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StadtSpäher in hagen - Wüstenrot Stiftung

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<strong>StadtSpäher</strong> <strong>in</strong> HagenBaukultur <strong>in</strong> Schule und Universität


Vorwort der <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong>Architektur gestaltet unser alltägliches Umfeld, formt mit den Diszipl<strong>in</strong>en Stadt- und Raumplanungunser aller Lebensraum und ist zugleich e<strong>in</strong>e Kunstform, die herausragende historischewie zeitgenössische Werke hervorgebracht hat. Baukultur ist e<strong>in</strong> wichtiger Teil unsererkulturellen Identität, hat aber <strong>in</strong> der kulturellen Bildung ke<strong>in</strong>en festen Platz. Weder <strong>in</strong>der außerschulischen, noch <strong>in</strong> der Schulbildung ist die Beschäftigung mit der gebauten Umwelte<strong>in</strong> Gebot, dabei eignet sich dieses Thema hervorragend für die Schulung <strong>in</strong> der Wahrnehmungund Dechiffrierung von Welt. Die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit unserer architektonischenund räumlichen Umgebung fördert verschiedenartige Herangehensweisen und schultdie Interpretationsfähigkeit für die aktive Teilhabe am gesellschaftlich-politischen Lebenals mündiger Bürger.Da die Perspektiven für e<strong>in</strong>e verpflichtende Aufnahme von Baukultur <strong>in</strong> den Fächerkanonder Schulen vor dem H<strong>in</strong>tergrund wachsender Anforderungen an Schulen wie an Lehrkräfteseit Jahren denkbar schlecht s<strong>in</strong>d, suchte die <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong> mit e<strong>in</strong>em Team vonPädagogen/<strong>in</strong>nen und Experten/<strong>in</strong>nen aus Architektur, Raumplanung und Denkmalpflegenach Wegen, das Thema <strong>in</strong> den bestehenden Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, namentlich nach denRichtl<strong>in</strong>ien und Vorgaben der Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz, im Schulalltag zu verankern. Entstandenist dabei das Lehrangebot „Baukultur – Gebaute Umwelt. Curriculare Bauste<strong>in</strong>e fürden Unterricht“, das 36 Unterrichtsmodule für zwölf Schulfächer und alle Klassen von derGrundschule bis zur Sekundarstufe II bietet – so soll das Thema Baukultur die K<strong>in</strong>der undJugendlichen über ihre gesamte schulische Laufbahn h<strong>in</strong>weg begleiten.Es war e<strong>in</strong> großer Glücksfall, dass die <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong> das Sem<strong>in</strong>ar für Kunst undKunstwissenschaft der Technischen Universität Dortmund als Partner für e<strong>in</strong>e erste Erprobungdes Lehrangebotes <strong>in</strong> der schulischen Praxis und darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> der Lehrerbildunggew<strong>in</strong>nen konnte. Unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus-Peter Busse und Prof. Dr. BarbaraWelzel fand sich an der TU Dortmund, an mehreren Hagener Schulen und im KunstquartierHagen e<strong>in</strong> hochmotiviertes Team, das unter dem Titel „Stadtspäher“ K<strong>in</strong>der und Jugendliche<strong>in</strong> der Schule an die Erkundung ihrer Lebenswelt heranführte. Besonders den beidenProjektleitern, aber auch allen weiteren Beteiligten dankt die <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong> sehrherzlich für ihre Initiative und das unerschöpfliche Engagement <strong>in</strong> der Implementierungdes Lehrangebots <strong>in</strong> Schule und Lehrerbildung.6


Das Stadtspäher-Projekt <strong>in</strong> Hagen zeigt, welch enormes Potential die Beschäftigung mit dergebauten Umwelt im Schulalltag birgt: So führte die Erweiterung von Raumgrenzen zu gesteigerterWahrnehmungsfähigkeit, die Erkundung von Räumen zur identitätsstiftendenAneignung. Das Verhältnis zur eigenen Lebenswelt def<strong>in</strong>ierten die Schüler/<strong>in</strong>nen im Laufedes Projekts neu – es sche<strong>in</strong>t nun stärker geprägt von Achtsamkeit, Respekt und Wertschätzung.Die künstlerisch-gestaltende Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Architektur erleichterte im Zusammenspielvon künstlerischem Arbeiten und Kunstgeschichte den Zugang zu Fächernund Lehr<strong>in</strong>halten, die zuvor als re<strong>in</strong> abstrakt und lebensfern erachtet wurden. All diesepositiven Entwicklungen waren unabhängig vom sozialen Milieu der jungen „Stadtspäher“ –gerade für bildungsbenachteiligte K<strong>in</strong>der und Jugendliche wurde <strong>in</strong> diesem Projekt sozialeund kulturelle Teilhabe nicht nur <strong>in</strong> Aussicht gestellt, sondern erfahrbar gemacht – Erfahrungen,die das Selbstbewusstse<strong>in</strong> stärken und die Persönlichkeit positiv prägen.Das Stadtspäher-Projekt hat sich als Laboratorium für ganzheitliche Bildungsprozesse erwiesen,das Hoffnung macht auf K<strong>in</strong>der und Jugendliche, die <strong>in</strong> Zukunft verantwortungsvollund kreativ als mündige Bürger <strong>in</strong> unserer Gesellschaft agieren werden. Die vorliegendeDokumentation ermutigt, so hoffen wir, viele Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer, das Thema„Bau kultur – Gebaute Umwelt“ <strong>in</strong> ihrem Unterricht aufzugreifen und das Lehrangebot derWüsten rot <strong>Stiftung</strong> zu nutzen. Wir wünschen allen zukünftigen „Stadtspähern“ viel Freudeund gutes Gel<strong>in</strong>gen!Prof. Dr. Wulf D. v. LuciusVorstandsvorsitzenderDr. Krist<strong>in</strong>a HasenpflugRessortleiter<strong>in</strong>7


e<strong>in</strong>leitung„Stadterkundung heißt nicht bloß sich <strong>in</strong>formieren, sondern Produktion von Komplexitätim Kopf, Erzeugung von Wissen über die Zwischenräume, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g der S<strong>in</strong>ne für das Indirekteund Implizite, für alles im Schatten des Bekannten und Offiziösen.“ Die Absichten desStadtspäher-Projekts kann man nicht besser beschreiben. Denn der Historiker Karl Schlögelbeschreibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch „Im Raume lesen wir die Zeit“ (S. 306) nicht nur den Inhalt desSpähens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stadt, sondern auch se<strong>in</strong>e Methoden: Informieren, Komplexität erzeugen,Wissen gew<strong>in</strong>nen, die S<strong>in</strong>ne tra<strong>in</strong>ieren. Das Spähen ist e<strong>in</strong>e Suchbewegung, die unerwarteteBegegnungen nicht ausschließt und Räume des Wissens über e<strong>in</strong>e Stadt erzeugt.Die Stadtspäher mussten dieses Ziel zur Erkundung der Baukultur des Hagener Impulsesund zum „Rückwärtslesen von Verste<strong>in</strong>erungen“ (S. 304) umsetzen. Ihnen gelang dies, weildie Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler an Hagener Schulen und die Studierenden der TU Dortmundgeme<strong>in</strong>sam nachdachten, mit ihren Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern diskutierten, neugierig aufdie Beiträge von Forscher<strong>in</strong>nen und Forschern waren und sich auf künstlerische Prozessee<strong>in</strong>ließen. Wenn so viele Menschen mit unterschiedlichen Biografien, Professionen und Lebenszusammenhängenmite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Projekt arbeiten, entstehen zwangsläufig Zwischenräume„im Schatten des Bekannten“, während sie das „Offiziöse“ gleichzeitig lernen.Dieser methodische Zugriff auf die Architektur e<strong>in</strong>er Stadt vermittelt Wissen und beteiligtK<strong>in</strong>der, Jugendliche und Studierende an dem Prozess der Stadterkundung. Sie lernen vone<strong>in</strong>ander,und auch die Rollen der Lehrenden verändern sich. In der Arbeit vor Ort erfahrensie, wie junge Menschen ihre Stadt sehen und was sie über ihren Lebensraum denken. AlleStadtspäher erkennen, dass man verantwortungsvoll mit baukulturellen Monumenten umgehenkann und mit welchen Argumenten man sich für ihren Erhalt e<strong>in</strong>setzt.Das Stadtspäher-Projekt ermöglicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lernzusammenhang die Erfahrung, dass man<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stadt lebt. Zeichnung, Fotografie, Arbeitsbücher und der Umgang mit kunsthistorischemWissen s<strong>in</strong>d nichts anderes, als Spuren dieses Erkundungsaufenthalts <strong>in</strong> der Stadtzu sichern: zwischen den Altersgruppen, zwischen den Institutionen und zwischen ihrenBlickfeldern auf die Stadt.8Vor Ort zu gehen und zwischen den Orten <strong>in</strong> Hagen zu wandern, ist e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung,die Module des Bands „Baukultur – Gebaute Umwelt. Curriculare Bauste<strong>in</strong>e fürden Unterricht“, herausgegeben von der <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong> (Ludwigsburg 2010), <strong>in</strong> Vermittlungsprozessenanzuwenden. Das Stadtspäher-Projekt will zeigen, wie die Stadterkundungvon Baukultur <strong>in</strong> der Schule und <strong>in</strong> der Ausbildung von Lehrer<strong>in</strong>nen wie Lehrern ane<strong>in</strong>em Beispiel erfolgt und wie <strong>in</strong> Schulen diese Bauste<strong>in</strong>e performativ umgesetzt werdenkönnen. Auf diese Weise ist dieses Buch e<strong>in</strong>e wichtige Ergänzung der architekturdidaktischenGrundlage. „Gibt es e<strong>in</strong>e Archäologie der Bewegungen [ ... ]? [ ... ] Ich kenne den


Raum, hier war ich schon mal.“ Im „Schiffstagebuch“ (2011, S. 259) sagt der niederländischeSchriftsteller und Städtewanderer Cees Nooteboom, worum es dabei geht: das Bekannte neuzu entdecken.Großer Dank gilt allen Akteuren dieses Projekts: Unmittelbar beteiligt waren mehr als 300Personen. Alle haben sich <strong>in</strong> ihren unterschiedlichen Rollen als Stadtspäher engagiert, ihrWissen, ihr Können, ihre Zeit, ihr Interesse, ihre Neugierde und nicht zuletzt ihr Vertrauen<strong>in</strong> die ungewöhnliche Form der Zusammenarbeit e<strong>in</strong>gebracht. Besonders danken wir der<strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong>, namentlich Dr. Krist<strong>in</strong>a Hasenpflug, für die Anregung und die Unterstützung,e<strong>in</strong> Projekt zur Implementierung baukultureller Bildung am Sem<strong>in</strong>ar für Kunstund Kunstwissenschaft der Technischen Universität Dortmund durchzuführen. E<strong>in</strong>malmehr erwies sich diese Universität als e<strong>in</strong> anregender und stimulierender Ort für Forschung,Lehre und Studium. Ankerpunkt der Stadtspäher <strong>in</strong> Hagen war das Kunstquartier. Dankgilt dem Schumacher Museum und se<strong>in</strong>em wissenschaftlichen Leiter Rouven Lotz für se<strong>in</strong>estete Gastfreundschaft und Unterstützung. Dass das Osthaus Museum zugleich Thema wieAusstellungsort unseres Projekts war, darf als besonderer Glücksfall für die Stadtspäher gelten.Dies wäre nicht möglich gewesen ohne das großzügige Öffnen der Türen im Museumund im Hohenhof, der der Obhut des Museums anvertraut ist, durch den Direktor Dr. TayfunBelg<strong>in</strong> und die Museumspädagog<strong>in</strong> Dr. Elisabeth May. Sie hat das Projekt während dergesamten Laufzeit engagiert begleitet. Das Riemerschmid-Haus wurde uns durch die Vorsitzendedes Karl Ernst Osthaus-Bundes Eva Rapp-Frick zugänglich gemacht, das Krematoriumdurch se<strong>in</strong>en Leiter Andreas Sahl<strong>in</strong>g.Die Publikation „Stadtspäher. Baukultur <strong>in</strong> Schule und Universität“ ist e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> Fahrtenbuch,das der Er<strong>in</strong>nerung der Beteiligten an e<strong>in</strong> ungewöhnlich bereicherndes Projektdient. Vor allem aber möge es andererseits viele weitere Personen ermutigen, <strong>in</strong> Hagen undandernorts als Stadtspäher ihre Stadt zu erkunden.Prof. Dr. Klaus-Peter Busse und Prof. Dr. Barbara WelzelDortmund, im Februar 20139


Barbara WelzelStadtspäher – Baukulturelle Bildung<strong>in</strong> Schule und UniversitätStadtspäher heißt das Modellprojekt, welches das Sem<strong>in</strong>arfür Kunst und Kunstwissenschaft der Technischen UniversitätDortmund und die <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong> 2011 – 2013moderiert haben. Das erste Projektjahr, das <strong>in</strong> dieser Publikationdokumentiert und vorgestellt wird, fand 2011/12<strong>in</strong> Kooperation mit Schulen <strong>in</strong> Hagen statt: mit der HauptschuleRemberg, der Gesamtschule Haspe, dem Albrecht-Dürer-Gymnasium und dem Christian-Rohlfs-Gymnasium.Partner waren das Osthaus Museum und das Emil SchumacherMuseum.Ziel war es, geme<strong>in</strong>sam das Lehrangebot zu erproben, dasdie <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong> zusammen mit Pädagogen, Kommunikationsexpertenund Fachleuten aus der Baukultur entwickelt hat: „Baukultur – GebauteUmwelt. Curriculare Bauste<strong>in</strong>e für den Unterricht“ (2010). In das Kapitel „Bildende Kunst“(S. 116 – 137) s<strong>in</strong>d bereits Erkenntnisse, Methoden und Anregungen e<strong>in</strong>geflossen, die am Sem<strong>in</strong>arfür Kunst und Kunstwissenschaft der Technischen Universität Dortmund <strong>in</strong> zahlreichenDiskussionen, Lehrveranstaltungen, Projekten und Publikationen erarbeitet wurden.Seit etwa 10 Jahren wird an diesem vergleichsweise großen Standort für die Lehrerbildungim Fach Kunst an zeitgemäßen Vermittlungskonzepten gearbeitet. Die Fachwissenschaften(im Fall des Fachs Bildende Kunst: Künstlerisches Arbeiten und Kunstgeschichte) und dieFachdidaktik stehen hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em, <strong>in</strong> dieser Form alles andere als selbstverständlichen, <strong>in</strong>tensivenDialog.Das Stadtspäher-Projekt brachte modellhaft Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler sowie Lehrer<strong>in</strong>nenund Lehrer mit Lehramtsstudierenden und Hochschullehrenden zusammen. Es beteiligtesich damit auch an der Reform der Lehrerbildung, die an der Technischen Universität Dortmundvorangetrieben wird. Zugleich ermöglichte es den beteiligten Lehrer<strong>in</strong>nen und LehrernKontakt mit diesen Veränderungen.10Die Arbeitsweise des Projekts war komplex und zugleich von bestechend e<strong>in</strong>facher Struktur.In e<strong>in</strong>em Sternnetzwerk verorteten sich die verschiedenen Teilnehmer. Alle g<strong>in</strong>gen ihremregelhaften Tun nach: Unterrichtse<strong>in</strong>heiten und Universitätssem<strong>in</strong>are. Zugleich wusstensich mehr als 300 Stadtspäher verbunden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Anliegen: baukulturelleBildung. Dieses Thema war – ganz im S<strong>in</strong>ne des Mustercurriculums – e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> andereAufgaben und Ziele: künstlerische, kunsthistorische und kunstdidaktische Sem<strong>in</strong>are an derUniversität, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer gymnasialer Projektkurs e<strong>in</strong>es 11. Jahrgangs, der im Kontextder Verkürzung des Gymnasiums auf 8 Schuljahre <strong>in</strong> NRW grundsätzlich neu zu ent-


wickeln war, e<strong>in</strong> Leistungskurs Geschichte, Kunstunterricht <strong>in</strong> verschiedenen Klassenstufenund Schulformen, Technikunterricht an e<strong>in</strong>er Hauptschule etc.Um das schier unendliche Feld baukultureller Bildung geme<strong>in</strong>sam bearbeiten und zwischenall den Akteuren Begegnungspunkte <strong>in</strong>szenieren zu können, wurde e<strong>in</strong> thematischer Fokusfestgelegt: der Hagener Impuls, mith<strong>in</strong> das bedeutende kulturelle Erbe der Jahre um 1900<strong>in</strong> Hagen. Hierzu hatte es vorangehende Forschungen und Projekte im Kreis der Beteiligtengegeben, und es existierten bereits <strong>in</strong>stitutionelle Kooperationen zwischen der Universitätund den <strong>in</strong> Hagen zuständigen Institutionen und Personen. So konnte sichergestellt werden,dass die Sach<strong>in</strong>formationen zu den Bauwerken und auch diese selbst <strong>in</strong> angemessener Weisezugänglich waren. E<strong>in</strong>e große Hilfe war die Beteiligung der Stadtbücherei Hagen, die sowohlLiteratur zum Hagener Impuls bereithält, als auch die im Mustercurriculum genannte11


Grundlagenliteratur zu baukultureller Bildung angeschaffthat. Das Projekt unterstützte die Bemühungen, für jungeMenschen Teilhabe an dem <strong>in</strong> der Stadt und <strong>in</strong> schulischenBildungsprozessen längst nicht ausreichend gewürdigtenErbe der Stadt zu eröffnen. Es galt, diese Orte <strong>in</strong> die „Karte“der eigenen Stadt e<strong>in</strong>zutragen. Das fand ganz konkretdurch das Aufsuchen und Erkunden der Monumente statt. Allgeme<strong>in</strong>e europäische Geschichtsthemenwie Industrialisierung wurden nun auch an Schauplätzen <strong>in</strong> Hagen konkretisiert.Als legitimatorische Referenz und Appell für das Eröffnen bürgerschaftlicher Identifikationsprozessewurden – ganz im S<strong>in</strong>ne des Mustercurriculums – Texte wie die „Chartavon Venedig“ und die „Konvention von Faro“ (beide gut erschließbar im Internet) mit denLehrer/<strong>in</strong>nen und den Studierenden ausführlich diskutiert.Als Knotenpunkte <strong>in</strong> dem Projektnetzwerk wurden Workshops für die Lehrenden abgehalten.Studierende besuchten Unterrichtsstunden <strong>in</strong> den beteiligten Klassen bzw. Kursen.Höhepunkte waren die Vor-Ort-Term<strong>in</strong>e, bei denen sich verschiedene Akteure und Gruppentrafen. E<strong>in</strong> so großes Projekt braucht Koord<strong>in</strong>atoren. Kle<strong>in</strong>e Netzwerke aber s<strong>in</strong>d auchohne diese Unterstützung <strong>in</strong> den <strong>in</strong>stitutionellen Alltag <strong>in</strong>tegrierbar. So treffen sich z. B.<strong>in</strong> Hagen Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler der Hauptschule Remberg weiterh<strong>in</strong> mit Kursen desChristian-Rohlfs-Gymnasiums, um mite<strong>in</strong>ander als Stadtspäher durch die Stadt zu schweifen.E<strong>in</strong> besonderer Höhepunkt des Projekts war der 2. Juni 2012, als sich bei der Eröffnungder Ausstellung alle Beteiligten im „Jungen Museum“ im Kunstquartier Hagen begegneten.Ausgewählte Literatur> Barbara Welzel (Hg.): Hagen erforschen.E<strong>in</strong>e Stadt als Laboratorium. Mit Texten vonBirgitt Borkopp-Restle, Birgit Franke, RouvenLotz, Barbara Welzel und Illustrationen vonFrank Georgy. Essen 2010> Dies.: „Warum hat uns das bisher nochniemand gezeigt?“ – E<strong>in</strong>ige Anmerkungen zukulturellem Erbe und Teilhabe. In: Zukunftbraucht Herkunft. Hg. von Eva Dietrich/Magdalena Leyser-Droste / Walter Ollenik /Christa Reicher / Yasem<strong>in</strong> Utku (Beiträge zurstädtebaulichen Denkmalpflege 3).Essen 2011, S. 142 – 154> Dies.: Kunstgeschichte, Bildung undkulturelle Menschenrechte. In: ClaudiaHattendorff / Ludwig Tavernier / Barbara Welzel(Hg.): Kunstgeschichte und Bildung(Dortmunder Schriften zur Kunst / Studien zurKunstgeschichte 5). Norderstedt 2013,S. 63 – 8412Als historiografische Referenz> Karl Schlögel: Im Raume lesen wir die Zeit.Über Zivilisation und Geopolitik. München 2003


Barbara WelzelStadtspäher vor OrtStadtspäher erkunden ihre Stadt. Sie lernen spazieren zu guckenund Architektur zu lesen. In Hagen erfahren sie vonden Bauten des Hagener Impulses, von städtebaulichen Utopien,von der Gestaltung des Wohnens, vom Denkmalschutzund anderem mehr. Sie forschen, zeichnen, fotografieren,spielen Theater, lesen und dokumentieren ihr Stadtspähen.Besondere Höhepunkte des Projekts waren die Vor-Ort-Term<strong>in</strong>e, zu denen Stadtspäher aus den unterschiedlichenbeteiligten Gruppen zusammenkamen. Bei e<strong>in</strong>em Tagesterm<strong>in</strong>im Krematorium trafen sich Studierende e<strong>in</strong>es kunsthistorischenSem<strong>in</strong>ars, e<strong>in</strong>es Sem<strong>in</strong>ars aus dem BereichZeichnung, Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler aus zwei Kursen der11. Jahrgangsstufe der Gesamtschule Haspe sowie Schüler<strong>in</strong>nenund Schüler der siebten Klasse der HauptschuleRemberg, begleitet von zwei Universitätsprofessor<strong>in</strong>nen undvier Lehrer<strong>in</strong>nen. Knapp 40 Menschen verbrachten <strong>in</strong> dembee<strong>in</strong>druckenden Gebäude e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tensiven Tag, an demsich <strong>in</strong> der Tat so etwas wie e<strong>in</strong> „Flow“ entwickelte und vieleStunden <strong>in</strong>tensiven und konzentrierten Stadtspähens eröffnete.Am Anfang stand e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung aus der Sicht der Kunstgeschichte.Es wurden alle Grunddaten zum Gebäude undse<strong>in</strong>er Funktion, zu se<strong>in</strong>er kulturhistorischen Bedeutung, zuse<strong>in</strong>er architektonischen Gestaltung und zum Spannungsfeldzwischen Denkmalstatus und aktueller Nutzung vermittelt.Solches E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen von Expertenwissen entzerrt die weiteren Vermittlungsprozesse,werden die grundlegenden Sach<strong>in</strong>formationen doch allen Gruppen, den Schüler/<strong>in</strong>nen, denStudierenden und den Lehrer/<strong>in</strong>nen, gleichermaßen zugänglich gemacht. Es stellt außerdemden jungen Menschen akademische Diszipl<strong>in</strong>en und/oder Berufsfelder vor – was geradedann von besonderer Bedeutung ist, wenn diese Professionen im schulischen Fächerkanonnicht vertreten s<strong>in</strong>d. Aus der Sicht der Graphik wurde dann das zeichnerische Erkunden desOrts als Methode erläutert. Diese Arbeitsweise kannten die Studierenden schon und konntendaher unmittelbar e<strong>in</strong>steigen und Beispiel geben. Nach e<strong>in</strong>er Weile hatten alle Beteiligtenihren Ort im Raum gefunden – selbstredend, wo nötig, von den Dozent/<strong>in</strong>nen unterstützt.Über den Tag verteilt entwickelten sich begleitend viele Gespräche und Begegnungen:gerade auch zwischen Schüler/<strong>in</strong>nen und Studierenden. Schüler/<strong>in</strong>nen beobachteten, wie die15


Arbeitsprozesse der Studierenden besprochen wurden. Siebefragten die Professor<strong>in</strong>nen. Lehrer<strong>in</strong>nen tauschten sichuntere<strong>in</strong>ander aus, Universitätsdozent<strong>in</strong>nen und Lehrer<strong>in</strong>nentraten <strong>in</strong>s Gespräch. Jenseits formalisierter Fortbildungenwurden wechselseitig Erfahrungen und E<strong>in</strong>schätzungen,Wissen und Methoden ausgetauscht. Außerhalb <strong>in</strong>stitutionalisierterSchulpraktika beobachteten die Lehramtsstudierendendas Arbeiten der Schüler/<strong>in</strong>nen, erprobten sich imGespräch mit ihnen, befragten die Lehrer<strong>in</strong>nen, tauschtensich untere<strong>in</strong>ander über ihre E<strong>in</strong>drücke aus.Mehrere, jeweils anders zusammengesetzte, Gruppen arbeiteten<strong>in</strong> ähnlicher Weise im Hohenhof – dem programmatischenWohnhaus, das sich Karl Ernst Osthaus von Henryvan de Velde errichten ließ, <strong>in</strong> dem musealisierten Haus derArbeitersiedlung von Richard Riemerschmid und vor allemauch im Osthaus Museum.16Am Sem<strong>in</strong>ar für Kunst und Kunstwissenschaft der TechnischenUniversität war schon 2008 modellhaft die Arbeitsform„Kunst und Wissenschaft vor Ort“ entwickeltworden, die dann auch Aufnahme <strong>in</strong> die Anregungen desMustercurriculums „Baukultur – Gebaute Umwelt“ gefundenhat. Kunst und Wissenschaft s<strong>in</strong>d unterschiedliche Erkenntnisweisen,sie leisten je spezifische Zugänge zu Ortenund D<strong>in</strong>gen. Auf der e<strong>in</strong>en Seite steht die empirische undobjektivierbare Bestandsaufnahme, methodisch und wissenschaftlichreflektiert sowie ablösbar von der e<strong>in</strong>zelnenPerson. Auf der anderen Seite ermöglichen künstlerischeHerangehensweisen den eigen-s<strong>in</strong>nigen, zugleich hoch bewusstenUmgang mit Form und Gestaltung, sie eröffnenfiktive Räume und subjektive Sichtweisen – das gilt für Graphik,Fotografie, Malerei etc. ebenso wie für poetische undliterarische Herangehensweisen (im Unterschied zu dokumentarischen,nicht-fiktionalen Texten) oder für Filme. Eskönnen auch künstlerische neben dokumentarische Fotografientreten, dokumentarische Zeichnungen (etwa Grundrisseund Aufmaße) neben künstlerische Arbeiten etc. Die


Begegnung zwischen den unterschiedlichen Erkenntnis- und Darstellungsformen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emgeme<strong>in</strong>samen Projekt erlaubt das Herausarbeiten der Reichweiten, der Möglichkeiten, derEigenheiten von verschiedenen Zugangswegen und Medien: e<strong>in</strong>e grundlegende, auf andereFelder übertragbare und kaum zu überschätzende Kompetenz.Ausgewählte Literatur> Bett<strong>in</strong>a van Haaren und Barbara Welzel(Hg.): Doppelt im Visier. Kunst und Wissenschaftvor Ort <strong>in</strong> der Immanuelkirche <strong>in</strong> Dortmund-Martenund <strong>in</strong> der Zeche Zollern II / IV<strong>in</strong> Dortmund-Böv<strong>in</strong>ghausen (DortmunderSchriften zur Kunst / Kataloge und Essays 6).Norderstedt 2009> Dies. (Hg.): Kunst und Wissenschaft vor Ort:der Hohenhof <strong>in</strong> Hagen (Dortmunder Schriftenzur Kunst / Kataloge und Essays 10).Norderstedt 2011> Barbara Welzel: Kunstgeschichte und kulturellesGedächtnis: Zur Integration historischerKunstwerke <strong>in</strong> Bildungsprozesse. In: (Un)Vorhersehbares lernen: Kunst – Kultur – Bild.Hg. von Klaus-Peter Busse und Karl-JosefPazz<strong>in</strong>i, Publikation des Bundeskongresses fürKunstpädagogik (Dortmunder Schriften zurKunst / Studien zur Kunstdidaktik 5).Norderstedt 2008, S. 161 – 169E<strong>in</strong> Projekt wie „Stadtspäher“, das denkmalgeschützte Monumente bearbeitet, beteiligt sicham Aktivieren kultureller Er<strong>in</strong>nerungsorte. Die Stadtspäher nehmen diese Orte <strong>in</strong> Besitz,sie entwickeln e<strong>in</strong>e Vorstellung ihrer Stadt, die diese Monumente als Schnittpunkte zwischenVergangenheit und Gegenwart <strong>in</strong>tegriert. In diesem S<strong>in</strong>ne ist Stadtspähen Arbeit ander Identität der eigenen Stadt, des Wohnorts, der Region – und erfüllt damit übergreifendeBildungsanforderungen. Das Zusammenbr<strong>in</strong>gen der unterschiedlichen Gruppen macht unmittelbarerfahrbar, dass hier verschiedene Bevölkerungs- und Altersgruppen zusammenf<strong>in</strong>den.Gerade deswegen – wegen der erlebten Geme<strong>in</strong>samkeit, den mite<strong>in</strong>ander gestaltetenArbeitssituationen, aber auch um Durchlässigkeit vorstellbar zu machen – war <strong>in</strong> diesemProjekt die Beteiligung der unterschiedlichen Schulformen (Hauptschule, Gesamtschule,Gymnasium) e<strong>in</strong> so wichtiger Faktor. Die Ausstellung schließlich öffnete diese Kommunikatione<strong>in</strong> weiteres Mal: Viele junge Menschen brachten ihre Eltern, Großeltern etc. mit, umihnen zu zeigen, womit sie sich beschäftigt hatten. Führungen wurden für das allgeme<strong>in</strong>ePublikum angeboten, Angebote für Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer fanden statt – und Kontaktefür künftige Projekte und Kooperationen wurden geknüpft.17


Bett<strong>in</strong>a van HaarenIn Architekturen zeichnenIm W<strong>in</strong>tersemester 2011/2012 zeichneten Kunststudierende der TU Dortmund an verschiedenenkomplexen historischen Bauten <strong>in</strong> Hagen. Im Osthaus Museum, im Hohenhof oderim Krematorium g<strong>in</strong>g es weniger um dokumentierendes Zeichnen als um spielerisches Erfahrenund Umsetzen von Räumen und Situationen. Die musealen Räume wurden Zeichen-Anlass, <strong>in</strong>dem sie neugierig machten und Impulse für die künstlerische Entwicklung gaben.Ornamente, Muster, Skulptur und Malerei, Treppenanlagen und Mobiliar wurden Projektionsflächen<strong>in</strong>nerer Bef<strong>in</strong>dlichkeiten. Innere Bilder wurden dabei sichtbar, die nicht ohnedie optischen Herausforderungen denkbar gewesen wären. Die Studierenden verändertendurch Anmutungen und Ausdruckswillen die D<strong>in</strong>gwelt und spiegelten so körperliche Gefühle,Zustände und Ideen wider.Jannis Sturm, o. T., 2012,T<strong>in</strong>tenroller auf Papier, 42 x 30 cm18Im Zeitalter moderner Medien wirkt das Zeichnen heute geradezu archaisch. Bei K<strong>in</strong>dernkann man feststellen, dass das Bedürfnis nach diesem Tun angeboren ist. Über das Zeichnenwerden Bereiche erfasst, die durch begriffliches Denken nicht erreicht werden. Zeichnenist schon für K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e wichtige Form der Erkenntnis, des Ausdrucks und des Mitteilens.Genau diese Möglichkeiten sollten gestaltenden Menschen erhalten bleiben. Kaume<strong>in</strong> anderes Medium bietet dies: e<strong>in</strong>e Klärung für den Zeichnenden selbst und e<strong>in</strong>e großeDichte und Wirksamkeit der Mitteilung bei vergleichsweise ger<strong>in</strong>gem Aufwand an Zeit undKraft. Zeichnen erlaubt e<strong>in</strong>e hohe Authentizität. Die zeichnerische Handschrift ist unverwechselbar;Form und Inhalt s<strong>in</strong>d nicht vom Zeichner zu trennen. Der Zeichnende stellt fest,dass sich über das Tun Inhalte verändern, geprägt werden oder neu entstehen. Bildideen s<strong>in</strong>dnicht fertig im Kopf, sondern klären sich über das Machen. Zeichnen ist e<strong>in</strong> nicht-begrifflichesDenken auf dem Papier. Es filtert Wirklichkeit völlig anders als jedes andere Medium.Gleichzeitig schult das Zeichnen auch die Wahrnehmungs- und Vorstellungskraft. Werzeichnet und gelernt hat, das Gesehene zeichnend zu verändern, nimmt D<strong>in</strong>ge, Räume oder


Elisabeth Beregow, o. T., 2012,Bleistift auf Papier, 21 x 30 cmSandra Opitz, o. T., 2012,Bleistift auf Papier, 42 x 60 cmMenschen vieldeutiger und <strong>in</strong>tensiver wahr. Die Beschäftigung und genaue Beobachtunge<strong>in</strong>es Bildgegenstands wirkt Schematismen entgegen. Der Umgang mit D<strong>in</strong>gen und ihremRaum führt zu größerer Differenzierung der Formen, der Farben und der Stofflichkeit. DieseArt der Wirklichkeitserfahrung erweitert das Form-Repertoire und unterstützt die Logikdes Bildgegenstands. Es geht also nicht um gedankenloses Ab-Zeichnen, um e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e,wünschenswerte Lösung e<strong>in</strong>es zeichnerischen Problems. Vielmehr entstehen subjektiveBilder, denn das Zeichnen bedeutet jedes Mal e<strong>in</strong>en Prozess geistiger Ause<strong>in</strong>andersetzung.Der Zeichnende muss sich Gedanken zum D<strong>in</strong>g, über se<strong>in</strong> Interesse an ihm und se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellungdeutlich machen. Beim Prozess der Formf<strong>in</strong>dung erwächst dem Zeichnenden Erkenntnis,über die zeichnerische Aneignung kann er die Sache begreifen. Der Zeichnendeentwickelt e<strong>in</strong>e eigene Sprache und se<strong>in</strong> eigenes Anliegen.Neben der sachlichen Annäherung war der Prozess des Zeichnens häufig von zentraler Bedeutung:der tastende und gleichzeitig gespannte Strich, die Suche nach e<strong>in</strong>er eigenen Ordnungoder e<strong>in</strong>em System, die Herstellung e<strong>in</strong>er offenen, nicht kalkulierten Komposition, dasAktivieren des Leerraums, das Erwägen e<strong>in</strong>es Farbe<strong>in</strong>satzes (ohne lediglich zu kolorieren),das R<strong>in</strong>gen um die Illusion von Tiefenräumlichkeit auf der Papierfläche oder der Wunschnach künstlerischem Witz und spielerischer Veränderung der sichtbaren Welt durch eigeneAssoziationen und körperliche Erlebnisse.Viele Projektteilnehmer/<strong>in</strong>nen arbeiteten direkt vor Ort. Nach oft langer Raum-Erkundungund zähem Selbst-Befragen fand sich e<strong>in</strong> Betrachterstandpunkt. Dieser konnte ohne Problemewieder verändert werden, um den F<strong>in</strong>dungs- und Verdichtungsprozess e<strong>in</strong>er Arbeitvoran zu treiben. Andere Zeichner/<strong>in</strong>nen brauchten die räumliche und zeitliche Distanzund setzten umfangreiches, eigenes Fotomaterial e<strong>in</strong>, um Zeichnung, Druckverfahren oder19


Collageelemente zu komb<strong>in</strong>ieren. Unabhängig vom Arbeitsort zeigen die unterschiedlichenund eigenständigen Ergebnisse e<strong>in</strong> konzeptionelles oder auch experimentell-prozessualesVorgehen. Hohe Qualität ergab sich aus der Dr<strong>in</strong>glichkeit des Tuns, die Intensität, Verb<strong>in</strong>dlichkeitund komplexe Raumillusion erzeugte.Kar<strong>in</strong> Heyltjes, o. T., 2012,Bleistift auf Papier, 30 x 42 cmE<strong>in</strong>ige Beispiele aus großen graphischen Serien sollen exemplarisch beleuchtet werden:Jannis Sturm erarbeitet sich aus der Beobachtung von Treppenanlagen, Pfeilern oder Fensternheraus eigene Systeme. Er extrahiert direkt vor Ort das Pr<strong>in</strong>zip der Streifung, Kreuzungoder Faltung und zieht diese rhythmisch und völlig verselbstständigt über die Blätter. DasArchitektonische wandelt sich <strong>in</strong> das Figürliche. Neue, <strong>in</strong>s Comichafte gehende Elementekönnen durch Spiegelungen und Durchdr<strong>in</strong>gungen entstehen und auf der Papierfläche agieren.Auch Elisabeth Beregow reagiert direkt, allerd<strong>in</strong>gs eher sachlich registrierend. Neu wirktihr weit umfassender, <strong>in</strong> allen Richtungen gedehnter Blick, der die räumliche Stabilität auflöstund die Fixierungen zu e<strong>in</strong>em prozessualen Erfahrungsraum macht. Bildgegenständetauchen mehrmals auf oder werden aus verschiedenen Räumen zusammengefügt, Handlungenwerden wiederholt und vermitteln den E<strong>in</strong>druck des Filmischen.20Sandra Opitz thematisiert <strong>in</strong> ihren partiell realistischen D<strong>in</strong>gwelten immer auch das Selbstund den künstlerischen Arbeitsprozess. Die eigene Person verb<strong>in</strong>det sich mit den Treppenanlagen,dem Gemälde von Ferd<strong>in</strong>and Hodler oder e<strong>in</strong>em Hohenhof-Ornament. Die eigeneGestalt wird zur architektonischen Struktur oder zum herausfordernden Beobachter.


Jette Flügge, o. T., 2012,Tusche auf Papier, 14,8 x 21 cmAnn Krist<strong>in</strong> Malik, o. T., 2012,Nitrofrottage & Durchdruckzeichnung,20 x 20 cmKar<strong>in</strong> Heyltjes hat vor allem die Brunnenhalle im Osthaus Museum erkundet. Hier fasz<strong>in</strong>ierensie die unterschiedlichen räumlichen Ebenen, die doppelten Pfeilerumgänge und dasTreppenhaus, die immer wieder ungewöhnliche Durchblicke ermöglichen. Mit tastendem,gleichzeitig präzisem Strich beschreibt sie das für sie Essenzielle, dehnt den Raum über neueFokussierungen oder Veränderungen des Betrachterstandpunkts und beendet nach längeremBefragen den offenen Prozess.Auch Jette Flügge arbeitet vor Ort, um sich der neuen D<strong>in</strong>gwelt zu nähern. S<strong>in</strong>d die Objekteerfasst, beg<strong>in</strong>nt das Spiel mit diesen vorgefundenen Elementen.Ausgewählte Literatur> Verorten. Zeichnerische Ause<strong>in</strong>andersetzungenmit Zeche Zollern, Kokerei Hansa und Hafen <strong>in</strong>Dortmund. Hg. von: Westfälisches Industriemuseum.Dortmund/Selm 2002> L<strong>in</strong>ienfahrt. E<strong>in</strong> zeichnerisches Projekt vonStudierenden der Technischen UniversitätDortmund bei DSW 21. Hg. von Bett<strong>in</strong>a van Haarenund DSW 21 (Dortmunder Schriften zur Kunst /Kataloge und Essays 7). Dortmund 2010> Sichtflug. E<strong>in</strong> graphisches Projekt von Studierendender Technischen Universität Dortmund amDortmund Airport. Hg. von Bett<strong>in</strong>a van Haaren undDSW 21 (Dortmunder Schriften zur Kunst / Katalogeund Essays 11). Dortmund 2011Ann Krist<strong>in</strong> Malik arbeitet mit selbst erstelltem Fotomaterial und ordnet die direkten E<strong>in</strong>drückeim Atelier. Sie löst Objekte, vor allem Lampen, aus ihrem Zusammenhang und spieltvöllig frei mit ihnen auf der Blattfläche: Sie werden vervielfältigt, gedreht und <strong>in</strong> der Größeverändert. Die mit der <strong>in</strong>direkten Durchdruckzeichnung h<strong>in</strong>zugefügten Menschen agierenmit den Lampen, betasten, betreten, zeichnen oder fotografieren sie. Damit entsteht e<strong>in</strong> ironischesSpiel mit der Beobachtungshaltung.21


Klaus-Peter BusseDie Arbeitsbücherzum Spähen von Baukultur22


Die Arbeitsbücher unterstützen das Lernen, ermöglichen die Konstruktion von Wissenund den Umgang mit ihm, führen <strong>in</strong> die Gestaltung von Büchern und <strong>in</strong> ihren Gebrauche<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Wertschätzung der Arbeit von K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen, verb<strong>in</strong>den Subjekt-,Sach- und Methodenorientierung, können zu „Bibliotheken“ zusammengeführt werden,bieten <strong>in</strong> „Bibliotheken“ oder „Archiven“ e<strong>in</strong>en Überblick über unterschiedliche Annäherungenan e<strong>in</strong> Thema und führen <strong>in</strong> solchen Archiven an den Kern e<strong>in</strong>es Themas heran.Hedda von Sondern (12. Klasse),Albrecht-Dürer-Gymnasium, Hagen,Leistungskurs Geschichte: Die Verfasser<strong>in</strong>dieses Arbeitsbuches arbeitet mit Text,Zeichnungen und e<strong>in</strong>em Kalender.24


Liv Passburg, TU Dortmund: Die Verfasser<strong>in</strong>dieses Arbeitsbuches montiert, strukturiert undschematisiert.Die Autor<strong>in</strong>nen und Autoren der Arbeitsbücher halten mit diesen Arbeitstechniken Ideen,Projekte und Wahrnehmungen sehr genau fest, können mit diesen Arbeitstechniken Wahrnehmungenund Projekte zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt nachvollziehen und erläutern damitden Lesern und Leser<strong>in</strong>nen des Arbeitsbuchs den Arbeitsprozess. Die Leser und Leser<strong>in</strong>nender Arbeitsbücher können auf diese Weise Arbeitsprozesse nachvollziehen, lernen dieVerfasser der Arbeitsbücher zu verstehen, erfahren, wie sie e<strong>in</strong>e Sache wahrgenommen undverarbeitet haben und entdecken viel von der Sache, über die gearbeitet wurde. Die Arbeitsbücherdokumentieren Lernwege und Lernfortschritte, ermöglichen Lerndiagnose und<strong>in</strong>dividuelle Förderung, zeigen die Wahrnehmungsweisen von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern,strukturieren die Lern<strong>in</strong>halte, dokumentieren die Aneignung e<strong>in</strong>es Lern<strong>in</strong>halts und erläuterndie Lern<strong>in</strong>halte und Themen des Unterrichts.25


Die Arbeitsbücher s<strong>in</strong>d im Fach Kunst und darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong> mediales Skript zur Vermittlungvon Kunstgeschichte. Sie nutzen unterschiedliche mediale Skripte und Arbeitstechnikenaus: den Text, die Zeichnung, Malerei und die Fotografie, Möglichkeiten der Zusammenstellungvon Text und Bild, z. B. im „Atlas-Verfahren“, das Zitieren und Abbilden,das Kleben, die Technik des Scrapbooks und das Verweben und Verb<strong>in</strong>den. Die Arbeitsbücherfolgen den „Regeln“ e<strong>in</strong>es Buchs: Sie haben e<strong>in</strong>e Titelseite, nennen den Verfasser unddie Verfasser<strong>in</strong>, den Entstehungsort und die Entstehungszeit. Sie verfügen über e<strong>in</strong> Inhaltsverzeichnis,und die Seiten s<strong>in</strong>d nummeriert. Sie haben e<strong>in</strong> Glossar und nennen die Quellenvon Abbildungen und Texten.Liv Passburg, TU Dortmund: Die Verfasser<strong>in</strong>dieses Arbeitsbuches kartografiert, fotografiertund beschreibt.26


Hedda von Sondern (12. Klasse),Albrecht-Dürer-Gymnasium, HagenDie Arbeitsbücher vermitteln die Ansprüche e<strong>in</strong>es Unterrichts<strong>in</strong>halts und die Gestaltungs<strong>in</strong>teressenvon Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern. Varianten s<strong>in</strong>d möglich: als sachbezogenes Kollektaneum,als subjektorientiertes Tagebuch oder als Annäherung an e<strong>in</strong> „Künstlerbuch“.Sie s<strong>in</strong>d offen für alle Gestaltungsmöglichkeiten. In biografischen Ausbildungswegen vonSchüler<strong>in</strong>nen und Schülern werden häufig Berichte, Portfolios etc. verlangt, die <strong>in</strong> den meistenFällen „objektbezogene“ Dokumentationen erwarten (Sachzeichnungen, Protokolle, Beschreibungenvon Untersuchungen und Recherchen, methodische Voraussetzungen). Unterrichtbereitet auf diese Anforderungen vor. Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler entdecken beide Wegeder Anlegung von Arbeitsbüchern: berufs- und wissenschaftspropädeutische wie subjektiveFormen.Die kunsthistorischen baukulturellen Arbeitsbücher zeigen im Zusammenhang der Unterrichtsprozesseund der Gestaltung des Buchs die ausgewählten kunsthistorischen (baukulturellen)Objekte und ihren kartografischen Ort, die Formen ihrer Wahrnehmung durchZeichnung, Sprache etc., die Bezeichnung ihres Stellenwerts <strong>in</strong> der Region und ihre Besonderheit,e<strong>in</strong>e analytische Annäherung wie e<strong>in</strong>e kontextuelle Erfassung <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Erzählungoder e<strong>in</strong>er wissenschaftspropädeutischen Methode, z. B. für e<strong>in</strong>e Klausur, die Beschreibunge<strong>in</strong>er Spurensuche und die E<strong>in</strong>übung von Fachbegriffen zur Beschreibung des Objekts.27


28Anmerkungen zum didaktischen Umgang mit ArbeitsbüchernArbeitsbücher im Kunstunterricht zeigen die Vielfalt möglicher Zugriffe auf e<strong>in</strong> Thema unds<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> prozessorientiertes mediales Skript. Ihre Herstellung setzt wissenschaftspropädeutischeArbeitstechniken voraus (Gliederung des Buchs, Verwendung von Fachsprache, Erstellunge<strong>in</strong>es Glossars, Angaben von Quellen etc.) und kann auch künstlerische Verfahrenaktualisieren (Zeichnung, Malerei, Fotografie), die den Projektzielen entsprechen. Sie dokumentierendie <strong>in</strong>haltlichen Säulen des Kunstunterrichts: die Vermittlung von Kunstgeschichteund des künstlerischen Arbeitens. Im Umgang mit den Arbeitsbüchern kommenunterschiedliche methodische Skripte zur Geltung: Wahrnehmen, Gründeln, Gestalten undErzeugen, Bridg<strong>in</strong>g, Sammeln und Archivieren, Untersuchen und Begründen. In ihnen könnenauch Projektchoreografien, Proben und Entwürfe von Projektideen wie die konkreteAusführung e<strong>in</strong>es Projekts niedergelegt werden. Arbeitsbücher ersetzen im Kunstunterrichtnicht immer e<strong>in</strong> Produkt (z. B. e<strong>in</strong>e Malerei, e<strong>in</strong> Video, e<strong>in</strong>e Fotosequenz), dokumentierenaber die Entstehung von künstlerischen Arbeiten. Wie Arbeitsbücher konkret entstehenund welche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen gelten, ist Teil des Unterrichtsprozesses und damit e<strong>in</strong>etransparente Vorgabe (auch im Zusammenhang der Leistungsbewertung). Da Arbeitsbücherkontextuell im Unterricht „gebraucht“ werden, unterliegen sie den medialen Bed<strong>in</strong>gungensolcher Bücher: Sie s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie „Tagebücher“ ohne externe Leser, sondernPortfolios für Leser und Leser<strong>in</strong>nen: Lehrer/<strong>in</strong>nen, Mitschüler/<strong>in</strong>nen, die Schulöffentlichkeit.Deswegen s<strong>in</strong>d Arbeitsbücher auch e<strong>in</strong> Medium der literarischen Erziehung als Gestaltungdes kulturellen Skripts „Bücher machen“ und gelangen erst <strong>in</strong> Ausstellungen und Bibliothekenzur Wirkung.l<strong>in</strong>ks: Liv Passburg, TU Dortmundrechts: Burak Yagur (7. Klasse),Hauptschule RembergAusgewählte Literatur> Klaus-Peter Busse: Blickfelder – Kunstunterrichten. Die Vermittlung künstlerischerPraxis (Dortmunder Schriften zur Kunst / Studienzur Kunstdidaktik 11). Norderstedt 2011,hier S. 103 – 244


Die Bibliothek der StadtspäherZiele im Stadtspäher-Projekt■ Jeder Schüler und jede Schüler<strong>in</strong> arbeitet mit e<strong>in</strong>em Buch. In den Lerngruppenwerden die Möglichkeiten im Umgang mit Arbeitsbüchern besprochen undfür die jeweilige Lerngruppe festgelegt.■ Die Arbeitsbücher dokumentieren den Verlauf und die Ergebnissedes Stadtspäher-Projekts.■ Die Arbeitsbücher dokumentieren die Inhalte der Vermittlung von Kunstgeschichte/Baukultur und die künstlerischen Prozesse.■ Die Arbeitsbücher haben e<strong>in</strong> Inhaltsverzeichnis und e<strong>in</strong> Glossar.■ Die Arbeitsbücher folgen <strong>in</strong> der Vermittlung von Kunstgeschichte wissenschaftspropädeutischenZielen.■ Die Arbeitsbücher werden ausgestellt, nicht die künstlerischen Arbeiten,die außerhalb des Arbeitsbuchs entstehen.■ Künstlerische Arbeiten werden jedoch im Arbeitsbuch verzeichnet unddokumentiert.■ In den Arbeitsbüchern werden Ergebnisse von Lernprozessen <strong>in</strong> allenbeteiligten Fächern verknüpft.29


Christopher KreutchenDas Krematorium – Die wahreDurchdr<strong>in</strong>gung von Zweck und FormKarl Ernst Osthaus (1874 – 1921) folgte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Handeln der sozialutopischen Vorstellung,das Geschmacksurteil e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tellektuellen Kultur-Elite <strong>in</strong> die Gesellschaft h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zutragenund diese so an Qualität und Urteilsfähigkeit im S<strong>in</strong>ne der „Schönheit“ heranzuführen. Erbereitete als Mäzen e<strong>in</strong> Experimentierfeld für junge Architekten, die nach se<strong>in</strong>em hohenQualitätsgefühl Kunst und Leben <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang br<strong>in</strong>gen sollten. Sie schufen durch <strong>in</strong>dividuelleArchitektur Werke für den Allgeme<strong>in</strong>besitz und setzten Zeichen des städtebaulichen Fortschritts.Als Folge entstanden architektonische Monumente wie der Hohenhof, das MuseumFolkwang, die Gartenvorstadt Hohen<strong>hagen</strong> und das Krematorium. Se<strong>in</strong>e Errungenschaftenund Pläne fasste Osthaus <strong>in</strong> städtebauliche Konzepte, die er europaweit und auch <strong>in</strong> denUSA – vor allem durch Fotografien – <strong>in</strong> Ausstellungen publizierte. Osthaus’ Bestreben nache<strong>in</strong>em „Gesamtkunstwerk Gesellschaft“, die <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne geschaffene Architektur undderen europaweiten E<strong>in</strong>fluss belegte der Kunsthistoriker Nic. Tummers 1972 mit dem Begriff„Hagener Impuls“.Als wichtigstes Monument se<strong>in</strong>er Zeit bezeichnet Osthaus dasKrematorium. Es entstand zwischen 1906 bis 1908 <strong>in</strong> Zusammenarbeitmit dem Architekten Peter Behrens (1868 – 1940).Osthaus’ Urteil bezog sich nicht alle<strong>in</strong> auf die architektonischeLösung des Baus, sondern verstärkt auf das kulturelleZeichen, was die Hagener mit der Errichtung gesetzt haben.Zur Zeit der Realisierung war die Feuerbestattung <strong>in</strong> Preußen,zu dem Hagen gehörte, noch verboten – seit e<strong>in</strong>emErlass von Karl dem Großen aus dem Jahre 786. Jedoch erzwangenim 19. Jahrhundert Industrialisierung und Bevölkerungsexplosion<strong>in</strong> den Städten e<strong>in</strong> städtebauliches Umdenken– wobei e<strong>in</strong>e abgestimmte Stadtplanung ebenfalls zuden Forderungen von Osthaus gehörte. Der Mangel an Platzfür die bisher an den Kirchen gelegenen Friedhöfe sowiehygienische Bedenken der Ärzteschaft und die f<strong>in</strong>anziellenÜberlegungen der Arbeiterverbände forderten zunächst dieVerlagerung der Friedhöfe vor die Städte. Zugleich begannder Kampf um die Legalisierung von Feuerbestattung. Nachkatholischem Recht allerd<strong>in</strong>gs blieb die Feuerbestattung bisweit <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> verboten.30Heute ist dieses Verbot mit se<strong>in</strong>en Folgen <strong>in</strong>soweit gelockert,als dass Feuerbestattung möglich ist, sofern damit derchristliche Glaube – genauer: die Auferstehung des Fleisches,


wie es im Glaubensbekenntnis heißt, am Jüngsten Tag –nicht ausdrücklich geleugnet werden soll. Auch die evangelischenKirchen und der preußische Staat verboten zunächstdie Feuerbestattung. Schon <strong>in</strong> der Aufklärung und <strong>in</strong> derFolge der Französischen Revolution war die Feuerbestattungvielerorts gefordert worden: als Ablösung von kirchlichenTraditionen <strong>in</strong> der Moderne. In diesen Zeiten der Une<strong>in</strong>igkeit reichte der 1892 <strong>in</strong> Hagen gegründete„Vere<strong>in</strong> für Feuerbestattung“ 1903 bei der Ordnungsbehörde e<strong>in</strong>en Bauantrag füre<strong>in</strong> Krematorium e<strong>in</strong>.Nach der Fertigstellung untersagte die preußische Regierung die Feuerbestattung, und erstdurch e<strong>in</strong>e Neuregelung 1911 <strong>in</strong> Preußen wurde die Inbetriebnahme des Krematoriums erlaubt;die erste E<strong>in</strong>äscherung fand im Hagener Krematorium am 16. September 1912 statt.Somit verkörpert das Krematorium e<strong>in</strong>en Traditionsbruch und dokumentiert die gesellschaftlicheBeschäftigung mit existenziellen Fragen über das Verhältnis von Körper undSeele bzw. das Leben nach dem Tod. Osthaus trat hier als parteiischer Mediator zwischenallen Parteien auf. Das Krematorium schaffte es alle<strong>in</strong> durch se<strong>in</strong>e architektonische Ersche<strong>in</strong>ung,<strong>in</strong> den Jahren 1907 bis 1911 30.000 <strong>in</strong>teressierte Besucher anzuziehen, die gegen e<strong>in</strong>enObolus von 50 Pfennigen das Monument besichtigen wollten.Für e<strong>in</strong>en Gegenentwurf zu Ferd<strong>in</strong>and Sanders, der e<strong>in</strong>en den Hügel dom<strong>in</strong>ierenden Kuppelbauentworfen hatte, engagierte Osthaus 1911 Peter Behrens. In e<strong>in</strong>em regen Austauschkristallisierten sich drei zw<strong>in</strong>gende Kriterien für den Entwurf des Krematoriums heraus:■ Der Bau sollte über das momentane Gefallen h<strong>in</strong>aus vorbildlich bleiben,was e<strong>in</strong>en künstlerischen Schritt vorwärts für die zeitgenössische Bewegungbedeuten musste.■ Es musste sich von den bisherigen Beispielen merklich absetzen.■ Das Gebäude musste se<strong>in</strong>e Zweckbestimmung klar nach außen tragen.Behrens löste diese Aufgabe mit strenger Monumentalität, vornehmer E<strong>in</strong>fachheit undschlichter Geschlossenheit, was alle Materialien wie Glas, Bronze etc. ausklammerte, diezum e<strong>in</strong>en dem Materialrhythmus des Gebäudes widersprochen hätten und zum anderenbei Profanbauten mit Repräsentations- oder Werbecharakter Verwendung fanden. Das Krematoriumsollte direkten Anschluss an die hügelige Landschaft f<strong>in</strong>den und sich <strong>in</strong> sie e<strong>in</strong>betten.Behrens’ wegweisende Errungenschaft <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Planung ist se<strong>in</strong>e raff<strong>in</strong>ierte Lösungim notwendigen Umgang mit dem Schornste<strong>in</strong>. Er versuchte nicht, ihn durch ornamentaleDachaufsätze zu verschleiern oder schmucklos als Fabrikschlot neben die Trauerhalle zustellen, sondern er sprach ihm se<strong>in</strong>e eigenständige Stellung zu und verschmolz ihn mit dem31


Gesamtbauwerk nach dem Vorbild e<strong>in</strong>es Campanile (freistehenderGlockenturm). Als Gegengewicht zum Turm hatteBehrens <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Entwurf e<strong>in</strong> zurückgelagertes Columbariummit Säulengang vorgesehen, was jedoch nicht realisiertwurde.32Bei der Fertigstellung des Krematoriums besaß das Bauwerk –wie historische Fotografien zeigen – e<strong>in</strong>e andere Außengestaltungals heute. Am Bau waren weiße Carraramarmorplattenmit schwarz-grünem belgischem Granit ornamentalkomb<strong>in</strong>iert. Aufgrund fehlerhafter Ausführung und witterungsbed<strong>in</strong>gtmussten diese Platten aber bereits nach wenigenMonaten entfernt werden. In der Folge entwarf Behrense<strong>in</strong>en hellen Putz <strong>in</strong> geometrischen Feldern mit abgesetztenBändern, durch die er subtile Licht-Schatten-Spiele nutzteund se<strong>in</strong>e Fassade belebte. Bereits diese Entscheidung führtdirekt zu heutigen Restaurierungsfragen und zur Denkmalpflegedes Gebäudes. Es gilt, das Gebäude im S<strong>in</strong>ne se<strong>in</strong>erErrichtung weiterh<strong>in</strong> zu nutzen und zugleich möglichst allesim Orig<strong>in</strong>alzustand zu erhalten. Folgt man der Charta vonVenedig (1964) so ist das Anliegen, jede Aktualisierung füre<strong>in</strong> geschultes Auge erkennbar und des Weiteren jeden E<strong>in</strong>griff reversibel zu gestalten. Sowiderspräche es den Standards der Denkmalpflege, den ersten Bauzustand durch erneutesAnbr<strong>in</strong>gen von Marmorplatten zu erzw<strong>in</strong>gen, da der vorliegende Putz bereits vom Urheber,Peter Behrens, konzipiert wurde. Weitere zeitgenössische E<strong>in</strong>griffe zum Erhalt und zur andauerndenNutzung des Krematoriums s<strong>in</strong>d zum Beispiel der vorgesetzte W<strong>in</strong>d- und Regenfangaus Glas vor dem E<strong>in</strong>gangsbereich ebenso wie die Erschließung des Gebäudes fürgehbeh<strong>in</strong>derte Menschen durch e<strong>in</strong>e Rampe oder die technische Aktualisierung der Brennanlagenach europäischen Emissionswerten. So ist es im S<strong>in</strong>ne von Karl Ernst Osthaus undPeter Behrens gelungen, e<strong>in</strong> die Zeit überdauerndes Monument zu schaffen, das se<strong>in</strong>e ursprünglicheBestimmung weiter ausüben kann.Arbeitsbuch von Ahmet Yilmaz (7. Klasse),Hauptschule Remberg, HagenAusgewählte Literatur> Nic.-H. M. Tummers: Der Hagener Impuls.J. L. M. Lauweriks’ Werk und E<strong>in</strong>fluss auf Architekturund Formgebung. Hagen 1972> Barbara Welzel (Hg.): Hagen erforschen.E<strong>in</strong>e Stadt als Laboratorium. Mit Texten vonBirgitt Borkopp-Restle, Birgit Franke, RouvenLotz, Barbara Welzel und Illustrationen vonFrank Georgy. Essen 2010> Barbara Welzel und Birgitt Borkopp-Restle(Hg.): „E<strong>in</strong>es der wichtigsten Monumenteunserer Zeit überhaupt“. Das Krematoriumvon Peter Behrens <strong>in</strong> Hagen (<strong>in</strong> Vorbereitungfür 2013)> Die „Charta von Venedig“ ist im Internetleicht zugänglich.


Christ<strong>in</strong>e LaprellBegegnungen von StadtspähernDie Entscheidung, mit e<strong>in</strong>em Grundkurs Kunst 11 <strong>in</strong> dasStadtspäher-Projekt e<strong>in</strong>zusteigen, war für mich <strong>in</strong> ersterL<strong>in</strong>ie abhängig von dem Votum me<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong>nen undSchüler: e<strong>in</strong>e heterogene Gruppe, was Vorkenntnisse, Fähigkeitenund Fertigkeiten <strong>in</strong> Bezug auf das Fach Kunst ang<strong>in</strong>g.Für mich als Lehrer<strong>in</strong> schien es anfangs im H<strong>in</strong>blick auf dieheterogenen Voraussetzungen <strong>in</strong>nerhalb des Kurses problematisch,die verschiedenen Lernaspekte und Themen, so wiesie im Curriculum gefordert s<strong>in</strong>d, auf unseren doch rechtkompakten Inhalt zu übertragen und zu strukturieren. DasThema Architektur als Element von Kunstunterricht warfür alle Kursteilnehmer relativ fremd. Da waren die kunsthistorischenBereiche und der Blick auf historische Gestaltungskonventionenund -<strong>in</strong>novationen. Außerdem war zuerwarten, dass unter den darstellenden Verfahren das Zeichnen vor dem Objekt als Teil derBestandsaufnahme für viele Schüler schwierig werden würde. Bisherige Erfahrungen mitdem Medium der Fotografie spielten sich auch eher auf e<strong>in</strong>er trivialen Ebene ab. Würde sichalso der Blick me<strong>in</strong>er Schüler/<strong>in</strong>nen auf das große Thema im Zuge des Projekts schärfen,und würden sie diesen Blick durch verschiedene darstellende Verfahren <strong>in</strong> Ansätze e<strong>in</strong>erfreieren künstlerischen Arbeit überführen können? Mut machten mir an dieser Stelle dievon der <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong> herausgegeben „curricularen Bauste<strong>in</strong>e zum Thema Baukulturund gebaute Umwelt“, deren Module so angelegt s<strong>in</strong>d, dass sie <strong>in</strong>haltlich und <strong>in</strong> Bezug aufdie methodischen Schritte äußert variationsreich e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle, Lerngruppen bezogeneVorgehensweise unterstützen. Zudem hatten me<strong>in</strong>e Lerngruppe und ich das Glück, dass zuAnfang der Unterrichtsreihe die Künstler<strong>in</strong> Ulrike Rutschmann als Referendar<strong>in</strong> diesemKurs zugewiesen wurde – e<strong>in</strong>e wunderbare Voraussetzung für die weitere Arbeit. Als größteStolperstufe erwiesen sich die noch unzureichenden Fähigkeiten vieler Schüler/<strong>in</strong>nen imH<strong>in</strong>blick auf die darstellenden fachlichen Verfahren im Bereich der Zeichnung, die im Zugedes Projekts immer wieder gefordert waren. Motivierend und demotivierend zugleich wardann die E<strong>in</strong>sicht, dass die Studierenden ihnen haushoch überlegen waren.Der Besuch von Professor<strong>in</strong> Welzel und Ann Krist<strong>in</strong> Malik zu Anfang des Projekts warfür die Schüler/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> zweierlei H<strong>in</strong>sicht bee<strong>in</strong>druckend. Hier vere<strong>in</strong>ten sich das Gefühl,durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>drucksvolle „Vorlesung“ Barbara Welzels <strong>in</strong> e<strong>in</strong> noch ungewohntes Thema(eigentlich ganz nah und doch noch nie bedacht) <strong>in</strong> ungewohnte Sichtweisen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gezogenzu werden und durch Ann Malik als Vertreter<strong>in</strong> der Studierenden e<strong>in</strong>e sympathische Perspektiveauf Augenhöhe zu haben. Das Ganze gipfelte <strong>in</strong> dem Geschenk e<strong>in</strong>es ungewöhnlichschönen Arbeitsbuchs für jedes Kursmitglied – e<strong>in</strong> Geschenk der <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong> –,33


welches sofort mit der ersten Raumzeichnung e<strong>in</strong>geweiht werden sollte. Wie zum Beweis,dass mit diesem Unterrichtsprojekt ganz neue Wege und Sichten erfahren werden sollten,glich an diesem Tag der Kunstraum e<strong>in</strong>em chaotischen Altmöbellager. Er sollte <strong>in</strong> den Folgetagenmit neuen Möbeln bestückt werden, und so ergab sich die Chance, den Raum neuerfahren zu lassen, <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong>e raumgreifende Skulptur aus dem vorhandenen Mobiliar getürmtund aus den verschiedensten Perspektiven gezeichnet wurde. Weitere Zeichnungenvon Objekten und Raumecken im Kunstraum folgten als Übungen zum perspektivischenErfassen von Dreidimensionalität. Zeichnung als „naturalistische“ Bestandsaufnahme erwiessich als Stolperste<strong>in</strong>. Es war nicht nur der ungeübte technische Aspekt, sondern auchdas andere Umgehen mit der eigenen Zeit, die Bereitschaft, sich wahrnehmend zeitlich e<strong>in</strong>zulassenim Zeitalter der superschnellen Bilder, die teilweise zum Problem wurden und dieauch e<strong>in</strong>ige Schüler/<strong>in</strong>nen unzufrieden mit den eigenen Ergebnissen machte.34Parallel dazu erarbeiteten wir aber auch kunstgeschichtlicheH<strong>in</strong>tergründe des Hagener Impulses. Wir versuchtenzunächst uns über entsprechende Literatur und anhand vonhistorischen Fotos <strong>in</strong> den Puls und Atem unserer Stadt voretwa hundert Jahren e<strong>in</strong>zuf<strong>in</strong>den. E<strong>in</strong> eigens für das Projektbereitgestellter Handapparat <strong>in</strong> der Zentralstelle der StadtbibliothekHagen war hier hilfreich, denn biografische Spurenaus Familiengeschichten der Schüler/<strong>in</strong>nen gab es nichtmehr. Wir stellten auch fest, wie hilfreich das Buch „Hagenerforschen“ se<strong>in</strong> konnte. Der konkrete Blick auf den Historismusund den Jugendstil sowie die zeichnerische Umsetzung<strong>in</strong> diesem Zusammenhang ergaben sich glücklicherweisebei uns <strong>in</strong> der Anschauung des Uhrturms unseresAltbaus und des E<strong>in</strong>gangsbereichs. Um im Zuge des Projektsunsere Zeichnungen und Fotografien auch im H<strong>in</strong>blick aufkünstlerische Gestaltung – hier zum Beispiel die Kompositionvon verschiedenen Bildelementen – erweitern zu können,waren vor dem H<strong>in</strong>tergrund der unterschiedlichen Fertigkeitender Schüler/<strong>in</strong>nen grundlegende Übungen notwendig.So ergab sich um unser übergreifendes Thema herum und<strong>in</strong> dem Versuch, die Ansätze untere<strong>in</strong>ander zu verb<strong>in</strong>den,e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Fundus von schriftlichem und zeichnerischemMaterial, der uns Lehrer<strong>in</strong>nen aber immer noch zu schmalerschien. Wir hatten das Gefühl, dass es noch viel mehrZeit gebraucht hätte, bevor wir e<strong>in</strong>e bessere Basis gehabt


hätten, uns mit den Studierenden und Professor<strong>in</strong>nen undProfessoren der TU Dortmund an ausgewählten Orten desHagener Impulses und zu (schul)ungewöhnlichen Zeiten zutreffen, um geme<strong>in</strong>sam zu arbeiten. Dennoch hat das Ganzefunktioniert: aufgrund der Begegnungen nicht nur <strong>in</strong> Bezugauf die Orte, sondern auch <strong>in</strong> Bezug auf die Menschen, diean dem Projekt beteiligt waren. Zu Bett<strong>in</strong>a van Haaren undihren Studierenden ergaben sich <strong>in</strong> der geme<strong>in</strong>samen zeichnerischenArbeit immer wieder <strong>in</strong>tensive Kontakte, die sichfruchtbar auf den Arbeitsprozess auswirkten. Spannend warauch der Austausch fotografischer Perspektiven im Hohenhofmit den Studierenden unter der Leitung von Felix Dobbert.Das bedeutete für me<strong>in</strong>e Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler,geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>e bedeutsame Sache, die vorher räumlich sonah und doch im Bewusstse<strong>in</strong> weit weg oder gar nicht vorhandenwar, ernst zu nehmen und auf verschiedenen Ebenenwahrzunehmen wie nachhaltig zu verarbeiten.35


Ann Krist<strong>in</strong> MalikKunstquartier Hagen –e<strong>in</strong> Bau <strong>in</strong> vier SchichtenBereits bei se<strong>in</strong>er Eröffnung im Jahre 1902 wies das MuseumFolkwang, das heutige Osthaus Museum, zwei Schichtenauf. Karl Ernst Osthaus (1874 – 1921) engagierte 1898 für denBau des Museums Carl Gerard, e<strong>in</strong>en Berl<strong>in</strong>er Architekten,mit dem schon se<strong>in</strong> Vater zusammengearbeitet hatte. Dieserplante e<strong>in</strong>en prunkvollen Museumsbau mit zahlreichenZitaten vorbildlicher Architekturstile. Der Rohbau stand1898, die Außengestaltung des Museums war beendet, alsOsthaus Carl Gerard 1901 entließ.Karl Ernst Osthaus hatte sich im Laufe der Bauzeit von denArchitekturvorstellungen der Elterngeneration entfernt. Dazuhatten nicht zuletzt se<strong>in</strong>e Reisen <strong>in</strong> den Orient beigetragen.Er entwickelte e<strong>in</strong>e neue Vorstellung von Architektur,die aber zunächst noch unklar blieb. Auf der Suche nache<strong>in</strong>em neuen Architekten entdeckte er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ZeitschriftHenry van de Velde (1863 – 1957), den zunehmend bekannterwerdenden belgischen „Alleskünstler“.Van de Velde überzeugte ihn spontan. Osthaus kontaktierteihn unmittelbar und beauftragte ihn 1901 mit dem Innenausbaudes Museums. Dieser Auftrag war e<strong>in</strong>e Herausforderungfür van de Velde: Mit se<strong>in</strong>er damals weit modernerenFormsprache musste er beim Innenausbau auf die bereitsfertiggestellte Außenhülle und den von Gerard konzipiertenRohbau reagieren. Er gestaltete nicht nur die Räume, sondernauch das Interieur des Museums (historische Aufnahmen s<strong>in</strong>d zu f<strong>in</strong>den im Onl<strong>in</strong>earchivFoto Marburg). Die Räume werden als Ganzes aufgefasst, als e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit der Gestaltung,die etwa auch die Vitr<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>bezieht.36Der Bruch zwischen der historistischen Außenfassade auf der e<strong>in</strong>en und den floralen,manchmal arabesk anmutenden, für die damalige Zeit sehr zurückgenommenen Formenauf der anderen Seite machten das Gebäude schon damals zu e<strong>in</strong>er spannungsreichen Architektur.Das Museum wurde 1902 eröffnet. Wichtige Abteilungen waren die Naturkundesammlungsowie die Sammlung islamischer Kunst. Berühmt wurde das Museum dann vorallem durch se<strong>in</strong>e Sammlung zeitgenössischer Malerei sowie die Gegenüberstellung dieserKunst mit Werken so genannter primitiver Kulturen. Erstmals wurde hier <strong>in</strong> dieser Form„Weltkunst“ ausgestellt.


Im Museumsbau befanden sich auch die Wohnräume fürOsthaus und se<strong>in</strong>e Gatt<strong>in</strong> Gertrud (geb. Colsmann). Als dieseRäume zu eng wurden, zog die Familie <strong>in</strong> die von van deVelde entworfene Villa, den Hohenhof (Fertigstellung 1908).Die ebenfalls von van de Velde gestalteten Wohnräume imMuseumsbau waren klar von den Ausstellungsräumen getrennt,hatten jedoch über das Musikzimmer e<strong>in</strong>en direktenZugang zum großen Bildersaal. Osthaus verwirklichte hierse<strong>in</strong>e Idee, mit Kunst zu leben, sie dem alltäglichen Lebenzu öffnen.Nachdem Osthaus 1921 nach schwerer Krankheit gestorbenwar, verkauften se<strong>in</strong>e Erben die bis dah<strong>in</strong> enorm angewachsene,sehr moderne Kunstsammlung mitsamt dem NamenFolkwang nach Essen. Das Museumsgebäude wurde nachdiesem Verkauf vom kommunalen Elektrizitätswerk genutzt.Es wurde, um als Bürogebäude besser geeignet zu se<strong>in</strong>, umgebaut;das ursprüngliche Interieur wurde zu großen Teilenausgetauscht. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Museumsbaubeschädigt. Die kriegsbed<strong>in</strong>gten Verluste an Orig<strong>in</strong>alsubstanz s<strong>in</strong>d zum Beispiel an derDachgestaltung sichtbar.381955 zog das unter neuem Namen (1945) wiedereröffnete Karl Ernst Osthaus Museum <strong>in</strong>den ursprünglichen Folkwangbau zurück. Der Raumbedarf des Museums war durch e<strong>in</strong>egewachsene Sammlung stark gestiegen. 1972 wurden die ehemaligen Privaträume der FamilieOsthaus abgerissen und durch e<strong>in</strong>en Neubau des Büros van der M<strong>in</strong>de ersetzt. Zu dieserZeit wurden auch die Jugendstil<strong>in</strong>terieurs van de Veldes rekonstruiert bzw. restauriert.Es war e<strong>in</strong> starker E<strong>in</strong>griff, e<strong>in</strong>en großen Teil der historischen Bausubstanz wegzunehmen.Heute – nachdem <strong>in</strong>ternationale Standards wie die „Charta von Venedig“ formuliert wordens<strong>in</strong>d – sieht man dies durchaus kritisch.Der neu errichtete Bereich des Museums wurde 1974 eröffnet und se<strong>in</strong>erzeit von Architekturkritikenwegen se<strong>in</strong>er Schlichtheit und Verschlossenheit von außen e<strong>in</strong>erseits und demimmer neuen Spiel mit Perspektiven, Ausblicken und Verw<strong>in</strong>kelungen <strong>in</strong>nen andererseitshoch gelobt. Die heute oft fremd gewordene Architektur, die immer wieder auch als„Betonbrutalismus“ diffamiert wird, entsprach <strong>in</strong> den 1970er Jahren <strong>in</strong>ternationalen Standards.Ausgewählte Literatur> Dieter Bartetzko: Nebenan das Museum –Hagens neues Kunstquartier setzt Maßstäbe.In: Kunstquartier Hagen mit Osthaus Museumund Emil Schumacher Museum. Hg. vonDieter Nellen / Tayfun Belg<strong>in</strong> / Alexander Klar.Essen 2009, S. 15 – 23> Barbara Welzel (Hg.): Hagen erforschen.E<strong>in</strong>e Stadt als Laboratorium. Mit Texten vonBirgitt Borkopp-Restle, Birgit Franke, RouvenLotz, Barbara Welzel und Illustrationen vonFrank Georgy. Essen 2010> Herta Hesse-Friel<strong>in</strong>ghaus: Gründung desMuseums – Bau durch Gerard, E<strong>in</strong>greifenvan de Veldes. In: Dies. u. a.: Karl ErnstOsthaus. Leben und Werk. Reckl<strong>in</strong>ghausen1971, S. 122 – 129> Birgit Schulte: Henry van de Velde <strong>in</strong> Hagen.Hagen 1992.> www.fotomarburg.de> Die „Charta von Venedig“ ist im Internetleicht zugänglich, etwa als PDF aufwww.icomos.org> www.<strong>in</strong>ternational.icomos.org / en / chartersand-texts


2009 erhielt das Museum se<strong>in</strong>e bis jetzt letzte Schicht. Schon 1999 wurde e<strong>in</strong> Realisierungswettbewerbfür das heutige Kunstquartier Hagen ausgeschrieben, der sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Anforderungskatalogstark auf Denkmalschutz und Baugefügefragen stützte. Diese Ausschreibungsollte das Osthaus Museum durch Umstrukturierungen (Ebene des Jungen Museums)und Angliederung des eigenständigen Emil Schumacher Museums an das bestehende Gebäudezum Kunstquartier erweitern. Das Mannheimer Büro L<strong>in</strong>demann Architekten gewannden Wettbewerb mit e<strong>in</strong>er sensiblen Idee, die bisherigen Schichten zu erhalten, teilweisezu transformieren und mit dem Neubau zusammenzub<strong>in</strong>den. Das Emil SchumacherMuseum besticht durch se<strong>in</strong>e klaren Formen. Der schlicht wirkende, aus Sichtbeton gearbeiteteInnenkubus harmoniert mit den fragilen Glasscheiben der Außenhülle. Das dünneStabwerk der Außenhülle rastert das Gebäude und entwickelt bei verschiedenen Lichtverhältnissendurch se<strong>in</strong>en Schattenwurf e<strong>in</strong> Spiel zwischen Licht und Architektur. Das ausGlas gebildete Foyer zwischen den beiden Museumsbautenzielt auf Transparenz, öffnet das Kunstquartier und machtdas Museum im S<strong>in</strong>ne von Karl Ernst Osthaus zu e<strong>in</strong>em Ortdes öffentlichen Lebens.Jede e<strong>in</strong>zelne Schicht des Gebäudes erzählt Geschichte undspannende Geschichten. Die vier Schichten bezeugen diegroßen baulichen Veränderungen des Gebäudes. Aber auchviele kle<strong>in</strong>e Veränderungen, etwa durch Kriegsverluste, Umnutzungdes Gebäudes oder auch die Veränderung der Straßenführungam Museum, können <strong>in</strong>teressante Forschungsaufgabense<strong>in</strong>. Vieles davon können Stadtspäher selbstentdecken und sehen.39


Felix DobbertFotografie trifft OrtserkundungWie erkundet man e<strong>in</strong>en Ort im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e künstlerische Arbeit? Die Fotografiesche<strong>in</strong>t hierfür zunächst e<strong>in</strong> probates Medium zu se<strong>in</strong>, denn sie ermöglicht e<strong>in</strong> schnellesArbeiten. Visuelle E<strong>in</strong>drücke der Umgebung können unmittelbar festgehalten und durchdie Digitalisierung der Fotografie auch unlimitiert gespeichert werden. Doch was br<strong>in</strong>gtdiese potenzielle Fülle an Bildern? Vorerst nicht viel, denn damit ist meist die Frage nochnicht geklärt, welche Haltung man zu dem Ort bezieht. So werden die meisten Aufnahmenzunächst Ausschuss bleiben – bestenfalls Skizzen auf dem Weg zu e<strong>in</strong>er ernsthaften fotografischenArbeit.Der städtische Raum war stets e<strong>in</strong> beliebtes Experimentierfeld der Fotografie. Das Interessegalt schon früh der Architektur, dem städtischen „Mobiliar“ und ebenso der Stadt als Bühnedes gesellschaftlichen Lebens. Zur Zeit des Impressionismus bildete Paris das Epizentrumstädtebaulicher Veränderungen. Der Reiz an technischen Bauten wuchs, und die Fotokameramit ihrer Präzision und Abbildungsgenauigkeit wurde zur bevorzugten Chronist<strong>in</strong>. Inaktuellen Ausstellungen wie „Architekturfotografie – Made <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a“ (Museum für AngewandteKunst Köln, 2012) oder beispielsweise der Werkreihe „Neontigers“ des FotografenPeter Bialobrzeski rücken nunmehr die rasant wachsenden und spektakulären Megacities<strong>in</strong>s Zentrum der Aufmerksamkeit.In diesem Kontext stellt die Stadt Hagen e<strong>in</strong>en sehr vielschichtigen, aber eher subtilen Ortdar. Sche<strong>in</strong>bar etwas <strong>in</strong> Vergessenheit geraten und von teilweise gesichtsloser Nachkriegsarchitekturdurchzogen, besitzt diese Stadt ungeme<strong>in</strong> wertvolle kulturhistorische Wurzeln.E<strong>in</strong> Streifzug durch die Stadt macht das Nebene<strong>in</strong>ander von historischen Gebäuden, Nachkriegsbautenund moderner Architektur deutlich. Triviale Orte der Stadt stehen dem Hohenhofgegenüber, werden aber auch kontrastiert durch zeitgenössische Bauten wie das EmilSchumacher Museum.Das Universitätssem<strong>in</strong>ar vere<strong>in</strong>te Studierende, die Hagen als ihre Heimatstadt fotografierendnochmals neu sahen, und diejenigen, die sich die fremde Stadt zunächst aneignenmussten.40


Olaf Kupczyk, o. T., 2011/2012Olaf Kupczyk versucht beispielsweise dem vertrauten Terra<strong>in</strong> nochmals Neues undSchönes zu entlocken, und ihm gel<strong>in</strong>gt es, auf geradezu poetische Weise auch tristenOrten etwas Magisches zu entlocken. Wie schafft er das? Se<strong>in</strong> Blick fällt immer wieder aufverme<strong>in</strong>tlich banale Gegebenheiten, die aber stets etwas unerwartet Besonderes be<strong>in</strong>halten.Farbigkeit und Lichtsituation spielen hier e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Harte Schattenwürfewerden zu e<strong>in</strong>em zentralen gestalterischen Mittel. Kupczyks Bilder bestechen durchkompositorisches Geschick, so dass aus vielen E<strong>in</strong>zelmotiven e<strong>in</strong> verdichteter und äußerstsubjektiver E<strong>in</strong>druck der Stadt entsteht.41


Kimberley Hüls verknüpft <strong>in</strong> ihrer Serie <strong>in</strong>szenierte Portraits mit Fotografien von Orten<strong>in</strong> Hagen. Sie arbeitet <strong>in</strong>haltlich damit auf zwei Ebenen, denn diese Orte stellen e<strong>in</strong>persönliches B<strong>in</strong>deglied zwischen ihr selbst und den ihr vertrauten Personen dar. Wirsehen jeweils e<strong>in</strong>en Ort, welcher die erste Begegnung mit der Person markiert – e<strong>in</strong>e ArtAusgangspunkt für das zweite urbane Motiv: Dieses zeigt e<strong>in</strong>en Ort, der für Außenstehendee<strong>in</strong>e nicht entschlüsselbare <strong>in</strong>dividuelle Verb<strong>in</strong>dung von Kimberley Hüls zum Portraitiertendarstellt. Mangels Bildunterschriften oder erläuterndem Text lässt sie absichtlich dasjournalistische Moment ihrer Arbeit <strong>in</strong>s Leere laufen. Ihre Bilder locken uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ortsbezogeneGeschichte, die aber nur im Kopfe des Betrachters fortgeführt werden kann.Kimberley Hüls, Me<strong>in</strong> Hagen, 2011/201242


Julia Lew<strong>in</strong>, Stilbruch, 2011/2012Julia Lew<strong>in</strong> verfolgt die Strategie der Bildpaarung. Sie stellt beispielsweise trivialenD<strong>in</strong>gen und Ecken der Stadt Detailansichten des Hohenhofs gegenüber. Dieses vordergründigformale Spiel zeigt jedoch auf spannende Weise epochale Unterschiede<strong>in</strong> Design und Architektur.43


Leonie Veit versucht, die architektonischen Kontraste der Stadt <strong>in</strong> jeweils e<strong>in</strong>em Bildzu vere<strong>in</strong>en. Sie macht sich gezielt auf die Suche nach spannenden Blickachsen, wobei esam Ende dem Betrachter offen steht, über das bauliche Mite<strong>in</strong>ander zu urteilen.Leonie Veit, Dualismus, 2011/201244


Susan Ho, Schaufensterkrankheit, 2011/2012Der gezielte Blick auf Fassaden mit ihren <strong>in</strong>dividuellen Schaufenstern, wie sie Susan Hofotografisch aufreiht, setzt <strong>in</strong>haltlich e<strong>in</strong>en Verweis auf die Anfang des 20. Jahrhunderts vonKarl Ernst Osthaus begründeten Schaufensterwettbewerbe. Susan Ho komb<strong>in</strong>iert hier e<strong>in</strong>endokumentarfotografischen Ansatz mit e<strong>in</strong>er konzeptuellen Idee, die e<strong>in</strong>en historischenBezug zur Stadtgeschichte impliziert.45


Sebastian L<strong>in</strong>gstädt und Anna RenfordtStadtspähen amChristian-Rohlfs-GymnasiumAm Christian-Rohlfs-Gymnasium war die Unterrichtsreihe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er 9. Klasse verortet. Die31 teils aus Hagen, teils aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis stammenden Schüler wurden über diemehrere Monate umfassende Reihe zu engagierten Stadtspähern und erweiterten deutlichihr Bewusstse<strong>in</strong> für ihre gebaute Umwelt.„Bauten, Wege und Blicke“: „Wo gucke ich h<strong>in</strong>?“, „Wie gucke ich?“, „Was sehe ich?“ – Warumist der Heizungskeller eigentlich nicht zugänglich, und wie sieht es wohl dar<strong>in</strong> aus? Raumordnungen,Raumerfahrungen und die darauf bezogene bildliche Darstellung bildeten <strong>in</strong>diesem Modul das Hauptaugenmerk. In motorischer und darauf bezogener zeichnerischerErforschung wurden vielfältige Erfahrungen und Erfahrungsmöglichkeiten <strong>in</strong> Bezug aufunser Schulgebäude gemacht und gefunden. Altes wurde gegenüber Neuem durch genauezeichnerische Beobachtung abgegrenzt, Raumdarstellungen und gestalterische Problemstellungenerkannt und gelöst z. B. durch Er<strong>in</strong>nerung der Regelnder Zentralperspektive und Vertiefung dieser durch dieÜbereckperspektive.„Stadtteil, Stadt und Dorf“: In Vorbereitung auf die fotografischeAuse<strong>in</strong>andersetzung mit der Heimatstadt Hagen<strong>in</strong> Kooperation mit dem studentischen Fotografie-Sem<strong>in</strong>arwurden die Schüler/<strong>in</strong>nen zunächst auf e<strong>in</strong>e virtuelle Erkundungstourgeschickt. Ziel war e<strong>in</strong>e von ihnen selbst zuwählende Stadt, die sie mittels verschiedener Webseiten erkundenund vorstellen sollten. Das hierbei genutzte, größtenteilsStereotypen wiederholende Bildmaterial wurde <strong>in</strong>der darauf folgenden Woche hervorragend durch die Präsentationstudentischer Arbeiten kontrastiert. Den Schüler/<strong>in</strong>nen wurden so andere Blickw<strong>in</strong>kel auf Stadt und Bauteneröffnet, die viele erfolgreich <strong>in</strong> die darauf folgende eigenepraktische Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Innenstadt Hagens<strong>in</strong>tegrierten.46„Baukultur im Spannungsfeld zwischen Bewahren und Erneuern“bildete e<strong>in</strong>en besonderen Fokus der Unterrichtsreihe,da der größte Teil des Schulgebäudes unter Denkmalschutzsteht und somit die hier thematisierten Aspekte zumAlltag der Schulentwicklung am Christian-Rohlfs-Gymnasiumgehören. Ziel unserer Ause<strong>in</strong>andersetzung mit demeigenen Schulgebäude war es daher, durch zeichnerische


Ause<strong>in</strong>andersetzung die Wahrnehmung der Schüler/<strong>in</strong>nenzu sensibilisieren, ihren Blick für die alltäglichen Gegensätzezu schulen, etwa hohe Räume mit altem Parkett, <strong>in</strong> denenjedoch aufgesetzte Kabelschächte die LAN-Versorgungder Informatik-PCs sicherstellen und Holz- durch Plastikfensterersetzt wurden. Daran schloss sich e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzungmit konkreten Denkmalschutzvorgaben bei derUmwandlung der ehemaligen Hausmeisterwohnung <strong>in</strong> die2010 eröffnete Mensa an, die den Schüler/<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong> tieferesVerständnis für das (Schul)Leben im Denkmal eröffnete.Der „Tag des offenen Denkmals“ konnte term<strong>in</strong>lich bed<strong>in</strong>gtnicht genutzt werden, die Klasse besuchte im Rahmen derUnterrichtsreihe jedoch das Denkmal Hohenhof. Bei der Exkursionsetzten sich die Schüler differenziert mit Gestaltungund Funktionszusammenhängen des Architekturdenkmalsause<strong>in</strong>ander, wandten ihren im Rahmen der Unterrichtse<strong>in</strong>heitfür bauliche Besonderheiten geschulten Blick auch aufdie Häuser am Stirnband an, setzten sich <strong>in</strong>teressiert mitden Ideen Karl Ernst Osthaus’ ause<strong>in</strong>ander und kehrten amEnde der Exkursion mit e<strong>in</strong>er neuen Wertschätzung für dieihnen aus ihrem Alltag bekannten Spuren des Wirkens Osthaus’<strong>in</strong> Hagen nach Hause zurück.„Blickwechsel“: „Wie sehe Ich das Gebäude Schule?“ Nebender Exploration eigener zeichnerischen Herangehensweisenan das Gebäude, d. h. neben dem Ausprobieren verschiedener (z. T. <strong>in</strong>dividueller) Zeichenmöglichkeitensollten künstlerische E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> die Umgebung erfolgen. Die Schülerentwickelten <strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>andersetzung mit vorgestellten künstlerischen Positionen eigenePerspektiven bzw. ihre Perspektive auf unsere Schule. Es wurde mit Verschachtelungen, irritierendenPerspektiven, Materialität etc. gearbeitet. Entstanden s<strong>in</strong>d Arbeiten, die die verme<strong>in</strong>tlichen(Bild)Wirklichkeiten h<strong>in</strong>terfragen und architekturhafte Konstruktionen eigenenS<strong>in</strong>ns darstellen.47


Gabriele FischerHauptschüler entdecken Architektur<strong>in</strong> technik, Mathematik und KunstE<strong>in</strong> Glück, dass me<strong>in</strong>e Nachbar<strong>in</strong> Architekt<strong>in</strong> ist und bereit war, im Februar 2011 e<strong>in</strong> paarE<strong>in</strong>heiten Architektur zu unterrichten. In unserer Schule am Remberg gibt es viele unterschiedlicheRäume mit verschiedenen Licht- und Klangverhältnissen. Im Fach Technik <strong>in</strong>der 7. Klasse konnten die Schüler/<strong>in</strong>nen zunächst Beobachtungen anstellen, dann Vermutungenzu den Unterschieden <strong>in</strong> der Wohn- und Arbeitsatmosphäre äußern und schließlichmit eigenen Maßbändern vermessen. Die Ergebnisse wurden <strong>in</strong> Zeichnungen festgehalten.Im zweiten Teil der Unterrichtse<strong>in</strong>heit bauten die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler selberHäuser nach ihren Vorstellungen. Die Bed<strong>in</strong>gung für alle war, dass die Häuser gleich großse<strong>in</strong> und dass sie im Maßstab 1 : 10 gebaut werden sollten. Wir benutzten Pappe aus altenVerpackungskartons und schnitten die e<strong>in</strong>zelnen Teile zurecht. Nachdem die Jugendlichenzu Hause e<strong>in</strong>mal ausgemessen hatten, wie hoch und wie groß ihre eigenen Zimmer waren,legten wir fest, dass sie e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>-Zimmer-Bau herstellen sollten, der e<strong>in</strong>em durchschnitt-48


lichen K<strong>in</strong>derzimmer von 3 mal 4 Metern entspricht. BeimBau bemerkten die Schüler/<strong>in</strong>nen, dass sie eigentlich immerrechnen mussten, um die Proportionen richtig h<strong>in</strong>zubekommen.Das motivierte sie sehr, das Fach Mathematik e<strong>in</strong>wenig ernster zu nehmen. Das richtige Fügen und die dafürnotwendigen Überlappungen waren e<strong>in</strong>e echte Herausforderung.Das Herstellen der Möbel war dann die Kür undmachte richtig Spaß. Aufgefallen ist mir die stetig wachsendeLust an der Konstruktion und am Mitbestimmen, auchmal unkonventionelle Lösungen zu f<strong>in</strong>den. Phantastischwar, dass Details aus den Zeichenstunden mit den Student/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> die Modelle E<strong>in</strong>gang fanden.E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Gruppe von 7 Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern (3 Mädchen und 4 Jungen) der Klasse6a der Hauptschule Remberg hatte freudig zugestimmt, als der Vorschlag gemacht wurde,<strong>in</strong> den Sommerferien <strong>in</strong> Hagen für e<strong>in</strong>e Woche auf Erkundungstour zu gehen. Wir trafenuns <strong>in</strong> der Stadtmitte und suchten uns dort zunächst den höchsten Punkt: das Rathaus. Vonoben verschafften sich die K<strong>in</strong>der und Jugendlichen zwischen 12 und 13 Jahren e<strong>in</strong>en Überblickund zeichneten, was sie (er)kannten. Von hier aus führte uns e<strong>in</strong>e große Rundtour zuden Häusern aller Teilnehmer. Dort verorteten sie sich mit e<strong>in</strong>em Foto neben dem Kl<strong>in</strong>gelschild.Auf dem Weg dieser Route entdeckten wir viele Besonderheiten, und die K<strong>in</strong>derergründeten Material, Bauweise und Anlage von Häusern, Straßen und Plätzen. Es wurdenviele Fragen gestellt, Verbesserungsvorschläge erteilt und Verb<strong>in</strong>dungen zu eigenem Wissengezogen. In e<strong>in</strong>em zweiten Teil dieser Exkursion verbrachten sie lange Stunden versunkenzeichnend im Freilichtmuseum und erforschten die für Hagen typischen historischen Bauten.Dabei ließen sie sich von Fachleuten (Zimmermann, Schmied und Maler) die Herstellungvon Fachwerkbauten erklären. Sehr <strong>in</strong>teressant fanden sie, dass diese Berufe heute wiedergefragt s<strong>in</strong>d, vor allem im H<strong>in</strong>blick auf ökologisch hochmoderne Bauten. Bei drei derJungen steht jetzt fest, was sie e<strong>in</strong>mal werden wollen. Nach e<strong>in</strong>er Woche Zeichnen, Schreibenund Ausprobieren hatten sie immer noch nicht genug und fragten, ob wir uns für Montagwieder verabreden sollten. Die Woche war e<strong>in</strong> voller Erfolg! Alle teilnehmenden Schüler/<strong>in</strong>nen haben sich im Laufe des ersten Halbjahrs <strong>in</strong> Deutsch und teilweise auch <strong>in</strong> Mathematikum m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e Note gesteigert, was ich auf die verbesserte Wahrnehmung zurückführe.Die Ausgabe der Zeichenbücher war das Highlight im Herbst 2011! Alle Schüler<strong>in</strong>nen undSchüler der Klasse 7a waren hellauf begeistert von Material, Qualität und Größe der geschenktenBücher. Die ersten Term<strong>in</strong>e zusammen mit den Schüler/<strong>in</strong>nen der Gesamtschule49


50(Oberstufe) und der Student/<strong>in</strong>nen nahmen e<strong>in</strong>ige me<strong>in</strong>er Schüler/<strong>in</strong>nen sehr gerne wahr,obwohl es sich um ihre freien Samstage handelte. Die Atmosphäre im Hohenhof, im DelsternerKrematorium und im Osthaus Museum war e<strong>in</strong>zigartig, denn die Schüler der Klasse7a der Hauptschule Remberg waren den anderen Zeichnenden ebenbürtig. Durch denErnst, mit dem sie bei der Sache waren, bee<strong>in</strong>druckten sie sowohl die anderen Schüler/<strong>in</strong>nen,die Student/<strong>in</strong>nen als auch die Professor<strong>in</strong>nen. Die Qualität der Zeichnungen ist hoch,denn die Schüler konzentrierten sich über e<strong>in</strong>en langen Zeitraum, den es im getaktetenSchulalltag nicht gibt. Immer wieder wechselten sie die Perspektive und baten um Rückmeldung.Kurze H<strong>in</strong>weise nahmen sie gerne auf und fühlten sich pudelwohl <strong>in</strong> der arbeitsgeladenenAtmosphäre. Die <strong>in</strong> den Kunststunden entstandenen Zeichnungen <strong>in</strong> der Schule,an den Elbershallen, im Schumacher Museum und <strong>in</strong> den schulangrenzenden Straßen warenbei weitem nicht so ergiebig, haben aber dennoch richtig großen Spaß gemacht. Dabeientdeckten die pfiffigen Vielzeichner, dass es Jugendstil-Ste<strong>in</strong>-Häuser mit Fachwerk <strong>in</strong> den oberen Etagen gibt unddie, die sich selber als Nicht-Könner bezeichneten, hattenFreude am Experimentieren mit dem Wege-Zeichnen. AlleSchüler/<strong>in</strong>nen, die vorher dachten, sie lebten <strong>in</strong> alten „gammeligen“Häusern, begegnen ihnen nunmehr mit großemRespekt und mit Hochachtung für die Höhe und Schönheitder Räume. Das Wohnbewusstse<strong>in</strong> der ganzen Klasse hatsich geändert und ist vielfach geschärft worden. E<strong>in</strong> Mädchen,das im Halbjahr umgezogen ist, brachte mir gleichdanach Zeichnungen ihrer neuen Heimatstadt mit. Sie sagt,dass sie beim Zeichnen viel mehr entdecke, als wenn sie dieHäuser nur abfotografiere. Sie liebt die gefundene Langsamkeit.Achtsamkeit als Schulerfolg.


Barbara JoswigHistorisches Lernen durchs<strong>in</strong>nliche erfahrung e<strong>in</strong>es lokalhistorischenRaumsBericht von e<strong>in</strong>er Unterrichtsreihe zum „langen“ 19. JahrhundertLeistungskurs Geschichte, Jahrgangsstufe 12 (Q1) am Albrecht-Dürer-Gymnasium,Schuljahr 2011/2012A Die ProjektkonzeptionIm Allgeme<strong>in</strong>en ist e<strong>in</strong>e für das Erfahrungsfeld der Lernenden so fern liegende Epoche wiedas 19. Jahrhundert e<strong>in</strong>e komplizierte Thematik. Zum e<strong>in</strong>en wirkt die Zeit irgendwie vertraut,zum anderen s<strong>in</strong>d die Räume, Verhaltens- und Denkweisen sowie die politischen,wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umstände so anders geartet als heute, dass e<strong>in</strong>e großeFremdheit bleibt. Man versteht die Menschen und ihre Anliegen kaum.Die Chance, die sich durch das Kooperationsprojekt mit der TU Dortmund und der <strong>Wüstenrot</strong><strong>Stiftung</strong> bot, lag dar<strong>in</strong>, die historische Geografie der Stadt Hagen, die Heimatstadtder Schüler/<strong>in</strong>nen, für das Verstehen von historischen Prozessen zu nutzen. Von Anfang derUnterrichtsreihe an wurden daher die verschiedenen Lernprozesse nebene<strong>in</strong>ander gesetzt.Die Schüler/<strong>in</strong>nen wussten gleich zu Beg<strong>in</strong>n, dass es um e<strong>in</strong> Dreifaches gehen sollte: Sie solltenwissen, was sich im 19. Jahrhundert zugetragen hat (historische Sachverhalte, wie sie <strong>in</strong>den Abituranforderungen des Landes NRW vorgeschrieben s<strong>in</strong>d), sie sollten verstehen, wiesich die besondere Entwicklung der Stadt Hagen bis h<strong>in</strong> zu ihrem Mäzen Karl Ernst Osthauserklären lassen könnte. Als e<strong>in</strong> Drittes wurde ihnen e<strong>in</strong> Lernbuch überreicht, <strong>in</strong> demsie prozesshaft ihren eigenen Lern-, Aneignungs- und Verstehensprozess nach <strong>in</strong>dividuellemVermögen und Interesse dokumentieren sollten, e<strong>in</strong>em Projektbuch oder Portfolio vergleichbar.Neben der fachlichen Wissensvermittlung wurden freie, kreative und <strong>in</strong>dividualisierendeErarbeitungsformen angewendet, um jeder Schüler<strong>in</strong> und jedem Schüler e<strong>in</strong>en persönlichenLernzugang zu ermöglichen. Die Dokumentation der eigenen Überlegungen, Darstellungen,Erarbeitungen und Prozessergebnisse f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> den Projektbüchern. Da ke<strong>in</strong>e im engerenS<strong>in</strong>ne künstlerische Anleitung geboten werden konnte, waren die Schüler/<strong>in</strong>nen selbstaufgefordert, ihr eigenes kreatives Potenzial zu nutzen. Sie erarbeiteten Texte und dokumentiertenihre Erkenntnisse <strong>in</strong> dem Buch. Bei Exkursionen fotografierten sie ihnen wichtigersche<strong>in</strong>ende Objekte und Blickw<strong>in</strong>kel. Sie zeichneten architektonische Details oder Gegenstände(z. B. am Hohenhof oder im Riemerschmid-Haus). Sie recherchierten im Internet,<strong>in</strong> Bibliotheken (v.a. <strong>in</strong> der sehr hilfsbereiten Stadtbibliothek Hagens) oder im Stadtarchiv(„Historisches Zentrum“) oder sie besuchten Bewohner der Häuser am „Stirnband“ und andererhistorischer Straßen. Das Osthaus Museum und se<strong>in</strong>e Bau- und Gestaltungsgeschichte,der Hagener Hauptbahnhof oder die Fassadengestaltung des Hagener Theaters stelltenbedeutende Ankerpunkte e<strong>in</strong>er besonderen Kulturanalyse dar. Die Schüler/<strong>in</strong>nen nutzten51


die elterlichen Kontakte oder Arbeitsstellen, um mehr über e<strong>in</strong>en Teilbereich der Stadt – e<strong>in</strong>Unternehmen, e<strong>in</strong>e städtische Behörde oder e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> – zu erfahren.Schließlich setzten sie sich mit Texten von Karl Ernst Osthaus selbst ause<strong>in</strong>ander. Sie lerntense<strong>in</strong>e Art der Fragen kennen, wie er die Stadtentwicklung sah und welche Auffassunger dazu vertrat. Zum Schluss wählte jede/r e<strong>in</strong> eigenes Projekt aus, das sie/ihn am meisten<strong>in</strong>teressierte. Die von den Schüler/<strong>in</strong>nen ausgewählten Themen und Fragestellungen zeigen,wie erheblich der Lern- und Wissenszuwachs der jungen Leute ist. Auch die Tatsache, dasssich e<strong>in</strong>ige Kursteilnehmer für e<strong>in</strong>e Facharbeit im Kontext der Lokalgeschichte, v.a. des HagenerImpulses entschieden, verstärkt den positiven E<strong>in</strong>druck.B Die regionalgeografische Orientierung als historische MethodeDie Unterrichtsreihe zum „langen 19. Jahrhundert“, die im Jahre 2011/12 <strong>in</strong> der 12. Klasse(Q1) e<strong>in</strong>es Gymnasiums <strong>in</strong> Hagen durchgeführt wurde, sollte von der <strong>in</strong>haltlichen Ausrichtungher ke<strong>in</strong>e Abweichung gegenüber allen anderen Geschichtskursen im Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen darstellen. Die Kern<strong>in</strong>halte mussten die gleichen bleiben. Den Schüler<strong>in</strong>nen undSchülern sollte jedoch Zusätzliches geboten werden. Der Kurs stellte den Versuch dar, denLernenden differenzierte Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit historischen Konflikten,Personen und Prozessen zu vermitteln, um sie schließlich ganz bewusst <strong>in</strong> die Lagezu versetzen, eigenständige Erklärungen, Erläuterungen und auch Urteile über die historischenSachverhalte zu entwickeln. Zentraler Zugriff war die Vermittlung global- bzw. nationalhistorischerEreignisse parallel zu den lokalhistorischen Vorgängen. Daraus ergab sichbeispielsweise, dass die napoleonischen Kriege nicht nur für Deutschland und Europa betrachtetwurden, sondern auch für den Raum Hagen. Die deutsche (und europäische) Revolutionvon 1848/49 lernten die Schüler/<strong>in</strong>nen auf nationaler (und auch europäischer) Ebenekennen, aber ebenfalls bezogen auf die spannenden Ereignisse und Konflikte <strong>in</strong> den Häusernund Straßen Hagens und se<strong>in</strong>er Umgebung. E<strong>in</strong> weiteres Thema war die besondereQualität der Industrialisierungsprozesse <strong>in</strong> Hagen, die sich durch die Eigenarten der geografischenLage Hagens an vielen Bächen und Flüssen (Ruhr, Lenne, Volme, Ennepe) e<strong>in</strong>gebettet<strong>in</strong> das hügelige Sauerland, erklärt. In diesem Mittelgebirgsraum hatte es schon seitdem Spätmittelalter Kle<strong>in</strong>eisen<strong>in</strong>dustrie mit recht bedeutenden Handwerksbetrieben undKle<strong>in</strong>unternehmern gegeben. Das macht die ungewöhnlich frühen Entwicklungsschübe imBereich von Eisenproduktion und Textilwirtschaft verstehbar. Die erste Eisenbahn Deutschlandsproduzierte der Unternehmer und Adelige Friedrich Harkort im Raum Hagen.52Für die gesamte Unterrichtsreihe konnte e<strong>in</strong> großes Lern<strong>in</strong>teresse und die hohe Kommunikationsbereitschaftder Lernenden beobachtet werden. Wiederholt zeigte sich, dass sich die


nationale Geschichte durch die regionale erklären, aber vor allem verstehen und emotionalnachvollziehen ließ wie auch umgekehrt. Die politischen Ause<strong>in</strong>andersetzungen der Revolutionsjahrewurden durch die Protestbriefe, Reden, Demonstrationen und Protestmärscheoder militante Maßnahmen Hagener Intellektueller und Handwerker leichter verständlichals manches Ereignis <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> oder Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. Auch die liberalere AusrichtungHagens, die sich aus der E<strong>in</strong>führung des Code Napoléon begründet, und damit die Stadt <strong>in</strong>Gegensatz zum politisch reaktionären Preußen brachte, vermittelte e<strong>in</strong>en fasslicheren E<strong>in</strong>druckder verschiedenen politischen Strömungen und politischen Konfliktl<strong>in</strong>ien Deutschlands.Die durch die Verfolgung der preußischen Regierung erzwungene Flucht verschiedenerRevolutionäre <strong>in</strong>s Ausland, z. B. <strong>in</strong> die USA, und ihr weiterer Lebensweg erfüllten dieSchüler/<strong>in</strong>nen sogar mit Stolz. Schließlich kam beispielsweise Wilhelm Bö<strong>in</strong>g, der Begründerdes US-Luftfahrtkonzerns, aus Hagen-Hohenlimburg.Durch die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des regionalgeografischen Raums, der zur Konkretisierung und Differenzierung,aber auch zur Überprüfung nationalhistorischer Aussagen und Feststellungendiente, wurde e<strong>in</strong> deutlich besseres Verständnis für die konflikthaften Verläufe und diegroßen Ause<strong>in</strong>andersetzungsprozesse <strong>in</strong> allen historischen Themenfeldern möglich: Diekomplexen Vorgänge des Umwandlungsprozesses e<strong>in</strong>er agrarisch strukturierten deutschenGesellschaft mit ihren absolutistischen Adelsherrschaften h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em modernen Industriestaat,dessen Bevölkerung e<strong>in</strong>en grundlegenden sozialen und politischen Wandel durchlebte,s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrer Komplexität und fundamentalen Bedeutung für Deutschland und großeTeile Europas zentral. Schließlich sche<strong>in</strong>t am Ende des 19. Jahrhunderts von dem traditionellgeprägten System am Beg<strong>in</strong>n des Jahrhunderts fast nichts mehr übrig geblieben zu se<strong>in</strong>.Dieser so genannte Modernisierungsprozess brachte für die Menschen der Zeit völlig unbekannteHerausforderungen, stellten die Schüler/<strong>in</strong>nen schließlich fest. Zentrale Merkmaledieses Jahrhunderts s<strong>in</strong>d die großen Entwicklungsgegensätze, die Radikalität der politischenEreignisse und der scharfe Gegensatz zwischen der wirtschaftlich und politisch bestimmendenGesellschaftsschicht der Adeligen und Großbürger und den vielen völlig e<strong>in</strong>flusslosenund am Rande des Existenzm<strong>in</strong>imums lebenden Arbeitern und kle<strong>in</strong>en Angestellten. Dieliberalen Ideale der Französischen Revolution, die auch <strong>in</strong> Deutschland zu e<strong>in</strong>em erwachendenNationalbewusstse<strong>in</strong> und zu Menschenrechtsforderungen am Beg<strong>in</strong>n des Jahrhundertsgeführt hatten, waren am Ende des Jahrhunderts e<strong>in</strong>em rigiden Nationalismus gewichen.Im Verhältnis der europäischen Mächte untere<strong>in</strong>ander hatte sich <strong>in</strong> Folge der E<strong>in</strong>igungskriegeund der Reichsgründung von 1871 e<strong>in</strong> immer aggressiver ausgerichtetes Konfliktpotentialentwickelt. Deutschland betrieb nach außen h<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Politik der Stärke und unterdrückteim Innern demokratische und liberale Bestrebungen. Es kam so zu e<strong>in</strong>em gefährlichen53


Gegensatz zwischen der vorwärts strebenden Schwer<strong>in</strong>dustrie mit enormem Innovationspotenzial(vor allem im Bereich der Waffentechnik), aber auch mit der Hoch<strong>in</strong>dustrialisierungim Bereich von Chemie, Elektrizität und Masch<strong>in</strong>enbau (Autos) mit dem immer größerenHeer von Arbeitern, v.a. Facharbeitern, Angestellten und gebildeten Bürgerlichen e<strong>in</strong>erseitsund andererseits e<strong>in</strong>er stark rückwärtsgewandten politischen Klasse, die sich den geändertenpolitischen und gesellschaftlichen Anforderungen nach Beteiligungsgerechtigkeit nichtstellen wollte.Im Kle<strong>in</strong>en vor Ort, <strong>in</strong> der regionalen Geografie, wurde dieser allgeme<strong>in</strong>e Konflikt derdeutschen Nation durch die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Person des Bankiers, Mäzens understrangigen Kunstförderers der Stadt Hagen, Karl Ernst Osthaus, vertieft und differenziert.Se<strong>in</strong>e sehr fachkundige und engagierte Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Entwicklung der StadtHagen und ihrer künstlerisch-kulturellen Entwicklung sollte zum e<strong>in</strong>en das bisher erworbeneWissen vertiefen, zum anderen sollten die Schüler/<strong>in</strong>nen den bedeutenden Kopf KarlErnst Osthaus und se<strong>in</strong>e Werke und Arbeiten verstehen und vor dem H<strong>in</strong>tergrund des eigenenWissens über die Entwicklung der Stadt (und des Staats) nachvollziehen, wertschätzenund beurteilen lernen.Zusammengefasst hatte der Unterricht folgende Dimensionen des Lernens:■ Er sollte Fachwissen über die historischen Ereignisse vermitteln.■ Er sollte Erkenntnisse über die Bedeutung historischer Entwicklungen ermöglichen.■ Er sollte jeder Schüler<strong>in</strong>/jedem Schüler die Chance eröffnen, <strong>in</strong>dividuelleKompetenzen im Umgang mit historischen Problemstellungen und ihrer Beurteilungzu entwickeln.CHistorisches Verständnis und Beurteilungsvermögen als Kompetenzerlebnis54Es zeigte sich, dass die Möglichkeit, lokalhistorische bzw. lokalgeografische Ansätze für dasVerständnis allgeme<strong>in</strong>er Geschichtsthemen zu nutzen, außerordentlich erfolgreich war. DieSchüler/<strong>in</strong>nen nahmen die Informationen über die Ereignisse der verschiedenen Epochennicht als re<strong>in</strong>e Wissensgegenstände wahr, sondern fühlten sich unmittelbar davon angesprochen.Sie kennen die Ortsnamen, die Regionen und Straßen, von denen die Rede war. E<strong>in</strong>enbesonderen Höhepunkt sahen die Schüler/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> der Besonderheit der wirtschaftlichenErfolgsgeschichten Hagener Unternehmer. Mit der Reichsgründung 1871 kam es zwar zurdeutschen E<strong>in</strong>heit, diese garantierte jedoch ke<strong>in</strong>e Freiheit. In dem Spannungsverhältnis vonwirtschaftlichem Erfolg und politisch-gesellschaftlicher Rückständigkeit, wie sie sich vor allem<strong>in</strong> der Geografie der Stadtanlage, ihren öffentlichen Gebäuden und fehlenden Räumenfür die stark angewachsene Arbeiterschaft zeigte, aber auch <strong>in</strong> dem ger<strong>in</strong>gen Bildungsgrad


ihrer Bewohner ist die Geschichte von Karl Ernst Osthaus aus Hagen verortet. Se<strong>in</strong>e wichtigstenMaßnahmen: Fortbildungsangebote, Künstlerförderung, Museumsbau, <strong>in</strong>novativeStadtplanung mit technisch und künstlerisch modernstem Wohnungsbau für hochgestelltePersönlichkeiten, aber auch für die Arbeiter e<strong>in</strong>er Textilfabrik, wie auch das Zusammentragenvon Kunstwerken aus aller Welt und e<strong>in</strong>e sehr umfangreiche, unermüdliche schriftlicheAuse<strong>in</strong>andersetzung mit den Problemen se<strong>in</strong>er Industriestadt.So wie er sich um e<strong>in</strong>e ganzheitliche Ause<strong>in</strong>andersetzung mit se<strong>in</strong>er Heimatstadt bemühte,bildete auch der methodische Zugriff der Unterrichtsreihe e<strong>in</strong>en vielgestaltigen Zugang zumVerständnis der Gewordenheit des eigenen Orts wie auch des eigenen Landes (und Kont<strong>in</strong>ents).Im Zusammenhang mit der Unterrichtsreihe wurden folgende Facharbeiten erstellt:■ Die Fleyer Straße im Wandel der Zeiten. Veränderungen im Umfeld der FleyerStraße im Kontext der Entwicklung der Stadt Hagen bis 1930 (wurde <strong>in</strong>zwischenbeim Historischen Vere<strong>in</strong> der Stadt Hagen im Jahrbuch 2012 veröffentlicht).■ Milly Steger, die Reformator<strong>in</strong> der schematischen Geschlechterideologie?Dargestellt am Beispiel des „Hagener Theaterskandals“.■ Der Münchner Architekt Richard Riemerschmid und der Bau der ArbeitersiedlungWalddorfstraße <strong>in</strong> Hagen, 1908.Ausgewählte Literatur> Ralf Blank / Stephanie Marra / Gerhard E.Sollbach: Hagen. Geschichte e<strong>in</strong>er Großstadtund ihrer Region, Essen 2008> Karl Schlögel: Im Raume lesen wir die Zeit.Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik,3. Aufl., Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 2009AnmerkungDie Vorgaben für das Abitur <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen umfassen folgende Themenbereiche:Nationalstaatsgedanke und Nationalismus <strong>in</strong> Europa (Idee und Problematik des Nationsbegriffs;Bedeutung der Napoleonischen Kriege für den Nationalstaatsgedanken am BeispielDeutschlands und e<strong>in</strong>es weiteren Landes; „E<strong>in</strong>heit und Freiheit“ <strong>in</strong> der deutschen Revolution1848/49; Reichsgründung von oben: <strong>in</strong>nen- und außenpolitische Grundlagen desDeutschen Kaiserreichs), Zweite Industrielle Revolution (technischer Fortschritt und sozioökonomischeVeränderungen) und imperialistische Expansion (Deutschland, Großbritannien,USA) 1880 – 1914.Der Europarat erarbeitet zur Zeit e<strong>in</strong> Curriculum für den Geschichtsunterricht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en47 Mitgliedsländern: Shared Histories for a Europe without divid<strong>in</strong>g L<strong>in</strong>es, <strong>in</strong> dem dieIndustrialisierung als e<strong>in</strong>es der verb<strong>in</strong>denden Themen bearbeitet wird.55


Gerhard Dohmann und Sab<strong>in</strong>e VonnahmeDer Projektkurs „Stadtspäher“ – e<strong>in</strong>fachübergreifendes Projekt im Rahmender neuen QualifikationsphaseDie Neuorganisation der Qualifikationsphase im Rahmen der Kürzung der gymnasialenSchullaufbahn auf acht Jahre (G 8) ermöglichte erstmals das Angebot von fachübergreifendangelegten Projektkursen, welche über zwei Halbjahre gewählt und mit e<strong>in</strong>er schriftlichenAbschlussarbeit vertieft werden sollen. Die neue Kursform bot den Anlass, das sowohlkunstgeschichtlich, regionalgeschichtlich als auch architekturgeschichtlich <strong>in</strong>teressante undbedeutsame Thema des Hagener Impulses <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit der Technischen UniversitätDortmund und der <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong> aus den fachspezifischen Perspektiven Kunstund Geschichte zu erarbeiten. Bereits bei der Vorstellung des Projekts zeigte sich seitens derSchüler<strong>in</strong>nen und Schüler e<strong>in</strong>e ungewöhnlich große Resonanz und e<strong>in</strong> breites Interessensspektrum,so dass diese vielfältigen Wünsche konstruktiv <strong>in</strong> die Planung e<strong>in</strong>bezogen werdenkonnten.Die Projektgruppe bestand aus 17 Teilnehmern, zwölf Schüler<strong>in</strong>nen und fünf Schülern, wobeihistorische Interessensschwerpunkte eher von den Schülern, kunstgeschichtliche bzw.künstlerische eher von den Schüler<strong>in</strong>nen genannt wurden.Der Unterricht begann zunächst mit e<strong>in</strong>er systematischen Erarbeitung der Biografie sowieder kulturgeschichtlichen Schriften Karl Ernst Osthaus’, dessen vielfältige kulturgeschichtlicheStudien <strong>in</strong> Gruppenarbeit vorgestellt wurden. Bei der anschließenden Sichtung derarchitektonischen Zeugnisse dieser für Hagen so bedeutenden Persönlichkeit übte sich dieGruppe erstmals <strong>in</strong> der Tätigkeit des „Spazierenguckens“ und gewann nicht nur neue Blickw<strong>in</strong>kelauf Vertrautes, sondern auch die E<strong>in</strong>sicht, dass Erspähtes mittels optimierten Zeichentechniken<strong>in</strong> den Projektbüchern als Skizze festgehalten werden konnte. Das Projektbuchwuchs daher im Laufe der zwei Halbjahre für jede/n e<strong>in</strong>zelne/n Schüler/<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>ersehr persönlich angelegten Dokumentation zeichnerisch festgehaltener E<strong>in</strong>drücke und dendazugehörenden Informationen.Neben den theoretischen Schriften Osthaus’ wurden <strong>in</strong> den Außenterm<strong>in</strong>en immer wiederdie baugeschichtlichen Quellen besichtigt – so etwa das Milly-Steger-Haus und das Thorn-Prikker-Haus am Stirnband sowie der Hohenhof, darüber h<strong>in</strong>aus die Häuser am Goldberg(Spr<strong>in</strong>gmann-Villa, Gärtnerei am Goldberg) sowie natürlich das Herzstück der museumsdidaktischenAnliegen von Osthaus, das heutige Osthaus Museum (früher Museum Folkwang).Bei den Besichtigungen und dem Spähen <strong>in</strong> den eigentlich bekannten heimischenRegionen gewannen viele Schüler e<strong>in</strong> spürbar neues Verhältnis zu „ihrer“ Stadt, das sie auchals besonderen Gew<strong>in</strong>n aus der Projektarbeit bezeichneten.56Im zweiten Halbjahr beschäftigte sich die Projektgruppe mit dem kulturgeschichtlichenH<strong>in</strong>tergrund der Moderne, besichtigte etwa im Rahmen der kunstgeschichtlichen Sequenz


die Ausstellung „Der Sturm“ im Von der Heydt-MuseumWuppertal und erprobte im Atelier expressionistische Maltechniken.Darüber h<strong>in</strong>aus war die Architektur der Moderne<strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong> breites Thema, ebenso wie die Lyrik desExpressionismus und deren besondere Beziehung zur Kunst.Die fachmethodischen und wissenschaftspropädeutischenZiele des Projektkurses konnten durch Führungen <strong>in</strong> denBibliotheken der Fernuniversität und der Stadtbücherei sowieder anschließenden Anwendung der Recherchemöglichkeitenerreicht werden. Die Folge der Sequenzen ermöglichteE<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> die Verflechtungen zwischen Kulturgeschichteund Politik- und Gesellschaftsgeschichte e<strong>in</strong>erseits und derKunst-, Architektur- und Literaturgeschichte andererseits, und daher spiegeln auch die tatsächlichentstandenen Projektarbeiten das breite Spektrum der Schüler<strong>in</strong>teressen gut wider.Insgesamt lässt sich diese neue Kursform zur Vertiefung fachübergreifender, nicht im Lehrplanverankerter Inhalte optimal mit diesem Thema füllen, da Karl Ernst Osthaus nicht nure<strong>in</strong>e schillernde, sondern auch <strong>in</strong> allen kulturellen Bereichen der Moderne vielseitig tätigePersönlichkeit gewesen ist.Die Beurteilungen der Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler bestätigen neben e<strong>in</strong>igen Verbesserungsvorschlägenvor allem e<strong>in</strong>en persönlichen Gew<strong>in</strong>n <strong>in</strong> der Sichtweise auf ihre Heimatstadtund deren Geschichte, aber auch auf ihre persönliche Perspektive im Berufsleben, welchefür zwei Schüler<strong>in</strong>nen nunmehr deutlich im Fachbereich Kunstgeschichte angesiedelt ist.57


Klaus-Peter BusseDie Ausstellung der StadtspäherVon Anfang an stand fest, die Ergebnisse des Stadtspäher-Projekts <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ausstellung zudokumentieren. Das Ziel war, sie <strong>in</strong> der Hagener Öffentlichkeit zu präsentieren und über dieAusstellung die Besucher<strong>in</strong>nen und Besucher zu Stadterkundungen e<strong>in</strong>zuladen. Die Ausstellungder Stadtspäher hatte hohe Ansprüche: Sie wollte nicht nur <strong>in</strong>formieren, darstellenund zeigen, sondern auch <strong>in</strong> die Öffentlichkeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> wirken, um darzulegen, wie wichtigder Umgang mit dem kulturellen Erbe der Stadt ist. Alle Werke <strong>in</strong> der Ausstellung wurdenvon jungen Menschen angefertigt: von K<strong>in</strong>dern, Jugendlichen an Hagener Schulen undvon Studierenden des Fachs Kunst an der TU Dortmund, die ihre Ause<strong>in</strong>andersetzung mitder Baukultur und Kunstgeschichte präsentierten, nachdem e<strong>in</strong> Austausch aller beteiligtenPersonengruppen durch geme<strong>in</strong>sames Lernen und Debattieren stattgefunden hatte. Es ware<strong>in</strong>e mehr als glückliche Rahmenbed<strong>in</strong>gung, dass diese Ausstellung an zentraler und historischerStelle <strong>in</strong> Hagen gezeigt werden konnte. Das „Junge Museum“ im historischen Teildes Osthaus Museums eröffnete die Präsentation am 2. Juni2011. Die Ausstellung fand dort statt, wo das Stadtspähenbegonnen hatte.Die Ausstellung zeigte die Werke der unterschiedlichen Personenkreise,die am Projekt teilgenommen hatten, und Fotografien,die die Projektarbeit dokumentieren. Denn vonAnfang an wurden die Stadtspäher beim Zeichnen im Museum,im Riemerschmid-Haus, im Krematorium <strong>in</strong> Hagen-Delstern, bei Exkursionen zum Hohenhof, im Freilichtmuseum<strong>in</strong> der Selbecke und natürlich <strong>in</strong> den Hagener Schulenfotografiert. Diese Projektfotos zeigen die <strong>in</strong>dividuellen Zugangsweisender K<strong>in</strong>der und Jugendlichen zur Baukultur wieihre Blicke auf Architektur, die manchmal sehr ungewöhnlichs<strong>in</strong>d. Darüber h<strong>in</strong>aus stellen sie die e<strong>in</strong>zigartige Zusammenarbeitder unterschiedlichen Personengruppen dar.Diese Fotografien s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> anschauliches Dokument <strong>in</strong>dividualisiertenLernens auf der e<strong>in</strong>en Seite und sozialer Lernformenauf der anderen Seite.60In e<strong>in</strong>em zweiten und dritten Teil präsentierte die Ausstellungdie Zeichnungen, Graphiken und Fotografien von Studierenden,die <strong>in</strong> den künstlerischen Sem<strong>in</strong>aren von Bett<strong>in</strong>avan Haaren und Felix Dobbert an der TU Dortmund vor Ort<strong>in</strong> Hagen entstanden. Der langsam entstehende professionellekünstlerische Blick auf die Baukultur und se<strong>in</strong>e Entwick-


lung <strong>in</strong> Zeichnungen und Fotografien belegen den besonderenUmgang mit Architektur, wie er im Eigens<strong>in</strong>n der Kunstgeschieht.Der dritte Teil der Ausstellung verlangte <strong>in</strong> der Planungund Konzeption e<strong>in</strong>e besondere Aufmerksamkeit, da etwasNeues im Umgang mit der Arbeit von Schüler<strong>in</strong>nen undSchülern im Projekt versucht wurde. Man konnte <strong>in</strong> jederH<strong>in</strong>sicht davon ausgehen, dass sie im Kunstunterricht gestalterischüber die Baukultur Hagens arbeiteten. So hättees e<strong>in</strong> Ziel se<strong>in</strong> können, diese Bilder, Objekte und Modelleauszustellen.In der Regel werden von der Kunstpädagogik solche produktorientiertenAusstellungen mit Bildern, Objekten undModellen entwickelt. Da das Stadtspäher-Projekt aber sehrgroßen Wert auf die Dokumentation des <strong>in</strong>dividuellen Lernens<strong>in</strong> heterogenen Gruppen als Vermittlungsmodell vonKunstgeschichte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fächerübergreifenden Lernkontextlegte, musste e<strong>in</strong> anderer Weg zur Darstellung der Lernprozessegefunden werden. So wurde Baukultur <strong>in</strong> den FächernKunst, Technik, Geschichte und Mathematik thematisiert,wobei sich noch weitere fachspezifische Annäherungen ergaben.Aus diesem Grund hatten alle Teilnehmer<strong>in</strong>nen undTeilnehmer Arbeitsbücher erhalten, <strong>in</strong> denen sie ihre Ause<strong>in</strong>andersetzungmit Baukultur und Kunstgeschichte niederlegten.K<strong>in</strong>der, Jugendliche und Studierende hatten damit die Aufgabe, e<strong>in</strong> Buch zu verfassenund zu gestalten. Da Bücher zum Lesen und Betrachten gemacht werden, lag es nahe,sie <strong>in</strong> der Ausstellung als Bibliothek zu präsentieren und zu öffnen. Die Besucher<strong>in</strong>nen undBesucher hatten so die Möglichkeit, sich <strong>in</strong> dem aufgebauten Lesesaal an e<strong>in</strong>en großen Tischzu setzen, um <strong>in</strong> den Arbeitsbüchern zu stöbern. Dadurch bekam die Ausstellung e<strong>in</strong>enpartizipatorischen Charakter. Natürlich griff sie dabei etwas auf, was am Osthaus Museumwichtig ist.Ausgewählte Literatur> Klaus-Peter Busse: Blickfelder –Kunst unterrichten. Die Vermittlung vonKunstgeschichte und künstlerischem Arbeiten(Dortmunder Schriften zur Kunst / Studien zurKunstdidaktik 14). i. V. 2013Das offene Archiv der Er<strong>in</strong>nerung „Vor der Stille“ von der Künstler<strong>in</strong> Sigrid Sigurdsson mite<strong>in</strong>er angegliederten wissenschaftlichen Bibliothek bef<strong>in</strong>det sich nur e<strong>in</strong> Stockwerk höher.Dieses Archiv und die temporäre Installation der Stadtspäher-Dokumente vom 2. Juni bis30. September 2012 belegen e<strong>in</strong>e Methode zum Umgang mit Kultur und Gedächtnis.61


<strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong>Hohenzollernstraße 4571630 Ludwigsburgwww.wuestenrot-stiftung.deAbbildungenKirill Golovchenko: S. 10, 57 unten rechts, 61 oben, Mitte.Stadtspäher / TU Dortmund: Titelbild, S. 11 – 17, 22 + 23, 29 – 31, 33 – 39, 46 – 50, 57 oben, Mitte, unten l<strong>in</strong>ks, 60.Tobias Roch, Hagen: S. 58 + 59, 61 unten, 62 + 63.Sowie die Künstler<strong>in</strong>nen und Künstler.Alle Abbildungen ersche<strong>in</strong>en mit der freundlichen Genehmigung der Rechte<strong>in</strong>haber. Wo diese nicht ermitteltwerden konnten, werden berechtigte Ansprüche im Rahmen des Üblichen abgegolten. Für den Inhalt unddie Richtigkeit der gemachten Angaben s<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong> die Autoren verantwortlich.Lektorat Krist<strong>in</strong>a Hasenpflugtitelbild Stadtspäher TU DortmundGrafikdesign Sophie BleifußProduktion Hiller Medien, Berl<strong>in</strong>Bildbearbeitung bildpunkt, Berl<strong>in</strong>Druck und B<strong>in</strong>dung Medialis, Berl<strong>in</strong>© 2013 <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong>, LudwigsburgAlle Rechte vorbehalten. All Rights Reserved.64ISBN 978-3-933249-82-1

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