischer Rahmen _____________________________________________52.1 Analyse <strong>der</strong> Sozialstruktur ___________________________________________ 52.1.1 Sozialer Wandel ________________________________________________________52.1.2 Konzepte zur Analyse <strong>der</strong> Sozialstruktur _____________________________________72.1.3 Raumbezug <strong>der</strong> Sozialstruktur ____________________________________________122.2 Analyse <strong>der</strong> Stadtstruktur ___________________________________________ 132.2.1 Sozialökologische Modelle _______________________________________________132.2.2 Sozialraumanalyse______________________________________________________152.3 Stadtentwicklung __________________________________________________ 182.3.1 Segregation ___________________________________________________________182.3.2 Suburbanisierung_______________________________________________________212.3.3 Reurbanisierung _______________________________________________________233 Fragestellung und Methoden _______________________________________273.1 Forschungsgegenstand ______________________________________________ 273.2 Untersuchungsgebiet und Raume<strong>in</strong>heiten ______________________________ 303.3 Datenbasis ________________________________________________________ 323.4 Verwendete Methoden ______________________________________________ 334 Theoriegeleitete Sozialraumanalyse _________________________________374.1 Konzept <strong>der</strong> theoriegeleiteten Sozialraumanalyse________________________ 374.2 Dimensionen Status und Lebensstil____________________________________ 394.3 Dimension <strong>der</strong> Segregation nach Nationalitäten _________________________ 464.3.1 Zusammenhang zwischen den Dimensionen <strong>der</strong> Segregation nachNationalitäten und <strong>der</strong> nach Status und Lebensstil _____________________________464.3.2 Regressionsmodell zur Erklärung <strong>der</strong> Segregeation nach Nationalitätendurch die Dimensionen Status und Lebensstil_________________________________504.3.3 Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex_________________________________________________524.4 Diskussion des Konzeptes <strong>der</strong> theoriegeleiteten Sozialraumanalyse _________ 53


5 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> ________________________575.1 <strong>Sozialräumliche</strong> Differenzierung und <strong>der</strong>en Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong>Agglomeration Zürich_______________________________________________ 575.1.1 Status und Lebensstil____________________________________________________575.1.2 Segregation nach Nationalitäten ___________________________________________595.1.3 Segregation nach Alter __________________________________________________605.2 Die Schweizer Grossagglomerationen im Vergleich ______________________ 635.2.1 <strong>Sozialräumliche</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Schweizer Grossagglome-rationen ______________635.2.2 Reurbanisierung und Aufwertung <strong>der</strong> Kernstädte ______________________________665.3 Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kernstadt Zürich ____________ 675.3.1 Charakterisierung <strong>der</strong> gentrifizierten und marg<strong>in</strong>alisierten Quartiere _______________675.3.2 E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Umzüge auf die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong> <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Kernstadt _____685.3.3 E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Bebauungsstruktur und des Wohnungsmarktes auf diesozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>________________________________________________705.4 Diskussion ________________________________________________________ 716 Fazit und Ausblick _______________________________________________777 Literatur________________________________________________________79


Abbildungen:Abb. 1: Der Raum <strong>der</strong> sozialen Positionen bei Bourdieu____________________________________9Abb. 2: Ablauf <strong>der</strong> Entstehung von Lebensstilen bei Bourdieu _______________________________9Abb. 3: S<strong>in</strong>us-Milieus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz _________________________________________________11Abb. 4: Sozioprofessioneller Status nach Heimatstaaten und Nationengruppen <strong>in</strong> <strong>der</strong>Agglomeration Zürich, 2000__________________________________________________47Abb. 5: Zusammenhang <strong>der</strong> Segregation nach sozioprofessionellem Status <strong>der</strong> ausländischenund Schweizer Erwerbstätigen, Agglomeration Zürich 2000 _________________________48Abb. 6: Verteilung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den im sozialgeographischen Raum nach E<strong>in</strong>wohnerzahl undAnteil <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung, Agglomeration Zürich 2000 ___________________49Abb. 7: Verteilung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den im sozialgeographischen Raum nach E<strong>in</strong>wohnerzahlund Anteil <strong>der</strong> süd- sowie nord- und westeuropäischen Bevölkerung, AgglomerationZürich 2000 _______________________________________________________________50Abb. 8: Die fünf Grossagglomerationen im Status-Individualisierungs-Diagramm imVergleich_________________________________________________________________65Abb. 9: Schematische Darstellung <strong>der</strong> Migrationsverläufe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich__________________69Abb. 10: Migrationsprofile (relative Wan<strong>der</strong>ungssaldi) <strong>der</strong> gentrifizierten und marg<strong>in</strong>alisiertenQuartiere <strong>der</strong> Stadt Zürich von 1991 bis 2002 ____________________________________70Tabellen:Tab. 1: Dimensionen und Indikatoren <strong>der</strong> Sozialraumanalyse nach Shevky und Bell (1961)_______15Tab. 2: Faktorwerte und Kommunalitäten <strong>der</strong> Faktoranalyse zur Bildung e<strong>in</strong>es erstenModells <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierung für die Agglomeration Zürich ____________40Tab. 3: Faktorwerte und Kommunalitäten <strong>der</strong> Faktoranalyse zur Bildung e<strong>in</strong>es zweitenModells <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierung für die Agglomeration Zürich ____________42Tab. 4: Faktorwerte und Kommunalitäten <strong>der</strong> Faktoranalyse zur Bildung e<strong>in</strong>es Modells <strong>der</strong>sozialräumlichen Differenzierung für die gesamte Schweiz __________________________44Tab. 5: Gütekriterien <strong>der</strong> Regressionsmodelle mit Status- und Individualisierungs<strong>in</strong>dex alsunabhängige und Anteile <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung (differenziert nachNationengruppen) __________________________________________________________52


E<strong>in</strong>leitung 11 E<strong>in</strong>leitungUrbane Räume werden im beson<strong>der</strong>en Mass durch <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> sozialräumlichen Entmischung<strong>der</strong> Bevölkerung (Segregation) geprägt (Häussermann & Siebel 2004).E<strong>in</strong>en wichtigen Motor dieser residentiellen Segregation bilden gesellschaftliche undsoziale Unterschiede (Friedrichs 1995). Seit den 1950er Jahren war die sozialräumlicheEntwicklung <strong>der</strong> Städte vor allem durch die Suburbanisierung geprägt (Häussermann& Siebel 2004). Der Suburbanisierungsprozess war mit e<strong>in</strong>em zum Teil drastischenE<strong>in</strong>wohnerrückgang <strong>in</strong> den Kernstädten verbunden. Zu den bekannten Folgenzählt die so genannte A-Stadt-Bildung, die durch e<strong>in</strong>e Konzentration von Alten, Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nenund Auslän<strong>der</strong>n, Arbeitslosen und Auszubildenden <strong>in</strong> den Kernstädtencharakterisiert ist (Frey 1990).Im Zuge <strong>der</strong> zunehmenden Pluralisierung und Individualisierung <strong>der</strong> Lebensstile wurde<strong>in</strong> westlichen Städten e<strong>in</strong> Trend zur Reurbanisierung beobachtet, <strong>der</strong> den Suburbanisierungsprozesszunehmend überlagert (Häussermann & Siebel 1996). Wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>enIndustrielän<strong>der</strong>n auch haben die grossen Städte <strong>der</strong> Schweiz <strong>in</strong> den letzten zehnJahren dadurch e<strong>in</strong>e Renaissance erlebt (Brühl et al. 2005: 11). Die Kernstädte gewannenfür bestimmte Personengruppen wie<strong>der</strong> an Attraktivität. Die Reurbanisierungführte damit zu e<strong>in</strong>er Aufwertung <strong>der</strong> Innenstädte, die das Gesicht <strong>der</strong> Kernstädte <strong>in</strong>nerhalbweniger Jahre stark verän<strong>der</strong>t hat. Beson<strong>der</strong>s ausgeprägt ist die Aufwertungund Erneuerung <strong>in</strong> den <strong>in</strong>nenstadtnahen ehemaligen Arbeiterquartieren <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong>zeit(Gentrifizierung) (Friedrichs 1996).Sowohl Sub- als auch Reurbanisierung s<strong>in</strong>d mit <strong>der</strong> Expansion und Verdrängung bestimmtersozialer Gruppen an unterschiedlichen Standorten verbunden (Dangschat1996). Die Wohnstandortqualitäten variieren dabei auf kle<strong>in</strong>stem Raum. Vom Sonnen-zum Schattenhang, von <strong>der</strong> Steueroase zur Hochsteuergeme<strong>in</strong>de, von <strong>der</strong> Verkehrsa<strong>der</strong>zur ruhigen Zone s<strong>in</strong>d es oft nur wenige hun<strong>der</strong>t Meter.Ziel dieser Arbeit ist es, die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>, die durch die Überlagerungvon Sub- und Reurbanisierung entstehen, für die Schweizer Agglomerationen zu analysieren.Bisherige Studien weisen wesentliche Mängel auf, die meist auf e<strong>in</strong>eschlechte Datenbasis zurückzuführen s<strong>in</strong>d (Warmel<strong>in</strong>k & Zehner 1996). Zum e<strong>in</strong>enwird die sozialräumliche Differenzierung häufig nur nach e<strong>in</strong>zelnen Indikatoren beschrieben,zum an<strong>der</strong>en werden oft nur Querschnittsanalysen verwendet, die zur Ana-


2 E<strong>in</strong>leitunglyse von <strong>Prozesse</strong>n nicht geeignet s<strong>in</strong>d. Zudem wird die kle<strong>in</strong>räumige Differenzierungnur <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> adm<strong>in</strong>istrativen Grenzen <strong>der</strong> Kenstadt analysiert, obwohl sich die<strong>urbanen</strong> Räume aufgrund des anhaltenden Suburbanisierungsprozesses weit über dieGrenzen <strong>der</strong> Kernstadt ausgedehnt haben.An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an. Zum e<strong>in</strong>en wird e<strong>in</strong>e Querschnittsanalysevon Volkszählungsdaten mit e<strong>in</strong>er Längsschnittsanalyse von Umzugsdatenkomb<strong>in</strong>iert. Zum an<strong>der</strong>en wird nicht nur die Stadt <strong>in</strong> ihren adm<strong>in</strong>istrativen Grenzenson<strong>der</strong>n die gesamte Agglomeration betrachtet. E<strong>in</strong> adäquates und häufig verwendetesInstrument zur Analyse <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierung <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> istdie ursprünglich von Shevky & Bell (1961) entwickelte Sozialraumanalyse. In dieserArbeit wird e<strong>in</strong> Konzept e<strong>in</strong>er theoriegeleiteten Sozialraumanalyse entwickelt, dasden postmo<strong>der</strong>nen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> heutigen Gesellschaft gerecht wird. Damit leistetdie Arbeit e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zur Methodenforschung.Aufbau dieser ArbeitNach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>leitung werden im Kapitel 2 die wichtigsten theoretischen Grundlagenbehandelt. Die Arbeit streift verschiedene wissenschaftliche Diszipl<strong>in</strong>en. Die Sozialstrukturschlägt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialräumlichen Differenzierung nie<strong>der</strong> und <strong>der</strong> sozialeWandel bee<strong>in</strong>flusst die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>. Daher werden zunächst <strong>der</strong> sozialeWandel und anschliessend die verschiedenen Modelle <strong>der</strong> Sozialstruktur behandelt.Danach werden sowohl die Modelle <strong>der</strong> Stadtstruktur als auch die Methoden zur Analyse<strong>der</strong> Stadtstruktur vorgestellt. Abschliessend werden die verschiedenen sozialräumlichen<strong>Prozesse</strong> Sub- und Reurbanisierung selbst fokussiert (vgl. Kap. 2).Im Kapitel 3 werden die forschungsleitenden Fragen dieser Arbeit vorgestellt. Danachwerden das Untersuchungsgebiet, die analysierten Raume<strong>in</strong>heiten und die Datenbasise<strong>in</strong>geführt. Abschliessend werden die <strong>in</strong> dieser Arbeit verwendeten Methoden dargelegt.Kapitel 4 und 5 fassen im Wesentlichen die Ergebnisse <strong>der</strong> Artikel zusammen, dieTeil dieser Dissertation s<strong>in</strong>d (Manuskript 1-5): Manuskript 1: Heye, C. & H. Leuthold (2005): Theory-based social area analysis:an approach consi<strong>der</strong><strong>in</strong>g the conditions of a post-<strong>in</strong>dustrial society. In:Tenedorio, J.A. & R.P. Juliao (eds.): 14th European Colloquium on Theoreticaland Quantitative Geography 2005, Proceed<strong>in</strong>gs.


E<strong>in</strong>leitung 3 Manuskript 2: Heye, C. & H. Leuthold (2006): <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong><strong>der</strong> Agglomeration Zürich. Konsequenzen von Suburbanisierung und Reurbanisierung.In: disP Nr. 164. Vol. 42 (1), S. 16-29. Manuskript 3: Hermann, M.; Heye, C. & H. Leuthold (2006): Drei Indizes zuräumlichen Disparitäten – theoriegeleitete Sozialraumanalyse unter den Bed<strong>in</strong>gungene<strong>in</strong>er pluralisierten und <strong>in</strong>dividualisierten Gesellschaft. In: Meyer,F. (Hrsg.): Wohnen - Arbeit - Zuwan<strong>der</strong>ung. Stand und Perspektiven <strong>der</strong> Segregationsforschung.Beiträge zur europäischen Stadt- und Regionalforschung.Münster. S. 213-227. Manuskript 4: Heye, C. & A. O<strong>der</strong>matt (2006): E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Umzüge auf diesozialräumlichen <strong>Prozesse</strong> im <strong>urbanen</strong> Raum Zürichs. In: disP Nr. 164. Vol.42 (4), S. 52-64. Manuskript 5: Heye, C. & J.E. Van Wezemael (2007): Herausfor<strong>der</strong>ungendes sozio-demographischen Wandels für die Wohnbau<strong>in</strong>dustrie. In: disP Nr.169. Vol. 43 (2). S. 41-55.Im Kapitel 4 wird e<strong>in</strong> Konzept <strong>der</strong> theoriegeleiteten Sozialraumanalyse entwickeltund vorgestellt. Die klassische Sozialraumanalyse umfasst die Dimensionen Status,Mo<strong>der</strong>nisierung und Ethnien (Shevky & Bell 1961) und beschränkt sich auf die Analysevon Städten. Da diese den postmo<strong>der</strong>nen Bed<strong>in</strong>gungen nicht mehr gerecht wird,wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten Zeit vor allem <strong>in</strong>duktive Sozialraumanalysen angewendet, diejedoch aufgrund ihrer „Theorielosigkeit“ <strong>in</strong> die Kritik geraten s<strong>in</strong>d (Hartmann et al.1986, Helbrecht 1997, Zehner 2004). In dieser Arbeit wird e<strong>in</strong> adäquates Analyse<strong>in</strong>strumentzur Beschreibung sozialräumlicher Disparitäten entwickelt, das den Bed<strong>in</strong>gungene<strong>in</strong>er postmateriellen bzw. spätmo<strong>der</strong>nen Gesellschaft (Giddens 1994) angepasstist, nicht nur für die Analyse von Kernstädten geeignet ist und zeitliche Vergleichemöglich macht (Manuskript 1 & Manuskript 3).Im Kapitel 5 werden die Ergebnisse <strong>der</strong> Analysen über die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>präsentiert, die <strong>in</strong> Manuskript 2, Manuskript 4 und Manuskript 5 publiziert wurden.Die Analysen erfolgen mithilfe des <strong>in</strong> Kapitel 4 vorgestellten Konzeptes <strong>der</strong> theoriegeleitetenSozialraumanalyse. Zunächst werden mithilfe e<strong>in</strong>er Querschnittsanalyse dieKonsequenzen <strong>der</strong> Sub- und Reurbanisierung auf die sozialräumliche Differenzierung<strong>der</strong> Schweizer Agglomerationen analysiert (Manuskript 2). Danach rücken die sozial-


4 E<strong>in</strong>leitungräumlichen <strong>Prozesse</strong> wie Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung <strong>in</strong> den Kernstädten <strong>in</strong>den Fokus <strong>der</strong> Untersuchung. Dabei werden die Ergebnisse <strong>der</strong> Querschnittsanalysemit e<strong>in</strong>er Längsschnittsanalyse <strong>der</strong> Umzüge verknüpft. Da Umzüge nicht unabhängigvom Wohnungsmarkt stattf<strong>in</strong>den, wird dieser dabei <strong>in</strong> die Analyse mit e<strong>in</strong>bezogenund speziell fokussiert (Manuskript 4). Da aufgrund <strong>der</strong> demographischen Alterung<strong>der</strong> Gesellschaft die räumliche Verteilung <strong>der</strong> Älteren an Bedeutung gew<strong>in</strong>nt, wirddieser Prozess ebenfalls durch e<strong>in</strong>e Verknüpfung von Quer- und Längsschnittsanalysespeziell untersucht. Die ältere Bevölkerung stellt beson<strong>der</strong>e Ansprüche an die Wohnraumversorgung,so dass die Auswirkungen <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>für die Anbieter auf dem Wohnungsmarkt genauer analysiert werden (Manuskript5).


Theoretischer Rahmen 52 Theoretischer Rahmen2.1 Analyse <strong>der</strong> Sozialstruktur2.1.1 Sozialer WandelSeit den 1950er Jahren haben sich die gesellschaftlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen entscheidendverän<strong>der</strong>t. Die damit verbundenen <strong>Prozesse</strong> werden häufig als „sozialerWandel“ apostrophiert (Klee 2001: 17). Sozialer Wandel ist eng mit dem Begriff <strong>der</strong>Sozialstruktur verbunden. Die Sozialstruktur umfasst „die Wirkungszusammenhänge<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mehrdimensionalen Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesamtgesellschaft <strong>in</strong> unterschiedlicheGruppen nach wichtigen sozial relevanten Merkmalen sowie <strong>in</strong> den relativ dauerhaftensozialen Beziehungen dieser Gruppen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>“ (Geissler 2002: 21).Als wichtige Entwicklungstendenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Sozialstruktur gelten <strong>der</strong> Anstiegdes Lebensstandards, die zunehmende Vielfalt <strong>der</strong> Lebensbed<strong>in</strong>gungen, <strong>der</strong> Individualisierungsschubund die zunehmende Mobilität (Geissler 2002: 61). Dabei habendas Bildungssystem, die Arbeitsmarktdynamik, Karrieremuster, Mobilität undMärkte ganz allgeme<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividualisierende Konsequenzen (Beck 2001: 3).Es besteht weitgehend Konsens darüber, dass wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitalter leben, <strong>in</strong> dem diemeisten Personen grössere Freiheitsgrade besitzen. Wohlstand und Bildungsexpansionhaben seit den 1960er Jahren den E<strong>in</strong>zelnen immer mehr Ressourcen an die Handgegeben. Aber nicht nur die Ressourcen son<strong>der</strong>n auch die Chancen <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellenEntfaltung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den vergangenen Jahrzehnten beträchtlich gewachsen (Hradil 2001:30f.). Bereits 1971 spricht Inglehart von e<strong>in</strong>em säkularen Wertewandel, wonach e<strong>in</strong>eGeneration heranwachse, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Wertehaltungen nicht länger Besitz und Pflichtobenan stünden, son<strong>der</strong>n Selbstverwirklichung und Partizipation (Inglehart 1971).Der Befund wachsen<strong>der</strong> <strong>in</strong>dividueller Möglichkeiten und <strong>der</strong>en zunehmende Nutzungführte zu Becks These <strong>der</strong> generellen „Individualisierung“ und zur Theorie e<strong>in</strong>es Epochenumbruchsh<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er „an<strong>der</strong>en Mo<strong>der</strong>ne“ (Hradil 1992: 32). Individualisierungbesteht danach aus drei Komponenten: „Herauslösung aus historisch vorgegeben Sozialformenund –b<strong>in</strong>dungen im S<strong>in</strong>ne traditionaler Herrschafts- und Versorgungszusammenhänge[...], Verlust von traditionalen Sicherheiten im H<strong>in</strong>blick auf Handlungswissen,Glauben und leitende Normen [...] und [...] e<strong>in</strong>e neue Art <strong>der</strong> sozialenE<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung “ (Beck 1986: 206).


6 Theoretischer RahmenNach <strong>der</strong> Regulationstheorie s<strong>in</strong>d auch die Organisation des Arbeits- und Produktionsprozessessowie politische Steuerungsmechanismen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für dieHerausbildung gesellschaftlicher Strukturen (Lauria 1997). Der Trend <strong>der</strong> wirtschaftsstrukturellenEntwicklung geht heute <strong>in</strong> Richtung Tertiärisierung und selektiver Re<strong>in</strong>dustrialisierung<strong>in</strong> <strong>der</strong> Hochtechnologie (E<strong>der</strong> Sandtner 2005). Im Zuge <strong>der</strong> De<strong>in</strong>dustrialisierungund Deregulierung werden qualifizierte Mittelschichtarbeitsplätze <strong>in</strong><strong>der</strong> Produktion reduziert. Dies führt zu e<strong>in</strong>em „Schw<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Mittelschicht“ (Schön& Strubelt 1996: 19). Auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite steigt die Anzahl von hochqualifiziertenArbeitsplätzen, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gibt es immer mehr schlecht bezahlte, arbeits<strong>in</strong>tensiveJobs mit ger<strong>in</strong>gem Anfor<strong>der</strong>ungsniveau. Es entsteht e<strong>in</strong> „dualer“ o<strong>der</strong> „bipolarer“Arbeitsmarkt (Castells 1989; Giddens 1997). Damit verschärfen sich die sozioökonomischenDisparitäten aufgrund <strong>der</strong> sich vergrössernden E<strong>in</strong>kommensschere (sozialePolarisierung) (Beck 1986; Lüdtke 1992; Hradil 1987).Die demographische Alterung ist e<strong>in</strong> weiterer wesentlicher Bestandteil des sozialenWandels, <strong>der</strong> als „zweiter demographischer Übergang“ bezeichnet wird (D<strong>in</strong>kel 1989:62). Die öffentliche und politische Debatte betont sowohl die quantitativen Aspektewie die relative Verschiebung <strong>der</strong> Mächtigkeit von Kohorten und das Ansteigen <strong>der</strong>Absolutzahlen <strong>der</strong> betreffenden Altersklassen als auch ihre Auswirkungen etwa aufdie Systeme <strong>der</strong> sozialen Sicherung <strong>in</strong> Europa. Die demographische Alterung darf allerd<strong>in</strong>gsnicht auf das zahlenmäßige Wachstum <strong>der</strong> Kohorten <strong>in</strong> den entsprechendenAlterskategorien reduziert werden. Denn nicht nur mehr, son<strong>der</strong>n auch „an<strong>der</strong>e” alteMenschen fragen Wohnraum nach. Die aktuelle Nachfrage älterer Menschen ist imZuge <strong>der</strong> Individualisierung (Beck 1986: 131) geprägt vom Verlangen, e<strong>in</strong> Höchstmassan Autonomie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebensführung beizubehalten und diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er wenigalterssegregierten Wohngegend zu realisieren (Höpfl<strong>in</strong>ger & Stuckelberger 1999:262; Höpfl<strong>in</strong>ger 2004: 517). Das Bedürfnisbündel, welches sich im Zusammenhangmit <strong>der</strong> Aufwertung des Autonomiewunsches ergibt, wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur als age<strong>in</strong>g<strong>in</strong> place bezeichnet (Chapman & Howe 2001; Houben 1997; Houben 2001). Es be<strong>in</strong>haltetnotwendigerweise Komb<strong>in</strong>ationen des Wohnraumangebots mit Dienstleistungen,welche die Autonomie unterstützen (Van Wezemael 2005).


Theoretischer Rahmen 72.1.2 Konzepte zur Analyse <strong>der</strong> SozialstrukturDer soziale Wandel schlägt sich auch <strong>in</strong> den Konzepten zur Analyse <strong>der</strong> Sozialstrukturnie<strong>der</strong>. Das Klassen- und Schichtkonzept zur Analyse <strong>der</strong> Sozialstruktur kann aufe<strong>in</strong>e lange Tradition zurückblicken. Karl Marx (1818-1883) erhob das Klassenkonzeptbereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts zu e<strong>in</strong>er soziologischen Grundkategorie.Das Konzept <strong>der</strong> sozialen Schicht ist jünger und wurde erst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmit Marx durch Geiger (1891-1952) <strong>in</strong> den 1930er Jahren e<strong>in</strong>geführt (Geiger1955). Die Begriffe Schicht und Klasse fassen Menschen <strong>in</strong> ähnlicher sozioökonomischerLage zusammen, die aufgrund ähnlicher Lebenserfahrungen, ähnlicher Persönlichkeitsmerkmale(psychische Dispositionen, E<strong>in</strong>stellung und Wertorientierungen,Bedürfnisse, und Interessen, Mentalitäten und Lebensstile) sowie ähnlicher Lebenschancenund Risiken verbunden s<strong>in</strong>d (Geissler 2002: 111).Modelle von Lebensstilen und Milieus stellen e<strong>in</strong>e Alternative zu herkömmlichenKlassen- und Schichtkonzepten dar. Im Gegensatz zu diesen stellen Lebensstil- undMilieukonzepte nicht die äußeren Bed<strong>in</strong>gungen, son<strong>der</strong>n die <strong>in</strong>neren Haltungen <strong>in</strong> denMittelpunkt <strong>der</strong> Kategorisierung (Hradil 1996, Hradil 2001, Geissler 2002). In denKonzepten <strong>der</strong> „Sozialen Milieus“ und „Lebensstilgruppierungen“ wird davon ausgegangen,„dass die ‚subjektiven’ Lebensweisen e<strong>in</strong>er sozialen Gruppierung durch <strong>der</strong>en‚objektive’ Lebensbed<strong>in</strong>gungen zwar angeregt, bee<strong>in</strong>flusst o<strong>der</strong> begrenzt se<strong>in</strong> mögen,ke<strong>in</strong>eswegs aber völlig geprägt s<strong>in</strong>d“ (Hradil 2001: 425f.). Unter Lebensstilenwerden gleichartige Organisationen des Alltagslebens von Menschen verstanden(Hradil 1996: 16). Lebensstile bezeichnen „raum-zeitlich strukturierte Muster <strong>der</strong> Lebensführung,die von Ressourcen, <strong>der</strong> Familien- und Haushaltsform und den Werthaltungenabhängen“ (Müller 1989: 66).Wohl ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er hat die Diskussion um Klassenstruktur und Lebensstile so befruchtetund zu konträren Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen angeregt wie <strong>der</strong> französische SoziologePierre Bourdieu (Klee 2001: 29). Ausgangspunkt se<strong>in</strong>es Strukturierungsansatzes istdie Vorstellung, dass gesellschaftliche Ressourcen über drei Kapitalarten zum Ausdruckgebracht werden, mit <strong>der</strong>en Hilfe materielle Güter und symbolische Dist<strong>in</strong>ktionsgew<strong>in</strong>neerworben werden: ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital (Bourdieu1983: 185). Das ökonomische Kapital besteht aus E<strong>in</strong>kommen und Vermögen.Das kulturelle Kapital umfasst die drei unterschiedlichen Dimensionen <strong>in</strong>korporiertes,


8 Theoretischer Rahmenobjektiviertes und <strong>in</strong>stitutionalisiertes kulturelles Kapital 1 . Das soziale Kapital kannmit dem Besitz von sozialen Beziehungen und Netzwerken umschrieben werden. DieHöhe des sozialen Kapitals hängt dabei von <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Netzwerkpartner und <strong>der</strong>enAusstattung mit ökonomischem und kulturellem Kapital ab (Bourdieu 1983: 190).Mittels des Kapitalvolumens und <strong>der</strong> Kapitalstruktur, d.h. <strong>der</strong> Zusammensetzung des<strong>in</strong>dividuellen Kapitals aus dem ökonomischen und kulturellem Kapital, konstruiertBourdieu den Raum <strong>der</strong> sozialen Positionen (s. Abb. 1). Dieser wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweitenSchritt mithilfe des Habitus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Raum <strong>der</strong> Lebensstile überführt (s. Abb. 2). DerHabitus kann als e<strong>in</strong> Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsschema <strong>in</strong>terpretiertwerden (Klee 2001: 32). Personen mit ähnlichen Ressourcenausstattung und Lebensbed<strong>in</strong>gungenentwickeln ähnliche Habitusstrukturen. Daraus lässt sich e<strong>in</strong> Klassenhabitusableiten, welcher die klassenspezifischen Lagebed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> klassenspezifischeLebensstile überführt (Bourdieu 1994: 175). Lebensstile werden von Bourdieuals symbolische Ausdrucksform mit dem Ziel <strong>der</strong> Dist<strong>in</strong>ktion verstanden, diehandlungsleitend im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Optimierung ökonomischer, kultureller und sozialerRessourcen s<strong>in</strong>d. Die durch Kapitalstruktur und –volumen im sozialen Raum bestimmtePosition von Individuen führt zur Ausbildung e<strong>in</strong>es klassenspezifischen Habitus,<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um die Lebensstile im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er alltäglichen Handlungspraxis sowiedie kulturellen Mechanismen <strong>der</strong> Geschmacksausrichtung bestimmt (Klee 2001:32).1Inkorporiertes kulturelles Kapital ist <strong>in</strong> Sozialisationsprozessen vermittelt und ver<strong>in</strong>nerlicht. Dasobjektivierte kulturelle Kapital s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits materielle Kulturgüter wie Bücher o<strong>der</strong> Kunstwerkeund an<strong>der</strong>seits die symbolische Aneignung <strong>in</strong> Form von Wissen. Das <strong>in</strong>stitutionalisierte kulturelleKapital zielt auf <strong>in</strong> Bildungse<strong>in</strong>richtungen erworbene Titel (Bourdieu 1983: 185).


Theoretischer Rahmen 9KapitalvolumenKapitalstrukturAbb. 1: Der Raum <strong>der</strong> sozialen Positionen bei Bourdieu (nach Klee 2001)Raum <strong>der</strong>sozialen PositionenLebensbed<strong>in</strong>gungen alsAusdruck <strong>der</strong> Kapitalstruktur,des Kapitalvolumens und<strong>der</strong> sozialen LaufbahnErzeugung vonWahrnehmungs-, BewertungsundHandlungsschemataHabitusStrukturierungvonPraxisformenRaum <strong>der</strong>LebensstileLebensstile als lebensweltlichePraktiken, symbolische Ausdrucksformenund GeschmacksausprägungenAbb. 2: Ablauf <strong>der</strong> Entstehung von Lebensstilen bei Bourdieu (nach Klee 2001)


10 Theoretischer RahmenIn ihrer Anfangsphase <strong>in</strong> den 1980er Jahren war die deutsche Lebensstilforschungnoch stark von <strong>der</strong> „Entkoppelungstheorie“ geprägt: Danach „entkoppeln“ sich Lebensstilezunehmend von den objektiven Lebensbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Menschen. VieleStudien <strong>der</strong> 1990er Jahre zeigen jedoch, dass äußere Lebensbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> „freienWahl“ e<strong>in</strong>es Lebensstils Grenzen setzen. Unterschiede im Lebensstil hängen stark mitUnterschieden <strong>in</strong> den objektiven Lebensumständen zusammen (Geissler 2002: 126).Lebensstile bilden sich im Rahmen gegebener Lebenslagen und verfügbarer Ressourcen(Zapf et al.1987: 14). Hradil sieht Lebensstilisierung sogar als re<strong>in</strong>es Mittelschichtsphänomen(Hradil 1992: 9f.). Der Begriff Lebensstil impliziert e<strong>in</strong> bestimmtesMass an Wahl- und Gestaltungsfreiheit <strong>der</strong> eigenen Lebensweise (Hradil 1996:16). Bourdieu geht ebenfalls davon aus, dass sich Lebensstile erst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mittelschichtund Oberschicht ausprägen, während ärmere Bevölkerungsgruppen e<strong>in</strong>e „Kultur <strong>der</strong>Notwendigkeiten“ entwickeln (Bourdieu 1994: 585 f.).Im Unterschied zum Lebensstilbegriff umfasst <strong>der</strong> Milieubegriff bedeutende zusätzlicheKomponenten wie Beziehungs- und Netzwerkstrukturen und das Umfeld vonMenschen. Milieus werden auch als „ortsgebundene Kommunikationsgeme<strong>in</strong>schaft“verstanden (Schulze 1994, S. 51). „Soziale Milieus“ fassen Gruppen Gleichges<strong>in</strong>nterzusammen, die jeweils ähnliche Werthaltungen, Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Lebensgestaltung, Beziehungenzu Mitmenschen und Mentalitäten aufweisen. Diejenigen, die dem gleichensozialen Milieu angehören, <strong>in</strong>terpretieren und gestalten ihre Umwelt <strong>in</strong> ähnlicherWeise und unterscheiden sich dadurch von an<strong>der</strong>en sozialen Milieus. (Hradil 2001:425f.) Dem Raum kommt beim Milieubegriff e<strong>in</strong>e wichtige Funktion zu. Lebenszusammenhänge,die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>teilig abgrenzbaren Raume<strong>in</strong>heit wie e<strong>in</strong>em städtischenQuartier manifestieren, führen häufig zu Gruppierungen von Menschen mitähnlichen Ansichten, E<strong>in</strong>stellungen, Aktivitätsmustern und hoher KommunikationsundBeziehungsdichte (Klee 2001: 28).Empirische Studien weisen meist neun bis zwölf Makro-Milieus bzw. Lebensstilenach und zeigen e<strong>in</strong> wachsendes Ausmass an Übere<strong>in</strong>stimmung. Sie fallen auch <strong>in</strong>haltlichhäufig ähnlich aus, obwohl durchaus unterschiedliche Dimensionen und Indikatorenverwendet werden. Während <strong>der</strong> Hoch-Zeit <strong>der</strong> Schichtungssoziologie <strong>in</strong> den60er Jahren g<strong>in</strong>gen die Ergebnisse <strong>in</strong> Zahl und Zuschnitt weit stärker ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>(Hradil 1996: 17).


Theoretischer Rahmen 11Beson<strong>der</strong>s bekannt geworden s<strong>in</strong>d die S<strong>in</strong>us-Mileus (Hradil 2001, Geissler 2002).Diese wurden vor zwei Jahrzehnten <strong>in</strong> <strong>der</strong> kommerziellen Markt- und Wahlforschung<strong>in</strong> Deutschland entwickelt (Geissler 2002: 130). Sie basieren auf e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ationvon qualitativen Interviews und repräsentativ-standardisierten Fragebögen (Vester etal. 1993: 21) und wurden auf verschiedene Län<strong>der</strong> übertragen. Die Abbildung des Milieugefüges<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz zeigt, dass die Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>em bestimmten sozialenMilieu nicht unabhängig von <strong>der</strong> Schichtzugehörigkeit ist (s. Abb. 3). Es gibtvielmehr typische Unterschicht-, Mittelschicht und Oberschicht-Milieus. WelcheWerthaltungen und Lebense<strong>in</strong>stellungen e<strong>in</strong> Mensch aufweist, wird also durchausmitbestimmt von se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>kommenshöhe, se<strong>in</strong>em Bildungsgrad und se<strong>in</strong>er Berufsstellung.Innerhalb <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Schichten f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> aller Regel mehrere Milieus‚nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>’. Zum Teil erstrecken sich soziale Milieus auch ,senkrecht’ überSchichtgrenzen h<strong>in</strong>weg (SINUS 2000, Plöger 2003).Abb. 3: S<strong>in</strong>us-Milieus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz (Plöger 2003)Die sozialen Milieus unterscheiden sich ferner nach dem Grad ihrer Traditionsverhaftung.Dies ist auf <strong>der</strong> waagerechten Achse nach traditionell-materiellen und mo<strong>der</strong>nenpostmateriellen Grundorientierungen geordnet. Die Angehörigen z.B. des´Traditionellen Arbeitermilieus’ weisen Mentalitäten auf, die dem Bewahren, demFesthalten am Bewährten, den Pflichten <strong>der</strong> Menschen, ihrem E<strong>in</strong>gebunden-Se<strong>in</strong> <strong>in</strong>Regeln und moralische Normen großes Gewicht beimessen. Angehörige <strong>der</strong> dem ent-


12 Theoretischer Rahmengegen gesetzten Pol nahe stehenden Milieus empf<strong>in</strong>den sich als e<strong>in</strong>zelne relativ losgelöstvon B<strong>in</strong>dungen und Zugehörigkeiten (SINUS 2000, Geissler 2002, Plöger 2003)(s. Abb. 3).Häufig wird <strong>der</strong> Sozialstrukturdebatte im deutschsprachigen Raum e<strong>in</strong>e Theorielosigkeitvorgeworfen (Hradil 2001, Georg 1998, Klee 2001, Allmend<strong>in</strong>ger & Ludwig-Mayerhofer 2000). In <strong>der</strong> angelsächsischen Literatur zur Sozialstruktur wird Theorienzwar e<strong>in</strong> grösseres Gewicht beigemessen, horizontale Unterschiede spielen allerd<strong>in</strong>gsim Gegensatz zur deutsch- und französischsprachigen Literatur e<strong>in</strong>e untergeordneteRolle. Die zentralen Dimensionen <strong>der</strong> Sozialstruktur s<strong>in</strong>d dort weiterh<strong>in</strong> Klasse, Geschlechtund Ethnizität (vgl. Kerbo 2000, Rothman 1999, Kirby 1999, Breen & Rottman1995). Die empirischen Befunde zeigen allerd<strong>in</strong>gs, dass diese horizontalen Unterschiede– zum<strong>in</strong>dest im deutschsprachigen Raum – e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle spielen(Geissler 2002, Vester et al. 1993).2.1.3 Raumbezug <strong>der</strong> SozialstrukturEs gibt <strong>in</strong> den Sozialwissenschaften unterschiedliche Theorien über die soziale Bedeutungvon Raum. Der Soziologie im Allgeme<strong>in</strong>en und <strong>der</strong> Sozialstrukturanalyse imSpeziellen wird häufig <strong>der</strong> Vorwurf <strong>der</strong> Raumbl<strong>in</strong>dheit gemacht (Dangschat 1996,Läpple 1994). Klassen- und Schichtungstheorien können als explizit unräumlich bezeichnetwerden (Dangschat 1996). Die Logik des sozialen Handels wird häufig unabhängigvom Raum konzipiert (Klee 2001). Der Raum erhält oft nur den Status e<strong>in</strong>erUmweltbed<strong>in</strong>gung und wird auf die <strong>in</strong> ihm enthaltenen physischen Objekte beschränkt(E<strong>der</strong> Sandtner 2005). Er spielt im Allgeme<strong>in</strong>en we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Rolle als Erklärungsfaktorfür Entstehung und Ausmass sozialer Ungleichheit, noch wird diese <strong>in</strong>nennenswerter Weise im Spiegel regionaler Disparitäten diskutiert und <strong>in</strong>terpretiert(Klee 2001).Ähnliches gilt für die Lebensstilforschung. Die hierbei diskutierten Phänomene <strong>der</strong>Individualisierung und <strong>der</strong> Ausdifferenzierung <strong>der</strong> Lebensformen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regelauf e<strong>in</strong>er abstrakten und gesamtgesellschaftlichen Ebene angesiedelt (Klee 2001). DerRaum fungiert dabei häufig nur als Rahmen, <strong>in</strong>nerhalb dessen Lebensstile identifiziertund ihre Entstehung erklärt wird (Klee 2001). Für die Mehrzahl <strong>der</strong> Lebensstilstudienkann daher e<strong>in</strong> naiv-expliziter Raumbezug konstatiert werden (Dangschat 1996: 111).


Theoretischer Rahmen 13Nicht <strong>in</strong> allen soziologischen Theorien wird <strong>der</strong> Raum vernachlässigt. Nach GiddensStrukturationstheorie ist <strong>der</strong> physisch-materielle Raum e<strong>in</strong>e soziale Konstruktion, dienur solange existiert, wie sie von Gesellschaftsakteuren produziert wird (Giddens1984). Und nach Bourdieu (1991, 1997) spiegelt sich die Position <strong>der</strong> Menschen imsozialen Raum durch <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Raumaneignung auch im physischen Raum wi<strong>der</strong>(Klee 2001). Dabei bilden die Plätze im physischen Raum die Position des Individuumsim sozialen Raum ab, sie s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> auf physischer Ebene realisierte sozialeRaum. Die symbolischen Kämpfe und Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen um Geschmack undMacht, die den Strukturierungspr<strong>in</strong>zipien des sozialen Raums und des Raums <strong>der</strong> Lebensstile<strong>in</strong>newohnen, f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Form von sozialen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen umRaumprofite auf <strong>der</strong> physischen Ebene wie<strong>der</strong> und stellen e<strong>in</strong>e Struktur <strong>der</strong> räumlichenVerteilung von Machtfaktoren dar.2.2 Analyse <strong>der</strong> Stadtstruktur2.2.1 Sozialökologische ModelleDie Suche nach Regelmässigkeiten <strong>in</strong> den wechselseitigen Beziehungen des sozialenund wirtschaftlichen Lebens <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Stadt hat e<strong>in</strong>e lange Tradition. Die erstenUntersuchungen zur Erforschung des gesamtstädtischen Milieus entstanden um 1900am Lehrstuhl für Soziologie <strong>der</strong> Universität Chicago und gelten als die Begründung<strong>der</strong> Sozialökologie. Wichtige Vertreter dieser Forschungsrichtung waren Park, Burgessund McKenzie. In ihrem Grundlagenwerk „The City” (Park et al. 1925) stellteBurgess se<strong>in</strong>e Theorie des konzentrischen Wachstums <strong>der</strong> Städte anhand e<strong>in</strong>es R<strong>in</strong>gmodellsvor. Das r<strong>in</strong>gförmige Stadtmodell gehört bis heute zu den wichtigsten Stadtstrukturmodellen<strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadtforschung (He<strong>in</strong>eberg 2006: 115).Burgess g<strong>in</strong>g davon aus, dass sich das Wachstum <strong>der</strong> Stadt zentral-peripher vollzieht,<strong>in</strong>dem sich Nutzungen und Bevölkerungsgruppen zonal anordnen und sich diese Anordnunglaufend durch nach außen gerichtete Expansion verän<strong>der</strong>t. In <strong>der</strong> Modellvorstellungbildet <strong>der</strong> Central Bus<strong>in</strong>ess District (CBD) den Mittelpunkt <strong>der</strong> Stadt <strong>in</strong> wirtschaftlicher,kultureller und politischer H<strong>in</strong>sicht. Umgeben ist er von konzentrischenZonen mit jeweils spezifischer (dom<strong>in</strong>anter) Funktion und Bevölkerungsstruktur. DieIntensität <strong>der</strong> Nutzung nimmt mit s<strong>in</strong>kenden Bodenpreisen vom Zentrum zur Peripherieab. Die Stadt verän<strong>der</strong>t sich dabei ständig unter dem E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Konkurrenz umStandortvorteile (He<strong>in</strong>eberg 2006).


14 Theoretischer RahmenDas Modell ist ke<strong>in</strong> statisch-strukturelles Modell son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Prozessmodell, <strong>in</strong> dempostuliert wird, dass das städtische Wachstum vor allem durch die Expansion <strong>der</strong>ökonomisch stärksten, <strong>der</strong> tertiärwirtschaftlichen Nutzung <strong>in</strong>itiiert wird. Das Modellverschränkte dabei funktionale, soziale, ethnische und bauliche Differenzierung mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>und war wegweisend für zahlreiche empirische Studien und wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong>Folge erweitert (Gottdiener 1994: 107).E<strong>in</strong> wichtiges Alternativmodell stammt von Hoyt, das auf <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Preisstrukturam Wohnungsmarkt <strong>in</strong> 30 US-amerikanischen Städten basiert. E<strong>in</strong>e wesentlicheKritik von Hoyt (1939) war, dass die Ausbreitung von Wohngebieten <strong>der</strong> Oberschichtnicht konzentrisch son<strong>der</strong>n sektoral erfolgt. Im Gegensatz zu Burgess führt Hoyt dieStadtentwicklung überwiegend auf die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Wohnstandorte <strong>der</strong> statushohenBevölkerungsgruppen zurück. Wenn die Wohngebiete hoher Mieten dann vonihren Bewohnern verlassen werden, dr<strong>in</strong>gen Bevölkerungsgruppen des nächst niedrigerenStatus <strong>in</strong> die leerstehenden Gebäude e<strong>in</strong>. Durch diesen filter<strong>in</strong>g-Effekt ergibtsich nach Hoyt auch für an<strong>der</strong>e Bevölkerungsgruppen e<strong>in</strong> sektorales Anordnungsmusterihrer Wohngebiete.Das dritte klassische Stadtstrukturmodell ist das Mehrkernmodell nach Harris undUlmann (1945). Ihre Mehrkern-Theorie besagt, dass mit <strong>der</strong> Grösse <strong>der</strong> Stadt auch dieZahl und Spezialisierung ihrer Kerne wachsen. Das Modell von Harris und Ulmann(1945) ist allerd<strong>in</strong>gs im Gegensatz zu den Modellen von Burgess und Hoyt wenigere<strong>in</strong> Modell <strong>der</strong> Stadtentwicklung als vielmehr <strong>der</strong> Stadtstruktur.Kritik an <strong>der</strong> klassischen Sozialökologie setzte bereits früh e<strong>in</strong> (He<strong>in</strong>eberg 2006:115). Den klassischen Sozialökologen „gelang es nicht, die eher als Analogie aus <strong>der</strong>Ökologie übernommenen Annahmen zu präzisieren“ (Friedrichs 1977, zitiert <strong>in</strong>Hartmann et al. 1986: 50). Die Annahme, dass die stattf<strong>in</strong>denden <strong>Prozesse</strong> aufgrund<strong>der</strong> natürlichen Konkurrenz <strong>in</strong> menschlichen Gesellschaften entstehen, wird von verschiedenenAutoren wi<strong>der</strong>legt und als ideologisch bezeichnet (Hartmann et al. 1986:50). Es besteht allerd<strong>in</strong>gs wenig Zweifel, dass <strong>der</strong> klassischen Sozialökologie auf <strong>der</strong>deskriptiven Ebene e<strong>in</strong>e wesentliche Bedeutung zukommt (Farwick 2001: 32, Hartmannet al. 1986: 64). Ihre Bedeutung für die weiterführende stadtgeographische Forschunggilt als unbestritten (Flanagan 1993: 51, Lichtenberger 1996: 1, Häussermann& Siebel 2004: 122).


Theoretischer Rahmen 15Zudem konnte die empirische Relevanz <strong>der</strong> sozialökologischen Modelle <strong>in</strong> diversen,auch jüngeren Studien belegt werden (Lichtenberger 1996: 1). Untersuchungen belegen,dass für die Verteilung <strong>der</strong> Bevölkerung nach e<strong>in</strong>em demographischen Merkmaljeweils e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> drei klassischen Stadtstrukturmodelle als Erklärungsmuster dienenkann. Dabei weist die Bevölkerungsverteilung nach sozialem Status e<strong>in</strong>e sektoraleStruktur, nach Familienstatus e<strong>in</strong>e r<strong>in</strong>gförmige Struktur und nach ethnischen Merkmalene<strong>in</strong>e mehrkernige Struktur auf (Murdie 1969, He<strong>in</strong>eberg 2006).2.2.2 SozialraumanalyseVor allem gegen die „biologistischen“ und „ökonomistischen“ Ansätze <strong>der</strong> Sozialökologieund die Vernachlässigung <strong>der</strong> kulturellen Aspekte richtete sich die Kritik <strong>der</strong>Sozialraumanalyse (Gutfleisch 2001: 199). In den 1950er Jahren wurde die Sozialraumanalyse(Social Area Analysis) durch Shevky und Bell (1961) als Instrument zurAnalyse <strong>der</strong> Stadtstruktur begründet. Sie basiert auf <strong>der</strong> Annahme, dass sich Gesellschaftenauf e<strong>in</strong>e grössere Differenzierung und auf e<strong>in</strong>e grössere Komplexität h<strong>in</strong>entwickeln. Die Indikatoren des sozialen Wandels werden auf die Stadt angewendetund zugleich als Indikatoren <strong>der</strong> Stadtentwicklung angesehen. Im Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong>Sozialraumanalyse stehen die theoretische Begründung und die Verallgeme<strong>in</strong>erbarkeit<strong>der</strong> Indikatoren. Sie geht von mehreren deduktiv festgelegten Dimensionen aus, diemit bestimmten Variablen für jeden Teilbezirk berechnet werden. Im Modell vonShevky und Bell bilden <strong>der</strong> soziale Rang, <strong>der</strong> Urbanisierungsgrad und die ethnischeSegregation die grundlegenden Dimensionen <strong>der</strong> städtischen Strukturierung. Die dreiDimensionen werden durch sieben Indikatoren operationalisiert (Tab. 1).Tab. 1: Dimensionen und Indikatoren <strong>der</strong> Sozialraumanalyse nach Shevky und Bell(1961)DimensionenIndikatoren1. sozialer Raum Anteil <strong>der</strong> Arbeiter und Handwerker an den ErwerbstätigenAnteil <strong>der</strong> Personen mit Volksschulbildung an <strong>der</strong>Wohnbevölkerung über 25 JahreMiethöhe2. Urbanisierung FruchtbarkeitsquoteAnteil erwerbstätiger Frauen über 14 JahreAnteil E<strong>in</strong>familienhäuser3. ethnische Segregation Auslän<strong>der</strong>anteil


16 Theoretischer RahmenAuch wenn die Variablenauswahl auf <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> „<strong>in</strong>creas<strong>in</strong>g societal scale“ basiert,ersche<strong>in</strong>t sie doch eher „willkürlich“ (Gutfleisch 2001: 1999). Zudem sei sie bereitssechs Jahre vorher auf re<strong>in</strong> empirischer Ebene <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie über Los Angelesdurch Shevky & Williams (1949) erfolgt. Dadurch entsteht <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck, dass dasModell von Shevky & Bell e<strong>in</strong>en „verspäteten und etwas hilflosen Legitimierungsversuchfür die ohne theoretisches Fundament auf Los Angeles angewandte Methodedarstellt“ (Hartmann et al. 1986: 71f.). Zudem basiert Shevky und Bell’s SocialArea Analysis auf den Mo<strong>der</strong>nisierungspostulaten <strong>der</strong> Industriegesellschaft, späterePhänomene des sozialen Wandels wie etwa die Pluralisierung von Lebensstilen könnendie sieben Variablen jedoch nicht erfassen (Gutfleisch 2001, Gaebe 2004).Aus diesem Grund wurde vermehrt als Alternative zur deduktiven Sozialraumanalyseauf die <strong>in</strong>duktiv ausgerichtete, explorative Faktorialökologie ausgewichen, die erstmalsvon Sweetser (1965) zur Beschreibung <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierungstädtischer Teilgebiete angewendet wurde. Bei e<strong>in</strong>er Faktorenanalyse wird e<strong>in</strong>e Vielzahlvon (manifesten) Variablen auf e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Anzahl von vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> unabhängigen(latenten Variablen), so genannten Faktoren, reduziert und die Intensität je Faktor(Faktorwerte) <strong>in</strong> den städtischen Teilräumen berechnet. Das Ergebnis ist e<strong>in</strong> charakteristischesBündel von Merkmalen, die <strong>in</strong>nerhalb des Stadtgebietes ähnlicheräumliche Verbreitungsmuster aufweisen. Aufgrund <strong>der</strong> Faktorenladungen (Korrelationenzwischen den Variablen und Faktoren) können diese Variablenbündel <strong>in</strong>haltlichals Dimensionen <strong>der</strong> <strong>in</strong>nerstädtischen Strukturierung <strong>in</strong>terpretiert werden (Gutfleisch2001, He<strong>in</strong>eberg 2006). Als re<strong>in</strong> statistisches Verfahren ist die Sozialraumanalyse perse theorielos, auch wenn durch die Auswahl <strong>der</strong> Variablen e<strong>in</strong>e gewisse Vorentscheidunggetroffen wird (Gutfleisch 2001: 200, Hartmann et al. 1986: 75)Sozialraumanalysen wurden für verschiedenste Städte durchgeführt und zeigtengrundsätzlich, dass sich demographische, sozioökonomische und ethnische Merkmalezur Beschreibung von Wohngebieten eignen (Gaebe 2004). Knox geht aber davonaus, dass diese nicht ausreichen, auch wenn sie sich über die Zeit als relativ stabil erweisen(Knox 1995: 47f.). In die Kritik geriet die Sozialraumanalyse zudem, weil siezwar wichtige Dimensionen <strong>der</strong> sozialräumlichen Struktur beschreibt, aber nicht erklärenkann (Friedrichs 1988).Aufbauend auf <strong>der</strong> Kritik, dass durch die re<strong>in</strong>e Verwendung von Zensusdaten, dieStadt zum blossen „Wohn-Ort“ reduziert wird (Hartmann et al. 1986: 74), wurden


Theoretischer Rahmen 17vermehrt personenbezogene, <strong>in</strong>stitutionelle und bauliche Charakteristika <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emgeme<strong>in</strong>samen Modell <strong>in</strong>tegriert (Geil<strong>in</strong>g 2001, Gutfleisch 2001, Ste<strong>in</strong>bach, Holzhauser& Neudecker 2001, Hermann & Me<strong>in</strong>lschmidt 1995, Warmel<strong>in</strong>k & Zehner 1996).Die auf diese Weise entwickelten Modelle variieren von Stadt zu Stadt, wobei dieAnzahl <strong>der</strong> resultierenden Faktoren zwischen drei und acht schwankt. Durch die Verwendungsehr vieler E<strong>in</strong>gangsvariablen erhöht sich auch die Anzahl <strong>der</strong> extrahiertenDimensionen. Da diese Vielzahl <strong>der</strong> Faktoren e<strong>in</strong>e Charakterisierung von städtischenTeilräumen erschwert, kamen Clusteranalysen und self-organiz<strong>in</strong>g Maps zum E<strong>in</strong>satz,mit denen städtische Teilräume zu Raumtypen zusammengefasst werden (Gutfleisch2001, Kohonen 2001).E<strong>in</strong>e zentrale Schwierigkeit <strong>der</strong> explorativen Faktorenanalyse ist die Auswahl <strong>der</strong> Variablen.Diese müssen e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>deutig <strong>in</strong>terpretierbar se<strong>in</strong> und zweitens e<strong>in</strong>e Relevanzaufweisen. Die Komb<strong>in</strong>ation personenbezogener, <strong>in</strong>stitutioneller und baulicherCharakteristika erschwert die Interpretierbarkeit <strong>der</strong> resultierenden Dimensionen zusätzlich.Die Anwendung von Klassifikationsverfahren (Clusteranalyse, selforganiz<strong>in</strong>gMaps) verdichtet zwar die Informationsfülle, e<strong>in</strong>e Interpretierbarkeit <strong>der</strong>ermittelten Cluster bleibt allerd<strong>in</strong>gs schwierig, da sich bereits die e<strong>in</strong>gegangen Faktorenschwer <strong>in</strong>haltlich <strong>in</strong>terpretieren lassen.E<strong>in</strong>e weitere Schwierigkeit <strong>der</strong> explorativen Sozialraumanalyse ist, dass bei <strong>der</strong> Anwendunge<strong>in</strong>er Faktorenanalyse für jede Stadt e<strong>in</strong> neues Modell entsteht. So s<strong>in</strong>d we<strong>der</strong>zeitlich noch regionale Vergleiche möglich. Die Tendenz, relativ willkürlich sehrviele Variablen unbesehen ihrer Bedeutung und Relevanz den datenreduzierendenVerfahren zuzuführen und die aufgrund <strong>der</strong> Vorgehensweise entstehende Vielzahlvon unterschiedlichen Modellen unterstreicht die Kritik des „Naiven Empirismus”und <strong>der</strong> „Theorielosigkeit” (Zehner 2004, Helbrecht 1997).


18 Theoretischer Rahmen2.3 Stadtentwicklung2.3.1 SegregationDie sozialräumliche Struktur <strong>der</strong> Stadt ist das Produkt komplexer <strong>Prozesse</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong>enVerlauf die unterschiedlichen sozialen Gruppen und Milieus ihren Ort <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadtf<strong>in</strong>den bzw. zugewiesen bekommen (Häussermann & Siebel 2004). Dabei spielenMarktprozesse, Machstrukturen, <strong>in</strong>dividuelle o<strong>der</strong> Gruppenpräferenzen sowie historischeEntwicklungen e<strong>in</strong>e Rolle (vgl. Kap 2.2). Die verschiedenen sozialen Milieuss<strong>in</strong>d nicht gleichmässig über die Wohngebiete e<strong>in</strong>er Stadt verteilt. Es gibt wohlhabendeund arme Wohngebiete, Arbeiterviertel und solche, <strong>in</strong> denen sich die Zuwan<strong>der</strong>erkonzentrieren. Neben sozialen Ungleichheiten bilden sich aber auch Dist<strong>in</strong>ktionsbedürfnisseverschiedener Milieus im Stadtraum ab, die sich symbolisch vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>abgrenzen (vgl. Kap. 2.2).Unter Segregation versteht man das Ausmass <strong>der</strong> disproportionalen Verteilung undTrennung von Bevölkerungsgruppen o<strong>der</strong> sozialen Schichten <strong>in</strong> Bezug auf räumlicheTeile<strong>in</strong>heiten <strong>der</strong> Stadt (He<strong>in</strong>eberg 2006: 115). Der Segregations<strong>in</strong>dex ist e<strong>in</strong> Mass fürdie räumliche Ungleichverteilung e<strong>in</strong>er (nach e<strong>in</strong>em beliebigen Merkmal def<strong>in</strong>ierten)Personengruppe (Duncan & Duncan 1950). Er misst den Grad <strong>der</strong> disproportionalenVerteilung e<strong>in</strong>er Teilgruppe über alle Teilräume e<strong>in</strong>es Gesamtgebietes. Der Segregations<strong>in</strong>dexnimmt Werte zwischen 0 und 100 an. Der Wert 0 würde dabei e<strong>in</strong>er völliggleichmässigen Verteilung <strong>der</strong> Teilgruppe auf alle Teilräumen entsprechen, d.h. e<strong>in</strong>eGruppe hätte <strong>in</strong> allen Quartieren und Geme<strong>in</strong>den denselben Anteil an <strong>der</strong> Bevölkerung.Konkret entspricht <strong>der</strong> Segregations<strong>in</strong>dex demjenigen prozentualen Anteil vonIndividuen <strong>der</strong> Teilgruppe, <strong>der</strong> umgesiedelt werden müsste, um e<strong>in</strong>e Gleichverteilungzu erreichen (Häussermann & Siebel 2004: 140).Der Segregations<strong>in</strong>dex wird nach folgen<strong>der</strong> Formel berechnet:SI x= 1 2 ap xnap ii=1p rxnrp ii=1100ap x = Bevölkerungszahl <strong>der</strong> Teilgruppe a im Teilraum xrp x= Bevölkerungszahl <strong>der</strong> Restvölkerung im Teilraum x


Theoretischer Rahmen 19Residentielle Segregation ist die Projektion sozialer und gesellschaftlicher Unterschiedeauf den Raum (Häussermann & Siebel 2004: 139). E<strong>in</strong>en wichtigen Motor <strong>der</strong>sozialen Segregation bilden soziale Unterschiede bezüglich unterschiedlicher Ressourcenausstattung.Diese bewirken, dass sich nicht alle Bevölkerungsschichten dieselbenWohnstandorte auswählen können. Bevorzugte Standorte entwickeln sich somitzu Wohngebieten <strong>der</strong> statushohen Bevölkerung, ungünstigere Standorte zuWohnorten <strong>der</strong> Unterschicht. Neben den f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen s<strong>in</strong>d für diese Art<strong>der</strong> Segregation auch nicht-monetäre Restriktionen wie Kenntnisse über das Wohnungsangebot,soziale Netzwerke o<strong>der</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierungen bei <strong>der</strong> Wohnungsvergabewirksam (Häussermann & Siebel 2004).Aufgrund <strong>der</strong> Pluralisierung <strong>der</strong> Lebensstile und <strong>der</strong> damit verbundenen horizontalenDifferenzierung <strong>der</strong> Gesellschaft verläuft die soziale Segregation heute nicht nur entlang<strong>der</strong> vertikalen Statusachse, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> horizontalen Differenzierungsachse.Divergierende Präferenzen bezüglich Wohnraum und Wohnumgebung werden entscheidendeDeterm<strong>in</strong>anten <strong>der</strong> Wohnstandortwahl, so dass sich die verschiedenen Lebensstilgruppenräumlich entmischen (Helbrecht 1997, Häussermann & Siebel 2004).Insgesamt ist die Bevölkerungszusammensetzung e<strong>in</strong>es Ortes also e<strong>in</strong> Produkt ausdem Zusammenspiel von Präferenzen und Restriktionen. Unterschiedliche Restriktionenführen dazu, dass nicht alle Personen dieselben Orte bewohnen können. Unterschiede<strong>in</strong> den Präferenzen s<strong>in</strong>d dafür verantwortlich, dass nicht alle Personen an denselbenOrten wohnen wollen (Hermann & Leuthold 2002). Lebensstile spielen dabeizunehmend e<strong>in</strong>e wichtigere Rolle für die residentielle Segregation (Dangschat 1994,Friedrichs 2000). Die ethnische 2 Segregation beruht zusätzlich auf kulturellen Differenzen,die durch E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung entsteht und e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung an die gesellschaftlicheIntegrationskraft stellt (Häussermann & Siebel 2004: 151).Residentielle Segregation entsteht nach den sozialökologischen Vorstellungen <strong>der</strong>Chicagoer Schule aufgrund von <strong>Prozesse</strong>n <strong>der</strong> Invasion und Sukzession (He<strong>in</strong>berg2006: 115). Im zeitlichen Verlauf treten im Stadium <strong>der</strong> Invasion an e<strong>in</strong>em Wohn-2Ethnie bezeichnet im engeren S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong> Volk als Abstammungsgeme<strong>in</strong>schaft und im weiteren S<strong>in</strong>nee<strong>in</strong>e Gruppe von Menschen, die durch verschiedene geme<strong>in</strong>same Eigenschaften (Sprache, Kultur,Tradition, Religion, Gebräuche etc.) verbunden ist bzw. sich verbunden fühlt. Ethnien besitzene<strong>in</strong> bestimmtes Geme<strong>in</strong>schaftsbewusstse<strong>in</strong> und gelten sowohl <strong>in</strong> ihrer Selbst- als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong>Fremdwahrnehmung durch an<strong>der</strong>e als kulturell unterscheidbar (Nohlen & Grotz 2007).


20 Theoretischer Rahmenstandort zunächst e<strong>in</strong>zelne Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Bevölkerungsgruppe neu auf, die dannmithilfe eigener Kommunikationsstrukturen, spezifischer Infrastrukturangebote undmitunter <strong>der</strong> Schaffung eigener Zugangsrestriktionen zum Wohnungsteilmarkt e<strong>in</strong>eErhöhung des Anteils <strong>der</strong> eigenen Gruppe an <strong>der</strong> Wohnbevölkerung hervorrufen undim Stadium <strong>der</strong> Sukzession entwe<strong>der</strong> die ansässige Bevölkerung verdrängen o<strong>der</strong> -wenn es sich bei den Invasoren um e<strong>in</strong>e statusniedrigere Gruppe handelt - die Abwan<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> bisher ansässigen Bevölkerung <strong>in</strong>duzieren (He<strong>in</strong>eberg 2006, Häussermann& Siebel 2004).Bei dem Invasions-Sukzessionszyklus gibt es e<strong>in</strong>en empirisch belegten „tipp<strong>in</strong>gpo<strong>in</strong>t“(Schell<strong>in</strong>g 1978), ab dem die - durch die ortsansässige Bevölkerung zunächstbegrenzte o<strong>der</strong> beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te - Invasionsphase <strong>in</strong> die Sukzessionsphase mit <strong>der</strong> relativenDom<strong>in</strong>anz <strong>der</strong> Zuziehenden übergeht (Laurie & Jaggi 2003: 2688). Der auf sozialerDistanz, Vorurteil und Diskrim<strong>in</strong>ierung beruhende Erklärungsansatz wird ergänztdurch e<strong>in</strong>en ökologischen Erklärungsansatz, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> unterschiedlichen Topologie,Nutzungsart, Wohn- bzw. Wohnumfeldqualität e<strong>in</strong>zelner städtischer Raume<strong>in</strong>heiten,über die unterschiedliche Bewertung z.B. <strong>in</strong> Form von Bodenpreisen und Mieten e<strong>in</strong>enZusammenhang mit <strong>der</strong> Bewohnerschaft herleitet. Viertel mit guter Qualität erfahrendabei die grösste Nachfrage und werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel durch statushohe Gruppenbesetzt, statusniedrigere Gruppen <strong>in</strong> schlechter ausgestattete Viertel verdrängt(Friedrichs 1995, Häussermann & Siebel 2004). Von diesen Verdrängungsprozessens<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten betroffen, aber auch Präferenzen ausländischerHaushalte selbst tragen direkt zur ethnischen Segregation bei. Soweit siee<strong>in</strong>e Wahl haben wählen Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten Quartiere, <strong>in</strong> denen sie e<strong>in</strong>edifferenzierte Infrastruktur ihrer eigenen Ethnie vorf<strong>in</strong>den (Häussermann & Siebel2004: 173). Diese ethnische Segregation ist <strong>in</strong> den USA und ehemaligen Kolonialstaatenim beson<strong>der</strong>en Masse ausgeprägt. H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Bedeutung und Wirkungsozialräumlicher Muster für die Integration gibt es we<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik noch <strong>in</strong> <strong>der</strong>Wissenschaft e<strong>in</strong>en Konsens (Häussermann & Siebel 2004: 179). Die Freizügigkeit<strong>der</strong> Bevölkerung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es meist marktwirtschaftlich organisierten Wohnungsmarktesgilt dabei zwar als wünschenswert, die gesellschaftliche Integration ist allerd<strong>in</strong>gse<strong>in</strong>e Notwendigkeit. Aufgrund <strong>der</strong> „Exit-Strategien“ <strong>der</strong> oberen und mittlerenBevölkerungsschichten muss diese von solchen Menschen geleistet werden, die häufigselbst soziale o<strong>der</strong> psychische Probleme aufweisen (Dangschat 2000: 220).


Theoretischer Rahmen 212.3.2 SuburbanisierungUnter Suburbanisierung versteht man die Verlagerung von Nutzungen und Bevölkerungaus <strong>der</strong> Kernstadt, dem ländlichen Raum o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en metropolitanen Gebieten<strong>in</strong> das städtische Umland bei gleichzeitiger Reorganisation <strong>der</strong> Verteilung von Nutzungenund Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Fläche des metropolitanen Gebietes (Friedrichs1995: 99).Die Suburbanisierung setzte bereits zum Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts e<strong>in</strong>, als leistungsfähigeöffentliche Verkehrsmittel <strong>in</strong> den wachsenden Großstädten <strong>der</strong> Bevölkerungermöglichten, <strong>in</strong> größerer Entfernung vom Arbeitsplatz zu wohnen. Denn zumLeitbild e<strong>in</strong>es „guten“ Lebens e<strong>in</strong>er Familie „gehörte bereits seit Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Industrialisierungund Verstädterung das Leben im Haus mit eigenem Garten“ (Häussermann& Siebel 2004: 73). E<strong>in</strong>e neue Dynamik erhielt <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Suburbanisierungdurch die Privatmotorisierung. Die Verfügbarkeit e<strong>in</strong>es Pkws für den Weg zur Arbeitführte dazu, dass die Mittel- und Oberschichthaushalte im Umland <strong>der</strong> Kernstädteauch abseits <strong>der</strong> öffentlichen Verkehrsmittel und <strong>in</strong> größerer Entfernung geeigneteWohnstandorte suchten. E<strong>in</strong>e Folge war, dass große Teile <strong>der</strong> hochverdichteten grün<strong>der</strong>zeitlichenMiethausquartiere nur noch von Haushalten mit niedrigen E<strong>in</strong>kommen,d.h. <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von Arbeitern, bewohnt wurden (Friedrichs 1995).Die Suburbanisierung wird zudem auf die Zunahme von privaten E<strong>in</strong>kommen unde<strong>in</strong>er damit verbundenen Zunahme des Wohnflächenbedarfs <strong>der</strong> Bevölkerung zurückgeführt.Die gestiegene Umweltsensibilität und <strong>der</strong> damit e<strong>in</strong>hergehende Wunschnach naturnahem Wohnen könnte e<strong>in</strong>en weiteren Beitrag zur Suburbanisierung geleistethaben. Allerd<strong>in</strong>gs ist umstritten, ob dies wirklich e<strong>in</strong> neuer Faktor ist o<strong>der</strong> ob aufgrundgestiegener E<strong>in</strong>kommen und Motorisierung frühere Restriktionen <strong>der</strong> Realisierung<strong>der</strong> Wohnwünsche entfallen s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>en Push-Faktor zur Suburbanisierung bildet<strong>in</strong> grösseren Städten die Verdrängung <strong>der</strong> Wohnnutzung aus den Innenstädten durchden im Zuge <strong>der</strong> Tertiärisierung gestiegenen Büroflächenbedarf (Gaebe 2004).Die Stellung im Lebenszyklus spielt e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle bei <strong>der</strong> Suburbanisierung.Der typische „Suburbanit“ kann als relativ gut verdienen<strong>der</strong> Mittelschichthaushalt mitkle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n charakterisiert werden (Herlyn 1990: 59). D.h. <strong>der</strong> Umzug <strong>in</strong> densub<strong>urbanen</strong> Raum f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Lebenszyklusphase statt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> aufgrund deswachsenden Haushalts e<strong>in</strong>e größere Wohnung, bzw. das E<strong>in</strong>familienhaus gesuchtwird und die Entscheidung für den neuen Wohnstandort (e<strong>in</strong>schließlich des


22 Theoretischer Rahmendie Entscheidung für den neuen Wohnstandort (e<strong>in</strong>schließlich des Wohnumfeldes)auch an den Bedürfnissen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ausgerichtet wird (Herlyn 1990: 59).Die Abwan<strong>der</strong>ung jüngerer Mittelschicht-Haushalte mit mittleren bis höheren E<strong>in</strong>kommenaus den Kernstädten führte zu e<strong>in</strong>em zum Teil drastischen E<strong>in</strong>wohnerrückgang<strong>in</strong> den Kernstädten (Herlyn 1990: 61; Gaebe 2004: 64; Häussermann & Siebel2004: 76; O<strong>der</strong>matt 2001: 110ff.). Diese Suburbanisierungswan<strong>der</strong>ungen zeigten fürdie Kernstädte die bekannten selektiven Wirkungen <strong>in</strong> Form von Entmischungsprozessen.1990 prägte <strong>der</strong> Wirtschaftswissenschaftler Frey (1990: 18) für die Kernstädteden Begriff <strong>der</strong> „A-Stadt” als e<strong>in</strong> Gebiet, <strong>in</strong> dem sich vor allem Alte, Arme, Arbeitslose,Auszubildende, Auslän<strong>der</strong> und Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen konzentrieren 3 . Problematisch istdabei die Selektivität des <strong>Prozesse</strong>s, die dazu führt, dass die Steuerbasis erodiert unddie Diskrepanz zwischen Kosten- und Nutzenträgern <strong>der</strong> öffentlichen E<strong>in</strong>richtungenwächst (Janos et al. 1997: 200; O<strong>der</strong>matt 2001: 110ff.). Instandhaltungs<strong>in</strong>vestitionen<strong>in</strong> den Wohnungsbestand werden zunehmend unterlassen, so dass e<strong>in</strong> „Filter<strong>in</strong>gdown” des Wohnungsbestandes zu beobachten ist (Friedrichs 2000: 176; Gaebe 2004:106). Diese klassischen und aus e<strong>in</strong>em spezifischen historischen Kontext deduziertenModelle <strong>der</strong> Sozialökologie und <strong>der</strong> Mikroökonomie, welche e<strong>in</strong>en ständig s<strong>in</strong>kendensozialen Status und abnehmende Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bausubstanz proklamieren, lassensich bis zum Ende <strong>der</strong> 1980er empirisch bestätigen (Brühl et al. 2005: 18).Suburbanisierung wird also als Ausdruck von Marktprozessen und <strong>der</strong> Standortpräferenzen<strong>der</strong> Haushalte verstanden. Der Prozess führt tendenziell zu e<strong>in</strong>er Auflösung<strong>der</strong> traditionellen kompakten Stadt. Die gesamte Stadtregion dehnt sich räumlich ausmit <strong>der</strong> Folge e<strong>in</strong>er zunehmenden Zersiedlung des zuvor ländlichen Umlands und zunehmen<strong>der</strong>Verkehrsbelastungen.3Der Begriff <strong>der</strong> "A-Stadt" hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweizer Fachliteratur breit E<strong>in</strong>gang gefunden (vgl. z.B. Janoset al. 1997, Schnei<strong>der</strong>-Sliwa, 1998). Auch im Raumentwicklungsbericht <strong>der</strong> Schweiz (ARE,UVEK 2005) ist das Argumentationsmuster e<strong>in</strong>geflossen.


Theoretischer Rahmen 232.3.3 ReurbanisierungSeit etwa zwei Jahrzehnten wird die Suburbanisierung von e<strong>in</strong>em Reurbanisierungsprozessüberlagert (Gaebe 2004: 154). Unter Reurbanisierung wird die re<strong>in</strong> zahlenmässigeBevölkerungs- und Beschäftigungszunahme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kernstadt verstanden(He<strong>in</strong>eberg 2006: 58). Dieser Reurbanisierungsprozess wird auf die Tertiärisierung<strong>der</strong> Wirtschaft und die Ausbildung von „neuen Städtern“, die sich <strong>in</strong> Bezug auf Alter,Bildung, Lebensstil und Konsumgewohnheiten von den „alten Städtern“ unterscheiden(Gaebe 2004: 154). Wichtiger als das re<strong>in</strong> quantitative Wachstum <strong>der</strong> Städte istdaher die damit e<strong>in</strong>hergehende Aufwertung <strong>der</strong> Kernstädte, die beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>in</strong>nenstadtnahenehemaligen Arbeiter- und Industriequartieren gross ausfällt und mit demProzess <strong>der</strong> Gentrifizierung bzw. Gentrification bezeichnet wird (Dangschat 1994:336).GentrifizierungUnter dem Prozess <strong>der</strong> Gentrifizierung wird die Aufwertung <strong>in</strong>nerstädtischer Wohnquartieredurch den Zuzug von sozial Bessergestellten und die Verdrängung <strong>der</strong> sozialschwächeren Schichten und <strong>der</strong> damit e<strong>in</strong>hergehende Wandel <strong>der</strong> lokalen Infrastrukturverstanden (Dangschat & Blasius 1994; Blasius 1996). Dieser Vorgang vollziehtsich <strong>in</strong> verschiedenen Phasen, die als doppelter Invasions-Sukzessions-Zyklus bezeichnetwerden: Das Interesse an bis dah<strong>in</strong> „heruntergekommenen” Quartieren gehtmeist von jugendlichen Pionieren aus. Mit ihrem kulturellen Kapital machen sie dasGebiet <strong>in</strong>teressant, und es ziehen auf ihre Ansprüche abzielende Gewerbebetriebenach. Dies macht Investitionen für die Eigentümer <strong>der</strong> vorhandenen Wohngebäudelohnenswert (Friedrichs 2000). Diese umfassen sowohl Sanierung von Altbauten alsauch den Ersatzneubau (Van Wessep 1994). Die Investitionen im Bestand werden dabeimeist durch private Vermieter o<strong>der</strong> Investoren getätigt (Beauregard 1990; VanWessep 1994). Dabei werden zwei Theorien unterschieden, die „rent gap”-Theorieund die „value gap”-Theorie (Glatter 2005: 17). Mit „rent gap” bezeichnet Smith(1979) die Differenz aus <strong>der</strong> potentiellen Grundrente nach erfolgter Sanierung und <strong>der</strong>aus den aktuellen Miete<strong>in</strong>nahmen erzielten Grundrente. Der „value gap” bezeichnetdie Wertlücke zwischen den langfristigen Kapitale<strong>in</strong>nahmen aus Vermietung <strong>der</strong>Wohnungen und dem Verkaufswert <strong>der</strong> Wohnungen nach e<strong>in</strong>er Sanierung (Hamnett& Randolph 1986). Diese beiden Ansätze stellen ke<strong>in</strong>e gegensätzlichen Konzepte dar,


24 Theoretischer Rahmenson<strong>der</strong>n stehen für unterschiedliche Formen <strong>der</strong> Gentrifizierung, die sich ergänzen(Clark 1992; Friedrichs & Kecskes 1996; Glatter 2005). In <strong>der</strong> Schweiz spielt <strong>der</strong> „valuegap” weniger e<strong>in</strong>e Rolle, da <strong>der</strong> Wohnungsmarkt durch Mietwohnungen dom<strong>in</strong>iertwird. Auch konnte <strong>in</strong> den letzten Jahren ke<strong>in</strong>e verstärkte Tendenz des Abstossens vonMietwohnungen festgestellt werden (Van Wezemael 2005).Die mo<strong>der</strong>nisierten Altbauwohnungen o<strong>der</strong> Wohnungen <strong>in</strong> Ersatzneubauten werdendann durch alle<strong>in</strong> o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Paarhaushalten lebende Gentrifier bezogen, die sich die gestiegenenMieten leisten können (Friedrichs 2000: 60; Gaebe 2004: 155). E<strong>in</strong>e treibendeRolle spielt dabei die so genannte „neue urbane Mittelschicht” (Sandfuchs &Wehrhahn 2006), die ihre ökonomische Basis <strong>in</strong> den wachsenden soziokulturellen undkommunikativen Dienstleistungsbranchen hat. Diese neue Mittelschicht teilt nur e<strong>in</strong>enTeil <strong>der</strong> klassisch bürgerlichen Lebensideale und weicht <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Bereich desWohnens von diesen ab: Statt e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>familienhaus im Grünen s<strong>in</strong>d es eher die mo<strong>der</strong>nisierteAltbauwohnung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Loft im pulsierenden Teil <strong>der</strong> Grossstadt, dienachgefragt werden (Brühl et al. 2005).Zahlreiche Autoren <strong>in</strong>terpretieren diesen Wandel e<strong>in</strong>es Quartiers als Konflikt verschiedenerLebensstilgruppen (Dangschat & Blasius 1994). Der Zuzug <strong>der</strong> neuen Bewohnerwird <strong>in</strong>sofern als problematisch bewertet, als durch die Verdrängung <strong>der</strong> sozialschwächeren Alte<strong>in</strong>gesessenen e<strong>in</strong>e räumliche Polarisierung <strong>der</strong> Stadtbevölkerungverstärkt vorangetrieben wird (Atk<strong>in</strong>son 2003: 2345). Der Prozess wird als Teil e<strong>in</strong>esumfassen<strong>der</strong>en ökonomischen, sozialen und politischen Restrukturierungsprozesses<strong>in</strong>terpretiert. Dabei spielt <strong>der</strong> soziale Wandel e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle (vgl. Kap. 2.1).Als Folge <strong>der</strong> Individualisierung und Pluralisierung <strong>der</strong> Gesellschaft haben sich dieWohn- und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Haushaltsformen stark ausdifferenziert. Häussermannund Siebel (1996) charakterisieren das (bürgerlich-) „mo<strong>der</strong>ne Wohnideal” <strong>der</strong> Nachkriegszeitals Wohnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweigenerationenfamilie, getrennt von <strong>der</strong> Arbeitswelt,bei dem die Wohnung als Privat- und Intimsphäre <strong>der</strong> Familienmitglie<strong>der</strong> dient. Inden vergangenen Jahrzehnten haben sich alternative und konkurrierende Wohnidealeausgebildet. Diese Ausdifferenzierung <strong>der</strong> Wohnformen wird auf die Emanzipation<strong>der</strong> Frauen, mit <strong>der</strong> Lockerung <strong>der</strong> Gesetzgebung (Abschaffung des Konkub<strong>in</strong>atsverbotes),auf den allgeme<strong>in</strong> gesteigerten Wohlstand, die verlängerten Ausbildungszeitenund auf die Etablierung e<strong>in</strong>er längeren Phase <strong>der</strong> Postadoleszenz vor dem E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong>die Familienphase zurückgeführt (Häussemann & Siebel 1996). Die ökonomischen,


Theoretischer Rahmen 25sozialen und politischen Transformationen werden teils als Ursache, teils als Folgeaufgefasst (Ley 1996).Die Gentrification bedeutet aber ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>e Umkehr des anhaltend bedeutsamenSuburbanisierungsprozesses. Berry warnt daher vor e<strong>in</strong>er Überschätzung des Phänomens.Er geht davon aus, dass die aufgewerteten Innenstadtquartiere lediglich „islandsof renewal <strong>in</strong> seas of decay“ darstellen (Berry 1985: 69).Marg<strong>in</strong>alisierungDer Wandel von <strong>der</strong> Industrie- zur Dienstleistungsökonomie geht mit e<strong>in</strong>er Spreizung<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensverteilung und – weil die mittleren Segmente quantitativ an Bedeutungverlieren – mit e<strong>in</strong>er Polarisierung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensstruktur e<strong>in</strong>her (vgl. Kap2.1). Seit e<strong>in</strong>igen Jahren werden e<strong>in</strong>e stärkere räumliche Polarisierung und neue Formen<strong>der</strong> Ungleichheit <strong>in</strong> den Großstädten konstatiert, die mit den Begriffen <strong>der</strong> Exklusiono<strong>der</strong> Ausgrenzung bezeichnet werden (Alisch & Dangschat 1998; Koll-Schretzenmayr et al. 2005: 51ff.). Dabei s<strong>in</strong>d verschiedene Bevölkerungskategorienvon Ausgrenzungsprozessen betroffen. Zu ihnen gehören Arbeitslose, bei denen sichdie Arbeitslosigkeit verfestigt, was <strong>in</strong> steigenden Zahlen von Dauerarbeitslosen undSozialhilfeempfängern zum Ausdruck kommt (Farwick 2001: 175). Auch aus demWandel <strong>der</strong> Familien- und Haushaltsstrukturen ergeben sich wachsende Abstiegsrisiken.Immer kle<strong>in</strong>er werdende Familien und die Zunahme von <strong>in</strong>dividualisierten Lebensformenverr<strong>in</strong>gern die Auffangmöglichkeiten durch die <strong>in</strong>formellen Netze vonFamilie und Verwandtschaft. Die alle<strong>in</strong>erziehenden Mütter gehören daher zu denGruppen, die von dauerhafter Armut bedroht s<strong>in</strong>d (Häussermann & Siebel 1996). DesWeiteren s<strong>in</strong>d Zuwan<strong>der</strong>er und ethnische M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten Ausgrenzungsprozessen ausgesetzt,weil bei ihnen fehlende politische Rechte und soziale bzw. kulturelle Marg<strong>in</strong>alisierungzusammentreffen (Bremer 2000).Neben den sozialen Risiken ist <strong>in</strong> jüngerer Zeit <strong>in</strong> den Städten die Herausbildung vonsozialräumlichen Konstellationen zu beobachten, die selbst zur Ursache für Benachteiligungund Ausgrenzung werden können (Häussermann & Siebel 2004, Gaebe2004, Farwick 2001). Damit ist e<strong>in</strong>e weitere Verstärkung <strong>der</strong> räumlichen Segregationverbunden, die zu e<strong>in</strong>er Konzentration von marg<strong>in</strong>alisierten Bevölkerungsgruppen <strong>in</strong>bestimmten Quartieren führt. Die soziale Entwicklung <strong>in</strong> den westlichen Großstädtenwird seit e<strong>in</strong>igen Jahren mit Begriffen wie Dualisierung bzw. Spaltung gekennzeich-


26 Theoretischer Rahmennet (Fa<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> et al. 1992, Susser 2002). Durch selektive Migration und durch dieVerarmung <strong>der</strong> Bewohner können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Quartier <strong>Prozesse</strong> <strong>in</strong> Gang kommen, diezu e<strong>in</strong>er kumulativ sich selbst verstärkenden Spirale <strong>der</strong> Abwärtsentwicklung führen(Alisch & Felde 1990).Diese Polarisierung ist beson<strong>der</strong>s stark <strong>in</strong> den so genannten global cities ausgeprägt(Friedmann 1986, Sassen 1991). Die zunehmende <strong>in</strong>ternationale Arbeitsteilung unddie Dichotomisierung des Arbeitsmarktes bewirkt e<strong>in</strong>e zunehmende soziale und räumlichePolarisierung, die durch den Zustrom von Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten und dieHerausbildung e<strong>in</strong>er „transnationalen Elite” genährt wird (Koll-Schretzenmayr et al.2005: 50).Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung s<strong>in</strong>d also spezielle sozialräumliche <strong>Prozesse</strong> <strong>in</strong>Kernstädten, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur viel beschrieben und diskutiert wurden. Die bislangdurchgeführten Studien weisen allerd<strong>in</strong>gs zwei Mängel auf. Zum e<strong>in</strong>en handelt es sichum Studien über e<strong>in</strong>zelne <strong>in</strong>nenstadtnahe Wohngebiete, <strong>in</strong> denen Vergleiche zu an<strong>der</strong>enStadtquartieren o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesamtstadt fehlen (Warmel<strong>in</strong>k & Zehner 1996: 41).Zum an<strong>der</strong>en s<strong>in</strong>d die meisten empirischen Untersuchungen, die auf Befragungen beruhen,Querschnittsstudien – obgleich sich die Hypothesen auf den Prozess beziehen(Friedrichs 1996). Auf kle<strong>in</strong>räumiger Ebene ist <strong>der</strong> Motor <strong>der</strong> residentiellen Segregationvor allem die Migration. Gerade <strong>in</strong> diesem Bereich ist die Datenbasis meist unzureichend,weil Umzüge häufig als Wechsel zwischen Geme<strong>in</strong>den def<strong>in</strong>iert s<strong>in</strong>d, sodass kle<strong>in</strong>räumige Aussagen nicht möglich s<strong>in</strong>d.


Fragestellung und Methoden 273 Fragestellung und Methoden3.1 ForschungsgegenstandDer soziale Wandel hat <strong>in</strong> den letzten Jahren auch die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong> verän<strong>der</strong>t.Dabei überlagern sich <strong>in</strong> den <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> die <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Sub- undReurbanisierung. In dieser Arbeit sollen die Auswirkungen dieser Überlagerung vonSub- und Reurbanisierung auf die sozialräumliche Differenzierung analysiert werden.Bei diesen <strong>Prozesse</strong>n handelt es sich um e<strong>in</strong> vielschichtiges Phänomen, das für dieverschiedenen Teile <strong>der</strong> <strong>urbanen</strong> Räume sowohl an<strong>der</strong>e Ursachen als auch an<strong>der</strong>eFolgen haben kann (vgl. Kap. 2). Daher werden <strong>in</strong> dieser Arbeit verschiedene <strong>in</strong>haltlicheKomplexe behandelt, die im Folgenden vorgestellt werden.Beschreibung <strong>der</strong> sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>Um die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong> verstehen zu können, ist zunächst e<strong>in</strong>e genaueKenntnis über die stattgefundenen Verän<strong>der</strong>ungen notwendig. In diesem Zusammenhangwerden folgende Fragestellungen fokussiert (vgl. Manuskript 2): Nach welchen Merkmalen <strong>der</strong> verschiedenen Dimensionen Status, Lebensstil,Ethnien/Nationalitäten 4 und Demographie verteilt sich die Bevölkerung ungleichüber die <strong>urbanen</strong> Räume? Wie sehen die verschiedenen Segregationsmuster für diese Merkmale im <strong>urbanen</strong>Raum aus? Inwiefern gibt es Zusammenhänge zwischen den verschiedenen sozialräumlichenDifferenzierungen nach soziökonomischen Status, Lebensstilen,Ethnien/Nationalitäten und Demographie?4In den meisten Statistiken – so auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> eidgenössischen Volkszählung – werden nicht Ethnien(vgl. Kap. 2.3.1), son<strong>der</strong>n nur Nationalitäten unterschieden. Auch wenn Ethnien und Nationalitätenke<strong>in</strong>eswegs gleichzusetzen s<strong>in</strong>d, werden <strong>in</strong> dieser Arbeit diese beiden Begriffe aus pragmatischenGründen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge synonym verwendet.


28 Fragestellung und MethodenSozialraumanalyseUm die verschiedenen sozialräumlichen Dimensionen genauer analysieren zu können,wird auf das methodische Instrument <strong>der</strong> Sozialraumanalyse zurückgegriffen. Auchwenn die Sozialraumanalyse starker Kritik ausgesetzt ist (vgl. Kap. 2.2.2), so ist ihreBedeutung als Analyseverfahren zur Beschreibung <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierungurbaner Räume wenig umstritten (Riege & Schubert 2002). Die Entwicklung <strong>der</strong>quantitativen Sozialraumanalyse und die damit verbundene Kritik an <strong>der</strong> <strong>in</strong>duktivenFaktorialökologie for<strong>der</strong>t allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e Erweiterung <strong>der</strong> deduktiven Sozialraumanalyseim S<strong>in</strong>ne von Shevky & Bell (Zehner 2004). Dazu ist e<strong>in</strong> adäquates theoretischesModell notwendig, das die soziale Differenzierung unter den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er post<strong>in</strong>dustriellenbzw. spätmo<strong>der</strong>nen Gesellschaft (Giddens 1994) wie<strong>der</strong>gibt (vgl. Kap.2.1.2). Daher wird e<strong>in</strong> neues Konzept e<strong>in</strong>er theoriegeleiteten Sozialraumanalyse entwickeltund präsentiert (vgl. Manuskript 1, Manuskript 3).Die S<strong>in</strong>us-Milieus zeigen für die Schweiz, dass sich die soziale Differenzierung durchdie Dimensionen Status und Grundorientierung abbilden lässt. In dieser Arbeit wird<strong>der</strong> Frage nachgegangen, <strong>in</strong>wiefern die Dimensionen <strong>der</strong> Segregation nach Status undLebensstil vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> unabhängige Strukturierungsdimensionen bilden, wie dies <strong>in</strong><strong>der</strong> klassischen Sozialraumanalyse postuliert wird. In <strong>der</strong> klassischen Sozialraumanalysewird ferner davon ausgegangen, dass die ethnische Segregation bzw. die Segregationnach Nationalitäten quer zu den beiden Dimensionen Status und Mo<strong>der</strong>nisierungverläuft. Dies muss für die Schweiz überprüft werden. Es wird daher <strong>der</strong> Fragenachgegangen, ob die Segregation <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung <strong>in</strong> den <strong>urbanen</strong><strong>Räumen</strong> bereits durch die Segregation nach Status und Lebensstil erklärt wird, o<strong>der</strong>ob sie tatsächlich e<strong>in</strong>e eigenständige Dimension darstellt (vgl. Manuskript 1, Kap. 4).In e<strong>in</strong>em weiteren Schritt wird geprüft, ob sich das Konzept e<strong>in</strong>er theoriegeleitetenSozialraumanalyse auch auf die gesamte Schweiz übertragen lässt, o<strong>der</strong> ob e<strong>in</strong> solchesAnalyse<strong>in</strong>strument nur für bestimmte urbane Räume Gültigkeit besitzt.


Fragestellung und Methoden 29Analyse <strong>der</strong> <strong>Prozesse</strong> Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierungMithilfe dieses so entwickelten Analyse<strong>in</strong>struments werden die speziellen sozialräumlichen<strong>Prozesse</strong> <strong>in</strong> Kernstädten Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung fokussiert. Indieser Arbeit wird <strong>der</strong> Fokus auf Quartiere gerichtet, die im beson<strong>der</strong>en Mass vonAuf- o<strong>der</strong> Abwertungsprozessen betroffen waren. Gentrifizierung wird <strong>in</strong> Anlehnungan Glatter (2005: 8) als „Erhöhung des Anteils statushöherer Bevölkerungsgruppen <strong>in</strong>Bestandesquartieren“ def<strong>in</strong>iert. Marg<strong>in</strong>alisierung wird dementsprechend als „Erhöhungdes Anteils statusniedriger Bevölkerungsgruppen <strong>in</strong> Bestandesquartieren“ def<strong>in</strong>iert.Diese Reduktion auf die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> sozialen Dimension <strong>in</strong> Bestandsquartierendient dazu, die <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung mit wenigenMerkmalen von an<strong>der</strong>en <strong>Prozesse</strong>n abzugrenzen. Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur beschriebenenKonsequenzen und Ursachen von Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung wie die Verän<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Wohnungsstruktur, <strong>der</strong> Wandel <strong>der</strong> Nutzungsstruktur und <strong>der</strong> symbolischeWandel s<strong>in</strong>d damit im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Def<strong>in</strong>itionen (vgl. Kap. 2.3.3) nichtTeil <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition. Auf diese Weise können aber die Zusammenhänge zwischen <strong>der</strong>sozialen Auf- bzw. Abwertung und den beschriebenen Ursachen und Konsequenzenanalysiert werden (Glatter 2005: 8).Um die <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung zu analysieren, werdenfolgende Fragstellungen untersucht (vgl. Manuskript 4): Welchen E<strong>in</strong>fluss haben Umzüge auf die <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung undMarg<strong>in</strong>alisierung? Welche Bevölkerungsgruppen s<strong>in</strong>d aktiv (durch Zu- und Wegzug) und welchepassiv (durch Verbleib im Quartier) an den jeweiligen <strong>Prozesse</strong>n <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong>auf- und abgewerteten Quartiere beteiligt? Welche Rolle spielen dabei die Bebauungsstruktur und <strong>der</strong> Wohnungsmarkt? Welche Auswirkungen haben diese <strong>Prozesse</strong> auf die Gebäude- und Wohnungsstruktur?


30 Fragestellung und MethodenDemographische AlterungDie demographische Alterung nimmt beim sozialen Wandel e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>stellung e<strong>in</strong>.Der Bedarf an adäquatem Wohnraum für ältere Menschen ist <strong>in</strong> jüngerer Zeit angestiegenund wird <strong>in</strong> den kommenden beiden Jahrzehnten weiter zunehmen. Weil <strong>der</strong>demographische Wandel dynamischer ist als das Mengenwachstum des Wohnungsbestandes,kann die steigende Nachfrage nur zu e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen Masse durch den Wohnungsneubauabgedeckt werden (Van Wezemael 2004: 42-45, Zaugg et al. 2004:313). E<strong>in</strong>e weitere Herausfor<strong>der</strong>ung stellen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die gewandeltenWohnbedürfnisse im Alter dar (vgl. Kap. 2.1).In diesem Zusammenhang werden folgende Fragestellungen analysiert (vgl. Manuskript5): Welche Entwicklungspotenziale ergeben sich bei verschiedenenAnbietertypen h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es Wohnraumangebots für heutige Alte? Welche räumliche Verteilung weist <strong>der</strong> Bestand <strong>der</strong> verschiedenen Anbietertypenauf? Inwiefern deckt sich das Angebotspotenzial mit dem Nachfragepotenzial, dassich auf Basis <strong>der</strong> räumlichen Verteilung <strong>der</strong> älteren Bevölkerung und <strong>der</strong>enVerän<strong>der</strong>ung ergibt?3.2 Untersuchungsgebiet und Raume<strong>in</strong>heitenIm Rahmen dieser Arbeit werden die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong> <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>analysiert. Dabei soll <strong>der</strong> Tatsache Rechnung getragen werden, dass sich <strong>der</strong> urbaneRaum als soziales Aggregat und Konglomerat nicht mehr auf das Territorium <strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong> politischen Stadtgrenzen beschränkt. Daher wird – soweit möglich – jeweilsdie gesamte Agglomeration als Untersuchungsgebiet betrachtet. Die Agglomerationeignet sich, weil sie als wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Interaktionsraum def<strong>in</strong>iertund aufgrund von Volkszählungen jeweils neu bestimmt wird. Für die Zugehörigkeitzur Agglomeration bilden <strong>der</strong> bauliche Zusammenhang des Siedlungsgebietesmit <strong>der</strong> Kerngeme<strong>in</strong>de und die wirtschaftliche Orientierung <strong>der</strong> Erwerbstätigen dieentscheidenden Faktoren (Schuler & Joyce 1997).


Fragestellung und Methoden 31Die sozialräumliche Differenzierung nach e<strong>in</strong>zelnen Merkmalen <strong>der</strong> verschiedenenDimensionen Status, Lebensstil, Nationalitäten und Demographie wird dabei für dieAgglomeration Zürich exemplarisch dargestellt.Basierend auf diesen Ergebnissen wird e<strong>in</strong>e theoriegeleitete Sozialraumanalyse exemplarischfür die Agglomeration Zürich entwickelt. Die Agglomeration Zürich bestehtaus 131 Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den, von denen 103 im Kanton Zürich, 25 imKanton Aargau und 3 im Kanton Schwyz liegen. Rund e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> Agglomerationsbevölkerungwohnt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kernstadtgeme<strong>in</strong>de. Um ihre <strong>in</strong>nere Glie<strong>der</strong>ung zu berücksichtigen,wurden die 34 historisch gewachsenen Stadtquartiere als äquivalent zuden Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den behandelt.In e<strong>in</strong>em weiteren Schritt wird die theoriegeleitete Sozialraumanalyse auf die gesamteSchweiz ausgeweitet, um auch vergleichende Analysen zu ermöglichen. Oft werdenbei kle<strong>in</strong>räumigen Analysen <strong>der</strong> Schweiz politische Geme<strong>in</strong>den als Raume<strong>in</strong>heitenverwendet. Diese weisen allerd<strong>in</strong>gs sehr grosse Unterschiede bezüglich ihrer E<strong>in</strong>wohnerzahlauf. Im Jahr 2000 reichte <strong>der</strong> Schwankungsbereich von Corippo im Tess<strong>in</strong> mit22 E<strong>in</strong>wohnern bis Zürich mit über 360’000 E<strong>in</strong>wohnern. Neben <strong>der</strong> schlechten Vergleichbarkeit<strong>der</strong>art unterschiedlicher Raume<strong>in</strong>heiten führt die ger<strong>in</strong>ge E<strong>in</strong>wohnerzahl<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von ländlichen Geme<strong>in</strong>den zu statistischen Problemen. Um diese zuvermeiden, ist es s<strong>in</strong>nvoll, Kle<strong>in</strong>stgeme<strong>in</strong>den zu Geme<strong>in</strong>degruppen zusammenzulegen.E<strong>in</strong> weiteres Problem besteht dar<strong>in</strong>, dass soziokulturelle Disparitäten beson<strong>der</strong>s<strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> Ballungsräumen ausgeprägt s<strong>in</strong>d. Im Durchschnitt lebt aber etwa e<strong>in</strong> Drittel<strong>der</strong> Agglomerationsbevölkerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kernstadt. Damit ist die Raumglie<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> politischen Geme<strong>in</strong>den für den <strong>urbanen</strong> Raum e<strong>in</strong> zu grobes räumliches Raster.Aus diesem Grund werden grosse Städte mit über 30’000 E<strong>in</strong>wohner <strong>in</strong> ihre Stadtquartiereunterglie<strong>der</strong>t. Dafür wurde e<strong>in</strong>e angepasste kle<strong>in</strong>räumige Raume<strong>in</strong>teilung<strong>der</strong> Schweiz auf Basis <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>deglie<strong>der</strong>ung entwickelt. Dabei werden e<strong>in</strong>erseitskle<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>den gemäss Steffen & Schulz (2005) zu Tausen<strong>der</strong>gruppen zusammengefasst.An<strong>der</strong>erseits werden alle Städte mit mehr als 30’000 E<strong>in</strong>wohnern <strong>in</strong> ihre offizielleQuartierglie<strong>der</strong>ung unterteilt. Quartiere mit weniger als 1000 E<strong>in</strong>wohnern wurdenebenfalls zu Quartiergruppen mit e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>destgrösse von 1000 E<strong>in</strong>wohnern zusammengefasst.Durch den Zusammenzug <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>sten Geme<strong>in</strong>den und die Aufteilung<strong>der</strong> grossen Städte <strong>in</strong> Quartiere konnten die erheblichen Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong>E<strong>in</strong>wohnerzahl von Geme<strong>in</strong>den auf e<strong>in</strong>en Bereich zwischen 1000 und 30'000 E<strong>in</strong>-


32 Fragestellung und Methodenwohnern reduziert werden. Es entstehen dabei 1977 Geme<strong>in</strong>de(gruppe)n und Quartierebzw. Quartiergruppen (Hermann et al. 2005).Die Variation <strong>der</strong> Ergebnisse mit dem Aggregationsgrad ist e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> grössten Problemebei <strong>der</strong> Analyse räumlicher Daten, weil bei grösseren Raume<strong>in</strong>heiten damit zurechnen ist, dass bestehende Unterschiede nicht dargestellt werden können, da die berechnetenKennwerte jeweils nur Mittelwerte darstellen können. Dieses Problem wirdauch als MAUP (modifiable areal unit problem) bezeichnet (Bahrenberg et al. 2003).Durch die Reduzierung <strong>der</strong> Streuungsbreite <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohnerzahl zwischen den untersuchtenRaume<strong>in</strong>heiten wird diesem Problem entgegengewirkt, auch wenn <strong>der</strong>Schwankungsbereich zwischen 1000 und 30'000 E<strong>in</strong>wohner eigentlich zu gross bleibt.Da allerd<strong>in</strong>gs nur für Städte über 30'000 E<strong>in</strong>wohner e<strong>in</strong>e Quartiere<strong>in</strong>teilung existiert,kann <strong>der</strong> Schwankungsbereich bei e<strong>in</strong>er Analyse über die adm<strong>in</strong>istrativen Grenzene<strong>in</strong>er Stadt h<strong>in</strong>aus nicht weiter reduziert werden, ohne die Vergleichbarkeit <strong>der</strong> Ergebnissezu bee<strong>in</strong>trächtigen.3.3 DatenbasisAls Datengrundlage dienen die Personen- und Haushaltsdaten <strong>der</strong> Volkszählungenvon 1990 und 2000. Die Angaben über die E<strong>in</strong>kommensverteilung stammen aus <strong>der</strong>Statistik zur direkten Bundessteuer <strong>der</strong> Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV)<strong>der</strong> Steuerperioden 1989/91 und 1999/2000. Diese Daten s<strong>in</strong>d auf Quartierebene nichtvollständig verfügbar und mussten mit e<strong>in</strong>er Regressionsanalyse modelliert werden.Für die Analyse <strong>der</strong> <strong>Prozesse</strong>, die zu Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung führen,steht die Umzugsstatistik <strong>der</strong> Stadt Zürich zur Verfügung, die alle Umzüge <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungmit <strong>der</strong> Stadt Zürich seit 1990 enthält. Die Umzugsstatistik entstammt <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohnerkontrolle<strong>der</strong> Stadt Zürich 5 . E<strong>in</strong>e Umzugsstatistik <strong>der</strong> gesamten Agglomerationo<strong>der</strong> des Kantons existiert nicht. Innerhalb <strong>der</strong> Stadt Zürich lassen sich alle Umzügeadressengenau verfolgen. Bei Zu- und Wegzügen ist die jeweilige Zu- bzw. Wegzugsgeme<strong>in</strong>de<strong>der</strong> Schweiz o<strong>der</strong> das Land angegeben. E<strong>in</strong>e Verfolgung von Umzügen,die <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Agglomeration Zürich stattf<strong>in</strong>den, ist nicht möglich. DieseVollerhebung <strong>der</strong> real stattgefundenen Weg-, Zu- und Umzüge lässt die Charakterisie-5Die Umzugsstatistik wurde von <strong>der</strong> Statistik Stadt Zürich für diese Dissertation zur Verfügung gestellt.


Fragestellung und Methoden 33rung <strong>der</strong> Umziehenden nach Stand im Lebenszyklus, Haushaltsform und Nationalitätzu 6 .Diese Umzugsstatistik kann mit <strong>der</strong> statischen Analyse <strong>der</strong> Volkszählung verknüpftwerden. Diese Komb<strong>in</strong>ation aus Längs- und Querschnittsanalyse erlaubt Aussagensowohl über die umziehenden als auch über die stationären Bevölkerungsgruppen.3.4 Verwendete MethodenZur Beschreibung <strong>der</strong> räumlich-sozialen Segregation werden e<strong>in</strong>erseits quantitativeMasse und an<strong>der</strong>erseits kartographische Darstellungen verwendet. Die quantitativenMasse haben den Vorteil, dass <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Ungleichverteilung (Segregations<strong>in</strong>dex)<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen Wert ausgedrückt und so mit an<strong>der</strong>en Merkmalen o<strong>der</strong> über dieZeit verglichen werden kann.Die kartographische Darstellung hat den Vorteil, dass dar<strong>in</strong> die regionalen Bezüge <strong>der</strong>räumlichen Verteilungen visuell sehr schnell erfasst werden können. Nachbarschaftenvon Geme<strong>in</strong>den mit ähnlicher Sozial- o<strong>der</strong> Altersstruktur werden sichtbar und dieVerteilungsmuster können somit auch qualitativ beschrieben werden.E<strong>in</strong> klassisches Instrument zur Analyse von räumlichen Unterschieden <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong><strong>Räumen</strong> ist die Sozialraumanalyse, die die Dimensionen Status, Mo<strong>der</strong>nisierung undEthnien umfasst (vgl. Kap. 2.2.2). Aufgrund <strong>der</strong> oben angeführten Kritikpunkte istallerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e Anpassung <strong>der</strong> Sozialraumanalyse auf die postmo<strong>der</strong>ne Gesellschaftnotwendig. Ziel ist es, e<strong>in</strong> neues System von Kennzahlen zur Beschreibung <strong>der</strong> soziokulturellenBevölkerungsstruktur und <strong>der</strong> damit verbundenen räumlichen Disparitätenzu entwickeln. Dieses System soll nicht nur die Analyse zu e<strong>in</strong>em Zeitpunkt und ane<strong>in</strong>em Ort, son<strong>der</strong>n auch für zeitliche und regionale Vergleiche dienen. Dazu wirde<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation aus deduktiver Sozialraumanalyse und <strong>in</strong>duktiver Faktorenanalyseverwendet. (vgl. Kap. 4).Die Faktorenanalyse zählt zu den klassischen Verfahren <strong>der</strong> multivariaten Statistikund ist quer durch verschiedenste Diszipl<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>setzbar. Ziel <strong>der</strong> Faktorenanalyse istes, e<strong>in</strong>e Menge korrelierter Variablen auf e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere Menge latenter Variablen6Sie enthält folgende Merkmale: Alter, Anzahl <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Nationalität, Aufenthaltsdauer <strong>in</strong> <strong>der</strong>Schweiz, Zivilstand, Jahr <strong>der</strong> Zivilstandsän<strong>der</strong>ung, Geschlecht, Umzugsgeschichte (bezogen aufZürich seit 1990).


34 Fragestellung und Methoden(Faktoren) zu reduzieren. Wichtiges Ziel ist dabei, mit möglichst wenigen Faktorenden Hauptanteil <strong>der</strong> Varianz <strong>der</strong> Variablen zu erklären (Bahrenberg et al. 2003: 198).Das Fundamentaltheorem <strong>der</strong> Faktorenanalyse besagt, dass sich e<strong>in</strong>e Menge korrelierterBeobachtungsvariablen auf e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere Menge latenter Variablen (Faktoren) zurückführenlässt. Die Messwerte lassen sich dann als e<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>earkomb<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> Faktorwerteerrechnen. Die Gewichte dieser L<strong>in</strong>earkomb<strong>in</strong>ation heissen Faktorladungen.Die Summen aller quadrierten Faktorladungen für jede Variable heissen Kommunalitäten;diese geben an, wie gut die manifesten Messwerte durch die hypothetischenFaktoren erklärt werden. Bei e<strong>in</strong>er Kommunalität von 1 lassen sich die Messwerteperfekt durch die Faktoren erklären. Von den Kommunalitäten s<strong>in</strong>d die Eigenwerte<strong>der</strong> Werte <strong>der</strong> Faktoren zu unterscheiden. Diese geben an, wieviel Varianz <strong>in</strong> den Daten<strong>in</strong>sgesamt (also nicht nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen Variablen) durch den jeweiligen Faktorerklärt werden kann (Bahrenberg et al. 2003).Vor <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Faktorenanalyse muss die Korrelationsmatrix <strong>der</strong> Variablen,die <strong>in</strong> die Analyse e<strong>in</strong>gehen, auf ihre Eignung für die Faktorenanalyse geprüftwerden. Wenn die erhobenen Merkmale allesamt gar nicht o<strong>der</strong> nur schwach untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>korrelieren, ist e<strong>in</strong>e Reduktion <strong>der</strong> Vielzahl von Variablen auf e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gereZahl von Dimensionen (die Faktoren) unwahrsche<strong>in</strong>lich. Die Anti-Image-Korrelationsmatrix gibt an, wie gross <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Varianz <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Variablenist, <strong>der</strong> sich nicht durch die an<strong>der</strong>en Variablen erklären lässt. Die Diagonalelementedieser Matrix s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Mass für die Angemessenheit <strong>der</strong> Stichprobe (Measure ofSampl<strong>in</strong>g Adequancy), so genannte MSA-Werte. Variablen mit Werten unter 0,5 geltenals gänzlich ungeeignet, ab 0,6 gelten sie als brauchbar, über 0,8 als recht gut. E<strong>in</strong>zusammenfassendes Mass hierfür ist das Kaiser-Maier-Olk<strong>in</strong>-Mass (KMO-Mass), fürdas die gleichen Zahlenwerte als Eignungskriterien gelten. Der Bartlett-Test auf Sphärizitätprüft schliesslich, ob die Daten aus e<strong>in</strong>er Grundgesamtheit stammen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> dieVariablen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> allesamt unkorreliert s<strong>in</strong>d. Da <strong>in</strong> dieser Arbeit Daten ausVollerhebungen <strong>in</strong> die Faktorenanalyse e<strong>in</strong>fliessen, ist dieser Test nicht notwendig(Bahrenberg et al. 2003).Um zu prüfen, ob die Segregation nach Nationalitäten e<strong>in</strong>e unabhängige und eigenständigeDimension zu den Dimensionen Status und Mo<strong>der</strong>nisierung darstellt, wirddas Verfahren <strong>der</strong> multiplen Regressionsanalyse angewendet. Bei <strong>der</strong> multiplen Regressionsanalysehandelt es sich um e<strong>in</strong> Verfahren, mit dem e<strong>in</strong> Merkmal (e<strong>in</strong>e Variab-


Fragestellung und Methoden 35le) durch mehrere an<strong>der</strong>e Merkmale bzw. <strong>der</strong>en Ausprägungen erklärt o<strong>der</strong> prognostiziertwerden soll. Das zu erklärende Merkmal wird als abhängige Variable bezeichnet,die erklärenden Merkmale als unabhängige Variable. Das Bestimmtheitsmass (RSquare) ist e<strong>in</strong> Mass zur Beschreibung <strong>der</strong> Stärke des Zusammenhangs zwischen denunabhängigen und <strong>der</strong> abhängigen Variablen. Es gibt an, wie viel Prozent <strong>der</strong> Varianz<strong>der</strong> abhängigen Variablen durch die Varianz <strong>der</strong> unabhängigen Variablen erklärt wird.R Square nimmt Werte zwischen 0 (ke<strong>in</strong> Zusammenhang) und 1 (perfekterZusammenhang) an (Janssen & Laatz 2005, Bahrenberg et al. 2003).Vor allem bei räumlichen Daten ist anzunehmen, dass die unbeobachteten E<strong>in</strong>flüssebenachbarter Beobachtungen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zusammenhängen. Man spricht hier vonAutokorrelation. Diese kann mit <strong>der</strong> Durb<strong>in</strong>-Watson-Statistik geprüft werden. Liegt<strong>der</strong>en Wert bei 2, liegt ke<strong>in</strong>e Autokorrelation vor; je weiter <strong>der</strong> Wert von 2 nach obeno<strong>der</strong> unten abweicht, desto größer ist die Autokorrelation. Für die Gültigkeit <strong>der</strong> Signifikanztestsmüssen die Residuen <strong>der</strong> Regressionsgleichung auf Normalverteilunggetestet werden und sollte die Varianz <strong>der</strong> Residuen nicht von den Schätzwerten abhängen(homoskedastisch). Da bereits mit Daten aus Vollerhebungen gerechnet wird,entfallen diese Signifikanztests (Janssen & Laatz 2005, Bahrenberg et al. 2003).E<strong>in</strong>en weiteren Schwerpunkt dieser Arbeit stellt die Analyse von Zusammenhängenzwischen <strong>der</strong> sozialräumlichen Entwicklung und weiteren Faktoren dar. WichtigeFaktoren s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Zusammenhang Migration, Bebauungsstruktur und Wohnungsmarkt.Zur Analyse dieser Zusammenhänge wird auf die Korrelationsanalysezurückgegriffen. Die Stärke des (l<strong>in</strong>earen) Zusammenhanges wird dabei mittels <strong>der</strong>Korrelationskoeffizienten bestimmt. Diese nehmen Werte zwischen -1 und +1 an,wobei -1 e<strong>in</strong>en perfekten negativen und +1 e<strong>in</strong>en perfekten positiven Zusammenhangbezeichnet. Je näher <strong>der</strong> Korrelationskoeffizient nahe null ist, desto schwächer ist <strong>der</strong>beobachtete Zusammenhang. Wie bei Faktoren- und Regressionsanalyse entfällt dabeidie Prüfung auf Signifikanz, da den jeweiligen Analysen Daten aus Vollerhebungenzugrunde liegen (Janssen & Laatz 2005, Bahrenberg et al. 2003).


36 Fragestellung und Methoden


Theoriegeleitete Sozialraumanalyse 374 Theoriegeleitete SozialraumanalyseKapitel 4 basiert im Wesentlichen auf den Manuskripten 1 und 3, die Teil dieser Dissertations<strong>in</strong>d (vgl. Teil 2,). In diesen Publikationen war es aufgrund <strong>der</strong> Beschränkungen<strong>der</strong> Seitenzahlen nicht immer möglich, alle Überlegungen und empirischenBefunde, die zur Herleitung des Konzeptes <strong>der</strong> theoriegeleiteten Sozialraumanalysebeigetragen haben, <strong>in</strong> vollen Umfang auszuführen. Dies wird daher <strong>in</strong> diesem Kapitelnachgeholt.4.1 Konzept <strong>der</strong> theoriegeleiteten SozialraumanalyseAufgrund <strong>der</strong> vorgestellten Kritikpunkte an <strong>der</strong> <strong>in</strong>duktiven Faktorialökologie (vgl.Kap. 2.2.2) wird e<strong>in</strong>e Rückkehr zur deduktiven Sozialraumanalyse nach Shevky &Bell vorgeschlagen (vgl. Manuskript 1; Manuskript 2). Dies erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> adäquatestheoretisches Modell, das die soziale Differenzierung unter den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>erpost<strong>in</strong>dustriellen bzw. spätmo<strong>der</strong>nen Gesellschaft wie<strong>der</strong>gibt. Als sozialtheoretischeModellvorlage wird auf das Milieu- und Lebensstilkonzept nach Pierre Bourdieu(1994) zurückgegriffen (vgl. Kap. 2.2). Der soziale Raum bildet die soziale Differenzierung<strong>der</strong> Gesellschaft aufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen Ausstattung mit gesellschaftlichenRessourcen ab. Es wird zwischen kulturellem Kapital (Bildung und Wissen)und ökonomischem Kapital (E<strong>in</strong>kommen und Vermögen) unterschieden. Die vertikaleAchse des sozialen Raumes wird durch das Gesamtkapitalvolumen gebildet und stelltdie herkömmliche Schichtung nach sozialem Status dar. Die horizontale Achse stehtfür die Kapitalstruktur und spiegelt den Gegensatz zwischen e<strong>in</strong>em materielleigentumsorientiertenHabitus und e<strong>in</strong>em ideell-bildungsorientierten Habitus wi<strong>der</strong>.Diese horizontale Achse wird auch als Lebensstilachse o<strong>der</strong> Differenzierungsachsebezeichnet (vgl. z.B. Vester et al. 1993). Die empirische Gültigkeit dieses Konzepteskonnte mithilfe <strong>der</strong> S<strong>in</strong>us-Milieus für die Schweiz nachgewiesen werden (vgl. Kap.2.1.2).Die Indikatoren zur Messung <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierung werden aus diesemsozialtheoretischen Modell abgeleitet 7 . Die Operationalisierung <strong>der</strong> Indikatoren7Bei Bourdieu s<strong>in</strong>d die drei Kapitalarten ökonomisches, kulturelles du soziales Kapital zur Herausbildungvon Lebensstilen verantwortlich (vgl. Kap. 2.1.2). Das soziale Kapital, das durch sozialeBeziehungen und Netzwerke def<strong>in</strong>iert wird, kann mithilfe von Volkszählungsdaten nicht gemessenwerden und kann daher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Operationalisierung nicht berücksichtigt werden.


38 Theoriegeleitete Sozialraumanalyseerfolgt dabei so, dass die gebildeten Konstrukte das zu messende Merkmal optimalwie<strong>der</strong>geben. D.h., die Grundgesamtheit wird jeweils so gewählt, dass die räumlicheVerteilung e<strong>in</strong>es Merkmales nicht von e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Merkmal bee<strong>in</strong>flusst wird (z.B.biographischer Bias) (vgl. Manuskript 1). Das zweite wichtige Kriterium für dieAuswahl <strong>der</strong> Indikatoren ist <strong>der</strong>en empirische Relevanz für die Beschreibung räumlicherDisparitäten. E<strong>in</strong>e wichtige Masszahl hierfür ist die räumliche Ungleichverteilung,die anhand des Segregations<strong>in</strong>dex nach Duncan & Duncan (1955) quantifiziertwerden kann. Mithilfe e<strong>in</strong>er Faktorenanalyse kann mit den so ausgewählten Indikatoren<strong>der</strong> Dimensionen Status und Lebensstil e<strong>in</strong> Raum aufgespannt werden, <strong>der</strong> die sozialräumlicheDifferenzierung wi<strong>der</strong>spiegelt.Die dritte – ethnische – Dimension <strong>der</strong> klassischen Sozialraumanalyse wird speziellfokussiert. Verschiedene Studien belegen für das Jahr 1990, dass die Segregation nachNationalitäten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz ke<strong>in</strong>e eigenständige Dimension darstellt wie <strong>in</strong> denUSA (vgl. Wanner 2004, Huissod et al. 1999, Wimmer et al. 2000). Wenn sich dies <strong>in</strong>den Schweizer Agglomerationen für das Jahr 2000 bestätigen lässt, ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>eMasszahl zur Beschreibung <strong>der</strong> Segregation nach Nationalitäten wenig s<strong>in</strong>nvoll. E<strong>in</strong>estarke ethnische Segregation stellt für die Gesellschaft e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung dar,wenn damit auch e<strong>in</strong>e Konzentration von Integrationsaufgaben e<strong>in</strong>her geht, die vone<strong>in</strong>er Konzentration sozial marg<strong>in</strong>alisierter Gruppen überlagert wird (vgl. Kap. 2.3.1).In dieser Arbeit wird daher e<strong>in</strong>e Masszahl zur Beschreibung <strong>der</strong> räumlichen Verteilungvon Integrationsaufgaben entwickelt, die durch die sprachlichen Kompetenzen<strong>der</strong> Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten operationalisiert wird.Um die Vergleichbarkeit über die Zeit zwischen den verschiedenen Disparitäts<strong>in</strong>dizesherzustellen, werden sie normiert. Die Normierung <strong>der</strong> Indizes wurde so durchgeführt,dass sich die Werte <strong>der</strong> untersuchten Raume<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em s<strong>in</strong>nvollen Zahlenbereichbewegen. Referenzpunkt für die Indizes bildet <strong>der</strong> jeweilige Indexwert <strong>der</strong>gesamten Schweiz. Dieser Wert wird auf 50 Punkte festgesetzt. Die Varianz <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnenWerte wird auf e<strong>in</strong>e fixe Standardabweichung von 8 normiert. Mit dieserNormierung bef<strong>in</strong>den sich die meisten Indexwerte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zahlenbereich zwischen 0und 100, nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen nehmen sie auch Werte ausserhalb dieses Bereichse<strong>in</strong> (vgl. Manuskript 3).Die Gewichtung und Normierung <strong>der</strong> Indexwerte erfolgt anhand <strong>der</strong> Werte des Jahres2000, die Daten für jedes an<strong>der</strong>e Jahr können mit denselben Parametern normiert


Theoriegeleitete Sozialraumanalyse 39werden und s<strong>in</strong>d damit mit jenen von 2000 direkt vergleichbar (vgl. Manuskript 3).Auf diese Weise werden zeitliche Vergleiche möglich, so dass auch die sozialräumlichenVerän<strong>der</strong>ungen mithilfe dieses hier entwickelten Konzeptes <strong>der</strong> Sozialraumanalyseanalysiert werden können.E<strong>in</strong> wertvolles Analyse<strong>in</strong>strument zur Aufdeckung von Zusammenhängen ist dieVisualisierung des Raumes, <strong>der</strong> durch die Dimensionen Status und Lebensstil aufgespanntwird. Da die Dimensionen Status und Lebensstil <strong>der</strong> Theorie nach unabhängigs<strong>in</strong>d und mithilfe <strong>der</strong> Faktorenanalyse auch als unabhängige Dimensionen konstruiertwerden, können die beiden Differenzierungsachsen als Raumkoord<strong>in</strong>aten verwendetwerden. Jede Raume<strong>in</strong>heit erhält je nach Bevölkerungszusammensetzung e<strong>in</strong>e Position<strong>in</strong> diesem so konstruierten Raum und kann als Punkt o<strong>der</strong> entsprechend ihrer E<strong>in</strong>wohnerzahlals Kreisscheibe dargestellt werden. An<strong>der</strong>e Indikatoren regionaler Unterschiede(z.B. ökonomische, kulturelle <strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionelle) können zusätzlich als Thema<strong>in</strong> die Karte <strong>in</strong>tegriert werden, um die Zusammenhänge zwischen dem sozialgeographischenMilieu und den kulturellen, strukturellen o<strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionellen Eigenschaftendarzustellen (vgl. Manuskript 1). Auch zeitliche Verän<strong>der</strong>ungen können als Zeitspurendargestellt werden.4.2 Dimensionen Status und LebensstilIn e<strong>in</strong>em ersten Modell wird <strong>der</strong> soziale Status durch die Indikatoren E<strong>in</strong>kommen,Bildungsniveau und die berufliche Position operationalisiert. Die horizontale Achsewird durch Haushaltsformen und die Aufteilung <strong>der</strong> Erwerbs- und Hausarbeit bei Familienmit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bestimmt. Als weitere Variablen zur Operationalisierung des Lebensstilsfanden <strong>der</strong> Anteil an <strong>der</strong> Frauen, die sich für Karriere und gegen K<strong>in</strong><strong>der</strong> entschiedenhaben, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> jungen Verheirateten und <strong>der</strong> Konfessionslosen E<strong>in</strong>gang<strong>in</strong> die Faktorenanalyse 8 (vgl. Manuskript 1).Mit den ausgewählten Indikatoren wurde e<strong>in</strong>e Hauptkomponentenanalyse mit vorherigerFestlegung auf zwei Dimensionen durchgeführt. Durch e<strong>in</strong>e anschliessende Varimax-Rotationwurden die Faktoren bestmöglich <strong>in</strong> die Punktewolke gelegt, um e<strong>in</strong>emöglichst e<strong>in</strong>fach strukturierte und damit <strong>in</strong>haltlich <strong>in</strong>terpretierbare Lösung zu f<strong>in</strong>den.8Die theoretische Begründung für die Wahl <strong>der</strong> Indikatoren kann im Manuskript 1 nachgelesen werden(S. 2ff.)


40 Theoriegeleitete SozialraumanalyseDie beiden extrahierten Faktoren erklären 72% <strong>der</strong> Varianz, wobei auf den erstenFaktor 36.8% und auf den zweiten Faktor 35.2% entfallen. Der erste Faktor repräsentiertden Lebensstil und <strong>der</strong> zweite Faktor den Status (s. Tab. 2).Insgesamt s<strong>in</strong>d die Kommunalitäten <strong>der</strong> ausgewählten Variablen relativ hoch. E<strong>in</strong>zigeAusnahme bilden die „niedrigen E<strong>in</strong>kommen“ mit e<strong>in</strong>em Wert unter 0.4. Damit istdiese Variable für die zweidimensionale Lösung ungeeignet. Die hohen MSA-Werteüber 0.7 belegen aber, dass sämtliche Variablen für die Faktorenanalyse gut geeignets<strong>in</strong>d. Dies wird durch e<strong>in</strong>en hohen KMO-Wert von 0.8 bestätigt. Das Problem diesesModells liegt vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> nicht immer ganz e<strong>in</strong>deutigen Interpretierbarkeit <strong>der</strong>Dimensionen. Dies ergibt sich dadurch, dass viele Variablen trotz <strong>der</strong> Varimax-Rotation auf beiden Faktoren hoch laden (vgl. Manuskript 1, Abb. 1).Tab. 2: Faktorwerte und Kommunalitäten <strong>der</strong> Faktoranalyse zur Bildung e<strong>in</strong>es erstenModells <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich(vgl. Manuskript 1)AnteilFaktor 1Faktor 2Segregations<strong>in</strong>dexKommunalitätenMSA-Werteüber 65-Jährige <strong>in</strong> E<strong>in</strong>personenhaushalten 20,0% 18,6 0.87 0.17 0.84 0.87K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche unter 16 16,0% 10,3 -0.82 -0.39 0.86 0.8525- bis 44-Jährige Hausfrauen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n 22,8% 11,9 -0.82 0.14 0.71 0.8630- bis 50-Jährige <strong>in</strong> Wohngeme<strong>in</strong>schaften2,8% 35,3 0.80 0.33 0.80 0.87935- bis 44-Jährige Frauen ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> 34,7% 17,1 0.78 0.48 0.88 0.8325- bis 44-Jährige vollerwerbstätige Mütter 18,1% 11,9 0.73 -0.24 0.67 0.81Niedrige E<strong>in</strong>kommen 29,3% 8.5 0.46 0.00 0.37 0.70Erwerbstätige <strong>in</strong> statushohen Berufen 14,4% 19,5 0.19 0.96 0.97 0.78Erwerbstätige <strong>in</strong> statusniedrigen Berufen 9,9% 13,2 0.24 -0.88 0.85 0.8125 bis 65-Jährige mit Universitätsabschluss 11,8% 30,0 0.53 0.80 0.97 0.84Verheiratete zwischen 20 und 30 22,8% 16,6 -0.21 -0.80 0.74 0.8625 bis 65-Jährige Konfessionslose 16,4% 12,5 0.50 0.75 0.85 0.95Hohe E<strong>in</strong>kommen 11,9% 21,1 -0.16 0.68 0.70 0.75(Volkszählung 2000, eigene Berechnung)Zudem sche<strong>in</strong>en die beiden Variablen „niedrige E<strong>in</strong>kommen” und „Verheiratete zwischen20 und 30” die e<strong>in</strong>deutige Interpretation <strong>der</strong> Dimensionen zu bee<strong>in</strong>trächtigen (s.Tab. 2). Die alle<strong>in</strong>ige Ladung <strong>der</strong> Variablen „niedrige E<strong>in</strong>kommen” auf dem erstenFaktor (Lebensstil) ist dar<strong>in</strong> begründet, dass die Personengruppen wie Studenten und9Der Begriff Wohngeme<strong>in</strong>schaft umfasst die Haushaltstypen Nichtfamilienhaushalte mit Verwandtenmit und ohne weitere Personen, Haushalte nicht verwandter Personen, GleichgeschlechtlichePaare mit und ohne weitere Personen.


Theoriegeleitete Sozialraumanalyse 41Rentner aus strukturellen Gründen über ger<strong>in</strong>ge E<strong>in</strong>kommen verfügen und damit dieseVariable nicht <strong>in</strong> unserem S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>deutig <strong>in</strong>terpretierbar ist. Die hohe Faktorladung<strong>der</strong> Variable „Verheiratete zwischen 20 und 30” auf <strong>der</strong> Statusachse zeigt, dasse<strong>in</strong>e frühe Heirat Folge <strong>der</strong> absolvierten Ausbildung und nicht so sehr Ausdruck e<strong>in</strong>esbürgerlichen Familienideals zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t.Die Ergebnisse des ersten Modells haben gezeigt, dass die Vorgehensweise grundsätzlichzu s<strong>in</strong>nvollen Resultaten führt 10 , dass aber die Wahl <strong>der</strong> Indikatoren nochverbessert werden kann. Sämtliche Indikatoren zur Operationalisierung <strong>der</strong> Statusachsewaren mit Ausnahme <strong>der</strong> Variablen „niedrige E<strong>in</strong>kommen“ gut geeignet. Dadurch,dass die Grenze für niedrige E<strong>in</strong>kommen von 30’000CHF auf 50’000CHF angehobenwurde, weist dieser Indikator trotz höherem Anteil e<strong>in</strong>e deutlich grössere räumlicheUngleichverteilung auf. Damit weist <strong>der</strong> so def<strong>in</strong>ierte Indikator e<strong>in</strong>e grössere empirischeRelevanz auf und ist daher besser für das Modell geeignet.Die Indikatoren <strong>der</strong> Dimension Lebensstil mussten stärker angepasst werden. Die Variablen„Konfessionslose“, „über 65-Jährige <strong>in</strong> E<strong>in</strong>personenhaushalten“ und „Verheiratetezwischen 20 und 30“, „Vollerwerbstätigkeit bei Müttern“ und „K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlicheunter 16 Jahre“ wurden aufgrund ihrer nicht e<strong>in</strong>deutigen Interpretierbarkeitaus dem Modell herausgenommen. Die Dimension Lebensstil wird im zweiten Modellvor allem durch die beiden wichtigen Indikatorengruppen „Haushaltstyp“ und die vonBühler (2001) operationalisierten geschlechter-kulturellen Familienmodelle bestimmt.In das neue Modell fliessen die Variablen „Wohngeme<strong>in</strong>schaften“ und „E<strong>in</strong>personenhaushalte“als Indikatoren für <strong>in</strong>dividualisierte Lebensweise <strong>in</strong> das Modell e<strong>in</strong>. Das„traditionell-bürgerliche Familienmodell“ 11 <strong>der</strong> geschlechter-kulturellen Familienmodelleist <strong>der</strong> Idealtypus für bürgerliche Lebensformen. Die Variable „erwerbstätige1011Das Modell wurde sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration W<strong>in</strong>terthur (Heye & Leuthold 2005) als auch <strong>in</strong><strong>der</strong> Stadt und Region Bern (Gächter 2005, 2006) angewandt und brachte ähnliche Modelle bzw.Resultate hervor.Die Variable „25-44 jährige Hausfrauen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n“ wurde durch die Variable „traditionellbürgerlichesFamilienmodell“ ersetzt. Zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Erstellung des ersten Modells waren dieHaushaltsrecords <strong>der</strong> Volkszählung noch nicht verfügbar, so dass dieses durch die Variable „25-44jährige Mütter“ nur angenähert werden konnte (vgl. Manuskript 1).


42 Theoriegeleitete SozialraumanalyseMütter (25-44-Jährige)“ spiegelt die mo<strong>der</strong>neren Lebensformen 12 wi<strong>der</strong>. Die Variable„Frauen ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> (35-44-Jährige)“ konnte aus dem ersten Modell übernommenwerden.Diese Indikatoren zur Operatonalisierung <strong>der</strong> Dimensionen Status und Lebensstil s<strong>in</strong>dfür die Modellbildung wesentlich besser geeignet. Sämtliche Indikatoren weisen sowohlhohe Kommunalitäten als auch MSA-Werte auf (s. Tab. 3). Der KMO-Wert von0.81 unterstreicht die geeignete Auswahl. Die zweidimensionale Lösung erklärt 85%<strong>der</strong> gesamten Varianz, wobei 45% durch den ersten und 40% durch den zweiten Faktorerklärt werden. Im Vergleich zum ersten Modell laden die Variablen allerd<strong>in</strong>gssehr viel e<strong>in</strong>deutiger auf den e<strong>in</strong>zelnen Faktoren (vgl. Tab.3). Der erste Faktor wi<strong>der</strong>spiegeltden Status und <strong>der</strong> zweite die Lebensform.Tab. 3: Faktorwerte und Kommunalitäten <strong>der</strong> Faktoranalyse zur Bildung e<strong>in</strong>es zweitenModells <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich13AnteilFaktor 1Faktor 2Segregations<strong>in</strong>dexKommunalitätenMSA-WerteStatusniedrige Berufe 9.9% 13.2 -0.93 -0.02 0.87 0.84Primäre Bildung 19.1% 15.0 -0.92 0.23 0.90 0.80Hohe E<strong>in</strong>kommen 16.3% 19.2 0.91 -0.24 0.89 0.76Tertiäre Bildung 24.6% 17.2 0.91 0.32 0.93 0.83Oberes Management und freie Berufe 4.3% 20.8 0.85 0.29 0.80 0.79Niedrige E<strong>in</strong>kommen 50.8% 11.8 -0.77 0.25 0.65 0.80E<strong>in</strong>personenhaushalte 20.3% 18.7 0.04 0.96 0.92 0.80Frauen ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> (35-44-Jährige) 39.5% 17.1 0.24 0.91 0.88 0.76Wohngeme<strong>in</strong>schaften 3.3% 33.2 0.06 0.88 0.77 0.83traditionell-bürgerliches Familienmodell 25.5% 12.1 0.21 -0.82 0.71 0.89Erwerbstätige Mütter 44.3% 7.7 -0.18 0.81 0.69 0.84(Volkszählung 2000, eigene Berechnung)1213Bei <strong>der</strong> Durchführung mehrerer Faktorenanalysen wiesen die beiden Variablen „egalitärfamilienbezogenesModell (Mann und Frau beide teilzeiterwerbstätig)“ und „Erwerbstätige Mütter“sehr ähnliche Faktorladungen auf. Das „egalitär-familienbezogene Modell“ weist allerd<strong>in</strong>gsschweizweit e<strong>in</strong>en sehr ger<strong>in</strong>gen Prozentsatz auf (3.0%), so dass sie e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Stabilität als dieVariable „Erwerbstätige Mütter“ aufweist, vor allem wenn das Modell auf den ländlichen Raumausgeweitet wird.Die genauen Def<strong>in</strong>itionen <strong>der</strong> Variablen f<strong>in</strong>den sich bei <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> resultieren Status- undIndividualisierungs<strong>in</strong>dizes (s. S. 45)


Theoriegeleitete Sozialraumanalyse 43Ausweitung <strong>der</strong> theoriegeleiteten Sozialraumanalyse auf die gesamte SchweizIn e<strong>in</strong>em weiteren Schritt soll dieses zweite Modell für die Agglomeration Zürich aufdie gesamte Schweiz übertragen werden. Für die Mehrheit <strong>der</strong> auf Quartierebene untersuchtenStädte existieren nur Daten zu den E<strong>in</strong>kommensklassen <strong>der</strong> gesamten Geme<strong>in</strong>de.Die Werte <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensklassen <strong>in</strong> den Stadtquartieren mussten deshalbmit e<strong>in</strong>em Regressionsmodell geschätzt werden. Als Variablen für die Schätzungwurden <strong>der</strong> Quadratmeterpreis und die Wohnfläche pro Äquivalenzperson 14 verwendet(vgl. Hermann et al. 2005).Die Festlegung <strong>der</strong> Parameter <strong>der</strong> Regressionsgleichung konnte anhand verfügbarerSteuerdaten <strong>der</strong> Stadtquartiere von Lausanne, W<strong>in</strong>terthur und Zürich durchgeführtwerden. Es hat sich gezeigt, dass <strong>der</strong> Quadratmeterpreis ke<strong>in</strong>en Zusammenhang mit<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensverteilung aufweist. Als geeignete Masszahl hat sich dagegen dieWohnfläche pro Äquivalenzperson erwiesen. Die Schätzung erfolgte mittels e<strong>in</strong>er l<strong>in</strong>earenmultiplen Regression mit den beiden unabhängigen Variablen: „Anteil <strong>der</strong>Haushalte mit e<strong>in</strong>er Wohnfläche von mehr als 90m 2 pro Äquivalenzperson” und „Anteil<strong>der</strong> Haushalte mit e<strong>in</strong>er Wohnfläche von weniger als 45m 2 pro Äquivalenzperson”.Die Anteile <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensklassen konnten dabei mit e<strong>in</strong>em Bestimmtheitsmassvon 0.92 (hohe E<strong>in</strong>kommen) bzw. 0.8 (tiefe E<strong>in</strong>kommen) erklärt werden.Da die E<strong>in</strong>kommensdaten <strong>der</strong> Städte als Ganzes bekannt s<strong>in</strong>d, musste mit <strong>der</strong> Regressionsgleichungnur die Abweichung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensklassen <strong>in</strong> den Quartieren vomstädtischen Mittel berechnet werden. E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Modellierung von E<strong>in</strong>kommenmittels Wohnfläche ist dagegen aufgrund regionaler Unterschiede im Wohnungsmarktnicht empfehlenswert.Das Modell <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierung erweist sich sowohl für die fünfgrössten Agglomerationen (Zürich, Genf, Basel, Bern und Lausanne) als auch für diegesamte Schweiz als sehr stabil. Die zweidimensionale Lösung erklärt immer noch70% <strong>der</strong> gesamten Varianz, wobei 46% durch den ersten und 24% durch den zweitenFaktor erklärt werden. Die Indikatoren, die den Status repräsentieren, erweisen sich <strong>in</strong>14Das Konzept <strong>der</strong> Äquivalenzpersonen berücksichtigt, dass <strong>der</strong> Flächenverbrauch <strong>der</strong> ersten erwachsenenPerson <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haushalt grösser ist als <strong>der</strong> Flächenverbrauch zusätzlicher Erwachsener undK<strong>in</strong><strong>der</strong> im selben Haushalt. Für die Berechnung <strong>der</strong> Äquivalenzpersonen pro Haushalt erhält <strong>der</strong>erste Erwachsene e<strong>in</strong> Gewicht von 1, weitere Erwachsene das Gewicht von 0.5 und K<strong>in</strong><strong>der</strong> unter 15Jahren das Gewicht von 0.3 (vgl. Ecoplan 2004).


44 Theoriegeleitete Sozialraumanalysedem auf die gesamte Schweiz angewandte Modell als gut geeignet. Die Indikatoren<strong>der</strong> Lebensformen zeigen generell ger<strong>in</strong>gere MSA-Werte und Kommunalitäten auf(s. Tab. 4). Diese Dimension ist stark durch e<strong>in</strong>en Stadt-Land-Gegensatz gekennzeichnet,so dass hier stärker die grosse Anzahl <strong>der</strong> ländlichen Geme<strong>in</strong>den zum Tragenkommt. Da sich die Faktorladungen allerd<strong>in</strong>gs nur unwesentlich verän<strong>der</strong>n,sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Übertragung dieser so durchgeführten Sozialraumanalyse auf die gesamteSchweiz vertretbar.Tab. 4: Faktorwerte und Kommunalitäten <strong>der</strong> Faktoranalyse zur Bildung e<strong>in</strong>es Modells<strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierung für die gesamte Schweiz 13AnteilFaktor 1Faktor 2Segregations<strong>in</strong>dexKommunalitätenMSA-WerteStatusniedrige Berufe 11.4% 12.7 -0.81 -0.03 0.65 0.83Primäre Bildung 23.5% 15.0 0.89 -0.12 0.81 0.82Hohe E<strong>in</strong>kommen 11.2% 22.1 0.93 0.03 0.86 0.76Tertiäre Bildung 21.0% 17.2 0.89 0.30 0.89 0.83Oberes Management und freie Berufe 3.2% 21.2 0.85 0.22 0.77 0.90Niedrige E<strong>in</strong>kommen 58.6% 13.6 -0.84 0.06 0.71 0.75E<strong>in</strong>personenhaushalte 15.8% 19.9 0.10 0.89 0.81 0.73Frauen ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> (35-44-Jährige) 31.3% 16.4 0.27 0.82 0.74 0.76Wohngeme<strong>in</strong>schaften 1.8% 26.0 0.14 0.76 0.59 0.85traditionell-bürgerliches Familienmodell 26.9% 12.5 0.05 -0.72 0.52 0.71Erwerbstätige Mütter 23.0% 10.1 0.02 0.59 0.34 0.58(Volkszählung 2000, eigene Berechnung)Ziel ist es, e<strong>in</strong> System von Kennzahlen zur Beschreibung <strong>der</strong> soziokulturellen Bevölkerungsstrukturund <strong>der</strong> damit verbundenen räumlichen Disparitäten zu entwickeln. Indie Berechnung <strong>der</strong> beiden so genannten Disparitäts<strong>in</strong>dizes – Status- und Individualisierungs<strong>in</strong>dex– fliessen daher nur diejenigen Indikatoren e<strong>in</strong>, die die jeweilige Dimensionbestimmen. Der Status<strong>in</strong>dex wird also nur durch die Status<strong>in</strong>dikatoren und<strong>der</strong> Individualisierungs<strong>in</strong>dex nur durch Indikatoren <strong>der</strong> Lebensformen bestimmt. DieGewichte wurden mithilfe <strong>der</strong> Faktorscores <strong>der</strong> Faktorenanalyse ermittelt (vgl. Manuskript2). Die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Dimensionen wurde dabei nicht bee<strong>in</strong>flusst: diebeiden so ermittelten Indizes korrelieren nicht mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> 15 .15Der Pearson-Korrelationskoeffizient zwischen Status- und Individualisierungs<strong>in</strong>dex beträgt für dieAgglomeration Zürich -0.07 und für die gesamte Schweiz 0.12.


Theoriegeleitete Sozialraumanalyse 45Status- und Individualisierungs<strong>in</strong>dex werden nach folgenden Formeln berechnet, wobeialle Indikatoren als standardisierte Werte <strong>in</strong> die Formel e<strong>in</strong>gehen (vgl. Manuskript3):Status<strong>in</strong>dex = 2.5 TER – 2 · PRI + OMF – NST + 4 · HEK – 2 · NEKTER = Tertiäre Bildung (über 25-Jährige)Höchste abgeschlossene Ausbildungsstufe: Höhere Fach- und Berufsausbildung, HöhereFachschule, Fachhochschule, Universität, HochschulePRI = Primäre Bildung (über 25-Jährige)Höchste abgeschlossene Ausbildungsstufe: Ke<strong>in</strong>e Ausbildung abgeschlossen, ObligatorischeSchuleOMF = Oberes Management & freie Berufe (Erwerbstätige)Sozioprofessionelle Kategorie <strong>der</strong> Erwerbstätigen: Oberstes Management, Freie BerufeNST = Statusniedrige Berufe (Erwerbstätige)Sozioprofessionelle Kategorie <strong>der</strong> Erwerbstätigen: Ungelernte Arbeiter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft,Ungelernte Arbeiter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Produktion und im Baugewerbe, Ungelernte Angestellte imDienstleistungsbereichHEK = Hohe E<strong>in</strong>kommen (Steuerpflichtige)Re<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kommen über 75’000 Franken im Jahr 1990 bzw. über 93’000 Franken im Jahr 2000(Entspricht <strong>der</strong> Teuerung <strong>der</strong> Konsumentenpreise um 25 %)NEK = Niedrige E<strong>in</strong>kommen (Steuerpflichtige)Re<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kommen unter 40’000 Franken im Jahr 1990 bzw. unter 50’000 Franken im Jahr2000 (Entspricht <strong>der</strong> Teuerung <strong>der</strong> Konsumentenpreise um 25 %)Individualisierungs<strong>in</strong>dex = 3·EPH + 1.2·WG + 2.5·FOK + 3·MER – 1.5·TBMEPH = E<strong>in</strong>personenhaushalte (30- bis 50-Jährige)Haushaltstyp: E<strong>in</strong>personenhaushalteWG = Wohngeme<strong>in</strong>schaften (30- bis 50-Jährige)Haushaltstyp: Nichtfamilienhaushalte mit Verwandten, ohne weitere Personen, Nichtfamilienhaushaltemit Verwandten und weiteren Personen, Haushalte nicht verwandter PersonenMER = Erwerbstätige Mütter (25- bis 44-Jährige)Arbeitsmarktstatus von Frauen <strong>in</strong> Haushalten mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n: Vollzeiterwerbstätige, Teilzeiterwerbstätigemit e<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> mehreren StelleFOK = Frauen ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> (35- bis 44-Jährige)Frauen <strong>in</strong> Haushalten ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong>TBM = traditionell-bürgerliches FamilienmodellFamilien mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n unter 16 Jahre mit Arbeitsmarktstatus: Vollerwerbstätig (Vater), sowieNichterwerbsperson und Haushalt (Mutter)


46 Theoriegeleitete Sozialraumanalyse4.3 Dimension <strong>der</strong> Segregation nach Nationalitäten4.3.1 Zusammenhang zwischen den Dimensionen <strong>der</strong> Segregationnach Nationalitäten und <strong>der</strong> nach Status und LebensstilStudien zur <strong>in</strong>nerstädtischen Segregation behandeln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die ethnische Dimensionals e<strong>in</strong>e alle<strong>in</strong>stehende, von den an<strong>der</strong>en unabhängige Dimension des räumlich-sozialenGefüges. Diese Vorgehensweise hat historische Wurzeln. Die Sozialökologie,von <strong>der</strong> die ersten Impulse <strong>der</strong> sozialräumlichen Typisierung von <strong>urbanen</strong><strong>Räumen</strong> ausg<strong>in</strong>gen, wurde zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts <strong>in</strong> Chicago begründet. VieleWeiterentwicklungen, so auch die berühmte Studie von Shevky und Bell (1961),stammten aus den USA, wo die räumliche Trennung nach Rassen und Ethnien querzur sozialen Segregation verläuft. Das Nationalfondsprogramm 39 (NFP 39) desSchweizerischen Nationalfonds „Migration und Interkulturelle Beziehungen” hat fürdas Jahr 1990 gezeigt, dass die ausländische Bevölkerung <strong>in</strong> den Schweizer Agglomerationenebenso nach sozialem Status segregiert wie die Schweizer Staatsangehörigen(Wimmer et al. 2000, Huissod et al. 1999). In dieser Arbeit wird daher geprüft, ob dieethnische und die soziale Strukturierungsachse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz im Jahr 2000 vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>unabhängig s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> ob die Segregation nach Nationalitäten aufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichensozialen Stratifizierung <strong>der</strong> verschiedenen ausländischen Bevölkerungsgruppenzustande kommt.Der kartographische Vergleich zeigt, dass sich die räumliche Verteilung <strong>der</strong> StatusvariablenBildung, sozioprofessioneller Status und E<strong>in</strong>kommen relativ stark mit <strong>der</strong> Verteilung<strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung deckt. Ferner verhalten sich die Segregationsmuster<strong>der</strong> süd- und nordwesteuropäischen Bevölkerung 16 nahezu komplementärzue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> (vgl. Manuskript 2, S. 18).Die Analyse <strong>der</strong> Unterschiede <strong>der</strong> sozialen Stratifikation <strong>der</strong> verschiedenen Nationengruppenund Nationalitäten zeigt, dass generell die ausländische Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>der</strong>16Zu Südeuropa werden <strong>in</strong> dieser Arbeit die Staaten Albanien, Ex-Jugoslawien, Griechenland, Italien,Portugal, Spanien, Türkei sowie verschiedene Kle<strong>in</strong>staaten wie Andorra, Malta, San Mar<strong>in</strong>o, Vatikanstadt,Zypern zusammengefasst. Aus Gründen <strong>der</strong> Vergleichbarkeit wurden die erst nach 1990aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorgegangenen Staaten: Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a, BundesrepublikJugoslawien (<strong>in</strong>kl. Kosovo), Kroatien, Mazedonien und Slowenien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe belassen.Zu Nord- und Westeuropa zählen die EU- und EFTA-Staaten ohne die erwähnten südeuropäischenLän<strong>der</strong> und ohne die neuen EU-Staaten aus Osteuropa (Heye & Leuthold 2004).


Theoriegeleitete Sozialraumanalyse 47Agglomeration Zürich <strong>in</strong> den statusniedrigen Berufen über- und <strong>in</strong> den statushohenBerufen unterrepräsentiert ist. Analysiert man die sozioprofessionellen Kategoriennach Nationengruppen und Nationalitäten separat, so wird deutlich, dass die beobachteteräumliche Trennung zwischen den verschiedenen Nationengruppen durch die Statusunterschiedeerklärbar ist. Erwerbstätige mit nord- o<strong>der</strong> westeuropäischer Staatsangehörigkeits<strong>in</strong>d <strong>in</strong> statushohen Berufen signifikant überrepräsentiert und Erwerbstätigeaus südeuropäischen Län<strong>der</strong>n <strong>in</strong> statusniedrigen Berufen (s. Abb. 4).Abb. 4: Sozioprofessioneller Status nach Heimatstaaten und Nationengruppen <strong>in</strong> <strong>der</strong>Agglomeration Zürich, 2000 (Heye & Leuthold 2004: 25)Wenngleich die Anteile <strong>der</strong> ausländischen Personen <strong>in</strong> statushohen Berufen ger<strong>in</strong>gers<strong>in</strong>d als die Anteile <strong>der</strong> Schweizer, so kann man doch feststellen, dass beson<strong>der</strong>s diestatushohen Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Auslän<strong>der</strong> e<strong>in</strong> ähnliches Segregationsverhalten habenwie die statushohen Schweizer Personen (s. Abb. 5). Je höher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de<strong>der</strong> Anteil an Erwerbstätigen mit hohem sozioprofessionellem Status bei den Schweizer<strong>in</strong>nenund Schweizern ist, umso höher ist auch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> statushohen Personen


48 Theoriegeleitete Sozialraumanalyseausländischer Herkunft. Bei den Erwerbstätigen <strong>in</strong> statusniedrigen Berufen ist dieKorrelation weniger ausgeprägt.Abb. 5: Zusammenhang <strong>der</strong> Segregation nach sozioprofessionellem Status <strong>der</strong> ausländischenund Schweizer Erwerbstätigen, Agglomeration Zürich 2000 (Heye& Leuthold 2004: 26)Um die Zusammenhänge zwischen Status, Lebensstil auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite und den Anteilen<strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung zu analysieren, eignet sich die Visualisierungim so genannten sozialgeographischen Raum 17 , <strong>der</strong> durch die Dimensionen Status undLebensstil aufgespannt wird. Die Verteilung <strong>der</strong> Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den undStadtquartiere Zürichs nach ihrem Anteil ausländischer Bevölkerung zeigt e<strong>in</strong> sehrklares Muster im sozialgeographischen Raum (s. Abb. 6). Das Muster <strong>der</strong> Quartiereund Geme<strong>in</strong>den verläuft entlang <strong>der</strong> Diagonalen von rechts unten nach l<strong>in</strong>ks oben.Die grössten Anteile ausländischer Personen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den <strong>in</strong>dividualisierten, statusniedrigenQuartieren o<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den zu verzeichnen und die ger<strong>in</strong>gsten <strong>in</strong> den statushohen,bürgerlich-traditionell geprägten Geme<strong>in</strong>den. Dieses diagonale Muster bestätigt,dass die ethnische Segregation nicht e<strong>in</strong>e eigene Dimension bildet, son<strong>der</strong>n durch dieLebensstil- und Statusachse bereits erklärt wird.17Der sozialgeographische Raum bezieht sich auf das im Manuskript 1 beschriebene Modell.


Theoriegeleitete Sozialraumanalyse 49Abb. 6: Verteilung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den im sozialgeographischen Raum nach E<strong>in</strong>wohnerzahlund Anteil <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung, Agglomeration Zürich, 2000(Heye & Leuthold 2004: 42)Differenziert man die ausländische Bevölkerung nach Nationengruppen, wird diesesErgebnis noch e<strong>in</strong>deutiger. Der Anteil <strong>der</strong> nord- und westeuropäischen Bevölkerungkorreliert vor allem mit den Statuswerten, d.h. <strong>in</strong> den statushohen Geme<strong>in</strong>den wohnenviele Personen aus Nord- und Westeuropa (s. Abb. 7). Dies spiegelt die soziale Stratifikationdieser Nationengruppe wi<strong>der</strong> (s.o.). Der Anteil <strong>der</strong> südeuropäischen Bevölkerungkorreliert dagegen sowohl mit <strong>der</strong> Status- als auch mit <strong>der</strong> Lebensstilachse undweist e<strong>in</strong> diagonales Muster im sozialgeographischen Raum auf. Diese klaren Musterim sozialgeographischen Raum zeigen, dass sich die Segregation nach Nationengruppendurch die Dimensionen Status und Lebensstil zu e<strong>in</strong>em grossen Teil erklären lassenmüssten.


50 Theoriegeleitete SozialraumanalyseAbb. 7: Verteilung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den im sozialgeographischen Raum nach E<strong>in</strong>wohnerzahlund Anteil <strong>der</strong> süd- sowie nord- und westeuropäischen Bevölkerung, AgglomerationZürich, 2000 (Heye & Leuthold 2004: 42)Die Befunde aus dem NFP 39 (Huissod et al. 1999, Wimmer et al. 2000) konnten hiermit den Zahlen aus <strong>der</strong> Volkszählung 2000 bestätigt werden. Zum e<strong>in</strong>en konnte gezeigtwerden, dass sich die soziale Stratifikation <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> verschiedenen Nationengruppenso stark unterscheiden, dass e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Analyse von Auslän<strong>der</strong>anteilen <strong>in</strong><strong>der</strong> Schweiz nicht s<strong>in</strong>nvoll ist. Zum an<strong>der</strong>en schlägt sich die soziale Stratifikation <strong>der</strong>ausländischen Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich direkt <strong>in</strong> unterschiedlichemSegregationsverhalten <strong>der</strong> verschiedenen Nationengruppen nie<strong>der</strong>. Die starke Übere<strong>in</strong>stimmung<strong>der</strong> Segregationsmuster nach Nationalitäten mit denen nach sozialemStatus und Lebensstil ist damit vielmehr durch unterschiedliche Sozialstrukturen undLebensstile als durch ethnisches community build<strong>in</strong>g bed<strong>in</strong>gt.4.3.2 Regressionsmodell zur Erklärung <strong>der</strong> Segregation nach Nationalitätendurch die Dimensionen Status und LebensstilIn e<strong>in</strong>em weiteren Schritt soll <strong>der</strong> oben beschriebene Zusammenhang zwischen <strong>der</strong>Segregation nach Status und Lebensstil und <strong>der</strong> Segregation nach Nationalitäten fürdie fünf grössten Agglomerationen <strong>der</strong> Schweiz (Zürich, Genf, Basel, Bern und Lausanne)statistisch überprüft werden. Zu diesem Zweck wird e<strong>in</strong>e multiple l<strong>in</strong>eare Regressionsanalysedurchgeführt. Das Modell hat als unabhängige Variable den StatusundIndividualisierungs<strong>in</strong>dex und als und als abhängige Variablen die Anteile <strong>der</strong> ausländischen,<strong>der</strong> nord- und westeuropäischen und <strong>der</strong> sudeuropäischen Bevölkerung.


Theoriegeleitete Sozialraumanalyse 51Die multiple Regressionsanalyse bestätigt die oben beschriebenen Zusammenhängefür die Agglomeration Zürich. Die Segregation <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung lässtsich durch den Status- und Individualisierungs<strong>in</strong>dex zu 68% erklären. Für die nordundwesteuropäische Bevölkerung erklärt das Modell sogar zu 76% ihre räumlicheVerteilung, während die Segregation <strong>der</strong> südeuropäischen Bevölkerung zu 63% erklärtwird. Die Durb<strong>in</strong>-Watson-Werte zeigen, dass die Werte ke<strong>in</strong>e bis kaum Autokorrelationaufweisen 18 . Für die Agglomeration Zürich kann damit statistisch belegt werden,dass die Segregation nach Nationalitäten ke<strong>in</strong>e eigenständige Dimension <strong>der</strong>räumlichen Differenzierung darstellt, son<strong>der</strong>n lediglich 35% <strong>der</strong> Segregation nach Nationalitätennicht durch die Dimensionen Status und Lebensstil erklärbar s<strong>in</strong>d.Dieser Zusammenhang kann grundsätzlich auch für die an<strong>der</strong>en Agglomerationen <strong>in</strong><strong>der</strong> Schweiz bestätigt werden, auch wenn <strong>in</strong> den Agglomerationen <strong>der</strong> französischsprachigenSchweiz das Regressionsmodell die Segregation <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung<strong>in</strong>sgesamt weniger gut erklärt (vgl. Tab. 5). Die ausländische Bevölkerungdort unterscheidet sich dort <strong>in</strong> ihrer Zusammensetzung nach Nationalitäten stark von<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschsprachigen Schweiz. In <strong>der</strong> deutschsprachigen Schweiz stammen85% <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung aus Europa (Heye & Leuthold 2004). In <strong>der</strong>französischsprachigen Schweiz ist dieser Anteil deutlich ger<strong>in</strong>ger, während <strong>der</strong> Anteilan Personen aus afrikanischen Län<strong>der</strong>n deutlich höher ist. Es kann nicht ausgeschlossenwerden, dass Restriktionen auf dem Wohnungsmarkt für nicht-europäische Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nenund Auslän<strong>der</strong> stärker wirksam s<strong>in</strong>d.Die räumliche Verteilung <strong>der</strong> südeuropäischen Bevölkerung kann <strong>in</strong> allen Agglomerationen<strong>der</strong> Schweiz nicht als eigenständige Dimension betrachtet werden. Die Regressionsmodelleerklären zwischen 56 und 81% <strong>der</strong> Varianz. Die räumliche Verteilung<strong>der</strong> nord- und westeuropäischen Bevölkerung wird <strong>in</strong> den Agglomerationen Zürichund Bern sehr gut durch die Modelle erklärt. Das Bestimmtheitsmass <strong>in</strong> den an<strong>der</strong>enAgglomerationen ist deutlich ger<strong>in</strong>ger.18An<strong>der</strong>e Modellvoraussetzung wie Normalverteilung <strong>der</strong> Residuen und Heteroskedasizität müssenhier nicht überprüft werden, da hier ke<strong>in</strong>e Stichprobendaten son<strong>der</strong>n Daten aus Vollerhebungenverwendet werden (vgl. Kap. 3.4).


52 Theoriegeleitete SozialraumanalyseTrotz <strong>der</strong> grossen Unterschiede zwischen den verschiedenen Agglomerationen mussaber die These abgelehnt werden, dass die räumliche Verteilung <strong>der</strong> ausländischenBevölkerung e<strong>in</strong>e eigenständige Dimension <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierungdarstellt. Mit wenigen Ausnahmen wird die Segregation <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung(auch differenziert nach Nationengruppen) durch die räumliche Verteilung nachStatus und Lebensstil zu mehr als 50% erklärt (Tab. 5).Tab. 5: Gütekriterien <strong>der</strong> Regressionsmodelle mit Status- und Individualisierungs<strong>in</strong>dexals unabhängige und Anteile <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung (differenziertnach Nationengruppen)AusländischeBevölkerungAnteil Personen ausNord- und WesteuropaAnteil Personen ausSüdeuropaAgglomerationDurb<strong>in</strong>-Durb<strong>in</strong>-Durb<strong>in</strong>-R Square Watson R Square Watson R Square WatsonZürich 0.68 1.72 0.76 1.42 0.63 1.65Genf 0.44 2.34 0.51 1.41 0.81 2.02Basel 0.62 1.32 0.48 1.25 0.61 1.63Bern 0.65 1.63 0.85 2.06 0.64 1.36Lausanne 0.57 1.54 0.60 1.77 0.56 1.35(Volkszählung 2000, eigene Berechnung)4.3.3 Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dexDie nationale Zugehörigkeit stellt <strong>in</strong> den <strong>urbanen</strong> Regionen <strong>der</strong> Schweiz – wie obengezeigt – ke<strong>in</strong>en treibenden Faktor <strong>der</strong> Segregation dar. Bedeutsamer als die Entmischung<strong>der</strong> verschiedenen Zuwan<strong>der</strong>ergruppen ersche<strong>in</strong>t daher die räumliche Konzentrationvon schlecht <strong>in</strong>tegrierten Zuwan<strong>der</strong>ern (unterschiedlicher Herkunft) unddie damit verbundene räumlich Konzentration <strong>der</strong> Integrationsaufgaben. Integrationlässt sich zwar als Gesamtphänomen nicht mit Volkszählungsvariablen operationalisieren,mit den Variablen zur Sprache können aber wichtige Aspekte davon erfasstwerden. Mit dem Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex wird <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Bevölkerung gemessen,<strong>der</strong> sich aufgrund von sprachlichen Barrieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaftschlecht verständigen kann (vgl. Manuskript 3).


Theoriegeleitete Sozialraumanalyse 53Der Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex wird re<strong>in</strong> deduktiv bestimmt und berechnet sich nachfolgen<strong>der</strong> Formel 19 :Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex = RNH + RNU + NLE + NRGRNH = Regionalsprache wird zuhause nicht gesprochenUmgangssprache zu Hause ist nicht: RegionalspracheRNU = Regionalsprache wird we<strong>der</strong> zuhause noch im Erwerbsleben gesprochenUmgangssprache zu Hause und im Erwerbsleben ist nicht: RegionalspracheNLE = We<strong>der</strong> Landessprachen noch Englisch werden gesprochenUmgangssprache zuhause und im Erwerbsleben ist nicht: Deutsch, Französisch, Italienisch,Rätoromanisch, EnglischNRG = Hauptsprache ist ke<strong>in</strong>e germanische o<strong>der</strong> romanische SpracheHauptsprache ist nicht: Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch, Englisch, Nie<strong>der</strong>ländisch,Spanisch, Portugiesisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch, Rumänisch4.4 Diskussion des Konzeptes <strong>der</strong> theoriegeleiteten SozialraumanalyseAusgehend von <strong>der</strong> Kritik an den klassischen Ansätzen <strong>der</strong> Sozialraumanalyse und<strong>der</strong> explorativen Faktorialökologie wurde e<strong>in</strong>e Aktualisierung des deduktiven Ansatzesvon Shevky & Bell auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Theorie des sozialen Raumes von PierreBourdieu formuliert. Die Ergebnisse zeigen, wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozialgeographischenRaum das Gefüge urbaner und suburbaner Wohnmilieus nach vertikaler und horizontalersozialer Differenzierung modelliert werden kann (vgl. Manuskript 1).Shevky & Bell entwickelten ihr Verfahren als Instrument zur vergleichenden Analyse<strong>der</strong> sozialräumlichen Strukturierung verschiedener Städte. In dieser Arbeit wurde dieSozialraumanalyse auf die gesamte Schweiz ausgeweitet, so dass e<strong>in</strong> geeignetes Instrumentfür vergleichende Analysen entstanden ist. Wirtschaftsgeographisch, kulturello<strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionell bed<strong>in</strong>gte Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierungzwischen Städten und Grossagglomerationen können damit erkannt werden. Ebensokann <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss modellexterner Faktoren wie <strong>der</strong> baulichen Struktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Strukturdes Wohnungsmarktes auf die residenzielle Segregation analysiert werden (vgl.Kap. 5).19E<strong>in</strong>e ausführliche Begründung für die Wahl und Gewichtung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Indikatoren bef<strong>in</strong>detsich im Manuskript 3. Normierung und Berechnungsweise erfolgt analog zu Status- und Individualisierungs<strong>in</strong>dex,so dass auch für den Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex zeitliche Vergleiche möglich s<strong>in</strong>d (s.Kap. 4.2)


54 Theoriegeleitete SozialraumanalyseDas hier entwickelte Konzept <strong>der</strong> theoriegeleiteten Sozialraumanalyse weicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emwesentlichen Punkt von <strong>der</strong> Sozialraumanalyse nach Shevky & Bell ab. Anstattdreidimensional wird die sozialräumliche Differenzierung nur zweidimensional modelliert.Zurückzuführen ist dies auf e<strong>in</strong> Ergebnis, dass bereits auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong>Volkszählung von 1990 nachgewiesen (Huissod et al. 1999, Wimmer et al. 2000) undfür die Agglomerationen <strong>der</strong> Schweiz (im Rahmen dieser Arbeit) bestätigt werdenkonnte: In <strong>der</strong> Schweiz segregiert die ausländische Bevölkerung trotz recht grossenAnteilen an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung vor allem nach Status und Lebensstil und nur <strong>in</strong>ger<strong>in</strong>gem Masse nach Nationalität. An<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den USA, wo die Segregation nachEthnien quer zu den Segregationsmustern nach Status und Lebensstil verlaufen, s<strong>in</strong>ddie räumlichen Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konzentration <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung <strong>in</strong><strong>der</strong> Schweiz primär auf Status- und Lebensstilunterschiede zurückzuführen. Es stelltsich generell die Frage, ob dies nur für Schweizer Agglomerationen gilt, o<strong>der</strong> auch fürganz Europa o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest Teile davon und ob die Verwendung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>anteile<strong>in</strong> Sozialraumanalysen auf e<strong>in</strong>e zu starke B<strong>in</strong>dung an die US-amerikanischen Modellezurückzuführen ist.Für die Schweiz wurde daher e<strong>in</strong>e Masszahl entwickelt, mit <strong>der</strong> die räumliche Konzentrationschlecht <strong>in</strong>tegrierter Zuwan<strong>der</strong>er (unterschiedlicher Herkunft) und die damitverbundene räumliche Konzentration <strong>der</strong> Integrationsaufgaben gemessen werdenkann.Für die Dimension Status und Lebensform konnte die Stabilität des Modells durchAnwendung <strong>der</strong> Faktorenanalyse <strong>in</strong> verschiedenen Regionen nachgewiesen werden.Damit konnte bestätigt werden, dass sich die zweidimensionale Differenzierung nachStatus und Grundorientierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zweidimensionalen sozialräumlichen Differenzierungnach Status und Lebensform nie<strong>der</strong>schlägt. Für den re<strong>in</strong> deduktiv entwickeltenFremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex ist e<strong>in</strong>e solche statistische Überprüfung <strong>der</strong> Stabilitätnicht möglich. Se<strong>in</strong>e empirische Relevanz und Eignung zur Analyse regionaler Disparitätenkann daher erst bei se<strong>in</strong>er Anwendung nachgewiesen werden 20 (vgl. Kap. 5).20In <strong>der</strong> Studie „Soziokulturelle Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz – Vier Indizes zu räumlichen Disparitäten,1990-2000“ (Hermann et al. 2005) wurde mit diesen Disparitäts<strong>in</strong>dizes bereits vergleichendeAnalyse durchgeführt. Die Ergebnisse belegen die empirische Relevanz und Eignung <strong>der</strong> vier Disparitäts<strong>in</strong>dizes.


Theoriegeleitete Sozialraumanalyse 55Die Stärke des hier vorgestellten Konzeptes ist die Übertragbarkeit auf an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong>.Das Konzept stützt sich auf e<strong>in</strong> soziologisches Modell, dessen empirische Gültigkeitnicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz nachgewiesen werden konnte. Die S<strong>in</strong>us-Milieus wurden <strong>in</strong>13 an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n sowie <strong>in</strong> den USA und sogar Ch<strong>in</strong>a empirisch belegt(SINUS 2000, Hradil 2001, Geissler 2002). Die Grunddimensionen bleiben jeweilsdieselben, nur die Gruppenstärke <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Milieus variiert von Land zuLand. Grundsätzlich wäre e<strong>in</strong>e Übertragung des hier vorgestellten Konzeptes e<strong>in</strong>ertheoriegeleiteten Sozialraumanalyse auf all diese Län<strong>der</strong> möglich 21 .Die Operationalisierung <strong>der</strong> Dimensionen Status und Lebensstil stellt allerd<strong>in</strong>gs beson<strong>der</strong>eAnfor<strong>der</strong>ungen an die Datenbasis. Da räumliche Disparitäten analysiert werdensollen, ist die Grundvoraussetzung an die Daten, dass es sich um Vollerhebungenhandelt. Für die Schweiz standen Volkszählung und Steuerstatistik zur Verfügung, sodass auch E<strong>in</strong>kommensunterschiede zur Operationalisierung des Status verwendetwerden konnten. E<strong>in</strong>e weitere Anfor<strong>der</strong>ung an die Datenbasis stellt die kle<strong>in</strong>räumigeAuflösung <strong>der</strong> Daten dar. Da mithilfe <strong>der</strong> Sozialraumanalyse vor allem Unterschiedeauf kle<strong>in</strong>räumiger Ebene <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> analysiert werden, müssen die Datenauch für kle<strong>in</strong>ere Raume<strong>in</strong>heiten als Geme<strong>in</strong>den vorliegen. Die Kernstadt ist sozialräumlichstark differenziert, so dass die e<strong>in</strong>zelnen Stadtquartiere <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e solche Analysee<strong>in</strong>fliessen müssen 22 . E<strong>in</strong>e entsprechend hohe Qualität <strong>der</strong> Datenbasis ist allerd<strong>in</strong>gsnicht <strong>in</strong> allen Län<strong>der</strong>n zu f<strong>in</strong>den, so dass die Übertragbarkeit e<strong>in</strong>geschränkt wird.Vor <strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Variablen zur Modellkonstruktion wurden diese auf ihreempirische Relevanz überprüft. Dabei stellte sich heraus, dass die Konstrukte sehrsorgfältig gebildet werden müssen, um Bias-freie Indikatoren zu erhalten. Zu diesemZweck musste teilweise die Grundgesamtheit stark e<strong>in</strong>geschränkt werden (vgl. Manuskript1). Damit bildet die hier vorgestellte Sozialraumanalyse nicht die gesamte Be-2122Die Gültigkeit <strong>der</strong> S<strong>in</strong>us-Milieus für all diese Län<strong>der</strong> wird unter Umständen dadurch geschmälert,dass sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> kommerziellen Markt- und Wahlforschung entwickelt wurden. In <strong>der</strong> deutschsprachigenLiteratur s<strong>in</strong>d die S<strong>in</strong>us-Milieus anerkannt, aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> angelsächsischen Literatur spielenhorizontale Unterschiede e<strong>in</strong>e eher untergeordnete Rolle (vgl. Kap. 2.1.2).Für die Stadt Bern wurden die Indizes nicht nur für die hier vorgestellten Raume<strong>in</strong>heiten berechnet,son<strong>der</strong>n auch für Quartiere, die über e<strong>in</strong>e homogene Bebauungsstruktur verfügen und <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>wohnerzahllediglich zwischen 100 und 1100 variiert. Die Ergebnisse weisen e<strong>in</strong>e sehr viel grössereStreuung auf als für die hier verwendeten Raume<strong>in</strong>heiten (Gächter 2005, 2006). Diese Befunde belegenauf e<strong>in</strong>drückliche Weise wie <strong>der</strong> Aggregationsgrad die Ergebnisse bee<strong>in</strong>flussen kann (vgl.Kap. 3.2).


56 Theoriegeleitete Sozialraumanalysevölkerung an e<strong>in</strong>em Ort ab, son<strong>der</strong>n operiert mit Indikatorvariablen, die auf das Vorhandense<strong>in</strong>bestimmter Milieus schliessen lassen.Es muss angemerkt werden, dass <strong>der</strong> zeitlichen Gültigkeit dieses hier vorgestelltenKonzeptes Grenzen gesetzt s<strong>in</strong>d. Das Konzept gilt nur so lange, wie auch das Modell<strong>der</strong> sozialen Differenzierung Gültigkeit besitzt. Die gute Nachricht <strong>in</strong> diesem Zusammenhangist, dass dies recht persistent zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t. Shevky & Bell entwickelten ihrModell <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierung unter den Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustrialisiertenGesellschaft und g<strong>in</strong>gen bereits damals von Status und Mo<strong>der</strong>nisierung als eigenständigenDimensionen aus. Dies hat letztlich bis heute Bestand, lediglich dieAusprägungen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung unter den Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen Gesellschafts<strong>in</strong>d gewandelt. Aber genau diese werden sich auch weiterh<strong>in</strong> wandeln, so dassvor allem <strong>der</strong> Operationalisierung des Konzeptes Grenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> zeitlichen Gültigkeitgesetzt s<strong>in</strong>d. So könnte es beispielsweise se<strong>in</strong>, dass im Zuge <strong>der</strong> fortschreitendenEmanzipation und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes bereits <strong>in</strong> 10 Jahren <strong>der</strong> Indikator„Erwerbstätigkeit von Müttern“ als Indikator für e<strong>in</strong>e Abweichung vom bürgerlich-traditionellenLebensstil ausgedient hat. Nichtsdestotrotz ist es gelungen, e<strong>in</strong>Analyse<strong>in</strong>strument für vergleichende Analysen über die Zeit zu entwickeln. Durche<strong>in</strong>e Visualisierung <strong>in</strong> dem durch Status und Lebensstil aufgespannten Raum könnensozialräumliche <strong>Prozesse</strong> direkt erfasst und analysiert werden.


<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> 575 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>In diesem Kapitel werden im Wesentlichen 23 die Manuskripte 2, 4 und 5 zusammengefasst.Die Analysen erfolgen mithilfe des <strong>in</strong> Kapitel 4 vorgestellten Konzeptes <strong>der</strong> theoriegeleitetenSozialraumanalyse und umfassen die Beschreibung <strong>der</strong> sozialräumlichenDifferenzierung und <strong>Prozesse</strong> <strong>in</strong> Schweizer Agglomerationen 24 sowie die Komb<strong>in</strong>ationmit Längsschnittsanalysen <strong>der</strong> Umzüge.5.1 <strong>Sozialräumliche</strong> Differenzierung und <strong>der</strong>en Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong>Agglomeration Zürich5.1.1 Status und LebensstilDie Segregation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich wurde nach e<strong>in</strong>zelnen Indikatoren fürdie Dimensionen Status und Lebensstil <strong>in</strong> den Jahren 1990 und 2000 analysiert (vgl.Manuskript 3). Die Segregation <strong>der</strong> Bevölkerung nach Statusmerkmalen teilt die Agglomeration<strong>in</strong> Wohnregionen mit hohen Anteilen statusniedriger Bevölkerungsschichtenund Wohnregionen <strong>der</strong> Oberschichten. Die soziokulturelle Segregation nachLebensstilmerkmalen zeigt e<strong>in</strong>en deutlichen Gradienten <strong>der</strong> Individualisierung von<strong>der</strong> Kernstadt nach aussen an die Agglomerationsrän<strong>der</strong>. In <strong>der</strong> Kernstadt dom<strong>in</strong>ierenmo<strong>der</strong>ne <strong>in</strong>dividualistische Wohnformen und Familienmodelle, während <strong>in</strong> den subundperi-<strong>urbanen</strong> Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den die traditionell bürgerlichen Lebensstilevorherrschen.In <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Stadtquartiere und Geme<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Agglomeration Zürich imsozialgeographischen Raum wurde als sekundäres Merkmal <strong>der</strong> Zeitpunkt <strong>der</strong> Zugehörigkeit<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den zur Agglomeration h<strong>in</strong>zugefügt (vgl. Manuskript 2, Abb. 4).2324Kapitel 5.2. basiert auf <strong>der</strong> Studie Hermann, M., Heye, C. & H. Leuthold (2005): SoziokulturelleUnterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz – Vier Indizes zu räumlichen Disparitäten, 1990-2000, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erForschungskooperation mit dem Bundesamt für Statistik entstand und nicht Teil dieser Dissertationist (Hermann et. al 2005)Die im Kapitel 5.1 vorgestellten Ergebnisse entstammen ursprünglich <strong>der</strong> Studie Heye, C. & H.Leuthold (2004): Segregation und Umzüge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt und Agglomeration Zürich, die von verschiedenenstädtischen und kantonalen Ämtern f<strong>in</strong>anziert wurde. Die wesentlichen Ergebnisse wurdenim Manuskript 2 publiziert, das Teil dieser Dissertation ist. Neben dem Wandel wird dabei diesozialräumliche Differenzierung sowohl für e<strong>in</strong>zelne Indikatoren als auch für die extrahierten FaktorenStatus und Lebensstil analysiert. Daher werden <strong>in</strong> diesem Kapitel nicht alle Schweizer Grossagglomerationen(Genf, Bern, Basel und Lausanne) son<strong>der</strong>n nur die Agglomeration Zürich betrachtet(Manuskript 2, Heye & Leuthold 2004).


58 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>Die verschiedenen Agglomerationsgürtel zeichnen also den mehr o<strong>der</strong> weniger konzentrischenSuburbanisierungsprozess <strong>der</strong> vergangenen 50 Jahre nach. Es ist e<strong>in</strong>e klareAbfolge <strong>der</strong> Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den und Stadtquartiere Zürichs nach ihrem Urbanitätsgradentlang <strong>der</strong> Lebensstilachse erkennbar. Sämtliche Kernstadtquartiere bef<strong>in</strong>densich rechts auf <strong>der</strong> Lebensstilachse und die Geme<strong>in</strong>den des letzten Vorortgürtelss<strong>in</strong>d fast gänzlich am l<strong>in</strong>ken Rand <strong>der</strong> Lebensstilachse angesiedelt. Zwischen denStadtquartieren und Umlandgeme<strong>in</strong>den ist entlang <strong>der</strong> Lebensstilachse e<strong>in</strong> Grabenerkennbar, <strong>der</strong> nur bei den statusniedrigen Geme<strong>in</strong>den überwunden wird. Damit bestätigtsich, dass sich Wohnideale und Lebensstile erst bei höheren Statusgruppen unterscheiden(vgl. Kap. 2.1.2). Mit grösserer Ressourcenverfügbarkeit steigen auch dieMöglichkeiten, unterschiedliche Lebensformen, Rollenverständnisse und Wohnidealeumzusetzen. Entlang <strong>der</strong> Statusachse ist ke<strong>in</strong> Unterschied zwischen Umlandgeme<strong>in</strong>denund Stadtquartieren erkennbar. Dies steht im Wi<strong>der</strong>spruch zum viel beschriebenenso genannten A-Stadt-Phänomen, <strong>der</strong> Stadt als Wohnort von Alten, Auszubildenden,Arbeitslosen und Auslän<strong>der</strong>, und <strong>der</strong> Marg<strong>in</strong>alisierung <strong>der</strong> Kernstädte.Die Segregation nach Lebensstilen zeigt damit e<strong>in</strong> Muster von konzentrischen Kreisen.Die Polarisierung <strong>der</strong> Agglomeration <strong>in</strong> statusniedrige und statushohe Regionenzeigt h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong> sektorales Muster. Die Sektoren durchlaufen die Kernstadt gleichermassenwie sämtliche Agglomerationsgürtel. Daraus ergeben sich e<strong>in</strong>erseits stark<strong>in</strong>dividualisierte statusniedrige Regionen <strong>in</strong> den Städten und an<strong>der</strong>erseits traditionellesuburbane Unterschichtgeme<strong>in</strong>den sowie statushohe und hochgradig <strong>in</strong>dividualisierteWohngebiete <strong>in</strong> <strong>der</strong> Innenstadt wie auch statushohe Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den, <strong>in</strong>denen die traditionell bürgerlichen Lebensweisen dom<strong>in</strong>ieren (vgl. Manuskript 2,Abb. 7, S. 27).Damit können mit <strong>der</strong> <strong>in</strong> Kapitel 4 entwickelten theoriegeleiteten Sozialraumanalysedie Verteilungsmuster, die bereits durch die sozialökologischen Modelle für nordamerikanischeStädte empirisch belegt s<strong>in</strong>d, für die Agglomeration Zürich bestätigt werden.Die räumliche Verteilung nach Status verläuft nach Sektoren, jene nachLebensstilen folgt e<strong>in</strong>em konzentrischen Muster (vgl. Kap. 2.2.1).Im Jahrzehnt zwischen den Volkszählungen von 1990 und 2000 hat sich die sektoraleAusprägung <strong>der</strong> Statusregionen konsolidiert. Der Gradient zwischen Kernstadt undUmland nach Individualisierungsgrad von Lebensstilen hat sich eher abgeschwächt.Die typisch <strong>urbanen</strong> Lebensformen wie E<strong>in</strong>personenhaushalt o<strong>der</strong> die Erwerbstätig-


<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> 59keit von Müttern s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die suburbane Agglomeration diffundiert. E<strong>in</strong>e Ausnahmebildet dabei die Lebensform <strong>der</strong> Wohngeme<strong>in</strong>schaft, die sich zum typisch <strong>urbanen</strong>Phänomen entwickelt hat (vgl. Manuskript 3).Der zeitliche Vergleich zwischen 1990 und 2000 zeigt als augenfälligste Verän<strong>der</strong>ungdie markante sozioökonomische Aufwertung <strong>der</strong> Kernstadt (vgl. Manuskript 2, Abb.6). Insbeson<strong>der</strong>e die <strong>in</strong>nenstadtnahen Quartiere haben sich von marg<strong>in</strong>alisierten Regionenzu Wohngebieten e<strong>in</strong>er <strong>urbanen</strong> Mittelschicht entwickelt. Die soziale Aufwertung<strong>der</strong> Kernstadt hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Verschiebung <strong>der</strong> Statushierarchie <strong>in</strong> <strong>der</strong> AgglomerationZürich geführt. Die Regionen am unteren Ende <strong>der</strong> Statusachse bef<strong>in</strong>den sich imJahr 2000 nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Innenstadt, son<strong>der</strong>n am Stadtrand und <strong>in</strong> Teilen <strong>der</strong> Agglomeration.Durch die Aufwertung <strong>der</strong> Kernstadt hat sich <strong>der</strong> 1990 noch existierendeZusammenhang zwischen Status und Lebensstil aufgehoben (vgl. Manuskript 2, Abb.6, S. 26).5.1.2 Segregation nach NationalitätenDie grossen regionalen Unterschiede bezüglich des Anteiles <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerungs<strong>in</strong>d grösstenteils durch die spezifische soziale Schichtung <strong>der</strong> verschiedenenNationalitäten verursacht (vgl. Kap. 4.3). Daraus ergibt sich e<strong>in</strong>e doppelte räumlichsozialePolarisierung <strong>der</strong> Agglomeration: Die Segregation nach Nationalität bildetgrösstenteils die Segregation nach sozioökonomischem Status ab, weil die Migrantenaus südeuropäischen Län<strong>der</strong>n mehrheitlich e<strong>in</strong>en tieferen sozioökonomischen Statushaben als die Schweizer Bevölkerung und vor allem als die nord- und westeuropäischenMigranten. In den reichen Wohnregionen ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerungtendenziell ger<strong>in</strong>g. Die dort wohnhaften Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Auslän<strong>der</strong>gehören tendenziell statushohen Schichten an und stammen mehrheitlich aus nordundwesteuropäischen Staaten. Dagegen haben die Wohnregionen <strong>der</strong> Schichten mitniedrigem sozioökonomischem Status hohe Anteile ausländischer Bevölkerung aussüdeuropäischen Staaten (vgl. Manuskript 2, S. 18).Damit kann für die ausländische Bevölkerung e<strong>in</strong> sektorales Muster festgestellt werden.Dieses Ergebnis wi<strong>der</strong>legt das Mehrkernmodell nach Harris & Ulmann (vgl.Kap. 2.1.2). Die Sektoren verlaufen wie beim Status von <strong>der</strong> Kernstadt über die adm<strong>in</strong>istrativenGrenzen <strong>der</strong> Kernstadt h<strong>in</strong>weg an den Rand <strong>der</strong> Agglomeration. Vor allem<strong>in</strong> den Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den haben die Anteile <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung


60 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>zwischen 1990 und 2000 zugenommen, so dass sich das sektorale Muster <strong>in</strong> diesemZeitraum weiter ausgeprägt hat. Damit hat <strong>in</strong> diesem Zeitraum die ausländische Bevölkerungverstärkt an <strong>der</strong> Suburbanisierung teilgenommen und ihre Konzentration <strong>in</strong><strong>der</strong> Kernstadt aufgelöst (vgl. Manuskript 3).5.1.3 Segregation nach AlterBeschreibung <strong>der</strong> räumlichen Verteilung nach AltersklassenEntsprechend dem allgeme<strong>in</strong>en Trend <strong>in</strong> westlichen Industrienationen kann auch <strong>in</strong><strong>der</strong> Agglomeration Zürich e<strong>in</strong>e demographische Alterung festgestellt werden. Diedemographische Alterung betrifft nicht alle Regionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration im gleichenMasse. Die ländlichen und die städtischen Regionen s<strong>in</strong>d von diesem Phänomenstärker geprägt als die sub<strong>urbanen</strong> Regionen (Wanner et al. 2005). Diese regionalenUnterschiede s<strong>in</strong>d hauptsächlich durch <strong>in</strong>traregionale Wan<strong>der</strong>ungsströme verursacht.Betrachtet man die Verteilung <strong>der</strong> Personen im 3. und 4. Lebensalter 25 <strong>in</strong> <strong>der</strong> ZürcherAgglomeration, so fällt <strong>der</strong> starke Altersgradient zwischen dem Kern und den Rän<strong>der</strong>nauf. Der Anteil <strong>der</strong> Personen im dritten Lebensalter ist an den Agglomerationsrän<strong>der</strong>nam ger<strong>in</strong>gsten und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Innenstadt am höchsten. Im Vergleich zu 1990 hatsich das Gefälle zwischen <strong>der</strong> „überalterten Stadt” und dem „jungen Umland” jedochabgeschwächt. Der Anteil <strong>der</strong> Betagten an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt gesunkenund <strong>in</strong> den Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den gestiegen, vor allem <strong>in</strong> den stadtnahenAgglomerationsgeme<strong>in</strong>den. Die am stärksten „überalterten” Gebiete <strong>der</strong> Agglomerations<strong>in</strong>d im Jahr 2000 nicht mehr die Innenstadtquartiere, son<strong>der</strong>n die Stadträn<strong>der</strong>und stadtnahen Geme<strong>in</strong>den des ersten Agglomerationsgürtels. Es sche<strong>in</strong>t, als folge die„Welle <strong>der</strong> Überalterung” mit 50-jähriger Verzögerung r<strong>in</strong>gförmig <strong>der</strong> Suburbanisierungswellevon <strong>der</strong> Stadt <strong>in</strong>s Umland. Diese Verlagerung <strong>der</strong> räumlichen Konzentration<strong>der</strong> älteren Bevölkerung entsteht dadurch, dass die Generation <strong>der</strong> ehemaligen„Suburbanisierer” älter wird und nun <strong>in</strong>s Betagtenalter e<strong>in</strong>tritt (Manuskript 2). Dieserpassive Prozess entsteht dadurch, dass die Umzugstätigkeit statistisch stark altersabhängigist und die Betagten e<strong>in</strong>e sehr ger<strong>in</strong>ge Umzugsmobilität aufweisen. Damit istdie Segregation nach Alterskategorien sehr stabil. Wohnstandorte <strong>der</strong> heute 50-25Personen im 3. Lebensalter bezeichnen zwischen 65- und 80-Jährige, Personen im 4. Lebensalterüber 80-Jährige.


<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> 61Jährigen decken im Wesentlichen die Wohnstandorte <strong>der</strong> Betagten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft ab(vgl. Manuskript 5, Abb. 3).<strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> räumlichen Verteilung nach AltersklassenDa durch die demographische Alterung die räumliche Verteilung <strong>der</strong> älteren Bevölkerungzunehmend an Bedeutung gew<strong>in</strong>nt, wird die oben beschriebene Querschnittsanalysemit <strong>der</strong> Längsschnittsanalyse <strong>der</strong> Umzugsdaten verknüpft (vgl. Manuskript 5).Die Analyse <strong>der</strong> Um-, Zu- und Wegzüge Zürichs zeigt, dass die Umzugstätigkeit <strong>der</strong>älteren Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich zwischen 1991 und 2002 deutlich gestiegenist. Diese gestiegene Umzugstätigkeit könnte verschiedene Auswirkungen auf dieräumliche Verteilung <strong>der</strong> älteren Bevölkerung ausüben. So könnten die Umzüge dieoben beschriebene Verlagerung <strong>der</strong> Konzentration <strong>der</strong> älteren Bevölkerung entwe<strong>der</strong>verstärken o<strong>der</strong> abschwächen. E<strong>in</strong>e weitere Möglichkeit ist, dass diese Umzugsdynamikke<strong>in</strong>erlei Auswirkungen auf die räumliche Verteilung <strong>der</strong> älteren Bevölkerunghat, da die Umzüge vor allem nahräumlich <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> direkten Wohnumgebungerfolgen.Die Analyse zeigt, dass die über 50-Jährigen wie die Familien e<strong>in</strong>en negativen Umzugssaldomit dem Umland aufweisen. Die über 50-Jährigen ziehen also mehr aus <strong>der</strong>Stadt <strong>in</strong>s Umland als umgekehrt. Insbeson<strong>der</strong>e die stadtnahen Geme<strong>in</strong>den, die bereitsdurch das Älterwerden <strong>der</strong> „Suburbanisierer” <strong>der</strong> Nachkriegszeit heute und <strong>in</strong> Zukunftüberproportional von <strong>der</strong> Alterung <strong>der</strong> Gesellschaft geprägt s<strong>in</strong>d, weisen e<strong>in</strong>en deutlichenWan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>n <strong>der</strong> über 50-Jährigen auf. Die Wohngebiete <strong>der</strong> Personen im3. Lebensalter decken sich mit denjenigen Regionen, die e<strong>in</strong>en Wan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>n<strong>der</strong> über 50-Jährigen aufweisen. Die Alterung betrifft <strong>in</strong> naher Zukunft also nichtmehr so sehr die Innenstadtquartiere, son<strong>der</strong>n vor allem die Stadträn<strong>der</strong> und stadtnahenGeme<strong>in</strong>den (vgl. Manuskript 5). Da die Segregation nach Status e<strong>in</strong>em sektoralenMuster folgt, betrifft dies sowohl statusniedrige als auch statushohe Gebiete (vgl.Kap. 5.1). Damit haben sich <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> Reurbanisierung nicht nur die Segregationsmuster<strong>der</strong> Status- und Lebensstilgruppen verän<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n auch die <strong>der</strong> älterenPersonen (Heye & Leuthold 2004: 26).Versorgung <strong>der</strong> älteren Bevölkerung mit WohnraumDie demographische Alterung stellt für die Anbieter von Wohnraum e<strong>in</strong>e doppelteHerausfor<strong>der</strong>ung dar. Zum e<strong>in</strong>en stellt das wachsende Altensegment die Investoren


62 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>vor bedeutende mengenmässige Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bestandesentwicklung,denn die „Alterswohnungen” <strong>der</strong> kommenden Jahrzehnte s<strong>in</strong>d grösstenteils gebaut.Zum an<strong>der</strong>en werden die auf Autonomie ausgerichteten Wohnwünsche <strong>der</strong> heutigenAlten kaum durch die bestehenden Wohnbauten befriedigt (Manuskript 5, S. 41).Die Neigung, <strong>in</strong> den eigenen vier Wänden zu verbleiben (age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place), bildet bereitsheute e<strong>in</strong>en Haupttrend für ältere Nachfrager<strong>in</strong>nen und Nachfrager. E<strong>in</strong> adäquatesWohnangebot für Ältere be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von Infrastruktur undDienstleistungen. Dabei rückt gemäss Van Wezemael (2005) <strong>der</strong> Mietwohnungssektorals Schlüsselbranche <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund. Er identifiziert dabei die <strong>in</strong>stitutionellenund die (grösseren) Wohnbaugenossenschaften als jene Organisationstypen, die e<strong>in</strong>eAusrichtung auf age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place auf Basis ihrer Managementpraxis umsetzen und davonsogar profitieren könnten (Van Wezemael 2005, Manuskript 5, S. 51).Die Analyse zeigt, dass das Wohnungsangebot <strong>der</strong> relevanten Anbietertypen räumlichungleich verteilt ist. In den Stadtrandquartieren s<strong>in</strong>d überdurchschnittlich viele Wohnungenim Besitz von Wohnbaugenossenschaften und <strong>in</strong> den stadtnahen Regionen imsub<strong>urbanen</strong> Raum s<strong>in</strong>d überdurchschnittlich viele Mietwohnungen im Besitz von <strong>in</strong>stitutionellenAnbietern (vgl. Manuskript 5, S. 51). Damit deckt sich die räumlicheVerteilung von Angebot und Nachfrage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nahezu kongruenten Muster.Man kann also feststellen, dass bereits die jetzigen Segregationsmuster auf e<strong>in</strong> grossesLösungspotential schliessen lassen. Die Umzugsmuster sche<strong>in</strong>en die Potentiale weiterzu erhöhen, da die potentiellen zukünftigen Nachfrager nach adäquatem Wohnraumzur Realisation von age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place entwe<strong>der</strong> bereits dort wohnen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> diejenigenGebiete zuziehen, <strong>in</strong> denen viele Wohnungen im Besitz von <strong>in</strong>stitutionellen Anbieterns<strong>in</strong>d. Damit lohnen sich nicht nur Investitionen <strong>in</strong> diesem Bereich <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>emMasse, son<strong>der</strong>n es bliebe auch noch Zeit dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität umzusetzen. Allerd<strong>in</strong>gss<strong>in</strong>d sich die meisten Anbieter dieser Chancen, die sich daraus für sie ergeben, nichtbewusst (Van Wezemael 2005) (vgl. Manuskript 5).


<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> 635.2 Die Schweizer Grossagglomerationen im Vergleich5.2.1 <strong>Sozialräumliche</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Schweizer GrossagglomerationenIm Zuge <strong>der</strong> Überlagerung von Re- und Suburbanisierung haben die sozialräumlichen<strong>Prozesse</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich e<strong>in</strong>e vielschichtige Verän<strong>der</strong>ung erfahren (vgl.Kap. 5.1). In e<strong>in</strong>em weiteren Schritt wird geprüft, <strong>in</strong>wiefern sich diese Verän<strong>der</strong>ungen<strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en grossen Agglomerationen <strong>der</strong> Schweiz (Genf, Bern, Basel und Lausanne)beobachten lassen. Dazu werden alle fünf Agglomerationen im durch die DimensionenStatus und Lebensform aufgespannten Status-Individualisierungs-Diagramm 26 (kurz S-I-Diagramm) dargestellt. E<strong>in</strong>e Zeitspur markiert die Verän<strong>der</strong>ungzwischen 1990 und 2000 (s. Abb. 8).Obwohl Kernstädte enge funktionale und wirtschaftliche Verflechtungen mit ihremAgglomerationsgürtel aufweisen, unterscheiden sich diese beiden Siedlungstypen <strong>in</strong>ihrem soziokulturellen Profil (s. Abb. 8). Die Teilung zwischen Kernstadt und Agglomerationsgürtelist dabei nicht primär e<strong>in</strong>e sozioökonomische. Die beiden Zonenunterscheiden sich hauptsächlich <strong>in</strong> Bezug auf ihren Individualisierungsgrad. DieStadtquartiere verteilen sich auf <strong>der</strong> rechten Hälfte des S-I-Diagramms, während dieAgglomerationsgeme<strong>in</strong>den l<strong>in</strong>ks davon positioniert s<strong>in</strong>d. In den meisten Kernstadtquartieren– auch <strong>in</strong> denen mit e<strong>in</strong>em hohen Statuswert – dom<strong>in</strong>ieren <strong>in</strong>dividualisierteLebensformen, während <strong>in</strong> den Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den das traditionellbürgerlicheLebensmodell noch weit stärker verbreitet ist. Disparitäten im sozialenStatus bestehen weniger zwischen als <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> beiden Siedlungstypen. Die horizontaleDifferenzierung zwischen den Kernstädten und ihrem Agglomerationsgürtelist e<strong>in</strong> Ausdruck <strong>der</strong> unterschiedlichen Standortqualitäten <strong>in</strong> den beiden Zonen <strong>der</strong>Agglomerationen.Die teilweise bis heute verbreitete Vorstellung e<strong>in</strong>er durch Abwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> bürgerlichenSchicht sozial degradierten Grossstadt kann also für alle fünf Grossagglomerationennicht bestätigt werden (vgl. Kap. 2.3.2). E<strong>in</strong> hoher sozialer Status ist heutenicht mehr an e<strong>in</strong>en bürgerlichen Lebensstil geknüpft (vgl. Hermann et al. 2005). In26Das Status-Individualisierungs-Diagramm wird durch die Disparitäts<strong>in</strong>dizes Status- und Individualisierungs<strong>in</strong>dexaufgespannt (vgl. Manuskript 3).


64 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>den Kernstädten existiert e<strong>in</strong>e breite Bevölkerungsschicht von gut Ausgebildeten undberuflich gut Situierten mit <strong>in</strong>dividualisierten Lebensformen, seien es Personen <strong>in</strong>E<strong>in</strong>zelhaushalten o<strong>der</strong> Doppelverdiener ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> (vgl. Heye & Leuthold 2004,Manuskript 2).Der Vergleich <strong>der</strong> fünf grossstädtischen Agglomerationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz zeigt diestärkste räumlich-soziale Polarisierung <strong>in</strong> Genf und Zürich. Diese beiden Agglomerationens<strong>in</strong>d nicht nur die grössten und dynamischsten, son<strong>der</strong>n sie haben als Zentren<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen F<strong>in</strong>anzwirtschaft auch den Charakter und die Eigenschaften vonGlobal Cities (Sassen 1991). Diese s<strong>in</strong>d charakterisiert durch global ausgerichteteDienstleistungsunternehmen mit vielen hochqualifizierten Arbeitsplätzen und e<strong>in</strong>ensich parallel dazu entwickelnden Sektor von unterstützenden Dienstleistungen mit ger<strong>in</strong>gqualifizierten Arbeitskräften (Sassen 1991). Während Lausanne und Basel e<strong>in</strong>emittlere Position e<strong>in</strong>nehmen, ist die Polarisierung <strong>der</strong> Agglomeration Bern amschwächsten ausgeprägt. Die ger<strong>in</strong>ge soziale Polarisierung Berns liegt zum e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong> vergleichsweise schwachen wirtschaftlichen Dynamik <strong>in</strong> diesem Raum, zum an<strong>der</strong>enkommt dar<strong>in</strong> auch se<strong>in</strong>e spezifische Wirtschaftsstruktur zum Ausdruck. Der <strong>in</strong><strong>der</strong> Hauptstadt Bern bestimmende staatliche Dienstleistungssektor weist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eim Lohnbereich e<strong>in</strong>e unterdurchschnittliche Polarisierung auf (vgl. Hermann et al.2005).Während die vertikale soziale Polarisierung im klassischen S<strong>in</strong>n vor allem e<strong>in</strong> Produktwirtschaftlicher Strukturen und <strong>Prozesse</strong> ist, kommen <strong>in</strong> <strong>der</strong> horizontalen Differenzierung<strong>der</strong> Lebensformen vermehrt kulturelle Unterschiede zum Ausdruck. DerVergleich <strong>der</strong> Verteilungsmuster <strong>der</strong> fünf Grossagglomerationen im S-I-Diagramm(Abb. 8) zeigt systematische Unterschiede zwischen den Sprachregionen. In den dreideutschsprachigen Agglomerationen Zürich, Basel und Bern besteht e<strong>in</strong>e stärkere Differenzierung<strong>der</strong> Lebensformen zwischen Kernstadt und Agglomerationsgürtel als <strong>in</strong>den beiden französischsprachigen. E<strong>in</strong>e ausgeprägte Pluralisierung <strong>der</strong> Lebensformenzwischen „bürgerlich-traditionell“ und „stark <strong>in</strong>dividualisiert” ist also vor allem charakteristischfür die Deutschschweiz. Unterschiede <strong>in</strong> den Lebensstilen bilden dortfolglich e<strong>in</strong>e wichtige Triebkraft <strong>der</strong> Wohnstandortwahl (vgl. Hermann et al. 2005).


<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> 65Die fünf Grossstadtagglomerationen <strong>in</strong> Bewegung30 40 50 60 70 80 90Zürich908030 40 50 60 70 80 90Basel90807070606050504040Status30Status30Individualisierung20Individualisierung2030 40 50 60 70 80 90Genève908030 40 50 60 70 80 90Bern90807070606050504040Status30Status30Individualisierung20Individualisierung2030 40 50 60 70 80 90Lausanne9080E<strong>in</strong>wohnerzahl:7050'00025'00010'0001'00060Quartiere <strong>der</strong> Kernstadt50Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den40Status30Position 1990 Position 2000Individualisierung20Status-Individualisierungs-Diagramme <strong>der</strong> fünf Grossstadtagglomerationen.Dargestellt ist die Position <strong>der</strong> Kernstadtquartiere (gelb) und <strong>der</strong> Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den(blau) für das Jahr 2000. Die Zeitspuren zeigen die Verän<strong>der</strong>ung gegenüber 1990.Abb. 8: Die fünf Grossagglomerationen im Status-Individualisierungs-Diagramm imVergleich (Hermann et al. 2005: 59)


66 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>Die französischsprachige Schweiz ist <strong>in</strong>sgesamt stärker <strong>in</strong>dividualisiert als diedeutschsprachige, so dass die Kluft auf <strong>der</strong> horizontalen Achse des sozialen Raumeszwischen traditionell-bürgerlichen und <strong>in</strong>dividualisierten Lebensstilen ger<strong>in</strong>ger ausfällt.Die Segregation ist dort bis heute vor allem durch Statusunterschiede bestimmt.Insbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> Genf konzentriert sich die Oberschicht ausserhalb <strong>der</strong> Kernstadt <strong>in</strong>den bürgerlichen Vororten am See, während die etwas stärker <strong>in</strong>dividualisiertenStadtquartiere im Durchschnitt deutlich tiefere Statuswerte haben als die Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den(vgl. Hermann et al. 2005).5.2.2 Reurbanisierung und Aufwertung <strong>der</strong> KernstädteZwischen 1990 und 2000 haben sich gesamtschweizerisch die Statuswerte erhöht und<strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Individualisierung hat zugenommen. Dies zeigt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hauptrichtung<strong>der</strong> im S-I-Diagramm dargestellten Zeitspuren (s. Abb. 8). Mehrheitlich weisendiese nach rechts oben h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em höheren Status und e<strong>in</strong>er stärkeren Individualisierung.Interessant s<strong>in</strong>d jedoch die Abweichungen vom allgeme<strong>in</strong>en Trend und dierelativen Differenzen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Grossstadtagglomerationen. So zeigt sich <strong>in</strong> Zürich,Basel, Genf und etwas weniger ausgeprägt auch <strong>in</strong> Lausanne e<strong>in</strong>e relative sozialeAufwertung <strong>der</strong> Kernstadtquartiere gegenüber den Umlandgeme<strong>in</strong>den. In diesen Verschiebungenim sozial-räumlichen Gefüge kommt <strong>der</strong> <strong>in</strong> den 1990er-Jahren e<strong>in</strong>setzendeProzess <strong>der</strong> Reurbanisierung zum Ausdruck, d.h. die Wie<strong>der</strong>entdeckung <strong>der</strong>Kernstädte als attraktive Wohngebiete. Die Betrachtung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Quartiere zeigt,dass <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zentrumsnahe Quartiere e<strong>in</strong>en starken Statusanstieg erfahren haben.Dabei handelt es sich um Quartiere mit stark urbanem Charakter und hohen Individualisierungswerten.E<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>stellung unter den grossen Agglomerationen nimmt Bern e<strong>in</strong>. Sowohl <strong>in</strong><strong>der</strong> Kernstadt als auch im Umland blieb <strong>der</strong> Statusanstieg weit unter dem schweizerischenDurchschnitt. E<strong>in</strong>e eigentliche Gentrifizierung hat es <strong>in</strong> Bern bislang nicht gegeben.Auffällig ist e<strong>in</strong>e im Vergleich zu den an<strong>der</strong>en Kernstädten weit stärkere Zunahme<strong>der</strong> Individualisierungswerte. Statt e<strong>in</strong>er Gentrifizierung f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> Bern ehere<strong>in</strong> Prozess <strong>der</strong> „Entbürgerlichung” statt. Postmaterialistische Werte und alternativeLebensformen werden zunehmend zu e<strong>in</strong>em Charakteristikum <strong>der</strong> Bundeshauptstadt(vgl. Hermann & Leuthold 2004). Exemplarisch zeigt sich dies am egalitären Familienmodell,bei dem beide Elternteile teilzeiterwerbstätig s<strong>in</strong>d. Dieses Modell ist <strong>in</strong> <strong>der</strong>


<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> 67Schweiz nirgendwo so stark verbreitet wie <strong>in</strong> Bern. Grundlage dafür dürfte nicht zuletztdie vom staatlichen Sektor bestimmte Branchenstruktur se<strong>in</strong>, die günstige Rahmenbed<strong>in</strong>gungenfür die Umsetzung dieses Modells bietet (vgl. Hermann et al. 2005).E<strong>in</strong>drücklich ist im Untersuchungszeitraum die Verlagerung <strong>der</strong> Fremdsprachigkeitvom Stadtkern an die Rän<strong>der</strong> <strong>der</strong> Stadt und <strong>in</strong> die Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den. Während<strong>in</strong> traditionell multikulturellen Innenstadtquartieren <strong>der</strong> grossen Kernstädte e<strong>in</strong>Rückgang <strong>der</strong> Fremdsprachigkeit festzustellen ist, erfuhren Stadtrandquartiere zwischen1990 und 2000 e<strong>in</strong>en sehr starken Anstieg des Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex. DieZunahme <strong>der</strong> Fremdsprachigkeit macht jedoch nicht an den Stadtgrenzen halt, son<strong>der</strong>nzeigt sich <strong>in</strong> ähnlichem Ausmass <strong>in</strong> den stadtnahen Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den(vgl. Hermann et al. 2005).5.3 Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kernstadt Zürich5.3.1 Charakterisierung <strong>der</strong> gentrifizierten und marg<strong>in</strong>alisierten QuartiereMithilfe <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Raume<strong>in</strong>heiten im S-I-Diagramm <strong>der</strong> Agglomeration Zürichkönnen die gentrifizierten und marg<strong>in</strong>alisierten Quartiere <strong>der</strong> Stadt identifiziertwerden (vgl. Manuskript 4, Abb. 1, S. 57). Die <strong>in</strong>nenstadtnahen Quartiere Langstrasseund Gewerbeschule, die 1990 noch e<strong>in</strong>en sehr niedrigen Status<strong>in</strong>dex aufwiesen, habenzwischen 1990 und 2000 e<strong>in</strong>en deutlichen Status<strong>in</strong>dexanstieg zu verzeichnen undkönnen demzufolge als gentrifizierte Quartiere bezeichnet werden. Die StadtrandquartiereSaatlen, Schwamend<strong>in</strong>gen und Hirzenbach, die 1990 e<strong>in</strong>en ähnlich niedrigenStatus<strong>in</strong>dex wie die oben genannten gentrifizierten Quartiere hatten, haben zwischen1990 und 2000 kaum e<strong>in</strong>en Status<strong>in</strong>dexanstieg zu verzeichnen, so dass sie relativ zuden an<strong>der</strong>en Stadtquartieren an Status verloren haben und als marg<strong>in</strong>alisierte Quartierebezeichnet werden können. Marg<strong>in</strong>alisierung als Anstieg des Anteils statusniedrigerBevölkerung kann damit für die Stadt Zürich nicht festgestellt werden. Diesist Folge <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Bildungsexpansion (vgl. Kap. 2.1), so dass bereits ke<strong>in</strong> Status<strong>in</strong>dexanstiegals Marg<strong>in</strong>alisierung gelten kann (vgl. Manuskript 4, S. 56 f.).Die Analyse <strong>der</strong> verschiedenen Disparitäts<strong>in</strong>dizes zeigt, dass <strong>der</strong> Lebensstil e<strong>in</strong>en entscheidendenE<strong>in</strong>fluss auf die <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung aus-


68 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>übt. Die gentrifizierten Quartiere s<strong>in</strong>d stark durch <strong>in</strong>dividualisierte Lebensformen geprägt,während <strong>in</strong> den marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren <strong>der</strong> bürgerlich-traditionelle Lebensstilvorherrschend ist. Die <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung habenzu e<strong>in</strong>er Angleichung des Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex <strong>in</strong> den betroffenen Quartierenzwischen 1990 und 2000 geführt. In den gentrifizierte Quartieren ist <strong>der</strong> Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex<strong>in</strong> diesem Zeitraum von e<strong>in</strong>em sehr hohen Ausgangswert auf e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>Bezug auf den städtischen Durchschnitt mittleren Wert gesunken, <strong>in</strong> den marg<strong>in</strong>alisiertenQuartieren ist er von e<strong>in</strong>em tiefen auf e<strong>in</strong>en durchschnittlichen Wert gestiegen.Von <strong>der</strong> demographischen Alterung s<strong>in</strong>d die marg<strong>in</strong>alisierten Quartiere allerd<strong>in</strong>gsüberdurchschnittlich stark betroffen (vgl. Manuskript 4, S. 57f.).5.3.2 E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Umzüge auf die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong> <strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong> KernstadtDie oben vorgestellte Querschnittsanalyse wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren Schritt mit <strong>der</strong>Längsschnittsanalyse <strong>der</strong> Umzüge verknüpft. Die sozialräumlichen Umschichtungen<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Kernstadt Zürich stehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen Zusammenhang mit den ZuundWegzügen <strong>in</strong> die bzw. aus <strong>der</strong> Stadt sowie den <strong>in</strong>nerstädtischen Umzügen. DieMigrationsverläufe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt folgen <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>em recht deutlichen Muster: DieInnenstadtquartiere s<strong>in</strong>d die hochdynamischen Quartiere mit e<strong>in</strong>er hohen Fluktuationsrate27 , die gleichzeitig die Funktion von Ankunftsquartieren für Zuzüger<strong>in</strong>nen undZuzüger von aussen <strong>in</strong>nehaben. Von diesen Ankunftsquartieren diffundiert die Bevölkerungdurch <strong>in</strong>nerstädtische Umzüge <strong>in</strong> die Quartiere am Stadtrand. Die Stadtrandquartiereihrerseits fungieren als Abwan<strong>der</strong>ungsquartiere und haben e<strong>in</strong>e relativ ger<strong>in</strong>geDynamik (s. Abb. 9).Es besteht e<strong>in</strong> klar l<strong>in</strong>earer Zusammenhang zwischen sozialer Auf- bzw. Abwertungund den Fluktuationsraten. Entgegen den gängigen Annahmen im Rahmen <strong>der</strong> sozialökologischenDebatte ist e<strong>in</strong>e hohe Fluktuationsrate mit e<strong>in</strong>er Statusaufwertung undnicht zw<strong>in</strong>gend mit e<strong>in</strong>er Marg<strong>in</strong>alisierung verbunden (vgl. Manuskript 4, S. 61f.).Die Stärke <strong>der</strong> Umzugsdynamik und die Richtung des Wan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>ns (von ausseno<strong>der</strong> von <strong>in</strong>nen) stehen also <strong>in</strong> enger Beziehung mit <strong>der</strong> sozioökonomischen Auf-27Die Fluktuationsrate ist def<strong>in</strong>iert als Anzahl <strong>der</strong> Umzüge <strong>in</strong> Bezug auf die Wohnbevölkerung (Personenmit wirtschaftlichem Wohnsitz) an e<strong>in</strong>em Ort.


<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> 69bzw. Abwertung <strong>der</strong> Stadtquartiere. Die gentrifizierten Innenstadtquartiere fallen <strong>in</strong>die Kategorie <strong>der</strong> hochdynamischen Ankunftsquartiere für Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten,die eher marg<strong>in</strong>alisierten Quartiere s<strong>in</strong>d Abwan<strong>der</strong>ungsquartiere mit ger<strong>in</strong>gerFluktuation. Marg<strong>in</strong>alisierung steht im beobachteten Zeitraum also im Zusammenhangmit e<strong>in</strong>er Nettoabwan<strong>der</strong>ung aus <strong>der</strong> Stadt, Gentrifizierung dagegen mit Zuwan<strong>der</strong>ungvon ausserhalb (vgl. Manuskript 4, S. 61f.).Hochdynamische QuartiereQuartiere mit ger<strong>in</strong>ger DynamikAbb. 9: Schematische Darstellung <strong>der</strong> Migrationsverläufe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich (Heye& Leuthold 2004: 72)An den Auf- bzw. Abwertungsprozessen s<strong>in</strong>d unterschiedliche Bevölkerungsgruppenbeteiligt. Gentrifizierung ist mit e<strong>in</strong>er überdurchschnittlichen Zuwan<strong>der</strong>ung von Personen<strong>der</strong> Schweiz sowie Nord- und Westeuropas verbunden, bei e<strong>in</strong>er gleichzeitigüberdurchschnittlich hohen Abwan<strong>der</strong>ung jener aus Südeuropa. Die Migrationsprofile<strong>der</strong> marg<strong>in</strong>alisierten Quartiere s<strong>in</strong>d vollständig komplementär dazu (s. Abb. 10). Mit<strong>der</strong> relativen sozioökonomischen Abwertung gehen demnach e<strong>in</strong>e verstärkte Zuwan<strong>der</strong>ungvon ausländischen, meist südeuropäischen Familien und e<strong>in</strong>e starke Abwan<strong>der</strong>ungvon Schweizer E<strong>in</strong>zelpersonen e<strong>in</strong>her.


70 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>Gentrifizierte QuartiereMarg<strong>in</strong>alisierte QuartiereAbb. 10: Migrationsprofile (relative Wan<strong>der</strong>ungssaldi) <strong>der</strong> gentrifizierten und marg<strong>in</strong>alisiertenQuartiere <strong>der</strong> Stadt Zürich von 1991 bis 20025.3.3 E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Bebauungsstruktur und des Wohnungsmarktes aufdie sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>In e<strong>in</strong>em weiteren Schritt wurde <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Bebauungsstruktur und des Wohnungsmarktesauf die <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Marg<strong>in</strong>alisierung und Gentrifizierung analysiert,<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur postuliert o<strong>der</strong> beschrieben wird (vgl. Kap. 2.3.3, Manuskript 4).Es konnte nachgewiesen werden, dass die <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Marg<strong>in</strong>alisierung und Gentrifizierungmit e<strong>in</strong>er bestimmten Bebauungsstruktur <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen. So f<strong>in</strong>detGentrifizierung <strong>in</strong> Innenstadtquartieren statt, die mehrheitlich vor 1919 bebaut wurdenund durch 5- bis 6-geschossige Blockrandbebauung geprägt s<strong>in</strong>d. Mit den sozialenAufwertungsprozessen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich ist bislang allerd<strong>in</strong>gs noch ke<strong>in</strong>e verstärkteNeubau- o<strong>der</strong> Sanierungstätigkeit <strong>in</strong> diesen Quartieren nachweisbar (vgl. Manuskript4).Marg<strong>in</strong>alisierung ist h<strong>in</strong>gegen vor allem <strong>in</strong> denjenigen Stadtrandquartieren zu beobachten,die zwischen 1946 und 1970 mit 3- bis 4- geschossigen Wohnsiedlungen <strong>in</strong>Zeilenbauweise überbaut wurden. In diesen Quartieren wird <strong>der</strong> Wohnungsmarkt vonWohnbaugenossenschaften dom<strong>in</strong>iert, die zudem die ger<strong>in</strong>gen Fluktuationsraten <strong>in</strong>diesen Quartieren erklären. Im selben Zeitraum gab es e<strong>in</strong>en grossen Anstieg des Anteils<strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung, die zudem sprachlich schlecht <strong>in</strong>tegriert ist (vgl.Manuskript 4, S. 63).


<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> 715.4 Diskussion<strong>Sozialräumliche</strong> Differenzierung <strong>der</strong> Schweizer AgglomerationenMittels <strong>der</strong> Indizes konnte nachgewiesen werden, dass die sozialökologischen Modelle,die e<strong>in</strong>e sektorale Verteilung nach Status und e<strong>in</strong>e konzentrische Verteilung nachLebensstilen postulieren, noch ihre Gültigkeit besitzen (vgl. Friedrichs 1995, He<strong>in</strong>eberg2006). Die Verteilung <strong>der</strong> Bevölkerung nach Nationalitäten h<strong>in</strong>gegen weist entgegendem Stadtstrukturmodell nach Harris & Ulmann ebenfalls e<strong>in</strong> sektorales Musterauf (vgl. Harris & Ulmann 1945, Friedrichs 1995, He<strong>in</strong>eberg 2006). Dabei verläuftdie Differenzierung nach Nationalitäten nicht quer zu denen nach Status und Lebensstil,son<strong>der</strong>n wird grösstenteils durch sie erklärt.Vor allem aufgrund <strong>der</strong> zunehmenden Mobilität wurde davon ausgegangen, dass sichdie bestehenden Strukturen zugunsten e<strong>in</strong>er grösseren Fragmentierung aufgelöst haben(Gaebe 2004). Dies kann aufgrund <strong>der</strong> hier vorgestellten Ergebnisse nicht bestätigtwerden. Vielmehr gelten diese Modelle nun für die gesamte Agglomeration undnicht nur für die Kernstadt <strong>in</strong> ihren adm<strong>in</strong>istrativen Grenzen. Es kommt also <strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong> Agglomeration zu e<strong>in</strong>er ausgeprägten Quartierbildung, wie sie meist nur für Städtebeschrieben wird, da die meisten Studien lediglich die Kernstadt <strong>in</strong>nerhalb ihreradm<strong>in</strong>istrativen Grenzen fokussieren (vgl. Kap. 2.3). Damit hat sich die Ausdehnungdes Untersuchungsgebietes auf die gesamte Agglomeration bewährt.Das Ende <strong>der</strong> A-StadtIn allen grossen Agglomerationen <strong>der</strong> Schweiz zeigt sich e<strong>in</strong>e starke soziale Aufwertung<strong>der</strong> meisten Kernstadtquartiere. Dadurch hat sich die soziale Hierarchie <strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong> Agglomeration verschoben. Die Unterschiede zwischen Kernstadt und ihremsub<strong>urbanen</strong> Raum s<strong>in</strong>d nicht länger sozioökonomischer Natur, son<strong>der</strong>n manifestierensich vor allem <strong>in</strong> unterschiedlichen Lebensstilen. Damit hat <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> A-Stadtals sozialer Brache, wo sich sozial marg<strong>in</strong>alisierte Gruppen wie Alte, Arme, Arbeitslose,Auszubildende und ausländische Personen konzentrieren, se<strong>in</strong>e Gültigkeit verloren(vgl. Frey 1990). Die meisten hier beschriebenen A-Stadt-Phänomene verlagernsich vielmehr aus den Kernstädten <strong>in</strong> den sub<strong>urbanen</strong> Raum heraus.E<strong>in</strong>drücklich ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Verlagerung <strong>der</strong> Fremdsprachigkeit vom Stadtkernan die Rän<strong>der</strong> <strong>der</strong> Stadt und <strong>in</strong> die Agglomeration. Während <strong>in</strong> den traditionell multi-


72 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>kulturellen Innenstadtquartieren <strong>der</strong> grossen Kernstädte e<strong>in</strong> Rückgang <strong>der</strong> Fremdsprachigkeitfestzustellen ist, erfuhren Stadtrandquartiere e<strong>in</strong>en starken Anstieg <strong>der</strong>Fremdsprachigkeit. Die Zunahme <strong>der</strong> Fremdsprachigkeit macht jedoch nicht an denStadtgrenzen halt, son<strong>der</strong>n zeigt sich <strong>in</strong> ähnlichem Ausmass <strong>in</strong> den stadtnahen Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den.Diese Ergebnisse dürfen allerd<strong>in</strong>gs nicht darüber h<strong>in</strong>wegtäuschen,dass sich auch heute noch bestimmte soziale Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kernstadt konzentrieren.Die Schweizerische Sozialhilfestatistik belegt, dass die Sozialhilfequote <strong>in</strong>den städtischen Zentren dreimal höher als <strong>in</strong> den ländlichen Geme<strong>in</strong>den und doppeltso hoch wie <strong>in</strong> den Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den ist (Bachmann 2006: 5).Es konnte gezeigt werden, dass die Reurbanisierung nicht nur für Status- und Lebensstilgruppenverän<strong>der</strong>te Segregationsmuster hervorbr<strong>in</strong>gt, son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dimension„Alter”. Die räumliche Konzentration <strong>der</strong> demographischen Alterung wurdedeutlich abgeschwächt. Diese empirischen Ergebnisse sche<strong>in</strong>en im Wi<strong>der</strong>spruch dazuzu stehen, dass neben e<strong>in</strong>er altersgerechten Wohnung auch das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>erguten Infrastruktur wie Nahverkehr, E<strong>in</strong>kaufsmöglichkeiten und mediz<strong>in</strong>ische Versorgungsowie e<strong>in</strong>e adäquate Ausgestaltung von öffentlichen und halböffentlichen<strong>Räumen</strong> von grosser Bedeutung für altersgerechtes Wohnen s<strong>in</strong>d (Höpfl<strong>in</strong>ger 2004,Grosshans 2001, Zaugg et al. 2004). Dies könnte <strong>in</strong> <strong>der</strong> zunehmenden polyzentrischenAusgestaltung <strong>der</strong> Agglomeration begründet liegen, die dazu führt, dass die nachgefragtenGüter und Dienstleistungen dieses Nachfragesegments nicht mehr ausschliesslich<strong>in</strong> den Kernstädten vorzuf<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d (Thierste<strong>in</strong> et al. 2003).Auch wenn die Suburbanisierung mit e<strong>in</strong>er Abwan<strong>der</strong>ung von Familien weiter anhält,so haben sich im Zuge <strong>der</strong> Reurbanisierung die negativen Folgen, die durch die anhaltendeSuburbanisierung entstanden, doch deutlich abgeschwächt (Janos et al. 1997,O<strong>der</strong>matt 2001). Es kann also nicht davon gesprochen werden, dass aufgrund <strong>der</strong>Reurbanisierung lediglich „islands of renewal <strong>in</strong> seas of decay“ (Berry 1985) entstünden.E<strong>in</strong>e treibende Rolle spielt dabei <strong>der</strong> soziale Wandel, <strong>der</strong> die so genannte „neueurbane Mittelschicht” hervorgebracht hat (vgl. Kap. 2.1). Diese neue Mittelschichtweicht <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Bereich des Wohnens vom traditionell-bürgerlichen Lebensstilab. Sie wohnen überwiegend <strong>in</strong> E<strong>in</strong>personen- o<strong>der</strong> Paarhaushalten, schätzen den<strong>urbanen</strong> Charakter <strong>der</strong> Innenstadtquartiere und ziehen die renovierte Altbauwohnungo<strong>der</strong> den Loft e<strong>in</strong>em Haus im Grünen vor (Spellerberg 1996, Klee 2001, Brühl et al.2005).


<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> 73Durch die Aufwertung <strong>der</strong> Kernstädte und Verlagerung <strong>der</strong> A-Stadt-Phänomene <strong>in</strong>den sub<strong>urbanen</strong> Raum werden <strong>in</strong> den Kernstädten reiche und arme Schichten untere<strong>in</strong>em politischen Dach vere<strong>in</strong>t. Auch wenn die Kernstädte bis heute überdurchschnittlichhohe soziale Lasten zu tragen haben, können sie diese Disparitäten zunehmend<strong>in</strong>tern ausgleichen, sollte sich dieser Trend weiter fortsetzen. Der suburbaneRaum ist mit steigenden sozialen Lasten konfrontiert und zudem politisch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelneGeme<strong>in</strong>den zersplittert, teilweise sogar über die kantonalen Grenzen h<strong>in</strong>weg. WährendBund und Kantone die Randregionen durch Subventionen und Investitionshilfeund die Zentren durch Lastenausgleich und Leistungsabgeltungen unterstützen, fallendie Vorstädte zunehmend durch die Maschen <strong>der</strong> Regionalpolitik (Hermann et al.2006).GentrifizierungMithilfe <strong>der</strong> Komb<strong>in</strong>ation aus Quer- und Längsschnittsanalyse konnten e<strong>in</strong>ige gängigeAnnahmen <strong>der</strong> Gentrificationforschung, die auf <strong>der</strong> Basis von Querschnittsdatenund/o<strong>der</strong> Stichprobenerhebungen beruhten, überprüft werden (vgl. Kap. 2.3.3).Es konnte bestätigt werden, dass vor allem „die urbane Mittelschicht“ an <strong>der</strong> Gentrifizierungbeteiligt ist. In gentrifizierte Quartiere ziehen vor allem E<strong>in</strong>personen- undPaarhaushalte, und es herrschen <strong>in</strong>dividualisierte Lebensformen vor (Friedrichs 2000,Gaebe 2004, Brühl et al. 2005, Sandfuchs & Wehrhahn 2006). Es bestätigt sich weiter,dass dieser Wandel vor allem e<strong>in</strong> Konflikt verschiedener Lebensstilgruppen ist,bei dem es zu Verdrängungsprozessen kommt (Dangschat & Blasius 1994). Davons<strong>in</strong>d sowohl Schweizer und ausländische Familien als auch ausländische E<strong>in</strong>zelpersonenbetroffen.Für die gentrifizierten Quartiere hat dies zur Folge, dass e<strong>in</strong>e Dom<strong>in</strong>anz <strong>der</strong> Aktivbevölkerungzu beobachten ist. Hält die überproportionale Abwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Familienan die Stadträn<strong>der</strong> an, könnten die gentrifizierten Quartiere zu „Lebensabschnitts-Quartieren“ e<strong>in</strong>er jungen, gut ausgebildeten Mittelschicht werden. Dabei stellt sichdie Frage, woh<strong>in</strong> es diese neue urbane Mittelschicht zieht, wenn auch sie Familiengründen. Die anhaltend hohen Wegzüge von Familien weisen zum<strong>in</strong>dest darauf h<strong>in</strong>,dass <strong>der</strong> suburbane Raum weiterh<strong>in</strong> für Familien attraktiv bleibt. Problematischer alsdie „Verdrängung“ von Familien ist die „Verdrängung <strong>der</strong> ausländischen Bevölke-


74 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>rung“, die vor allem an die Stadträn<strong>der</strong> zieht, so dass dort vermehrt Integrationsaufgabenanstehen (s.u.).Meist wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur Gentrifizierung mit e<strong>in</strong>er Aufwertung <strong>der</strong> baulichen Substanz<strong>in</strong> den betroffenen Quartieren <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht (Dangschat & Blasius1994, Glatter 2005). Dies konnte für die Stadt Zürich nicht nachgewiesen werden.Damit kann die These, dass mit Gentrifizierungsprozessen e<strong>in</strong>e bauliche Aufwertung<strong>der</strong> Quartiere verbunden ist, aber noch nicht wi<strong>der</strong>legt werden. Dies könnte erst durche<strong>in</strong>e Analyse neuerer Daten erfolgen. Aber es bleibt festzuhalten, dass die baulichenVerän<strong>der</strong>ungen – wenn überhaupt – mit e<strong>in</strong>er grossen zeitlichen Verzögerung <strong>der</strong> sozialenAufwertung folgen. Inwiefern dabei die spezifischen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Schweize<strong>in</strong>e Rolle spielen kann hier nicht geklärt werden. Der steuerliche Anreiz, kont<strong>in</strong>uierlich<strong>in</strong> den Wohnungsbestand zu <strong>in</strong>vestieren, führt aber sicherlich dazu, dass e<strong>in</strong> Verfall<strong>der</strong> Bausubstanz <strong>in</strong> ganzen Stadtquartieren nicht zu beobachten ist, wie dies beispielsweise<strong>in</strong> den USA <strong>der</strong> Fall ist (Van Wezemael 2005).Marg<strong>in</strong>alisierungIm Zuge des sozialen Wandels haben sich die soziökonomischen Disparitäten aufgrund<strong>der</strong> sich vergrössernden E<strong>in</strong>kommensschere verschärft (Beck 1986, Lüdtke1992, Hradil 1987), die <strong>in</strong> Global Cities beson<strong>der</strong>s stark ausgeprägt ist (Sassen 1991).Dies konnte bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich bestätigt werden (vgl. Koll-Schretzenmayr etal. 2005). Die Befunde dieser Arbeit gehen nun e<strong>in</strong>en Schritt weiter. Durch den Vergleich<strong>der</strong> fünf grössten Agglomerationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz konnte nicht nur gezeigtwerden, dass <strong>in</strong> allen Agglomerationen e<strong>in</strong>e sozialräumliche Polarisierung stattf<strong>in</strong>det,son<strong>der</strong>n auch, dass sich die <strong>in</strong> Global Cities stärkere soziale Polarisierung auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erstärkeren sozialräumlichen Polarisierungen nie<strong>der</strong>schlägt (vgl. Kap. 2.3).Diese sozialräumliche Polarisierung f<strong>in</strong>det nicht nur <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Agglomerationstatt, son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Kernstadt <strong>in</strong> ihren adm<strong>in</strong>istrativen Grenzen. Eskommt dadurch zu e<strong>in</strong>er Ausbildung von marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren. Es handelt sichdabei um die Stadtrandquartiere, <strong>in</strong> die die „verdrängte“ Bevölkerung aus den gentrifiziertenQuartieren zieht. Das auf den ersten Blick positive Ergebnis, dass sich dieräumliche Ungleichverteilung <strong>der</strong> Integrationsaufgaben zwischen marg<strong>in</strong>alisiertenund gentrifizierten Quartieren abschwächt, muss damit zum<strong>in</strong>dest teilweise revidiert


<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> 75werden. Es bestätigt sich vor allem, dass die Verdrängung <strong>der</strong> alte<strong>in</strong>gesessenen Bevölkerungdie sozialräumliche Polarisierung verstärkt (Atk<strong>in</strong>son 2003).Zudem ist <strong>der</strong> Wohnungsmarkt <strong>in</strong> diesen Quartieren durch den geme<strong>in</strong>nützigen Wohnungsmarktdom<strong>in</strong>iert, so dass sich die ausländische Bevölkerung mit beson<strong>der</strong>en Restriktionenbei <strong>der</strong> Wohnungssuche konfrontiert sieht. Des Weiteren könnte e<strong>in</strong> problematischesNebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> von stabilen Zonen des geme<strong>in</strong>nützigen Wohnungsbaus,die eher dem Schweizer bürgerlich-traditionellem Milieu angehören, und dynamischenZellen des privaten Mietmarktes mit e<strong>in</strong>em hohen Anteil ausländischer Bevölkerungentstehen. Die sozialräumliche Polarisierung, die sonst zwischen verschiedenenStadtquartieren zu beobachten ist, kommt dann auf engstem Raum <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>esStadtquartiers zum Tragen. Allerd<strong>in</strong>gs bietet gerade die Dom<strong>in</strong>anz <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>nützigenVermieter auf dem Wohnungsmarkt auch e<strong>in</strong>e Chance, wenn diese sich stärkerfür die ausländische Bevölkerung öffnen. So stehen ihnen aufgrund ihrer Formen<strong>der</strong> Selbstverwaltung bessere Integrationsmöglichkeiten offen als dem privaten o<strong>der</strong><strong>in</strong>stitutionellen Vermieter.


76 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong>


Fazit und Ausblick 776 Fazit und AusblickEs konnte gezeigt werden, dass die mit dem Konzept <strong>der</strong> theoriegeleiteten Sozialraumanalyseentwickelten Disparitäts<strong>in</strong>dizes (vgl. Kap. 4) für e<strong>in</strong>e Analyse von sozialräumlichenStrukturen und <strong>Prozesse</strong>n geeignet s<strong>in</strong>d. Dabei können sie sowohl zumVergleich städtischer Teilräume als auch für vergleichende Analysen verschiedenerAgglomerationen herangezogen werden (vgl. Kap. 5).Der Kritik, dass solche Indizes nur zur Beschreibung <strong>der</strong> Bevölkerungsstruktur dienen,nicht aber zu ihrer Erklärung beitragen, muss grundsätzlich beigepflichtet werden(Friedrichs 1988, Gaebe 2004). Nichtsdestotrotz konnten durch die Komb<strong>in</strong>ation <strong>der</strong>verschiedenen Dispariäts<strong>in</strong>dizes nicht nur vielschichtige Verän<strong>der</strong>ungen, son<strong>der</strong>nauch spezifische Problemlagen identifiziert werden, die direkte Auswirkungen aufPlanung und Regionalpolitik haben (vgl. Kap. 5.4).Zur Erklärung <strong>der</strong> sozialräumlichen Entwicklung könnten die hier entwickelten Indizesals abhängige Variable <strong>in</strong> Regressionsmodelle e<strong>in</strong>fliessen, wie <strong>in</strong> dieser Arbeitbereits geschehen. Damit könnte geprüft werden, <strong>in</strong>wiefern <strong>in</strong>stitutionelle o<strong>der</strong> baulicheUnterschiede die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong> bee<strong>in</strong>flussen.Sehr spannend wäre zudem, das hier entwickelte Konzept <strong>der</strong> theoriegeleiteten Sozialraumanalyseauf an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> zu übertragen. Wie <strong>in</strong> Kapitel 4 ausgeführt, ist diestheoretisch für alle Län<strong>der</strong> möglich, die über e<strong>in</strong>e ähnliche Sozialstruktur verfügen. Esmüssen aber beson<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen an die Daten erfüllt werden (Vollerhebung,kle<strong>in</strong>räumige Verfügbarkeit <strong>der</strong> Daten, E<strong>in</strong>zelrecords), die <strong>in</strong> allen Län<strong>der</strong>n mitVolkszählung grundsätzlich erfüllt se<strong>in</strong> müssten. In diesen Län<strong>der</strong>n müsste nur nochdie Datenverfügbarkeit überprüft werden. E<strong>in</strong>e Übertragung auf Deutschland wäreallerd<strong>in</strong>gs nicht möglich, da dort die letzte Volkszählung zu lange zurück liegt.Nach <strong>der</strong> Übertragung des Konzeptes kann überprüft werden, ob die vorgestellten Erkenntnissenur e<strong>in</strong>e Schweizer Eigenart darstellen o<strong>der</strong> auch für an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> gültigs<strong>in</strong>d. In diesem Zusammenhang wäre vor allem <strong>der</strong> Frage nachzugehen, <strong>in</strong>wieweitauch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n die Segregation nach Nationalitäten durch Lebensstil undStatusunterschiede erklärt werden können. In <strong>der</strong> Literatur werden sehr häufig nur dieAuslän<strong>der</strong>anteile zur Identifikation marg<strong>in</strong>alisierter Quartiere herangezogen. Die hiervorgestellten Ergebnisse zeigen allerd<strong>in</strong>gs, dass dies nicht ausreichend ist. So weisen


78 Fazit und Ausblickzum Beispiel die marg<strong>in</strong>alisierten Quartiere Zürichs nur durchschnittliche Auslän<strong>der</strong>anteileauf.In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Komb<strong>in</strong>ation von Längs- und Querschnittsdatenaus Vollerhebungen zu e<strong>in</strong>em vertieften Verständnis über die stattf<strong>in</strong>denden<strong>Prozesse</strong> führt. So konnten Annahmen zur Gentrifizierung, die auf Querschnitts-o<strong>der</strong> Stichprobendaten beruhten, – zum<strong>in</strong>dest für Zürich – verifiziert werden.In e<strong>in</strong>em weiteren Schritt könnte man dies auch für an<strong>der</strong>e Städte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz tun.Die Städte Genf und Basel verfügen über e<strong>in</strong>e ähnliche Umzugsstatistik wie die StadtZürich, <strong>in</strong> <strong>der</strong> alle Umzüge enthalten s<strong>in</strong>d.Die hier vorgestellten Ergebnisse öffnen aber auch das Feld für kle<strong>in</strong>räumige Bevölkerungsprognosen.Bislang s<strong>in</strong>d diese sehr fehlerbehaftet, da e<strong>in</strong>e genaue Kenntnisüber die Umzugswahrsche<strong>in</strong>lichkeit von Gebiet A nach Gebiet B fehlt. Dies ist deshalbbeson<strong>der</strong>s problematisch, da vor allem <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> Umzüge <strong>der</strong> Motor<strong>der</strong> residentiellen Segregation s<strong>in</strong>d. In dieser Arbeit konnte nachgewiesen werden,dass die Migrationsverläufe für verschiedene Bevölkerungskategorien sehr unterschiedlicheMuster aufweisen. Damit wäre es nun relativ e<strong>in</strong>fach, Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitenfür verschiedene Bevölkerungskategorien für e<strong>in</strong>en Umzug von A nach B zubestimmen. Mithilfe solcher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten wäre es nun möglich, kle<strong>in</strong>räumigeBevölkerungsprognosen für Stadtquartiere zu erstellen. Dabei wäre e<strong>in</strong>e Berechnungmithilfe von Markov-Ketten denkbar, die häufig für grossräumige Bevölkerungsprognosenverwendet werden (Schmid 1974, Serfozo 2005).Diese Arbeit hat weiter gezeigt, dass die sozialräumlichen Umschichtungen <strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong> Kernstadt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen Zusammenhang mit den Zu- und Wegzügen bestimmterTeile <strong>der</strong> Bevölkerung stehen. Damit wäre es möglich, e<strong>in</strong> Prognose<strong>in</strong>strument fürsozialräumliche <strong>Prozesse</strong> zu entwickeln.


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TEIL 2Manuskript 1:Heye, C. & H. Leuthold (2005): Theory-based social area analysis: anapproach consi<strong>der</strong><strong>in</strong>g the conditions of a post-<strong>in</strong>dustrial society. In:Tenedorio, J.A. & R.P. Juliao (eds.): 14th European Colloquium onTheoretical and Quantitative Geography 2005, Proceed<strong>in</strong>gs.__________________93Manuskript 2:Heye, C. & H. Leuthold (2006): <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong>Agglomeration Zürich. Konsequenzen von Suburbanisierung undReurbanisierung. In: disP Nr. 164. Vol. 42 (1), S. 16 - 29. __________________103Manuskript 3:Hermann, M.; Heye, C. & H. Leuthold (2006): Drei Indizes zu räumlichenDisparitäten – theoriegeleitete Sozialraumanalyse unter denBed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er pluralisierten und <strong>in</strong>dividualisierten Gesellschaft.In: Meyer, F. (Hrsg.): Wohnen - Arbeit - Zuwan<strong>der</strong>ung. Stand undPerspektiven <strong>der</strong> Segregationsforschung. Beiträge zur europäischenStadt- und Regionalforschung. Münster. Im Druck.________________________119Manuskript 4:Heye. C. & A. O<strong>der</strong>matt (2006): E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Umzüge auf die sozialräumlichen<strong>Prozesse</strong> im <strong>urbanen</strong> Raum Zürichs.In: disP Nr. 164. Vol. 42 (4), S. 52 – 64. ________________________________137Manuskript 5:Heye, C. & J.E. Van Wezemael (2007): Herausfor<strong>der</strong>ungen des soziodemographischenWandels für die Wohnbau<strong>in</strong>dustrie.In: disP Nr. 169. Vol. 43 (2). Im Druck._________________________________153


Manuskript 1:Heye, C. & H. Leuthold (2005):Theory-based social area analysis: an approach consi<strong>der</strong><strong>in</strong>gthe conditions of a post-<strong>in</strong>dustrial society.In: Tenedorio, J.A. & R.P. Juliao (eds.): 14th European Colloquiumon Theoretical and Quantitative Geography 2005,Proceed<strong>in</strong>gs.


14 TH European Colloquium on Theoretical and Quantitative Geography | September 9-13, 2005 | Tomar, Portugal95THEORY-BASED SOCIAL AREA ANALYSIS: ANAPPROACH CONSIDERING THE CONDITIONS OF APOST-INDUSTRIAL SOCIETYCor<strong>in</strong>na HEYE and Heiri LEUTHOLDUniversity of ZurichIn this paper, we discuss the needs for an adequate model to analyze socio-spatialdifferentiation <strong>in</strong> post-<strong>in</strong>dustrial societies and propose a theoretically and empiricallyverified method for urban social area analysis. S<strong>in</strong>ce the early 1970s due to socialchange, <strong>in</strong>dividualisation, and pluralism of lifestyle, the terms of social <strong>in</strong>equality andsocio-spatial differentiation changed. Exist<strong>in</strong>g quantitative methods for urban socialarea analysis do not reflect those profound changes. We propose the concept ofsocial space envisaged by Pierre Bourdieu as a theoretical model for the sociospatialdifferentiation of urban space. We present an empirical implementation of themodel on the Greater Area of Zurich. An important part is the operationalisation ofthe dimensions social status and lifestyle through variables <strong>der</strong>ived from data of acomplete population count like census data. The proposed model can be applied toother European urban areas, provided appropriate data is available.KEYWORDSurban geography, social area analysis, segregation, lifestyleINTRODUCTIONS<strong>in</strong>ce the early 1970s, <strong>in</strong>tense processes of urban restructur<strong>in</strong>g have redef<strong>in</strong>ed the social and culturalmean<strong>in</strong>g of urban liv<strong>in</strong>g and urbanity. Due to social change, <strong>in</strong>dividualisation, and pluralism of lifestyles,the terms of social <strong>in</strong>equality and socio-spatial differentiation changed <strong>in</strong> post-<strong>in</strong>dustrial society. Lifestylebecame an important determ<strong>in</strong>ant of the choice of residence. Exist<strong>in</strong>g quantitative methods for urbansocial area analysis do not reflect those profound changes. In this paper, we discuss the needs for anadequate model to analyze socio-spatial differentiation <strong>in</strong> post-<strong>in</strong>dustrial societies and propose atheoretically and empirically verified method for urban social area analysis.In the 1950s Shevsky and Bell developed the social area analysis with a view to analyz<strong>in</strong>g the structureof cities [8]. Because the analysis was designed to be applied with<strong>in</strong> the framework of <strong>in</strong>dustrial society,however, subsequent phenomena of post-<strong>in</strong>dustrial societies like the present-day pluralism of lifestyleswere not measured. Therefore the method of explorative factor ecology was broadened. The selectionof variables, which should be unambiguous and relevant, turned out to be the fundamental problem ofexplorative factor analysis. There is a tendency to deal arbitrarily with too many variables from variousdoma<strong>in</strong>s <strong>in</strong> or<strong>der</strong> to cover all relevant aspects, <strong>in</strong> which case the resultant dimensions cannot be<strong>in</strong>terpreted properly.THEORY-BASED SOCIAL AREA ANALYSISThe concept of socio-geographical spaceAs a theoretical model for the socio-spatial differentiation of urban space, we propose the concept ofsocial space envisaged by Pierre Bourdieu [1]. Social space depicts the social differentiation <strong>in</strong> societybased on the vary<strong>in</strong>g provision of social resources. Bourdieu dist<strong>in</strong>guishes between cultural capital(education and knowledge) and economic capital (<strong>in</strong>come and assets). The vertical axis of social spacestands for the total volume of capital and reflects the traditional stratification accord<strong>in</strong>g to social status.The horizontal axis represents capital structure and mirrors the contrast between a material-propertyorientated habitus and an idealistic one which is more oriented on education and knowledge. Hence it isalso known as the lifestyle axis [9].The residential segregation and socio-spatial structure of an urban area reflects the social differentiationof society <strong>in</strong> geographical space. In or<strong>der</strong> to analyse the social space of residential areas <strong>in</strong> ametropolitan area, Bourdieu’s model of «social space» is therefore re<strong>in</strong>terpreted as «socio-geographical1


9614 TH European Colloquium on Theoretical and Quantitative Geography | September 9-13, 2005 | Tomar, Portugalspace». This socio-geographical space does not illustrate the social stratification of <strong>in</strong>dividuals andclasses or groups, but rather forms the vertical stratification and horizontal differentiation of residentialareas. Therefore it is essential that the data <strong>der</strong>ive from a complete population count <strong>in</strong> small scaleresolution. Only official statistical data accomplish these requirements.Operationalisation of status and lifestyle factorsIn or<strong>der</strong> to illustrate social space accord<strong>in</strong>g to Bourdieu, variables of both the vertical and horizontaldifferentiation are required. The vertical axis <strong>in</strong> social space is relatively simple to operationalise. Socialstatus and the volume of capital can be quantified through <strong>in</strong>dicators such as «<strong>in</strong>come», «assets» and«level of education». A further significant <strong>in</strong>dicator is occupation exercised.The operationalisation of lifestyle is more complicated. The differentiation of society accord<strong>in</strong>g to lifestyleis a consequence of advanced <strong>in</strong>dividualisation and pluralisation [3]. Individualisation means thattraditional role associations, religious as well as secular collective identities and relationships, have loststability and, as a consequence, have suffered a reduction of the guid<strong>in</strong>g function they once had withregard to life concepts and practical ways of liv<strong>in</strong>g. In addition to the traditional bourgeois household,family, and liv<strong>in</strong>g ideal of the post-war era, extremely varied alternative ways of life have establishedthemselves. Thus, the degree of social <strong>in</strong>dividualisation can be def<strong>in</strong>ed as a deviation from thetraditional bourgeois lifestyle.Häussermann and Siebel characterise the post-war (bourgeois) «mo<strong>der</strong>n liv<strong>in</strong>g ideal» as liv<strong>in</strong>g <strong>in</strong> a twogenerationfamily, segregated from the work<strong>in</strong>g environment, <strong>in</strong> with the household serv<strong>in</strong>g as a privateand <strong>in</strong>timate sphere for family members. They also show that the compet<strong>in</strong>g liv<strong>in</strong>g ideals formed <strong>in</strong> thepast few decades now manifest themselves <strong>in</strong> a differentiation of residential forms [4].A further characteristic of the traditional bourgeois lifestyle is the classic allocation of roles with<strong>in</strong> thefamily with respect to housework. Family households vary strongly as regards role allocation, and theroles practiced <strong>in</strong>dicate the degree of mo<strong>der</strong>nity of the lifestyle [2]. Pfau-Eff<strong>in</strong>ger applies four gen<strong>der</strong>culturalfamily models which are differentiated on the basis of the distribution of employment and careactivity exercised by the parents [7].Table 1: gen<strong>der</strong>-cultural family models [2]Traditional bourgeois modelMo<strong>der</strong>n bourgeois modelegalitarian model oriented to employmentegalitarian model oriented to family lifewoman not <strong>in</strong> paid workman full-time,woman part-timeman full-timeboth full-timeboth part-timeAPPLICATION OF THE THEORY-BASED SOCIAL AREA ANALYSIS TO THE GREATER ZURICH AREAThe follow<strong>in</strong>g section presents an empirical implementation of the model described above us<strong>in</strong>g theGreater Zurich Area (Zurich metropolitan area) as an example. The application is adapted to conditionsspecific to Switzerland. This <strong>in</strong>cludes operationalisation by means of <strong>in</strong>dicators and variable work<strong>in</strong>gmodels based on data gathered from the Swiss population census and tax statistics. As a result of thespecific data basis and conditions particular to Switzerland, the proposed concrete application of themodel is transferable to other countries only to a limited degree.Research area and spatial unitsIn or<strong>der</strong> to allow for the fact that the city of Zurich, as a social structure, is not limited to the territorywith<strong>in</strong> its adm<strong>in</strong>istrative boundaries, the whole metropolitan area has been selected as the researcharea. The Greater Zurich Area is def<strong>in</strong>ed as a space of commercial and social <strong>in</strong>teraction, and iscont<strong>in</strong>ually re-determ<strong>in</strong>ed <strong>in</strong> accordance with the newest population censuses. There are 131<strong>in</strong>dependent municipalities with<strong>in</strong> the Greater Zurich Area, which constitute the spatial units. Due to thefact that over a third of all metropolitan area residents live <strong>in</strong> the core city, the latter was analyzed on thelevel of its 34 city districts. S<strong>in</strong>ce these districts have grown historically, they can be used as anequivalent to the municipalities.2


14 TH European Colloquium on Theoretical and Quantitative Geography | September 9-13, 2005 | Tomar, Portugal97Indicators for social status and lifestyleThe socio-geographical space model is based on the social population structure <strong>in</strong> each respectivespatial unit. Hence, only person-related aspects were consi<strong>der</strong>ed, whereas structural, <strong>in</strong>stitutional andother characteristics were disregarded. The population census carried out every ten years <strong>in</strong>Switzerland provides an ideal basis for gather<strong>in</strong>g data to quantify the factors described above.Furthermore, annual tax statistics may be used for operationalis<strong>in</strong>g the status factor. The two variablesselected were the proportion of tax payers with a high (taxable) <strong>in</strong>come of over CHF 160,000 and thosewith a low <strong>in</strong>come of CHF 30,000. In or<strong>der</strong> to measure the level of education, the proportion of 25 to 65-year-olds with university degrees was selected. An additional possibility for quantify<strong>in</strong>g the status factoris the census variable «socio-professional category», a synthetic work<strong>in</strong>g model that consists of acomb<strong>in</strong>ation of an employed person’s occupation, vocational position and level of education. The tensocio-professional categories were aggregated upwards to status-related groups. The factor analysis<strong>in</strong>cluded as variables the proportion of high-status occupations (upper-management, professionalpractice, top specialists and academics) and low-status occupations (unskilled manual and non-manualoccupations).The horizontal axis can be depicted by the type of household. Family households were measured on theproportion of children and young people un<strong>der</strong> 16 years old. Individualisation levels with respect to thetype of residence have been operationalised on the one hand through the proportion of 30 to 50-yearolds<strong>in</strong> flat-shar<strong>in</strong>g communities, through the proportion of 65-year-olds <strong>in</strong> s<strong>in</strong>gle-person households onthe other. The gen<strong>der</strong>-cultural family model accord<strong>in</strong>g to Bühler and Meier Kruker can be approachedvia the employment market status of mothers (women between 25 and 45 <strong>in</strong> households with children).A mother’s full-time occupation with the household and family is consequently allocated to thetraditional, bourgeois family model. Full-time employment <strong>in</strong>dicates an egalitarian work-related familymodel, which can be roughly divided <strong>in</strong>to two cases: Either both parents pursue an occupational careerand thus can also afford external day-care for children. Or both parents are forced to work full-timesimply to make ends meet. In the majority of cases <strong>in</strong> Switzerland where both parents have full-timejobs, the families belong to a low social class and are un<strong>der</strong>-privileged with respect to <strong>in</strong>come andeducation, i.e. this occurs due to material necessity [2]. Additional variables for operationalis<strong>in</strong>g lifestylethat were <strong>in</strong>cluded <strong>in</strong> the factor analysis were the proportion of women who put their careers first andchose not to have children (35 to 44 year old women <strong>in</strong> households without children), the proportion ofmarried persons between 20 and 30 years old and non-denom<strong>in</strong>ational persons.Table 2: Indicators of status and lifestyle, percentages and Segregation<strong>in</strong>dex (SI) 2000SI Percentagewomen between 25 and 45 <strong>in</strong> households with children occupied full-timewith household and family 11.9 22.8%fully empoyed women between 25 and 45 <strong>in</strong> households with children 11.9 18.1%children un<strong>der</strong> 16 years 10.3 16.0%30 to 50-year-olds <strong>in</strong> flat-shar<strong>in</strong>g communities 35.3 2.8%35 to 44-year-old women <strong>in</strong> households without children 17.1 34.7%over 65-year-olds <strong>in</strong> s<strong>in</strong>gle-person households 18.6 20.0%married persons between 20 and 30 years old 16.6 22.8%non-denom<strong>in</strong>ational persons 12.5 16.4%high-status occupations 19.5 14.4%low-status occupations 13.2 9.9%25 to 65-year-olds with university degrees 30.0 11.8%low (taxable) <strong>in</strong>come of un<strong>der</strong> CHF 30,000 8.5 29.3%high (taxable) <strong>in</strong>come of over CHF 160,000 21.1 11.9%Models of urban segregation usually treat ethnic diversity as an <strong>in</strong>dependent dimension of socio-spatialdifferentiation. To operationalise the ethnic dimension the variables «race» <strong>in</strong> the US and «nationality»or « place of birth» <strong>in</strong> Europe are used. The assumption is that these <strong>in</strong>dicators of ethnic affilation dividesociety across social status. Empirical studies have shown that <strong>in</strong> Switzerland this assumption is notvalid. Spatial segregation occurs because of the social stratification of the immigrants and not by ethniccommunity build<strong>in</strong>g ([5], [6]).Results of the factor analysisAn explorative factor analysis <strong>in</strong>volv<strong>in</strong>g two pre-established factors was carried out by means of theselected variables. The two extracted factors represent 72% of the variance, whereby 36.8% fall to thefirst factor and 35.2% to the second. The first factor is determ<strong>in</strong>ed by the variables «over 65-year-olds <strong>in</strong>3


9814 TH European Colloquium on Theoretical and Quantitative Geography | September 9-13, 2005 | Tomar, Portugals<strong>in</strong>gle-person households», «persons <strong>in</strong> flat-shar<strong>in</strong>g communities», «childless women» and «fullyemployed mothers» with positive factor load<strong>in</strong>g, and the variables «children and young people un<strong>der</strong> 16years old» and «full-time housewives with children» with negative factor load<strong>in</strong>g. The second factor isdeterm<strong>in</strong>ed above all by the two socio-professional occupational group variables «educationalqualifications» and «high <strong>in</strong>come». Consequently, the first factor represents lifestyle and the secondfactor, status.high-status occupationuniversity degreehigh <strong>in</strong>comenon-denom<strong>in</strong>ationalswomen without childrenflat-shar<strong>in</strong>g communitiesmothers occupied full-timewith household and familyover 65-years olds<strong>in</strong> s<strong>in</strong>gle-person householdslow <strong>in</strong>comefully empoyed motherschildren un<strong>der</strong> 16 yearsyoung marriedlow-status occupationFigure1: Factor load<strong>in</strong>gs of the factor analysisThe two variables «low <strong>in</strong>come» and «married persons between 20 and 30 years old» seem to impairthe clear <strong>in</strong>terpretation of the variables. The reason for load<strong>in</strong>g the «low <strong>in</strong>come» variable solely onto thefirst factor is that for structural reasons, groups such as students and pensioners have low <strong>in</strong>comes;therefore this variable is not clearly <strong>in</strong>terpretable for our purposes. But this aspect contributes little to themodel as it is spatially segregated to a relatively small degree. The high factor load<strong>in</strong>g of the variable«married persons between 20 and 30 years old» on the status axis shows that an early marriageappears to be the consequence of a completed education as opposed to the expression of aconsevative family ideal.Table 3: factor load<strong>in</strong>gs and communalities of factor the analysisfactor 1 factor 2 Communalityover 65-year-olds <strong>in</strong> s<strong>in</strong>gle-person households 0.87 0.17 0.84children un<strong>der</strong> 16 years -0.82 -0.39 0.86women between 25 and 45 <strong>in</strong> households withchildren occupied full-time with household and family -0.82 0.14 0.7130 to 50-year-olds <strong>in</strong> flat-shar<strong>in</strong>g communities 0.80 0.33 0.8035 to 44-year-old women <strong>in</strong> households withoutchildren 0.78 0.48 0.88fully empoyed women between 25 and 45 <strong>in</strong>households with children 0.73 -0.24 0.67low (taxable) <strong>in</strong>come of un<strong>der</strong> CHF 30,000 0.46 0.00 0.37high-status occupations 0.19 0.96 0.97low-status occupations 0.24 -0.88 0.8525 to 65-year-olds with university degrees 0.53 0.80 0.97married persons between 20 and 30 years-old -0.21 -0.80 0.74non-denom<strong>in</strong>ational persons 0.50 0.75 0.85high (taxable) <strong>in</strong>come of over CHF 160,000 -0.16 0.68 0.704


14 TH European Colloquium on Theoretical and Quantitative Geography | September 9-13, 2005 | Tomar, Portugal99Internal structure of the socio-geographical spaceThe socio-geographical space can be visualized <strong>in</strong> a chart-like illustration. Both of the differentiationaxes are used as space coord<strong>in</strong>ates, and each <strong>in</strong>dependent municipality is assigned a position <strong>in</strong> thissocio-geographical space dependent on its population. This analyz<strong>in</strong>g tool enables the recognition ofrelational connections between the spatial units and other aspects of the <strong>in</strong>dependent municipalities,moreover, city districts can also be depicted (e.g. secondary aspects, such as the percentage of foreignnationals). The municipalities and core city districts are portrayed as discs and the size of these discs isproportional to the population size. In accordance with the model described above, the x-axis can be<strong>in</strong>terpreted as the lifestyle axis and the y-axis as the status axis. The vertical position represents thesocial rank<strong>in</strong>g of the municipality or city district with<strong>in</strong> the Greater Zurich Area. Independentmunicipalities with a major proportion of high-status occupations, elevated <strong>in</strong>comes and higher-thanaverageeducational qualifications are positioned higher up, while those with a size proportion of lowstatusoccupations are positioned lower down. The horizontal axis reflects the degree of <strong>in</strong>dividualisation<strong>in</strong> residential areas. Suburban communities and city districts shaped by traditional bourgeois lifestylescharacterize the left-hand side of this space, with <strong>in</strong>dividualized lifestyles on the right.high statusnumber of <strong>in</strong>habitants:status axistraditionalbourgeoislifestyle axis<strong>in</strong>dividualisedcore city Zürichpart of the Greater Area Zurich s<strong>in</strong>ce 1950part of the Greater Area Zurich s<strong>in</strong>ce 1960part of the Greater Area Zurich s<strong>in</strong>ce 1970part of the Greater Area Zurich s<strong>in</strong>ce 1980part of the Greater Area Zurich s<strong>in</strong>ce 1990part of the Greater Area Zurich s<strong>in</strong>ce 2000low statusFigure 2: The Greater Zurich Area suburban communities and city districts with<strong>in</strong> socio-geographical spaceIn the depiction of Greater Zurich Area suburban communities and city districts with<strong>in</strong> sociogeographicalspace, the po<strong>in</strong>t <strong>in</strong> time when the outly<strong>in</strong>g townships became part of the Greater ZurichArea was added as a secondary aspect. The lighter the disc, the later the municipality became part ofthe Greater Zurich Area. Thus, the various suburban belts show, to a greater or lesser extent, theconcentric suburbanisation process of the last 50 years. A clear sequence of clustered municipalitiesand city districts accord<strong>in</strong>g to their degree of urbanisation is recognisable along the lifestyle axis. Eachof the city districts is located on the right of the lifestyle axis, and the communities <strong>in</strong> the outermostsuburban belt are nearly all positioned on the left edge of the lifestyle axis. A clear gulf exists along thelifestyle axis between the city districts and surround<strong>in</strong>g municipalities, which is crossed only by the lowstatusmunicipalities. No difference between the surround<strong>in</strong>g municipalities and the city districts isrecognisable along the status axis. These f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs are at odds with the perception of cities as the homeof senior citizen, unemployed people, apprentices, and foreigners, as well as the social marg<strong>in</strong>alisationof <strong>in</strong>ner cities.5


10014 TH European Colloquium on Theoretical and Quantitative Geography | September 9-13, 2005 | Tomar, PortugalEach of the two structur<strong>in</strong>g factors br<strong>in</strong>gs forward different regional patterns that overlap each other. Thepolarisation of the Greater Area <strong>in</strong>to low-status and high-status areas shows a sectoral pattern, with thedivid<strong>in</strong>g l<strong>in</strong>es cutt<strong>in</strong>g through the city itself as well as through all of the suburban belts. In contrast, thesegregation accord<strong>in</strong>g to lifestyles shows a pattern of concentric circles. In other words, high- and lowstatusareas can be found both <strong>in</strong> the city and <strong>in</strong> the surround<strong>in</strong>g suburban belts. Other than <strong>in</strong> the cityitself, a certa<strong>in</strong> congruence between socio-cultural and socio-economic structur<strong>in</strong>g exists <strong>in</strong> thesurround<strong>in</strong>g communities. Upper-class areas <strong>in</strong> the <strong>in</strong>ner suburban belts <strong>in</strong> particular display asignificantly lower degree of <strong>in</strong>dividualisation than residential areas with low socio-economic status.lifestyle axis 2000: values of factor 1status axis 2000: values of factor 2Figure 3: Factor values of Greater Zurich Area <strong>in</strong>dependent municipalitiesand city districts with<strong>in</strong> the geographical spaceCONCLUSIONSIn this contribution we proposed a concept of social area analysis based on the theory of social spaceby Pierre Bourdieu, which focuses on advanced <strong>in</strong>dividualization and pluralisation of post<strong>in</strong>dustrialsocieties. On the basis of periodical updated official data, social changes, as for <strong>in</strong>stance the<strong>in</strong>dividualization of lifestyles, and changes <strong>in</strong> segregation patterns, such as gentrification ordowngrad<strong>in</strong>g neighbourhoods, can be detected, analyzed and visualized.In dist<strong>in</strong>ction to Shevsky & Bell’s social area analysis the ethnic dimension is not part of the model. Theethnic dimension <strong>in</strong> the urban regions of Switzerland can be mapped by two dimensions, namely socioeconomicstatus and lifestyle. This is probably a typical pattern of European cities, <strong>in</strong> contrast to urbanareas <strong>in</strong> the United States. Another important difference consists <strong>in</strong> focuss<strong>in</strong>g explicitly oncharacteristics of the <strong>in</strong>habitants. Other aspects of urban habitats (e.g. hous<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>frastructure,environment etc.) should be treated separately and be <strong>in</strong>tegrated as <strong>in</strong>dependent factors. Thisprocedure allows to analyse the particular <strong>in</strong>fluence of these secondary variables on socio-spatialdifferentiation.The model presented here can be applied to any other European urban area, provided appropriate datais available. In other words it is suitable for comparative research and should be followed by a furtherstep with regard to the theory of contemporary European cities and metropolitan regions. As regardsfurther research we <strong>in</strong>tend to take different steps. A comparison with other Swiss cities should allow todist<strong>in</strong>guish between the general forces and the particular phenonema of socio-spatial differentiation.The second task is to analyze the <strong>in</strong>fluence of the economic structure of an urban region for <strong>in</strong>stance thedom<strong>in</strong>ance of the <strong>in</strong>dustrial, f<strong>in</strong>ancial or public sector on segregation pattern. Furthermore, there is a lotof evidence to suggest the hypothesis that the l<strong>in</strong>guistic and cultural context of a city <strong>in</strong>fluencessegregation patterns and socio-spatial differentiation <strong>in</strong> a systematic way. Particularly lifestyledifferentiation is a cultural product which is related to cultural conciousness and heritage.6


14 TH European Colloquium on Theoretical and Quantitative Geography | September 9-13, 2005 | Tomar, Portugal101REFERENCES1. Bourdieu, P., Die fe<strong>in</strong>en Unterschiede. Kritik an <strong>der</strong> gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt amMa<strong>in</strong>, 1994.2. Bühler, E. and Meier Kruker, V., Gen<strong>der</strong>ed labour arrangement <strong>in</strong> Switzerland - Structures,Cultures, Mean<strong>in</strong>gs: statistical evidence and biographical narratives. GeoJournal 56, 2002, pp 305-313.3. Giddens, A., The Consequences of Mo<strong>der</strong>nity, Stanford, 1991.4. Häussermann, H. and Siebel, W., Soziologie des Wohnens. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> Wandel undAusdifferenzierung des Wohnens, We<strong>in</strong>heim, München, 1996.5. Heye, C. and Leuthold, H., Segregation und Umzüge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt und Agglomeration Zürich 1990–2000, Zürich, 2004.6. Huissoud, T. et al., Structures et tendances de la différenciation dans les espaces urba<strong>in</strong>s enSuisse. Rapport de recherche No. 145. PNR 39 «Migrations et relations <strong>in</strong>tercultuelles», Lausanne,1999.7. Pfau-Eff<strong>in</strong>ger, B., Kultur o<strong>der</strong> Institutionen? Kulturelle und wohlfahrtsstaatlicheKontextbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Erwerbsbeteiligung von Frauen im europäischen Vergleich, Bremen,1997.8. Shefky, E. and Bell, W., Social Area Analysis. In: Theodorson, G. (Hrsg.): Studies <strong>in</strong> HumanEcology, pp. 226–235. New York, 1961.9. Vester, M. et al, Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel. Zwischen Integration undAusgrenzung, Köln, 2001.AUTHORS INFORMATIONCor<strong>in</strong>na Heyecheye@geo.unizh.chQuantitative and Social GeographyUniversity of Zurich (Irchel)Heiri Leutholdleuthold@geo.unizh.chQuantitative andSocial GeographyUniversity of Zurich (Irchel)7


Manuskript 2:Heye, C. & H. Leuthold (2006):<strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich.Konsequenzen von Suburbanisierung und ReurbanisierungIn: disP Nr. 164. Vol. 42 (1), S. 16 - 29.


10516 disP 164 · 1/2006 <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel<strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration ZürichKonsequenzen von Suburbanisierung und ReurbanisierungCor<strong>in</strong>na Heye und Heiri LeutholdDie Sozialgeograf<strong>in</strong> Cor<strong>in</strong>naHeye ist wissenschaftlicheMitarbeiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe sotomoam Geografischen Institut <strong>der</strong>Universität Zürich.Der Sozialgeograf Heiri Leutholdist wissenschaftlicher Mitarbeiter<strong>der</strong> Gruppe sotomo am GeografischenInstitut <strong>der</strong> UniversitätZürich.Abstract: Segregation with<strong>in</strong> the metropolitanarea of Zurich follows two ma<strong>in</strong> dimensions:status and lifestyle. Low-status liv<strong>in</strong>g areas areclearly segregated from high-status residentialareas located ma<strong>in</strong>ly along the Lake of Zurich.The regional distribution of immigrants doesmirror this pattern almost perfectly, i. e., highandlow-status immigrants typically share theneighborhood with their Swiss counterparts.Lifestyle and standards of liv<strong>in</strong>g create anotherimportant division between different groups ofpeople. With<strong>in</strong> the conurbation of Zurich, an almostcont<strong>in</strong>uous concentric transition from <strong>in</strong>dividualisticstyles of liv<strong>in</strong>g <strong>in</strong> its center, towardsa more family-oriented lifestyle at its peripherycan be observed.Between 1990 and 2000, the social spatial structureof the metropolitan area changed consi<strong>der</strong>ably.Above all, the status of the core city districts<strong>in</strong>creased dist<strong>in</strong>ctly compared with thesuburban areas.1. E<strong>in</strong>leitungDie räumliche Bevölkerungsdynamik <strong>in</strong> denAgglomerationen <strong>der</strong> Schweiz war zwischen1950 und 2000 von zwei wesentlichen Entwicklungengeprägt: <strong>der</strong> Suburbanisierung und <strong>der</strong>Reurbanisierung. Der Suburbanisierungsprozessist kont<strong>in</strong>uierlich fortgeschritten mit <strong>der</strong>Folge, dass die <strong>urbanen</strong> Zonen des Landes sichnicht mehr alle<strong>in</strong> auf die Kernstadtgeme<strong>in</strong>denbeschränken. Der Suburbanisierungsprozesswar mit e<strong>in</strong>em zum Teil drastischen E<strong>in</strong>wohnerrückgang<strong>in</strong> den Kernstädten verbunden.Die bekannten Folgen waren die so genannte«A-Stadt-Bildung», mit <strong>der</strong> e<strong>in</strong> überproportionalerAnteil an Alten, Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen undAuslän<strong>der</strong>n, Arbeitslosen und Auszubildenden<strong>in</strong> den Städten bezeichnet wird. Seit Mitte <strong>der</strong>1990er-Jahre wird die Suburbanisierung vone<strong>in</strong>em Reurbanisierungsprozess überlagert. DieReurbanisierung hat zu e<strong>in</strong>er sozialen Aufwertung<strong>der</strong> Innenstädte geführt und das Gesicht<strong>der</strong> Kernstädte <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Jahrzehntesstark verän<strong>der</strong>t. Beson<strong>der</strong>s ausgeprägt war dieAufwertung und Erneuerung <strong>in</strong> den <strong>in</strong>nenstadtnahenehemaligen Arbeiter- und Industriequartieren(Gentrifizierung). Sowohl <strong>der</strong> Sub- alsauch <strong>der</strong> Reurbanisierungsprozess s<strong>in</strong>d mit <strong>der</strong>Expansion und <strong>der</strong> Verdrängung bestimmter sozialerGruppen an unterschiedlichen Standortenverbunden.Das gleichzeitige Auftreten von Suburbanisierungs-und Reurbanisierungsprozessen istke<strong>in</strong>e schweizerische Eigenart, son<strong>der</strong>n ist e<strong>in</strong>generelles Phänomen, das sich <strong>in</strong> den meistenwestlichen Industriestaaten beobachtenlässt (Gaebe 1991). Der Bruch im Suburbanisierungsparadigmawestlicher Städte wird vone<strong>in</strong>igen Autoren als Ausdruck des postfordistischenRegulationsregimes (z. B. Moulaert undSwyngedouw 1989) o<strong>der</strong> von an<strong>der</strong>en Autorenals Teilprozess <strong>der</strong> polyzentrischen Metropolitanraumbildungim Zuge <strong>der</strong> Globalisierung(Taylor 2004; Sassen 1991) betrachtet. E<strong>in</strong>igs<strong>in</strong>d sich die meisten Autoren jedoch darüber,dass die sozialräumlichen Umschichtungen <strong>in</strong>den Metropolitanräumen <strong>der</strong> westlichen Grossstädteauf die Pluralisierung, Individualisierungund Flexibilisierung von Arbeitswelt und Lebensstilen<strong>in</strong> <strong>der</strong> post<strong>in</strong>dustriellen Gesellschaftzurückzuführen s<strong>in</strong>d.Während die Überlagerung von Suburbanisierungund Reurbanisierung die sozialräumlicheStrukturierung verän<strong>der</strong>t, führte dasstarke Wachstum <strong>der</strong> Pendlermobilität <strong>in</strong> denletzten Jahrzehnten zu e<strong>in</strong>er grossräumigen Segregationnach vertikalen (E<strong>in</strong>kommen, Vermögen,Bildung) und horizontalen Ungleichheiten(Nationalität, Lebensstil, biografische Situationetc.). Als Folge <strong>der</strong> besseren Verkehrserschliessungund verkürzten Reisezeiten s<strong>in</strong>d ArbeitsundWohnort heute <strong>in</strong>nerhalb von Agglomerationenweit gehend entkoppelt. Damit hat sichauch die Bevölkerungsstruktur <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>denvon ihrer Arbeitsplatzstruktur gelöst. Innerhalbdes gesamten sub<strong>urbanen</strong> Raumes f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>eArt grossräumige Quartierbildung statt, d. h.e<strong>in</strong>e funktionale Spezialisierung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den<strong>in</strong> Arbeitsplatzregionen und Wohnregionen(vgl. He<strong>in</strong>eberg 2000). Diese Quartierbildungwird unterstützt durch die Bildung von neuenDienstleistungszentren im sub<strong>urbanen</strong> Raum.Als Folge dieser Entkoppelung von Wohnen und


106Arbeiten f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e grossräumige Entmischung<strong>der</strong> Wohnbevölkerung statt, denn für die Wahldes Wohnstandortes spielt <strong>der</strong> Arbeitsort nurnoch e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Neben den verfügbarenökonomischen Ressourcen s<strong>in</strong>d unterschiedlicheWohnideale zu den zentralen Determ<strong>in</strong>anten<strong>der</strong> Wohnstandortwahl <strong>in</strong>nerhalbe<strong>in</strong>er Agglomeration geworden.Die meisten Studien zur sozialräumlichenDifferenzierung von <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> konzentrierensich auf die Quartierstruktur <strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong> politisch-adm<strong>in</strong>istrativen Grenzen e<strong>in</strong>erGrossstadt. Als Folge <strong>der</strong> Suburbanisierunghaben sich die Städte als funktionale Gebildejedoch längst weit über die politisch-adm<strong>in</strong>istrativenGrenzen <strong>der</strong> Kernstadt h<strong>in</strong>aus ausgedehnt(Sieverts 2001). Aus diesem Grund wurde<strong>in</strong> <strong>der</strong> Studie «Segregation und Umzüge <strong>in</strong> <strong>der</strong>Stadt und Agglomeration Zürich» die gesamteAgglomeration als «Stadt» betrachtet. Die hiervorgestellten Ergebnisse stammen aus dieserStudie, die von verschiedenen städtischen undkantonalen Ämtern f<strong>in</strong>anziert und begleitetwurde. Mit den Daten <strong>der</strong> Volkszählungen 1990und 2000 und ergänzenden Steuerangabenwurde die soziale Segregation (ungleiche Bevölkerungsverteilungüber den Raum) <strong>der</strong> AgglomerationZürich nach verschiedenen relevantenMerkmalen wie E<strong>in</strong>kommen, Bildung,Nationalität, Lebensstil o<strong>der</strong> biografische Situationuntersucht und sowohl quantitativ als auchkartografisch ausgewertet. In e<strong>in</strong>em weiterenSchritt wurden die Agglomerationsgeme<strong>in</strong>denund Stadtquartiere Zürichs sozialräumlich analysiert.2. Beschreibung <strong>der</strong> Segregation2.1 Die doppelte räumliche Polarisierung<strong>der</strong> AgglomerationSegregation nach sozialem StatusStatusunterschiede s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> zentraler Faktor<strong>der</strong> Segregation <strong>in</strong> <strong>urbanen</strong> Gebieten. Seit jeherlassen sich Städte <strong>in</strong> gute und schlechteAdressen e<strong>in</strong>teilen. Aus den drei untersuchtenIndikatoren E<strong>in</strong>kommen, höchster Bildungsabschlussund sozioprofessioneller Status gehthervor, dass vor allem die Ober- bzw. Unterschichtnach Status segregiert. Die Mittelschichtverteilt sich relativ ausgeglichen über die AgglomerationZürich. Die Erwerbstätigen <strong>in</strong> statushohenBerufen, die Akademiker<strong>in</strong>nen undAkademiker sowie die Steuerpflichtigen mit hohenE<strong>in</strong>kommen konzentrieren sich räumlichsehr stark. Dasselbe gilt – wenn auch <strong>in</strong> etwasabgeschwächter Form – für die Erwerbstätigen<strong>in</strong> statusniedrigen Berufen und Personen ohneabgeschlossene Ausbildung o<strong>der</strong> nur mit e<strong>in</strong>emobligatorischen Schulabschluss.Als eigentliche Oberschichtregion tritt e<strong>in</strong>länglicher Bogen, gebildet aus den Stadtquartierenam Zürichberg und den Geme<strong>in</strong>denam Pfannenstiel, hervor. Weitere, räumlich begrenzteOberschichtregionen bilden Geme<strong>in</strong>denund Stadtquartiere am l<strong>in</strong>ken Ufer desunteren Zürichseebeckens und die vier Geme<strong>in</strong>denAeugst a. A., Stallikon, Wettswil a. A.und Uitikon. In etwas abgeschwächter Formsetzt sich <strong>der</strong> Oberschichtgürtel auf <strong>der</strong> rechten,sonnigen Seite des Limmattales fort. Ihrsozialräumliches Gegenstück f<strong>in</strong>den die Oberschichtregionenauf <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken Seite des Limmattales,<strong>in</strong> Zürich Nord und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Flughafenregion.Dort konzentrieren sich Personenmit ger<strong>in</strong>ger schulischer Bildung, niedrigemsozioprofessionellem Status und ger<strong>in</strong>gen E<strong>in</strong>kommen.Relativ ausgeglichen ist die sozialeSchichtung <strong>in</strong> den eher ländlichen peri<strong>urbanen</strong>Geme<strong>in</strong>den an den Agglomerationsrän<strong>der</strong>n.Segregation nach NationalitätenDer Anteil ausländischer Personen ist im untersuchtenGebiet zwischen 1990 und 2000 von20,2 % auf 23,5 % gestiegen. Während sich dieSegregation <strong>in</strong>sgesamt nur leicht verstärkt hat,fanden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong> Nationalitätenund ihrer räumlichen Verteilung teilweisebeträchtliche Verlagerungen statt.Die Verteilung <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung<strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration ist durch e<strong>in</strong>e räumlichePolarisierung gekennzeichnet. Überdurchschnittlichhohe Auslän<strong>der</strong>anteile f<strong>in</strong>det manim Norden und im Westen <strong>der</strong> Stadt Zürich,während die Geme<strong>in</strong>den im Süden eher unterdurchschnittlicheAnteile aufweisen. Diese Teilung<strong>der</strong> Agglomeration verläuft mitten durchdie Kernstadt. So erstreckt sich e<strong>in</strong> Gürtel vonStadtquartieren und Geme<strong>in</strong>den mit hohenAuslän<strong>der</strong>anteilen von über 30 % auf <strong>der</strong> l<strong>in</strong>kenSeite des Limmattales vom Zürcher Stadtzentrumbis nach Neuenhof im Kanton Aargau. E<strong>in</strong>zweites Konzentrationsgebiet <strong>der</strong> ausländischenBevölkerung besteht <strong>in</strong> Zürich Nord und denangrenzenden Geme<strong>in</strong>den Opfikon und Regensdorf.Der Vergleich von 1990 und 2000 zeigt, dassdie ausländische Bevölkerung zunehmend an<strong>der</strong> Suburbanisierung teilnimmt. In den Innenstadtquartierens<strong>in</strong>ken die Anteile ausländischerPersonen, bef<strong>in</strong>den sich aber nach wievor auf hohem Niveau (zwischen 30 % und 45 %).Zugenommen hat <strong>der</strong> Anteil vor allem am nörd-disP 164 · 1/2006 17


10718 disP 164 · 1/2006Angehörige südeuropäischer StaatenAngehörige nord- und westeuropäischer StaatenSHAndelf<strong>in</strong>genAnteile0,0 bis 7,5 %7,5 bis 15,0 %15,0 bis 22,5 %22,5 bis 30,0 %30,0 bis 40,0 %SHAndelf<strong>in</strong>genAnteile0,0 bis 2,5 %2,5 bis 5,0 %5,0 bis 7,5 %7,5 bis 10,0 %10,0 bis 12,5 %AGBülachDielsdorfZHW<strong>in</strong>terthurTGAGDielsdorfBülachZHW<strong>in</strong>terthurTGDietikonZÜRICHDietikonZÜRICHPfäffikonUsterPfäffikonUsterAffolternMeilenHorgenH<strong>in</strong>wilSGAffolternMeilenHorgenH<strong>in</strong>wilSGAbb. 1: Komplementäre Segregationsmustervon Nord- bzw.Westeuropäern und Südeuropäern.Relative Anteile an <strong>der</strong>Gesamtbevölkerung.(Quelle: Volkszählung 2000)LUZGFreienbachSZ0 10 20 kmLUZGFreienbachSZ0 10 20 km164_Heye_Fig1.ailichen und westlichen Stadtrand sowie <strong>in</strong> denangrenzenden Gebieten im Limmattal und dengrossen Glattalgeme<strong>in</strong>den. Relativ stabil gebliebenist er am Zürichberg, <strong>in</strong> den Seegeme<strong>in</strong>den,im Knonauer Amt und im äussersten Agglomerationsgürtel.Wie 1990 stammt auch im Jahr 2000 dieüberwiegende Mehrheit <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung(rund 85 %) aus europäischen Län<strong>der</strong>n.Den grössten Anteil stellen dabei Personenaus südeuropäischen Staaten. In <strong>der</strong>Dekade von 1990 bis 2000 haben sich die Gewichte<strong>in</strong>nerhalb dieser Staatengruppe jedochmarkant verschoben. Die traditionellen Rekrutierungslän<strong>der</strong>für Gastarbeiter (Italien undSpanien) haben e<strong>in</strong>e starke Abnahme zu verzeichnenund stellen 2000 nur noch rund e<strong>in</strong>enViertel aller Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Auslän<strong>der</strong>.Dieser Abnahme liegen ger<strong>in</strong>gere E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung,Rückwan<strong>der</strong>ung und E<strong>in</strong>bürgerungen zugrunde.Im gleichen Zeitraum hat sich als Folge<strong>der</strong> Bürgerkriege <strong>der</strong> Anteil von Personenaus den Staaten des ehemaligen Jugoslawienmehr als verdoppelt. Im Jahr 2000 stammt jedevierte ausländische Person aus dieser Region.Die Zahl <strong>der</strong> portugiesischen Staatsanghörigenhat um die Hälfte zugenommen. E<strong>in</strong> zunehmendesGewicht erhalten Personen aus dennord- und westeuropäischen Staaten, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eDeutschland, <strong>der</strong>en Anteil um rund e<strong>in</strong>enViertel gestiegen ist.Die unterschiedlichen Nationengruppen,die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich leben, verteilensich ungleich über den Raum. So konzentriertsich die südeuropäische Bevölkerung mitsehr hohen Anteilen von bis zu 40 % an <strong>der</strong>Gesamtbevölkerung <strong>in</strong> den l<strong>in</strong>ks-ufrigen Limmattalgeme<strong>in</strong>denund mit etwas ger<strong>in</strong>gerenAnteilen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Flughafenregion. Personen ausnord- und westeuropäischen Län<strong>der</strong>n leben dagegenvor allem am Zürichberg und <strong>in</strong> den südlichan Zürich angrenzenden Geme<strong>in</strong>den amSeeufer. In diesem Segregationsmuster kommte<strong>in</strong>e räumliche Polarisierung <strong>der</strong> Agglomerationzum Ausdruck. In den Regionen mit e<strong>in</strong>emhohen Anteil an ausländischen Personen stammendiese überwiegend aus südeuropäischenLän<strong>der</strong>n, <strong>in</strong> Regionen mit e<strong>in</strong>em vergleichsweisetiefen Anteil stammen sie mehrheitlich ausNord- und Westeuropa.«Doppelte» Polarisierung –nach Status und NationalitätenDiese annähernd komplementären Segregationsmustervon Personen aus Südeuropa undNordwesteuropa s<strong>in</strong>d praktisch deckungsgleichmit <strong>der</strong> Segregation nach sozialem Status (vgl.Abbildungen 1 und 5). In dieser Korrelationvon Status und Nationalitäten zeigt sich e<strong>in</strong>e«doppelte» sozialräumliche Polarisierung <strong>der</strong>Agglomeration. Die Unterschichtregionen habendie höchsten Anteile ausländischer Bevölkerung,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von Personen aus südeuropäischenStaaten. Die Oberschichtregionenhaben ger<strong>in</strong>ge Anteile ausländischer Bevölkerungund die dort ansässigen ausländischen


108Personen stammen hauptsächlich aus nordundwesteuropäischen Staaten. Der Grund fürdiese doppelte Polarisierung liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> unterschiedlichenSozialstruktur, die sich aus denspezifischen Migrationsgründen und Migrationszielen<strong>der</strong> verschiedenen Nationengruppenherleitet. Während Angehörige südeuropäischerStaaten im Durchschnitt über e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gerensozioprofessionellen Status verfügen als dieschweizerische Bevölkerung, s<strong>in</strong>d Personen ausNord- und Westeuropa im Durchschnitt besserqualifiziert (vgl. Huissod et al. 1999; Heye,Leuthold 2004).Die Segregation <strong>der</strong> Nationengruppen, die<strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich beobachtet werdenkann, ist demzufolge nicht Ausdruck e<strong>in</strong>esethnischen community build<strong>in</strong>g, wie es beispielsweisefür US-amerikanische Grossstadtregionentypisch ist, son<strong>der</strong>n hat ihre Ursache<strong>in</strong> <strong>der</strong> unterschiedlichen sozialen Zusammensetzung<strong>der</strong> verschiedenen Nationengruppen.Betrachtet man die Segregationsmuster <strong>der</strong> verschiedenenNationengruppen aufgelöst nachsozialem Status, so zeigt sich, dass die Personenaus Südeuropa <strong>in</strong> statushohen Berufene<strong>in</strong> sehr ähnliches Segregationsmuster zeigenwie Personen aus Nord- und Westeuropa sowiedie Schweizer<strong>in</strong>nen und Schweizer <strong>in</strong> denselbenStatusgruppen (Heye, Leuthold 2004).2.2. Suburbanisierung <strong>der</strong> ÜberalterungDie Stadtflucht und Suburbanisierung hattee<strong>in</strong>schneidende Auswirkungen auf die Altersverteilung<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Agglomeration. Es waren<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel jüngere Leute, meist mit Fa-disP 164 · 1/2006 19Ältere Betagte: 80 Jahre und älter10.0 %1990 20007.5 %5.0 %2.5 %0 %Altstadt1.Gü.2.Gü. 3.Gü. 4.Gü. 5.Gü. 6.Gü. KernstadtInnenstadtStadtrandUmlandJüngere Betagte: zwischen 65 und 79 Jahren20 %1990 200015 %10 %5 %0 %AltstadtInnenstadtStadtrand1.Gü.2.Gü. 3.Gü. 4.Gü. 5.Gü. 6.Gü. KernstadtUmlandAbb. 2: Betagte nach Agglomerationsgürteln.Relative Anteilebezogen auf die Gesamtbevölkerung1990 und 2000.


10920 disP 164 · 1/200630 bis 49-Jährige <strong>in</strong> E<strong>in</strong>personenhaushalten70 %60 %1990 200050 %40 %30 %20 %10 %Altstadt1.Gü.2.Gü. 3.Gü. 4.Gü. 5.Gü. 6.Gü. KernstadtInnenstadtStadtrandUmland30 bis 49-Jährige <strong>in</strong> Familienhaushalten70 %60 %1990 200050 %40 %30 %20 %10 %Altstadt1.Gü.2.Gü. 3.Gü. 4.Gü. 5.Gü. 6.Gü. KernstadtInnenstadtStadtrandUmland30 bis 49-Jährige <strong>in</strong> Wohngeme<strong>in</strong>schaften10.0 %1990 20007.5 %5.0 %2.5 %Abb. 3: Ausgewählte Haushaltsformennach Agglomerationsgürteln.Altstadt1.Gü.2.Gü. 3.Gü. 4.Gü. 5.Gü. 6.Gü. KernstadtInnenstadtStadtrandUmland


110milie, die aus <strong>der</strong> Kernstadt <strong>in</strong>s Umland zogen.Für Kernstädte hatte <strong>der</strong> Wegzug <strong>der</strong> jungenBevökerungsgruppen e<strong>in</strong>e Überalterung ihrerBevölkerung zur Folge. Im Zehnjahresvergleich1990/2000 hat sich das Gefälle zwischen «überalterterStadt» und «jungem Umland» jedochverr<strong>in</strong>gert (vgl. Abbildung 2). Der Anteil ältererPersonen an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung ist <strong>in</strong> <strong>der</strong>Stadt gesunken, <strong>in</strong> den Agglomerationsgeme<strong>in</strong>dendagegen gewachsen. Die am stärksten überaltertenGebiete <strong>der</strong> gesamten Agglomerations<strong>in</strong>d heute nicht mehr die Stadtquartiere, son<strong>der</strong>ndie stadtnahen Geme<strong>in</strong>den an den Uferndes Zürichsees. Beson<strong>der</strong>s stark zurückgegangenist die Überalterung <strong>in</strong> den Innenstadt-Quartieren. Die Innenstadtkreise 1, 4 und 5s<strong>in</strong>d heute von <strong>der</strong> Aktivbevölkerung dom<strong>in</strong>iert,mit vergleichsweise wenig älteren Personen, Jugendlichenund K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.2.3. HaushaltsformenAls Folge <strong>der</strong> Individualisierung und Pluralisierung<strong>der</strong> Gesellschaft haben sich die Wohn- und<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Haushaltsformen stark ausdifferenziert.Häussermann und Siebel (1996)charakterisieren das (bürgerlich-)«mo<strong>der</strong>neWohnideal» <strong>der</strong> Nachkriegszeit als Wohnen <strong>in</strong><strong>der</strong> Zweigenerationenfamilie, getrennt von <strong>der</strong>Arbeitswelt, bei dem die Wohnung als PrivatundIntimsphäre <strong>der</strong> Familienmitglie<strong>der</strong> dient.In den vergangenen Jahrzehnten haben sich alternativeund konkurrierende Wohnideale ausgebildet.Die Individualisierung des Wohnens manifestiertsich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er generellen Zunahme <strong>der</strong>E<strong>in</strong>personenhaushalte <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Agglomeration.Dennoch bleibt <strong>der</strong> E<strong>in</strong>personenhaushalte<strong>in</strong> urbanes Phänomen. Das Gefällezwischen <strong>der</strong> Innenstadt (rund e<strong>in</strong> Drittel aller30- bis 49-Jährigen wohnt <strong>in</strong> E<strong>in</strong>personenhaushalten)und den Agglomerationsrän<strong>der</strong>n (rund15 %) ist auch im Jahr 2000 gross. Umgekehrt ist<strong>der</strong> Familienhaushalt <strong>in</strong> den äusseren Agglomerationsgürtelnimmer noch die dom<strong>in</strong>ierendeWohnform dieser Altersgruppe. E<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>sausgeprägter Konzentrationsprozess hat beimHaushaltstyp «Wohngeme<strong>in</strong>schaft» stattgefunden.Es zeigt sich, dass sich die Wohngeme<strong>in</strong>schaftals Lebensform im vergangenen Jahrzehntzu e<strong>in</strong>er praktisch ausschliesslich <strong>in</strong>nenstädtischenLebensform entwickelt hat. In <strong>der</strong>Alt- und Innenstadt ist ihr Anteil stark angestiegenund im Umland dagegen <strong>in</strong> gleichem Massegesunken. Die Stadtquartiere Escher Wyss,Langstrasse, Gewerbeschule und Werd s<strong>in</strong>d dieeigentlichen Domänen <strong>der</strong> Wohngeme<strong>in</strong>schaftals Lebensform. Mehr als 10 % aller 30- bis 49-Jährigen leben dort <strong>in</strong> Wohngeme<strong>in</strong>schaften.Dabei darf nicht vergessen werden, dass auchviele jüngere Personen <strong>in</strong> Ausbildung dieseForm des Zusammenlebens wählen.3. Agglomeration Zürichim sozialgeografischen Raum3.1 Modellkonstruktion dessozialgeografischen RaumesAls Modellvorlage dient <strong>der</strong> soziale Raum nachPierre Bourdieu (1994). Der soziale Raum bildetdie soziale Differenzierung <strong>der</strong> Gesellschaftaufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen Ausstattungmit gesellschaftlichen Ressourcen ab. Eswird dabei zwischen kulturellem Kapital (Bildungund Wissen) und ökonomischem Kapital(E<strong>in</strong>kommen und Vermögen) unterschieden.Die vertikale Achse des sozialen Raumes wirddurch das Gesamtkapitalvolumen gebildet undgibt die herkömmliche Schichtung nach sozialemStatus wie<strong>der</strong>. Die horizontale Achse stehtfür die Kapitalstruktur und wi<strong>der</strong>spiegelt denGegensatz zwischen e<strong>in</strong>em materiell-eigentumsorientiertenHabitus und e<strong>in</strong>em ideell-bildungsorientiertenHabitus. Diese horizontale Achsewird auch als Lebensstilachse o<strong>der</strong> Differenzierungsachsebezeichnet, da sich auf ihr beson<strong>der</strong>sdie Milieus <strong>der</strong> Mittel- und Oberschicht<strong>in</strong> verschiedene so genannte Klassenfraktionenglie<strong>der</strong>n lassen (Vester et al. 2001). WährendBourdieu (1991) die Projektion des sozialenRaumes als Segregationsmuster im physischenRaum theoretisch formuliert und nur exemplarischausführt, konnten verschiedene Studienaus Deutschland und <strong>der</strong> Schweiz zeigen, dasssich die soziale Differenzierung nach Lebensstilenund nach Status <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialgeografischenStruktur von <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> wie<strong>der</strong> f<strong>in</strong>det(Dangschat 1990; Leuthold 1999; Klee 2001;Hermann, Leuthold 2002).Zur Analyse <strong>der</strong> sozial-räumlichen Umschichtung<strong>der</strong> Agglomeration wird analog zumsozialen Raum nach Bourdieu e<strong>in</strong> «sozialgeografischerRaum» modelliert. Dieser sozialgeografischeRaum bildet nicht die soziale Schichtungvon Individuen bzw. Klassen o<strong>der</strong> Gruppenab, son<strong>der</strong>n modelliert die vertikale Stratifikationund die horizontale Ausdifferenzierung vonWohnmilieus. Die vertikale Achse steht für densozialen Status, die horizontale Achse für dieAusdifferenzierung nach Lebensstilen.disP 164 · 1/2006 21


11122 disP 164 · 1/2006 Zur Charakterisierung von Wohnquartierenund Wohnmilieus nach Lebensstilen wird dasKonzept <strong>der</strong> gesellschaftlichen Individualisierungverwendet . Die gesellschaftliche Individualisierungwird generell als Loslösung vontraditionellen B<strong>in</strong>dungen, Normen, Rollenverständnissenund Identitäten verstanden (Beck1986; Hradil 2003). Im Bezug auf die LebensundHaushaltsformen heisst «gesellschaftlicheIndividualisierung» Loslösung von <strong>der</strong> traditionellbürgerlichen Lebensform und H<strong>in</strong>wendungzu alternativen Lebensformen. Das betrifftzum e<strong>in</strong>en die Abkehr vom Wohnideal <strong>der</strong>Industriemo<strong>der</strong>ne (Häussermann, Siebel 1996)und damit die Pluralisierung <strong>der</strong> Wohnformen.Zum an<strong>der</strong>en zeigt sich die Individualisierung<strong>der</strong> Lebensformen auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Loslösung vomtraditionell-bürgerlichen Familienmodell, fürdas e<strong>in</strong>e strikte Rollenteilung zwischen denGeschlechtern konstitutiv ist (vgl. Hradil 1995,2003; Pfau-Eff<strong>in</strong>ger 1997).3.2 OperationalisierungDamit das theoretische Konzept auf die AgglomerationZürich angewendet werden konnte,mussten die Dimensionen «sozialer Status» und«Individualisierungsgrad» mit Indikatoren ausden Datenquellen <strong>der</strong> amtlichen Statistik operationalisertwerden.Die vertikale Achse, d. h. <strong>der</strong> soziale Statuslässt sich durch die Indikatoren «E<strong>in</strong>kommen»,«Bildungsniveau» und die Stellung imErwerbsprozess relativ direkt abbilden. Die horizontaleAchse muss durch mehrere Hilfskonstrukteerschlossen werden. Der Grad <strong>der</strong> gesellschaftlichenIndividualisierung lässt sich alsAbweichung vom traditionellen bürgerlichenLebensstil def<strong>in</strong>ieren. Mit Rückgriff auf dieAusdifferenzierung und Individualisierung desWohnens nach Häussermann und Siebel (1996)dienen als erste Indikatorengruppe die Anteileverschiedener Haushaltsformen zur Beschreibungdes Individualisierungsgrades. Als zweiteIndikatorengruppe wurden die Rollenmodelleund -verständnisse zwischen Eltern <strong>in</strong> Familienhaushaltenverwendet. Die Aufteilung vonErwerbs- und Familienarbeit zwischen den Geschlechternweist auf den Mo<strong>der</strong>nitätsgrad desLebensstils h<strong>in</strong> (Bühler 2001). Nach Pfau-Eff<strong>in</strong>ger(1997) können vier geschlechterkulturelleFamilienmodelle aufgrund <strong>der</strong> Aufteilung vonErwerbstätigkeit und Betreuungsarbeit von Elternunterschieden werden.Die geschlechterkulturellen Familienmodellegehen zwar nicht direkt aus den Volkszählungsdatenhervor, können aber über den Erwerbsstatusvon Müttern (Frauen zwischen 25und 45 <strong>in</strong> Haushalten mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n) angenähertwerden. Die Vollzeitbeschäftigung e<strong>in</strong>er Muttermit Haus- und Familienarbeit ist dabei demtraditionell-bürgerlichen Familienmodell zuzuordnen.Die Vollzeiterwerbstätigkeit weist aufdas egalitär-erwerbsbezogene Familienmodellh<strong>in</strong>. Es lassen sich dabei grob zwei Fälle unterscheiden:Entwe<strong>der</strong> verfolgen beide Elternteilee<strong>in</strong>e berufliche Karriere und haben dadurchauch die Ressourcen, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> fremd betreuenzu lassen, o<strong>der</strong> beide Elternteile müssen ausmateriellen Gründen e<strong>in</strong>er Vollzeiterwerbsarbeitnachgehen. Bühler (2001) weist darauf h<strong>in</strong>,dass die doppelte Vollzeiterwerbstätigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong>Schweiz mehrheitlich von unterprivilegiertenBevölkerungsschichten praktiziert wird, d. h.aus Gründen <strong>der</strong> materiellen Notwendigkeit.Des Weiteren wurden zur Operationalisierungdes Individualisierungsgrades die VariablenAnteil an k<strong>in</strong><strong>der</strong>losen Frauen, Anteil <strong>der</strong>Verheirateten zwischen 20 und 30 Jahren und<strong>der</strong> Konfessionslosen verwendet.3.3 FaktorenanalyseMit den gebildeten Variablenkonstrukten wurdee<strong>in</strong>e explorative Faktorenanalyse mit vorherigerFestlegung auf zwei Dimensionen durchgeführt.Durch e<strong>in</strong>e anschliessende Varimax-Rotationwurden die Faktoren bestmöglich <strong>in</strong> die Punktwolkegelegt, um e<strong>in</strong>e möglichst e<strong>in</strong>fach strukturierteund damit <strong>in</strong>haltlich <strong>in</strong>terpretierbareLösung zu erhalten. Die beiden extrahiertenFaktoren erklären 72,0 % <strong>der</strong> Varianz, wobei aufTraditionelles bürgerliches ModellMo<strong>der</strong>nisiertes bürgerliches ModellFrau: nicht erwerbstätigMann: Vollzeit erwerbstätigFrau: Teilzeit erwerbstätigMann: Vollzeit erwerbstätigTab. 1: GeschlechterkulturelleFamilienmodelle (nach Bühler2001).Egalitär-erwerbsbezogenens ModellEgalitär-familienbezogenes ModellMann und Frau: Vollzeit erwerbstätigFrau und Mann: Teilzeit erwerbstätig


112Def<strong>in</strong>ition* Anteil Segregations<strong>in</strong>dexdisP 164 · 1/2006 2325- bis 44-jährige Hausfrauen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n 22,8 % 11,925- bis 44-jährige vollerwerbstätige Frauen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n 18,1 % 11,9LebensstilK<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche unter 16 Jahren 16,0 % 10,330- bis 50-jährige <strong>in</strong> Wohngeme<strong>in</strong>schaften 2,8 % 35,335- bis 44-jährige Frauen ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> 34,7 % 17,1Über 65-jährige <strong>in</strong> E<strong>in</strong>personenhaushalten 20,0 % 18,6Verheiratete zwischen 20 und 30 Jahren 22,8 % 16,625 bis 65-jährige Konfessionslose 16,4 % 12,5Erwerbstätige <strong>in</strong> statushohen Berufen 14,4 % 19,5StatusErwerbstätige <strong>in</strong> statusniedrigen Berufen 9,9 % 13,225 bis 65-jährige mit Universitätsabschluss 11,8 % 30,0Niedrige E<strong>in</strong>kommen (Steuerpflichtige mit e<strong>in</strong>em steuerbarenE<strong>in</strong>kommen von weniger als 30000 CHF) 29.3 % 8.5Hohe E<strong>in</strong>kommen (Steuerpflichtige mit e<strong>in</strong>em steuerbarenE<strong>in</strong>kommen von mehr als 160000 CHF) 4,1 % 29,7* Da Lebensstile e<strong>in</strong>e stark biografische Komponente haben, können aufgrund <strong>der</strong> regional unterschiedlichenAltersstruktur Verzerrungen entstehen. Um die Gefahr von solchen Bias auszuschalten wurden, die Variablenkonstruktenur auf die relevante Altersgruppe bezogen berechnet.Tab. 2: Prozentuale Anteileund Segregations<strong>in</strong>dizes <strong>der</strong>gebildeten Konstrukte.Faktor 1 Faktor 2 KommunalitätÜber 65-jährige <strong>in</strong> E<strong>in</strong>personenhaushalten 0,87 0,17 0,84K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche unter 16 –0,82 –0,39 0,8625- bis 44-jährige Hausfrauen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n –0,82 0,14 0,7130- bis 50-jährige <strong>in</strong> Wohngeme<strong>in</strong>schaften 0,80 0,33 0,8035- bis 44-jährige Frauen ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> 0,78 0,48 0,8825- bis 44-jährige vollerwerbstätige Mütter 0,73 –0,24 0,67Niedrige E<strong>in</strong>kommen 0,46 0,00 0,37Erwerbstätige <strong>in</strong> statushohen Berufen 0,19 0,96 0,97Erwerbstätige <strong>in</strong> statusniedrigen Berufen 0,24 –0,88 0,8525 bis 65-jährige mit Universiätsabschluss 0,53 0,80 0,97Verheiratete zwischen 20 und 30 –0,21 –0,80 0,7425 bis 65-jährige Konfessionslose 0,50 0,75 0,85Hohe E<strong>in</strong>kommen –0,16 0,68 0,70Erklärte Varianz 36,8 % 35,2 %Tab. 3: Faktorladungen undKommunalitäten <strong>der</strong> verwendetenVariablen.den ersten Faktor 36,8 % und auf den zweitenFaktor 35,2 % entfallen.Die Ladungen <strong>der</strong> verschiedenen Variablenauf den beiden Faktoren (vgl. Tabelle 3) zeigene<strong>in</strong> recht deutliches Bild. Mit zwei Ausnahmenladen alle Indikatoren des Individualisierungsgradeshoch auf dem ersten Faktor. Die Variablen«über 65-Jährige <strong>in</strong> E<strong>in</strong>personenhaushalten»,«Personen <strong>in</strong> Wohngeme<strong>in</strong>schaften»,«k<strong>in</strong><strong>der</strong>lose Frauen» sowie «vollerwerbstätigeMütter» haben positive Faktorenladungen unddie Variablen «K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche unter16 Jahre» sowie «Vollzeit Hausfrauen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n»negative Faktorenladungen. Hohe Faktorenwertezeigen demnach e<strong>in</strong>en hohen Individualisierungsgradan, tiefe Faktorenwerte


11324 disP 164 · 1/2006 verweisen auf die Dom<strong>in</strong>anz <strong>der</strong> bürgerlich-traditionellenLebensweise. Der zweite Faktor wirdvor allem durch die beiden Variablen des sozioprofessionellenStatus, «Universitätsabschluss»und «hohe E<strong>in</strong>kommen» bestimmt und repräsentiertden sozialen Status.Die beiden Variablen «niedrige E<strong>in</strong>kommen»und «Verheiratete zwischen 20 und 30»sche<strong>in</strong>en die e<strong>in</strong>deutige Interpretation <strong>der</strong> Faktorenzu bee<strong>in</strong>trächtigen. Die alle<strong>in</strong>ige Ladung<strong>der</strong> Variablen «niedrige E<strong>in</strong>kommen» auf demersten Faktor ist dar<strong>in</strong> begründet, dass Personengruppenwie Studenten und Rentner ausstrukturellen Gründen über ger<strong>in</strong>ge E<strong>in</strong>kommenverfügen und damit diese Variable nicht<strong>in</strong> unserem S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>deutig <strong>in</strong>terpretierbar ist.Allerd<strong>in</strong>gs ist dieses Merkmal nur schwach segregiertund trägt wenig zum Modell bei (Kommunalität= 0,37).Die hohe Faktorenladung <strong>der</strong> Variable «Verheiratetezwischen 20 und 30» auf <strong>der</strong> Statusachsezeigt, dass e<strong>in</strong>e frühe Heirat Folge <strong>der</strong>absolvierten Ausbildung und nicht so sehr Ausdrucke<strong>in</strong>es bürgerlichen Familienideals zu se<strong>in</strong>sche<strong>in</strong>t. Ebenso korreliert die Konfessionslosigkeitvor allem mit <strong>der</strong> Bildung und nur im ger<strong>in</strong>gerenMasse mit dem Lebensstil.3.4 ErgebnisseDie beiden modellierten Faktoren «sozialer Status»und «Individualisierungsgrad» bilden statistischunabhängige Dimensionen und könnendaher als Koord<strong>in</strong>atenachsen für die grafischeDarstellung des sozialgeografischen Raumesverwendet werden. Mit Hilfe <strong>der</strong> Faktorenwertekönnen die Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den undStadtquartiere gemäss ihrer Bevölkerungszusammensetzungim sozialgeografischen Raumpositioniert werden. Je weiter oben im Raume<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Quartier liegt, destohöher ist im Durchschnitt <strong>der</strong> Status <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohner<strong>in</strong>nenund E<strong>in</strong>wohner. Je weiter rechtse<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Quartier liegt, umsomehr Leute leben dort <strong>in</strong> <strong>in</strong>dividualisierten Verhältnissen.Damit lassen sich die relationalenBezüge zwischen den Raume<strong>in</strong>heiten erkennenund <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt auch Verschiebungenund Verän<strong>der</strong>ung über die Zeit darstellen.Segregationsmuster nachLebensstil und StatusIn <strong>der</strong> unten stehenden Darstellung des sozialgeografischenRaumes wurde als sekundäresMerkmal die Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>em Vorortsgürtel<strong>der</strong> Agglomeration dargestellt (vgl. Abbildung6). Die Vorortsgürtel bilden mehr o<strong>der</strong>weniger konzentrische Zonen von Geme<strong>in</strong>den,die im selben Jahrzehnt aufgrund <strong>der</strong> jeweiligenVolkszählung zur Agglomeration gerechnetwurden. Je heller e<strong>in</strong>e Kreisscheibe ist, destospäter kam die Geme<strong>in</strong>de zur Agglomerationh<strong>in</strong>zu.Die Darstellung zeigt e<strong>in</strong>en klaren Stadt-Umland-Gradienten entlang <strong>der</strong> Lebensstilachse.Zwischen den Stadtquartieren und Umlandgeme<strong>in</strong>denist entlang <strong>der</strong> Lebensstilachse e<strong>in</strong>Graben erkennbar, <strong>der</strong> nur bei den statusniedrigenGeme<strong>in</strong>den überwunden wird. SämtlicheKernstadtquartiere bef<strong>in</strong>den sich auf <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividualisiertenSeite <strong>der</strong> Lebensstilachse, währenddie Geme<strong>in</strong>den des äussersten Vorortgürtels fastgänzlich am traditionell-bürgerlichen Rand <strong>der</strong>Lebensstilachse zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. Der Gradientvon Zentrum und Peripherie setzt sich auch <strong>in</strong><strong>der</strong> Kernstadt fort. Den höchsten Individualisierungsgradweisen die Grün<strong>der</strong>zeitquartiereund die mittelalterliche Altstadt im Zentrumauf. Die neueren Quartiere am Stadtrand liegenweiter l<strong>in</strong>ks. Es zeigt sich damit sehr deutliche<strong>in</strong>e Korrelation zwischen dem Urbanisierungsgrade<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de und dem Individualisierungsgrad.Entlang <strong>der</strong> Statusachse ist dagegenke<strong>in</strong> Unterschied zwischen Umlandgeme<strong>in</strong>denund Stadtquartieren erkennbar. Es gibt alsogleichermassen statushohe Stadtquartiere undAgglomerationsgeme<strong>in</strong>den, wie es auch statusniedrigeStadtquartiere und Agglomerationsgeme<strong>in</strong>dengibt.Betrachtet man die Faktorenwerte im regionalenBezug, zeigt sich deutlich, dass die beidenStrukturierungsdimensionen je verschiedeneregionale Muster hervorbr<strong>in</strong>gen, die sich gegenseitigüberlagern. Die Polarisierung <strong>der</strong> Agglomeration<strong>in</strong> statusniedrige und statushoheRegionen zeigt e<strong>in</strong> sektorales Muster. Die Sektorendurchlaufen die Kernstadt gleichermassenwie sämtliche Agglomerationsgürtel. DieSegregation nach Lebensstilen dagegen zeigte<strong>in</strong> Muster von konzentrischen Kreisen. Darausergeben sich e<strong>in</strong>erseits städtische, an<strong>der</strong>erseitssuburbane statusniedrige Regionen sowiestatushohe Wohngebiete <strong>in</strong> <strong>der</strong> Innenstadt wieauch <strong>in</strong> den Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den.Entwicklung zwischen 1990 und 2000Um die Verän<strong>der</strong>ung des sozialräumlichen Gefügesabzubilden, wurden für die Geme<strong>in</strong>denund Quartiere die Faktorenwerte mit den Anteilenvon 1990 gerechnet. Um die Vergleichbarkeitzu gewährleisten, wurden dabei die Modellparameterdes sozialgeografischen Raumeskonstant gehalten. In Abbildung 6 s<strong>in</strong>d die Ver-


114disP 164 · 1/2006 25statushoch50 00025 00010 0001 000StatusachsebürgerlichtraditionellLebensstilachse<strong>in</strong>dividualisiertKernstadt ZürichErster VorortgürtelZweiter VorortgürtelDritter VorortgürtelVierter VorortgürtelFünfter VorortgürtelSechster VorortgürtelstatusniedrigAbb. 4: Verteilung <strong>der</strong> ZürcherAgglomerationsgeme<strong>in</strong>den und<strong>der</strong> Stadtquartiere im sozialgeografischenRaum nach Grösseund Vorortgürteln 2000.164_Heye_Fig4.aiLebensstilachse (X-Werte) 2000Statusachse (Y-Werte) 2000SHAndelf<strong>in</strong>genQu<strong>in</strong>tilen–1,4 bis –0,7–0,7 bis –0,4–0,4 bis 0,10,1 bis 0,60,6 bis 3,2SHAndelf<strong>in</strong>genQu<strong>in</strong>tilen–2,0 bis –0,7–0,7 bis –0,4–0,4 bis 0,10,1 bis 0,80,8 bis 3,4AGBülachDielsdorfZHW<strong>in</strong>terthurTGAGBülachDielsdorfZHW<strong>in</strong>terthurTGDietikonZÜRICHDietikonZÜRICHPfäffikonUsterPfäffikonUsterAffolternHorgenMeilenH<strong>in</strong>wilSGAffolternHorgenMeilenH<strong>in</strong>wilSGLUZGFreienbachSZ0 10 20 kmLUZGFreienbachSZ0 10 20 kmAbb. 5: Faktorwerte <strong>der</strong> ZürcherAgglomerationsgeme<strong>in</strong>den undZürcher Stadtquartiere 2000.164_Heye_Fig5.ai


11526 disP 164 · 1/2006StatusFlunternAbb. 6: Bewegungen <strong>der</strong> ZürcherAgglomerationsgeme<strong>in</strong>denund Zürcher Stadtquartiere imFaktorenraum zwischen 1990und 2000.OberstrassHott<strong>in</strong>genUitikonHerrlibergL<strong>in</strong>denhofHirslandenKüsnachtRathaus SeefeldZollikonEngeHochschulenWitikonOberriedenUnterstrassBrüttenHönggGreifenseeArni Boppelsen ThalwilWollishofen Wipk<strong>in</strong>gen WerdAlt-WiedikonOerlikonEscher WyssLebensstilGewerbeschuleLeimbachSihlfeldAlbisriedenLangstrasseFriesenbergOpfikonSeebachAltstettenDietikonSchwamend<strong>in</strong>gen MitteSchlierenHöri SaatlenHardHirzenbachZürcher StadtquartiereSpreitenbachAgglomerationsgeme<strong>in</strong>denPosition 1990 Position 2000än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den und Stadtquartieredargestellt. Die Kreisscheibe markiert die Positionim Jahr 2000, die graue L<strong>in</strong>ie zeigt den«Weg», den die Raume<strong>in</strong>heit zwischen 1990 und2000 zurückgelegt hat.Vergleicht man die Positionen <strong>der</strong> Quartiereund Geme<strong>in</strong>den von 1990 und 2000, dann fallenzwei Entwicklungstendenzen <strong>in</strong>s Auge. Zume<strong>in</strong>en weisen die meisten Agglomerationsgeme<strong>in</strong>dene<strong>in</strong>e starke Rechtsbewegung auf. Hierkommt e<strong>in</strong> gesamtgesellschaftlicher Trend <strong>der</strong>Individualisierung und Auflösung <strong>der</strong> traditionellenFamilienstrukturen zum Ausdruck. Zuman<strong>der</strong>en zeichnet sich e<strong>in</strong> Grossteil <strong>der</strong> Stadtquartieredurch e<strong>in</strong>e kräftige Aufwärtsbewegungaus. Insbeson<strong>der</strong>e die Innenstadtquartierehaben ihr soziales Profil stark verän<strong>der</strong>t undihren sozialen Status erhöht. In dieser sozialenAufwertung <strong>der</strong> Innenstadt kommen <strong>der</strong> Reurbanisierungsprozess<strong>der</strong> 1990er-Jahre und dieteilweise Gentrifizierung <strong>der</strong> grün<strong>der</strong>zeitlichenQuartiere <strong>der</strong> Stadt Zürich zum Ausdruck.Die soziale Aufwertung <strong>der</strong> Innenstadt hat<strong>in</strong> den letzten Jahren zu e<strong>in</strong>er Verschiebung <strong>der</strong>Statushierarchie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürichgeführt. Die Regionen am unteren Ende <strong>der</strong>Statusachse bef<strong>in</strong>den sich heute nicht mehr <strong>in</strong><strong>der</strong> Innenstadt, son<strong>der</strong>n am Stadtrand und <strong>in</strong>Teilen <strong>der</strong> Agglomeration. Der statusniedrigePol wird von den Quartieren <strong>in</strong> Zürich Nord mitden Geme<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Flughafenregion und denGeme<strong>in</strong>den (Schlieren, Dietikon und Spreitenbach)und Stadtquartieren (Altstetten, Hard undAlbisrieden) im Limmattal besetzt.4. FazitDie Analyse <strong>der</strong> Segregation <strong>in</strong> <strong>der</strong> AgglomerationZürich hat gezeigt, dass die räumlich-sozialeSegregation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürichnach zwei Strukturierungsdimensionen verläuft– e<strong>in</strong>er sozioökonomischen und e<strong>in</strong>er soziokulturellen–, die sich durch die Segregation vonunterschiedlichen Lebensstilen manifestiert.Die sozioökonomische Strukturierung teilt dieAgglomeration <strong>in</strong> Wohnregionen mit hohen Anteilenstatusniedriger Bevölkerungsschichtenund Wohnregionen <strong>der</strong> Oberschicht.Die grossen regionalen Unterschiede bezüglichdes Anteiles <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerungs<strong>in</strong>d durch die spezifische soziale Schichtung<strong>der</strong> verschiedenen Nationalitäten verursachtund nicht durch e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Segregationsver-


116halten o<strong>der</strong> ethnisches community build<strong>in</strong>g. Esergibt sich e<strong>in</strong>e «doppelte» sozialräumliche Polarisierung<strong>der</strong> Agglomeration; d. h., die Segregationnach Nationalität bildet die Segregationnach sozioökonomischem Status ab, weil dieMigranten aus südeuropäischen Län<strong>der</strong>n mehrheitliche<strong>in</strong>en tieferen sozioökonomischen Statushaben als die Schweizer Bevölkerung undvor allem als die nord- und westeuropäischenMigranten. In den reichen Wohnregionen ist<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung tendenziellger<strong>in</strong>g. Die dort wohnhaften Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nenund Auslän<strong>der</strong> gehören tendenziellstatushohen Schichten an und stammen mehrheitlichaus nord- und westeuropäischen Staaten.Dagegen haben die Wohnregionen <strong>der</strong>Schichten mit niedrigem sozioökonomischemStatus hohe Anteile ausländischer Bevölkerungaus südeuropäischen Staaten.Die soziokulturelle Segregation nach demografischenund Lebensstilmerkmalen zeigt e<strong>in</strong>endeutlichen Gradienten <strong>der</strong> Individualisierungvon <strong>der</strong> Kernstadt nach aussen an dieAgglomerationsrän<strong>der</strong>. In <strong>der</strong> Kernstadt dom<strong>in</strong>ierenmo<strong>der</strong>ne <strong>in</strong>dividualistische Wohnformenund Familienmodelle, während <strong>in</strong> densub- und peri<strong>urbanen</strong> Agglomerationsgeme<strong>in</strong>dendie traditionell bürgerlichen Lebensstilevorherrschen.Die Segregation nach Lebensstilen zeigt damite<strong>in</strong> Muster von konzentrischen Kreisen. DiePolarisierung <strong>der</strong> Agglomeration <strong>in</strong> statusniedrigeund statushohe Regionen zeigt h<strong>in</strong>gegene<strong>in</strong> sektorales Muster. Die Sektoren verlaufenvon <strong>der</strong> Kernstadt bis an die Agglomerationsrän<strong>der</strong>.So ergeben sich e<strong>in</strong>erseits stark <strong>in</strong>dividualisiertestatusniedrige Regionen sowohl <strong>in</strong>den Städten als auch im sub<strong>urbanen</strong> Raum undan<strong>der</strong>seits bürgerlich-traditionelle Regionen <strong>in</strong><strong>der</strong> Kernstadt und im Umland.Im Jahrzehnt zwischen den Volkszählungenvon 1990 und 2000 hat sich die doppelte Polarisierung<strong>der</strong> Agglomeration verfestigt und diesektorale Ausprägung <strong>der</strong> Statusregionen konsolidiert.Der Gradient zwischen Kernstadt undUmland nach Individualisierungsgrad und Mo<strong>der</strong>nitätvon Lebensstilen hat sich eher abgeschwächt.Die typisch <strong>urbanen</strong> Lebensformenwie E<strong>in</strong>personenhaushalt o<strong>der</strong> die Erwerbstätigkeitvon Müttern s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die suburbane Agglomerationdiffundiert. E<strong>in</strong>e Ausnahme bildetdabei die Lebensform <strong>der</strong> Wohngeme<strong>in</strong>schaft,die sich zum typisch <strong>urbanen</strong> Phänomen entwickelthat.Als augenfälligste Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> untersuchtenDekade ist die markante sozioökonomischeAufwertung <strong>der</strong> Kernstadt hervorzuheben.Insbeson<strong>der</strong>e die <strong>in</strong>nenstadtnahenQuartiere <strong>der</strong> Kreise 3, 4, 5 und 10 haben sichvon marg<strong>in</strong>alisierten Regionen zu Wohngebietene<strong>in</strong>er <strong>urbanen</strong> Mittelschicht entwickelt.Die noch 1990 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Innenstadt messbarenA-Stadt-Phänomene (Überalterung, hohe Anteileunterprivilegierter ausländischer und sozialschwacher Personen) haben sich im Verlaufdes Jahrzehnts <strong>in</strong> die Stadtrandquartiere undGeme<strong>in</strong>den <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Agglomerationsgürtelverlagert.disP 164 · 1/2006 27Konzentrisches Segregationsmusternach Individualisierungsgrad <strong>der</strong> LebensstileSektorales Segregationsmusternach sozioökonomischem Statusbürgerlich-traditionellurban-<strong>in</strong>dividualistischstatushochmittelständischstatusniedrigAbb. 7: Schematische Darstellung<strong>der</strong> Segregationsmusternach Status und Lebensstil.


11728 disP 164 · 1/2006 AnmerkungenCor<strong>in</strong>na HeyeSozialgeograf<strong>in</strong>Gruppe sotomoGeografisches Institut <strong>der</strong>Universität ZürichW<strong>in</strong>terthurerstrasse 190,8057 Zürichcheye@geo.unizh.chHeiri LeutholdSozialgeografGruppe sotomoGeografisches Institut <strong>der</strong>Universität ZürichW<strong>in</strong>terthurerstrasse 190,8057 Zürichleuthold@uniz.ch1 Die Agglomeration Zürich besteht aus 131Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den, von denen 103im Kanton Zürich, 25 im Kanton Aargau und3 im Kanton Schwyz liegen. Rund e<strong>in</strong> Drittel<strong>der</strong> Agglomerationsbevölkerung wohnt <strong>in</strong> <strong>der</strong>Kernstadtgeme<strong>in</strong>de Zürich. Um ihre <strong>in</strong>nereGlie<strong>der</strong>ung zu berücksichtigen, wurden die34 historisch gewachsenen Stadtquartiere <strong>der</strong>Stadt Zürich als äquivalent zu den Agglomerationsgeme<strong>in</strong>denbehandelt.2 Die folgenden Ämter f<strong>in</strong>anzierten und begleitetendie Studie: Fachstelle für <strong>in</strong>terkulturelleFragen, Fachstelle für Stadtentwicklung, SozialeDienste Zürich, Statistik Stadt Zürich, StatistischesAmt des Kantons Zürich, Wirtschaft/Standortmarket<strong>in</strong>g.3 Die von Ulrich Beck (1983, 1986) <strong>in</strong> den früheren1980er-Jahren vorgebrachte Individualisierungsthesewurde stark kritisiert, weil siesuggerierte, dass die vertikale Klassenstrukturierung<strong>der</strong> Gesellschaft sich aufgelöst hätteund es nur noch Lebensstilunterschiede gäbe(vgl. z. B. Geissler 2000; Friedrichs 1998; Müller1992). An<strong>der</strong>e Autoren zeigen auf, dass etwaim Wahlverhalten auch noch traditionelle B<strong>in</strong>dungen(religiöse, gewerkschaftliche etc.) e<strong>in</strong>egrosse Rolle spielen (vgl. z. B. Müller 1998). Diemeisten dieser Kritiker räumen jedoch e<strong>in</strong>, dasse<strong>in</strong>e Pluralisierung <strong>der</strong> Lebensstile stattgefundenhat und dass das Individuum <strong>in</strong> wichtigenBereichen des Lebens mehr Eigenverantwortungund <strong>in</strong>dividuellen Handlungsspielraumhat. Lebensstil und Individualisierung ist nichtlosgelöst von Status und Klassenstruktur verwendbar.Der Grad <strong>der</strong> Individualisierung desLebensstils ist aber heute e<strong>in</strong> bedeutendesMerkmal <strong>der</strong> horizontalen Differenzierung <strong>der</strong>Gesellschaft.4 Da sich das Untersuchungsgebiet über dieStadtgrenze h<strong>in</strong>aus und über mehrere Kantoneerstreckt, wurden vergleichbare Daten aus denVolkszählungen von 1990 und 2000 und aus<strong>der</strong> Statistik <strong>der</strong> Direkten Bundessteuer für dieentsprechenden Veranlagungsjahre verwendet.LiteraturBeck, U. (1983): Jenseits von Klasse und Stand? SozialeUngleichheit, gesellschaftliche Individualisierungsprozesseund die Entstehung neuersozialer Formationen und Identitäten. In: Krekel,R. (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten. Gött<strong>in</strong>gen,S. 35–74.Beck, U. (1986): Risikogesellschaft. 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118Müller, W. (1998): Sozialstruktur und Wahlverhalten.E<strong>in</strong>e Wi<strong>der</strong>rede gegen die Individualisierungsthese.In: Friedrichs, J. (Hrsg.): Die Individualisierungsthese.Opladen, S. 249–262.Pfau-Eff<strong>in</strong>ger, B. (1997): Kultur o<strong>der</strong> Institutionen?Kulturelle und wohlfahrtsstaatliche Kontextbed<strong>in</strong>gungen<strong>der</strong> Erwerbsbeteiligung von Frauen imeuropäischen Vergleich. Bremen.Sassen, S. (1991): The Global City. Pr<strong>in</strong>ceton.Sieverts, T. (2001): Zwischenstadt: zwischen Ort undWelt, Raum und Zeit im Stadt und Land. Berl<strong>in</strong>,Gütersloh.Taylor, P. J. (2004): World City Network: A globalurban analysis. London.Vester, M.; von Oertzen, P.; Geil<strong>in</strong>g, H.; Hermann,T.; Müller, D. (2001): Soziale Milieus im gesellschaftlichenStrukturwandel. Zwischen Integrationund Ausgrenzung. Köln.disP 164 · 1/2006 29


Manuskript 3:Hermann, M.; Heye, C. & H. Leuthold:Drei Indizes zu räumlichen Disparitäten – theoriegeleiteteSozialraumanalyse unter den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er pluralisiertenund <strong>in</strong>dividualisierten Gesellschaft.In: Meyer, F. (Hrsg.): Wohnen - Arbeit - Zuwan<strong>der</strong>ung.Stand und Perspektiven <strong>der</strong> Segregationsforschung. Beiträgezur europäischen Stadt- und Regionalforschung. Münster.Im Druck.


121Michael Hermann, Cor<strong>in</strong>na Heye, Heiri LeutholdDrei Indizes zu räumlichen Disparitäten –theoriegeleitete Sozialraumanalyse unter denBed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er pluralisierten und <strong>in</strong>dividualisiertenGesellschaftE<strong>in</strong>leitungIn diesem Beitrag werden drei neue Indizes zur Beschreibung von räumlichenDisparitäten <strong>der</strong> Bevölkerungsstruktur und ihrer Verän<strong>der</strong>ungvorgestellt. Die drei Indizes beschreiben den sozialen Status, Lebensformenund Fremdsprachigkeit <strong>der</strong> Bevölkerung. Theoretisch und methodischknüpft die Entwicklung <strong>der</strong> Indizes an die quantitative Sozialraumanalyse<strong>der</strong> beiden amerikanischen Soziologen Shevky & Bell(1961) an. Das ursprünglich für die Beschreibung <strong>der</strong> sozialen Segregation<strong>in</strong> Städten entwickelte Konzept wurde hierfür an die Bed<strong>in</strong>gungen<strong>der</strong> Schweiz im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t angepasst und räumlich auf den sub<strong>urbanen</strong>und ländlichen Raum erweitert. Der zweite theoretische Bezugspunktbildet die Gesellschaftstheorie von Bourdieu und ihre Adaptierungauf verschiedene Län<strong>der</strong> (Vester et al. 1999). E<strong>in</strong> Kernelement dieserTheorie ist das Konzept des sozialen Raums. Dies ist e<strong>in</strong> zweidimensionalerRaum, <strong>in</strong> dem sich die wichtigsten gesellschaftlichen Gegensätzeabbilden lassen. Der soziale Raum umfasst neben <strong>der</strong> vertikalen Differenzierungnach Status e<strong>in</strong>e horizontale Differenzierung nach unterschiedlichenGrundorientierungen und Lebensstilen. Diese beiden Dimensionendes sozialen Raums werden durch zwei <strong>der</strong> drei Disparitäts<strong>in</strong>dizesbeschrieben, den Status<strong>in</strong>dex für den sozialen Status und denIndividualisierungs<strong>in</strong>dex für die Lebensformen. Der Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dexfür die sprachliche Nicht-Integration bildet e<strong>in</strong>e wichtige Ergänzung.


1222Adaptierte SozialraumanalyseKritik an <strong>der</strong> klassischen SozialraumanalyseIn den 1950er Jahren wurde die Sozialraumanalyse durch Shevky & Bell (1961)als Instrument zur Analyse <strong>der</strong> Stadtstruktur begründet. Es wurden deduktivdrei Dimensionen <strong>der</strong> sozialräumlichen Differenzierung festgelegt, die durchsieben Variablen operationalisiert wurden. Shevkys und Bells „Social AreaAnalysis“ basiert auf den Mo<strong>der</strong>nisierungspostulaten <strong>der</strong> Industriegesellschaft,spätere Phänomene wie etwa die Pluralisierung <strong>der</strong> Lebensstile erfassen diesesieben Variablen jedoch nicht. Daher wurde vermehrt als Alternative zur deduktivenSozialraumanalyse auf die <strong>in</strong>duktiv ausgerichtete, explorative Faktorialökologieausgewichen (Geil<strong>in</strong>g 2001, Gutfleisch 2001, Ste<strong>in</strong>bach et al.2001, Hermann & Me<strong>in</strong>lschmidt 1995). Die zentrale Schwierigkeit <strong>der</strong> explorativenFaktorenanalyse ist die Auswahl <strong>der</strong> Variablen. Diese müssen e<strong>in</strong>erseitse<strong>in</strong>deutig <strong>in</strong>terpretierbar se<strong>in</strong> und zweitens e<strong>in</strong>e Relevanz aufweisen. Die Tendenz,dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Faktorialökologie relativ willkürlich viele Variablen unbesehenihrer Bedeutung und Relevanz dem reduktiven Verfahren zugeführt wurden,brachte dem Verfahren die Kritik des «Naiven Empirismus» und <strong>der</strong> Theorielosigkeite<strong>in</strong> (Zehner 2004).Die angeführten Kritikpunkte an <strong>der</strong> deduktiv orientierten Sozialraumanalyseund <strong>der</strong> <strong>in</strong>duktiven Faktorialökologie führen zu e<strong>in</strong>er Synthese <strong>der</strong> beiden Ansätze,welche die Vorteile bei<strong>der</strong> Verfahren vere<strong>in</strong>igt und ihre Defizite ausgleicht.Zum e<strong>in</strong>en ist e<strong>in</strong>e Umkehr zurück zur theoriegeleiteten Sozialraumanalyseim S<strong>in</strong>ne von Shevky und Bell notwendig (Zehner 2004). Die <strong>in</strong>nerstädtischeStrukturierung soll als Abbild <strong>der</strong> gesellschaftlichen Differenzierungbetrachtet und auch als solche analysiert werden. Dies erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> adäquatestheoretisches Modell, das die soziale Differenzierung unter den Bed<strong>in</strong>gungene<strong>in</strong>er post<strong>in</strong>dustriellen bzw. spätmo<strong>der</strong>nen Gesellschaft (Giddens 1994) wie<strong>der</strong>gibt.Zum an<strong>der</strong>en ist das methodische Instrumentarium <strong>der</strong> explorativenFaktorialökologie s<strong>in</strong>voll, da es e<strong>in</strong>en gewissen Schutz vor dem Fehler zweitenGrades bietet (Heye & Leuthold 2006). Als Anfor<strong>der</strong>ung an e<strong>in</strong>e neu aufgelegtetheoriegeleitete Sozialraumanalyse gelten aus unserer Sicht folgendePunkte:- Die Indikatoren zur Messung <strong>der</strong> Differenzierung werden theoretischaus e<strong>in</strong>em adäquaten und zeitgemässen Modell zur gesellschaftlichenDifferenzierung abgeleitet.- Modellfremde Merkmale (z.B. ökonomische, kulturelle o<strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionelle),die räumlich stark variieren und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zusammenhangmit <strong>der</strong> sozialräumlichen Strukturierung stehen (können), werden alspassive o<strong>der</strong> sekundäre Variablen später <strong>in</strong> das Modell <strong>in</strong>tegriert.


1233- Die Operationalisierung <strong>der</strong> Indikatoren muss so erfolgen, dass diegebildeten Konstrukte das zu messende Merkmal optimal wie<strong>der</strong>geben.Das heisst, die Grundgesamtheit ist jeweils so zu wählen, dassdie räumliche Verteilung e<strong>in</strong>es Merkmales nicht von e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>enMerkmal bee<strong>in</strong>flusst wird (z.B. biographischer Bias) (Hermann et al.2005).DimensionenDie klassische quantitative Sozialraumanalyse von Shevky und Bell (1961)geht von drei unabhängigen Dimensionen <strong>der</strong> räumlich-sozialen Strukturierungvon <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> aus: die Hierarchie <strong>der</strong> Wohnquartiere nach sozialemRang, <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungsgrad <strong>der</strong> Bevölkerung und die Segregation vonEthnien und Nationalitäten. Damit dieses Modell auf die aktuellen schweizerischenVerhältnisse angewendet und auf den sub<strong>urbanen</strong> und ländlichen Raumausgedehnt werden kann, s<strong>in</strong>d verschiedene Modifikationen notwendig (Hermannet al. 2005).Analog zu Shevky und Bell wird die erste Dimension <strong>der</strong> Bevölkerungsstrukturals «sozialer Status» festgelegt. Sie wird dabei mit Indikatoren zu E<strong>in</strong>kommen,Bildung und zur Stellung im Beruf operationalisiert und zu e<strong>in</strong>em Status<strong>in</strong>dexzusammengefasst.Der Mo<strong>der</strong>nisierungsgrad <strong>der</strong> Bevölkerung im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> klassischen Sozialraumanalysebeschreibt den Gegensatz zwischen ländlich-traditionellen und<strong>urbanen</strong> Lebensformen. Im Kern geht es dabei um die mit <strong>der</strong> Auflösung traditionellerFamilienstrukturen verbundene Individualisierung <strong>der</strong> Lebensformen.An Stelle des thematisch unspezifischen Begriffs «Mo<strong>der</strong>nisierung » wird hier<strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> «Individualisierung» verwendet. Grundlage für den Individualisierungs<strong>in</strong>dexbilden Indikatoren zu Familienmodellen und Haushaltstypen.Die dritte, die ethnische, Dimension <strong>der</strong> klassischen Sozialraumanalyse bedarf<strong>der</strong> stärksten Adaption. Diese Ansätze stammen aus den USA, wo die räumlicheEntmischung <strong>der</strong> verschiedenen Zuwan<strong>der</strong>ergruppen <strong>in</strong> den Grossstädtene<strong>in</strong>e grosse Bedeutung besitzt. In <strong>der</strong> Schweiz bildet das Ethnische allerd<strong>in</strong>gske<strong>in</strong>en treibenden Faktor <strong>der</strong> Segregation (Wanner 2004). Bedeutsamer als dieethnische Entmischung <strong>der</strong> verschiedenen Zuwan<strong>der</strong>ergruppen ist die räumlicheKonzentration von schlecht <strong>in</strong>tegrierten Zuwan<strong>der</strong>ern (unterschiedlicherHerkunft) und die damit verbundene räumliche Konzentration <strong>der</strong> Integrationsaufgaben.Mit dem Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex wird <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Bevölkerunggemessen, <strong>der</strong> sich aufgrund von sprachlichen Barrieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaftschlecht verständigen kann.Shevky und Bell g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> ihrer Analyse von <strong>der</strong> Unabhängigkeit ihrer Dimensionen.Die drei neu entwickelten Disparitäts<strong>in</strong>dizes s<strong>in</strong>d zwar <strong>in</strong>haltlich klarvone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> unabhängig, e<strong>in</strong> Anspruch auf statistische Unabhängigkeit wird


1244jedoch nur für die Komb<strong>in</strong>ation von Status- und Individualisierungs<strong>in</strong>dex angestrebt.Diese beiden Indizes entsprechen den Grunddimensionen <strong>der</strong> gesellschaftlichenDifferenzierung. In Form e<strong>in</strong>es Status-Individualisierungs-Diagramms bilden sie e<strong>in</strong>e Repräsentation des «sozialen Raums» nach demKonzept von Bourdieu (1994).IndexbildungMethodisch wurde vom heute gebräuchlichen Vorgehen e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong> <strong>in</strong>duktivenFaktorialökologie, welche die e<strong>in</strong>zelnen Indizes auf <strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>er explorativenFaktorenanalyse ermittelt, abgewichen. Unter Rückgriff auf das ursprünglicheKonzept <strong>der</strong> Sozialraumanalyse, wie es von Shevky und Bell entwickeltwurde, basieren die drei Disparitäts<strong>in</strong>dizes auf e<strong>in</strong>em komb<strong>in</strong>ierten deduktivempirischenAnsatz. In e<strong>in</strong>em ersten Schritt werden die Indizes auf <strong>der</strong> Basisvon theoretischen Überlegungen operationalisiert und entsprechende Indikatorenausgewählt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt werden die Indikatoren auf ihre empirischeQualität überprüft. Um die statistische Unabhängigkeit zwischen denIndizes zum sozialen Status und zur Individualisierung zu garantieren, wird dieWahl <strong>der</strong> entsprechenden Indikatoren und ihre Gewichtung durch e<strong>in</strong>e Faktorenanalyseunterstützt.Inhaltlich-theoretische Überlegungen bilden die primäre Grundlage für dieWahl <strong>der</strong> Indikatoren. Es geht darum, Indikatoren zu f<strong>in</strong>den, welche die verschiedenenAspekte des zu messenden Phänomens abdecken. Damit die Indikatorennur das messen, was sie messen sollen, müssen sie so angepasst werden,dass Störe<strong>in</strong>flüsse ausgeschlossen s<strong>in</strong>d. Beson<strong>der</strong>s bedeutsam ist dabei dieProblematik des biografischen Bias. Um solche Bias zu elim<strong>in</strong>ieren, muss dieGrundgesamtheit e<strong>in</strong>gegrenzt werden. Dies gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die Variablenzu Bildung, E<strong>in</strong>kommen, Beruf, Haushaltstyp und Familienmodell, <strong>der</strong>en Ausprägungenzwischen den Altersklassen stark variieren.Das zweite Kriterium für die Auswahl und Gewichtung <strong>der</strong> Indikatoren ist <strong>der</strong>enempirische Relevanz für die Beschreibung räumlicher Disparitäten. E<strong>in</strong>ewichtige Masszahl hierfür ist <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> räumlichen Ungleichverteilung.Diese wird anhand des Segregations<strong>in</strong>dex von Duncan & Duncan (1955) berechnet.Für den Status- und den Individualisierungs<strong>in</strong>dex besteht als zusätzlichesempirisches Kriterium die gegenseitige statistische Unabhängigkeit. Mite<strong>in</strong>er Faktorenanalyse wurden die e<strong>in</strong>zelnen Indikatoren darauf getestet, ob siee<strong>in</strong>deutig e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> beiden Dimensionen zugeordnet werden können. Indikatoren,bei denen diese E<strong>in</strong>deutigkeit nicht gegeben ist, wurden ausgeschlossen.Die Gewichtung <strong>der</strong> beiden unabhängigen Grunddimensionen wurde auf dieKennzahlen <strong>der</strong> Faktorenanalyse abgestützt. Es wurden dabei die so genanntenFactorscores verwendet, die dem Erklärungsanteil <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Inputvariablenfür das Gesamtmodell entsprechen.


1255Um die Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Indizes herzustellen,werden sie normiert. Die Normierung <strong>der</strong> Indizes wurde so durchgeführt, dasssich die Werte <strong>der</strong> untersuchten Raume<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em s<strong>in</strong>nvollen Zahlenbereichbewegen 1 .DatenbasisAls Datengrundlage dienen die Personen- und Haushaltsdaten <strong>der</strong> Volkszählungenvon 2000. Die Angaben über die E<strong>in</strong>kommensverteilung stammen aus<strong>der</strong> Statistik zur direkten Bundessteuer <strong>der</strong> Eidgenössischen Steuerverwaltung(ESTV) <strong>der</strong> Steuerperiode 1999/2000. Für die Mehrheit <strong>der</strong> auf Quartierebeneuntersuchten Städte existieren nur Daten zu den E<strong>in</strong>kommensklassen <strong>der</strong> gesamtenGeme<strong>in</strong>de. Die Werte <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensklassen <strong>in</strong> den Stadtquartierenmussten deshalb mit e<strong>in</strong>em Regressionsmodell geschätzt werden. Als Variablenfür die Schätzung wurden <strong>der</strong> Quadratmeterpreis und die Wohnfläche proÄquivalenzperson 2 verwendet. Die Festlegung <strong>der</strong> Parameter <strong>der</strong> Regressionsgleichungkonnte anhand verfügbarer Steuerdaten <strong>der</strong> Stadtquartiere von Lausanne,W<strong>in</strong>terthur und Zürich durchgeführt werden.Raume<strong>in</strong>heitenOft werden bei kle<strong>in</strong>räumigen Analysen politische Geme<strong>in</strong>den als Raume<strong>in</strong>heitenverwendet. Wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n auch weisen diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweizsehr grosse Unterschiede bezüglich ihrer E<strong>in</strong>wohnerzahl auf. Im Jahr 2000reichte <strong>der</strong> Schwankungsbereich von Corippo im Tess<strong>in</strong> mit 22 E<strong>in</strong>wohnern bisZürich mit über 360’000 E<strong>in</strong>wohnern. Neben <strong>der</strong> schlechten Vergleichbarkeit<strong>der</strong>art unterschiedlicher Raume<strong>in</strong>heiten führt die ger<strong>in</strong>ge E<strong>in</strong>wohnerzahl <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>evon Landgeme<strong>in</strong>den zu statistischen Problemen. Daher werden dieKle<strong>in</strong>stgeme<strong>in</strong>den zu Geme<strong>in</strong>degruppen mit e<strong>in</strong>er Bevölkerungsanzahl vonm<strong>in</strong>destens 1'000 E<strong>in</strong>wohnern zusammengelegt 3 und die grossen Städte mitüber 30’000 E<strong>in</strong>wohner <strong>in</strong> ihre Stadtquartiere unterglie<strong>der</strong>t. So werden diegrossen Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohnerzahl auf e<strong>in</strong>en Bereich zwischen 1000und 30'000 E<strong>in</strong>wohnern reduziert. Es entstehen dabei 1977 Geme<strong>in</strong>de(gruppe)nund Quartiere bzw. Quartiergruppen.123Referenzpunkt für alle vier Indizes bildet <strong>der</strong> Indexwert <strong>der</strong> gesamten Schweiz. Dieser Wert wird auf 50Punkte festgesetzt. Die Varianz <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Werte wird auf e<strong>in</strong>e fixe Standardabweichung von 8 normiert.Mit dieser Normierung bef<strong>in</strong>den sich die meisten Indexwerte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zahlenbereich zwischen 0und 100, nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen nehmen sie auch Werte ausserhalb dieses Bereichs e<strong>in</strong>.Das Konzept <strong>der</strong> Äquivalenzpersonen berücksichtigt, dass <strong>der</strong> Flächenverbrauch <strong>der</strong> ersten erwachsenenPerson <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haushalt grösser ist als <strong>der</strong> Flächenverbrauch zusätzlicher Erwachsener und K<strong>in</strong><strong>der</strong> imselben Haushalt. Für die Berechung <strong>der</strong> Äquivalenzpersonen pro Haushalt erhält <strong>der</strong> erste Erwachsenee<strong>in</strong> Gewicht von 1, weitere Erwachsene das Gewicht von 0.5 und K<strong>in</strong><strong>der</strong> unter 15 Jahren das Gewichtvon 0.3 (Ecoplan 2004).gemäss Steffen & Schulz (2005)


126Beschreibung <strong>der</strong> drei Disparitäts<strong>in</strong>dizesSozialer Status6Vertikale Statusunterschiede bilden e<strong>in</strong>e zentrale Dimension <strong>der</strong> gesellschaftlichenDifferenzierung. Die segregationsbed<strong>in</strong>gten Konzentrationen von Statusgruppenan verschiedenen Orten führen jedoch zur Übertragung von Statusunterschiedenauf den Raum.Der Status<strong>in</strong>dex bildet regionale Unterschiede <strong>der</strong> vertikalen sozialen Schichtungab. Er ist e<strong>in</strong> Mass für die relativen Bevölkerungsanteile <strong>der</strong> Oberschichtund <strong>der</strong> Unterschicht an e<strong>in</strong>em Ort. Zu diesen Komponenten gehören <strong>in</strong> ersterL<strong>in</strong>ie die materiellen Ressourcen (ausgedrückt <strong>in</strong> E<strong>in</strong>kommen und Vermögen),die formale Bildung und die Stellung im Beruf. Um diese drei Aspekte <strong>der</strong>sozialen Schichtung zu berücksichtigen, werden für die Berechnung des Status<strong>in</strong>dexdrei Indikatorengruppen verwendet: Das jährliche Re<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kommen,<strong>der</strong> höchste Bildungsabschluss und die sozioprofessionelle Kategorie.Der Status<strong>in</strong>dex wird als gewichtete Summe von sechs Indikatoren berechnet.Drei <strong>der</strong> sechs Indikatoren messen dabei die Stärke des statushohen Bevölkerungsanteils(bzw. <strong>der</strong> Oberschicht) an e<strong>in</strong>em Ort. Die entsprechenden Indikatoren«Tertiäre Bildung», «Oberstes Management/Freie Berufe» und «HoheE<strong>in</strong>kommen» fliessen als positive Werte <strong>in</strong> den Index e<strong>in</strong>. Die drei an<strong>der</strong>enIndikatoren bemessen den Anteil des statusniedrigen Bevölkerungsanteils(bzw. <strong>der</strong> Unterschicht) an e<strong>in</strong>em Ort. Es s<strong>in</strong>d dies die Indikatoren «PrimäreBildung», «Statusniedrige Berufe» und «Niedrige E<strong>in</strong>kommen», welche alsnegative Werte <strong>in</strong> den Index e<strong>in</strong>fliessen. Das heisst, <strong>der</strong> Status<strong>in</strong>dex e<strong>in</strong>erRaume<strong>in</strong>heit ist umso höher, je grösser <strong>der</strong> Bevölkerungsanteil mit hohen Statusmerkmalenund je kle<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Bevölkerung mit tiefen Statusmerkmalenist.Die Faktorenanalyse zeigte, dass die Indikatoren e<strong>in</strong>es hohen sozialen Statuse<strong>in</strong> grösseres Erklärungspotenzial besitzen (d.h. sie erzielen höhere Factorscores)als die Indikatoren für e<strong>in</strong>en tiefen sozialen Status. Sie erhalten deshalb e<strong>in</strong>grösseres Gewicht. Aus methodisch-theoretischen Überlegungen wurde dasGewicht <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensvariablen gegenüber den empirischen Werten <strong>der</strong>Faktorenanalyse erhöht und jenes zu den sozioprofessionellen Kategorien gesenkt.Der Grund liegt dar<strong>in</strong>, dass sich <strong>in</strong> den sozioprofessionellen Kategorienteilweise <strong>der</strong> Bildungsabschluss spiegelt. Das E<strong>in</strong>kommen misst dagegen e<strong>in</strong>eneigenständigen Aspekt des sozialen Status.


1277Status<strong>in</strong>dex = 2.5 TER – 2 · PRI + OMF – NST + 4 · HEK – 2 · NEKTER = Tertiäre Bildung (über 25-Jährige)Höchste abgeschlossene Ausbildungsstufe: Höhere Fach- und Berufsausbildung,Höhere Fachschule, Fachhochschule, Universität, HochschulePRI =Primäre Bildung (über 25-Jährige)Höchste abgeschlossene Ausbildungsstufe: Ke<strong>in</strong>e Ausbildung abgeschlossen,Obligatorische SchuleOMF = Oberes Management & freie Berufe (Erwerbstätige)Sozioprofessionelle Kategorie <strong>der</strong> Erwerbstätigen: Oberstes Management,Freie BerufeNST = Statusniedrige Berufe (Erwerbstätige)Sozioprofessionelle Kategorie <strong>der</strong> Erwerbstätigen: Ungelernte Arbeiter <strong>in</strong> <strong>der</strong>Landwirtschaft, Ungelernte Arbeiter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Produktion und im Baugewerbe,Ungelernte Angestellte im DienstleistungsbereichHEK = Hohe E<strong>in</strong>kommen (Steuerpflichtige)Re<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kommen über 75’000 Franken im Jahr 1990 bzw. über 93’000 Frankenim Jahr 2000 (Entspricht <strong>der</strong> Teuerung <strong>der</strong> Konsumentenpreise um 25 %)NEK = Niedrige E<strong>in</strong>kommen (Steuerpflichtige)Re<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kommen unter 40’000 Franken im Jahr 1990 bzw. unter 50’000 Frankenim Jahr 2000 (Entspricht <strong>der</strong> Teuerung <strong>der</strong> Konsumentenpreise um 25 %)Lebensformen und IndividualisierungAls Folge <strong>der</strong> Pluralisierung <strong>der</strong> Gesellschaft s<strong>in</strong>d Lebensformen zu wichtigenMerkmalen <strong>der</strong> regionalen Differenzierung geworden. Traditionelle Rollenverständnisse,kollektive Identitäten und B<strong>in</strong>dungen – seien sie religiös o<strong>der</strong> säkular– haben an Festigkeit verloren und so auch ihre Leitfunktion für Lebensentwürfeund realisierte Lebensformen e<strong>in</strong>gebüsst. Im Zuge dieses als Individualisierungbezeichneten gesellschaftlichen Wandels, haben sich neben demtraditionellen bürgerlichen Haushalts- und Familienideal <strong>der</strong> Nachkriegszeitverschiedene alternative Lebensformen etabliert (Häussermann & Siebel 1996).Der Grad <strong>der</strong> Individualisierung e<strong>in</strong>er Lebensweise lässt sich als Abweichungvon <strong>der</strong> traditionellen bürgerlichen Lebensform def<strong>in</strong>ieren. Der Grad <strong>der</strong> gesellschaftlichenIndividualisierung e<strong>in</strong>es Wohnortes wird demzufolge durch dierelativen Anteile von Personen bestimmt, die <strong>in</strong> bürgerlich traditionellen bzw.<strong>in</strong>dividualisierten Verhältnissen leben.E<strong>in</strong>e erste wichtige Indikatorengruppe für den Individualisierungs<strong>in</strong>dex basiertauf dem Haushaltstyp. Der Haushaltstyp ist e<strong>in</strong>erseits Ausdruck <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividu-


1288ellen Lebensgestaltung, er besitzt an<strong>der</strong>erseits aber auch e<strong>in</strong>e stark biografischeKomponente. K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche wohnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel <strong>in</strong> Familienhaushalten,ältere Personen, <strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong> bereits erwachsen s<strong>in</strong>d, leben meist <strong>in</strong>Paar- o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>personenhaushalten. In <strong>der</strong> Altersphase von etwa 30 bis 50 Jahrenkommt im Haushaltstyp am stärksten die selbst gewählte Lebensform zumAusdruck: Für die e<strong>in</strong>en ist dies das Familienleben, für an<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>e Partnerschaftohne K<strong>in</strong><strong>der</strong>, für noch an<strong>der</strong>e das «getrennte Zusammenleben» (liv<strong>in</strong>gtogether-apart)o<strong>der</strong> die Wohngeme<strong>in</strong>schaft.E<strong>in</strong>e zweite wichtige Indikatorengruppe zur Bestimmung <strong>der</strong> Individualisierungbilden Rollenmodelle von Frau und Mann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie. Diese verweisenauf den Grad <strong>der</strong> Loslösung von traditionellen Lebensentwürfen. Die vier vonBühler (2001) operationalisierten geschlechter-kulturellen Familienmodelleunterscheiden sich <strong>in</strong> Bezug auf die Aufteilung von Erwerbs- und Betreuungsarbeitzwischen den Eltern. Im traditionell-bürgerlichen Familienmodell ist <strong>der</strong>Mann vollerwerbstätig und die Frau widmet sich <strong>der</strong> Haus- und Familienarbeit.Das traditionell-bürgerliche Modell steht für e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Individualisierungsgrad.Ihm stehen an<strong>der</strong>e Modelle gegenüber. Zunächst das mo<strong>der</strong>nisiertebürgerliche Familienmodell, <strong>in</strong> welchem die Mutter neben <strong>der</strong> Familienarbeitteilzeitlich erwerbstätig ist. Das egalitäre Familienmodell weicht am meistenvom traditionell-bürgerlichen ab. Es lassen sich dabei e<strong>in</strong> erwerbsbezogenesModell mit <strong>der</strong> Vollerwerbstätigkeit von Mutter und Vater und e<strong>in</strong> familienbezogenesModell mit <strong>der</strong> Teilzeiterwerbstätigkeit <strong>der</strong> beiden Elternteile unterscheiden.E<strong>in</strong> weiterer Indikator, <strong>der</strong> die Individualisierung <strong>der</strong> Geschlechterrollenbeschreibt, ist <strong>der</strong> Anteil Frauen zwischen 35 und 44 Jahren, die <strong>in</strong>Haushalten ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong>n leben. Es wird davon ausgegangen, dass sich diesegegen K<strong>in</strong><strong>der</strong> und für e<strong>in</strong>e Karriere entschieden haben (Bühler & Heye 2005).Als Idealtypus <strong>der</strong> bürgerlichen Lebensform kann das traditionell-bürgerlicheFamilienmodell gesehen werden. Da dieser Indikator e<strong>in</strong>e Masszahl für e<strong>in</strong>enger<strong>in</strong>gen Individualisierungsgrad ist, fliesst er mit e<strong>in</strong>em negativen Vorzeichen<strong>in</strong> den Individualisierungs<strong>in</strong>dex e<strong>in</strong>. Mit den Indikatoren «Wohngeme<strong>in</strong>schaften»,«E<strong>in</strong>personenhaushalte», «Frauen ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong>» und «Erwerbstätigkeitvon Müttern» werden die verschiedenen Aspekte <strong>der</strong> Individualisierung erfasst.Diese Indikatoren erhalten dementsprechend e<strong>in</strong> positives Vorzeichen. DieGewichtung <strong>der</strong> Indikatoren orientiert sich an den Ergebnissen (d.h. Factorscores)<strong>der</strong> Faktorenanalyse, die zusammen mit den Status<strong>in</strong>dikatoren durchgeführtwurde.


1299Individualisierungs<strong>in</strong>dex = 3·EPH + 1.2·WG + 2.5·FOK + 3·MER –1.5·TBMEPH = E<strong>in</strong>personenhaushalte (30- bis 50-Jährige)Haushaltstyp: E<strong>in</strong>personenhaushalteWG = Wohngeme<strong>in</strong>schaften (30- bis 50-Jährige)Haushaltstyp: Nichtfamilienhaushalte mit Verwandten, ohne weitere Personen,Nichtfamilienhaushalte mit Verwandten und weiteren Personen, Haushaltenicht verwandter PersonenMER = Erwerbstätige Mütter (25- bis 44-Jährige)Arbeitsmarktstatus von Frauen <strong>in</strong> Haushalten mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n: Vollzeiterwerbstätige,Teilzeiterwerbstätige mit e<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> mehreren StelleFOK = Frauen ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> (35- bis 44-Jährige)Frauen <strong>in</strong> Haushalten ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong>TBM = traditionell-bürgerliches FamilienmodellFamilien mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n unter 16 Jahre mit Arbeitsmarktstatus: Vollerwerbstätig(Vater), sowie Nichterwerbsperson und Haushalt (Mutter)Integration und FremdsprachigkeitFür Zuwan<strong>der</strong>er bildet die Möglichkeit, sich mit <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaftsprachlich zu verständigen, e<strong>in</strong>en wichtige Vorraussetzung fürdie Teilnahme am öffentlichen Leben, die E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> die Arbeitswelt undden Zugang zu lokalen Werten und Normen. Folglich bilden entsprechendeSprachkompetenzen e<strong>in</strong>en wichtigen Faktor <strong>der</strong> Integration. Das Beherrschen<strong>der</strong> lokalen Sprache kann aber nicht mit Integration gleichgesetzt werden. Obe<strong>in</strong>e Person tatsächlich <strong>in</strong> die Aufnahmegesellschaft e<strong>in</strong>geglie<strong>der</strong>t ist, lässt sichmit den verfügbaren quantitativen Variablen nicht feststellen.Mit den Variablen zum Sprachgebrauch kann jedoch e<strong>in</strong> Mass gefunden werdenfür den Grad <strong>der</strong> sprachlichen Nicht-Integration <strong>der</strong> Bevölkerung. DerFremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex ist e<strong>in</strong>e Kennzahl für den Anteil <strong>der</strong> Bevölkerung, <strong>der</strong>aufgrund mangeln<strong>der</strong> sprachlicher Kompetenzen am Integrationsprozess geh<strong>in</strong><strong>der</strong>tist.In <strong>der</strong> Volkszählung wird zwischen <strong>der</strong> Haupt- und den Umgangssprachenunterschieden. Die Hauptsprache ist die Sprache, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Person denkt undsich am besten ausdrücken kann. Umgangssprachen s<strong>in</strong>d Sprachen, die vone<strong>in</strong>er Person zuhause o<strong>der</strong> im Erwerbsleben (bzw. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule) verwendet


13010werden. Während e<strong>in</strong>e Person nur e<strong>in</strong>e Hauptsprache hat, kann sie mehrereUmgangssprachen sprechen.Für die Berechnung des Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex wird soweit wie möglich aufdie Angaben zur Umgangssprache Bezug genommen. Die Fähigkeit sich verständigenzu können o<strong>der</strong> nicht, leitet sich nicht aus <strong>der</strong> Hauptssprache e<strong>in</strong>erPerson ab, son<strong>der</strong>n aus <strong>der</strong> Gesamtheit <strong>der</strong> Sprachen, die sie beherrscht.Der sprachliche Zugang zur lokalen Gesellschaft kann anhand von drei sichkumulierenden Sprachbarrieren bemessen werden. Die erste Barriere bildet dasNicht- Beherrschen <strong>der</strong> Regionalsprache 4 .E<strong>in</strong>e zusätzliche Barriere besteht für Personen, die we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Landessprachenoch Englisch sprechen. Mit diesen geläufigen Sprachen kann man sich verständlichmachen und zum<strong>in</strong>dest teilweise am öffentlichen Diskurs teilhaben.Das Nicht-Beherrschen aller dieser Sprachen stellt deshalb e<strong>in</strong>e doppelte Barrieredar.Die dritte Sprachbarriere trennt Personen, <strong>der</strong>en Sprache e<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>guistischeVerwandtschaft mit e<strong>in</strong>er Landessprache aufweist, von Personen <strong>der</strong>en Sprachezu e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Sprachfamilie gehört. Wer e<strong>in</strong>e Sprache <strong>der</strong> germanischeno<strong>der</strong> romanischen Sprachfamilie spricht, f<strong>in</strong>det aufgrund <strong>der</strong> l<strong>in</strong>guistischenÄhnlichkeit viele sprachliche Anknüpfungspunkte im schweizerischen Alltag.Das Fehlen dieser Anknüpfungspunkte bei an<strong>der</strong>en Sprachfamilien bildet deshalbe<strong>in</strong>e dritte Kommunikationsbarriere.Von den drei oben aufgezeigten Sprachbarrieren kommt die grösste Bedeutung<strong>der</strong> ersten zu, das heisst dem Beherrschen bzw. Nicht-Beherrschen <strong>der</strong> amWohnort gesprochenen Regionalsprache. Mit dem Nicht- Beherrschen <strong>der</strong> Regionalsprachefehlt e<strong>in</strong>e Schlüsselvoraussetzung für e<strong>in</strong>e umfassende Integration.In den Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex fliesst die Regionalsprache deshalb mite<strong>in</strong>em im Vergleich zu den beiden an<strong>der</strong>en Sprachbarrieren grösseren Gewichte<strong>in</strong>. Während die beiden an<strong>der</strong>en Sprachbarrieren mit jeweils e<strong>in</strong>em Indikatorgemessen werden, wird die erste mit zwei abgestuften Indikatoren gemessen.Es wird unterschieden zwischen Personen, welche die Regionalsprache imErwerbsleben (bzw. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule) sprechen jedoch nicht zuhause, und Personen,welche die Regionalsprache gar nicht beherrschen. Die zweite Sprachbarrierefliesst mit e<strong>in</strong>em Indikator <strong>in</strong> den Index e<strong>in</strong>, <strong>der</strong> das Nicht-Beherrschenirgende<strong>in</strong>er Landessprache o<strong>der</strong> Englisch misst. Während die drei Indikatorenzu den ersten beiden Sprachbarrieren auf <strong>der</strong> Umgangssprache beruhen, kanndie dritte Sprachbarriere nur anhand <strong>der</strong> Variable «Hauptsprache» <strong>der</strong> Volkszählungfestgestellt werden. Der entsprechende Indikator misst den Anteil <strong>der</strong>4Aufgrund <strong>der</strong> Mehrsprachigkeit <strong>der</strong> Schweiz wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Volkszählung mit dem Konzept <strong>der</strong> Regionalsprachegearbeitet. Die Regionalsprache ist die am Wohnort e<strong>in</strong>er Person hauptsächlich gesprocheneLandessprache. In <strong>der</strong> Deutschschweiz ist dies Deutsch, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suisse Romande französisch usw. AlleNicht-Regionalsprachen s<strong>in</strong>d Fremdsprachen am jeweiligen Ort.


13111Personen, die als Hauptsprache ke<strong>in</strong>e germanische o<strong>der</strong> romanische Sprachehaben.Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex = RNH + RNU + NLE + NRGRNH = Regionalsprache wird zuhause nicht gesprochenUmgangssprache zu Hause ist nicht: RegionalspracheRNU = Regionalsprache wird we<strong>der</strong> zuhause noch im ErwerbslebengesprochenUmgangssprache zu Hause und im Erwerbsleben ist nicht: RegionalspracheNLE = We<strong>der</strong> Landessprachen noch Englisch werden gesprochenUmgangssprache zuhause und im Erwerbsleben ist nicht: Deutsch, Französisch,Italienisch, Rätoromanisch, EnglischNRG = Hauptsprache ist ke<strong>in</strong>e germanische o<strong>der</strong> romanische SpracheHauptsprache ist nicht: Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch,Englisch, Nie<strong>der</strong>ländisch, Spanisch, Portugiesisch, Dänisch, Norwegisch,Schwedisch, RumänischZusammenspiel <strong>der</strong> drei Indizes <strong>in</strong> <strong>der</strong> SchweizSiedlungstypen im Status-IndividualisierungsdiagrammDie beiden Dimensionen des soziokulturellen Profils – «sozialer Status» und«Lebensform» – bilden zusammen e<strong>in</strong>en zweidimensionalen Raum, <strong>in</strong> dem diewichtigsten Gegensätze <strong>der</strong> Gesellschaft zum Ausdruck kommen. Es handeltsich dabei um e<strong>in</strong>e Repräsentation des «sozialen Raums» von Pierre Bourdieu(1994). In Bourdieus Ansatz wird das klassische Konzept e<strong>in</strong>er vertikal geschichtetenGesellschaft um e<strong>in</strong>en horizontalen Gegensatz ergänzt. Das Konzeptdes sozialen Raumes basiert auf <strong>der</strong> Vorstellung, dass die vertikale sozialeSchichtung zwar e<strong>in</strong>e wichtige Differenzierung <strong>der</strong> Gesellschaft bildet, dassjedoch quer dazu e<strong>in</strong>e zweite Differenzierung verläuft, die auf Unterschieden <strong>in</strong>den Wertvorstellungen, den Lebensstilen und dem beruflichen Milieu beruht.Es handelt sich dabei um den Gegensatz zwischen e<strong>in</strong>er traditionell bürgerlichenund e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividualisiert-postmo<strong>der</strong>nen Grundorientierung. WesentlicheAspekte dieses Gegensatzes werden durch den Individualisierungs<strong>in</strong>dex abgebildet,<strong>der</strong> im Folgenden als horizontale Achse den Status<strong>in</strong>dex als vertikalerAchse gegenübergestellt wird (Heye & Leuthold 2006). Die Repräsentation dessozialen Raumes, die sich daraus ergibt, bezeichnen wir als Status-Individualisierungs-Diagramm, kurz S-I-Diagramm.


13212Abb. 1: Siedlungstypen im Status-Individualisierungs-Diagramm(Leuthold 2006)Die Abbildung 1 zeigt die 1977 Geme<strong>in</strong>de(gruppe)n und Quartiere bzw. Quartiergruppenim S-I-Diagramm. Eng gruppiert im S-I-Diagramm s<strong>in</strong>d die Geme<strong>in</strong>dendes ländlichen Raumes. Dicht gedrängt konzentrieren sie sich im unterenl<strong>in</strong>ken Bereich des Diagramms. Das heisst, die Statuswerte s<strong>in</strong>d tief, undes dom<strong>in</strong>ieren bürgerlich-traditionelle Lebensformen. Die schwache Streuungzeigt, dass die soziokulturelle Differenzierung <strong>in</strong>nerhalb des ländlichen Raumesnur schwach ausgeprägt ist. Die im Vergleich zu den Ballungsgebietenger<strong>in</strong>ge wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik führt dazu, dass dieUngleichheiten kle<strong>in</strong> bleiben. E<strong>in</strong>e wichtige Ursache für die soziokulturelleHomogenität des ländlichen Raumes s<strong>in</strong>d Abwan<strong>der</strong>ungsprozesse. Bekannt istdabei die als «bra<strong>in</strong> dra<strong>in</strong>» bezeichnete Abwan<strong>der</strong>ung von berufs- und karriere-


13313orientierten Personen <strong>in</strong> die Ballungsräume, wo ihnen bessere berufliche Perspektivenoffen stehen. Neben dem «bra<strong>in</strong> dra<strong>in</strong>» existiert jedoch e<strong>in</strong> zweiterAbwan<strong>der</strong>ungstyp, <strong>der</strong> die soziokulturelle Homogenisierung des ländlichenRaumes unterstützt: Personen mit von <strong>der</strong> bürgerlichen Norm abweichendenLebensentwürfen und Lebensstilen f<strong>in</strong>den e<strong>in</strong> ihnen entsprechendes Umfeldeher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anonymen und <strong>in</strong>dividualisierten Kernstadt als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em durche<strong>in</strong>e starke soziale Geme<strong>in</strong>schaft und e<strong>in</strong>e damit verbundene soziale Kontrollecharakterisierten ländlichen Dorf. Mit ihrer Abwan<strong>der</strong>ung verstärken siegleichzeitig das traditionell-bürgerliche Profil des ländlichen Raumes, wie auchdie Individualisierung <strong>der</strong> Kernstädte.Das soziokulturelle Gegenbild zum ländlichen Raum ist die Kernstadt. DieQuartiere und Geme<strong>in</strong>den des Typs Kernstadt s<strong>in</strong>d weit über den rechten Bereichdes sozialen Raumes gestreut. E<strong>in</strong>e Differenzierung besteht dabei sowohl<strong>in</strong> horizontaler (Lebensform) als auch <strong>in</strong> vertikaler Richtung (Status). Insgesamthebt sich <strong>der</strong> Siedlungstyp Kernstadt jedoch durch e<strong>in</strong>en hohen Individualisierungsgradvon den beiden an<strong>der</strong>en Siedlungstypen ab.Der Agglomerationsgürtel nimmt bezüglich Individualisierungsgrad e<strong>in</strong>e mittlerePosition zwischen Kernstadt und Land e<strong>in</strong>. Der Agglomerationsgürtel istdabei durch relativ ger<strong>in</strong>ge Unterschiede <strong>in</strong> den Lebensformen komb<strong>in</strong>iert mitgrossen Statusunterschieden charakterisiert. An<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den Kernstädten ist<strong>in</strong> den Agglomerationsgürteln vor allem die vertikale soziale Entmischung <strong>der</strong>Bevölkerung ausgeprägt.Unterstützt wird die räumliche Entmischung <strong>der</strong> Statusgruppen vom fö<strong>der</strong>alistischenSteuersystem <strong>der</strong> Schweiz, das auf kle<strong>in</strong>em Raum starke Unterschiededes Steuerniveaus zulässt und damit Anreize setzt, welche die soziale Segregationför<strong>der</strong>n.Fremdsprachigkeit im Status-Individualisierungs-DiagrammAbbildung 2 zeigt die Geme<strong>in</strong>de(gruppe)n und Quartiere bzw. Quartiergruppenim Status-Individualisierungs-Diagramm komb<strong>in</strong>iert mit dem Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dexals passiver Variablen. Je dunkler die Kreisscheiben s<strong>in</strong>d, destogrösser ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> sprachlich Nicht-Integrierten <strong>in</strong> dieser Geme<strong>in</strong>de beziehungsweise<strong>in</strong> diesem Stadtquartier. Die Verteilung <strong>der</strong> dunklen und hellenKreisscheiben zeigt, dass sich die Orte mit e<strong>in</strong>er starken Fremdsprachigkeit imS-I-Diagramm rechts unten konzentrieren. Das heisst, sie s<strong>in</strong>d charakterisiertdurch e<strong>in</strong>en hohen Individualisierungsgrad komb<strong>in</strong>iert mit e<strong>in</strong>em tiefen sozialenStatus.


13414Abb. 2: Fremdsprachigkeit im Status-Individualisierungs-DiagrammEs bestätigt sich dabei, dass e<strong>in</strong>e ausgeprägte Fremdsprachigkeit e<strong>in</strong> urbanesPhänomen ist. Innerhalb <strong>der</strong> <strong>urbanen</strong> Zonen ist die sprachlich schlecht <strong>in</strong>tegrierteBevölkerung jedoch nicht gleichmässig verteilt, son<strong>der</strong>n konzentriert sich<strong>in</strong> den Wohngebieten mit e<strong>in</strong>em tiefen sozialen Status. Unterschichtsquartieres<strong>in</strong>d heute zugleich Migrationsquartiere. Die sozioökonomische Belastunge<strong>in</strong>er materiell benachteiligten Bevölkerung kumuliert sich dabei, mit <strong>der</strong> Belastung,die sich aus <strong>der</strong> schlechten Integration e<strong>in</strong>es Teils <strong>der</strong> Bevölkerungergibt.DiskussionIn diesem Beitrag haben wir e<strong>in</strong>e theoriegeleitete quantitative Sozialraumanalyseunter den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er pluralisierten und <strong>in</strong>dividualisierten Gesellschaftvorgestellt, die sich nicht nur auf urbane Räume beschränkt, son<strong>der</strong>n die


13515sozialräumlichen Unterschiede e<strong>in</strong>es ganzen Landes beschreiben kann. Ausgehendvon e<strong>in</strong>er Kritik an den klassischen Ansätzen <strong>der</strong> Sozialraumanalyse und<strong>der</strong> explorativen Faktorialökologie formulierten wir e<strong>in</strong>e Aktualisierung desdeduktiven Ansatzes von Shevky& Bell auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Theorie des sozialenRaumes von Pierre Bourdieu. Anhand <strong>der</strong> von uns durchgeführten Studie fürdie Schweiz zeigten wir, wie das Gefüge urbaner, suburbaner und ländlicherWohnmilieus nach vertikaler und horizontaler sozialer Differenzierung modelliertwerden kann.Die dritte Strukturierungsdimension bildet <strong>in</strong> den klassischen Ansätzen dieethnische Segregation. Es stellt sich die Frage, ob die Verwendung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>anteile<strong>in</strong> Segregations- und Sozialraumanalysen auf e<strong>in</strong>e zu starke B<strong>in</strong>dungan die US-amerikanischen Modelle zurückzuführen ist. In <strong>der</strong> Schweiz segregiertdie ausländische Bevölkerung trotz recht grossen Anteilen an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerungvon ca. 20% vor allem nach Status und nur <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem Massenach Nationalität (Heye & Leuthold 2006). Damit unterscheidet sich dieSchweiz deutlich von den USA, wo die Segregation nach Ethnien quer zu denSegregationsmustern nach Status verläuft. Daher wurde <strong>in</strong> dieser Studie bewusstauf die Variable «Auslän<strong>der</strong>anteil» verzichtet. Mit dem hier vorgestelltenFremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex wird vielmehr <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Bevölkerung gemessen,<strong>der</strong> sich aufgrund von sprachlichen Barrieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaftschlecht verständigen kann und damit an e<strong>in</strong>er Integration geh<strong>in</strong><strong>der</strong>t ist.Wir s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Überzeugung, dass wir mit diesem Modell, das sich auf die sozialenMerkmale zur Beschreibung <strong>der</strong> Wohnmilieus bezieht, e<strong>in</strong> geeignetesInstrument für vergleichende Analysen entwickelt haben. Wirtschaftsgeographisch,kulturell o<strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionell bed<strong>in</strong>gte Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialräumlichenDifferenzierung zwischen Städten, Agglomerationen und ländlichemRaum können ebenso erkannt wie <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss modellexterner Faktoren wie <strong>der</strong>baulichen Struktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Struktur des Wohnungsmarktes auf die residenzielleSegregation <strong>in</strong>tegriert werden.LiteraturBourdieu, P. (1994): Die fe<strong>in</strong>en Unterschiede. Kritik an <strong>der</strong> gesellschaftlichenUrteilskraft. Frankfurt am Ma<strong>in</strong>.Bühler, E. (2001): Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz. Zürich.Bühler, E. & C. Heye (2005): Fortschritte und Stagnation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gleichstellung<strong>der</strong> Geschlechter 1970–2000. Bundesamt für Statistik, Neuchâtel.Duncan, O. & B. Duncan (1955): A methodological Analysis of SegregationIndexes. In: American Sociological Review, Vol. 20, S. 210-217.Ecoplan (2004): Verteilung des Wohlstands <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz. Bern.


13616Geil<strong>in</strong>g, H. (2001): Zum Verhältnis von Gesellschaft, Milieu und Raum. E<strong>in</strong>Untersuchungsansatz zu Segregation und Kohäsion <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt. Hannover.Giddens, A. (1994): Die Konsequenzen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne. Frankfurt am Ma<strong>in</strong>.Gutfleisch, R. (2001): <strong>Sozialräumliche</strong> Differenzierung <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong> –e<strong>in</strong>e Untersuchung auf <strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>er Faktoren- und Clusteranalyse.In: 75 Jahre Rhe<strong>in</strong>-Ma<strong>in</strong>ische Forschung 1925 – 2000. Heft 119. S.195-226.Häussermann, H. & W. Siebel (1996): Soziologie des Wohnens. Ene E<strong>in</strong>führung<strong>in</strong> Wandel und Ausdifferenzierung des Wohnens. We<strong>in</strong>heim, München.Hermann. M., Heye C. & H. Leuthold (2005): Soziokulturelle Unterschiede <strong>in</strong><strong>der</strong> Schweiz. Vier Indizes zu räumichen Disparitäten, 1990-200. Bundesamtfür Statistik. Neuchâtel.Hermann, S. & G. Me<strong>in</strong>lschmidt (1995): Sozialstrukturatlas Berl<strong>in</strong>. Erste geme<strong>in</strong>sameBerechnung für alle Bezirke. Berl<strong>in</strong>.Heye, C. & H. Leuthold (2006): <strong>Sozialräumliche</strong>r Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong> AgglomerationZürich. Konsequenzen von Suburbanisierung und ReurbanisierungIn: disP Nr. 164, vol. 42 (1). S. 16-29.Leuthold, H. (2006): Die sozialräumliche Dynamik <strong>der</strong> urbanisierten Schweizund ihre politikgeografische Dimension. Dissertation am GeographischenInstitut <strong>der</strong> Universität Zürich.Shevky, E. & W. Bell (1961): Social Area Analysis. In: Theodorson, G.(Hrsg.): Studies <strong>in</strong> Human Ecology, New York, S. 226–235.Steffen, H. & T. Schulz (2005): Geme<strong>in</strong>degruppen als Werkzeug <strong>der</strong> Analyseund Diffusion von Geme<strong>in</strong>dedaten. Bundesamt für Statistik. Neuchâtel.Ste<strong>in</strong>bach, J., Holzhauser, A. & K. Neudecker (2001): Die «historische Sozialraumanalyse»als Instrument zur Identifikation von Planungsproblemen.In: Raumforschung und Raumordnung. Heft 1, 59. Jg. S. 6-18.Vester, M., von Oertzen, P., Geil<strong>in</strong>g, H. Hermann, T. & D. Müller (1999): SozialeMilieus im gesellschaftlichen Strukturwandel. Zwischen Integrationund Ausgrenzung. Frankfurt a. M.Wanner, P. (2004): Migration und Integration. Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz. Bundesamt für Statistik. Neuchâtel.Zehner, K. (2004): Die Sozialraumanalyse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krise? Denkanstösse für e<strong>in</strong>eMo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> sozialgeografischen Stadtforschung. In: Erdkunde.Bd. 58/2004. S. 53-61.


Manuskript 4:Heye. C. & A. O<strong>der</strong>matt (2006):E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Umzüge auf die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong> im<strong>urbanen</strong> Raum Zürichs.In: disP Nr. 164. Vol. 42 (4), S. 52 – 64.


13952 disP 167 · 4/2006 E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Umzüge auf die sozialräumlichen<strong>Prozesse</strong> im <strong>urbanen</strong> Raum ZürichsCor<strong>in</strong>na Heye und André O<strong>der</strong>mattCor<strong>in</strong>na Heye ist WissenschaftlicheAssistent<strong>in</strong> am GeographischenInstitut <strong>der</strong>Universität Zürich, AbteilungWirtschaftsgeographie.Dr. André O<strong>der</strong>matt istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Geographischen Institut <strong>der</strong>Universität Zürich, AbteilungWirtschaftsgeographie.Abstract: This paper focuses on the modifiedurban migration patterns that were generatedby the reurbanization process. The socio-spatialprocesses <strong>in</strong> the core city of Zurich are quantifiedbased on censuses from 1990 and 2000.The urban migration patterns are analyzed bya complete survey of all <strong>in</strong>dividual relocationsbetween 1990 and 2002. The unique databaseallows the comb<strong>in</strong>ation of both long and crosssectionanalyses. This leads to a deeper un<strong>der</strong>stand<strong>in</strong>gof the processes tak<strong>in</strong>g place.Reurbanization does not represent a fundamentalreversal of the ongo<strong>in</strong>g urban sprawl. However,it does <strong>in</strong>dicate qualitative changes that affecthous<strong>in</strong>g as well as the social pattern of thecities <strong>in</strong>volved and the relationship between thecore city, suburbs and urban h<strong>in</strong>terland. In additionto the positive effect of upgraded neighborhoods,people are forced to move away fromthese newly desirable areas. In upgraded anddowngraded neighborhoods, both the <strong>in</strong>- andout-migration is analyzed with regard to thesubpopulations <strong>in</strong>volved. A special focus is puton the structure and changes <strong>in</strong> hous<strong>in</strong>g and thel<strong>in</strong>ks with the movement patterns of subpopulations<strong>in</strong> or<strong>der</strong> to analyze the overall impact onthe urban fabric.1. E<strong>in</strong>leitungNoch vor e<strong>in</strong>igen Jahren galten die Zentren <strong>der</strong>Grossstädte als unwirtliche Lebensräume. Diejenigen,die dazu <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage waren, kehrtenden durch Lärm, schlechte Luft und Drogenproblemegeplagten Stadtgebieten den Rücken.1990 prägte <strong>der</strong> WirtschaftswissenschaftlerRené L. Frey (1990: 18) den Begriff <strong>der</strong>«A-Stadt» als e<strong>in</strong> Gebiet, <strong>in</strong> dem sich vor allemAlte, Arme, Arbeitslose, Auszubildende, Auslän<strong>der</strong>und Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen konzentrieren 1 . DieseEntwicklung hat sich allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> den letztenJahren nicht weiter fortgesetzt. Wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>enIndustrielän<strong>der</strong>n haben die grossen Städte <strong>der</strong>Schweiz <strong>in</strong> den letzten zehn Jahren e<strong>in</strong>e Renaissanceerlebt (Brühl et al. 2005: 11): E<strong>in</strong>egut ausgebildete und junge Mittelschicht hatE<strong>in</strong>zug gehalten, gefolgt von schmucken Cafés,trendigen Bars und edlen Galerien. Staatlicheund private Investitionen haben den LebensraumStadt – zum<strong>in</strong>dest Teile davon – <strong>in</strong> neuemGlanz erblühen lassen. Die Grün<strong>der</strong>zeitbautenwerden sorgfältig renoviert und Städte <strong>in</strong>vestierenviel Geld <strong>in</strong> die Aufwertung des öffentlichenRaums (Hermann et al. 2005b: 12).In <strong>urbanen</strong> <strong>Räumen</strong> s<strong>in</strong>d Umzüge <strong>der</strong> Motorvon Segregation, da die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong>Bevölkerungsstruktur kle<strong>in</strong>räumig vor allemdurch umziehende Haushalte entstehen. DasUmzugsverhalten bestimmter Bevölkerungskategorienkann zur sozialen Auf-, Ab- o<strong>der</strong> Umwertungvon Wohnquartieren b<strong>in</strong>nen wenigerJahre führen. E<strong>in</strong>e wichtige Rahmenbed<strong>in</strong>gungstellt dabei die nach Quartieren deutlich unterschiedlicheBebauungsstruktur dar. In dieserArbeit soll auf den Zusammenhang zwischensozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>n, Bebauungsstrukturund Umzügen fokussiert werden.Die sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong> werden dabeimittels Indizes, die für die Schweiz zur Analysesoziokultureller Unterschiede entwickelt wurden(Hermann et al. 2005a), <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürichquantifiziert. Die Bebauungsstruktur wirdmittels <strong>der</strong> Volkszählungsdaten 1990 und 2000analysiert. Die Analyse <strong>der</strong> Umzüge schliesslicherfolgt mittels Fluktuationsraten und nachNationalitäten, demographischen und sozialenMerkmalen differenzierten Wan<strong>der</strong>ungssaldi.Dazu stehen die Individualdaten <strong>der</strong> real getätigtenZu-, Weg- und Umzüge <strong>der</strong> Stadt Zürichzwischen 1990 und 2002 als Vollerhebung zurVerfügung.2. Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierungSeit den 1950er-Jahren f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> den SchweizerStädten wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en europäischen Staatene<strong>in</strong>e Suburbanisierung statt (Da Cunha, Both2004: 7; E<strong>der</strong> Sandtner 2005: 2; Heye, Leuthold2006: 16). Unter Suburbanisierung verstehtman die Verlagerung von Nutzungen undBevölkerung aus <strong>der</strong> Kernstadt, dem ländlichenRaum o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en metropolitanen Gebieten<strong>in</strong> das städtische Umland bei gleichzeitiger Reorganisation<strong>der</strong> Verteilung von Nutzungen undBevölkerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Fläche des metropolitanenGebietes (Friedrichs 1995: 99).Der Suburbanisierungsprozess ist stetig fortgeschrittenmit <strong>der</strong> Folge, dass sich die <strong>urbanen</strong>


140Zonen des Landes nicht mehr alle<strong>in</strong> auf dieKernstadtgeme<strong>in</strong>den beschränken. Die Konsequenzs<strong>in</strong>d unter an<strong>der</strong>em zunehmende Zersiedlungdes zuvor ländlichen Umlands und zunehmendeVerkehrsbelastungen als Folge <strong>der</strong>Verlängerung <strong>der</strong> Pendlerdistanzen und e<strong>in</strong>erVerän<strong>der</strong>ung des Modal Splits zugunsten desmotorisierten Individualverkehrs (Gaebe 2004:63; Häussermann, Siebel 2004: 74).Der Suburbanisierungsprozess war mite<strong>in</strong>em zum Teil drastischen E<strong>in</strong>wohnerrückgang<strong>in</strong> den Kernstädten verbunden. Vor allemjüngere Mittelschicht-Haushalte mit mittlerenbis höheren E<strong>in</strong>kommen wan<strong>der</strong>ten <strong>in</strong> dasH<strong>in</strong>terland <strong>der</strong> Städte ab (Herlyn 1990: 61;O<strong>der</strong>matt 2001: 110 ff.; Gaebe 2004: 64; Häussermann,Siebel 2004: 76). Diese Suburbanisierungswan<strong>der</strong>ungenzeigten für die Kernstädtedie bekannten Wirkungen <strong>in</strong> Form vonEntmischungsprozessen, die Frey (1990) wiee<strong>in</strong>gangs erwähnt mit dem Begriff <strong>der</strong> «A-Stadt»bezeichnete. Problematisch ist dabei die Selektivitätdes <strong>Prozesse</strong>s, die dazu führt, dass dieSteuerbasis erodiert und die Diskrepanz zwischenKosten- und Nutzenträgern <strong>der</strong> öffentlichenE<strong>in</strong>richtungen wächst (Janos et al. 1997:200; O<strong>der</strong>matt 2001: 110 ff.). Instandhaltungs<strong>in</strong>vestitionen<strong>in</strong> den Wohnungsbestand werdenzunehmend unterlassen, so dass e<strong>in</strong> «Filter<strong>in</strong>gdown» des Wohnungsbestandes zu beobachtenist (Friedrichs 2000: 176; Gaebe 2004: 106).Diese klassischen und aus e<strong>in</strong>em spezifischenhistorischen Kontext deduzierten Modelle <strong>der</strong>Sozialökologie und <strong>der</strong> Mikroökonomie, welchee<strong>in</strong>en ständig s<strong>in</strong>kenden sozialen Statusund abnehmende Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bausubstanzproklamieren, lassen sich bis zum Ende <strong>der</strong>1980er-Jahre empirisch bestätigen (Brühl et al.2005: 18).Seit etwa zwei Jahrzehnten wird die Suburbanisierungvon e<strong>in</strong>em Reurbanisierungsprozessüberlagert (Gaebe 2004: 154). Unter Reurbanisierungwird die Bevölkerungs- und Beschäftigungszunahme<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kernstadt verstanden, diemit e<strong>in</strong>er Aufwertung <strong>der</strong> Kernstadt e<strong>in</strong>hergeht.Diese Aufwertung ist beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>in</strong>nenstadtnahenehemaligen Arbeiter- und Industriequartierengross und ist mit dem Prozess <strong>der</strong>Gentrifizierung bzw. gentrification verknüpft(Dangschat 1994: 336). Mit dem Prozess <strong>der</strong>Gentrifizierung wird die Aufwertung <strong>in</strong>nerstädtischerWohnquartiere durch den Zuzug von sozialBessergestellten und damit die Verdrängung<strong>der</strong> sozial schwächeren Schichten bezeichnetsowie dem damit e<strong>in</strong>hergehenden Wandel <strong>der</strong>lokalen Infrastruktur (Dangschat, Blasius 1994;Blasius 1993). Dieser Vorgang vollzieht sich <strong>in</strong>verschiedenen Phasen, die als doppelter Invasions-Sukzessions-Zyklusbezeichnet werden: DasInteresse an bis dah<strong>in</strong> «heruntergekommenen»Quartieren geht meist von jugendlichen Pionierenaus. Mit ihrem kulturellen Kapital machensie das Gebiet <strong>in</strong>teressant, und es ziehen aufihre Ansprüche abzielende Gewerbebetriebenach. Dies macht Investitionen für die Eigentümer<strong>der</strong> vorhandenen Wohngebäude lohnenswert.Diese umfassen sowohl Sanierung von Altbauten(filter<strong>in</strong>g up) als auch den Ersatzneubau(Van Wessep 1994). Die Investitionen im Bestandwerden dabei meist durch private Vermietero<strong>der</strong> Investoren getätigt (Beauregard 1990;Van Wessep 1994). Dabei werden zwei Theorienunterschieden, die «rent gap»-Theorie und die«value gap»-Theorie (Glatter 2005: 17). Mit «rentgap» bezeichnet Smith (1979) die Differenz aus<strong>der</strong> potentiellen Grundrente nach erfolgter Sanierungund <strong>der</strong> aus den aktuellen Miete<strong>in</strong>nahmenerzielten Grundrente. Der «value gap»bezeichnet die Wertlücke zwischen den langfristigenKapitale<strong>in</strong>nahmen aus Vermietung <strong>der</strong>Wohnungen und dem Verkaufswert <strong>der</strong> Wohnungennach e<strong>in</strong>er Sanierung (Hamnett, Randolph1986). Diese beiden Ansätze stellen ke<strong>in</strong>egegensätzlichen Konzepte dar, son<strong>der</strong>n stehenfür unterschiedliche Formen <strong>der</strong> Gentrifizierung,die sich ergänzen (Clark 1992; Friedrichs,Kecskes 1996; Glatter 2005). In <strong>der</strong> Schweizspielt <strong>der</strong> «value gap» e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Rolle, da<strong>der</strong> Wohnungsmarkt vor allem <strong>in</strong> den Städtendurch Mietwohnungen dom<strong>in</strong>iert wird.Die mo<strong>der</strong>nisierten Altbauwohnungeno<strong>der</strong> Wohnungen <strong>in</strong> Ersatzneubauten werdendann durch alle<strong>in</strong> o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Paarhaushalten lebende«Gentrifier» bezogen, die sich die gestiegenenMieten leisten können (Friedrichs2000: 60; Gaebe 2004: 155). E<strong>in</strong>e treibendeRolle spielt dabei die so genannte «neue urbaneMittelschicht» (Brühl et al. 2005), die ihreökonomische Basis <strong>in</strong> den wachsenden soziokulturellenund kommunikativen Dienstleistungsbranchenbesitzt. Diese neue Mittelschichtteilt nur e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> klassischbürgerlichen Lebensideale und weicht <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eim Bereich des Wohnens davon ab:Statt e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>familienhaus im Grünen s<strong>in</strong>des eher mo<strong>der</strong>nisierte Altbauwohnungen o<strong>der</strong>Lofts im pulsierenden Teil <strong>der</strong> Grossstadt, dienachgefragt werden (Brühl et al. 2005). DerZuzug <strong>der</strong> neuen Bewohner wird <strong>in</strong>sofern alsproblematisch bewertet, als durch die Verdrängung<strong>der</strong> sozial schwächeren Alte<strong>in</strong>gesessenene<strong>in</strong>e räumliche Polarisierung <strong>der</strong> Stadtbevölkerungverstärkt vorangetrieben wird (Atk<strong>in</strong>son2003: 2345). Der Prozess wird als Teil e<strong>in</strong>esdisP 167 · 4/2006 53


14154 disP 167 · 4/2006 umfassen<strong>der</strong>en ökonomischen, sozialen undpolitischen Restrukturierungsprozesses <strong>in</strong>terpretiert,wobei die ökonomischen, sozialen undpolitischen Transformationen teils als Ursache,teils als Folge aufgefasst werden (Ley 1996).Seit e<strong>in</strong>igen Jahren werden neue Formen<strong>der</strong> Ungleichheit <strong>in</strong> den Grossstädten konstatiert,die mit den Begriffen <strong>der</strong> Exklusion o<strong>der</strong>Ausgrenzung bezeichnet werden. Dabei s<strong>in</strong>dverschiedene Bevölkerungskategorien von Ausgrenzungsprozessenbetroffen. Zum e<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>dArbeitslose zu nennen, bei denen sich die Arbeitslosigkeitverfestigt, was <strong>in</strong> steigendenZahlen von Dauerarbeitslosen zum Ausdruckkommt. Zum an<strong>der</strong>en ergeben sich aus demWandel <strong>der</strong> Familien- und Haushaltsstrukturenwachsende Abstiegsrisiken. Immer kle<strong>in</strong>erwerdende Familien und die Zunahme von <strong>in</strong>dividualisiertenLebensformen verr<strong>in</strong>gern dieAuffangmöglichkeiten durch die <strong>in</strong>formellenNetze von Familie und Verwandtschaft. Die alle<strong>in</strong>erziehendenMütter gehören daher zu denGruppen, die von dauerhafter Armut bedrohts<strong>in</strong>d (Häussermann, Siebel 1996). Des Weiterens<strong>in</strong>d Zuwan<strong>der</strong>er und ethnische M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenAusgrenzungsprozessen ausgesetzt, weil bei ihnenfehlende politische Rechte und soziale bzw.kulturelle Marg<strong>in</strong>alisierung zusammentreffen(Bremer 2000).Der Wandel von <strong>der</strong> Industrie- zur Dienstleistungsökonomieist vermutlich mit e<strong>in</strong>erstärkeren E<strong>in</strong>kommensdifferenzierung verbunden(Häussermann, Siebel 1996). Die Reale<strong>in</strong>kommene<strong>in</strong>es grossen Teils <strong>der</strong> Bevölkerungs<strong>in</strong>ken. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gibt es aberauch e<strong>in</strong>e wachsende Zahl von Beschäftigten,die sehr hohe E<strong>in</strong>kommen beziehen. Wir habenes also mit e<strong>in</strong>er Spreizung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensverteilungund – weil die mittleren Segmentequantitativ an Bedeutung verlieren – mit e<strong>in</strong>erPolarisierung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensstruktur zu tun(Alisch, Dangschat 1998; Koll-Schretzenmayret al. 2005: 51 ff.).Neben den sozialen Risiken ist <strong>in</strong> jüngererZeit <strong>in</strong> den Städten die Herausbildung von sozialräumlichenKonstellationen zu beobachten,die selbst zur Ursache für Benachteiligung undAusgrenzung werden können. Damit ist e<strong>in</strong>eweitere Verstärkung <strong>der</strong> räumlichen Segregationverbunden, die zu e<strong>in</strong>er Konzentrationvon marg<strong>in</strong>alisierten Bevölkerungsgruppen <strong>in</strong>bestimmten Quartieren führt. Die soziale Entwicklung<strong>in</strong> den westlichen Grossstädten wirdseit e<strong>in</strong>igen Jahren mit Begriffen wie Dualisierungbzw. Spaltung gekennzeichnet (Fa<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> etal. 1992). Durch selektive Migration und durchdie Verarmung <strong>der</strong> Bewohner können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emQuartier <strong>Prozesse</strong> <strong>in</strong> Gang kommen, die zu e<strong>in</strong>erkumulativ sich selbst verstärkenden Spirale<strong>der</strong> Abwärtsentwicklung führen (Alisch, Felde1990).Basierend auf den dargelegten theoretischenBefunden lassen sich sowohl für marg<strong>in</strong>alisierteals auch für gentrifizierte Quartiere Hypothesenableiten. Marg<strong>in</strong>alisierte Quartiere weisendemnach folgende Charakteristika auf (Häussermann,Siebel 2004):• hohe Bevölkerungsfluktuation,• hohe und zunehmende Auslän<strong>der</strong>anteile, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>ebei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen,• hohe Arbeitslosigkeit und hohe Sozialhilfedichte,• hoher Zuzug von Zuwan<strong>der</strong>ern aus dem Ausland,• Überwiegen des Wegzugs von Familien mitK<strong>in</strong><strong>der</strong>n (negativer Wan<strong>der</strong>ungssaldo),• Überwiegen des Wegzugs von Erwerbstätigen(negativer Wan<strong>der</strong>ungssaldo).Im Gegensatz dazu ist <strong>der</strong> Aufwertungsprozess<strong>in</strong> Quartieren verbunden mit:• Überwiegen des Zuzugs von ausserhalb <strong>der</strong>Stadt,• Überwiegen des Zuzugs <strong>der</strong> so genannten«neuen <strong>urbanen</strong> Mittelschicht»,• Überwiegen des Wegzugs von Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nenund Auslän<strong>der</strong>n, Arbeitslosen und an<strong>der</strong>en sozialbenachteiligten Gruppen,• erhöhter Renovationstätigkeit,• steigenden Mieten,• hohen Anteil privater und <strong>in</strong>stitutioneller Vermieter.Die meisten <strong>der</strong> hier aufgeführten Hypothesenkonnten bislang nur mittels Stichprobeno<strong>der</strong> periodisch erhobenen Vollerhebungenüberprüft werden. Da für die Stadt Zürich nebenden Volkszählungsdaten sämtliche Umzügezwischen 1990 und 2000 zur Verfügung stehen,können diese Hypothesen vertieft analysiert werden.Diese e<strong>in</strong>zigartige Datenbasis ermöglichtalso die Komb<strong>in</strong>ation e<strong>in</strong>er Längs- und Querschnittsanalyseund führt zu e<strong>in</strong>em vertieftenVerständnis <strong>der</strong> stattgefundenen <strong>Prozesse</strong>.3. Methodik3.1 Datenbasis und Raume<strong>in</strong>heitenZur Analyse <strong>der</strong> sozialräumlichen Entwicklungwird <strong>in</strong> diesem Artikel auf Indizes zurückgegriffen,die auf Basis <strong>der</strong> Personen- und Haushaltsdaten<strong>der</strong> Volkszählungen von 1990 und 2000und <strong>der</strong> Statistik zur direkten Bundessteuer <strong>der</strong>Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) <strong>der</strong>


142Steuerperioden 1989/91 und 1999/2000 fürdie Schweiz entwickelt wurden (Hermann et al.2005a).Für die Analyse <strong>der</strong> Migrationsmuster stehtdie Umzugsstatistik <strong>der</strong> Stadt Zürich zur Verfügung,die alle Umzüge <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong>Stadt Zürich seit 1990 enthält. Diese Vollerhebung<strong>der</strong> real stattgefundenen Weg-, Zu- undUmzüge lässt die Charakterisierung <strong>der</strong> Umziehendennach Stand im Lebenszyklus, Haushaltsformund Nationalität auf Individualebene zu.Als Raume<strong>in</strong>heiten werden die 34 Quartiere<strong>der</strong> Stadt Zürich verwendet. Quartiere mit wenigerals 1000 E<strong>in</strong>wohnern wurden zu Quartiergruppenmit e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>destgrösse von 1000E<strong>in</strong>wohnern zusammengefasst. Somit entstehen32 Raume<strong>in</strong>heiten. Die E<strong>in</strong>wohnerzahl zwischenden Quartieren schwankt zwischen 1000und 30 000.3.2 Analyse <strong>der</strong> sozialräumlichenVerän<strong>der</strong>ungDas <strong>in</strong> diesem Artikel verwendete System vonKennzahlen wurde zur Beschreibung <strong>der</strong> soziokulturellenBevölkerungsstruktur und <strong>der</strong>damit verbundenen räumlichen Disparitäten <strong>in</strong><strong>der</strong> Schweiz entwickelt. Dabei wird die Bevölkerungdurch vier Indizes charakterisiert, die densozialen Status, die Lebensformen, die Altersstrukturund die Fremdsprachigkeit beschreiben2 (Hermann et al. 2005a).Der Status<strong>in</strong>dex 3 wird mit Indikatoren zuE<strong>in</strong>kommen, Bildung und zur Stellung im Berufberechnet. Der Status<strong>in</strong>dex bildet regionale Unterschiede<strong>der</strong> vertikalen sozialen Schichtung ab.Er ist e<strong>in</strong> Mass für die relativen Bevölkerungsanteile<strong>der</strong> Oberschicht und <strong>der</strong> Unterschicht ane<strong>in</strong>em Ort. Der Individualisierungs<strong>in</strong>dex 4 stehtfür den Grad <strong>der</strong> Abweichung vom bürgerlichtraditionellenLebensmodell. Grundlage für denIndividualisierungs<strong>in</strong>dex bilden Indikatorenzu Familienmodellen und Haushaltstypen. Mitdem Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex 5 wird <strong>der</strong> Anteil<strong>der</strong> Bevölkerung gemessen, <strong>der</strong> sich aufgrundvon sprachlichen Barrieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaftschlecht verständigen kann. DerFremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex misst also den Personenanteil<strong>der</strong> Gesamtbevölkerung, <strong>der</strong> aufgrundvon Sprachbarrieren bei <strong>der</strong> Integratione<strong>in</strong> Handicap aufweist. Der Alters<strong>in</strong>dex 6 ist e<strong>in</strong>eKennzahl für die altersmässige Zusammensetzung<strong>der</strong> Bevölkerung. Der Anteil <strong>der</strong> Personenim Rentenalter wird stärker gewichtet, da dieB<strong>in</strong>nenmobilität die Bedeutung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> undJugendlichen für die Alterung e<strong>in</strong>es Orts relativiert(vgl. Hermann et al. 2005a).Die Indizes wurden normiert, so dass die verschiedenenIndizes untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> vergleichbars<strong>in</strong>d. Referenzpunkt für alle vier Indizes bildet<strong>der</strong> Indexwert <strong>der</strong> gesamten Schweiz, <strong>der</strong> auf 50Punkte gesetzt wurde. Die Varianz <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnenWerte wurde auf e<strong>in</strong>e fixe Standardabweichungvon 8 normiert, so dass sich die meisten Indexwerte<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zahlenbereich zwischen 0 und100 bef<strong>in</strong>den. Die Gewichtung und Normierung<strong>der</strong> Indexwerte erfolgte anhand <strong>der</strong> Werte desJahres 2000, die Daten für 1990 wurden mitdenselben Parametern normiert und s<strong>in</strong>d damitmit jenen von 2000 direkt vergleichbar (Hermannet al. 2005a).Die Indizes dienen <strong>der</strong> Quantifizierung <strong>der</strong>sozialräumlichen Verän<strong>der</strong>ungen zwischen1990 und 2000. Zum e<strong>in</strong>en soll <strong>in</strong> dieser Arbeituntersucht werden, wie die verschiedenen Dimensionensich zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürichzwischen 1990 und 2000 verhalten. Ferner dienendie Indizes dazu, diejenigen Quartiere auszuwählen,die <strong>in</strong> diesem Zeitraum e<strong>in</strong>e Gentrifizierungo<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Marg<strong>in</strong>alisierung erfahrenhaben.3.3 BebauungsstrukturGentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierung werden<strong>in</strong> <strong>der</strong> Theorie mit unterschiedlicher Bebauungsstruktur<strong>in</strong> Zusammenhang gebracht (vgl.Kap. 2). Dieser Zusammenhang soll <strong>in</strong> dieserArbeit überprüft werden. Die Gentrifizierungvollzieht sich <strong>der</strong> Theorie nach vor allem <strong>in</strong>zentrumsnahen Quartieren mit Blockrandbebauung,Marg<strong>in</strong>alisierung <strong>in</strong> Stadtrandquartierenmit Wohnsiedlungen <strong>in</strong> Zeilenbauweiseaus den 1960er- und 1970er-Jahren. Damitmüsste e<strong>in</strong> Zusammenhang des Status<strong>in</strong>dexmit <strong>der</strong> Bauperiode und <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Stockwerkebestehen. Als positive Folge <strong>der</strong> Gentrifizierungwird die Erneuerung <strong>der</strong> Bebauungsstrukturdurch Sanierung und Ersatzneubaubeschrieben, was als negative Folge die Verdrängung<strong>der</strong> Bevölkerung durch steigendeMieten nach sich zieht.In dieser Arbeit wird daher <strong>der</strong> Zusammenhangdes Status<strong>in</strong>dex und se<strong>in</strong>er Verän<strong>der</strong>ungmit folgenden Charakteristika <strong>der</strong> Bebauungsstrukturanalysiert:• Bauperiode• Anzahl Geschosse pro Haus• Renovation (o<strong>der</strong> Sanierung)• Eigentümerstruktur• Mietpreis/QuadratmeterE<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Fokus wird auf die ausgewähltengentrifizierten und marg<strong>in</strong>alisiertenQuartiere gerichtet.disP 167 · 4/2006 55


14356 disP 167 · 4/2006 3.4 UmzügeDer Theorie nach s<strong>in</strong>d bestimmte Bevölkerungskategorienaktiv und an<strong>der</strong>e passiv anden <strong>Prozesse</strong>n <strong>der</strong> Gentrifizierung und Marg<strong>in</strong>alisierungbeteiligt (vgl. Kap. 2). Zunächstwird <strong>in</strong> dieser Arbeit <strong>der</strong> Zusammenhang zwischensozialräumlicher Entwicklung und Fluktuationsratenüberprüft. In e<strong>in</strong>em weiterenSchritt werden die Wan<strong>der</strong>ungssaldi verschiedenerBevölkerungskategorien <strong>in</strong> den gentrifiziertenund marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren verglichen.Dabei werden zum e<strong>in</strong>en Familien undE<strong>in</strong>zelpersonen betrachtet. Zum an<strong>der</strong>en werdenzwei Nationengruppen analysiert: Angehörigenord- und westeuropäischer Staaten sowieAngehörige von südeuropäischen Staaten 7 .Es gibt nicht nur grosse Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong>sozialen Stratifikation zwischen <strong>der</strong> schweizerischenund ausländischen Bevölkerung, son<strong>der</strong>nauch zwischen den zwei Nationengruppen.Generell ist die ausländische Bevölkerung<strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich <strong>in</strong> den statusniedrigenBerufen über- und <strong>in</strong> den statushohenBerufen untervertreten. Erwerbstätige mitnord- und westeuropäischer Staatsangehörigkeits<strong>in</strong>d <strong>in</strong> statushohen Berufen signifikantübervertreten, Erwerbstätige aus südeuropäischenLän<strong>der</strong>n h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong> statusniedrigenBerufen (Heye, Leuthold 2004). Daher wirdnicht nur zwischen schweizerischer und ausländischerBevölkerung unterschieden, son<strong>der</strong>nauch nach süd- sowie nord- und westeuropäischerHerkunft.4. Ergebnisse für Zürich4.1 <strong>Sozialräumliche</strong> Entwicklung<strong>in</strong> ZürichDie beiden Dimensionen 8 «sozialer Status» und«Lebensform» bilden zusammen e<strong>in</strong>en zweidimensionalenRaum, <strong>in</strong> dem die wichtigstenGegensätze <strong>der</strong> Gesellschaft zum Ausdruckkommen. Es handelt sich dabei um e<strong>in</strong>e Repräsentationdes «sozialen Raums» von PierreBourdieu (1987). Diese Repräsentation des sozialenRaums wird als Status-Individualisierungs-Diagramm, kurz S-I-Diagramm, bezeichnet (vgl.Hermann et al. 2005a). Abbildung 1 zeigt die AgglomerationZürich mit ihren Umlandgeme<strong>in</strong>denund Kernstadtquartieren im hier def<strong>in</strong>iertensozialen Raum. E<strong>in</strong>e Zeitspur markiert die Verän<strong>der</strong>ungzwischen 1990 und 2000 (vgl. Abb. 1).Wie die Abbildung zeigt, unterscheiden sichKernstadt und suburbanes Umland hauptsächlich<strong>in</strong> Bezug auf ihren Individualisierungsgrad.Die Stadtquartiere verteilen sich auf <strong>der</strong>rechten Hälfte des S-I-Diagramms, währenddie Agglomerationsgeme<strong>in</strong>den l<strong>in</strong>ks davon positionierts<strong>in</strong>d. In den meisten Kernstadtquartieren– auch <strong>in</strong> denen mit e<strong>in</strong>em hohen Statuswert– dom<strong>in</strong>ieren <strong>in</strong>dividualisierte Lebensformen,während <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration das traditionellbürgerlicheLebensmodell noch weit stärkerverbreitet ist. Die Unterschiede zwischen Kernstadtund Agglomerationsgürtel s<strong>in</strong>d also nichtprimär sozioökonomischer Natur. Disparitätenim sozialen Status bestehen weniger zwischenals <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> beiden Siedlungstypen.Die hier dargestellten Ergebnisse zeigen,dass die bis <strong>in</strong> die 1990er-Jahre feststellbareEntwicklung e<strong>in</strong>er durch Abwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>bürgerlichen Schicht entstandenen A-Stadt(vgl. Kap. 2) e<strong>in</strong>e grundlegende Än<strong>der</strong>ung erfahrenhat. E<strong>in</strong> hoher sozialer Status ist heutenicht mehr an e<strong>in</strong>en bürgerlichen Lebensstilgeknüpft. In <strong>urbanen</strong> Kernzonen existiert e<strong>in</strong>ebreite Bevölkerungsschicht von gut Ausgebildetenund beruflich gut Situierten mit <strong>in</strong>dividualisiertenLebensformen, seien es Personen<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaushalten o<strong>der</strong> Doppelverdiener(noch) ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong>n (vgl. Heye, Leuthold 2004).Somit kann davon ausgegangen werden, dasssich – auch aufgrund von Reurbanisationsprozessen– heute neben hohen Anteilen von Personenmit e<strong>in</strong>em tiefen Status das Segment statushöhererPersonen deutlich verstärkt hat.Zwischen 1990 und 2000 haben sich gesamtschweizerischdie Statuswerte erhöht und<strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Individualisierung hat zugenommen(Hermann et al. 2005a). Auch die <strong>in</strong> <strong>der</strong>Abbildung 1 dargestellten Zeitspuren <strong>der</strong> AgglomerationZürich zeigen nach rechts oben,h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em höheren Status und e<strong>in</strong>er stärkerenIndividualisierung. Dieser Prozess hat allerd<strong>in</strong>gsnicht <strong>in</strong> allen Geme<strong>in</strong>den und Quartierenim gleichen Ausmass stattgefunden. In Zürichhat e<strong>in</strong>e relative soziale Aufwertung <strong>der</strong> Kernstadtquartieregegenüber den Umlandgeme<strong>in</strong>denstattgefunden. In diesen Verschiebungenim sozialräumlichen Gefüge kommt <strong>der</strong> Prozess<strong>der</strong> Reurbanisierung zum Ausdruck, d. h. dieWie<strong>der</strong>entdeckung <strong>der</strong> Kernstädte als attraktiveWohngebiete.Insbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong>nenstadtnahe Quartiere,die 1990 e<strong>in</strong>en ausgeprägt niedrigen Status<strong>in</strong>dexaufwiesen, haben e<strong>in</strong>en überdurchschnittlichstarken Statusanstieg 9 erfahren. So habendie <strong>in</strong>nenstadtnahen Wohngebiete Langstrasse(+ 12,1) und Gewerbeschule (+ 11,6), die aufgrunddes Drogen- und Rotlichtmilieus <strong>in</strong> weitenTeilen <strong>der</strong> Bevölkerung negativ konnotiert


144waren, e<strong>in</strong>en deutlichen Anstieg des Status<strong>in</strong>dexzu verzeichnen. Sie können daher als «gentrifizierteQuartiere» bezeichnet werden. Auf <strong>der</strong>an<strong>der</strong>en Seite haben Stadtrandquartiere, die1934 e<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>det wurden und ebenfalls 1990e<strong>in</strong>en niedrigen Status<strong>in</strong>dex auf wiesen, zwischen1990 und 2000 relativ zu den an<strong>der</strong>enQuartieren an Status verloren. Am ausgeprägtestengilt dies für die Quartiere Saatlen (+ 4,6),Schwamend<strong>in</strong>gen (+ 4,1) und Hirzenbach (+ 2,8).disP 167 · 4/2006 5730 40 50 60 70 80 90Zürich9080E<strong>in</strong>wohnerzahl:7050 00025 00010 0001 00060gentrifizierte Quartiere50marg<strong>in</strong>alisierte Quartiere40Quartiere <strong>der</strong> KernstadtStatusIndividualisierung3020Agglomerationsgeme<strong>in</strong>denPosition 1990 Position 2000Abb. 1: Status-Individualisierungs-Diagramm<strong>der</strong> AgglomerationZürich.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 1990 und 2000)901990 2000 Verän<strong>der</strong>ung 1990–20009020Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex80706050Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex807060504040–2030 40 50 60 70 80 40 50 60 70 80 90 0 5 10 15 20Status<strong>in</strong>dex Status<strong>in</strong>dex Status<strong>in</strong>dexFremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex100-10Abb. 2: Zusammenhang zwischenStatus und Fremdsprachigkeit,Stadt Zürich, 1990–2000.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 1990 und 2000)801990 2000 Verän<strong>der</strong>ung 1990–20009020708010Alters<strong>in</strong>dex6050403030 40 50 60 70 80Alters<strong>in</strong>dex7060504040 50 60 70 80 90Status<strong>in</strong>dex Status<strong>in</strong>dex Status<strong>in</strong>dexAlters<strong>in</strong>dex0-10–200 5 10 15 20Abb. 3: Zusammenhang zwischenStatus und Alters <strong>in</strong>dex, StadtZürich, 1990–2000.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 1990 und 2000)


14558 disP 167 · 4/2006Tab. 1: Indizes zu Status, Individualisierung,Fremdsprachigkeitund Alterung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich,1990–2000.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 1990 und 2000)Gentrifizierte QuartiereMarg<strong>in</strong>alisierte Quartiere1990 2000 Delta 1990 2000 DeltaStatus<strong>in</strong>dex 35,4 47,2 11,8 37,8 41,7 3,8Individualisierungs<strong>in</strong>dex 76,3 83,3 7,0 48,6 54,8 6,2Fremdsprachigkeits <strong>in</strong>dex 82,7 75,5 –7,2 52,6 68,5 15,9Alters<strong>in</strong>dex 46,5 45,8 –0,8 57,0 57,8 0,8(Quelle: BfS: Eidgenössische Volkszählung 1990 und 2000)Deshalb werden diese «marg<strong>in</strong>alisierte Quartiere»genannt. Sowohl die gentrifizierten alsauch die marg<strong>in</strong>alisierten Quartiere werden imFolgenden genauer analysiert.Die Dimensionen Status und Individualisierungs<strong>in</strong>d per Konstruktion für die Schweizstatistisch unabhängig. Dies ist auch weitestgehendfür die Stadt Zürich <strong>der</strong> Fall. Mit e<strong>in</strong>emKorrelationskoeffizienten 10 von 0,777 zeigt sichallerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> deutlicher Zusammenhang zwischenIndividualisierungs<strong>in</strong>dex und Anstieg desStatus<strong>in</strong>dex, d.h. diejenigen Quartiere, die e<strong>in</strong>enhohen Individualisierungs<strong>in</strong>dex aufweisen,haben e<strong>in</strong>en starken Anstieg des Status<strong>in</strong>dex zuverzeichnen.E<strong>in</strong> weiterer Zusammenhang besteht zwischenStatus- und Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex.Die sprachlich schlecht <strong>in</strong>tegrierte Bevölkerungkonzentriert sich <strong>in</strong> den Wohngebietenmit e<strong>in</strong>em tiefen sozialen Status. Unterschichtquartieres<strong>in</strong>d heute zugleich Migrationsquartiere.Die sozioökonomische Belastung e<strong>in</strong>ermateriell benachteiligten Bevölkerung kumuliertsich dabei, mit <strong>der</strong> Belastung, die sich aus<strong>der</strong> schlechten sprachlichen Integration e<strong>in</strong>esTeils <strong>der</strong> Bevölkerung ergibt. Diese Entwicklunghat sich zwischen 1990 und 2000 noch deutlichverstärkt. Denn mit <strong>der</strong> Aufwertung <strong>der</strong>Quartiere g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Verr<strong>in</strong>gerung des Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dexe<strong>in</strong>her. Man kann also davonausgehen, dass die Aufwertung mit <strong>der</strong> Verdrängungvon ausländischer Bevölkerung e<strong>in</strong>hergeht,die sprachlich schlecht <strong>in</strong>tegriert ist (vgl.Abb. 2).Der Zusammenhang zwischen Alterung undStatus fällt deutlich ger<strong>in</strong>ger aus (vgl. Abb. 3).1990 konzentrierte sich die ältere Bevölkerungnoch eher <strong>in</strong> den Quartieren mit e<strong>in</strong>emniedrigen Status<strong>in</strong>dex. Dies hat sich zwischen1990 und 2000 aufgelöst. Die ältere Bevölkerungkonzentriert sich im Jahr 2000 stärker amStadtrand. Dies betrifft sowohl statushohe alsauch statusniedrige Stadtrandquartiere (Heye,Leuthold 2006).Die Zusammenhänge werden noch deutlicher,wenn man die Indizes zu Status, Individualisierung,Fremdsprachigkeit und Alterung <strong>der</strong>gentrifizierten Quartiere mit denen <strong>der</strong> marg<strong>in</strong>alisiertenQuartiere vergleicht 11 (vgl. Tab. 1).Die gentrifizierten Quartiere s<strong>in</strong>d sehr viel stärkerdurch <strong>in</strong>dividualisierte Lebensformen geprägt,während <strong>in</strong> den marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren<strong>der</strong> bürgerlich-traditionelle Lebensstilweiter vorherrschend ist. Grosse Unterschiedes<strong>in</strong>d auch bezüglich des Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dexerkennbar. In ke<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Quartier<strong>der</strong> Stadt Zürich war <strong>der</strong> Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex1990 so hoch wie <strong>in</strong> den gentrifiziertenQuartieren. Während des Aufwertungsprozesseszwischen 1990 und 2000 ist <strong>der</strong> Anteil sprachlichschlecht <strong>in</strong>tegrierter Bevölkerung deutlichzurückgegangen, auch wenn <strong>der</strong> Anteil <strong>in</strong> dengentrifizierten Quartieren im Jahr 2000 weiterh<strong>in</strong>deutlich überdurchschnittlich bleibt. Diemarg<strong>in</strong>alisierten Quartiere weisen e<strong>in</strong>e entgegengesetzteEntwicklung auf. 1990 hatten siee<strong>in</strong>en im Vergleich zur Stadt Zürich noch leichtunterdurchschnittlichen Anteil sprachlichschlecht <strong>in</strong>tegrierter ausländischer Personen.Dort ist <strong>der</strong> Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex zwischen1990 und 2000 deutlich gestiegen, so dass sichdie ehemals sehr grossen Unterschiede beimFremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex zwischen den gentrifiziertenund marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren angeglichenhaben. E<strong>in</strong> Blick auf den Alterungs<strong>in</strong>dexzeigt, dass die marg<strong>in</strong>alisierten Quartiere überdurchschnittlichstark und die gentrifiziertenQuartiere aufgrund <strong>der</strong> Dom<strong>in</strong>anz <strong>der</strong> Aktivbevölkerungbeson<strong>der</strong>s wenig von <strong>der</strong> Alterung<strong>der</strong> Bevölkerung betroffen s<strong>in</strong>d.4.2 <strong>Sozialräumliche</strong> Entwicklungund BebauungsstrukturDie Auswertung zeigt e<strong>in</strong>en deutlichen Zusammenhangzwischen den sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>nund <strong>der</strong> Bauperiode <strong>der</strong> Gebäude, diee<strong>in</strong> Quartier prägen. Dabei ist e<strong>in</strong>e soziale Aufwertungmit e<strong>in</strong>em hohen Anteil an Gebäuden,die vor 1919 gebaut wurden, verbunden. Dieswird auch beim Vergleich <strong>der</strong> gentrifiziertenmit den marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren deutlich.


146Während <strong>in</strong> den gentrifizierten Quartieren dieMehrheit <strong>der</strong> Gebäude vor 1919 gebaut wurde,ist dies <strong>in</strong> den marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren nure<strong>in</strong>e verschw<strong>in</strong>dend ger<strong>in</strong>ge M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit. DieseQuartiere wurden erst 1934 e<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>det unds<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Periode zwischen 1946und 1960 mehrheitlich mit Wohnsiedlungen <strong>in</strong>Zeilenbauweise überbaut worden. In <strong>der</strong> gesamtenStadt Zürich ist e<strong>in</strong> deutlicher Zusammenhangzwischen e<strong>in</strong>er relativen Statusabwertungund den Bauperioden von 1946 bis 1980 verbunden.Beim Neubau ist h<strong>in</strong>gegen ke<strong>in</strong> Zu-disP 167 · 4/2006 59Bauperiode <strong>der</strong> Gebäude100 %erbaut 1996–200080 %erbaut 1991–1995erbaut 1981–199060 %erbaut 1971–1980erbaut 1961–197040 %erbaut 1946–1960erbaut 1919–194520 %0 %GentrifizierteQuartiereMarg<strong>in</strong>alisierteQuartiereZüricherbaut vor 1919Abb. 4: Bauperiode <strong>der</strong>Gebäude <strong>in</strong> den ausgewähltengentrifizierten und marg<strong>in</strong>alisiertenQuartieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> StadtZürich, 2000.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 2000)Renovationen100 %90 %80 %70 %60 %50 %40 %30 %20 %10 %0 %GentrifizierteQuartiereMarg<strong>in</strong>alisierteQuartiereZürichletzte Renovation 1996–2000letzte Renovation 1991–1995letzte Renovation 1981–1990letzte Renovation 1971–1980ke<strong>in</strong>e Renovation seit 1971Abb. 5: Renovierung <strong>der</strong>Gebäude <strong>in</strong> den ausgewähltengentrifizierten und marg<strong>in</strong>alisiertenQuartieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> StadtZürich, 2000.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 2000)Eigentümer <strong>der</strong> Mietwohnungen100 %Genossenschaften80 %60 %weitere nichtkommerzielleVermieter<strong>in</strong>stitutionelle Anleger40 %private Vermieter20 %0 %GentrifizierteQuartiereMarg<strong>in</strong>alisierteQuartiereZürichan<strong>der</strong>eAbb. 6: Eigentümerstrukturen <strong>in</strong>den ausgewählten gentrifiziertenund marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren<strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich, 2000.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 2000)


14760 disP 167 · 4/2006Monatsmiete pro Quadratmeter100 %80 %> 20 Fr./m 2Abb. 7: Mieten pro Quadratmeter<strong>in</strong> den ausgewählten gentrifiziertenund marg<strong>in</strong>alisiertenQuartieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich,2000.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 2000)60 %40 %20 %0 %GentrifizierteQuartiereMarg<strong>in</strong>alisierteQuartiereZürich17–20 Fr./m 212–17 Fr./m 210–12 Fr./m 2< 0 Fr./m 2sammenhang zu Auf- o<strong>der</strong> Abwertungsprozessenerkennbar. So ist auch <strong>in</strong> den gentrifiziertenQuartieren <strong>der</strong> Anteil neu gebauter Häuser nurger<strong>in</strong>gfügig über dem städtischen Mittel. Mankann also festhalten, dass die Aufwertung zwarmit e<strong>in</strong>em Altbaubestand zusammenhängt, e<strong>in</strong>eVerbesserung <strong>der</strong> Baustruktur durch (Ersatz-)Neubau ist allerd<strong>in</strong>gs nicht erkennbar.Erstaunlicherweise führte die soziale Aufwertung<strong>der</strong> beiden Quartiere Langstrasse undGewerbeschule bislang aber nicht zu e<strong>in</strong>er vermehrtenRenovierungstätigkeit (vgl. Abb. 5).Dies könnte an dem schlechten Image dieserQuartiere liegen, das diesen bis vor kurzem anhaftete.Bis 1995 war <strong>in</strong> <strong>der</strong> unmittelbaren Nähedieser Quartiere die offene Drogenszene lokalisiert.Diese wurde erst 1995 mit <strong>der</strong> Räumungdes Gebietes und dessen Umnutzung durche<strong>in</strong>e Badeanstalt aufgelöst. Unter Umständenfolgen die Sanierungen und Ersatzneubautenmit e<strong>in</strong>er grösseren zeitlichen Verzögerung, sodass sich aktuell bereits e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Bild zeigenkönnte. E<strong>in</strong> weiterer Grund könnte das SchweizerSteuersystem se<strong>in</strong>. In <strong>der</strong> Schweiz bestehte<strong>in</strong> steuerlicher Anreiz zum kont<strong>in</strong>uierlichen,werterhaltenden Gebäudeunterhalt. E<strong>in</strong>erseitss<strong>in</strong>d dadurch die Gebäude auch <strong>in</strong> sozial abgewertetenQuartieren i. d. R. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gutenZustand, an<strong>der</strong>erseits werden Totalsanierungeno<strong>der</strong> Ersatzneubauten lange nicht <strong>in</strong> Betrachtgezogen (Van Wezemael 2005: 110).<strong>Sozialräumliche</strong> <strong>Prozesse</strong> hängen stark vonden Eigentümerverhältnissen ab. Soziale Aufwertungsprozessef<strong>in</strong>den vor allem <strong>in</strong> denjenigenQuartieren statt, <strong>in</strong> denen die Wohnungenim Besitz von Privatpersonen s<strong>in</strong>d. Dies giltfür 50 % <strong>der</strong> Wohnungen <strong>in</strong> den gentrifiziertenQuartieren. Die Quartiere, <strong>in</strong> denen <strong>der</strong> Mietwohnungsmarktvon geme<strong>in</strong>nützigen Trägerndom<strong>in</strong>iert wird, ist <strong>der</strong> Status<strong>in</strong>dex sowohl 1990als auch 2000 unterdurchschnittlich hoch. Zudemhaben sie relativ zu den übrigen Stadtquartierenan Status verloren. Damit erfüllt <strong>der</strong>geme<strong>in</strong>nützige Wohnungsbau <strong>in</strong> Zürich se<strong>in</strong>eAufgabe, bezahlbaren Wohnraum für auf demWohnungsmarkt benachteiligte Gruppen bereitzustellen(O<strong>der</strong>matt 1997: 191 ff.). Gleichwohls<strong>in</strong>d die ausländischen Haushalte, die ja zuden schwächeren Wohnungsmarktteilnehmerngehören, <strong>in</strong> den Wohnungen <strong>der</strong> Genossenschaftenunterrepräsentiert (O<strong>der</strong>matt 1997,295).Als e<strong>in</strong>e wichtige Folge <strong>der</strong> Aufwertungsprozessewerden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theorie die steigendenMietpreise <strong>in</strong> den aufgewerteten Quartieren angeführt,die den Motor <strong>der</strong> damit verbundenenVerdrängungsprozesse darstellen. Dies kann fürZürich bestätigt werden. Es herrscht e<strong>in</strong>e starkpositive Korrelation zwischen dem Status<strong>in</strong>dexund den Quadratmetermieten <strong>in</strong> den Quartieren.Dies gilt im gleichen Masse für den Zusammenhangzwischen sozialer Aufwertung undsteigenden Mieten. In ke<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Quartier<strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich s<strong>in</strong>d die Mieten so stark gestiegenwie <strong>in</strong> den gentrifizierten Quartieren. Inden eher stagnierenden Quartieren blieben dieMieten h<strong>in</strong>gegen auf e<strong>in</strong>em konstant niedrigenNiveau, was mit dem hohen Anteil an Genossenschaftswohnungen<strong>in</strong> diesen Quartieren <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungsteht. So s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den marg<strong>in</strong>alisiertenQuartieren Quadratmetermieten zwischen 10und 17 Franken üblich, während <strong>in</strong> den gentrifiziertenQuartieren bereits im Jahr 2000 über40 % <strong>der</strong> Bewohner über 20 Franken pro Quadratmeterbezahlen (vgl. Abb. 7).4.3 <strong>Sozialräumliche</strong> Entwicklungund UmzügeDie sozialräumlichen Umschichtungen <strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong> Kernstadt Zürich stehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engenZusammenhang mit den Zu- und Wegzügen<strong>in</strong> die bzw. aus <strong>der</strong> Stadt sowie den <strong>in</strong>nerstädtischenUmzügen. Die Migrationsverläufe <strong>in</strong> <strong>der</strong>


148Zusammenhang zwischenStatusverän<strong>der</strong>ung und FluktuationsratedisP 167 · 4/2006 61120100Fluktuationsrate [%]8060402000 3 6 9 12 15 18Verän<strong>der</strong>ung Status<strong>in</strong>dex 1990–2000Abb. 8: Zusammenhang zwischenVerän<strong>der</strong>ung des Status<strong>in</strong>dex undFluktuationsrate, Stadt Zürich,1990–2000.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 1990 und 2000)5.0Gesamtsaldo Saldo gegen <strong>in</strong>nen Saldo gegen aussen5.05.02.52.52.5Saldo [%]0.0–2.5Saldo [%]0.0–2.5–5.0–5.0–5.00 5 10 15 20 0 5 10 15 20 0 5 10 15 20Verän<strong>der</strong>ung Status<strong>in</strong>dex 1990–2000 Verän<strong>der</strong>ung Status<strong>in</strong>dex 1990–2000 Verän<strong>der</strong>ung Status<strong>in</strong>dex 1990–2000Saldo [%]0.0–2.5Abb. 9: Zusammenhang zwischenVerän<strong>der</strong>ung des Status<strong>in</strong>dex undWan<strong>der</strong>ungssaldi, Stadt Zürich,1990–2000.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 1990 und 2000)Stadt folgen <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>em recht deutlichenMuster: Die Innenstadtquartiere s<strong>in</strong>d die hochdynamischenQuartiere mit e<strong>in</strong>er hohen Fluktuationsrate,die gleichzeitig die Funktion vonAnkunftsquartieren für Zuziehende von aussen<strong>in</strong>nehaben. Von diesen Ankunftsquartieren diffundiertdie Bevölkerung durch <strong>in</strong>nerstädtischeUmzüge <strong>in</strong> die Quartiere am Stadtrand. DieStadtrandquartiere ihrerseits fungieren als Abwan<strong>der</strong>ungsquartiereund haben e<strong>in</strong>e relativ ger<strong>in</strong>geDynamik.Es besteht e<strong>in</strong> klar l<strong>in</strong>earer Zusammenhangzwischen sozialer Auf- bzw. Abwertung und denFluktuationsraten. Je höher die Fluktuationsratenbezogen auf die Wohnbevölkerung <strong>in</strong>den Jahren 1990 bis 2002 waren, desto stärkerfiel die soziale Aufwertung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Quartierzwischen 1990 und 2000 aus, und je ger<strong>in</strong>gerdie Fluktuationsrate war, desto ger<strong>in</strong>ger war dieErhöhung des Status<strong>in</strong>dex (vgl. Abb. 8, Tab. 2).Somit kann entgegen den gängigen Annahmenim Rahmen <strong>der</strong> sozialökologischen Debatte e<strong>in</strong>ehohe Fluktuationsrate mit e<strong>in</strong>er Statusaufwertungverknüpft se<strong>in</strong> und ist nicht zw<strong>in</strong>gend mite<strong>in</strong>er Marg<strong>in</strong>alisierung verbunden.Wan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>ne o<strong>der</strong> -verluste <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emQuartier zwischen 1990 und 2000 hatten dagegenke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die sozialen Auf- bzw.Abwertungsprozesse (vgl. Abb. 9). Es ist allerd<strong>in</strong>gsvon Bedeutung, ob e<strong>in</strong> Quartier die Wan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>nevon an<strong>der</strong>en Stadtquartiereno<strong>der</strong> von ausserhalb <strong>der</strong> Stadt Zürich erhält.Für die Quartiere <strong>der</strong> Stadt Zürich bestehte<strong>in</strong> l<strong>in</strong>earer Zusammenhang zwischen Wan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>nenvon ausserhalb, Wan<strong>der</strong>ungsverlustenzu an<strong>der</strong>en Stadtquartieren und sozialerAufwertung. Diejenigen Stadtquartiere,die dagegen Wan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>ne von an<strong>der</strong>enStadtquartieren erhalten und wie<strong>der</strong>um ihreBevölkerung an das Umland verlieren, weisenstagnierende Status<strong>in</strong>dexwerte auf.Die Stärke <strong>der</strong> Umzugsdynamik und dieRichtung des Wan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>ns (von ausseno<strong>der</strong> von <strong>in</strong>nen) stehen also <strong>in</strong> enger Beziehung


14962 disP 167 · 4/2006Tab. 2: Korrelationskoeffizientenzwischen Status<strong>in</strong>dex und Fluktuationsratenund Wan<strong>der</strong>ungssaldi<strong>der</strong> ausgewählten Quartiere,Stadt Zürich, 1990–2000.(Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 1990 und 2000)Status 1990 Status 2000 Delta Statusjährliche Fluktuation –0,03 0,19 0,66Saldo –0,16 –0,11 0,13Saldo gegen aussen 0,06 0,30 0,76Saldo gegen <strong>in</strong>nen –0,15 –0,33 –0,58(Quelle: BfS: Eidgenössische Volkszählung 1990 und 2000)Gentrifizierte QuartiereMarg<strong>in</strong>alisierteQuartiereStadt ZürichTab. 3: Fluktuationsraten undWan<strong>der</strong>ungssaldi <strong>der</strong> ausgewähltenQuartiere, Stadt Zürich,1990–2000.Quelle: BfS: EidgenössischeVolkszählung 1990 und 2000jährliche Fluktuation 88,6 % 30,1 % 43,0 %Saldo –4,9% 4,6 % 3,8 %Saldo gegen aussen 30,5 % –8,2% 3,8 %Saldo gegen <strong>in</strong>nen –35,3% 12,8 % 0,0 %(Quelle: BfS: Eidgenössische Volkszählung 1990 und 2000)mit <strong>der</strong> sozioökonomischen Auf- bzw. Abwertung<strong>der</strong> Stadtquartiere. Die gentrifizierten Innenstadtquartierefallen <strong>in</strong> die Kategorie <strong>der</strong>hochdynamischen Ankunftsquartiere, die ehermarg<strong>in</strong>alisierten Quartiere s<strong>in</strong>d Abwan<strong>der</strong>ungsquartieremit ger<strong>in</strong>ger Fluktuation. Marg<strong>in</strong>alisierungsteht im beobachteten Zeitraum also imZusammenhang mit e<strong>in</strong>er Nettoabwan<strong>der</strong>ungaus <strong>der</strong> Stadt, Gentrifizierung dagegen mit Zuwan<strong>der</strong>ungvon ausserhalb.Die Wan<strong>der</strong>ungssaldi nach Bevölkerungskategorienweisen grosse Unterschiede zwischenden gentrifizierten und marg<strong>in</strong>alisierten Quartierenauf. An den Auf- bzw. Abwertungsprozessens<strong>in</strong>d also bestimmte Bevölkerungskategoriendurch Zu- o<strong>der</strong> Wegzüge beteiligt.Seit 1995 gibt es e<strong>in</strong>e Nettozuwan<strong>der</strong>ungvon Schweizern <strong>in</strong> die gentrifizierten Quartiere.Diese Nettozuwan<strong>der</strong>ung f<strong>in</strong>det von ausserhalb<strong>der</strong> Stadt statt, während <strong>der</strong> Saldo gegen <strong>in</strong>nenüber den Zeitraum konstant negativ ist. Damitziehen zum e<strong>in</strong>en Schweizer von ausserhalb<strong>in</strong> die gentrifizierten Quartiere, und zuman<strong>der</strong>en diffundiert die Schweizer Bevölkerungvon diesen Quartieren <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e Quartiere <strong>der</strong>Stadt. Genau umgekehrt verhält sich <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ungssaldo<strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung.Die gentrifizierten Quartiere haben über dengesamten Zeitraum e<strong>in</strong>e Nettoabwan<strong>der</strong>ungvon ausländischen Personen. Diese Abwan<strong>der</strong>unggeht vor allem <strong>in</strong> Richtung <strong>der</strong> an<strong>der</strong>enStadtquartiere und nicht aus <strong>der</strong> Stadt h<strong>in</strong>aus.Die ausländische Bevölkerung bildet allerd<strong>in</strong>gsdiesbezüglich ke<strong>in</strong>e homogene E<strong>in</strong>heit.In den gentrifizierten Quartieren f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>eüberdurchschnittliche Nettozuwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>nord- und westeuropäischen Bevölkerung beigleichzeitig überdurchschnittlicher Nettoabwan<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> südeuropäischen Bevölkerungstatt. Diese Entwicklung hat sich seit Ende <strong>der</strong>1990er-Jahre deutlich verstärkt. Es ist also zuerwarten, dass sich das zahlenmässige Verhältnis<strong>der</strong> süd- zur nord- und westeuropäischenBevölkerung <strong>in</strong> den gentrifizierten Quartierenweiterh<strong>in</strong> stark zugunsten <strong>der</strong> nord- und westeuropäischenBevölkerung verschieben wird.Die Aufwertung <strong>der</strong> Quartiere geht weitermit e<strong>in</strong>er Verdrängung von Familien e<strong>in</strong>her.Die Nettoabwan<strong>der</strong>ung von Familien, die <strong>in</strong> <strong>der</strong>gesamten Stadt stattf<strong>in</strong>det, ist <strong>in</strong> den gentrifiziertenQuartieren deutlich höher als <strong>in</strong> denrestlichen Stadtquartieren. Zielorte <strong>der</strong> aus dengentrifizierten Quartieren wegziehenden Familiens<strong>in</strong>d vor allem die Stadtrandquartiere. Diestarke Abwan<strong>der</strong>ung von Familien <strong>der</strong> aufgewertetenQuartiere vor allem <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e Stadtquartieref<strong>in</strong>det <strong>in</strong> gleichem Masse von ausländischenund schweizerischen Familien statt.Die marg<strong>in</strong>aliserten Quartiere zeigen e<strong>in</strong>vollständig komplementäres Bild zu den gentrifiziertenQuartieren. So wan<strong>der</strong>n die SchweizerPersonen aus den marg<strong>in</strong>alisierten Quartierenüberdurchschnittlich stark ab. Der leicht überdurchschnittlichpositive Wan<strong>der</strong>ungssaldo <strong>der</strong>ausländischen Bevölkerung resultiert aus e<strong>in</strong>erZuwan<strong>der</strong>ung sowohl von aussen als auch ausan<strong>der</strong>en Stadtquartieren. Die Unterschiede zwischenden e<strong>in</strong>zelnen Nationengruppen fallen <strong>in</strong>den marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren deutlich ger<strong>in</strong>geraus als bei den gentrifizierten Quartieren.Die Marg<strong>in</strong>alisierung bewirkt im Gegensatzzur Aufwertung ke<strong>in</strong>e Abwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Fami-


150lien. Kaum an<strong>der</strong>e Quartiere weisen e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gereNettoabwan<strong>der</strong>ung von Familien aus. Inden marg<strong>in</strong>alisierten Quartieren resultiert diesaber vor allem aus e<strong>in</strong>er Nettozuwan<strong>der</strong>ung vonausländischen Familien, die <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie aufgrund<strong>in</strong>nerstädtischer Umzüge entsteht, undnicht durch Zuzüge von aussen.5. DiskussionIn dieser Arbeit wurden vier Indizes zur Beschreibungvon räumlichen Disparitäten <strong>der</strong>Bevölkerungsstruktur und ihre Verän<strong>der</strong>ungzwischen 1990 und 2000 zur Analyse verwendet.Die vier Indizes beschreiben den sozialenStatus, die Lebensformen, die Altersstrukturund die Fremdsprachigkeit. Mittels dieser Indizeskonnten zunächst die verschiedenen sozialräumlichen<strong>Prozesse</strong> genauer quantifiziertwerden, welche durch die Reurbanisierungausgelöst wurden. Ferner konnten diejenigenQuartiere identifiziert werden, die e<strong>in</strong>en Prozess<strong>der</strong> Gentrifizierung auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite und<strong>der</strong> Marg<strong>in</strong>alisierung auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite erlebthaben.Es konnte gezeigt werden, dass soziale Aufwertungsprozessevor allem <strong>in</strong> Quartieren stattf<strong>in</strong>den,die durch <strong>in</strong>dividualisierte Lebensstilegeprägt s<strong>in</strong>d. Diese <strong>in</strong>dividualisierten Lebensstiles<strong>in</strong>d charakteristisch für die so genannte«neue urbane Mittelschicht». Damit konntenachgewiesen werden, dass <strong>der</strong> Gentrifizierungsprozessmit e<strong>in</strong>em beson<strong>der</strong>en Lebensstil<strong>der</strong> beteiligten Akteure verbunden ist. Diesoziale Aufwertung von Quartieren ist zudemmit e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Konzentration <strong>der</strong>jenigenPersonen verbunden, die aufgrundfehlen<strong>der</strong> Sprachkompetenzen am Integrationsprozessbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d. Dies kommt auch<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er klaren Abwan<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Richtung an<strong>der</strong>erStadtquartiere ausländischer Bevölkerungzum Ausdruck. Ziele dieser Wan<strong>der</strong>ungs<strong>in</strong>d die Stadtrandquartiere, die sowohl 1990als auch 2000 sehr niedrige Status<strong>in</strong>dizes aufweisen.In diesen Stadtrandquartieren war <strong>der</strong>Anteil ausländischer Personen allerd<strong>in</strong>gs 1990noch deutlich unterdurchschnittlich. Auch <strong>der</strong>Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex und damit <strong>der</strong> Anteilvon Personen, die aufgrund fehlen<strong>der</strong> Sprachkompetenzenam Integrationsprozess beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ts<strong>in</strong>d, war 1990 <strong>in</strong> diesen marg<strong>in</strong>alisiertenQuartieren klar unter dem städtischen Mittelwert.Damit hat die Aufwertung zu e<strong>in</strong>er Angleichungzwischen den Innenstadtquartieren undStadtrandquartieren bezüglich <strong>der</strong> Fremdsprachigkeitund <strong>der</strong> Segregation dieser Bevölkerungskategoriegeführt. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seiteist die Abhängigkeit zwischen Fremdsprachigkeits-und Status<strong>in</strong>dex <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich imJahr 2000 sehr viel stärker ausgeprägt als noch1990. So müssen sich die Integrationsanstrengungennun verstärkt auch auf Quartiere mitniedrigem Status<strong>in</strong>dex am Stadtrand konzentrieren.Es konnte e<strong>in</strong> starker Zusammenhang <strong>der</strong>Auf- bzw. Abwertungsprozesse <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong>Kernstadt Zürich mit den Zu- und Wegzügen<strong>in</strong> die bzw. aus <strong>der</strong> Stadt sowie den <strong>in</strong>nerstädtischenUmzügen nachgewiesen werden. DieStärke <strong>der</strong> Umzugsdynamik und die Richtungdes Wan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>ns (von aussen o<strong>der</strong> von<strong>in</strong>nen) stehen <strong>in</strong> enger Beziehung mit <strong>der</strong> sozioökonomischenAuf- bzw. Abwertung <strong>der</strong> Stadtquartiere.Die zwischen 1990 und 2000 starkaufgewerteten Innenstadtquartiere fallen <strong>in</strong> dieKategorie <strong>der</strong> hochdynamischen Ankunftsquartiere,die eher abgewerteten marg<strong>in</strong>alisiertenQuartiere s<strong>in</strong>d Abwan<strong>der</strong>ungsquartiere mit ger<strong>in</strong>gerDynamik und Fluktuation. E<strong>in</strong>e Abwertungsteht im beobachteten Zeitraum also imZusammenhang mit e<strong>in</strong>er Nettoabwan<strong>der</strong>ungaus <strong>der</strong> Stadt, e<strong>in</strong>e Aufwertung dagegen mitZuwan<strong>der</strong>ung von ausserhalb. An den sozialenAuf- bzw. Abwertungsprozessen s<strong>in</strong>d unterschiedlicheBevölkerungskategorien beteiligt.E<strong>in</strong>e Aufwertung ist mit e<strong>in</strong>er überdurchschnittlichenZuwan<strong>der</strong>ung von Bevölkerung aus <strong>der</strong>Schweiz sowie aus Nord- und Westeuropa verbunden,bei e<strong>in</strong>er überdurchschnittlich hohenAbwan<strong>der</strong>ung jener aus Südeuropa. DieMigrationsmuster <strong>der</strong> marg<strong>in</strong>alisierten Quartieres<strong>in</strong>d vollständig komplementär dazu. Mit<strong>der</strong> relativen sozioökonomischen Abwertunggeht e<strong>in</strong>e verstärkte Zuwan<strong>der</strong>ung von ausländischen,meist südeuropäischen Familien unde<strong>in</strong>e starke Abwan<strong>der</strong>ung von Schweizer E<strong>in</strong>zelpersonene<strong>in</strong>her. Es ist daher anzunehmen,dass sich die Polarisierung zwischen aufgewerteterInnenstadt und marg<strong>in</strong>alisiertem Stadtrandweiter verstärkt.Des Weiteren konnte nachgewiesen werden,dass die speziellen <strong>Prozesse</strong> <strong>der</strong> Marg<strong>in</strong>alisierungund Gentrifizierung mit e<strong>in</strong>er bestimmtenBebauungsstruktur <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen.So f<strong>in</strong>det Gentrifizierung <strong>in</strong> Innenstadtquartierenstatt, die mehrheitlich vor 1919 bebautwurden und durch 5- bis 6-geschossige Blockrandbebauunggeprägt s<strong>in</strong>d. Trotz <strong>der</strong> sozialenAufwertungsprozesse ist entgegen den Erwartungenbislang noch ke<strong>in</strong>e verstärkte Neubauo<strong>der</strong>Sanierungstätigkeit <strong>in</strong> diesen Quartierennachweisbar. Damit kann die These, dass mitGentrifizierungsprozessen e<strong>in</strong>e bauliche Auf-disP 167 · 4/2006 63


15164 disP 167 · 4/2006 wertung <strong>der</strong> Quartiere erfolgt, aber noch nichtwi<strong>der</strong>legt werden. Dies könnte erst durch e<strong>in</strong>eAnalyse neuerer Daten erfolgen. Aber es bleibtfestzuhalten, dass die baulichen Verän<strong>der</strong>ungen– wenn überhaupt – mit e<strong>in</strong>er grossen zeitlichenVerzögerung <strong>der</strong> sozialen Aufwertung folgen.Ursache hierfür könnte auch <strong>der</strong> steuerlicheAnreiz zum kont<strong>in</strong>uierlichen Gebäudeerhalt <strong>in</strong><strong>der</strong> Schweiz se<strong>in</strong>.Marg<strong>in</strong>alisierung f<strong>in</strong>det h<strong>in</strong>gegen vor allem<strong>in</strong> Stadtrandquartieren, die zwischen 1946und 1970 mit 3- bis 4-geschossigen Wohnsiedlungen<strong>in</strong> Zeilenbauweise überbaut wurden,statt. In diesen Quartieren wird <strong>der</strong> Mietmarktvon Wohngenossenschaften dom<strong>in</strong>iert, die zudemdie ger<strong>in</strong>gen Fluktuationsraten <strong>in</strong> diesenQuartieren erklären. Im selben Zeitraum gabes e<strong>in</strong>en grossen Anstieg des Anteils <strong>der</strong> ausländischenBevölkerung, die zudem sprachlichschlecht <strong>in</strong>tegriert ist. Es könnte dadurch <strong>in</strong> diesenQuartieren e<strong>in</strong> problematisches Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>von stabilen Zonen des geme<strong>in</strong>nützigenWohnungsbaus, die eher dem Schweizer bürgerlich-traditionellenMilieu angehören, unddynamischen Zellen des privaten Mietmarktesmit e<strong>in</strong>em hohen Anteil ausländischer Bevölkerungentstehen.Anmerkungen1 Der Begriff <strong>der</strong> «A-Stadt» hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> SchweizerFachliteratur breit E<strong>in</strong>gang gefunden (vgl. z. B.Janos et al. 1997; Schnei<strong>der</strong>-Sliwa, 1998). Auchim Raumentwicklungsbericht <strong>der</strong> Schweiz (ARE,UVEK 2005) ist dieses Argumentationsmustere<strong>in</strong>geflossen.2 Die theoretische Begründung und genaue Herleitung<strong>der</strong> Indizes ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Studie SoziokulturelleUnterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz – Vier Indizeszu räumlichen Disparitäten, 1990–2000 (Hermannet al. 2005a) beschrieben.3 Status<strong>in</strong>dex = 2.5 TER – 2 · PRI + OMF – NST+ 4 · HEK – 2 · NEK mit TER = Tertiäre Bildung(über 25-Jährige), PRI = Primäre Bildung (über25-Jährige), OMF = Oberes Management & freieBerufe (Erwerbstätige), NST = Ungelernte Arbeiterund Angestellte (Erwerbstätige), HEK =Re<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kommen über 75 000 Franken im Jahr1990 bzw. über 93 000 Franken im Jahr 2000(Steuerpflichtige), NEK = Re<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kommen unter40 000 Franken im Jahr 1990 bzw. unter50 000 Franken im Jahr 2000 (Steuerpflichtige)(Hermann et al. 2005a: 25).4 Individualisierungs<strong>in</strong>dex = 3 · EPH + 1.2 · WG +2.5 · FOK + 3 · MER – 1.5 · TBM mit EPH = E<strong>in</strong>personenhaushalte(30- bis 50-Jährige), WG =Wohngeme<strong>in</strong>schaften (30- bis 50-Jährige), MER= Erwerbstätige Mütter (25- bis 44-Jährige),FOK = Frauen ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> (35- bis 44-Jährige),TBM = traditionell-bürgerliches Familienmodell(Vollerwerbstätiger Vater, Mutter Hausfrau)(Hermann et al. 2005a: 32).5 Fremdsprachigkeits<strong>in</strong>dex = RNH + RNU + NLE+ NRG mit RNH = Regionalsprache wird zuhausenicht gesprochen, RNU = Regionalsprache wirdwe<strong>der</strong> zuhause noch im Erwerbsleben gesprochen,NLE = We<strong>der</strong> Landessprachen noch Englischwerden gesprochen, NRG = Hauptspracheist ke<strong>in</strong>e germanische o<strong>der</strong> romanische Sprache(Hermann et al. 2005a: 40).6 Alters<strong>in</strong>dex = 3 · REN – 1 · JUK mit REN =Personen im Rentenalter (über 65 Jahre), JUK =Jugendliche und K<strong>in</strong><strong>der</strong> (unter 20 Jahre) (Hermannet al. 2005a: 47).7 Zu Südeuropa zählen die Staaten Albanien, Ex-Jugoslawien, Griechenland, Italien, Portugal,Spanien, Türkei sowie verschiedene Kle<strong>in</strong>staatenwie Andorra, Malta, San Mar<strong>in</strong>o, Vatikanstadt,Zypern. Bei <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>gruppe Nord- undWesteuropa handelt es sich um die EU- undEFTA-Staaten ohne die erwähnten südeuropäischenLän<strong>der</strong> und ohne die neuen EU-Staatenaus Osteuropa (Heye, Leuthold 2004: 19).8 Aufgrund <strong>der</strong> Konstruktion s<strong>in</strong>d diese beidenIndizes für die gesamte Schweiz statistisch unabhängig(vgl. Hermann et al. 2005a).9 Den stärksten Aufwertungsprozess hat <strong>in</strong> Zürichdas stadtnahe Entwicklungsgebiet Escher-Wyss(+17.7) erlebt. Es stellt aufgrund <strong>der</strong> grossenNeubautätigkeit e<strong>in</strong>en Son<strong>der</strong>fall dar und wirdhier daher nicht weiter betrachtet.10 Es wurde <strong>der</strong> Pearson'sche Korrelationskoeffizientr verwendet. Dieser Koeffizient ist e<strong>in</strong> dimensionsloserIndex mit dem Wertebereich –1,0≤ r ≤ 1,0 und e<strong>in</strong> Mass dafür, <strong>in</strong>wieweit zwischenzwei Datenmengen e<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>eare Abhängigkeitbesteht.11 Die prozentualen Anteile <strong>der</strong> Indikatoren s<strong>in</strong>d<strong>in</strong> den Studien zu den sozialräumlichen <strong>Prozesse</strong>n<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz (Hermann et al. 2005a)und <strong>der</strong> Agglomeration Zürich (Heye, Leuthold2004) publiziert.LiteraturAlisch, M.; Dangschat, J. (1998): Armut und sozialeIntegration. Opladen.Alisch, M.; Felde, W. zum (1990): «Das gute Wohngefühlist weg!» Wahrnehmungen, Bewertungenund Reaktionen im Vorfeld <strong>der</strong> Verdrängung. In:Blasius, J.; Dangschat, J. 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Manuskript 5:Heye, C. & J.E. Van Wezemael (2007):Herausfor<strong>der</strong>ungen des sozio-demographischen Wandels fürdie Wohnbau<strong>in</strong>dustrie.In: disP Nr. 169. Vol. 43 (2). Im Druck.


155Herausfor<strong>der</strong>ungen dessozio-demographischen Wandelsfür die Wohnbau<strong>in</strong>dustriedisP 169 · 2/2007 41Cor<strong>in</strong>na Heye und Joris E. Van WezemaelAbstract: Regional development is best un<strong>der</strong>stoodas an assemblage of physical flows, suchas age<strong>in</strong>g hous<strong>in</strong>g stocks, which demand physicaland conceptual renewal; social aggregations,which change <strong>in</strong> age patterns and collectiveaspirations; economic organizations, whichsearch profitable modes of capital accumulation.This article focuses on one possible assemblageand asks how the connection of chang<strong>in</strong>gsocial constructions of age, demographic trajectories,spatial patterns of the built environmentand demographic segregation, and thedecision-mak<strong>in</strong>g processes of real estate <strong>in</strong>vestorscan open up the potential to tackle the dissatisfactoryhous<strong>in</strong>g situation of el<strong>der</strong>ly people<strong>in</strong> the rental hous<strong>in</strong>g market.After a brief <strong>in</strong>troduction <strong>in</strong>to our area un<strong>der</strong><strong>in</strong>vestigation and our research problem, sectiontwo outl<strong>in</strong>es the qualitative and quantitativemethods we use to analyze both the demandand the supply <strong>in</strong> the rental hous<strong>in</strong>g market segmentfor el<strong>der</strong>ly people. Furthermore, it <strong>in</strong>troducesthe <strong>in</strong>vestigation region, which is the centralmetropolitan area of Zurich <strong>in</strong> Switzerland.Section three discusses the chang<strong>in</strong>g hous<strong>in</strong>gneeds of el<strong>der</strong>ly people. Section four <strong>in</strong>troducesthe empirical f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> the above-mentionedfields of <strong>in</strong>vestigation. These <strong>in</strong>dividual resultsare <strong>in</strong>tegrated <strong>in</strong> section five <strong>in</strong> or<strong>der</strong> to mapan assemblage of social, physical and economicfacts and tendencies that def<strong>in</strong>e the potentialto address the problem un<strong>der</strong> <strong>in</strong>vestigation <strong>in</strong>new ways.1. E<strong>in</strong>leitungDie demographische Alterung wird gängig alsMegatrend bezeichnet. Zu Recht, gilt gemässGiger (2003: 387) doch e<strong>in</strong>e mächtige, sichselbst schaffende gesellschaftliche Strömung,die <strong>in</strong> allen persönlichen und gesellschaftlichenBereichen ausgeprägte Konsequenzen bewirkt,als Megatrend. Die öffentliche und politischeDebatte betont sowohl die quantitativen Aspektewie die relative Verschiebung <strong>der</strong> Mächtigkeitvon Kohorten und das Ansteigen <strong>der</strong> Absolutzahlen<strong>der</strong> betreffenden Altersklassen alsauch ihre Auswirkungen etwa auf die Systeme<strong>der</strong> sozialen Sicherung <strong>in</strong> Europa. In diesemArtikel soll die Auswirkung auf den Bereich desWohnens analysiert werden.Der Bedarf an Wohnraum für ältere Menschenist <strong>in</strong> jüngerer Zeit angestiegen und wird<strong>in</strong> den kommenden beiden Jahrzehnten weiterzunehmen (vgl. Tabelle 2). Weil <strong>der</strong> demographischeWandel dynamischer ist als das Mengenwachstumdes Wohnungsbestandes, kanndie steigende Nachfrage nur zu e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>genMasse durch den Wohnungsneubau abgedecktwerden (Van Wezemael 2004: 42–45). DieWohnungsnachfrage darf allerd<strong>in</strong>gs nicht aufdas zahlenmässige Wachstum <strong>der</strong> Kohorten <strong>in</strong>den entsprechenden Alterskategorien reduziertwerden. Denn nicht nur mehr, son<strong>der</strong>n auch«an<strong>der</strong>e» ältere Menschen fragen Wohnraumnach. Die aktuelle Nachfrage älterer Menschenist im Zuge <strong>der</strong> Individualisierung (Beck 1986:131) geprägt vom Verlangen, e<strong>in</strong> Höchstmassan Autonomie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebensführung beizubehaltenund diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er wenig alters-segregiertenWohngegend zu realisieren (Höpfl<strong>in</strong>ger,Stuckelberger 1999: 262; Höpfl<strong>in</strong>ger 2004:517). Das Bedürfnisbündel, welches sich im Zusammenhangmit <strong>der</strong> Aufwertung des Autonomiewunschesergibt, wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur alsage<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place bezeichnet (Chapman, Howe2001; Houben 1997; Houben 2001). Es be<strong>in</strong>haltetnotwendigerweise Komb<strong>in</strong>ationen desWohnraumangebots mit Dienstleistungen, welchedie Autonomie unterstützen. Da <strong>der</strong> grössteTeil <strong>der</strong> Wohnungen, <strong>in</strong> denen ältere Menschen<strong>in</strong> den kommenden Jahrzehnten wohnen werden,heute schon gebaut ist, sieht sich die Wohnungswirtschafth<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Bestandesentwicklungden grössten Herausfor<strong>der</strong>ungengegenüber (Van Wezemael, Huber 2003). DieBetrachtung <strong>der</strong> Wohnraumversorgung ältererMenschen führt also auf e<strong>in</strong> multidimensionalesFeld, welches von physischen Flüssen (Wohnbausubstanz,die physisch und konzeptionell altert),Populationsdynamiken (demographischeAlterung und alters-reliertes Umzugsverhalten),gesellschaftlichen Verän<strong>der</strong>ungen (gewandeltesoziale Wohnbedürfnisse) und wirtschaftlichenStrategien (Def<strong>in</strong>ition von MöglichkeitsräumenCorr<strong>in</strong>a Heye ist WissenschaftlicheAssistent<strong>in</strong> am GeographischenInstitut <strong>der</strong> UniversitätZürich, Abteilung Wirtschaftsgeographie.Dr. sc. nat Joris E. Van Wezemaelis Senior Researcher <strong>in</strong> Hous<strong>in</strong>gand Urban Development at theCentre for Cultural Studies <strong>in</strong>Architecture, ETH Zürich.


15642 disP 169 · 2/2007 und Selbstbil<strong>der</strong> von Wohnbau<strong>in</strong>vestoren) aufgespanntwird.Wir wählen die Diskrepanz zwischen demstatischen Bestandesangebot und <strong>der</strong> dynamischenNachfrageentwicklung im wachsendenSegment <strong>der</strong> älteren Menschen als Ausgangspunkt<strong>der</strong> vorliegenden Untersuchung. DieAge<strong>in</strong>g Society stellt für die Anbieter von Wohnraume<strong>in</strong>e doppelte Herausfor<strong>der</strong>ung dar:• Das Wachstum des Altensegments stellt dieInvestoren vor bedeutende mengenmässige Herausfor<strong>der</strong>ungen<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bestandesentwicklung,denn die «Alterswohnungen» <strong>der</strong> kommendenJahrzehnte s<strong>in</strong>d grösstenteils gebaut.• Die Entwicklung <strong>der</strong> Nachfrage im Zuge desgesellschaftlichen Wandels stellt die Adäquanzvieler bestehen<strong>der</strong> Wohnbauten <strong>in</strong> Frage; dieauf Autonomie ausgerichteten Wohnwünsche<strong>der</strong> heutigen Alten werden kaum befriedigt.Dies erfor<strong>der</strong>t konzeptionelle Entwicklungen imaktuellen Wohnungsbestand und dessen Managements.Sowohl die Wohnungsnachfrage als auch dasWohnungsangebot spiegeln historisch-spezifischeund räumlich-soziale Tatsachen.• Personen, die sich heute im Rentenalter bef<strong>in</strong>den,haben ihre Familien gegebenenfalls<strong>in</strong> den 1950er, 1960er und 1970er Jahren gegründet.Diese drei Jahrzehnte reflektieren dieSuburbanisierungsphasen, <strong>in</strong> denen die Agglomerationsgürtelum die Kernstädte gebautwurden. Da die Umzugsneigung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachfamilienphasetief ist (Herlyn 1990: 78), persistierendie se<strong>in</strong>erzeit zugezogenen Kohorten anihren Wohnstandorten. Dies führt zur These,dass die räumliche Verteilung <strong>der</strong> Kohorten dieAgglomerationsgürtel im S<strong>in</strong>ne gegen aussenabnehmen<strong>der</strong> Altersquotienten strukturieren.Dadurch entsteht e<strong>in</strong> räumlich differenziertesEntwicklungspotenzial für Wohnbau<strong>in</strong>vestoren.• Dem Mietwohnungsmarkt kommt e<strong>in</strong>e hervorragendeBedeutung für die Wohnraumversorgung<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz zu. Daher konzentriert sich<strong>der</strong> vorliegende Beitrag auf diesen 1 . Die Wohnungsanbieterlassen sich Akteurkategorien zuordnen,die sich <strong>in</strong> ihrer Bewirtschaftungs- undInvestitionspraxis unterscheiden (Van Wezemael2005: 169). Ihre unterschiedlichen Strategienschlagen sich <strong>in</strong> differenzierten Standortanfor<strong>der</strong>ungen,und diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em räumlich strukturiertenImmobilienportfolio nie<strong>der</strong>. Die geographischeVerteilung von Objektklassen unddas räumliche Muster von Eigentümerstrukturen<strong>der</strong> Mietwohnungen wi<strong>der</strong>spiegeln sowohldie Urbanisierungsphasen <strong>der</strong> Nachkriegszeitals auch die jeweiligen Wohnbaupolitiken <strong>der</strong>öffentlichen Hand.1.1 Zielsetzung und FragestellungGemäss Samuelson gab Gott den Ökonomenzwei Augen: E<strong>in</strong>es für das Angebot, e<strong>in</strong>es fürdie Nachfrage (Samuelson, Nordhaus 1998).Analysen zur Bevölkerungsverteilung und <strong>der</strong>Wohnstandortwahl h<strong>in</strong>gegen weisen seit ihrenFrühstudien im Rahmen <strong>der</strong> Chicagoer Schulee<strong>in</strong>e beträchtliche Schieflage zu Gunsten e<strong>in</strong>erNachfrageorientierung auf. Sie blenden dasAngebot entwe<strong>der</strong> ganz aus o<strong>der</strong> betrachten es<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er idealisierten Sicht <strong>der</strong> Marktmechanismenals e<strong>in</strong>en nachfrage<strong>in</strong>duzierten Aspekt(Van Wezemael 1999). Dabei ist die Wahl e<strong>in</strong>esWohnstandortes – für jene Haushalte, die e<strong>in</strong>eWahl haben – nur <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es realisiertenAngebotes möglich. Beson<strong>der</strong>s deutlich wirddies, wenn wir – wie im vorliegenden Artikel –den Mietsektor sowie die Wohnraumversorgungfür spezifische Nachfragegruppen, <strong>in</strong> unseremFall die älteren Personen betrachten.Wir diskutieren zwei Fragenkomplexe:• Welche räumlichen Muster zeichnet die Verteilung<strong>der</strong> älteren Wohnbevölkerung heute aus,welche Tendenz weist sie auf Basis demographischerund residenzieller <strong>Prozesse</strong> auf, undwelche Herausfor<strong>der</strong>ungen ergeben sich hierausfür e<strong>in</strong>e adäquate Wohnraumversorgung?• Welche Entwicklungspotenziale ergeben sichbei verschiedenen Anbietertypen h<strong>in</strong>sichtliche<strong>in</strong>es Wohnraumangebots für heutige Alte, welcheräumliche Verteilung weist <strong>der</strong>en Bestandauf, und <strong>in</strong>wiefern deckt sich dieses Angebotspotenzialmit dem <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Frage diskutiertenNachfragepotenzial?Der vorliegende Beitrag setzt sich zum Ziel,die räumliche Ausgestaltung und Entwicklungsowohl <strong>der</strong> Nachfrage als auch des Angebotesim Altensegment darzustellen. Das Angebot anadäquaten Wohngelegenheiten für die aktuelleNachfrage im Segment <strong>der</strong> Haushalte <strong>der</strong> Älterenwird mit Hilfe e<strong>in</strong>er Potenzialabschätzungnach Eigentümertypen diskutiert. Die räumlicheÜbere<strong>in</strong>stimmung (chorischer fit) von Angebotund Nachfrage schliesslich def<strong>in</strong>iert, <strong>in</strong>welchem Masse die heutige Wohnraumversorgungund jene <strong>der</strong> kommenden Jahrzehnte <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em vom Bestande her dom<strong>in</strong>ierten Markt(Anbietermarkt) befriedigt werden kann.


1572. Ansatz und Methoden2.1 Analyse <strong>der</strong> NachfrageDie Bevölkerungsentwicklung ergibt sich aus<strong>der</strong> demographischen Entwicklung am Ort undden Migrationsprozessen (Bähr 1997: 277). Dieräumliche Verteilung <strong>der</strong> jetzigen und zukünftigenÄlteren kann mit Hilfe <strong>der</strong> Personen- undHaushaltsdaten <strong>der</strong> eidgenössischen Volkszählungen1990 und 2000, die vom Bundesamt fürStatistik (BfS) durchgeführt und veröffentlichtwird, analysiert werden. Um das Potenzial <strong>der</strong>Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> räumlichen Verteilung <strong>in</strong> Zukunftabzuschätzen, wurde die Umzugsstatistik<strong>der</strong> Stadt Zürich, die alle Umzüge seit 1990 <strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong> Stadt Zürich enthält, verwendet.Sowohl die Daten <strong>der</strong> Volkszählungenals auch <strong>der</strong> Umzugsstatistik lagen als Individualdatenvor. In dieser Arbeit wird immer nur<strong>der</strong> wirtschaftliche und nicht <strong>der</strong> zivilrechtlicheWohnsitz betrachtet 2 .Die Ausweitung <strong>der</strong> nachberuflichen Phasedurch vorzeitige Pensionierungen und verlängerteLebenserwartung hat dazu geführt, dasse<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Klassifizierung nach <strong>der</strong> Stellung imLebenslauf o<strong>der</strong> Arbeitsmarkt zu grob gewordenist (Höpfl<strong>in</strong>ger 2004). Nach Lalive d’Ep<strong>in</strong>aykönnen zur Klassifikation grob vier Phasen imLebenslauf älterer Erwachsener analytisch unterschiedenwerden, die als zweiten wichtigenAspekt den funktionalen Gesundheitsstatuse<strong>in</strong>beziehen: «Letzte Berufsphase und nahendePensionierung», «Autonomes Rentenalter»,«Verstärkte Gebrechlichkeit» und «AbhängigesRentenalter» (Lalive d’Ep<strong>in</strong>ay et al. 2000). Diesevier Lebensphasen spiegeln schematisch verschiedenePhasen von Autonomie- und Pflegebedürftigkeitwi<strong>der</strong>.Die Datenbasis <strong>der</strong> Volkszählung lässt allerd<strong>in</strong>gsnur e<strong>in</strong>e Unterscheidung nach Alterskategorienzu, so dass <strong>in</strong> dieser Arbeit auf dieBegrifflichkeit des 3. und 4. Lebensalters zurückgegriffenwerden muss. Personen im 3.Lebensalter bezeichnen zwischen 65- und 80-Jährige, welche vere<strong>in</strong>facht dem «AutonomenRentenalter» zugewiesen werden. Die Personenim 4. Lebensalter (über 80-Jährige) werdenden Phasen <strong>der</strong> «verstärkten Gebrechlichkeit»und «abhängiges Rentenalter» zugeschrieben.Die Kategorisierung dient dazu, die lebensweltlichenVerän<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>er quantitativenAnalyse und damit e<strong>in</strong>er Potenzialabschätzungfür die Investitionsplanung zugänglich zu machen,auch wenn diese Kategorisierung nur e<strong>in</strong>grobes Hilfsmittel darstellen kann: Gebrechenstellen sich nicht am 80. Geburtstag e<strong>in</strong> (Gilleard,Higgs 2000; V<strong>in</strong>cent 2003).2.2 Analyse des AngebotsDie Analyse des Angebots verlangt e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ationaus quantitativen und qualitativen Methoden.Das quantitative Wachstum <strong>der</strong> Altersklassenim dritten und vierten Lebensalter und diequalitativen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Wohnansprüchestellen die Investoren vor die Herausfor<strong>der</strong>ung,ihren heutigen Wohnungsbestand anzupassen.Wir wählen e<strong>in</strong>en akteurzentriertenLösungsweg und diskutieren das Entwicklungspotenzialvon age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place auf Basis von Investitionsstrategienverschiedener Vermieter 3(Van Wezemael 2004, 2005). Hierbei dient dieRekonstruktion von Handlungsorientierungen<strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung des Potenzials zur Entwicklungadäquater Wohnraumangebote im S<strong>in</strong>nevon age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place. Das Potenzial zu e<strong>in</strong>er Ausrichtung<strong>der</strong> Bewirtschaftungs- und Entwicklungsstrategievon Wohnbau<strong>in</strong>vestoren aufage<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place als Bedürfnisbündel heutiger ältererNachfrager wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Situations- undHandlungsanalyse untersucht (Van Wezemael2006, 2007). Dabei konnte auf e<strong>in</strong>e empirischfundierte Typologie <strong>der</strong> Entwicklungsstrategienvon Wohnbau<strong>in</strong>vestoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz zurückgegriffenwerden (Van Wezemael 2005: 169).Die Erforschung <strong>der</strong> Entwicklungsstrategienbasiert empirisch im Wesentlichen auf <strong>der</strong> Analysevon 22 Schweizer Fallstudien über ErhaltsundEntwicklungsstrategien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft.Als Basis für <strong>der</strong>en Auswahl wurdenmit Hilfe <strong>der</strong> Merkmale Zielsetzung, Professionalität,Ressourcenverfügung und OrganisationsstrukturTypen von Organisationen gebildet,welche die verschiedenen Segmente <strong>der</strong>Wohnungs<strong>in</strong>dustrie qualitativ repräsentieren.Die Fallstudien umfassen neben ausführlichenLeitfaden<strong>in</strong>terviews mit Schlüsselpersonen imManagement <strong>der</strong> untersuchten Wirtschaftse<strong>in</strong>heitendie Analyse <strong>der</strong> Organisationsstrukturvon Unternehmen und Verwaltungse<strong>in</strong>heiten.Sie wurden von 10 Kontext-Interviewsergänzt. Die Untersuchung beruht auf e<strong>in</strong>emForschungsdesign, welches die Strukturationstheorie(Giddens 1984) als <strong>in</strong>terpretativen Rahmenmit Elementen <strong>der</strong> Handlungstheorie alsanalytisches Instrumentarium verknüpft 4 (VanWezemael 2004, 2005: 11–40).Auf Basis dieser Daten wurde mittels e<strong>in</strong>erSituationsanalyse (Popper 1993: 34) das Anbieterpotenzialeruiert. Das Potenzial basiertauf jenen Akteurtypen, die bei e<strong>in</strong>er Bestandesentwicklungh<strong>in</strong>sichtlich des Bedürfnisbündelsvon age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place e<strong>in</strong>en manifesten(ökonomischen) Vorteil erhalten und auch rea-disP 169 · 2/2007 43


15844 disP 169 · 2/2007Agglomeration ZürichNAbb. 1: Stadt- und Agglomerationsgürtelvon Zürich.(Eigene Darstellung)Altstadt <strong>der</strong> Stadt ZürichInnenstadtquartiere <strong>der</strong> Stadt ZürichE<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>dungen 1934 <strong>der</strong> Stadt ZürichErster Vorortgürtel, Volkszählung 1950Zweiter Vorortgürtel, Volkszählung 1960Dritter Vorortgürtel, Volkszählung 1970Vierter Vorortgürtel, Volkszählung 1980Fünfter Vorortgürtel, Volkszählung 1990Sechster Vorortgürtel, Volkszählung 20000 5 10 kmlisieren können. Die Situationsanalyse berücksichtigtee<strong>in</strong>erseits die System<strong>in</strong>tegration <strong>der</strong>Organisationen und <strong>der</strong> Entscheidungsträger,die Unternehmenskultur, die Managementweise,Bewirtschaftungsziele und -prozeduren,Entwicklungsziele und das Daten-, Informations-und Wissensmanagement <strong>der</strong> Firmen.An<strong>der</strong>erseits wurden die Konzeptionen vonEntscheidungsträgern h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> SchlüsselbegriffeAlter, Wohnen und demographischeAlterung analysiert (Van Wezemael 2006: 538).Die Bestandesanteile <strong>der</strong> verschiedenen Investorentypenund <strong>der</strong>en geographische Verteilungwerden mit Hilfe <strong>der</strong> Volkszählungsdatenquantitativ erfasst.2.3 UntersuchungsgebietAls Untersuchungsgebiet wird <strong>der</strong> urbane RaumZürichs gewählt. Da sich dieser urbane Raumals soziales Aggregat und Konglomerat nichtauf das Territorium <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> politischenStadtgrenzen begrenzen lässt, ist das Untersuchungsgebietnicht nur die Stadt Zürich, son<strong>der</strong>ndie gesamte Agglomeration Zürich. DieAgglomeration ist als wirtschaftlicher und ge-


159sellschaftlicher Interaktionsraum def<strong>in</strong>iert undwird aufgrund von Volkszählungen jeweils neubestimmt. Für die Zugehörigkeit zur Agglomerationspielen <strong>der</strong> bauliche Zusammenhang desSiedlungsgebietes mit <strong>der</strong> Kerngeme<strong>in</strong>de unddie wirtschaftliche Orientierung <strong>der</strong> Erwerbstätigendie Hauptrolle (Schuler, Joye 1997).Als Raume<strong>in</strong>heiten dienen Gürtel von Geme<strong>in</strong>deno<strong>der</strong> Quartieren, die die historischeStadtentwicklung wi<strong>der</strong>spiegeln. Der <strong>in</strong>nersteGürtel umfasst das Gebiet <strong>der</strong> historischen Altstadt<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> alten Befestigungsanlagen.Den zweiten Stadtgürtel bilden die Innenstadtund<strong>in</strong>nenstadtnahen Quartiere. Dieser Gürtelentspricht <strong>in</strong> etwa dem Gebiet, das zwischen1830 und 1900 zusammenhängend überbautwurde. Der dritte Gürtel wird gebildet durchdie Stadtrandquartiere, die 1934 e<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>detwurden. Die Agglomeration unterteilt sich <strong>in</strong>sechs mehr o<strong>der</strong> weniger konzentrische Gürtel,die jeweils diejenigen Geme<strong>in</strong>den umfassen,die im gleichen Jahrzehnt zur Agglomerationgestossen s<strong>in</strong>d (vgl. Abbildung 1). Diese Gürtelbilden damit das Wachstum <strong>der</strong> Agglomerationund den Verlauf <strong>der</strong> Suburbanisierung ab(Heye, Leuthold 2006: 24).3. Gewandelte Wohnbedürfnisse im AlterDer soziale und <strong>der</strong> demographische Wandelbilden e<strong>in</strong> Amalgam und s<strong>in</strong>d daher nur analytischzu trennen (Van Wezemael 2005: 201-207),wie die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit den aktuellenWohnwünschen älterer Menschen verdeutlichenwird. Die Personen im 3. und 4. Lebensalterprägen die entsprechenden Lebensphasenals heterogene und <strong>in</strong> wachsendem Mass <strong>in</strong>dividualisierteAbschnitte (Höpfl<strong>in</strong>ger 2004: 517).Die Individualisierung <strong>in</strong> den westlichen Gesellschaftenwird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em altersbezogenen Bedürfnisbündelverdichtet, das als age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place betiteltwird (Chapman, Howe 2001: 501; Re<strong>in</strong>dl,Novak 1997: 516). Age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place ist Ausdrucke<strong>in</strong>es Autonomie-orientierten Lebensentwurfs,welcher die Auffassung von «gebrechlichen Alten»,die sich vor allem durch das Fehlen vonKompetenzen und Fähigkeiten auszeichnen,<strong>in</strong> zunehmendem Masse als unangemessen zurückweist(Van Wezemael 2006). Jede Generationdef<strong>in</strong>iert ihre (altersbezogenen) Lebensstilevon neuem. Age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place lässt sich <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er Aussensicht def<strong>in</strong>ieren als das Erschaffenvon Möglichkeiten, länger <strong>in</strong> <strong>der</strong> angestammtenUmgebung zu verweilen: e<strong>in</strong> Umzug <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ePflegeanstalt kann somit h<strong>in</strong>ausgeschoben o<strong>der</strong>gar verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden (Houben 2001: 651). Aus<strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohnerbezieht sich age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place idealerweise aufe<strong>in</strong>e schwellenfreie Wohnung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie Besuchempfangen können, auf e<strong>in</strong>e vertraute Umgebung,<strong>in</strong> <strong>der</strong> man die Nachbarn kennt und auchtrifft, und wo soziale und mediz<strong>in</strong>ische Dienstleistungen,welche e<strong>in</strong>e autonome Lebensführungerleichtern, bei Bedarf beansprucht werdenkönnen 5 .Bei Wohnungserneuerungen gilt es im Augezu behalten, dass sich die Wohnwünsche ältererMenschen nicht grundlegend von denjenigenjüngerer Menschen unterscheiden. Das «Alter»bildet e<strong>in</strong>e zunehmend verwischte Variable immultidimensionalen Raum <strong>der</strong> Identitäten. Daherkann es bei <strong>der</strong> Bestandesentwicklung nichtdarum gehen, «Alterswohnungen» zu bauen.Vielmehr ist danach zu fragen, wie Wohnangeboteauf Basis des baulichen Bestandes organisiertwerden können, damit sie so genannteWohnleistungen (Schacht 1976: 559) für e<strong>in</strong>ebreite Palette von Haushalten generieren. DieOrientierung an Wohnleistungen ist deshalbangebracht, weil bei e<strong>in</strong>er auf die baulichenAspekte fixierten Sicht des Wohnens e<strong>in</strong> demKonzept von age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place <strong>in</strong>härenter Wi<strong>der</strong>spruchaufklafft: er liegt dar<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> Wunschnach dem Verbleib <strong>in</strong> <strong>der</strong> angestammten Umgebung/Wohnungmit neu gewichteten Wohnbedürfnissene<strong>in</strong>hergeht. Dieses Konfliktpotenzialkann durch die Bereitstellung von Serviceleistungenmo<strong>der</strong>iert werden. Diese substituierenFähigkeiten, die im Alter e<strong>in</strong>geschränkt werdenkönnen, und befriedigen neue o<strong>der</strong> neuerd<strong>in</strong>gsstärker gewichtete Wohnwünsche. Age<strong>in</strong>g<strong>in</strong> place for<strong>der</strong>t die Investoren auch deshalb <strong>in</strong>beson<strong>der</strong>em Masse heraus, weil sie mit baulichenMitteln alle<strong>in</strong>e nicht zu befriedigen s<strong>in</strong>dund somit das Selbstverständnis von Immobilienunternehmernals ausschliessliche Anbietervon Infrastruktur <strong>in</strong> Frage stellen (Van Wezemael2006).Die Realisierung e<strong>in</strong>es autonomen Verbleibs<strong>in</strong> vertrauter Umgebung hängt also nicht nurvon passendem Wohnungsdesign ab, son<strong>der</strong>nauch von <strong>der</strong> Verfügbarkeit sozialer und mediz<strong>in</strong>ischerDienstleistungen. Die Frage, ob e<strong>in</strong>ePerson entwe<strong>der</strong> autonom o<strong>der</strong> betreut wohnt,verweist heute auf e<strong>in</strong> Kont<strong>in</strong>uum unterstützterAutonomie, dessen Eckpunkte volle Autonomieund betreutes Wohnen darstellen. Folglich istage<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place e<strong>in</strong> multidimensionales (Nachfrage-)Konzept,welches e<strong>in</strong>e multidimensionale(Angebots-)Lösung erfor<strong>der</strong>t.In den meisten europäischen Län<strong>der</strong>n gibtes spital- und heimexterne Pflegedienstleistungen,die e<strong>in</strong> breites Angebot zur Autonomieun-disP 169 · 2/2007 45


16046 disP 169 · 2/2007 terstützung umfassen können. In <strong>der</strong> Schweizwerden diese Dienstleistungen vor allem von<strong>der</strong> Spitex erbracht. So genannte Kerndienstleistungen,zu denen mediz<strong>in</strong>ische Beratung,kassenpflichtige Dienstleistungen (SchweizerischeBundeskanzlei 2006) und hauswirtschaftlicheUnterstützung gehören, werdenvon je<strong>der</strong> Spitexstelle angeboten und stellensomit e<strong>in</strong> flächendeckendes Angebot dar. Zumeistgrössere Organisationen <strong>in</strong> metropolitanenRegionen bieten zusätzliche Leistungen wieMahlzeitendienst, Hilfsmittelverleih, Autofahrdienste,Sozialberatung, Ernährungsberatungund Weiteres an (Spitex 2006). Die zusätzlichenDienstleistungen, die im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Leistungsbeitragsim Konzept von age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place von beson<strong>der</strong>erRelevanz s<strong>in</strong>d, folgen e<strong>in</strong>er zentralörtlichenVerteilung.4. Empirische Ergebnisse4.1 Segregationsmuster <strong>der</strong> BetagtenDer demographische Wandel prägt die Schweizgenauso wie an<strong>der</strong>e westeuropäische Gesellschaften.Dabei s<strong>in</strong>d nur ger<strong>in</strong>gfügige Unterschiedezwischen <strong>der</strong> Schweiz und den EU-15-Staaten erkennbar. In den EU-15-Staaten ist <strong>der</strong>Anteil <strong>der</strong> über 65-Jährigen zwischen 1990 und2000 von 15 % auf über 16 % gestiegen (EURO-STAT), während die Schweiz im selben Zeitraume<strong>in</strong>en Anstieg von gut 14 % auf gut 15 %zu verzeichnen hat. Entsprechend diesem allgeme<strong>in</strong>enTrend kann auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> AgglomerationZürich mit e<strong>in</strong>em Anstieg des Anteils <strong>der</strong>Personen im 3. und 4. Lebensalter von knapp14 % auf 15 % e<strong>in</strong>e zunehmende Alterung <strong>der</strong>Bevölkerung konstatiert werden. Die demographischeAlterung betrifft nicht alle Regionen<strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration im gleichen Masse. Dieländlichen und die städtischen Regionen s<strong>in</strong>dvon diesem Phänomen stärker geprägt als diesub<strong>urbanen</strong> Regionen (Wanner et al. 2005). Dieseregionalen Unterschiede s<strong>in</strong>d hauptsächlichdurch <strong>in</strong>traregionale Wan<strong>der</strong>ungsströme verursacht.Betrachtet man die Verteilung <strong>der</strong> Personenim 3. und 4. Lebensalter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zürcher Agglomeration,so fällt <strong>der</strong> starke Altersgradient zwischendem Kern und den Rän<strong>der</strong>n auf, <strong>der</strong> auchnoch im Jahr 2000 zu beobachten ist. Der Anteil<strong>der</strong> Personen im dritten Lebensalter ist anden Agglomerationsrän<strong>der</strong>n am ger<strong>in</strong>gsten und<strong>in</strong> <strong>der</strong> Innenstadt am höchsten. Die räumlicheVerteilung <strong>der</strong> Personen im vierten Lebensalterzeigt ke<strong>in</strong> regelmässiges Muster. Während im3. Lebensalter etwa 3 % <strong>in</strong> Alters- o<strong>der</strong> Pflegeheimenuntergebracht s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d dies im 4. Lebensalterknapp e<strong>in</strong> Viertel (Höpfl<strong>in</strong>ger 2004).Damit wird die Verteilung <strong>der</strong> Personen <strong>in</strong> dieserLebensphase sehr viel stärker durch dieStandorte <strong>der</strong> Pflege- und Altersheime geprägt.Im Vergleich zu 1990 hat sich das Gefällezwischen <strong>der</strong> «überalterten Stadt» und dem«jungen Umland» jedoch ausgeglichen. Der Anteil<strong>der</strong> Betagten an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung ist<strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt gesunken und <strong>in</strong> den Agglomerationsgeme<strong>in</strong>dengestiegen. Im Jahr 2000 war <strong>der</strong>Anteil <strong>der</strong> über 80-Jährigen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Innenstadtnoch immer höher als im 1. Agglomerationsgürtel.Es handelt sich bei dieser Altersgruppegegenwärtig um die Vorkriegsgeneration, diewährend und nach dem 2. Weltkrieg <strong>in</strong> <strong>der</strong>Kernstadt geboren wurde o<strong>der</strong> zuwan<strong>der</strong>te undAnfang <strong>der</strong> sechziger Jahre, zur Zeit des Bevölkerungsmaximums<strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt, die Personenim Erwerbsleben stellte. Der Anteil <strong>der</strong> Personenim so genannten 3. Lebensalter zwischen65 und 79 Jahren ist 2000 im 1. Agglomerationsgürtelbereits grösser als <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamtenStadt, und er ist selbst <strong>in</strong> den Stadtrandquartierennur unwesentlich gestiegen. In 15 Jahrenwerden diese Kohorten dem so genannten 4. Lebensalterzugerechnet werden, und somit wirdauch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Personen im 4. Lebensalterim 1. Agglomerationsgürtel grösser se<strong>in</strong> als <strong>in</strong><strong>der</strong> Kernstadt. Die am stärksten «überalterten»Gebiete <strong>der</strong> Agglomeration s<strong>in</strong>d im Jahr 2000nicht mehr die Innenstadtquartiere, son<strong>der</strong>ndie Stadträn<strong>der</strong> und stadtnahen Geme<strong>in</strong>dendes ersten Agglomerationsgürtels. Es sche<strong>in</strong>t,als folge die «Welle <strong>der</strong> Überalterung» mit 50-jähriger Verzögerung r<strong>in</strong>gförmig <strong>der</strong> Suburbanisierungswellevon <strong>der</strong> Stadt <strong>in</strong>s Umland. Dieserpassive Prozess entsteht dadurch, dass dieGeneration <strong>der</strong> ehemaligen «Suburbanisierer»älter wird und nun <strong>in</strong>s Betagtenalter e<strong>in</strong>tritt(Heye, Leuthold 2004).Da die Umzugstätigkeit statistisch stark altersabhängigist und die Betagten e<strong>in</strong>e sehr ger<strong>in</strong>geUmzugsmobilität aufweisen, ist zu erwarten,dass sich <strong>der</strong> Trend <strong>der</strong> Verjüngung <strong>der</strong>Kernstadt und <strong>der</strong> Überalterung <strong>der</strong> <strong>in</strong>nerenAgglomerationsgürtel noch fortsetzen wird. Diealtersabhängige Umzugshäufigkeit zeigt, dassdie Personen zwischen 20 und 30 Jahren amhäufigsten umziehen. Diese Umzugstätigkeits<strong>in</strong>kt dann bis zu e<strong>in</strong>em Alter von 75 Jahrenstetig und wird nur durch e<strong>in</strong>e leichte Steigerungzum Rentene<strong>in</strong>tritt unterbrochen (vgl. Abbildung3). Damit ist die Segregation nach Alterskategoriensehr stabil. Wohnstandorte <strong>der</strong>heute 50-Jährigen decken im Wesentlichen die


16165- bis 80-JährigedisP 169 · 2/2007 4715%12%9%6%3%0%Über 80-Jährige7%6%5%4%3%2%Abb. 2: Jüngere Betagte nachAgglomerationsgürteln. RelativeAnteile bezogen auf die Gesamtbevölkerung1990 und 2000.(Quelle: Heye, Leuthold 2006)1%0%AltstadtInnenstadtStadtrand1. Vorortgürtel, VZ 19502. Vorortgürtel, VZ 19604. Vorortgürtel, VZ 19803. Vorortgürtel, VZ 19706. Vorortgürtel, VZ 20005. Vorortgürtel, VZ 1990KernstadtUmland1990 2000100 +95908580757065605550454035302520151050AlterJährliche altersabhängige Fluktuationsraten<strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich (1991–2002)0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 %Umzüge/WohnbevölkerungAbb. 3: Altersabhängige Umzugshäufigkeit.(Quelle: eigene Berechnung,Daten: Statistik Stadt Zürich)


16248 disP 169 · 2/2007Fluktuationsraten nach Altersgruppen,Stadt Zürich, 1991–200235 %Umzüge/Wohnbevölkerung30 %25 %20 %15 %10 %5%50 bis 54 Jahre55 bis 59 Jahre60 bis 64 Jahre65 bis 79 Jahre80 Jahre und mehrgesamtAbb. 4: Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> altersabhängigenUmzugshäufigkeit.(Quelle: eigene Berechnung,Daten: Statistik Stadt Zürich)0%1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002JahrSaldo aus Zu- und Wegzügen nach Altersgruppen,Stadt Zürich, 1991–20021.5Abb. 5: Saldo aus Zu- und Wegzügen,Stadt Zürich 1991–2002.(Quelle: eigene Berechnung,Daten: Statistik Stadt Zürich)Saldo aus Zu- und Wegzügen/Wohnbevölkerung1.00.50.0–0.5–1.0–1.5–2.0–2.5–3.0199119921993199419951996 1997Jahr1998199920002001200250 bis 54 Jahre55 bis 59 Jahre60 bis 64 Jahre65 bis 79 Jahre80 Jahre und mehrgesamtWohnstandorte <strong>der</strong> Betagten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft ab.Nach e<strong>in</strong>em Alter von 75 Jahren steigt die Umzugstätigkeit<strong>der</strong> Personen deutlich an. DieserAnstieg <strong>der</strong> Umzugshäufigkeit im hohen Alterwird wahrsche<strong>in</strong>lich mit <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit<strong>der</strong> Personen zusammenfallen. Diese Umzugshäufigkeitim hohen Alter wird im Fallee<strong>in</strong>es adäquaten (multidimensionalen) Angebotsh<strong>in</strong>sichtlich gegenwärtiger Wohnwünscheälterer Menschen s<strong>in</strong>ken – ist dieser Umzug <strong>in</strong>e<strong>in</strong>e Alters- und Pflegee<strong>in</strong>richtung doch häufigunfreiwillig.Die Analyse <strong>der</strong> Um-, Zu- und Wegzüge Zürichszeigt aber auch, dass die Umzugstätigkeit<strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Zürich zwischen 1991 und 2002deutlich gestiegen ist. Die Umzüge haben zwischen1991 und 2002 von knapp 29 % auf gut32 % zugenommen. Dies entspricht e<strong>in</strong>er relativenZunahme von knapp 13 %. Auch wenndie Anzahl <strong>der</strong> Umzüge bei den höheren Al-


163SchweizAnzahlPersonenAgglomeration ZürichdisP 169 · 2/2007 49AnzahlPersonen <strong>in</strong>VermietungAnzahlPersonenAnzahlPersonen <strong>in</strong>VermietungMieterquoteMieterquoteUnter 65-Jährige 6133879 3610489 58.9 % 914235 666069 72.9 %Über 65-Jährige 1115135 543371 48.7 % 158675 99097 62.5 %Über 80-Jährige 297 411 131 826 44.3 % 40 880 22 543 55.1%Gesamt 7 249 014 4 153 860 57.3 % 1 072 910 765 166 71.3 %(Quelle: BfS, eigene Berechnungen)Tab. 1: Personen <strong>in</strong> Vermietung,nach Alter differenziert, 2000.tersklassen auch 2002 noch deutlich ger<strong>in</strong>gerals im Durchschnitt ist, so beg<strong>in</strong>nen sich aberdie Unterschiede zwischen den Altersklassenauszugleichen. Mit Ausnahme <strong>der</strong> Personen im4. Lebensalter haben sämtliche Altersklassen<strong>der</strong> über 50-Jährigen e<strong>in</strong>en relativen Zuwachsvon über 45 % zu verzeichnen. Beson<strong>der</strong>s grossist <strong>der</strong> Anstieg bei den 60–64-Jährigen. 1991zogen jährlich nur gut 6 % <strong>der</strong> 60–64-Jährigenum, 2003 waren dies bereits gut 10%. Dies entsprichte<strong>in</strong>em relativen Zuwachs von über 70 %.Dabei stellt sich die Frage, ob die Umzugstätigkeitdie Verlagerung <strong>der</strong> Konzentration desdemographischen Wandels <strong>in</strong> die ersten Agglomerationsgürtelausgleicht o<strong>der</strong> sogar noch verstärkt.Die über 50-Jährigen weisen wie die Familiene<strong>in</strong>en negativen Umzugssaldo mit demUmland aus. Die über 50-Jährigen ziehen alsomehr aus <strong>der</strong> Stadt <strong>in</strong>s Umland als umgekehrt.Insbeson<strong>der</strong>e die stadtnahen Geme<strong>in</strong>den, diebereits durch das Älterwerden <strong>der</strong> «Suburbanisierer»<strong>der</strong> Nachkriegszeit heute und <strong>in</strong> Zukunftüberproportional von <strong>der</strong> Alterung <strong>der</strong> Gesellschaftgeprägt s<strong>in</strong>d, weisen e<strong>in</strong>en deutlichenWan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>n <strong>der</strong> über 50-Jährigen auf.Die Wohngebiete <strong>der</strong> heutigen Personen im3. Lebensalter decken sich mit denjenigen Regionen,die e<strong>in</strong>en Wan<strong>der</strong>ungsgew<strong>in</strong>n <strong>der</strong> über50-Jährigen aufweisen. Die Alterung betrifft <strong>in</strong>naher Zukunft also nicht mehr so sehr die Innenstadtquartiere,die e<strong>in</strong>e Altersstruktur mite<strong>in</strong>er Mehrheit an Personen im Erwerbsalterbei gleichzeitig wenig Betagten, Jugendlichenund K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aufweisen, son<strong>der</strong>n vor allem dieStadträn<strong>der</strong> und stadtnahen Geme<strong>in</strong>den. Damithaben sich im Zuge <strong>der</strong> Reurbanisierungnicht die Segregationsmuster <strong>der</strong> Status- undLebensstilgruppen verän<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n auch die<strong>der</strong> älteren Personen (Heye & Leuthold 2004:26).4.2 Age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Placeals EntwicklungspotenzialIn <strong>der</strong> Schweiz spielt <strong>der</strong> Mietwohnungsmarkte<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Rolle für die Wohnraumversorgung<strong>in</strong> metropolitanen Regionen und für diealtersgerechte Entwicklung <strong>der</strong> Bestände. 57 %aller Personen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz wohnhafts<strong>in</strong>d, wohnen zur Miete, <strong>in</strong> <strong>der</strong> AgglomerationZürich s<strong>in</strong>d dies sogar 71 %. Zwar ist <strong>der</strong> Anteilbei den über 65-Jährigen etwas ger<strong>in</strong>ger, aber<strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration wohnen mit 62.5 % fastzwei Drittel aller über 65-Jährigen zur Miete.Bei den über 80-Jährigen wohnten im Jahr2000 mehr als die Hälfte selbständig zur Miete,die meisten <strong>in</strong> E<strong>in</strong>personenhaushalten (Höpfl<strong>in</strong>ger2004: 52).Die Neigung, <strong>in</strong> den angestammten vier Wänden(age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place) zu bleiben, bildet bereitsheute e<strong>in</strong>en Haupttrend für ältere Nachfrager/<strong>in</strong>nen auf dem Wohnungsmarkt. E<strong>in</strong>e adäquateBefriedigung dieser gewandelten Wohnwünschedurch entsprechende Angebote h<strong>in</strong>gegen ist gegenwärtignoch weitgehend e<strong>in</strong> Wunschdenken.Gemäss Van Wezemael (2005: 201–204) sche<strong>in</strong>tdas Verlangen nach e<strong>in</strong>em (unterstützt) autonomenVerbleib <strong>in</strong> vertrauter Umgebung e<strong>in</strong> sogewichtiges Bedürfnis darzustellen, dass vielfachgrosse Belastungen, die aus e<strong>in</strong>er unbefriedigendenWohnsituation heraus resultieren, <strong>in</strong>Kauf genommen werden.E<strong>in</strong> adäquates Wohnangebot für Ältere be<strong>in</strong>haltete<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von Infrastrukturund Dienstleistungen. Wie die Investoren dieHerausfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung ihrerWohnbaubestände meistern, bestimmt das Ausmass<strong>der</strong> Altengerechtigkeit zukünftiger Wohnraumversorgungälterer Menschen. Wie Giger(2003) bemerkt, ist die age<strong>in</strong>g society zwar e<strong>in</strong>Megatrend, den man nicht stoppen, wohl abernutzen könne. Das Wachstum <strong>der</strong> Alterssegmentekann für Investoren e<strong>in</strong>e gute Nachricht


16450 disP 169 · 2/2007SchweizAgglomeration Zürich6% 7%7%7%22 %21%Abb. 6: Eigentümer von Mietwohnungen,2000.(Quelle: Eigene Darstellung,Daten: BfS)GenossenschaftenPrivatpersonen8%57 %InstitutionelleAnleger14 %51%Nicht-KommerzielleAn<strong>der</strong>ese<strong>in</strong>, vorausgesetzt, dass sie adäquate Konzepteentwickeln, um den gewandelten (Wohn-)Bedürfnissen<strong>der</strong> heutigen Alten gerecht zu werden.Wie Houben (1997) ausführt, stellen dieBereiche Wohnen, Gesundheitsdienstleistungenund soziale Dienstleistungen die drei relevantenPolicy-Sektoren bezüglich e<strong>in</strong>er Realisierungvon age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place dar.H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> gewandelten Wohnwünscheälterer Personen rückt <strong>der</strong> Mietwohnungssektorals Schlüsselbranche <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund.H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Formulierung e<strong>in</strong>es Lösungsbeitragsim S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er auf age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place ausgerichtetenInvestitions- und Bewirtschaftungsstrategiewird zunächst die e<strong>in</strong>zelbetrieblichePerspektive e<strong>in</strong>genommen. Aus <strong>der</strong> Rekonstruktion<strong>der</strong> Handlungsorientierungen unddem Vergleich <strong>der</strong> unterschiedlichen Handlungssituationen<strong>der</strong> verschiedenen Anbietertypenkann abgeleitet werden, welche Akteuree<strong>in</strong> Lern- und Verän<strong>der</strong>ungspotenzial aufweisen.Auf dieser Basis lässt sich e<strong>in</strong>schätzen, obe<strong>in</strong>e Neu<strong>in</strong>terpretation <strong>der</strong> aktuellen Situatione<strong>in</strong>e Basis für e<strong>in</strong> verbessertes Angebot h<strong>in</strong>sichtlichage<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place darstellt.Die Befunde <strong>der</strong> Handlungsanalyse zeigen,dass die Entscheidungsträger <strong>in</strong> den Unternehmenvon <strong>der</strong> Wohnung als physischemProdukt ausgehen und bislang ke<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ationvon Infrastruktur und Dienstleistungsangebotim Wohnbereich erwägen. Aus Sicht <strong>der</strong>bisherigen Argumentation verpassen sie damitnicht nur e<strong>in</strong>e ernsthafte Geschäftsoption, son<strong>der</strong>ndas Wohnangebot entwickelt sich ungenügend.Zudem wird <strong>der</strong> Wunsch nach autonomerLebensführung im vertrauten Umfeld vonden Akteuren nicht als Lebensentwurf wahrgenommen.Obgleich festgestellt wird, dass ältereMenschen ungern umziehen, wird dieser Umstandeher als Unvermögen o<strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Alten, nicht aber als Lebensentwurf undschon gar nicht als ökonomisches Potenzial <strong>in</strong>terpretiert.Die Nichtbeachtung <strong>der</strong> sich manifestierendenWohnwünsche im aktuellen Alterssegmentkorrespondiert mit dem Befund, dasske<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Akteur es bisher erwogen hat, se<strong>in</strong>Wohnungsangebot <strong>in</strong> strategischer Weise durchdie Organisation von altersbezogenen Dienstleistungenzu erweitern (Van Wezemael 2005).Die Analyse <strong>der</strong> Konzeptionen des demographischenWandels zeigen, dass die age<strong>in</strong>gsociety nur von untergeordneter Bedeutung imHandeln <strong>der</strong> Investoren s<strong>in</strong>d, obgleich die demographischeAlterung seit Jahren auf <strong>der</strong> politischenAgenda steht und prom<strong>in</strong>ent <strong>in</strong> denMedien vertreten ist. Die marg<strong>in</strong>ale Bedeutungdieses Megatrends <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<strong>der</strong> Investoren wird auch von quantitativenAnalysen bestätigt (Suter, Eckert 2004:21). Die Befunde deuten darauf h<strong>in</strong>, dass dieAkteure nur durch e<strong>in</strong>e gezielte Beratung aufdas Entwicklungspotenzial des Wunsches nachage<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place h<strong>in</strong>gewiesen werden können,um <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge dessen Voraussetzungen zu verbessern(Van Wezemael 2005).Zur Beurteilung des Potenzials zur Verbesserung<strong>der</strong> Situation s<strong>in</strong>d die Unterschiedeauf Basis e<strong>in</strong>er Akteurtypisierung von Bedeutung.Genossenschaften beherbergen heute denhöchsten Anteil älterer Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner.Bei Problemen älterer Mieter<strong>in</strong>nen undMieter, welche aufgrund <strong>der</strong> dichteren Kommunikationsbeziehungenzwischen Managementund Bewohnerschaft öfter als bei an<strong>der</strong>en Akteurtypenwahrgenommen werden, suchen dieGenossenschaften neben baulichen Massnah-


165men auch organisatorische Lösungen <strong>in</strong> Formvon Umzügen von unpassenden <strong>in</strong> passen<strong>der</strong>eWohnungen <strong>in</strong>nerhalb des Genossenschaftsbestandes.Institutionelle Akteure setzen <strong>in</strong> ihrerManagementpraxis vielfach Informationen vonBeratern, aus Berichten und von Experten imHause e<strong>in</strong>. Institutionelle Akteure gewichtendie Rendite höher als genossenschaftliche. Nurwenn Investitionen rentabel ersche<strong>in</strong>en, werdensolche Erneurungen realisiert, die <strong>der</strong> Konzeptionvon älteren Menschen als mehr o<strong>der</strong> m<strong>in</strong><strong>der</strong>Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te entsprechen. An<strong>der</strong>erseits messen<strong>in</strong>stitutionelle Akteure dem Image <strong>in</strong> ihremBezugsrahmen <strong>der</strong> Orientierung e<strong>in</strong>e grosseBedeutung bei, was sich bislang meist im Zusammenhangmit e<strong>in</strong>er defensiven Strategie beiMietpreissteigerungen o<strong>der</strong> Abbrüchen äussert.Der Bereich von age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place bietet nun aberdie Möglichkeit e<strong>in</strong>er pro-aktiven Image-Orientierung.Diese Chance bietet sich vor allemfür solche Akteure an, die Gel<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>emBezug zum Alter anlegen, wie dies bei Personalvorsorgee<strong>in</strong>richtungen,Anlagestiftungen,Lebensversicherungen o<strong>der</strong> Immobilienfonds<strong>der</strong> Fall ist. Da sich die Klientel mit dem Produkt– zeitgemässes, autonomes Wohnen imS<strong>in</strong>ne von age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place – identifizieren wird,ist e<strong>in</strong> hohes Mass an Zielkongruenz und somite<strong>in</strong> positives Feedback zu erwarten. VermietendePrivatpersonen schliesslich greifen kaumauf Informationen aus Trendberichten, statistischenAnalysen o<strong>der</strong> von Beratern zu 6 .Die Befunde <strong>der</strong> Handlungsanalyse identifizierendamit die <strong>in</strong>stitutionellen Anleger unddie (grösseren) Wohnbaugenossenschaften alsjene Organisationstypen, die aus e<strong>in</strong>er Ausrichtungauf age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place Profit schlagen unddiese auf Basis ihrer Managementpraxis auchumsetzen könnten.4.3 Angebot <strong>der</strong> verschiedenenAkteurtypenIn <strong>der</strong> Schweiz s<strong>in</strong>d mit 57 % gut die Hälfte <strong>der</strong>Mietwohnungen im Besitz von Privatpersonenund gut e<strong>in</strong> Fünftel im Besitz von <strong>in</strong>stitutionellenAnlegern. Die Besitzverhältnisse s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><strong>der</strong> Agglomeration recht ähnlich, mit dem Unterschied,dass die Genossenschaften zu Lasten<strong>der</strong> Privatpersonen mit 14 % e<strong>in</strong>en sehr vielgrösseren Anteil an Mietwohnungen anbietenals schweizweit (vgl. Abbildung 6).Investitionsstrategien von Anlegern be<strong>in</strong>haltenräumliche Handlungskomponenten imS<strong>in</strong>ne von Regionalisierungsweisen auf strategischerund operativer Ebene. Als Nächstes kannauf Basis <strong>der</strong> Strategie-Analysen (e<strong>in</strong>zelbetrieblichePerspektive) durch räumliche Aggregierungauf e<strong>in</strong>e regionale Perspektive gewechseltwerden. Als Ergebnis zeigt sich e<strong>in</strong>e Eigentumsverteilung,die sich h<strong>in</strong>sichtlich Standorteigenschaftenund also auch Standorttypen charakterisierenlässt (vgl. Van Wezemael 2004: 468,2005: 169). Die regional ungleiche VerteilungdisP 169 · 2/2007 51Mietwohnungen nach Eigentümertyp <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Zürich70 %60 %50 %40 %30 %20 %10 %0%AltstadtInnenstadtGenossenschaftenPrivatpersonenStadtrand1. Vorortgürtel, VZ 19503. Vorortgürtel, VZ 19702. Vorortgürtel, VZ 19605. Vorortgürtel, VZ 19904. Vorortgürtel, VZ 19806. Vorortgürtel, VZ 2000InstitutionelleAnlegerKernstadtNicht-KommerzielleUmlandAn<strong>der</strong>eAbb. 7: Mietwohnungen nachEigentümertyp <strong>in</strong> <strong>der</strong> AgglomerationZürich, 2000.(Quelle: Eigene Darstellung;Daten: BfS)


16652 disP 169 · 2/2007 <strong>der</strong> Eigentümerkategorien wird deutlich, wennwir die regionalen Unterschiede <strong>der</strong> Eigentümerzusammensetzungvergleichen (vgl. Abbildung7).Die Wohnbaugenossenschaften erreichenmit fast 28 % ihren höchsten Angebotsanteil <strong>in</strong>den Stadtkreisen <strong>der</strong> zweiten E<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>dung,also den heutigen Stadtrandquartieren, wo vorallem während <strong>der</strong> wirtschaftlichen Hausse nachdem Zweiten Weltkrieg städtisches Land für dieBereitstellung <strong>der</strong> stark zunehmenden Nachfragenach Wohnraum <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie an diegeme<strong>in</strong>nützig orientierten Genossenschaftenvergeben wurde. Während auch die <strong>in</strong>nenstadtnahenKreise <strong>der</strong> ersten E<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>endurchschnittlichen Genossenschaftsanteil vonimmerh<strong>in</strong> 13 % aufweisen, nimmt <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>flussim Angebotsmuster vom ersten bis zumsechsten Agglomerationskreis sukzessive vonknapp 10 % auf 5 % ab. E<strong>in</strong> umgekehrtes Bildzeichnen die <strong>in</strong>stitutionellen Anbieter, <strong>in</strong>demsie <strong>in</strong> den Stadtgebieten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>dungenzwischen 16 % und 17 % <strong>der</strong> Mietwohnungenhalten, <strong>in</strong> den ersten beiden Agglomerationsgürtelnbe<strong>in</strong>ahe e<strong>in</strong>en Viertel <strong>der</strong> Wohnungenanbieten und im dritten Gürtel mit 36 % nahean den wichtigsten Vermietertypus, denjenigen<strong>der</strong> Privatpersonen, herankommen. Auch <strong>in</strong>den äusseren drei Agglomerationsgürteln gehört<strong>in</strong> etwa jede vierte Wohnung e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>stitutionellenInvestor.Die Privatpersonen prägen im Vergleich mitden an<strong>der</strong>en Anbietertypen e<strong>in</strong> relativ ausgewogenesBild ihrer geographischen Asset-Verteilung.E<strong>in</strong>zig <strong>in</strong> den Stadtkreisen <strong>der</strong> zweitenE<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>dung und im dritten Agglomerationsgürtelwerden sie von den wohnungspolitischgeför<strong>der</strong>ten Wohnbaugenossenschaftenrespektive durch die <strong>in</strong> <strong>der</strong> entsprechendenAusdehnungsphase <strong>der</strong> Zürcher Agglomeration(1960–1970) <strong>in</strong> grösserem Masse <strong>in</strong> den Markte<strong>in</strong>steigenden <strong>in</strong>stitutionellen Anlegern zurückgedrängt.Ihre Dom<strong>in</strong>anz <strong>in</strong> den ländlichen Gebietenwird mit Anteilen von über 60 % im äusserstenAgglomerationsgürtel angekündigt.Das mengenmässige Potenzial e<strong>in</strong>es adäquatenWohnraumangebots für ältere Personenergibt sich aus <strong>der</strong> Summe <strong>in</strong>stitutioneller undgenossenschaftlicher Anteile, wobei <strong>in</strong> <strong>der</strong> Statistikbei den Geme<strong>in</strong>nützigen auch kle<strong>in</strong>ereGenossenschaften berücksichtigt s<strong>in</strong>d. Daherwird das Potenzial <strong>in</strong> dieser Rechnung überschätzt.Im Total ergibt sich e<strong>in</strong> Wohnungsanteilvon über 40 % <strong>in</strong> den Stadtrandquartierenund im dritten Agglomerationsgürtel, von über30 % im 1., 2. und 5. Agglomerationsgürtel undvon über 25 % <strong>in</strong> den Stadtquartieren <strong>der</strong> erstenE<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>dung sowie dem 4. und 6. Agglomerationsgürtel.5. Synthese5.1 Verschneidungvon Angebot und NachfrageDie bisherigen Ausführungen haben gezeigt,dass sich sowohl das residenzielle Muster ältererPersonen aus demographischen und migrativenGründen als auch die qualitative Wohnungsnachfrageälterer Personen stark gewandelthaben. Zur Diskussion e<strong>in</strong>er adäquaten undmarktwirtschaftlich basierten – das heisst vomallgeme<strong>in</strong>en Mietwohnungsmarkt befriedigten– Wohnraumversorgung, können nun dieAngebots- und Nachfragepotenziale chorischmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verschnitten werden. Die räumlichePerspektive umrahmt also die <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>leitunggenannten Dimensionen des Feldes <strong>der</strong>Wohnraumversorgung älterer Menschen. Da essich hier um e<strong>in</strong>e Überlagerung von Potenzialenhandelt, stellen die Angaben absolute Obergrenzendar.Zum gegenwärtigen Zeitpunkt weisen dieGenossenschaften mit e<strong>in</strong>em Marktanteil von15 % heute deutlich überproportionale Anteilevon Personen im 3. Lebensalter (24.1 % o<strong>der</strong>23889 Personen) und im 4. Lebensalter (25.5 %o<strong>der</strong> 5751 Personen) auf. E<strong>in</strong>e Strategie e<strong>in</strong>esauf age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place abgestimmten und folglichmit Dienstleistungen ergänzten Angebotesliegt für e<strong>in</strong>en bedeutenden Anteil <strong>der</strong> Anbieter<strong>in</strong> ihrem Möglichkeitsraum (Van Wezemael2006). Die zweite Anbieterkategorie mit Entwicklungspotenzialfür age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place umfasstdas <strong>in</strong>stitutionelle Segment. Die Anteile <strong>der</strong> älterenBevölkerung <strong>in</strong> ihren Beständen liegenmit knapp 19 % für Personen im 3. und knapp16 % im 4. Lebensalter leicht unterhalb ihresdurchschnittlichen Marktanteils von 21 %. Wennsie ihr Potenzial zur Bereitstellung adäquatenWohnraums ausschöpfen würden, wären gegenwärtig18445 Personen im 3. Lebensalter und3582 Personen im 4. Lebensalter mit adäquatenWohnleistungen versorgt. Gemäss den demographischenPrognosen wird sich die Mächtigkeit<strong>der</strong> Kohorten <strong>in</strong> den kommenden Jahrenund Jahrzehnten weiter <strong>in</strong> Richtung <strong>der</strong> älterenBevölkerung verschieben.H<strong>in</strong>sichtlich des Lösungspotenzials e<strong>in</strong>erUmsetzung von age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place durch Entwicklungsstrategienvon Wohnbau<strong>in</strong>vestoren hatdie Analyse weiter gezeigt, dass die relevantenAnbietertypen räumlich ungleich verteilt s<strong>in</strong>d.


167GesamtInstitutionelleAnlegerPrivatpersonenGenossenschaftenNicht-KommerzielleAn<strong>der</strong>edisP 169 · 2/2007 53Unter 65-Jährige 666 069(84,6 %)342 864(51,5 %)90 795(13,6 %)139 021(20,9 %)46 702(7,0 %)46 687(7,0 %)Über 65-Jährige 99 097(12,6 %)41 318(41,7 %)23 889(24,1 %)18 445(18,6 %)10 057(10,1 %)5 388(5,4 %)Über 80-Jährige 22 543(2,8 %)8 733(38,7 %)5 751(25,5 %)3 582(15,9 %)3 356(14,9 %)1 121(5,0 %)Gesamt 765 166(100 %)384182(50,2 %)114 684(15,0 %)157 466(20,6 %)56 759(7,4 %)52 075(6,8 %)Tab. 2: Mietende nach Alter undInvestortypen <strong>in</strong> <strong>der</strong> AgglomerationZürich.(Quelle: BfS, eigene Berechnungen)Ebenso zeigt die residenzielle Segregation vonPersonen im dritten und vierten Lebensaltere<strong>in</strong> deutliches räumliches Muster <strong>der</strong> Nachfragenach e<strong>in</strong>em adäquaten Angebot für e<strong>in</strong>e autonomeLebensführung im Alter, welches sichdurch die Umzugsmuster älterer Personen weiterverstärkt. Legt man die beiden Verteilungenübere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, so gelangt man zur Bestimmungdes Lösungspotenzials <strong>der</strong> auf Basis <strong>in</strong> <strong>der</strong>Handlungsanalyse vorgebrachten Bewirtschaftungs-und Entwicklungsstrategie. Dieses ist erheblich,weil sich Angebot und Nachfrage <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em nahezu kongruenten Muster decken.Die Stadtrandquartiere weisen stark überdurchschnittlichhohe Anteile von Personen im3. Lebensalter auf. Wie die Analyse <strong>der</strong> räumlichenVerteilung <strong>der</strong> verschiedenen Anbietertypenfür Mietwohnungen gezeigt hat, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>diesen Stadtrandquartieren überdurchschnittlichviele Wohnungen im Besitz von Wohnbaugenossenschaften.Aktuell können also vor allemdie Wohnbaugenossenschaften auf e<strong>in</strong> grossesNachfragepotenzial <strong>in</strong> den Stadtrandquartierenzurückgreifen. Während die Wohnbaugenossenschaftenbereits heute mit e<strong>in</strong>er sehr grossenNachfrage an ihren Standorten konfrontierts<strong>in</strong>d, trifft dies für die <strong>in</strong>stitutionellen Anbieter<strong>in</strong> <strong>der</strong> nahen Zukunft zu. Die stadtnahen Agglomerationsgürtels<strong>in</strong>d sowohl die Wohnstandorteals auch die Zuzugsregionen <strong>der</strong> heute 50–64-Jährigen. Diese Personen s<strong>in</strong>d die potenziellenNachfrager von morgen nach adäquatem Wohnraum,um age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place realisieren zu können.In genau diesen stadtnahen Regionen im sub<strong>urbanen</strong>Raum s<strong>in</strong>d überdurchschnittlich vieleMietwohnungen im Besitz von <strong>in</strong>stitutionellenAnbietern. D. h. die <strong>in</strong>stitutionellen Anbietermit ihren bedeutenden Wohnbaubeständen imdritten Agglomerationsgürtel können sich imLaufe <strong>der</strong> kommenden Jahre auf e<strong>in</strong>e wachsendeNachfrage e<strong>in</strong>stellen.Man kann also feststellen, dass bereits diejetzigen Segregationsmuster auf e<strong>in</strong> grossesLösungspotenzial schliessen lassen. Die Umzugsmustersche<strong>in</strong>en die Potenziale weiter zuerhöhen, da die potenziellen zukünftigen Nachfragernach adäquatem Wohnraum zur Realisationvon age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place entwe<strong>der</strong> bereits dortwohnen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> diejenigen Gebiete zuziehen, <strong>in</strong>denen viele Wohnungen im Besitz von <strong>in</strong>stitutionellenAnbietern s<strong>in</strong>d. Damit lohnen sich nichtnur Investitionen <strong>in</strong> diesem Bereich <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>emMasse, son<strong>der</strong>n es bliebe auch noch Zeit,um dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität umzusetzen.5.2 DiskussionDer vorliegende Beitrag hat sich zum Ziel gesetzt,das multidimensionale Feld <strong>der</strong> Wohnraumversorgungfür ältere Menschen mit Hilfe<strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> räumlichen Ausgestaltung<strong>der</strong> Wohnraumnachfrage als auch des -angebotsh<strong>in</strong>sichtlich des Bedürfnisbündels age<strong>in</strong>g<strong>in</strong> place darzustellen. Insbeson<strong>der</strong>e wurde dieFrage diskutiert, ob age<strong>in</strong>g <strong>in</strong> place im S<strong>in</strong>nee<strong>in</strong>es Bedürfnisbündels älterer Personen durche<strong>in</strong> auf marktwirtschaftlicher Basis geschaffenesWohnleistungsangebot befriedigt werden kann.Der soziale Wandel bedeutet auch für ältereMenschen e<strong>in</strong>e Aufwertung von Autonomie unde<strong>in</strong>e Ausdifferenzierung von Lebensweisen. Diedemographische Alterung unterstreicht die Bedeutungdieser Verän<strong>der</strong>ungen und weist daraufh<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> Wandel – gerade im Wohnbereich– e<strong>in</strong>e relevante Grösse für die Siedlungsentwicklungund die Wohnbau<strong>in</strong>dustrie darstellt.H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Bevölkerungsentwicklungkonnte gezeigt werden, dass die Reurbanisierungnicht nur für Status- und Lebensstilgruppenverän<strong>der</strong>te Segregationsmuster hervorbr<strong>in</strong>gt(Heye, Leuthold 2006). Das Vexierbild<strong>der</strong> A-Stadt wird auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dimension «Alter»


16854 disP 169 · 2/2007 modifiziert, überlagert und letztlich deutlichabgeschwächt. Die räumliche Verteilung <strong>der</strong>Nachfrage <strong>in</strong> diesem Segment ist dadurch deutlichdifferenzierter geworden. Die Personen im3. und 4. Lebensalter konzentrieren sich nichtlänger <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt, son<strong>der</strong>n verteilen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong>Agglomeration. Diese empirischen Ergebnissesche<strong>in</strong>en im Wi<strong>der</strong>spruch dazu zu stehen, dassneben e<strong>in</strong>er altersgerechten Wohnung auch dasVorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er guten Infrastruktur wieNahverkehr, E<strong>in</strong>kaufsmöglichkeiten und mediz<strong>in</strong>ischeVersorgung sowie e<strong>in</strong>e adäquate Ausgestaltungvon öffentlichen und halböffentlichen<strong>Räumen</strong> von grosser Bedeutung für altersgerechtesWohnen s<strong>in</strong>d (Höpfl<strong>in</strong>ger 200; Grosshans2001). Offenbar schlägt sich aber die polyzentrischeStrukturierung <strong>der</strong> Agglomeration <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er gleichmässigeren Verteilung <strong>der</strong> Älteren<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Agglomeration nie<strong>der</strong>.Die Nachfragemuster wandeln sich also sowohl<strong>in</strong> ihrer räumlichen Ausprägung als auchh<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Wohnbau<strong>in</strong>dustrie angebotenenProdukte. Das Gut «Wohnen» wirdmultidimensional, das Backste<strong>in</strong>-und-Mörtel,Bild weist lediglich auf die physischen Aspekteh<strong>in</strong>, die im S<strong>in</strong>ne von Wohnleistungen durchpersönliche und soziale Dienstleistungen zu ergänzens<strong>in</strong>d.Die Handlungsweisen <strong>der</strong> Anbieter und die<strong>in</strong> diesem Aufsatz diskutierte geographischeVerteilung <strong>der</strong> Wohnbaubestände relevanter Anbietertypenals auch <strong>der</strong> Nachfrage weisen sowohlauf e<strong>in</strong> bedeutendes Entwicklungspotenzialals auch auf dessen Grenzen h<strong>in</strong>. Zunächstweist die obige Diskussion auf e<strong>in</strong> Handlungspotenzialh<strong>in</strong>, welches durch geeignete Informationund Beratung durch die Verbände (Hauseigentümer-,Treuhand- und Investorenverbände,Spitex, Mieterverbände), Behörden o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beratungs<strong>in</strong>dustrie7 erst noch verfügbar gemachtwerden muss. Dann ist neben <strong>der</strong> Realisierungentsprechen<strong>der</strong> multidimensionaler Entwicklungsstrategienbeson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeitdarauf zu lenken, dass Neubauten für alle Bevölkerungs-und Altersgruppen nutzbar s<strong>in</strong>dund bei entsprechen<strong>der</strong> Nachfrage mit Dienstleistungenergänzt werden können. Und letztlichweist gerade die Anbieterdifferenzierungdarauf h<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> von Privateigentümern dom<strong>in</strong>iertenländlichen Wohnungsmarktregionenan<strong>der</strong>e Ansätze entwickelt werden müssen.Anmerkungen1 E<strong>in</strong>e fundierte Studie zu den Entwicklungsstrategienvon Eigentümern und F<strong>in</strong>anciers im Eigentumssegmentsteht bislang aus.2 Der wirtschaftliche Wohnsitz e<strong>in</strong>er Person ist<strong>in</strong> jener Geme<strong>in</strong>de, <strong>der</strong>en Infrastruktur sie amhäufigsten beansprucht, dies unabhängig vomOrt, wo sie ihre Papiere h<strong>in</strong>terlegt hat. Wird<strong>der</strong> zivilrechtliche Wohnsitz betrachtet, so wirddie faktische Umzugshäufigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweizstatistisch unterschätzt, weil e<strong>in</strong> Umzug <strong>in</strong> e<strong>in</strong>eAlters- und Pflegee<strong>in</strong>richtung zivilrechtlich ke<strong>in</strong>enWohnwechsel e<strong>in</strong>schliesst.3 Diese Analyse erfolgte im Rahmen <strong>der</strong> Dissertation«Investieren im Bestand – E<strong>in</strong>e HandlungstheoretischeAnalyse <strong>der</strong> Erhalts- und Entwicklungsstrategienvon Wohnbau-Investoren <strong>in</strong> <strong>der</strong>Schweiz» von Joris E. Van Wezemael. In diesemRahmen kann die Methodik nur kurz behandeltwerden und nur auf die für die Fragestellungrelevanten Ergebnisse e<strong>in</strong>gegangen werden. Fürdetaillierte Informationen sei auf die Dissertationdirekt verwiesen (Van Wezemael 2005).4 Die Strukturationstheorie vermag den Dualismusvon Handeln und Struktur <strong>in</strong> theoretischerH<strong>in</strong>sicht elegant zu lösen, verschiebt ihn jedochforschungspraktisch auf die methodologischeEbene und letztlich <strong>in</strong> die Empirie (daher wirddie Strukturationstheorie des Öfteren als e<strong>in</strong>metatheoretischer Ansatz verstanden). Im Forschungsdesign<strong>der</strong> zitierten Forschung wirddaher e<strong>in</strong>e Analyse wirtschaftlichen Handelnsmittels zweckrationalen Handlungsmodellene<strong>in</strong>gefügt (ausführlich s. Van Wezemael 2005:11–30)5 In e<strong>in</strong>er breit angelegten «Altersstudie» <strong>in</strong><strong>der</strong> Region Basel konnte gezeigt werden, dass«Wohnformen, <strong>in</strong> denen <strong>der</strong> Raum zu kle<strong>in</strong> ist,um mit dem Partner zu leben, Gäste zu bewirtenund e<strong>in</strong>en eigenen kle<strong>in</strong>en Haushalt zu bewirtschaften»als <strong>in</strong>akzeptabel gelten (Schnei<strong>der</strong>-Sliwa 2004: 306).6 Für e<strong>in</strong>e ausführlichere Diskussion siehe VanWezemael 2005.7 Schliesslich handelt es sich bei unserer Diskussionum e<strong>in</strong>e potenziell Gew<strong>in</strong>n br<strong>in</strong>gendeGeschäftsstrategie, die mit <strong>der</strong> Vermittlung vonKnow-how verbunden ist.


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Cor<strong>in</strong>na HeyeCurriculum VitaeName:Vorname:HEYECor<strong>in</strong>naGeburtsdatum: 5. Februar 1974Nationalität:deutsch1994 Abitur, Oberschule zum Dom, Lübeck (Deutschland)1994-2001 Studium <strong>der</strong> Geographie und Mathematik, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Deutschland)Auslandsstudium <strong>in</strong> Geographie, Università degli Studi di Cagliari,Italien (Oktober 1999-Juni 2000)Staatexamensarbeit:Tourismus als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung untersuchtam Beispiel <strong>der</strong> Region Gennargentu (Sard<strong>in</strong>ien)Februar 20011. Staatsexamen <strong>in</strong> Geographie und Mathematikseit 2001Wissenschaftliche Assistent<strong>in</strong> und Doktorand<strong>in</strong>, GeographischesInstitut, Universität Zürich

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