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Für sieben Tage Seemann

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Reise 47ter einige Segel doppelt vorkommen, kommt noch der Name des Mastsdazu, also zum Beispiel Vor- oder Groß-Untermars. Die Seile wiederum sindkeineswegs nur Taue, Leinen oder meinetwegen Tampen. Je nach Funktionheißen sie Fallen, Schoten, Niederholer, Brassen, Gordinge oder Geitaue.Die korrekte Bezeichnung ergibt sich aus der Kombination des zugehörigenSegel s mit der jeweiligen Funktion, etwa »Groß-Untermars-Brasse«.Gut, dass jemand den Überblick behält. Matthis kennt die verzweifeltenBlick e der alle 7 oder 14 <strong>Tage</strong> wechselnden Frischlinge zur Genüge. Mit vielGeduld, Ruhe und Humor verteilt er Positionen, damit sich jeder nur ein paarNamen merken muss. So gelingen die ersten Übungen erstaunlich gut.Die nächste Herausforderung ist klarer strukturiert: Es geht in die Wanten!Die 35 Meter hohen Masten bieten eine tolle Aussicht, doch jeder klettertnur so hoch er möchte. Mit Gurten gesichert steigt man wie auf einer Strickleiter– kein Problem unter blauem Himmel und im ruhigen Hafenwasser.Manchen reicht es auf halber Höhe. Mich packt der Ehrgeiz: Vorsichtig treteich auf immer schmalere Stege, bis es nicht mehr höher geht. Anders als aufDeck schaukelt es hier oben ordentlich – wie mag das erst auf See sein?Das lässt sich feststellen: Nach den Trockenübungen manövrieren wir ausdem Hafen. Dann das ersehnte Kommando: »Klar machen zum Segel setzen !«Alle packen mit an. Eine gute halbe Stunde später gleiten wir bei 3 bis 4Windstärken gemächlich dahin. Ideales Anfängerwetter, dennoch schaukeltdie Roald ganz schön. »Das liegt an der Dünung«, erklärt Bootsmann Viking,dem vom momentanen Wind unabhängigen Wellengang. Das Schiff rollt inalle Richtungen. Im Magen wird es schlagartig flau. Abwechseln d mit Uteund Sepp hänge ich über der Reling und füttere die Fische.Am Horizont taucht ein dickes weißes Kreuzfahrtschiff auf, das überhauptnicht zu schaukeln scheint? »Das liegt daran, dass die Stabilisatoren imRumpf haben und viel schneller fahren, deshalb liegen sie wie ein Brett imWasser«, sagt Viking. Neidisch blicke ich hinüber – hätte ich doch besserauf der Aida gebucht? Aber nein, das ist doch langweilig – rund um die Uhressen und sich nur bedienen lassen. Ich wollte ja Abenteuer.Sternenhimmel, Wale und Ankerbier… macht aberrichtig Spaß.Unser Wachführer nutzt die »ruhige See«, um mit seiner 12 bis 18 Uhr-Mannschaft zu üben: brassen, fieren, holen – allmählich werden aus denwirren Begriffen klare Bewegungen. Jeder bekommt für bestimmte Aktione neinen festen Platz zugewiesen, und ich bin froh, öfters für das wenigerschweißtreibende Fieren zuständig zu sein. Die Arbeit lenkt außerdem vonden Übelkeitsschüben ab. Wenn Kopf und Körper mit der Umsetzung vonKommandos beschäftigt sind, gehen die Attacken schneller vorüber.»Delfinschwarm an Steuerbord!«, ruft Ausguck Sepp. Alle stürzen an dieRelin g – und staunen. Mindestens 20 Tiere schwimmen direkt auf die Roaldzu und tanzen in den Bugwellen. Toll! Kameras klicken und surren.Meine nächste Wache beginnt um 24 Uhr. Auch wenn es nicht verlockendklingt, sich um Mitternacht aus der Koje zu quälen: Belohnt wird die Crewmit einem unglaublich schönen Sternenhimmel. Die schwarze See hält dagegenmit Meeresleuchten – Leuchtplankton, das bei jeder Bewegung aufwirbeltund dem Meer einen zauberhaften Glanz verleiht. Dazu hört man nurdas Singen des Windes in den Segeln und die eigenen Gedanken. Ein unvergesslichesErlebnis. Als die Morgenwache aufzieht und der abziehendenMannschaft eine »Gute Ruuh!« wünscht, bin ich zwar müde, aber auch stolz,es geschafft zu haben.Die nächsten zwei Nächte ankern wir vor Los Christianos an der südwestlichenKüste Teneriffas. Der abendliche Landausflug in die Touristenhochburgreizt aber nur wenige Crewmitglieder. Die meisten bevorzugen eingemütliche s Ankerbier an Bord.Die folgenden <strong>Tage</strong> sind erfüllt von Segelmanövern und Tierbeobachtungen.Durch die 3000 Meter tiefe Meerenge zwischen Teneriffa und La Gomeraziehen viele Wale, die immer wieder hinter dem Schiff kreuzen. Allerdingsverschwinden sie auch schnell wieder, so dass keine Zeit zum Bestimmenoder Fotografieren bleibt.Was ich nicht erwartet hätte: Die eigene Befindlichkeit wird an Bord zurNeben sache. Klar schmerzen die zarten Hände nach zwei <strong>Tage</strong>n Leinenhole n. Körperliche Anstrengung ist unsereins ja kaum noch gewohnt. Aberob schmerzhaft oder nicht spielt keine Rolle, die Segel müssen nun malgesetz t oder eingeholt werden – und das geht am besten, wenn alle mit›

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