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Die Stimme - Béla Réthy Es gibt im Internet diverse Seiten, auf ...

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<strong>Die</strong> <strong>St<strong>im</strong>me</strong> - <strong>Béla</strong> <strong>Réthy</strong><strong>Es</strong> <strong>gibt</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> <strong>diverse</strong> <strong>Seiten</strong>, <strong>auf</strong> denen drollige bis beängstigende Sätze vonFußballreportern gesammelt werden. Herr <strong>Réthy</strong>, da taucht auch einer von Ihnen <strong>im</strong>merwieder <strong>auf</strong>. Raten Sie mal, welcher!"Hmm. Das kann doch nur der mit der Klobürste sein."Von einigen seiner Kollegen <strong>gibt</strong> es da ganze Listen mit Sprüchen. Von Bela Rethy eigentlichnur den hier: "Das da vorn, was aussieht wie eine Klobürste, ist Valderama." Kolumbiengegen Tunesien bei der WM in Frankreich, brütende Hitze, Langeweile. Valderama, derlaunische Rasta-Regisseur, ganz schwach. Und da sei es ihm eben rausgerutscht, sagt <strong>Réthy</strong>.Eine Klobürste. Rausgerutscht. Andere legen sich so was zurecht, aber <strong>Réthy</strong> ist keinSprücheklopfer. Womöglich liegt es dran, dass er keine eigene Talkshow hat. Vielleicht hat eraber auch genau deshalb keine Talkshow. Kerner und Beckmann neigen dazu, sich zuproduzieren, gefallen zu wollen, so als wäre das Spiel ihre Show. Sie wissen, dass die Leuteein Bild von ihnen haben, und das führt sie in Versuchung. Hinterher wird dann an ihnenherumgemäkelt. Nicht <strong>im</strong>mer zu Unrecht.<strong>Béla</strong> <strong>Réthy</strong> kommentiert seit zwölf Jahren Fußball. Er war es, der 1996 Bierhoffs Gurkenballrhetorisch ins Golden Goal eskortierte. Be<strong>im</strong> WM-Finale in Yokohama schilderte er sachlichfachlich,wie Ronaldo die Deutschen <strong>im</strong> Alleingang abschoss. Und Sonntagabendkommentiert er schon wieder ein Endspiel. <strong>Die</strong>smal aus dem Stadion des Lichts. Was für einTitel! So unendlich beseelter als beispielsweise die "Schüco-Arena" von Bielefeld. Manerkennt schon an den Namen der Stadien, was sich drinnen abspielt. Andererseits stehtGriechenland <strong>im</strong> Finale, und wo Hellas dr<strong>auf</strong>steht, ist Rehakles drin. Rethy staunt zwar, wieder Mann das macht, rechnet aber eher nicht mit einem "Leckerbissen". Doch für "Freundeder Hausmannskost" könne es ja durchaus "reizvoll" werden.Ein Autogramm von PeleSo zwischen 20 und 25 Millionen Deutsche werden <strong>Réthy</strong> zuhören. Kaum einer davon dürfteeine optische Vorstellung von seinem Spielbegleiter haben. Dabei war der bei dieser EMsogar ein, zwe<strong>im</strong>al kurz vor der Kamera zu sehen, zum Beispiel, als er den portugiesischenTrainer Scolari interviewte, in fließendem Portugiesisch.<strong>Réthy</strong>s Eltern stammen aus Ungarn. 1956 flohen sie nach Brasilien. <strong>Béla</strong> kam unterwegs zurWelt, in Wien. Er wuchs in Sao Paulo <strong>auf</strong>, daher die Sprachkenntnis. Irgendwann holte ersich ein Autogramm von Pele persönlich. Als Junge kommentierte er zu Hause die Spiele desgrandiosen FC Santos nach: Gooooooool, Gooool! Mit elf Jahren kam er nach Deutschland,und "in Mitteleuropa ist ein anderer Stil gewünscht". Wahrscheinlich passt der auch besser zu<strong>Réthy</strong>s Naturell.


Er studierte in Mainz Publizistik, Soziologie und Ethnologie. Seit 1979 ist er be<strong>im</strong> ZDF.Anfangs kümmerte er sich um Motorsport. Später assistierte er Fußball-Live-Reportern: erstRolf Kramer, dann Marcel Reif. "Der war ja damals nicht unumstritten, hat sich mit seiner Artaber durchgesetzt", sagt <strong>Réthy</strong>. "Ironie, Süffisanz und dabei eine hohe Sprachkultur, das warfür mich schon vorbildlich."Reif ist selbstverständlich <strong>im</strong>mer noch der Beste. Allerdings sieht es inzwischen so aus, alssei er sich seiner Ausnahmestellung mitunter etwas zu bewusst. Aber wie könnte es bei allder Lobhudelei auch anders sein. Für die EM konnte sich Reif nicht qualifizieren. Er arbeitetbe<strong>im</strong> falschen Sender. ARD und ZDF haben die Ansetzungen wie <strong>im</strong>mer unter sichausgeknobelt: N<strong>im</strong>mst du Deutschland, krieg ich das Endspiel. <strong>Die</strong> ARD übertrug zwei vondrei deutschen Spielen. Angeschmiert.Aber wer legt be<strong>im</strong> ZDF fest, wer denn nun das Finale kommentieren darf?"<strong>Die</strong> Redaktionsleitung. In diesem Fall war das so, dass Johannes B. Kerner und ich einenVorschlag gemacht haben, und dem konnte die Leitung folgen. Johannes und ich hatten unsvorher zusammengesetzt, damit jeder ungefähr gleichrangig bedient wird." Im Nachhinein,sagt Rethy, würde er sich andere Spiele aussuchen. Er kommentierte zwar England gegenFrankreich. Das war schon sehr gut. Aber Kerner hatte die Partie England gegen Portugal.Das war noch viel, viel besser. Über große Spiele lässt es sich nämlich geschmeidiger reden.Außerdem <strong>gibt</strong> es unter Sportjournalisten durchaus den sportlichen Ehrgeiz, kleine Fähnchenin eine <strong>im</strong>aginäre Karte mit den größten Matches und den legendären Fußballtempeln dieserWelt zu stecken.<strong>Réthy</strong> ist seit 1986 bei allen großen Turnieren dabei, das jetzt in Portugal liegt für ihn "vompersönlichen Eindruck her unter den Top drei". Er saß schon <strong>auf</strong> den Reportertribünen vonWembley und San Siro. Er war <strong>im</strong> Nou Camp und <strong>im</strong> Aztekenstadion. Wer Fußball liebt, derträumt von diesen Orten. Das Maracana in Rio de Jainero fehlt ihm noch. "Dort vor 150 000bei Brasilien gegen Deutschland, einmal <strong>im</strong> Leben, das wär's."Atmosphäre inhalierenMeist befindet <strong>Réthy</strong> sich allerdings ziemlich weit diesseits von Rio, besonders dann, wenn erSamstagabends kurz vor dem ZDF-Sportstudio fünf Minuten aus der Partie Wolfsburg gegenHannover zusammenzuschnipseln hat. Wird man da jetzt vor so einem etwas bedeutenderenSpiel nicht unruhig?"Ach, das ist eine Vorfreude, als wenn Sie sich abends <strong>auf</strong> eine schöne Feier vorbereiten."Haben Sie zur Feier des Tages nicht doch ein paar Bonmots vorbereitet?"Nein. Selbst den Einstieg in die Reportage überlege ich mir erst kurz bevor wir <strong>auf</strong> denSender gehen. Ich gehe hoch <strong>auf</strong> den Reporterplatz, inhaliere ein bisschen die Atmosphäre,und dann kommen die ersten Sätze spontan." Vor sich hat Rethy dann nur ein paar BlattPapier: das Mannschaftsschema und zu jedem Team eine Seite mit Stichpunkten. Neben ihmsitzt sein Assistent Martin Schneider. Rethy nennt ihn sein "gutes Gewissen", sein"Korrektiv". - "Im Grunde bin ich <strong>im</strong>mer übervorbereitet. 70 Prozent dessen, was man sichvorher anliest, braucht man gar nicht. Aber es ist ein gutes Gefühl, es dabei zu haben."


Rethy sagt, er wolle die "typischen Floskeln" vermeiden. Eigentlich versuchen dasmittlerweile alle Fußballkommentatoren. Ein Zeichen, dass die Menschheit sich dochweiterentwickelt. <strong>Réthy</strong> legt Wert <strong>auf</strong> etwas, was er als "T<strong>im</strong>ing" bezeichnet: "Nicht zu vielreden. Gedanken, die einem mittendrin kommen, nicht sofort verk<strong>auf</strong>en, sondern erst malparken, bis es einen guten Bildbeleg dafür <strong>gibt</strong>."Können Sie sich vorstellen, mal minutenlang zu schweigen?"Das habe ich schon gemacht. Zum Beispiel kurz vor der EM, be<strong>im</strong> 1:5 gegen Rumänen. Dafehlten mir die Worte."Reden wir lieber über Fußball. Wie fühlt man sich nach einem großen Spiel? Auch so leer wiedie Spieler?"Angenehm leer. Müde, durstig. Das sind ja 90 Minuten, in denen man versucht, druckreifund kompetent vor sich hin zu reden. Das erfordert hohe Konzentration, durchausvergleichbar mit körperlicher Arbeit."Und was, wenn hinterher trotzdem ein paar Zuschauer meckern?"Ich kenne ja den Job. Ich weiß, wie leicht man da was übersehen kann, weil man gerade inden Unterlagen nachgeguckt hat. Und ein Reporter wird in der Öffentlichkeit vor allem dannals gut empfunden, wenn das Spiel in Ordnung war."Portugal gegen Griechenland. Figo gegen Otto. Ronaldo gegen Rehhagel. <strong>Béla</strong> <strong>Réthy</strong> wirdgut sein, mindestens solide. Hoffentlich ist er da nicht der Einzige.Zur Person // <strong>Béla</strong> Andreas <strong>Réthy</strong> wurde am 14. Dezember 1956 in Wien geboren. Bis 1967lebte er in Sao Paulo. Mit elf Jahren kam er nach Deutschland.Seit 1979 arbeitet <strong>Réthy</strong> in der ZDF-Sportredaktion, zunächst als freier Mitarbeiter, seit 1987als Redakteur. Seit März 1992 ist er für das ZDF als Fußball-Reporter tätig. Von 1994 bis1997 leitete <strong>Réthy</strong> die Redaktion des "ZDF- Sportstudio". Neben Fußball ist <strong>Réthy</strong> Experte fürNordischen Skisport und Wassersport.<strong>Béla</strong> <strong>Réthy</strong> ist verheiratet und hat zwei Kinder.Quelle: Berliner Zeitung

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