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Der Pledge – EU-Feigenblatt für Kinder-Werber in der ... - Foodwatch

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Zahlen, Daten, Fakten<strong>Der</strong> <strong>Pledge</strong> <strong>–</strong> <strong>EU</strong>-<strong>Feigenblatt</strong> <strong>für</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>-<strong>Werber</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebensmittel<strong>in</strong>dustrieStand: 30. April 20131. Bewertende ZusammenfassungAn <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> gerichtete Werbung und Market<strong>in</strong>gmethoden gelten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebensmittel<strong>in</strong>dustrie alsbeson<strong>der</strong>s sensibel, gerade im Zuge <strong>der</strong> Diskussion über ernährungsbed<strong>in</strong>gte gesundheitlicheProbleme (v.a. Übergewicht <strong>–</strong> 15 Prozent <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> Deutschland betroffen). Die größtenLebensmittelhersteller haben sich im Rahmen e<strong>in</strong>er <strong>EU</strong>-Initiative freiwillig selbstverpflichtet, ihreWerbemaßnahmen zu beschränken: Insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> ungesunde Produkte soll es ke<strong>in</strong>eWerbung an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> unter 12 Jahren geben. Die beteiligten Unternehmen lassen sich regelmäßigdurch von ihnen beauftragte Gutachten besche<strong>in</strong>igen, dass sie sich an die Selbstbeschränkunghalten.Tatsächlich jedoch s<strong>in</strong>d die Regularien so ausgestaltet, dass es ke<strong>in</strong>e ernsthafte Beschränkunggibt: Es existieren so viele Schlupflöcher und Son<strong>der</strong>regelungen, dass die Unternehmen selbst<strong>für</strong> Frühstücksflocken, die zu e<strong>in</strong>em Drittel aus Zucker bestehen, o<strong>der</strong> <strong>für</strong> Kartoffelchips weiterune<strong>in</strong>geschränkt werben dürfen. Die Produktverpackungen selbst s<strong>in</strong>d erst gar nicht Teil <strong>der</strong>Selbstbeschränkung, die Hersteller dürfen also auf jedes noch so zuckrige o<strong>der</strong> ungesundeLebensmittel nach wie vor Comicfiguren drucken o<strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> mit Spielzeugbeigaben locken.<strong>Der</strong> <strong>EU</strong> <strong>Pledge</strong> ist e<strong>in</strong> <strong>Feigenblatt</strong>, mit dem die Unternehmen zwei Fliegen mit e<strong>in</strong>er Klappeschlagen: Sie dürfen e<strong>in</strong>fach weiter Werbung und Market<strong>in</strong>g <strong>für</strong> Ungesundes machen <strong>–</strong> könnensich aber dennoch das Siegel e<strong>in</strong>es beson<strong>der</strong>s verantwortlichen Umgangs mit <strong>der</strong> Zielgruppe<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> anheften.2. Politischer Rahmen<strong>Der</strong> <strong>Pledge</strong> ist Teil <strong>der</strong> Maßnahmen, die aus <strong>der</strong> <strong>EU</strong> „Platform for Action on Diet, PyhsicalActivity and Health“ hervorgegangen s<strong>in</strong>d. Die Plattform wurde 2005 vom ehemaligenGesundheits- und Verbraucherschutzkommissar Markos Kyprianou <strong>in</strong>itiiert und soll Initiativenzur För<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>es gesunden Lebensstils und <strong>der</strong> Prävention von Übergewicht undchronischen Erkrankungen zusammenbr<strong>in</strong>gen. Mitglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d <strong>–</strong> ähnlich wie bei <strong>der</strong> deutschen„Plattform Ernährung und Bewegung“ <strong>–</strong> neben <strong>der</strong> Lebensmittel<strong>in</strong>dustrie, demLebensmittelhandel und ihren Verbänden auch Verbraucher- und Gesundheitsverbände sowieVerbände <strong>der</strong> Werbewirtschaft. 74 Prozent s<strong>in</strong>d profitorientiere Unternehmen, 26 Prozentkommen aus dem geme<strong>in</strong>nützigen Bereich. E<strong>in</strong>gebunden ist die Plattform seit 2007 <strong>in</strong> die von<strong>der</strong> Kommission entworfene <strong>EU</strong>-weite Strategie zur Prävention von Übergewicht un<strong>der</strong>nährungsbed<strong>in</strong>gten Krankheiten. Die Plattform setzt ausschließlich auf freiwillige Initiativen.3. <strong>Der</strong> <strong>Pledge</strong>2007 haben sich 11 große Lebensmittelkonzerne (Burger K<strong>in</strong>g, Coca-Cola, Danone, Ferrero,General Mills, Kellogg, Kraft Foods, Mars, Nestlé, PepsiCo and Unilever) freiwillig dazuverpflichtet, die an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> gerichtete Werbung <strong>für</strong> e<strong>in</strong>ige ihrer Produkte e<strong>in</strong>zuschränken. 2010kam die European Snack Association (Estrella-Maarud, Intersnack, Lorenz Snack-World,Unichips and Zweifel Pomy-Chip) dazu, McDonald’s und die Chips Group 2011 und FrieslandCamp<strong>in</strong>a 2012. Insgesamt s<strong>in</strong>d nun 19 Unternehmen beteiligt, die nach eigener Aussage 80Seite 1 von 7foodwatch e.v. • brunnenstraße 181 • 10119 berl<strong>in</strong> • fon +49 (0)30 - 240 476 -2 90 • fax -26 • presse@foodwatch.de • www.foodwatch.de


Prozent <strong>der</strong> (vom <strong>Pledge</strong> erfassten) Werbeausgaben (Fernseh-, Pr<strong>in</strong>t- und Internet-Werbung) <strong>für</strong>Lebensmittel und Getränke <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong> abdecken. 1Die zwei zentralen Versprechen des <strong>EU</strong>-<strong>Pledge</strong>s s<strong>in</strong>d:Ke<strong>in</strong>e Fernseh-, Pr<strong>in</strong>t- und Internet-Werbung, die sich an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> unter 12 richtet. Außer<strong>für</strong> Produkte, die spezifische Nährwertanfor<strong>der</strong>ungen, basierend auf <strong>in</strong>ternationalenEmpfehlungen und wissenschaftlicher Grundlage, erfüllen (siehe Beispiele unter Punkt4. <strong>in</strong> diesem Dokument)Ke<strong>in</strong>e Produktkommunikation <strong>in</strong> Grundschulen, außer, wenn dies ausdrücklichnachgefragt und mit <strong>der</strong> Schulleitung abgesprochen wurde bzw. zu edukativenZwecken 2Ab 2012 wurden die Vorgaben des <strong>Pledge</strong>s ergänzt: Es sollte nun auch ke<strong>in</strong>e Werbung mehr an<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> unter 12 Jahren auf firmeneigenen Webseiten und <strong>in</strong> TV-Programmen, <strong>der</strong>en Publikumzu m<strong>in</strong>destens 35 Prozent aus <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n unter 12 besteht, erfolgen. Ausgenommen s<strong>in</strong>dweiterh<strong>in</strong> Produkte, die „beson<strong>der</strong>e ernährungsphysiologische Kriterien“ auf Basis akzeptierterwissenschaftlicher Evidenz und nationaler und <strong>in</strong>ternationaler Ernährungsempfehlungenerfüllen. Die konkreten jeweiligen Parameter unterscheiden sich jedoch nach wie vor vonUnternehmen zu Unternehmen <strong>–</strong> und sie s<strong>in</strong>d so def<strong>in</strong>iert, dass die vorgeblichen Ziele e<strong>in</strong>ersolchen Beschränkung (nämlich ke<strong>in</strong>e Werbung mehr <strong>für</strong> unausgewogene Produkte an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>zu richten) bis zur Unwirksamkeit unterlaufen werden können. Komplett unberührt von <strong>der</strong>Selbstbeschränkung bleiben zudem die Verpackungen und Rezepturen von <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>produkten,also das Produktangebot selbst.4. Wie Unternehmen trotz Selbstbeschränkung weiter ungesunde Lebensmittel an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>vermarkten <strong>–</strong> Beispielefoodwatch sucht 2013 bei <strong>der</strong> Onl<strong>in</strong>e-Wahl zum Goldenen W<strong>in</strong>dbeutel unter www.goldenerw<strong>in</strong>dbeutel.dedie „dreisteste Werbemasche bei e<strong>in</strong>em <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>produkt“. Zwei <strong>der</strong> Kandidaten <strong>–</strong>Nestlé und Funny-frisch (Intersnack) s<strong>in</strong>d mit Produkten nom<strong>in</strong>iert, <strong>für</strong> die sie trotz ihresunausgewogenen Profils weiterh<strong>in</strong> Werbung gezielt an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> richten. Auch an<strong>der</strong>eUnternehmen rühren die Trommel <strong>für</strong> Ungesundes, <strong>der</strong> Selbstbeschränkung zum Trotz.Entwe<strong>der</strong> werden Süßigkeiten zu ausgewogenen Produkten umdef<strong>in</strong>iert, o<strong>der</strong> das Kriterium istnicht die aktuelle Zusammensetzung des Produktes <strong>–</strong> son<strong>der</strong>n die Tatsache, dass dieZusammensetzung früher noch unausgewogener war als heute.Beispiel Intersnack/Funny-frisch- <strong>für</strong> den Goldenen W<strong>in</strong>dbeutel nom<strong>in</strong>iert mit dem <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>-Kartoffel-Snack Pom-Bär <strong>–</strong> dieserist mit rund 2,5 Gramm Salz und 28 Gramm Fett pro 100 Gramm mehr als fünf Mal sosalzig und doppelt so fettig wie Pommes frites von McDonald’s (0,3-0,5 Gramm Salz, 14-15g Fett Gramm pro 100 Gramm).- Beworben wird Pom-Bär dennoch: E<strong>in</strong> TV-Spot mit eigenem Rap-Song richtet sich direkt an<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>. 3 Zudem gibt es e<strong>in</strong>e Onl<strong>in</strong>e-Welt speziell <strong>für</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> mit Stundenplänen, Bastelsets,Tierpatenschaften, Handy-Kl<strong>in</strong>gelton etc. 4- Unter <strong>der</strong> Überschrift „Verantwortungsvolles Market<strong>in</strong>g“ hat sich Intersnack im Rahmen des<strong>EU</strong>-<strong>Pledge</strong>s verpflichtet, grundsätzlich ke<strong>in</strong>e Werbung an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> unter 12 Jahren zu richten1 http://eu-pledge.eu/content/about-eu-pledge2 ebd.3 http://pombär.de/ (Siehe dort „TV-Spot“)4 http://pombär.de/Seite 2 von 7foodwatch e.v. • brunnenstraße 181 • 10119 berl<strong>in</strong> • fon +49 (0)30 - 240 476 -2 90 • fax -26 • presse@foodwatch.de • www.foodwatch.de


Beispiel Kellogg’s- Frühstücksflocken, die Kellogg’s als <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>produkte vermarktet, enthalten im Mittel 29Prozent Zucker. Es gibt e<strong>in</strong> Produkt (Rice Krispies) mit 8 Prozent Zucker, alle an<strong>der</strong>en habenm<strong>in</strong>destens 25 Prozent Zucker <strong>–</strong> Spitzenreiter: Smacks mit 43 Prozent.- <strong>EU</strong>-<strong>Pledge</strong>-Verpflichtung von Kellogg‘s 14 : Beworben werden dürfen Produkte, die nicht mehrals 12 Gramm Zucker (sowie 200 kcal, 2 Gramm gesättigte Fette, 230 mg Natrium) „proPortion“ enthalten. Zur Portionsgröße macht Kellogg’s ke<strong>in</strong>e näheren Angaben <strong>–</strong> lautVerpackung liegt e<strong>in</strong>e Portion bei 30 Gramm, demzufolge kann das Produkt zu bis zu 40Prozent aus Zucker bestehen und immer noch die „beson<strong>der</strong>en Nährwertkriterien“ erfüllen.- Die „anerkannten Empfehlungen“, auf denen dieses Kriterium beruht s<strong>in</strong>d laut Kellogg’sVerzehr-Empfehlungen des amerikanischen Institutes of Medic<strong>in</strong>e, die <strong>für</strong> Zucker 125Gramm zugesetzten Zucker pro Person und Tag (als „oberes tolerables Level“) vorsehen.Doch zum e<strong>in</strong>en gelten diese Werte <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e erwachsene Frau und nicht <strong>für</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> unter 12Jahren. Zum an<strong>der</strong>en empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass nicht mehr als10 Prozent <strong>der</strong> täglich aufgenommenen Kalorien aus zugesetztem Zucker stammensollten 15 . Für e<strong>in</strong>e erwachsene Frau wären das 50 Gramm, also weniger als die Hälfte <strong>der</strong>Kellogg’s-Grundlage, <strong>für</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> entsprechend weniger (4-6jährige <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> etwa 36 Gramm,7-9jährige etwa 45 Gramm).- Produkte wie Smacks, die die Nährwertkriterien nicht erfüllen, vermarktet Kellogg’s dennochgezielt an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>–</strong> das Verpackungsdesign mit Comic-Figur spricht im Supermarkt <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>an, doch die Verpackungsgestaltung gilt per Def<strong>in</strong>ition im <strong>EU</strong>-<strong>Pledge</strong> nicht als Werbung undfällt damit nicht unter die Beschränkung.Beispiel McDonald’s- hat sich verpflichtet, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Werbung <strong>für</strong> das Happy Meal nur noch Produkte zu zeigen, dieden Vorgaben <strong>der</strong> britischen Lebensmittelbehörde FSA entsprechen, die diese <strong>für</strong> dieRegulierung <strong>der</strong> Fernsehwerbung <strong>in</strong> Großbritannien entwickelt hat. Das schließtbeispielsweise Soft-Dr<strong>in</strong>ks wie Cola o<strong>der</strong> Fanta aus, ke<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Werbung gezeigtes HappyMeal sollte zudem mehr als 533kcal haben. McDonald’s verspricht außerdem, <strong>in</strong> <strong>der</strong>Werbung <strong>für</strong> das Happy Meal immer auch e<strong>in</strong>e Obst- o<strong>der</strong> Gemüsekomponente zu zeigen.Die Beschränkungen beziehen sich ausschließlich auf die Werbung, nicht aber auf dasAngebot im McDonald’s Restaurant. Nach wie vor werden also Komb<strong>in</strong>ationen aus Cola,Pommes und Burger mithilfe von Spielzeug und bei <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n beliebten Film- undComicfiguren verkauft. Nach Auskunft von McDonald’s besteht das beliebteste (d.h. meistgekaufte) Happy Meal auch nach wie vor aus Pommes, Chicken Nuggets und Cola.McDonald’s sponsert das DFB-Fußballabzeichen, ist so mit Werbebannern auf zahlreichen<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>fußballturnieren präsent 16 und ermöglicht <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n außerdem mit <strong>der</strong> „McDonald’sFußballeskorte“ Begegnungen mit <strong>der</strong> deutschen Fußballnationalmannschaft 17 . Diese Art<strong>der</strong> Werbung und des Sponsor<strong>in</strong>gs vermag es, <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> auch jenseits von klassischerWerbung beson<strong>der</strong>s effektiv und emotional <strong>für</strong> den Fast-Food-Konzern und se<strong>in</strong> nach wievor <strong>in</strong>sgesamt unausgewogenes Angebot zu begeistern. Dies wird vom <strong>Pledge</strong> nichtverh<strong>in</strong><strong>der</strong>t.14 http://www.eu-pledge.eu/sites/eu-pledge.eu/files/pledges/<strong>EU</strong>_<strong>Pledge</strong>_Kellogg_Commitment.pdf15 http://whqlibdoc.who.<strong>in</strong>t/trs/WHO_TRS_916.pdf S. 5616 http://tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g‐wissen.dfb.de/<strong>in</strong>dex.php?id=52166917 http://www.mcdonalds.de/familien/kids‐sportsSeite 4 von 7foodwatch e.v. • brunnenstraße 181 • 10119 berl<strong>in</strong> • fon +49 (0)30 - 240 476 -2 90 • fax -26 • presse@foodwatch.de • www.foodwatch.de


5. <strong>Pledge</strong>-Evaluierung<strong>Der</strong> <strong>Pledge</strong> ist e<strong>in</strong> Beitrag <strong>der</strong> Lebensmittel<strong>in</strong>dustrie im Rahmen <strong>der</strong> <strong>EU</strong> Platform for Action onDiet, Physical Activity and Health, unterstützt wird er von <strong>der</strong> World Fe<strong>der</strong>ation of Advertisers. ImAuftrag <strong>der</strong> <strong>Pledge</strong> Unterzeichner gibt es e<strong>in</strong>e jährliche Evaluierung <strong>der</strong> „Compliance“ und <strong>der</strong>Fortschritte, die u.a. von <strong>der</strong> Unternehmensberatung Accenture vorgenommen wird. DieEvaluierung erfolgt jeweils nur anhand e<strong>in</strong>er Auswahl von Län<strong>der</strong>n, Deutschland war 2009 und2012 18 Teil des Evaluationsreports. Generell ist das Ergebnis <strong>der</strong> Evaluierung immer sehrpositiv: Compliance liegt zwischen 90 <strong>–</strong> 100 Prozent, laut Bericht wird e<strong>in</strong> beständigerRückgang <strong>der</strong> Werbung <strong>für</strong> Produkte außerhalb <strong>der</strong> „beson<strong>der</strong>en ernährungsphysiologischenKriterien“ im Rahmen von <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>programmen verzeichnet.Offizielle Ergebnisse des jüngsten Monitor<strong>in</strong>g-Berichts im Auftrag <strong>der</strong> <strong>Pledge</strong> Unterzeichner:1. Seit 2005 sei TV-Werbung <strong>für</strong> Produkte, die nicht die „beson<strong>der</strong>enNährwertanfor<strong>der</strong>ungen“ erfüllen, <strong>in</strong> Programmen mit e<strong>in</strong>em <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>publikum von über35% laut Bericht um 73 Prozent zurückgegangen.2. Im selben Zeitraum sei TV-Werbung <strong>für</strong> diese Produkte generell (<strong>in</strong> allen Programmen,unabhängig von Publikum) um 48 Prozent zurückgegangen.3. Insgesamt sei die TV-Werbung <strong>für</strong> Produkte <strong>der</strong> Unterzeichner (alle Produkte,unabhängig vom Nährwertprofil) <strong>in</strong> allen Programmen (unabhängig von Publikum) um29 Prozent zurückgegangen.Unabhängige Untersuchungen (<strong>für</strong> die USA z.B. Children Now 19 , <strong>für</strong> Deutschland Effertz/ Wilcke2012 20 ) zeigen jedoch immer wie<strong>der</strong>, dass nach wie vor fast ausschließlich unausgewogeneProdukte an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> beworben werden: 2010 werteten Effertz/Wilcke drei bei <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n beson<strong>der</strong>sbeliebte Kanäle aus (MTV, Pro7, Nickelodeon) und fanden e<strong>in</strong>en Anteil von rund 98 Prozentungesun<strong>der</strong> Produkte unter den beworbenen Lebensmitteln. Das gleiche Bild zeichnet sich auchbei den Werbeausgaben: Die konzentrieren sich nach wie vor auf ungesunde Lebensmittel(2011: Schokolade und Süßwaren 696,3 Mio.; Früchte und Gemüse lediglich 7,3 Mio. Euro 21 ;heißt: <strong>in</strong> etwa das Hun<strong>der</strong>tfache).18 http://www.eu-pledge.eu/sites/eu-pledge.eu/files/reports/<strong>EU</strong>_<strong>Pledge</strong>_2012_Monitor<strong>in</strong>g_Report.pdf19 http://www.childrennow.org/<strong>in</strong>dex.php/learn/reports_and_research/article/57620 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2216618321 Das Unternehmensberatungs- und Marktforschungs<strong>in</strong>stitut Ebiquity Plc am 23. Februar 2012 auf Anfrage von foodwatchSeite 5 von 7foodwatch e.v. • brunnenstraße 181 • 10119 berl<strong>in</strong> • fon +49 (0)30 - 240 476 -2 90 • fax -26 • presse@foodwatch.de • www.foodwatch.de


6. <strong>Pledge</strong>-KritikAbwehr von Regulierung durch freiwillige Maßnahmen<strong>Der</strong> <strong>Pledge</strong> und die Monitor<strong>in</strong>gberichte, aber auch die <strong>EU</strong> Platform for Action on Diet, PyhsicalActivity and Health, erwecken durch die Auflistung e<strong>in</strong>er Vielzahl von Initiativen zurBeschränkung von Werbung und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>es gesunden Lebensstils den E<strong>in</strong>druck, dasses bereits e<strong>in</strong>e funktionierende, effektive Regulierung bis <strong>in</strong>s kle<strong>in</strong>ste Detail gibt.Mit dem <strong>EU</strong> <strong>Pledge</strong> suggeriert die Branche, dass sie <strong>in</strong> höchstem Maße engagiert ist undfreiwillige Selbstverpflichtungen <strong>der</strong> beste und effektivste Weg s<strong>in</strong>d, <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> vor Junkfood-Market<strong>in</strong>g zu schützen und ernährungsbed<strong>in</strong>gte Krankheiten zu bekämpfen. Erst bei genaueremH<strong>in</strong>sehen fällt auf, dass es sich bei den Selbstverpflichtungen vor allem um „Regeln“ mit je<strong>der</strong>Menge Schlupflöcher handelt, die so gestaltet s<strong>in</strong>d, dass sie die Industrie möglichst wenige<strong>in</strong>schränken <strong>–</strong> die Situation <strong>für</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> damit aber auch nicht verbessern.Selbstverpflichtungen sollen die Industrie <strong>in</strong> <strong>der</strong> öffentlichen Debatte als verantwortungsbewusstund „Teil <strong>der</strong> Lösung“ präsentieren, tatsächlich jedoch vor allem e<strong>in</strong>e <strong>für</strong> alle verpflichtendepolitische Regulierung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die die Konzerne möglicherweise zur Än<strong>der</strong>ung ihresGeschäftsmodells zw<strong>in</strong>gen o<strong>der</strong> Umsatze<strong>in</strong>bußen bei <strong>der</strong> Vermarktung profitablen Junkfoodsbedeuten würde.Löchrige Regeln lassen Werbung <strong>für</strong> Ungesundes weiter zuSo wie er momentan verfasst ist, geht <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-<strong>Pledge</strong> nicht den Kern des Problems an. Ziel e<strong>in</strong>ersolchen Beschränkung muss es se<strong>in</strong>, dass ke<strong>in</strong>e unausgewogenen Produkte mehr an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>beworben und vermarktet werden. Dieses Ziel wird von den beteiligten Unternehmen ständigunterwan<strong>der</strong>t. Und zwar sogar ohne die Selbstverpflichtung offiziell zu brechen. Es s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fachvon vornhere<strong>in</strong> genügend Schlupflöcher e<strong>in</strong>gebaut worden:- Die „beson<strong>der</strong>en ernährungsphysiologischen Kriterien“, die an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> gerichtete Werbung<strong>für</strong> bestimmte Produkte erlauben, s<strong>in</strong>d so großzügig gewählt, dass auch Frühstücksflockenmit 40 Prozent Zucker darunter fallen.- Verpflichtungen beziehen sich nur auf klassische Werbung (Fernsehen, Pr<strong>in</strong>t, Internet) <strong>–</strong>nicht jedoch auf Verpackungen o<strong>der</strong> POS-Promotions (POS=Po<strong>in</strong>t of sale, Werbe-Aktionenan den Verkaufsstellen). An den Produktaufmachungen im Supermarkt än<strong>der</strong>t sich alsonichts <strong>–</strong> hier locken Zuckerbomben, Süßgetränke und Süßwaren von Nestlé, Ferrero und Co.weiterh<strong>in</strong> mit Comicfiguren, Gew<strong>in</strong>nspielen und Aktionen, die <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> ansprechen und zumQuengeln br<strong>in</strong>gen sollen.- Verpflichtungen beziehen sich auf Medien/Sendungen, die e<strong>in</strong> Publikum von m<strong>in</strong>destens 35Prozent <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> unter 12 Jahren (laut Angaben und Zuschauermessungen <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong>). VieleSendungen, die häufig von <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n bzw. mit <strong>der</strong> ganzen Familie gesehen werden, s<strong>in</strong>ddadurch von <strong>der</strong> Regelung nicht betroffen (z.B. Samstag-Abend-Shows, Soaps o<strong>der</strong>Vorabendserien, Sportsendungen etc.). Denn wenn e<strong>in</strong>e Familie zuschaut, die aus Mutter,Vater und e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d (unter 12) besteht, stellen <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> rechnerisch nur noch 33 Prozentdes Publikums <strong>–</strong> Werbung ist also ohne E<strong>in</strong>schränkungen erlaubt. Selbiges giltbeispielsweise <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en Fernsehabend mit e<strong>in</strong>em Elternteil, e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d (z.B. 13 Jahre alt)und e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d (unter 12).- Vielfach setzt Werbung <strong>für</strong> Junkfood <strong>in</strong>zwischen auf Werbung mit Sportlern und Sportstars,die auch bei <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n sehr beliebt s<strong>in</strong>d. Die Werbebotschaften von Plakaten, Werbespotso<strong>der</strong> Internetseiten erreichen <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> problemlos <strong>–</strong> ohne, dass e<strong>in</strong>e offensichtlich an <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>gerichtete Ansprache über Comics o.ä. erfolgen muss.Seite 6 von 7foodwatch e.v. • brunnenstraße 181 • 10119 berl<strong>in</strong> • fon +49 (0)30 - 240 476 -2 90 • fax -26 • presse@foodwatch.de • www.foodwatch.de


- Auch an Grundschulen s<strong>in</strong>d die Unternehmen nach wie vor präsent, selbst wenn dort ke<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>zelnen Produkte beworben werden, machen Firmen wie Intersnack o<strong>der</strong> Nestlé doch beiEltern und Lehrern <strong>für</strong> sich und ihre Marke Werbung. Teilweise werden auch Materialien mitLogos an Schüler verteilt (Intersnack, „fit am Ball“).Seite 7 von 7foodwatch e.v. • brunnenstraße 181 • 10119 berl<strong>in</strong> • fon +49 (0)30 - 240 476 -2 90 • fax -26 • presse@foodwatch.de • www.foodwatch.de

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