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Sandra Maria Geschke, Doing Urban Space. Ganzheitliches ...

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<strong>Sandra</strong> <strong>Maria</strong> <strong>Geschke</strong>, <strong>Doing</strong> <strong>Urban</strong> <strong>Space</strong>. <strong>Ganzheitliches</strong>Wohnen zwischen Raumbildung und Menschwerdung, Bielefeld2013 06.11.13(transcript, 357 S., 33,80 €)(empfohlene Zitierweise: Detlef Zöllner zu <strong>Sandra</strong> <strong>Maria</strong> <strong>Geschke</strong>, <strong>Doing</strong><strong>Urban</strong> <strong>Space</strong>. <strong>Ganzheitliches</strong> Wohnen zwischen Raumbildung undMenschwerdung, Bielefeld 2013, 06.11.2013, in: http://erkenntnisethik.blogspot.de/)1. Prolog2. Methode(A) Wildes Denken(B) Kasuistik und Meditation3. Anthropologie4. Identitätsräume und Kommunikationsräume5. Raumbindungsverluste6. Gentrifizierung7. Stadtplanung<strong>Sandra</strong> <strong>Maria</strong> <strong>Geschke</strong> spricht mit Hannah Arendt von drei „Grundtypen menschlicherTätigkeit“, der „Leiblichkeit“, „Heimatlosigkeit“ und „Pluralität“. (Vgl.<strong>Geschke</strong> 2013, S.61) Diesen drei Grundtypen entspricht eine triadische Raumstruktur:der atmosphärisch gestimmte Weiteraum (vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.63-90),der kulturelle Identitätsraum (vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.90-121) und der kommunikativeErscheinungsraum (vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.122-157). Dabei bildet die Leiblichkeitmit ihrem atmosphärisch gestimmten Weiteraum mit seinen Polen beklemmenderEnge und offener Weite das Zentrum und zugleich die Voraussetzungder anderen beiden Raumtypen. (Vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.260)Die Leiblichkeit beinhaltet sowohl Natalität wie auch Doppelaspektivität imPlessnerschen Sinne. Schon die Natalität beschreibt <strong>Geschke</strong> mit Gernot Böhme(2003) als „eine Art des immer wieder ‚Zur Welt-Kommen(s)‘ im Sinne eines‚schwebenden Zustand(s)‘()“. (Vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.63f.) Insofern sich derMensch im Laufe seines Leben immer nur situationsbezogen erleben und verwirklichenkann, macht er an sich selbst die Erfahrung einer „intrasubjektive(n)Plutalität“ des „Erscheinens von Teilen seines Selbst“ (vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.64und S.124), wie sie Herbart positiv als „Vielseitigkeit des Interesses“ beschriebenhat (vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.304). Zugleich ist diese ‚Pluralität‘ natürlich auch die


Kehrseite seiner Heimatlosigkeit, die gewissermaßen den Doppelaspekt zur Vielseitigkeitbildet.Besonders prägnant bringt <strong>Geschke</strong> die Plessnersche Doppelaspektivität zumAusdruck, wenn sie von der Leiblichkeit als einer „symbiotische(n) Schnittstellevon Außen- und Innensicht eines Menschen“ spricht. (Vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.68;vgl. auch meine Posts vom 21.10. und vom 22.10.2010) Speziell diese Doppelaspektivitätführt zu den zwei anderen Raumtypen, dem kulturellen Identitätsraumund dem kommunikativen Erscheinungsraum. Der kulturelle Identitätsraum entsprichtals Heimat dem Plessnerschen Begriff der Gemeinschaft und bildet imVergleich zum kommunikativen Erscheinungsraum, der dem Plessnerschen Begriffder Gesellschaft entspricht, ein Innen gegenüber einem Außen.Die schroffe Entgegensetzung von Gemeinschaft und Gesellschaft, wie wirsie von Plessner kennen (vgl. meine Post vom 14.11. bis zum 17.11.2010), wirdhier aber durch das räumliche Ineinander von Identitätsraum und Erscheinungsraumüberwunden. Der Mensch ‚bewohnt‘ nicht nur seinen Leib, sondern auchdie anderen beiden Räume, die geographisch identisch sind und sich über Wohnung,Haus, Straße und Stadtteil erstrecken.Ansonsten haben wir hier aber die gleichen Funktionen, mit denen der Identitäts-bzw. Heimatraum der Gemeinschaftsbildung dient, und umgekehrt, und derkommunikative Erscheinungsraum Pluralität im demokratischen Umgang mit Differenzund Fremdheit ermöglicht. Ganz ähnlich wie Plessner die gesellschaftlichenMaskenspiele beschreibt, bildet die gesellschaftliche Bühne auch bei <strong>Geschke</strong>die Grundlage für eine individuelle Identitätsbildung, „was bedeutet, dass sichdie Bildung von Identität rollen- und situationsbezogen vollzieht, so dass man personenbezogenvon diversen nebeneinander existierenden Teilidentitäten respektiveim Hallschen oder Krotzschen Sinne von fragmentarischen Identitäten() sprechenmuss, deren Andeutungen und Ausprägungen sich situations- und vor alleminteraktionsbezogen vollziehen. Auch hier kann von einem individuellen Bastelnund Bedienen aus dem gesellschaftlichen Pool an Handlungs- und Seinsmöglichkeiten,existenten Diskursen und verfügbaren Geschichten gesprochen werden.“(Vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.25f.)Aber Grundlage dieser individuellen Bewegungsfreiheit im kommunikativenErscheinungsraum der Stadt ist eben die heimatliche Verwurzelung in einemIdentitätsraum, so daß der Plessnersche Gegensatz zwischen Gemeinschaft undGesellschaft zu einem individuelle Bildsamkeit ermöglichenden Wechselverhält-


nis zwischen Innen und Außen wird; ein Wechselverhältnis, das Plessner als Expressivitätund als ‚Seele‘ beschreibt. ‚Gemeinschaft‘ bzw. ‚Heimat‘ bildet nichtmehr nur, wie bei Plessner, das unterschiedliche Verschmelzen mit und Abtauchenin einem kollektiven Ich, einer Gruppenidentität, sondern im Wechselspielmit dem kommunikativen Erscheinungsraum der Gesellschaft einen „Raum zurmenschlichen Entfaltung“: „‚Heimat ist da, wo ich handlungsfähig bin‘() ... Heimatwäre somit ein Ergebnis der wechselseitigen Einflussnahme von Umgebungund Mensch aufeinander, ein kontinuierliches Sich-in-die-Umwelt-Einschreibenund Von-der-Umgebung-Beschrieben-Werden.“ (<strong>Geschke</strong> 2013, S.111)Umgekehrt dient wiederum der kommunikative Erscheinungsraum als Diskursraumdem Einbringen von spezifischen Einwohnerinteressen, was derenHandlungsfähigkeit bestätigt und ein positives „Wirksamkeitsgefühl“ fördert, waswiederum die heimatliche Raumbindung stärkt: „Damit kann die qua Pluralität zuleistende Aufgabe der Konstruktion eines Erscheinungsraumes als basaler Vorgangfür die Herstellung und Aufrechterhaltung einer Gemeinschaft und damitauch einer individuellen wie kollektiven Identität angesehen werden. Diese ist mitSinnkonstitution verbunden, welche sich wiederum bewusstseinsbezogen immerin Bezug auf und in Abhängigkeit von Menschen und/oder Dingen vollzieht.“ (S.129)Die narrativen Figuren, mit denen <strong>Geschke</strong> die unterschiedlichen Bewegungsweisenvon heimatlichem Identitätsraum und kommunikativem Erscheinungsraumbeschreibt, sind der „Flaneur“ (vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.187-224) und der „Nomade“(vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.224-260). Der Flaneur steht für den kulturellenIdentitätsraum. Er ist ein „Wandler zwischen den Welten“ (<strong>Geschke</strong> 2013, S.192),ein „Schwellenkundiger“ (<strong>Geschke</strong> 2013, S.209), ein Zeitreisender, der „zwischenVertrautheit und Fremdheit, zwischen alt und neu, zwischen gestern, heute undmorgen“ vermittelt (vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.192) und Wege zu einer menschenfreundlicherenStadt eröffnet.Der Nomade steht für die Pluralität und für den kommunikativen Erscheinungsraum.Er ist eine „Figur der Innovation, der Irritation“ (<strong>Geschke</strong> 2013, S.224) und bildet die „Leitfigur einer Gesellschaft ..., in der Mobilität als einer derhöchsten Werte gehandelt wird und das Mobilsein zu einer sozialen Norm gewordenist.‘()“ (Vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.226f.) Zugleich ist er aber eine Figur der Öffentlichkeit,ein „Public Man“ (<strong>Geschke</strong> 2013, S.234), und ermöglicht dem Einheimischenaus dem lebensweltlichen „Immer-so-weiter“ auszubrechen. Er ver-


leiht den ewig Wurzelschlagenden Flügel. (Vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.303ff.)Atmosphärisch gestimmter Weiteraum, heimatlicher Identitätsraum und kommunikativerErscheinungsraum ermöglichen es also dem Menschen, in der Weltwohnhaft zu werden. Den Raum wieder als eine „menschenfreundliche() Bezugsgröße“zu verstehen, beinhaltet also eine humane Rückeroberung des rein physikalischenRaumbegriffs und der damit verbundenen technologischen Globalisierung.In diesem Sinne konfrontiert <strong>Geschke</strong> auch die Wissenschaften mit einem„didaktischen Imperativ“, der eine neue „Orchestrierung von Transdisziplinaritätim wissenschaftlichen Forschungsraum“ einfordert. (Vgl. <strong>Geschke</strong> 2013, S.17)An die Stelle von „matters of fact“ sollen „matters of concern“ treten, in derenZentrum wieder die Menschwerdung steht.

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