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Die Collegia Musica.

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(<strong>Die</strong>COLLEGIA MUSICAin derdeutschen reformierten Schweizvon ihrer Entstehung bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts.M it e iner E inleitungüber denreformierten Kirchengesang und die Pflege der Profanmusik in der Schweizin den frühem Zeiten,Inaugura1 .... bissertationzur Erlangung derphilosophischen Doktorwürde an der Universität Leipzigeingereicht vonK A R L N EFauB St. G•llen.St. GallenZollikofer'sche Buchdruckerei1896.


BlB1!UTHECAH1~Gli\~1lfäi\CENSIS


VITA.Ich, Karl Ne{, wurde am 22. August 1873 als ehelicherSohn von J oh.Jak. N ef und Albertine Zellweger in St. Gallengeboren und hi der evangelisch-reformierten Konfessionauferzogen. Ich besuchte von 1880 bis 1886 die Primarschulein St. Gallen und hernach bis 1891 das dortigeGymna ium. Im April des letztgenannten Jahres bezogich zum Studium der musikalischen Theorie, des Violoncello-und Klavierspiels das kgl. Konservatorium der Musikin Leipzig. Meine Lehrer waren die Herren Prof. Dr.J adassohn, Klengel und Reckendorf. Daneben besuchteich als Hörer an der Universität die Vorlesungen des HerrnProf. Kretzschmar über Musikgeschichte. Durch dieselbenzu wissenschaftlichen Studien angeregt, liess ich mich imHerbst 1892 an der Universität immatrikulieren. AusserHerrn Prof. Kretzschmar, dessen Vorlesungen für meineStudien leitend blieben, verdanke ich noch besondere Anregungden Herren Professoren Paul, Schmarsow undHeinze. Ferner hörte ich Vorlesungen bei den HerrenProfessoren und Dozenten Riemann, v. Oettingen, Brockhaus,W undt, Volkelt und Witkowski. Auch diesen, wieebenso meinen Lehrern am Konservatorium, spreche ich hiermeinen herzlichsten Dank aus.


tVorwort.<strong>Die</strong> <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong> in der Schweiz waren Vereinigungenvon Dilettanten zu gemeinsamer Pflege der Musikund blühten im 17. und 18. Jahrhundert. Der BegriffCollegium Musicum wurde ursprünglich, wo das Lateinischenoch als die vornehmere Sprache galt, auf jede beliebigemusikalisclie Genossenschaft angewandt; mit der Zeit legtensich ihn aber speziell die Liebhaber-Gesellschaften alsoffizielle Bezeichnung bei und wird hier Collegium Musicumimmer in dieser engern Bedeutung von Dilettantenvereinigunggebraucht.Aufgabe der vorliegenden Arbeit soll es sein, eineallgemeine Charakteristik und, in kurzen Zügen, die Gechichteder einzelnen schweizerischen <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong> zugeben und zwar mit besonderer Berücksichtigung ihrermusikgeschichtlichen Bedeutung.In einer ausführlicheren Darstellung diese Aufgabezu lösen, ist bis jetzt noch nicht versucht worden. G. Beckerbegnügt sich in seinem Buche nLa Musique en Suisse"(Geneve 1874) unter dem Titel nLes colleges musicaux",einen Auszug aus einer Einzeldarstellung der Geschichtedes St. Galler Kollegiums von E. Götzinger zu geben undfügt daran nur ein paar Daten über Ort und Zeit derVersammlung einiger anderer Kollegien. Dagegen ist die


VIImit einemmal abgetan werden. Dann schien es mir zumZweiten auch für das Musikgeschichtliche von Vorteil, aufdiese Art einen Ueberblick über die Entwicklung, wie siesich in der Schweiz vollzogen hat, zu ermöglichen, wasbei einer bloss getrennten Darstellung bei der Unmassevon kleinstem Detail sehr erschwert worden wäre. Schliesslichzwang mich auch das mangelhafte Quellenmaterialzu einem solchen Verfahren. <strong>Die</strong> Bedeutung der schweizerischenMusikkollegien lässt sich nicht erkennen, wennman nicht das, was von dem einen berichtet wird, durchdas, was von den andern überliefert ist, ergänzt, da dieNachrichten über das Musikalische bis in die zweite Hälftedes letzten Jahrhunderts hi~ein äusserst dürftig fl.iessen.<strong>Die</strong> Protokolle der Kollegien enthalten beispielsweise nieAngaben über das, was gespielt und gesungen wurde,überhaupt wird darin des Musikalischen fast gar nichtErwähnung getan und liess sich also eine Darstellung derEntwicklung desselben nur durch Zusammenfassung sämtlichergelegentlichen Bemerkungen aus allen Orten geben.Der zweite Teil des Hauptabschnittes enthält, nurnoch mit Berücksichtigung des musikgeschichtlich Wertvollen,in kurzen Zügen die Geschichte der einzelnen Kollegien,soweit sich dieselbe an der Hand der noch vorhandenenUeberlieferungen feststellen liess. Aufgeführt sinddarin alle schweizerischen Kollegien, von denen ich irgendwelcheNachricht erhalten konnte. Beizufügen ist, dassin den katholischen Teilen der Schweiz <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong>,wie die hier behandelten, nicht existiert haben.Anhangsweise sind noch ·ein paar den Musikkollegienverwandte Erscheinungen auf geführt.Zum Schlusse erfülle ich die angenehme Pflicht, allenDenjenigen, die mir beim Sammeln des Materials zu dervorliegenden Arbeit mit Rat und Tat zur Seite standenoder mir die Schätze der von ihnen verwalteten Biblio-


VIIItheken bereitwillig zur Verfügung stellten, meinen herzlichenDank auszusprechen; so vor allem den Herren Prof.Dr. J. <strong>Die</strong>rauer, Prof. Dr. E. Götzinger t in St. Gallen,R. Kisling, Oberrichter M. von Wyss, Dr. 0. Waser in Zürichund Ad. Fluri in Muri bei Bern.Leipzig, im Juni 1896.Karl Nef.


Der reformierte Kirchengesang. 1 )Es ist gewiss für den musikalischen Geschichtsschreibereine Ironie des Schicksals, wenn er seine Darstellung damitbeginnen muss, mitzuteilen, dass die Musik auf gehört habe.<strong>Die</strong> Einführung der Reformation in der Schweiz bedeutetauch zugleich die Abschaffung der Kirchenmusik. In Zürich,der Stadt, von der die Reformation ausging, wurde amMittwoch vor Ostern 1525 im Grossmünster zum letztenMale die Messe und Passion gesungen. 1524 war schondas Orgelspiel verboten worden, und 1527 wurde die Orgelabgebrochen. <strong>Die</strong>s alles geschah auf Betreiben Zwinglis. 2 )Besonders auffallend ist dabei, dass Zwingli selbst eingrosser Musikfreund war. Er hat verschiedene religiöseMelodien komponiert und soll oft Liebhaber der Tonkunstbei sich versammelt haben, um gemeinsam mit ihnen zu1 ) Das Tatsächliche dieser Darstellung ist im wesentlichendem Buche von H. Weber: „Geschichte des Kirchengesanges inder deutschen reformierten Schweiz seit der Reformation", Zürich1876, entnommen.1 ) Näheres darüber bei H. Weber: „Der Kirchengesang Zürichs",Zürich 1866, und in einer kru:zen, nur als Einleitung gegebenen,aber trefflichen Darstellung von G. R. Z. (Zimmermann) in demAufsatz „<strong>Die</strong> zürcherischen Musikgesellschaften" im „Zü.rcher Taschenbuch",Jahrgang 1885. - Ueber die Pflege der Kirchenmusikin der Schweiz vor der Reformation s. J. A. Schubiger: „<strong>Die</strong> Pflegedes Kirchengesanges und der Kirchenmusik in der deutschen katholischenSchweiz", Einsiedeln 1872.1


2musizieren. 3 ) Dass er trotzdem dem Kirchengesang völligesSchweigen gebot, will man daraus erklären, dass er hierzudurch die Wiedertäufer gezwungen wurde. <strong>Die</strong>se beriefensich in ihrer Lehre wie er, allein auf die heilige Schrift.In dieser wird nun aber gar nichts von dem Kirchengesangerwähnt, deshalb hatten ihn die Wiedertäufer verworfenund deshalb musste ihn auch Zwingli verwerfen, wenner nicht Gefahr laufen wollte, beschuldigt zu werden, inkonsequentzu handeln und noch Gott ungefällige oderwohl gar sündliche Gebräuche aus der päpstlichen Kirchein die seinige herübergenommen zu haben. Um seineStellung den Wiedertäufern gegenüber, mit denen er imschärfsten Streit lag, nicht zu schwächen, soll er also gezwungengewesen sein, den Kirchengesang aufzuheben.Solche Gründe müssen Zwingli bestimmt haben, denn Tatsacheist, dass der Kirchengesang überall verstummte, wonach dem Vorbild Zürichs die Reformation eingeführtwurde. <strong>Die</strong> Orgeln wurden abgebrochen und wohl oft auchmit den Bildern verbrannt. Rührend ist es, von den Klagender Organisten zu lesen, 4 ) denen barbarisch genug ihregeliebten Instrumente entrissen und vernichtet wuTden.Lange freilich konnte dieser mit Gewalt aufgedrungeneZustand nicht dauern. Mit Macht verlangte das Volk nachden ihm widerrechtlich entzogenen Liedern, deren es auchin der Kirche bedurfte. Der gemeine Mann kann durchden Gesang besonders seine Gottesverehrung zum Ausdruckbringen, durch ihn wird erst das Gefühl geistigerZusammengehörigkeit zu wahrem Leben erweckt. Einereligiöse Gemeinschaft ohne Gesang ist ein Unding. <strong>Die</strong>s3 ) Gustav W eber „H. Zwingli, seine Stellung zur Musik undseine Lieder", Zürich 1884, enthält auch die Kompositionen Zwinglis.') Der Organist am Vinzenzenmünster in Bern soll beimAbbruch der Orgel heisse Tränen geweint haben. Schubiger a. a. 0.


3haben die hier darzustellenden Vorgänge in der Schweizdeutlich genug bewiesen. Man konnte für die Dauer denGesang aus der Kirche nicht fernhalten. Bemerkenswertist, dass man dessen Notwendigkeit zunächst wieder fürden Kindergottesdien t einsah; aus der Kinderlehre drang erdann allmälig wieder in den Gottesdienst der Erwachsenen.Basel, das schon durch seine Lage in näherer Beziehungzur deutschen Reformation stand - hier waren auchdie Orgeln, wenn auch eine Zeit lang zum Stillschweigenverdammt, gerettet worden, - führte zuerst den Kirchengesangwieder ein. 5 ) Im J a.hre 1523 wurde vom Rateangeordnet, die Schüler sollten fortan statt zum lateinischenChorgesange zum Gesange deutscher Psalmen angeleitetwerden. Eine Frucht dieser Verordnung war es wohl, dassdie Gemeinde in der Kirche Oekolampads zu Ostern 1526aus freien Stücken Psalmen anstimmte, und wird berichtet,dass n vil fromme Leuth vor Freuden geweinet." 6 ) Dochsoll die Klerisei hernach so viel vermocht haben, „dassder Gesang von Haus zu Haus verboten worden", wasihr freilich nicht mehr viel half; vom August desselbenJahres ab konnte sie nicht mehr widerstehen und mussteder Gesang in "mehreren Kirchen" gestattet werden.Aehnlich stellt sich der Verlauf in St. Gallen dar.Auch hier wurden die Lehrmeister angewiesen, die Kinderim Psalmengesang zu unterrichten. Im Jahre 1533 wirdsogar dem Prediger Dominik Zyli vom kleinen und grossen&) S. C. G. Riggenbach: „Der Kirchengesang zu Basel seitder Reformation". Jahrgang 9 der Basler Beiträge. 1870. Vrgl. auchA. Sarasin: „<strong>Die</strong> historische Entwicklung des Psalmengesanges inunserer Kirche". Basler Beiträge. Jahrgang 4. 1850.6 ) Caspar Albertin: „Praefatio zu den Protokollen der Gesellschaftab dem Musiksaal", die einen Abriss der Musikgeschichteenthält. Manuskript in der Bibliothek der allgemeinen Musikgesellschaftin Zürich.


4Rat gestattet, nzehn Psalmen Davids und drei nach demInhalt des neuen Testaments geformte Gesänge, die ihmdie weigesten gedunkend", in Musik zu stellen und derObrigkeit zur Prüfung vorzulegen. 7 ) Aus der knapp bemessenenAnzahl der Lieder sieht man, wie vorsichtigman war mit der Einführung des Gesanges. <strong>Die</strong>se kleineSammlung war auch das erste Gesangbuch der reformiertenKirche. Es scheint nicht in starker Auflage gedruckt wordenzu sein, da in der Schweiz kein einziges Exemplar mehrdavon vorhanden ist. Götzinger glaubt es jedoch wiedergefunden zu haben in dem St. Galler Gesangbüchlein, dasauf der Bibliothek zu Wolfenbüttel liegt, was alle Wahrscheinlichkeitfür sich hat.So kam nach dem Vorgehen dieser beiden Städte derKirchengesang nach und nach auch an andern Orten wiederin Aufnahme. Zürich sträubte sich am längsten dagegen.Wenn man auch schon von 1559 ab in den im zürcherischenUntertanengebiet gelegenen Städten Winterthur und SteinV ersuche gemacht hatte, ihn wieder einzuführen, so musstedoch 1590 noch Pfarrer Gabriel Gerwer von Bülach sichvor dem Kirchenrate verantworten, weil er in einer Predigtvom Kirchengesange gesprochen und seine Wiederherstellungals wünschbar bezeichnet hatte. Es wurde Gerwerbedeutet, keine Neuerung einzuführen, sondern es bei der„alten heiligen Einfältigkeit" bewenden zu lassen. Zwarsei der kirchliche Gesang gar nicht in allweg zu verwerfen,warum er aber für Zürich nicht statthaft, das müssen dieChorherren besser verstehen als er, Gerwer. Und dochbehielt er Recht; denn am 25. Januar 1598 wurde aufBetreiben des Archidiakons Raphael Egli der Kirchengesangvom Rate auch in Zürich wieder eingeführt, eigen-1 ) E. Götzinger: Geschichte des evangelischen Kirchengesangesin St. Gallen. St. G. Litteraturbeiträge. 1870.


5tümlicherweise unter N amhaftmachung vieler derjenigenBibelstellen, die Zwingli für seine Abschaffung zitiert hatte.Am 24. Mai wurden die Studenten und 11Schülerknaben"in die Kirchen verteilt, 71das Gesang zu führen". Bei diesemersten Kirchengesange zum Grossmünster waren Herr ChorherrRaphael Egli und Herr Präzeptor Jakob ffirich dieVorsinger.Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts sehen wir alsoden Gesang überall in den Kirchen wieder siegreich einziehen.Nach der Zeit gänzlicher Stille war es zunächstden Kindern wieder gestattet, ihren Gott im Liede zupreisen, bis schliesslich die ganze Gemeinde wieder miteinstimmen durfte. Natürlicherweise stellte sich nun auchdas Bedürfnis nach Gesangbüchern ein. <strong>Die</strong>se wurden zunächstmeist von Privaten gedruckt, denen hierzu die Behördenur das Privilegiurn gegeben hatte, und wurdensie, je nach Bedarf und Umständen, von den Kirchbehördenacceptiert oder auch nicht, d. h. sie hatten damals ~10chnicht jenen offiziellen Charakter, wie ihn heutzutage etwaein Landesgesangbuch besitzt. Es ist das hier zu betonen,da es bis Ende des letzten Jahrhunderts viele Gesangbüchergiebt, die ihrem Inhalte nach wohl in die Kirchepassen würden, in Wirklichkeit aber nie bei dem Gottesdienstgebraucht wurden, sondern lediglich als Gesangstofffür Privatkreise dienten. Ich werde später noch Gelegenheithaben, auf solche zurückzukommen.Von den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts abkommen fast überall in der reformierten Kirche Gesangbücher8 ) in Gebrauch. Sie unterscheiden sich zunächstnoch wenig von denjenigen der lutherisch-protestantischenKirche. Sie enthalten, wenn überhaupt Noten beigedruckt8 ) Genaue Beschreibung derselben siehe bei J. Weber, Geschichtedes Kirchengesanges.


6sind, fast ausnahmslos diejenigen Melodien, die auch inder lutherischen Kirche üblich waren und durchaus aufeinstimmigen Gesang berechnet sind. Ein Unterschied wärenur in der teilweisen Berücksichtigung von speziell schweizerischenDichtern zu finden; auf diesen habe ich hierjedoch nicht einzugehen;>Eine auch im Gesange völlige Lostrennung von derlutherischen Kirche vollzieht sich erst im 17. Jahrhundert.Sie geht zunächst nur allmälig vor sich, gelangt aber imLaufe der dteissiger Jahre ganz zum Abschluss. Der KönigsbergerRechtsgelehrte Ambrosius Lobwasser 9 ) hatte1565 die französischen Psalmen des Clement Marot undTheodor Beza ins Deutsche übersetzt. <strong>Die</strong>se damals inFrankreich schon beliebten und bekannten Psalmen warenvon Claude Gouc1imel mit vierstimmigen Tonsätzen versehenworden und erschienen die letzteren mit dem französischenTexte 1565 zum ersten Male, also zufällig indem elben Jahr, in dem Lobwasser die deutsche Uebersetzunggefertigt hatte. <strong>Die</strong>ser hatte dies zunächst nurzur eigenen Erbauung getan, aber auf vielfachen Wunschgab er sein Werk 1573 heraus, und zwar, was hier dieHauptsache ist 1in Verbindung mit den GoudimelschenTonsätzen. <strong>Die</strong>sen Lobwasser-Psalmen mit den Tonsätzenvon Goudimel war es nun bestimmt, fast 200 Jahre langden einzigen Gesangstoff der reformierten Kirche zu bilden.Sie drangen nur langsam in dieselbe ein. Am Anfangdes 17. Jahrhunderts wurde es beim Gottesdienst zuweilengestattet, einzelne derselben zu singen; bald wird danneine grössere Anzahl in die Gesangbücher aufgenommenund schliesslich, von den dreissiger Jahren ab, sind sieg) Ueber Ambrosius Lobwasser siehe Koch: „Geschichte desKirchenliedes und Kirchengesangs". 3. Aufl. Stuttgart. 1867. II.pag. 394 ff.


7die vollständigen Alleinherrscher. Das Kirchengesangbuchbesteht von jetzt ab nur noch aus den LobwasserschenPsalmen, die sämtlich aufgenommen sind, höchstens dassihnen noch ein paar rler alten lutherisch-protestantischenLieder als Anhang beigefügt sind.Wir fragen un , woher kommt diese grosse Beliebtheit?)<strong>Die</strong> Uebersetzungen Lobwassers sind fade und nüchtern, ,,,sie können unmöglich eine solche Wirkung hervorgerufenhaben. otwendig müssen es also die Tonsätze sein, diediese P almen zu solch allgemeinem Siege geführt haben.)er sie "kennt, der kann auch gar nicht daran zweifelnjDer Satz ist vierstimmig, im Wesentlichen Note gegenNote. <strong>Die</strong> Melodie liegt zumeist noch im Tenor, mit Ausnahmevon zwölf Psalmen, wo sie in den Sopran gelegtist. Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, eine kritischeWürdigung dieser edlen Kirchenstücke zu geben; die Versicherung,dass) sie den besten beizuzählen sind, was auf 'dem Gebiete des Kirchenliedes geschaffen worden ist, musshier genügen. Hervorzuheben ist noch dass die Melodienzumeist dem Volksgesang entnommen sind. Riggenbachglaubt auch, bei einigen Goudimel als Erfinder annehmenzu dürfen, was jedoch dahingestellt bleiben muss. 10 )10 ) Siehe Riggenbach neben dem „Kirchengesang in Basel"den Aufsatz: <strong>Die</strong> französischen Psalmmelodien in den Monatsheftenfür Musikgeschichte. III. Jahrgang. 1871. pag. 191 ff.Ferner Georg Becker: Chronologische Reihenfolge der ältestenbekannten Psalmenausgaben von A. Marot und Th. de Beze. Monatsschriftfür Musikgeschichte. II. Jahrgang. 1870. pag. 140 ff. -Carl von „Winterfeld, der „Evangelische Kirchengesang". Teil I.pag. 228 ff und Musikbeilagen Nr. 25- 31. Eine deutsche Neuausgabewurde gleichfalls besorgt durch Riggenbach: „AusgewähltePsalmen in grossenteils neuer Uebersetzung mit den TonsätzenClaude Goudimels", bearbeitet und herausgegeben von Ohr. J.Rig-genbachund R. Löw. Basel. 1868. Bemerkenswert ist, dass die französischenPsalmen heute noch in der französisch calvinistischen


8Mit diesen Psalmen wurde auch die Vierstimmigkeitin den reformierten Kirchengesang eingeführt, die sichbis auf den heutigen Tag erhalten hat. <strong>Die</strong>se hatte natürlicham Anfang ihre Schwierigkeiten, umsomehr, als dieMelodie noch im Tenor lag. Nicht zu vergessen ist dabeiauch, dass nirgends Instrumente zur Unterstützung desGesanges gebraucht wurden. Vor diesen hatte man zumeisteine wahre Abscheu, besonders in Zürich konnte man sichnicht genug vor ihnen verwahren. Der Grund hiefür waroffenbar das Gefühl, sich durch Abschaffung und Wiederherstellungdes Kirchengesanges bei den andern protestantischenKirchen und ganz besonders bei den katholischenNachbarn eine Blösse gegeben zu haben und wollte mansich nicht durch die Begnadigung der {)rgel und andererInstrumente vollends blamieren. Dass dem ungefähr sowar, zeigt uns das von Antistes Breitinger 1641 bei derObrigkeit eingereichte Bedenken des Inhalts, „er sei vonguten Leuten im Vertrauen berichtet worden, wie dassHerr Georg Gessner, ein sonderbarer Liebhaber der Musik,nach seinem tödtlichen Ableben hinterlassen ein Positivoder kleine Orgel, die auf die Wasserkirche bei dunklerAbendzeit getragen und daselbst aufgestellt, auch nachder Hand viel dorten sei gesehen worcl,en, und selbs jungeKnaben haben angefangen auf derselben kurzweilen, welche,nachdem es die Fischer, so beiderseits der Kilchen den Seeauf und abfahrend mithin gehört, haben sie die neuweZeitungauch herumgetragen und schimpflich ausgeschrauwen, sodass man angefangen, bei unsern katholischen N achbauernseltsam diskurieren, wie dass die Sachen in Zürich wiederauf guten Wegen und die Orgeln wieder eingeführt wer-Kirche gesungen werden, nur mit dem Unterschied, dass die Melodieüberall in den Sopran verlegt ist. Man erkennt aber auch in diesenBearbeitungen noch das Bestreben, die Harmonisierung Goudimelsmöglichst beizubehalten.


9dend." 11 ) Und dabei war die Wasserkirche seit der Reformationihrem ursprünglichen Zweck entfremdet und dienteals Bibliothekgebäude !<strong>Die</strong>se ängstliche Scheu vor allen Instrumenten hieltan manchen Orten bis in unser Jahrhundert hinein an.Als Ausnahme kommt wohl hie und da der Versuch vor,den Gesang durch Posaunen zu unterstützen, Orgelnwerden jedoch erst gegen Ende des 18. oder aber imLaufe des 19. Jahrhunderts wieder in den Kirchen zugelassenund selbst da oft nicht ohne harten Widerstand.Beispielsweise wurde in Trogen, dem Hauptorte des KantonsAppenzell A.-Rh., noch bis 1894 ohne jegliche Instrumentalbegleitunggesungen. Zum Anstimmen und zurFührung des Gesanges war überall ein besonderer Vorsängeroder wie er in früheren Zeiten auch heisst, Kantor,angestellt. Mit einer langen Stimmpfeife gab dieser, eswaren zumeist Schulmeister, der Gemeinde den Ton an,und dann setzte er selbst kräftig die Melodie ein; (wiedas zuweilen geklungen haben mag, mag sich jedermannselbst denken.) Ein Uebelstand war es natürlich auch,dass die Melodie meist noch im Tenor lag. So kam eshäufig vor, dass die Frauen statt den Diskant oder Altzu singen, die Melodie mitsangen, daraus entstand einfürchterlicher Wirrwarr, oder kam zum mindesten einehöchst primitive Zweistimmigkeit heraus. Es waren zwarschon ziemlich früh Bearbeitungen der Psalmen erschienen,in denen die Melodie durchweg in den Sopran verlegtwar, sie fanden aber wenig Anklang und hat man anden meisten Orten bis gegen Ende des letzten J ahrhundertsden ursprünglichen Goudimel'schen Satz gesungen.Jmmerhin muss sich durch diese Pflege in der Kirchedie Kunst mehrstimmigen Singens mancherorts zu schöneru) S. Zimmermann a. a. 0.


10Blüte entwickelt haben. Ein günstiger Umstand war esnatürlich, dass derselbe Gesangstoff, die Goudimel'schenPsalmen, fast 200 Jahre in Gebrauch blieb. So vomVater auf den Sohn, vom Sohn auf den Enkel fortgepflanztund immer in der Kirche gebräuchlich, musstensie sich schliesslich jedermann einprägen, dass sie wohlzu ordentlicher Ausführung gelangen konnten. So sinduns namentlich von Zürich zwei vollgültige Zeugnisseerhalten, welche die gute Qualität des dortigen Kirchengesangesins beste Licht setzen. Das erste stammt ausden "Memorabilia Tigurina" von Anton \Verdmüller,welcher 1780 schreibt: np· Valentin Rathgeber, ein Benediktineraus Franken, der ein grosser Musikus war, hatvor etlich 40 Jahren (es war im Jahre 1731) eine Wahlfahrtnach Einsiedeln gethan, und da er an einem <strong>Die</strong>nstagMorgen bei der Fraumünster Kirche vorbey gehen wollte,just aber das Gesang an:fieng, stand er an der Thüre undhörte zu; nach seiner Zurückkunft besuchte er die Music-Gesellschaft auf der deutschen Schul, da er denn geradezusich vernehmen liess, er habe jüngst ein Choral gehört,dessen Melodie sowohl als die harmonierenden Stimmenihn in Erstaunen gesetzt, und er müsse gestehen, dasser niehmals geglaubt hätte, dass ein Zusammenfluss vonso verschiedenen Gattungen Leuten ohne Beyhilf andererInstrumenten zu einer solchen Thon-Vestigkeit gelangen,und eine so herrliche Music aufführen könnte." 12 )och enthusiastischer äusserte sich J oh. Friedr. Reichhardt.Er schreibt in seinem musikalischen Kunstmagazin1791 unter „Kirchenmusik in Zürich" Folgendes:"Nie hat mich etwas mehr durchdrungen als hierder vierstimmige Kirchengesang. <strong>Die</strong> ganze Gemeinde12 ) Mitgeteilt bei: G. R. Zimmermann a. a. 0. Vergl. auchunten „Das Musikkollegium auf der deutschen Schule".


11singt die bey den Reformierten gewöhnlichen Psalmmelodienvierstimmig nach Noten, die in den Liederbüchernneben den Versen abgedruckt sind. Mädchen und Knabensingen den Diskant, Erwachsene den Alt und die älternund alten Männer den Tenor und Bass. Man kennt dieWfüde und Kühnheit einiger Psalmmelodien in den altenKirchentonarten ganz im diatonischen Geschlecht, diewurden ziemlich rein intonirt, oft so wie es nur seinkann, wenn die Gesänge gleich früh in den Schulen gelehrtund hernach durchs ganze Leben auch ausser derKirche bei häufigen Veranlassungen gesungen werden.So ist es wirklich in der Schweiz. Sehr oft, wenn ichunter Landleuten auf dem Felde und in Schänken nachalten, echten Volksliedern spürte, bekam ich einen vierstimmigenPsalm zu hören. Wer nun unsern gewöhnlichenso unreinen kreuschenden, einstimmigen Kirchengesangkennt, wird sich kaum eine Vorstellung von derWürde und Kraft eines solchen vierstimmigen, von vielenhundert Menschen jeden Alters angestimmten Kirchengesangesmachen können. Ich war wirklich in einemganz neuen Zustande, mir war das Herz so voll, unddoch die Brust so enge, mir war so wohl und ich weintedie hellen Tränen." Nach ein paar Bemerkungen überdie Predigt schliesst dann Reichhardt sein Lob auf denreformierten Kirchengesang mit folgendem Satz: „Siegehören unter die schönsten Stunden meines Lebens, dieich da in der lieben Kirche verlebte." 18 )Aus dem vorliegenden Bericht geht ebenso wie ausvielen andern hervor, dass die Psalmen mit der Zeit in 'alle Schichten des Volkes gedrungen waren. Es stimmtesie bei allen Gelegenheiten, selbst in angeheiterter Laune,18 ) Johann Friedi·. Reichhardt: „Musikalisches Kunstmagazin."Berlin 1791. Zweiter Band, fünftes Stück, pag. 16.


12unbekümmert um den religiösen Inhalt, in den Wirtshäusernan, wogegen die Geistlichen häufig, aber vergebenseiferten. <strong>Die</strong> Goud.imel'schen Psalmen bildeten• also die Grundlage für die Ausbildung des Volksgesanges,ihre Einführung in Kirche und Schule war aber auch,wie ich weiter unten noch nachzuweisen versuchen werde,von wesentlichem Ein:fiuss auf die Gründung der Musikkollegienund war es deshalb notwendig, diese Bemerkungenüber den Kirchengesang der Geschichte der <strong>Collegia</strong><strong>Musica</strong> vorauszuschicken.


<strong>Die</strong> Pflege der Prof anmusik in derSchweiz bis zur Zeit der Gründungder <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong>.In den frühesten Zeiten lag, wie überhaupt überall, , 1auch auf dem Gebiet der heutigen schweizerischen Eidgenossenschaftdie weltliche Pflege der Profanmusik in denHänden der fahrenden Leute. Am Ende des Mittelaltersjedoch sehen wir sie auch hier sich zusammentun in grosseKorporationen zu gegenseitigem Schutz und Wahrung gemeinschaftlicherInteressen. So entstand 1407 die Bruderschaftzu Ehren des heiligen Kreuzes in der Kirche zuUznach in dem Gebiet der damaligen Grafen von Toggenburg.14 ) 1464 wurde in der Franziskanerkirche zu Luzerneine Spielleuten-Bruderschaft gegründet, deren Rechteund Freiheiten der Rat dieser Stadt 1725 nochmals bestätigte.Hier wird eines jeweiligen Pflegers der GesellschaftErwähnung getan, der gleichsam das Oberhauptder elben bildete. rn) Auch in Zürich und Bern findenwir solche Bruderschaften, von denen uns freilich dasDatum ihrer Entstehung nicht überliefert ist.H) S. P. Anselm Schubiger: „Musikalische Spicilegien." Berlin1876. pag. 155 ff.1~) S. Th. v. Liebenau: Das alte Luzern. Luzern 1881. pag. 76.


14<strong>Die</strong> Genossenschaft der Spielleute in Zürich wird ineiner Urkunde vom Jahre 1502 16 ) „unser 1. Frowen Brüderschaftder Spillüten" genannt, sie hat das Recht dazuerworben „in einem Concilium zu Basel, was (nämlichdas Recht) ein Stadt Zürich vil kostet hat".Für Bern ist eine Ratsverordnung von 1516 beachtenswert,~) worin die Obrigkeit meldet, dass auf eingelangtenBericht etliche Spielleute sich weigern, in derBrüderschaft auf genommen zu werden und sich darin zuverpflichten; denn damit werde die Ehr und der <strong>Die</strong>nstGottes gemindert, und deren so in der Bruderschaft verschiedensind, vergessen. Zugleich wurden die bernischenAmtleute beauftragt, „die Anwälde und Gewalthaber"der Brüderschaft vor sich zu bescheiden, damit die Ungehorsamenzur Ordnung gewiesen werden und die Brüderschaftund Stiftung der Spielleute gehalten werde, wievon den Vorderen gethan, wofür ihnen Brief und Siegelgegeben worden sei.<strong>Die</strong> Widerspänstigen sollen gepfändet werden, undangewiesen, so zu handeln, wie es sich zur Handhabungder Bruderschaft und Förderung des göttlichen <strong>Die</strong>nstesgebührt.Zur Aufklärung über einiges, vielleicht unverständlichesmuss bemerkt werden, dass alle diese Bruderschaftenzunächst kirchliche Vereinigungen waren. <strong>Die</strong> Mitgliederhatten jährlich dem gemeinsamen Schutzheiligen irgendetwas zu opfern, mussten sich bei der jährlich stattfindendenVersammlung der gesamten Bruderschaft regelmässigeinfinden; auch sollten sie dafür sorgen, dass zum16 ) Vollständig abgedruckt im Anzeiger für schweizerischeGeschichte und Altertumskunde. Jahrgang 1859. pag. 25.17 ) Karl Howald: „Der Dudelsackpfeifer auf dem Storchenbrunnenin Bern, nebst einigen Mitteilungen über bernische Kulturzuständeaus früher Zeit." Berner Taschenbuch 1871. pag. 226 ff.


15Seelenheil der Verstorbenen die nötigen Messen gelesenwurden etc. Ein Hauptzweck der Bruderschaften warfreilich, wie bei allen derartigen Verbindungen des Mittelalter, der, die Konh.'llrrenz einzuschränken. Kein Spielmanndurfte in dem Gebiet einer Bruderschaft aufspielen,von der er nicht Mitglied war.Wo den Spielleuten das Recht, eine Korporation zubilden, zugestanden wurde, verpflichtete man sie auch zubestimmten Leistungen. So hatte in Bern die Bruderschaftder Spielleute von Alters her an gewissen Tagenbeim Gottesdienst in der St. Vinzenzenkirche mitzuwirken. 18 )Sie genoss eines ziemlich bedeutenden Ansehens und mussüber nicht geringe pekuniäre Mittel zu verfügen gehabthaben, indem die Grabstätte der Bruderschaft allem Anscheinnach im St. Vinzenzenmünster selbst zu suchen ist.U eber den Bruderschaften, diese zum Teil wenigstensin sich vereinigend, scheint das musikalische Königtum,Pfeiferkönigtum genannt, gestanden zu haben. ( SolcheMonarchien der fahrenden Leute gab es nicht nur indeutschen Landen (eine der bekanntesten war hier diejenigeim Elsass), sondern auch in Frankreich und England.Auf schweizerischem Gebiet hatten von Alters herdie Grafe; von Kyburg das Recht, den Pfeiferkönig zuernennen, oder wenigstens den erwählten zu bestätigen.Nachdem ihre Herrschaft an Zürich gekommen war, übertrugsich auch dies Recht auf diese Stadt. 19 ) Laut Lehenbrief20)vom 29. März 1430 bestätigen nämlich Burgermeisterund Räth der Stadt Zürich den Ulmann Meyervon Bremgarten, in Betracht, „dass er von den anderenvarenden Lüthen in der Eidtgenoschaft einmüttenklich1 B) C. Howald a. a. 0.19 ) A. Schubiger a. a. 0.20 ) Vollständig abgedruckt im Anzeiger für schweizerischeGeschichte und Altertumskunde. Jahrgang 1856. pag. 28.


16dazu erwelt ist, als einen rechten Künig der Pfi:ffer undvarenden Lütt also dass Er und sin Marschalk das Künig-Reich hinfür als bisher mit allen Wirden und Eren, allenFreiheiten, Rechtungen und guten Gewohnheiten, als dassvon alter Herkommen ist, inhalten und haben sullen vonaller Mänglichem ungesumpt und ungehindert." Jenerverpflichtet sich dagegen, „dem Burgermeister und RatZürich gehorsamen getrüw, gewarttig und von des Künnigrichswegen verbunden zu sind in allen Sachen, nützitausgenommen."Wenn bis um das Jahr 1350 alle Musikanten - diekirchlichen Sänger und Organisten , die stets Klerikerwaren, natürlich immer ausgenommen - fahrende Leutewaren, die ein unstätes Wanderleben führten, so fängtsich dies gegen Ende des 14. Jahrhunderts langsam zuändern an. Von jetzt ab sehen wir, dass die Musikersesshaft werden. Damit verbessert sich auch ihr rechtlicherZustand; wenn früher alle Fahrenden als ehrlosgalten und von keinem Gesetz beschützt wurden, sonehmen die Städte jetzt keinen Anstand mehr, solche 7d. h. eben die Musiker unter ihnen 7als Bürger in ihreMauern aufzunehmen. 21 )as Bedürfnis nach musikalischer Unterhaltung warwohl grösser geworden. So/ finden wir in Basel schonin den siebziger Jahren des 14. Jahrhunderts drei vonder Stadt angestellte Pfei:ffer (fistulatores). 22 ) Sie erhielten1375 vom Rate 2 Gulden 71386 sogar ein Pfundund vier Schilling und mussten zu bestimmten Stundenauf öffentlichen Plätzen zur Belustigung des Volkes aufspielen.Auch in Luzern waren schon zu Anfang des 15. Jahr-2 1 ) Howald a. a. 0.2 2) Schubiger a. a. 0.


17hunderts eine Anzahl Stadtpfeiffer angestellt.~) Zu diesengesellt sich dann im Jahre 1431 der Stadttrompeter. <strong>Die</strong>sererhielt nebst einem Rock jährlich 16 Gulden, Anteil anclen Gratifikationen, die zum „guten Jahr" und bei andernFesten verabreicht wurden. Pfeiffer und Trompeter durften„frömd Leut besprechen und besuchen" und bei Kirchweihenmusicieren. Ihrn Verpflichtungen bestanden darin,an gewissen F eiertagen in der Frühe, sowie an den Vorabendender hohen Kirchenfeste eine halbe Stunde aufdem Rathausturm zu blasen. Auch bei kirchlichen Feierlichkeitenselbst scheinen sie in Anspruch genommenworden zu sein, darauf deutet wenigstens die Weisungdes Rates an die Stadttrompeter, sie sollten während desMusegger Umganges, einer jährlich in Scene gesetztengrossen Prozession, nicht weltliche Melodien blasen.Ebenso besass auch die Stadt Bern, um noch einverbürgtes Beispiel zu geben, ~) ihre eigenen Spielleute.<strong>Die</strong>se erhielten jährlich einen Rock mit zwei Farben,schwarz und rot, „ weil das Stadtzeichen so geteilt ist".Wer die Farben nicht tragen wollte, der sollte auch desRockes mangeln, sagt die Stadtsatzung von 1426. Zudemwurden sie aber auch von der Stadt besoldet.In der Stadtrechnung Anton A.rchers vom Jahre 1482figurieren folgende obrigkeitliche Ausgaben für Spielleute:An Peter, Trummeter 7 Gulden,Hans, Trummeter 5 „Wilhelm, Pfei:ffer 4 „Jacob, Pfeiffer 4 „Peter, Pfeiffer 4 „dem Cantor 8dem Organisten 5""28 ) v. Liebenau a. a. 0. pag. 180 und 193.2•) Howald a. a. 0.2


18Wir finden also zu dieser Zeit zwei Trompeter unddrei Pfeiffer angestellt, im Jahre 1500 werden ein Trompeterund vier Pfeiff er besoldet. In diesem Jahre wirdauch der obengenannte Pfeiffer Peter seines Amtes entlassen,und ihm als Zeichen der Zufriedenheit zwei Pfundgeschenkt.Interessant ist, dass auch fremde durchziehende Musikantenvom Stadtseckelmeister Geld erhielten, das derselbein seine Jahresrechnung brachte, ja einige derselben,Männer und Weiber, wurden sogar auf Kosten der Stadtgekleidet, wie aus verschiedenen Rechnungen hervorgeht.Hier ein Beispiel aus dem Jahre 1500 ; es werden verabfolgt:Einer Sängerin von Unterwalden an einenRock ze Stür4 Pfund,Jacob, dem P:fi:ffer und sinem Sun 2Zweien Spillüten mit der Lütten und Gygen 1Der blinden Sängerin von Solothurn 1Den P:fi:ffern von Biel zum guten Jahr 2Dem Orgalisten u:ff das Werk der nüwenOrgel 80Nüssin, dem Lüttenschlaher 2Einern blinden Sänger um Gotzwillen 1Hansen Schwitzer für das Malen der Orgellen 41Den Trummetern auf dem Kirchturm, beiden 34Hier wird uns auch einmal der Name eines Musikers,Nüssins des Lautenschlagers, mitgeteilt. Aus frühererZeit sind uns nur noch zwei solche erhalten. In Baselwird schon im 14. Jahrhundert ebenfalls eines LautenschlagersErwähnung getan, mit Namen Obrecht. Derzweite ist der schon genannte Ulmann Meyer, der Pfei:fferkönig,der sich auch im Geigenspiel ausgezeichnet habensoll. Ungefähr aus der Zeit der Reformation werdenuns von Edlibach auf einem weissen Blatt einer grossen"""" .,


19deutschen Bibel auf der Stadtbibliothek in Zürich folgende„gütten senger und mttisten" (mottetisten) Zürichs überliefert:Heinrich und Hans Imegg Gebrüder, Hans Büselmann,Hans Asper, Goldschmied, Felix von Kappel, Annvon Waltzhütten, Hans Günthart, genannt <strong>Die</strong>nst, U1iKleibli, Kuttler, Stä:ffen, Erlisholz und Adelheid sinschwester, Baschon Renninfeld, Felix Amen (Ammann),Sattlers, Herr Friederich und Herr Baschion Mösser,Gebrüder und bed Organist, M( eister) Hans BlochholzHarfynist. 25 )Aus dieser Aufzählung geht auch hervor, dass dieMusiker neben ihrem künstlerischen Beruf oft noch anderesbetrieben, so sind auch die Trompeter auf denKirchtürmen zuweilen noch in einem Handwerk beschäftigt._.Wenn hier einzelne bedeutendere Musiker Zürichsaufgeführt wurden, so scheint Winterthur im Ganzen sichvor andern Städten in der Musik ausgezeichnet zu haben.Es wird uns durch H. Heinrich Meyer, Predicant zuWinterthur 1660, berichtet: „dass man die Musikantenvon Winterthur zu Zürich und anderer Orten, by ansehnlicherHochzythen und anderer Solomiteten mit rubmbedient." Dort ist auch „die edle Kunst der Musik beiverdenklichen Jahren nie so gahr in Abgang kommen,dass man eine Musik von vier oder fünf guten Stimmenzusammenbringen und sich derselbigen zu ehren underjetzlichkeit habe bedienen mögen". 26 )Wie die fahrenden Leute, so spielten auch die Stadtmusikantenbei Kirchweihen, Hochzeitsfesten, namentlichauch beim Brautzug in die Kirche und bei ähnlichenGelegenheiten auf. Besonders um die Neujahrszeit hatten1c25 ) Siehe Zimmermann: <strong>Die</strong> zürcherischen Musikgesellschaften.26 ) R. Geilinger: „Das Musikkollegium in Winterthur." Winterthur1880.


20sie auch das Recht, nachts durch die Strassen zu ziehenund von Haus ·zu Haus ihre Ständchen zu bringen. Siewichen dann nicp.t von der Stelle, bis man ihnen „ihrheilig Almosen", in ein brennendes Papierehen gewickelt,zuwarf. <strong>Die</strong>ser Brauch hat sich auf dem Lande noch bisin die neueste Zeit erhalten, und erinnere ich mich selbstnoch, wie es mir, wenn ich als Kind auf dem Dorfe dieFerien zubrachte, ein ganz eigentümliches Vergnügen bereitete,dem unten in dunkler Nacht tehenden Drehorgelmannein solches brennendes Papierehen hinunterwerfenzu dürfen. Es ist eben der Drehorgelmann noch das letzteUeberbleibsel der fahrenden Leute.Den angeführten Brauch scheint der Rat von Bernaber schon früh als einen Missbrauch angesehen zu habenund erliess er verschiedene Verordnungen dagegen, wahrscheinlichohne Erfolg. So wurde im Jahre 1408 folgenderBeschluss bekannt gegeben: „ Verbotten am Neujahr fahrendenSpielleuten, Männern und Frauen, etwas zu geben,bei Strafe 3 Monat aus der Stadt zu sein, und 10 Hellerzur Einung zu geben." Aehnliches bezweckte der Erlassvon 1425: „Item haben wir auch betrachtet, dass unsereStadt in vergangenen Zeiten mit fremden Spielleuten, esseien Pfei:ffer oder andere dergleichen fahr·ende Leute, jährlichgrossen Kosten mit Gaben und Schenkungen gehabt,um desswillen, dass unsere Pfeiff er und Spielleute auchanderswohin in fremden Städten und Ländern solche Gabensuchten. <strong>Die</strong>ss zu vermeiden, so setzen und wollen wir,dass unsere Stadt Pfei:ffer und Spielleute, so wir derenhaben, fürderhin von unserer Stadt in kein fremdes Landnoch Stadt um solche Gaben, die man gut Jahr nennt,fahr~n noch kommen sollen. Welcher aber dawider täte,der soll füTderlich um seinen <strong>Die</strong>nst kommen, und davongestossen und gewiesen werden. Dazu wollen und meinenwir auch, dass keinem fremden Spielmann, wie der genannt


21ist, von unserer Stadt, solche Gabung wie vorsteht, gegebenwerden." 27 )In späterer Zeit scheinen nicht nur die Städte, sondernauch einzelne Wirtshäuser ihre eigenen Musikantengehabt zu haben. Es geht dies aus einer Stelle, der (schonangeführten) nPraefatio des Caspar Albertin, zu den Protokollender Musikgesellschaft ab dem Musiksaal in Zürich",die ich ihrer Originalität willen hier ganz hersetzen will,hervor. Albertin giebt dort einen Abriss von der Musikgeschichte.Bei den Juden will er nun beweisen, dass sieauch nach J ubal viele Musikanten gehabt hätten, trotzdemdass keiner Erwähnung getan wird. <strong>Die</strong>s macht erfolgendermassen: n Weil man bei dem Zächen gern Harpfenund Pfei:ffen hat, und die Leuthe dazumahl eben brafzächeten, so ist glaublich, es werde an Musikanten undSpielleuthen nicht gemanglet haben, sondern ein jedesWirths-Haus und einjede Zäch-Gesellschaft werde mit einemSpielmann versehen gewesen sein."Wenn Albertin mit solcher Sicherheit aus dem blassenZechen schliesst, dass bei den Juden des alten Testamentsjedes Wirtshaus und jede Zechgesellschaft einen eigenenSpielmann besessen habe, so dürfen wirdochsicherschliessen,dass dies zu Albertins Zeit und wahrscheinlich auch früherschon überall so gewesen sein müsse.Wir haben also schon verhältnismässig früh ein geordnetesMusikwesen auf dem Gebiet der schweizerischenEidgenossenschaft gefunden. Schon im 14. Jahrhundertteilen die Städte ihre eigenen Pfeifer und bald auch Trompeteran. <strong>Die</strong> Bildung dieser Stadtpfeifereien i t vonwesentlicher Bedeutung für die ganze Entwicklung derMusik, sie sind der Boden, aus dem erst mit der Zeit dieInstmmentalmusik als Kunst herauswachsen konnte. In27 ) Howald a. a. 0 .


22ihnen erringt sich der Musiker auch zum ersten Mal einerechtliche Stellung im Staate, er ist dem Handwerker gleichgestellt,während er früher als Fahrender als ehrlos galtund in den frühesten Zeiten sogar von der kirchlichenGemeinschaft ausgeschlossen war. Auf handwerkerlicherStufe stehen zunächst freilich auch noch die Leistungen,mit der Zeit heben sie sich aber mancherorts wesentlichund sehen wir schliesslich viele tüchtige Künstler aus diesenStadtpfeifereien hervorgehen. Sie selbst sind heutzutagein der Schweiz vollständig verschwunden, in Deutschlanddagegen leben sie noch fort in den grossen städtischenOrchestern in Leipzig, Köln und Düsseldorf, die direktaus ihnen herausgewachsen sind und :finden sich auch anmanchen andern Orten noch kleinere Ueberreste derselben.Zu der Zeit der Gründung der schweizerischen Musikkollegienexistierten die Stadtpfeifereien aber auch in derSchweiz noch und wenn sie zu diesen selbst auch nichtsbeigetragen haben, so treten sie doch später mit denselbenin Verbindung und hielt ich es deshalb für notwendig,auch auf sie etwas näher einzugehen, umsomehr, als einzelneNachrichten über sie wohl schon gedruckt, aber wenigbekannt, zerstreut und schwer zu finden sind.


<strong>Die</strong> <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong>.A. Allgemeines.Am 9. September 1613 wurde in Zürich das ersteCollegium Musicum der Schweiz gegründet. Mehrere Bürgerfanden sich von da ab wöchentlich einmal in einemPrivathause „zum Gesang von Psalmen und andern erbaulichenund schönen Stücken" zusammen. (<strong>Die</strong>ses ersteCollegium in Zürich blieb aber nicht eine blo s zufälligevereinzelte und bald wieder verschwindende Erscheinung,sonder~ bald nachher sehen wir auch in St. Gallen, Winterthur,Schaffhausen und andern Städten sich solche Vereinigungenbilden. Sie entwickeln sich überall rasch undgut, ja an manchem Ort befriedigt das erste Collegiumnoch nicht einmal alle Ansprüche und es entsteht nebenihm noch ein zweites und sogar drittes. So giebt es amAnfang des 18. Jahrhunderts kaum eine ansehnlicherereformierte Stadt, die nicht ihr Collegium Musicum besässe.(<strong>Die</strong> Zeit war also ihrem Gedeihen günstig undwachsen sie gleichsam als notwendiger Faktor der kulturellenEntwicklung aus ihr heraus. <strong>Die</strong> Grundbedingungen,die dies ermöglichten, nachzuweisen, soll also zunächstmeine Aufgabe sein)r,,.<strong>Die</strong> ideelle Grundlage, auf der alle diese Gesellschaftenstehen, sind die Goudimelschen Psalmen. Allem Anscheinnach ist die Blütezeit des a capella-Gesanges im 16. Jahr-


24hundert spurlos an der Schweiz vorübergegangen. <strong>Die</strong>serwar der Hauptsache nach durchaus Kunstgesang, zu dessenAusführung es musikalisch gebildeter Sänger bedurfte.<strong>Die</strong> Schweiz besass aber keine Fürsten, so hatte sie auchkeine Sängerkapellen, die von solchen unterhalten wordenwären. In der Kirche war der Gesang völlig lahm gelegt;es konnten sich also auch von dieser Seite keine Gesangsp:fiegestättenbilden, wie wir sie beispielsweise in den hochstehendensächsischen Cantoreien :finden. 28 ) Der Gesangwird also soweit er überhaupt in U ebung war, hauptsächlicheinstimmiger Volksgesang gewesen sein . .._ Sänger,die befähigt gewesen wären, den polyphonen Kunstgesangjener Zeit auszuführen, waren nicht vorhanden und fürlaienhafte Musikfreunde war er zu schwierig, sie konntenihn nicht bewältigen.) <strong>Die</strong> Goudimelschen Psalmen bildennun für diese die Brücke, die sie hinüberführte zur Mitwirkungan künstlerischer Musikübung. Sie sind, wie mansich heutzutage ausdrückt, im einfachen Kontrapunkt, Notegegen Note geschrieben, ganz im Gegensatz zu der damalsüblichen kompliziert polyphonischen Setzungsweise. Sokonnte bald jeder natürlich Beanlagte, sobald er nur dieNoten kannte, diese Psalmen mitsingen. Hatte man sichan ihnen geübt, so konnte man mit der Zeit auch zuschwierigeren Stücken vorgehen. Dass die Psalmen imersten Drittel des 17. Jahrhunderts in der Kirche sich festsetzten,habe ich im ersten Abschnitt nachgewiesen.Wesentlich für die Musikkollegien war es auch, dassjene in den höheren Schulen gelehrt wurden, überhaupt,dass der Gesang als UnteiTichtsstoff in die Schulen eingeführtwurde. ( Damit kommen wir auf die äusserlichenGrundlagen der Entstehung und günstigen Entwicklung28 ) S. HermannKretzschmar: „Sachsen in der Musikgeschichte".„Grenzboten" 1895 Nr. 40.


25der Musikkollegien. In St. Gallen hatte schon 1598 dergelehrte Polanus von Polansdorf (1561-1610) aus Schlesienbei Aufstellung des Lehrplans für das Gymnasium auchden Unterricht in den Goudimelschen Psalmen ins Augegefasst. Dass dieser dann auch befolgt wurde und derGesang im Unterricht eine wichtige Stellung einnahm, sehenwir aus der folgenden Stelle der Vorrede zur „ GeistlichenSeelenmusik" von Christian Huber; 29 ) sie ist auch bezeichnendfür die Stellung, die Staat und Schule dem Collegiummusicum gegenüber einnahmen.„Es ist in unserm im Jahr Christi 1598 bei notwendigerVersetzung der zunehmenden Knaben Schul an disesgegenwertige Ort von Alters her. S. Catharinen Clostergenannt wolgestellten Schulsatzungen (welche jährlich nachOstern daselbst o:ffentlich ab der Kanzel verlesen werden)neben vilen andern auch diese begriffen: dass die HerrenVisitatores oder Aufseher der Schul neben dem Rectore,auch ihnen sollen lassen angelegen seyn, dass eine feinezierliche Music in diesem unserm Gymnasio aufgerichtetund geübet werde. Diser loblichen Sazung gemäss werdennicht allein täglich vor und nach Mittag, wan die Schulenvollendet sind, in allgemeiner Versammlung aller und jederSchulern, diejenigen Psalmen Davids und andere geistlicheGe äng, welche an den h. Sonn- und Festtagen auch:Mittwochen in unsern Christlichen Gemeinden (deren indie hundert und acht, anstat dass vor einem Seculo nurallein acht bekannt waren) üblich sind, in dem ordent-19 ) Der vollständige Titel lautet: „Geistliche Seelenmusik,das ist Geist und Trostreiche Gesäng in allerley .A.nligen zu Trostund Erquickung Gottliebender Seelen, aus den besten musicaliscbenBüchern dieser Zeit, aus einem Buch mit vier Stimmen zu singen,zusammengesetzt sambt einer kurtzen Underrichtung von der Musicund Singordnung für die christliche Gemeind und Schul der StadtSt. Gallen - St. Gallen, gedruckt von J. Redinger 1682."


26liehen Tact abgesungen, sondern auch wochentlich, in derbestellten Music Schul, diejenigen Knaben sonderbarlichunderrichtet, welche nachdem. sie darinnen gem.elte Psalmenund Gesäng zu vier Stimmen genugsam. ergriffen,sich weiters auch in andern <strong>Musica</strong>lischen Büchern zu übenlust haben, damit sie nach erlangter mehrerer Wüssenschaftund Ubung der Sing Kunst eines Teils zwar nachgehaltenen Exam.inibus von den Schulherrn in derselbigen,so wol auss den Lobwasserischen Psalmen Davids, als auchaus anderen Authoren zu vier Stimmen dest erfreulicherangehöret, anders Teils aber auch unserm. wol angesehenenlöblichen Collegio Musico folgends desto rühmlicher einverleibtwerden mögen."Hieraus geht deutlich hervor, dass der Gesang am.Gymnasium. zu St. Gallen eifrig gep:fiegt wurde; aber auchan andern Orten war derselbe zum. Unterrichtsgegenstandgern.acht worden, in Basel beispielsweise schon 1589. 90 )Aus Bern ist noch aus dem. Jahre 1663 eine interessanteVerordnung der Obrigkeit „vortpflanzung halb der Musik"vorhanden,· aie ich, da sie ein deutliches Bild giebt vondem Bestreben der Regierung, die Musik in den Schulenund auch ausserhalb derselben zu heben, vollständig wiedergebe.„ Ordnung vortpflanzung halb der Musik. 31 )Es habend meine gnedige Herren vnd oberen ausanerbohrener Liebe vnd sonderem. eifer gegen Ihren Schulenvnd der darinn erlernenden freyen künsten gut befunden,einem. erwürdigen Convent zum. weisen nachdenken zuübergeben, wie vnd durch was bequäm.ste vnd rathsam.ste30 ) Paul Meyer: Basels Konzertwesen im 18. und zu Anfangdes 19. Jahrhunderts. Basler Jahrbuch 1884. pag. 181.31 ) Eine Abschrift vom Original verdanke ich der Güte desHerrn Adolf Fluri in Muri bei Bern.


27mittel der Edlen Music vnd fürtre:fflichester Singkunstmöchte wider aufgehol:ffen werden. Welche dann jr gutachten aufgesetzt und darüber jr gn. volgende Ordnungeinzeführen und gehalten zewerden angesechen.1) Erstlichen soll dem Cantori wegen ville der Studentenvnd SchulerKnaben, der Zinckenist zue gebenwerden, deren arbeit also abgetheilt werden kann.2) Herr Cantor bei seinen gewohnten Stunden jeneder lehr an Zinss und Sambstagen nämlichen von den11 bis vmb 12 verbleibe vnd die Studenten :B.eissig undvnverdrossenlich sowohl jn Psalmen als Music Stuckenexerciere, doch also das er die Studenten abtheile vndabwechsle, vnd hiemit ietz die einte, ein ander mahl, dieandere zue erst zum singen halten solle.3) Damit aber die Studenten besseren platz habenmögind vnd sowohl die vmbstehende, als sitzende, exerciertwerdind, soll ein Ta:ffel in der Stuben vnd lehr mittendurch die Stuben gehen, vnd wan keine darzue bequemlichvorhanden, soll eine hier zue dienstlich gemacht werden.4) Was din Urlaub antreffen thut sollen dieselbigegentzlich abgescha:ffett sein, aussgnommen wan mari überdas Blut urtheilet, vnd Martis vnd Luciae Mährit auf einenZinss- vnd Sambstag fallen. Item 8 tag vor den Examinibus.5) Soll Hr. Cantor von den 12 biss vmb eins oderdrüber nur die Knaben auss der achten vnd sibendenClass instituieren vnd dieselbige nachdem er sie :findenwirt, nach den Stimmen ordenlich abtheilen.6) Der Zinckenist aber wirt zue gleichen Tagen vndStunden, namlichen Zinss- vnd Sambstagen von den 12biss umb eins jn der 3ten oder gten Class, die sextanosvnd quintanos zue Randen nemmen, vnd denselbigenallda mit Treuwen vnd Ernst zeigen, vnd sie hernachHerren Cantori gleichsam als durch eine focomotion (?)übergeben.


287) Das morgengesang Jnn der Schul soll auch HerrCantor, wie von alter har am morgen nit nur fleissighalten, sonder auch bei Zeiten vnder den Knaben, dieStimmen ordenlich abtheilen, damit auch daselbsten zuevier Stimmen gesungen werde.8) Vnd damit die Studiosi jn der Forcht vnd zurgebühr desto besser gehalten werdindt, soll Herr Cantoreinem catalogum haben, welchen er selbsten abläse, vnddie absentes jnn die Straff ziehe, da dan die Stra:ffgelderin ein gewüsse darzue gemachte Büchsen söllen gelegtvnd aus derselbigen die fleyssigeren belohnet werden.9) Wan dann neben disen ordinarijs Exercitijs vndordnungen sich Hr. Cantor vnd Zinckenist so wohl mitstudiosis als sonsten Music liebenden Burgeren und BurgersSöhnen exercieren will, wirt selbiges an einem Donnerstagvon 4 biss umb 6 nach mitag vnd dass jn derTeutschen Lehr zue lassen, damit man vff solche Exercitiavnd zusammenkunfften fleissige achtung geben könne, zurvermeidung vnordnungen vnd schädlichen missbräuchen,so gar liechtlich einreissen köndten.10) So sind auch Hrn. Cantori vnd dem ZinckenBlaser privatae institutionen jn jhren Losamenten, wansie derselbigen Begerten vergünstiget.11) Über dise Ordnung soll zue einem besonderenInspektoren gesetzt vnd geordnet sein Hr. Prof. Nicolausder jetzige Rector welcher ein sonderbahre aufsieht auffdie Haltung solcher aufgesetzten Ordnung haben vnd somissbräuch einreissen wolten, dieselbige für ein ErwürdigConvent vnd wan die wichtigkeit es ervorderet, für meingnedig Herren vnd oberen bringen soll.Actum vor Raht den 2. Ju1y 1663."C § 9 dieser Verordnung deutet auf ein CollegiumMusicum hin, und werden wir auch später sehen, dass


29in der Teutschen Lehr, das ist in der Schulstube derdeutschen Schule, nach einander sogar drei Musikkollegienihre Uebungen abgehalten haben.)Wir haben also gesehen, dass die GoudimelschenPsalmen wie eine siegreiche Macht in Kirche und Schuleeingedrungen waren. Das letztere namentlich ist bedeutungsvollffu die Entstehung der <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong>.Ja man hat sich dieselbe ganz einfach so zu denken,dass die jungen Leute in der Schule zum mehrstimmigenSingen angeregt wurden; sie begeisterten sich daffu undwollten die musikalische Uebung auch ausserhalb derselbennicht missen, deshalb ßnden sie sich auch alserwachsene Leute wieder zu gemeinsamem Musicierenzusammen. <strong>Die</strong>ser Process wiederholt sich immer wieder,auch bei den Collegien, die erst in späterer Zeit entstandensind; anfänglich wollen die Glieder aller dieserVereinigungen weiter gar nichts, als miteinander musicieren,und erst mit der Zeit entwickeln sich aus ihnendie Gesellschaften als solche mit Gesetzen, Behörden,Vermögen und allen den Förmlichkeiten, die dazu gehören.So kommt es auch mehrmals vor, dass in einerStadt ein Collegium bereits so weit gediehen, wenn einpaar andere Musikfreunde derselben sich ebenfalls erstganz privatim zu einem Collegium zusammen ßnden, ausdem sich dann mit der Zeit ebenfalls eine grosse, auchals solche bedeutungsvolle Gesellschaft entwickelt. Danebengab es aber auch viele solcher Privatzirkel, diesich nie zu grösseren Gesellschaften entfalteten. <strong>Die</strong>shing natfulich immer mehr oder weniger vom Zufall ab,aber auch in einer bescheidenen Form verharrend, bliebensie für ihre Zeit wenigstens musikalisch nicht bedeutungslosund werde ich auch von ihrem Wirken, wo uns nochKunde davon erhalten ist, Bericht zu erstatten haben.Man könnte nun noch fragen: wie kam es, dass


30plötzlich Gelehrte und Staatsmänner zur Einsicht kamen,das die Musik für ihre Zöglinge und Untergebenen vongrossem Wert und Nutzen sei, sie mussten ihre Wirkungendoch auch erst kennen gelernt haben, ehe sie dieselbein Schule, Kirche und Privatleben einführen konnten.Hiermit kommen wir auf die ausserschweizerischen Einflüsse,die denn auch wesentlich mitgewirkt haben aufdie Bildung der <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong>. Als die Musik in Italienim Laufe des 16. Jahrhunderts einen so grossen Aufschwungnahm, wurden auch Laienkreise mächtig vonihr ergriffen, und entstand eine Bewegung unter ihnen,die zur Bildung der sogenannten Akademien 32 ) führte.<strong>Die</strong>se Bewegung regte sich dann auch in Deutschlandund bilden sich hier, namentlich ausgeprägt in Sachsen,die sogenannten Cantoreien. Sie sind die direkten Vorläuferder schweizerischen <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong>; wie dieseentstanden sie im Anschluss an Schule und Kirche, siewaren eine Vereinigung von Kurrenden, bekanntlich fürGeld singende Schülerknaben, und erwachsener Musikliebhaber.Ein Unterschied liegt nur darin, dass die Cantoreienviel enger mit der Kirche verknüpft waren - siewurden meist auch von Pastoren begründet - als dieMusikkollegien. Es hängt dies damit zusammen, dassdie Musik in der lutherischen Kirche einen viel breitemRaum einnahm, als in der reformierten. So wurden dieCantoreien für gewisse <strong>Die</strong>nste auch bezahlt, währendbei den Musikkollegien dies nie vorkam; sie waren von82 ) Emil Vogel in dem Aufsatz : Marco da Gagliano. Vierteljahrsscbrift für Musikwissenschaft, 1889, giebt an, dass 1607 inItalien schon folgende Akademien, die nur Musik pflegten, berühmtwaren : Filarmonici in Verona, Filomeli in Siena, dellaMorte und dell Spirito Santo in Ferrara, Unisoni in Perugia undEterei in Casena. Vergl. auch Art. Academie im Mus.-Conv.-Lexikonvon Mendel-Reissmann.


31der Kirche dtu-chaus unabhängige Privatgesellschaften.Der Gesellschaftstypus, der sich bei den letztem allmäligentwickelt, ist dagegen dem der ersteren sehr nahe verwandt;bezeichnend hiefür ist namentlich das bei beidenvorkommende, regelmässig sich wiederholende Musikmahl.Um die schweizerischen Musikkollegien ganz in dieallgemeine Entwickelung der Musikpflege einreihen zukönnen, muss ich hier nun noch etwas vorgreifen. Wennsich dieselben augenscheinlich im Anschluss an die deutschenCantoreien gebildet hatten, so hat doch ihre Entwickelungeinen etwas andern Verlauf genommen. <strong>Die</strong>letztem waren an die Kirche gebunden und blieben dies,wo sie überhaupt längere Zeit fortbestanden, wie inSachsen; dagegen die schweizeri chen Kollegien, von Anfangan mit der Kirche nur in losem und mehr durchden Gesangstoff bedingtem, bloss ideellem Zusammenhangtehend, trennen sich meist ganz los von derselben, undwerden so die Vorläufer der später in Deutschland fastlil jeder Stadt auftretenden Dilettantenkonzerte, 33 ) die88 ) Nach dem dreissigjährigen Kriege taucht in Deutschland,so weit ich es übersehen kann, das erste Collegium musicum 1668auf, es ist dasjenige des Organisten Mathia Weckmann in Hamburg.(Joseph Sittard: Geschichte des Musik- und Konzertwesensin Hamburg. Hamburg 1890.) Dann wird eines erwähnt in Leip-2ig im Jahre 1688. (Alfred Dör:ffel: <strong>Die</strong> Gewandhauskonzerte zuLeipzig. Leipzig 1884.) Dann das erste von Studenten ebenfallsin Leipzig durch Georg Philipp Telemann 1701 gegründet. Derselbewird der Stifter des „wöchentlichen grossen Konzertes" inFrankfurt 1713. (Neujahrsblatt des Vereins für Geschichte undAltertumskunde zu Frankfurt a. M. f. d. J. 1876. Carl Israel:Prankfurter Konzert-Chronik von 1713- 1780.) 1728 finden wirbeim Collegium musicum in Strassburg zwölf pensionierte Musiker,W(LS auf einen frühen Ursprung schliessen lässt. (J. F.Lobstein: Beiträge zur Geschichte der Musik im Elsass und besondersin Strassburg. Strassburg 1840.) In Lübeck wird die Errichtungeines „Konzertes" im Jahre 1733 J. P. Kuntzen zuge-


32zum Teil auch noch <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong> heissen. <strong>Die</strong>se sindin den schweizerischen Vereinigungen schon deutlich vorgebildet;dass sie hier früher in dieser Form, als vonder Kirche unabhängige Dilettantenverbindungen vorkommen,als im übrigen Deutschland, erklärt sich ganzeinfach daraus, dass die Schweiz vom dreissigjährigenKriege ganz verschont blieb, und es den Bürgern hiervergönnt war, Musik und Geselligkeit zu pflegen, währendweit um die Grenzen ihres Landes herum die Furiedes Krieges wütete und für lange Zeit fast alles, wasKultur heisst, vernichtete.<strong>Die</strong> äussere gesellschaftliche Entwickelung der Musikkollegienim 17. Jahrhundert lässt sich am besten an Handdesjenigen von St. Gallen nachweisen, da hier die frühestenund am meisten Berichte noch vorhanden sind. <strong>Die</strong>Gründungsurkunde, die freilich erst ein paar Jahre nachder Stiftung im Jahre 1620 aufgesetzt wurde, lautetwörtlich:"Dass die Music dem Menschen was Standts vndCondition er immer Ist, in seinem gantzen leben nichtnur nuzlich, sondern auch notwendig sey ist vnder anderndarauss offenbar, weilen dieselbe gleichsam das innerstedess Herzens durchtringt, die gemüthsbewegungen erhebt,die schwermuht vnd Traurigkeit vertreibt, die mattenglieder erlabet, die aussgemergleten geister widrumb erquickt,vnd also den ganzen menschen gleichsam lebendigmacht: Danahen er zur Lobpreisung Gottes, vnd Verrichtungseiner berufsgeschäften aufgemuntert vnd anschrieben.(Carl Stiehl: Musikgeschichte der Stadt Lübeck. Lübeck1891.) och jünger sind dann „die Musik übende Gesellschaft zuBerlin", die 1749 gegründet wurde, sowie die Wiener Tonkünstler-Societät von 1771 und das Münchener Liebhaber -Konzert vomJahre 1783, und die Heilbronn er Musikalische Gesellschaft 1785.(Ed. Hanslick: Geschichte des Konzertwesens in Wien. Wien 1869.)


33getrieben wirt. <strong>Die</strong>ses hat alle fromme, ehr- und TugendliebendePersonen in allerley Ständen von je welten herverursacht, dass sie diese liebliche vnd lobliche Kunsthoch gehalten; massen dieselbe nicht nur bei dem Gottesdienstoffenlich in den Kirchen eingeführt worden, sondernauch vast aller Orthen sich sonderbare liebhaberderselben befunden, welche Ihr Frevd vnd ergötzlichkeitdarinnen gesucht haben.Nach dero lobl. Exempel haben etliche Ehrliche Burgerssöhnealliier, so zu der Music eine sonderbare anmuhtunggetragen, sich zusammengethan dess Vorhabens,damit sie durch stehte Uebung zu mehrer Wüssenschaftdieser lobl. Kunst gelangen möchten, täglich in Hrn.Zacharias Büngiers seiner behausung mit einander sichdarinn zu exercieren, vnd damit den 2 Tag J enner 1620den Anfang gemacht, hernach aber vff namlich 7. 9br 1621durch folgende gsatz sich zusammen verbunden.1) Sollen wir alle Tage (den Sonnabend ausgenommen)Abends um halb vier zusammen kommen.2) Welcher erst um vier Uhr kommt zur Straff geben2 den.3) Welcher gar ausbleibt ohne Erlaubniss sol bezahlen4 den.4) Welcher in währendem Exercitio sonderlich imAnstimmen, singen oder pfeiffen etwas Possenwerk treibt,mit Lachen oder mit anderm vnd anderm verhindert,solle Busse geben 4 den.5) Wenn die Gesellschaft einen für straffwürdig erkennt,solle er sich derselben Urteil unterwerfen.6) Welcher den Mantel in die Stube tragt, soll erlegen2 den.7) Welcher in währendem Exercitio den andern zulachen macht, oder der Anfänger ist soll zur Straff geben4 den.3


348) Welcher den Takt schlagen soll vnd muss vndihm nicht Ernst sein lässt, soll bezahlen 2 den.9) Welcher sich wider die Straff (nach Ausweisungder Gsatz) sezt, soll doppelte Buss bezahlen.10) Welcher den andern schlägt, womit es wäre, sollgeben 2 den.11) Welcher den andern mit Pfeifen schlägt, sollnach Erkenntniss der gsellschaft gestraft werden."In dieser ältesten uns erhaltenen Gründungsurkundespiegelt sich schon das ganze Wesen der <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong>.Auf der einen Seite die grosse Begeisterung für die Sache,und auf der andern die unleugbar komisch wirkende,spiessbürgerliche Naivität der Kleinstädter. <strong>Die</strong>s ersteDokument enthält beides freilich in gesteigertem Mass.<strong>Die</strong> Gründer waren junge, der Schule eben entlasseneLeute; ihr Eifer war so gross, dass sie alle Tage musicierenwollten, was wir später nirgends mehr finden, undwas gewiss zu respektieren ist; dagegen aber klingen dieaufgestellten Verbote so kindlich, dass sie uns lächelnmachen. Wenn auch grössere Reife und oft viel Gelehrsamkeitverratend, so bleibt der Geist aller späterenSatzungen der Musikkollegien im wesentlichen doch überhundert Jahre der gleiche. <strong>Die</strong> Verhältnisse, in denensie gedeihen, waren klein und eng, aber um so höhermuss deshalb ihre geistige Bedeutung gewertet werden.Es waren Zeiten, in denen die deutsche Kunst ganz darniederlag, wo das gesamte Geistesleben rückwärts ging,und da wird es gewiss nicht ohne Bedeutung sein, wenngerade jetzt die Bürger dieser kleinen schweizerischenStädte mit solchem Eifer sich der Pflege der Musik widmeten.<strong>Die</strong>se Kunst wurde hier im besten Sinne populär,und dass sie eben eine wirkliche und nicht nur eine sogenanntevolkstümliche Kunst, wie sie heutzutage grassiert,war, ist bedeutungsvoll. Doch dies nebenbei; sehen wir die


35revidierte Gesetzgebung des St. Galler Collegiums vomJahre 1636.1) Erstlichen Sollen der <strong>Die</strong>nstag, wie auch Donstag,die zum Exercitio bestimbte tag sein, Also das man am<strong>Die</strong>nstag vmb vier vhren präcise; am Donstag aber, wegender Catechismus-Predig (welche Gott Zuehren vnd vnseraller ergetzlichkeit vor vnd nach mit einer schönnen <strong>Musica</strong>offenlich soll geziert werden) glich nach Zwölff vhrenzuosammen Komme, vnd keiner sonderlich wann die prediggehalten wirt, ohne wichtige vrsach aussbleibe.2) Welcher 1 /4 stundt nach der Bestimpten Zeit komptoder nach späther, Soll von Jeder 1 /4 stundt zur straffgeben 2 kr.3) Wann einer gar ausbleibt, ohne Erlaubnissnennung,Von dem Principalen der darzu erwelt ist, oder keinerechte erhebliche vrsachen anzeigen köndte, Sol gestrafftwerden vmb 10 kr. Am Donstag wirts dopplete straffsein müessen.4) Es wollen Aber vnsere Leges das (weil mit MoseExod. 15 Christus vnser lob vnd gesang sein soll) manden Exercitium allezeit anfange mit 2 oder 3 PsalmmenDavidts: Dasselbige ebenmässig mit einem Psalmmen endewie wir vns dann dieselben vom ersten an biss auf denletsten zu singen Vorgenommen.5) Entzwüschen vnd In wehrendem Exercitio sol manan ein- vnd nit an mehr <strong>Musica</strong>lische büecher (dann dardurchmehr verwierung der Kunst vervrsacht wurde) haltenwie ein ganz Collegium Ihm desshalben möchte vorgenommenhaben.6) So aber einer da fürnemlich im anstimmen, mitSingen, Pfeiffen, Gigen, oder anderen Instrumenten denanderen verhinderte oder etwas tribe darauss die anderenZulachen bewegt werden möchten, Soll er Bezallen 2 kr.Wie nit weniger der, so nit fleissige achtung auf das vor-


36habende Musicstuekh, auf seine Stimm, auf den Tact geben,Sonnder etwann mit schwätzen vnd eignen Thönen anderenvnd Ihm selbs verhinderlich sein würde.7) Am wenigsten aber sol da einiger Muthwill, LeichtfertigeWort oder ein Schwur gespürt vnd gehört werdenby straff für Jedes mahl 2 Kr. Er möcht aber also handlenvnd verschulden, das Collegium hete vrsach Ihn billichmit höcher Buss anzusehen.8) Welcher zum Tactschlagen verordnet ist, vnd darinnenmuttwillig fehlte, dardurch ein gsang verhindert:gar aufgehebt vnd wider angefangen werden müsste, soller bezallen 4 Kr.9) Es soll Aber das Tactschlagen Vmbgehen, damites Jeder Lehrne, es seye dann sach, das der des Tactierensam gewüssesten, den zu Continuiren nit beschwären würde,vnd so etwann einer mit Handt, Finger, Füessen, odersonst in was weiss, für sich selber den Tact schluge, vndden Verordneten Tactschlager, wie nit weniger die vebrigenMit Consorten verhinderte oder verirrtte soll bezallen 2 Kr.10) Wann einer vmb lehrnens willen, etliche buecher,oder sein Stimm darzuo er verordnet worden (daran erdann eignes sinns in Kein weg abstehen oder des Collegiumsvngnad .erwarten soll) heim nemme, Vnd es zuogewisser bestimpter Stundt nit wider brechte, oder so Ernit kommen köndte, senden Thette Soll Bezallen 10 Kr.11) Welcher vnder den ;<strong>Musica</strong>nten Vier mahl nachein anderen (wie woll mit der vebrigen Herrenvorwissen)wurde das Exercitium versaumen, soll er lauth der satzungseiner gebuer erinnert vnd auf gutheissen des Collegiinach dem das verbrechen sein wirt, gestrafft werden.12) So dann Jemandt in diss vnser Music-Exercitiumaufgenommen zu werden begerthe, Soll er sich den Legibusgebuerlich zu vnderwerffen versprechen vnd druff zumintroitu erlegen 45 Kr.


3713) Sonsten wer dissem <strong>Collegia</strong> nit Inuerleipt, Kämvnd unserer Music Zuhörte wirt derselbige Zu erhaltlln.gvnd Vermehrung des lieb- vnd Loblichen Exercitii vnddarzu gehörigen Instrumenten woll wüssen zethun nachseinem Standt vnd Ehren. ·14) Fahls ein solcher dann gar ein Lust dahin hete,sol er sich auff nechsten Musictag erklären, alsdann wirtein Collegium nach seiner geschickhligkeit vnd erforderungeiner oder der ander Stimm, handlen wie recht sein wirtvnd die Leges aussweissen.15) Zur dissen Legibus solle ein Ordenlicher Obmannvnd Richter wie auch Schreiber vnd Seckhelmeister erweltwerden, damit neben den vebrigen <strong>Musica</strong>nten dassGericht gefüehrt, Aufgeschreiben, vnd die Buossen eingezogenwerden mögen.16) Dann zu eingang eines Jeden Monats solle vndwirt ein samptliche Convent oder wie sich die sach begibtein straffgericht gehalten werden. Es möchte aber dieEhaffte erfordern, man dörfft Von allen, oder den Mehrentheilgesamblet ein Extra-ordinarium sessionem Ansehen.17) So nun J emandt da Straffwürdig erkenndt worden,Soll er die also baldt, oder by nächsten Exercitiodoch gewiss erlegen, oder des Collegii vngnad erwarten,wurd dann der Straffächtige gar nicht erscheinen by solchemOonvent soll er dopplete straff zubezallen schuldig sein.18) In allem vnd durchauss, soll der Straftwürdigesich der Straff gebührlich vnderwerffen, es seye gleig diepcen disen Legibus einuerleibt oder nit.19) Vund wann er sich der Straff widrigte vnd nachRecht haben wolte, Soll er dopplete straff erlegen. Ermöchte sich aber auch vngebürlich verhalten, dass Ihmdie Gesellschafft derselben Conversation berauben wurde.20) Keiner der <strong>Musica</strong>nten, soll sein Mantel, Dägen,N assenhutnitanSingorth, hinein Tragen, oder bezallen 1 Kr."


38<strong>Die</strong>se Verfassung kann als Muster gelten, im wesentlichenstimmt sie mit denjenigen aller Collegien auch derandern Städte überein. Das Komitee, wie wir heutzutagesagen würden, besteht zunächst nur aus dem Obmann unddem Seckelmeister, der auch das Amt eines Schreibers zubesorgen hat; dieses wird dann später als ein besonderesabgetrennt, und schliesslich kommt dann noch als vierterin den Ausschuss der Cantor oder Kapellmeister, der ebenfallsaus der Mitte des Kollegiums gewählt wird. <strong>Die</strong>sesbesteht zunächst nur aus Dilettanten; wie später auch Fachmusikerzur Mitwirkung herangezogen wurden, werden wirweiter unten sehen.Hier in diesen Satzungen von 1636 :finden wir auch schondie Mitwirkung beim Gottesdienst erwähnt; das Kollegiumwar hiezu vom Schulrat aufgefordert worden, und ist diesnicht etwa so zu verstehen, als ob von der Gesellschaftselbständige Musikstücke aufgeführt worden wären, sondernihre Tätigkeit beschränkt sich lediglich auf die Unterstützungdes Psalmengesanges der ganzen Gemeinde. Namentlichdarf man nicht etwa glauben, dass die Kollegienbeim Gottesdienst der Kirche auch Figuralgesänge hättensingen dürfen; dies hätte man in dieser frühen Zeit wenigstensnoch, wie etwa auch die Einführung einer Orgel,für Entweihung des Gotteshauses und Rückkehr zum Papsttumgehalten. Auch haben nicht überall die Musikkollegienbeim Kirchengesang mitgewirkt, ausführlich und mit starkerBetonung wird uns das nur in Winterthur überliefert. Hiererhielten die Mitglieder des Kollegiums in der Kirche eigenePlätze angewiesen; dies galt in jener Zeit bekanntlich füreine grosse Ehre, die sonst nur hohen · Amtspersonen zuteil wurde und illustriert uns das die Bedeutung, die demCollegium Musicum im Leben der Stadt zukam.Noch sehr stark an die Satzungen der jungen Stiftererinnernd, sind auch in denjenigen von 1636 die vielen


39Mutwilligkeitsgesetze, wie z. B. § 6. <strong>Die</strong>se sind freilichin dieser Menge und Form ein Zeichen der noch frühenZeit; sie treten in St. Gallen und auch in den Statutenaus andern Städten bald mehr und mehr zurück. Ueberrestevon ihnen erhalten sich aber noch bis in das vorigeJahrhundert hinein.Sind wir einmal bei den kleinlichen Zügen, so willich hier gleich noch einen, der sich etwas später überallin den Vereinsgesetzen zeigt, aufführen. In den ältestenerhaltenen "Gesetz und Ordnungen einer löblichen <strong>Musica</strong>lischenEhren-Gesellschaft der Stadt Winterthur" vomJahre 1660 heisst es:nFür das Eindlefte. So einen glid der Music, Ehroder Lob zufiele, der solle sich nach gestaltsamme desselbengegen der Gesellschafft mit einer ehrlichen Discretiongestehlen, dessglychen welcher liggende güeter an sicherkaufte. Soll von jedem ein-hundert Gulden des KaufschillingsZwo Mass: Item wenn eine fröhliche Jugendan disse Welt gebohren wirth, drey Mass; dessglychender ein Kindt uss h. Tauff hebt zwo Mass; und der synenGeburtstag erlebte allewegen auch zwo Mass wyn einerlöblichen Geselschafft inzuwerfen verbunden Syn."<strong>Die</strong>s ist die sogenannte Gesellschaftsbettelei, wir findensie überall mehr oder weniger ausgeprägt, und ist sie jaauch heute in kleineren Vereinen noch im Schwunge. Wieweit man es hierin bringen konnte, zeigen uns folgendeGesetze des St. Galler Kollegiums aus dem Jahre 1738.Wer Präses wird soll gebenStatthalterSeckelmeisterRechnungsherrStadtrichterEilfer .fl. kr.2.-1. 301. --- . 30- .451. -


Zunftmeister .RathsherrStadtpfarrer .Dekan oder Kammerer in Diskretion gestellt.RektorSchullehrer oder Helfer .Abendlehrer am SonntagEine höhere Schulklasse in Diskretion gestellt.HochzeiterEhrenämter, die 10 :fl. oder weniger eintragenEhrenämter, die 20 bis 50 :fi. eintragenvon 50 bis 300 :fi.Wegen " Erbe von 50 :fi. an„ von 100 :fi. an40" „ von 100 bis 500 :fi.,, " „ von 500 bis 1000 :fi.Von grösseren Summen je nach Willen.fl. kr.2.243.-3.-2.241.--. 30l. 12-.301.-2. --.20-.401.-2. -Gewinn in Lotterien von 100 :fi.l. -Bei Namens-, Geburts-, Neujahrstagen, militärischen Promotionenund beim Anblick eines jungen Erben je nachBelieben."<strong>Die</strong>s ist die reine systematisierte Bettelei. Man siehtaber daraus, auf was ein getreuer Kassierer nicht alleskommen kann, wenn seine Kasse schlecht bestellt ist.Natürlich. war überall auch ein bestimmtes Eintrittsgeldfür die Aufnahme in das Kollegium, an vielen Orten auchein Austrittsgeld festgesetzt. Beides war im Anfang bescheiden,in St. Gallen hatten Eintretende 1649 1 :fi. 30 kr.,in Winterthm· 1660 einen Dukaten in Specia zu entrichten;mit der Zeit wmden diese Summen natürlich. höher. Inden Statuten der Gesellschaft zur deutschen Schule inZürich vom Jahre 1679 ist über das Austrittsgeld folgendesfestgesetzt: „ Wer ohne gebührende valediction und Er-


41legung des Abschiedsgeldes weggeht, dessen Namen sollsammt dem unehrlichen Abschied dem Protokoll einverleibtwerden; ein Valedicirender soll nach Belieben undhabender discretion, zu gutem seinem Andenken und V erhütungSchimpfs und unguter N achred, der Gesellschaftetwas Geld's doch nicht minder als 8 ß. zu freundlicherAbschiedsverehrung hinterlassen."Wir haben gesehen, dass in der Gesetzgebung desSt. Galler Kollegiums vom Jahre 1636 die wesentlichen,diese Kollegien charakterisierenden Punkte in der V erfassungbereits vorhanden waren. Zur Vervollständigungführe ich nun hier noch die revidierten Satzungen derselbenGesellschaft vom Jahre 1649 im Auszuge bei; ichmuss mich hier immer auf St. Gallen beschränken, davon andern Städten aus dieser frühen Zeit keine Statutenmehr erhalten sind. Es wird in ihnen gesprochen :n Von der P:fiicht eines jeden Mitgliedes, das Kollegiumauf die Nachkommen zu pflanzen. Wer in irgend einerkünftigen Zeit von Trennung oder Theilung auch nurrede, habe ansehnliche Geldstrafe oder des Kollegiumshöchste Ungnade zu gewärtigen.Von der Erstellung eines Prinzipals, eines Statthalters,Sekelmeisters und Bussners und deren P:fiichten. DerPrinzipal muss alle Quatember Konvent halten. Vergisster's, so muss er zur Strafe einen halben Thaler erlegen.Der Sekelmeister ist für jeden Schaden an Geld, Büchernund Instrumenten verantwortlich. Das Bussneramt wechseltvierteljährlich, und fällt jedesmal auf den abgehendenStatthalter. Er muss die, welche ungesezlich gehandelthaben ihres Verbrechens erinnern. Für Schaden ist auchEr verantwortlich.Eintretende haben 1 :ß.. 30 kr. zu entrichten undmüssen vor dem gesamten Kollegium anhalten.Wer nicht ein ordentliches Mitglied sein und nicht


42alle mal kommen will, ist ein Extraordinares, wofür erjährlich einen Gulden in den Fiscus erlegt.Gute Musiker, die nicht Mitglieder werden wollen,sind als Honorare zuzulassen. Der U ebungstag ist wöchentlichnur der <strong>Die</strong>nstag von vier bis sechs Uhr. Eswird „mit einem Lobwasser" angefangen und geendet.Aus andern Musikbüchern singen zu lassen, ist ganz demPrinzipal anheimgestellt. Wenn möglich, soll auch derInstrumentalmusik eine halbe Stunde gewiedmet sein.Während des Exercitiums soll Alles gebührlich undordentlich hergehen. Wer im Einen oder Andern, dassich nicht geziemte, übersähe, soll nach Gestaltsame derSache gestraft werden. Mantel, Degen, nasse Hüte sollman desnahen ausser dem Zimmer ablegen.Wer um Lernens willen eine Stimme mit nach Hausenimmt und nicht zur bestimmten Zeit zurückbringt, wirdgebüsst, und Schadenersatz muss derjenige geben, der,wenn die Uebungen in seinem Hause statt finden, anBüchern und Instrumenten in demselben Etwas verlorengehen lässt.Doppelte Strafe warten auf den, der irgend einemKonventsbeschlusse sich widersezt."Neu ist hier die Stelle des Statthalters, der in Abwesenheitdes Prinzipals (dies ein neuer Name für Obmann)diesen zu vertreten hatte. Ueberhaupt wird dasKomitee mit der Zeit überall immer vielgliedriger. Beiden zürcherischen Gesellschaften setzt es sich z. B. ausfolgenden Personen zusammen: Dem Moderator oder Obmann,dem Vizemoderator, dem Pfleger, Schreiber oderAktuar, Praecentor (später auch Cantor und von 1725Kapellmeister genannt), Bibliothekar und dem Stubenmeister.Wichtig ist die Einführung der Vierteljahrskonvente.<strong>Die</strong>se finden sich später fast überall, und sind sie nament-


43lieh dazu da , die Geschäfte zu erledigen. In Zürichheissen sie Quartalbötter, als Plural von Quartalbott oderQuartalgebot. Zuweilen mit ihnen verbunden oder aberauch getrennt davon findet sich ebenfalls bei den meistenKollegien das Musikmahl oder Convivium musicale, zuweilenauch Liebesmahl genannt. 84 ) Es waren dies festlicheZusammenkünfte, zu denen zumeist auch Frauenmitgebracht werden durften, während die Kollegien sonstausschliesslich aus Männern bestanden. Wir würden diesheutzutage etwa Abendunterhaltungen nennen, nur dassdie Leute damals mehr Zeit hatten als wir und ihreVereinsfestlichkeiten am Tage feiern konnten. Es wurdedabei auch musiciert, aber das Mahl als solches scheintdoch auch eine sehr wichtige Stellung eingenommen zuhaben, denn in allen noch erhaltenen Protokollen wirdbei Erwähnung desselben auch sorgfältigst der ganzeSpeisezettel mitgeteilt. 85 )8 ' ) Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass durch diese.Musik.mahle die schweiz. Coll. Mus. mit den sächsischen Cantoreienverwandt sind.86 ) Hier nur zwei Beispiele: In St. Gallen war jeweils derSeckelmeister auch zugleich Küchenmeister, als Gehül:fe wurdeihm dann noch ein Mitglied, dasjenige, das der Reihe nach imNamensverzeichnis je nach der Aufnahmezeit folgt, beigegeben.<strong>Die</strong>se beiden ordneten im Jahre 1651 folgendes Essen mit Genehmigungder ganzen Gesellschaft für das Musikmahl an:I. Gang.1 Dzd. hübsche Felchen.5 Pasteten v. Kalbfleisch jede 1/2 Thlr.6 Schüsseln Salat mit Eiern.6 oder 8 Schüsseln mit Gemüs.II. Gang.18 hübsche Hühnli gebraten.1 Kälberner Nierbraten.2 Schääfene Spalltm a la Suisse.4 Schüsseln Heuerling (nicht zu gross) gesotten u. gebacken.


44Von grosser Wichtigkeit für die Kollegien war esnatürlich, wo sie ihre Versammlungen und Uebungen abhaltenkonnten. Am Anfang fanden diese zumeist in derBehausung eines Mitgliedes statt. Ueberall aber erringtsich das Collegium musicum oder aber in Städten, wo esderen zwei oder noch mehr gab, alle miteinander einsolches Ansehen, dass der Rat der Stadt jedem derselbenein eigenes Lokal anweist, oder zur Erwerbung einessolchen kräftig beisteuert. So wird der Gesellschaft aufdem Musiksaal, wie sie später genannt wurde, in Zürich6 Schüsseln gekochte und gebackene Henli und Wiechslein.4 Zungen, frisch und halb digen (halbgeräuchert).Rettich.ill. Gang.Oehrli.Allerlei hübsch Obs, Lugmilch süss und sauer.Leckerli Anis brot, Presseln, Wein und Brot.Von diesem Mahle heisst es dann im Protokoll, es sei gefeiertworden von Nachmittag bis gegen Mitternacht von 34 Personen,worunter 12 sonderbare Gäste und Muggensturm, der Trompeter,am 15. Tage des Monats Juli des Jahres 1651 „und ist garfriedlich und fröhli.ch abgegangen". Aber es sollte noch Regenauf den Sonnenschein kommen. Aus 18 Hü.hnli waren 24, aus4 Zungen 5, aus 5 Pasteten 6 geworden, dazu waren noch ganzunerwartet gekommen Pecht und Hippen, Zitronen und 16 Zileten,Kräpfli, 71/2 Pfund kleine Würstli, Mandeloffleten, Doterbrödli, Biberzeltenzeug,A.rtischoken und Illanken, und für Lichter, Schmalz,Oel, Gewürz, dem Fischer, dem Koch für entlehntes Geschirr warebenfalls zu bezahlen. So war die Zeche um 42 :fl. 46 kr. u. 4 Hll.höher gestiegen, als man berechnet hatte. Sie war nun mit Jammerund Geld von den Mitgliedern zu bezahlen, die allgemeine Kasseschoss nur 10 :fl. zu.<strong>Die</strong> Gesellschaft zur deutschen Schule in Zürich liess sich168!> Folgendes schmecken: 14 Stuck Brot, 2 Salath, 2 Bastetchen2 Grossbräten, 8 Tauben, 1 Hass, 2 Blatten Fisch, 2 Blettli Retig,2 Blettli Zwegsten, 14 Mass \;![ein, wiederum 1 Mass Wein. Daskostete Summa :fl. 11. 5 ß.


45schon 1641 ein geeigneter Raum im Fruchtzollhaus überlassenund 1683 lässt die Regierung einen "schön gegypsetenSaal" eigens für sie erbauen. In St. Gallen erkennenndie gnädigen Herren und Obern", dem Kollegiumjährlich fünfzig Gulden aus dem Stadtseckel mit demBeding zu geben, dass dieses dann selbst für ein Lokalsorge. "Nach empfangenem solchem Urtheil" hat sichdas Kollegium gegen "einen Ehrsamen Rat" aufs höchstewegen der ansehnlichen Beihülfe bedankt, und sich fernerrekommandiert. <strong>Die</strong> Abgeordneten eröffneten dann dien Gutherzigkeit meiner gnädigen Herren". Daraufhin wurdeein angenehmes Lokal an einem der schönsten Plätze derStadt für 1200 Gulden gekauft. Es wurde am 11. Februar1666 eingeweiht und erhielt von da ab den Namen „Singerhäusli".Hier haben wir nun gerade den Fall, dass einzweites Musikkollegium, das in der Stadt bestand (siehehierüber. weiter unten), gleiches Recht verlangte, undsich ebenfalls beim Rat um ein Lokal bewarb. Es wurdeihm dann auch ein solches zu teil, indem man ihm einGewölbe in der St. Magnikirche überliess. Von nun anwurden die beiden 'Gesellschaften auch nach ihrem Lokalunterschieden. In Winterthur wurde dem Collegium musicumauf sein Ansuchen hin 1715 sogar ein Raum imRathause überlassen. <strong>Die</strong> Erkenntnis des Rates lautetedahin, nicht nur dem Collegio musico zu willfahren, sondernauch n Tisch, Sideli (Sessel) und einen Ofen darinzu machen". Im Anfang sehen wir die Kollegien häufigin Schulstuben musicieren ; als dem Berner Kollegium dasSchulzimmer zu eng wurde, richtete man ihm, trotz Einspracheder Geistlichkeit, einen Teil einer Kirche (Predigerkirche)als Musiksaal ein.Daraus, dass man überall bemüht war, dem Musik-_kollegium einen möglichst schönen Saal herzustellen, gehtam deutlichsten hervor, wie bedeutend die Stellung war,


46die dieses im gesellschaftlichen Leben einer jeden Stadteinnahm. Wo in einer Stadt deren mehrere waren, behauptetmeistens eines die erste Stelle, während die andern,wenigstens gesellschaftlich, etwas zurücktreten. Das hoheAnsehen, welches das erstere genoss, kennzeichnet sichnicht selten dadurch, dass der Bürgermeister der Stadtselbst auch Obmann des Musikkollegiums war. Eine gesellschaftlicheEntwickelung ist nach den St. Galler Statutenvon 1649 nicht mehr zu konstatieren. Es sind javiele Kollegien erst nach 1649 entstanden, auch wurdenüberall die Statuten vielmal revidiert, aber im Grundeblieben sie doch immer dieselben ; ein neuer Geist kamauch in die Musikgesellschaften erst nach der französischenRevolution. Um das anschaulich zu machen, lasse ichhier die Gesetze des Musikkollegiums von W etzikon vollständigfolgen. Ich greife gerade W etzikon heraus, weildie dortige Gesellschaft von einem der bedeutenderenschweizerischen Komponisten, dem Pfarrer J oh. Schmidli(1768), begründet wurde, und dadurch in höherem Massezu interessieren vermag. 96 )Leges Des Löblichen Music-Collegii zu W etzikon,MDCCLXVIII.r.<strong>Die</strong> Ehre Gottes ist das erste Gesetz.II.<strong>Die</strong> Gesellschaft soll ihre Vorsteher zur Einrichtungund Beibehaltung guter Ordnung haben, nämlich einenPraesidem , Seckelmeister, Capellmeister und Scribaiµ,welchen alle gebührende Ehrerbietung und Folgeleistungvon einem jeden Mitglied der Gesellschaft erwiesen werdensoll.36 ) Vergl. Felix Meier: Geschichte der Gemeinde Wetzikon.Zürich 1881.


47m.Ein jeder, der in das löbl. Kollegium begehrt aufgenommenzu werden, soll zum wenigsten in den Psalmen,Chorälen, Liedern, oder aber in Behandlung eines Instrumentesso geübt sein, dass er ein nützliches Mitgliedder Gesellschaft abgeben mag, und soll auch sonst einesguten Wandels sein. Wenn die Gesellschaft ihm den Zugangerlaubet, wozu er sich bei dem Praeside anmeldenmuss, so soll er drei Monat die Probezeit aushalten, unddan erst, so er als ein brauchbares Membrum. des Collegiierfunden wird, nach abgelegter Probe recipiert werden.Zum Einstand und für die Aufnahme in die Gesellschaftsoll er fünf Gulden erlegen. Mithin aber soll es bei demCollegio stehen, nach Beschaffenheit der Personen oderanderer Umstände das Receptionsgeld zu mindern oderzu mehren.IV.<strong>Die</strong> Musik soll im. Sommer am Sonntag nach vollendetemN achgesang und im Winter nach beendigtemGottesdienst angehen. Wer zu spät kommt in der erstenhalben Stunde soll zwei Schilling, in der andern halbenStunde vier Schilling und wer erst in der zweiten Stundekommt, sechs Schilling bezahlen. Ist einer abwesend,äussert wegen eigenem nahen Leid oder Leichenbegängnissdes Nachmittags an einem fremden Ort, oder wegen Krankheit,welche Sachen entschuldigen, soll er für seine Absenzzehn Schilling entrichten. Das Collegium soll Winterszeitzwei Stunden, im Sommer dritthalb Stunden währen.Wer vor der Zeit weggeht, soll die Absenzenbuss bezahlen.Nach Verfl.uss dieser Zeit ist Niemand mehr gebunden undstehet dan den <strong>Collegia</strong>nten frei, noch eine Musik aufzuführen.


48V.Ohne Widerrede soll ein Jeder die Parthie oder Stück,welche der Capellmeister ihm zum Singen, oder zu einemInstrument giebet, annehmen und ausüben.VI.Wer sich unanständig es sei mit Schweren oder ungebührlichenund ärgerlichen Reden bei dem Collegioerzeigen würde, soll von den Mitgliedern der Gesellschaftohne Ansehen der Person nach Beschaffenheit des Fehlersgebüsset werden.VII.Alle Mitglieder sollen eine wahre Brüderschaft unterhalten,und wie des Collegii, so auch Einer des AndernEhre gegen Jedermann vertheidigen. Zugleich soll einJeder alle Verschwiegenheit beobachten, und nichts ausdem Collegio offenbaren, woraus einicher V erwies entstehendürfte, wo er anderst nicht der Büssung mit einer hartenGeldstrafe durch das Collegium will gewärtig sein.VIII.Zugleich sollen alle Mitglieder das Gesang bei demoffentlichen Gottesdienst und den N achgesängen durchAnwendung ihrer Fähigkeiten zu äufnen allen Fleiss anwenden.IX.Damit Niemand eigenen Gefallens das Collegium verlassenkönne, so soll zur Aufrechterhaltung desselben, einJeder gehalten sein, es drei Jahre als ein Mitglied zufrequentieren; würde er in dieser Zeit das Collegium verabscheiden,soll er demselben einen Louis d'or unnachlässlichbezahlen. Nach den drei Jahren mag er seinenAbschied mit drei Gulden machen, welch letstern Abscheidauch der hat, der in den drei ersten Jahren seine Wohnungin eine andere entfernte Gemeinde abändern würde.


49X.Zur Anschaffung der nötigen Bücher, Musikalien undInstrumente soll ein jedes Mitglied einen Monatsschussvon 14 Schillingen bezahlen.XI.<strong>Die</strong>se Gesetze unverbrüchlich zu halten, soll ein jederNeuangenomm.ener dem Praesidii in die Hand versprechen,und nachdem er die Gesetze gelesen, oder dieselben ihmvorgelesen worden, sich unterschreiben, denselbigen ohneanders sich zu unterwerfen."Ich denke, der Geist dieser „Leges" ist nicht starkverschieden von dem, der in den Gesetzgebungen derSt. Galler Gesellschaft aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhundertsherrscht. <strong>Die</strong> äusseren Verhältnisse waren ebeneng und klein geblieben und auch in den grösseren StädtenBasel und Zürich war es nicht anders. <strong>Die</strong> immer undimmer wieder revidierten Satzungen gleichen sich zumVerwechseln, viele unter cheiden sich von den W etzikonernetwa dadurch, dass sie bis aufs kleinste Pünktchen genaufestsetzen, was der Obmann, was der Seckelmeister, derAktuar etc. zu tun habe. Bleiben so die äusseren gesellschaftlichenFormen fast zweihundert J alu:e lang unverändertdie gleichen, so ist es dagegen interessant, zubeobachten, wie sich das moderne Konzertwesen langsamim Schosse dieser Musikkollegien entwickelt.Zum ersten Male :finden wir Zullöre1' erwähnt in denSt. Galler Satzungen von 1636 (vergl. oben). Es heisstdort: „Sonsten wer diesem Collegio nit Inuerleipt, Kämvnd unserer Music zuhörte wird derselbige Zu erhaltungvnd vermehrung des Lieb- vnd Loblichen Exercitii vnddarzu gehörigen Instrumenten woll wüssen zethun nachseinem Standt vnd Ehren," das heisst also mit andernWorten schon, wer zuhören will, der muss auch etwas4


50dafür bezahlen, nur bleibt es noch ihm überlassen, dieHöhe der Summe, die er für den gebotenen Genuss indie Gesellschaftskasse legen will, zu bestimmen. <strong>Die</strong>sefrühe Erwähnung von Zuhörern hier ist wichtig, weil siebei ähnlichen Veranstaltungen in Deutschland erst vielspäter vorkömmt. Gewissermassen als Zuhörer sind dannauch die in den St. Galler Statuten von 1649 vorkommendenExtraordinares (ausserordentlichen Mitglieder) anzusehen,obwohl es nicht ausgeschlossen ist, dass sie bei derMusik zuweilen auch mitgewirkt haben. In den Winterthmer„Gesetz und Ordnungen" von 1660 wird dann schongenau bestimmt, wie viel für die Einführung eines Fremdenzu geben sei. Es heisst dort: „Zum Zehenden, wann einereinen guten Herrn oder Fräundt mit ihm zu der Gesellschaft,So derselben mit ynverlybt were brechte, der solleso o:fft es beschieht für denselben zwo Mass wyn gebenvnd u:ffstehlen." <strong>Die</strong>se Forderung entspricht freilich auchnoch lange nicht dem, was wir Eintrittsgeld nennen, sondernihr Sinn ist vielmehr der, dass derjenige, welchereinen Fremden mitbringe, auch dafür sorge, dass für diesenbei dem nach dem Musizieren einzunehmenden Trunkeauch etwas aufgestellt sei und dieser nicht den andernMitgliedern den Wein wegtrinke. Immerhin ging mit derZeit aus solchen Bestimmungen das heute übliche Eintrittsgeldhervor. <strong>Die</strong>sem schon verwandter ind die Bestimmungen,die die Gesellschaft vom Musiksaal in Zürich,gezwungen durch Schuldennot, 1721 traf. Sie lauten:„ W an ein membrum ein frömden Herrn mit sich aufden Musiksaal führet, so soll dies membrum für ihn 18 ß.erlegen, so aber einer Zwei frömde mit sich brächte, sosoll er 24 ß., für ch:ei 30 ß. und für vier frömde einenGulden in die büchs legen."Den eigentlichen Anfang unsers Konzertwesens bezeichnetaber erst die Einführung von Subskl'iptionskon-


51zerten. <strong>Die</strong>se geschieht, freilich nur in den grösserenStädten, um das Jahr 1750. Sie werden zunächst nichtvom Kollegium als solchem eingerichtet, sondern zwei oderdrei Mitglieder, die Konzertkommission genannt, übernehmendie Sache auf eigenes Risiko. Das Verhältnisdieser Konzertkommission zu dem Kollegium spiegelt sicham besten in den Bestimmungen, die diese in der Gesellschaftvom Musiksaal in Zürich 1749 traf, und die imProtokoll überliefert sind. Sie lauten:"Da vor etwas Zeit den Herren Unternehmern gegenwärtigenConcerts auf derselben höfüches Ansuchen hinmit einmüthiger Bereitwilligkeit der Musik-Saal eingeräumtworden, so haben diese zu einem etwelchen Ersatz sichgegen I. L. Collegium folgendermassen verpflichtet:1) Gestatten Sie den H erren Mitgliedern als ein besondersVorrecht vor andern Subscribenten aus, dass jeZwey und Zwey ein Subscription Billet a 6 Ducaten gemeinschaftlicherstehen mögen mit dem Beding dass zwarenbeide Herren Subscribenten zugleicher Zeit das Conzertfrequentieren, aber nur wechselweis jeder ein Frauenzimmerausführen möge.2) Denj. Membris, die zwaren gar nicht suscribierenübrigens aber im Stand sind zu einer desto completerenMusic behül:fl.ich zu sein, solle für ihre Person alleine derZugang für beständig erlaubt sein. DannaberdieseErlaubnissdurch Mitteilung eines Billets über jedesmal erneuert werden.Was dann 3) die Ehrenmitglieder anbelanget, die wederSubscribenten noch zur Music etwas contribuiren, so willman auch diesen den Zugang für ihre Person nicht gänzlichuntersagen. Doch dass sie sich wegen Mangel Platzes nichtüber 2 oder 3 mal einfinden, jedesmal aber sich die Erlaubnisshiezu ausbitten und sich um ein Billet bewerben."Den Unternehmern wird also der Saal von dem Kollegiumfür die Konzerte überlassen, dafür wird dieses aber


52vor den andern Subskribenten bevorzugt. Der Passus,dass die Mitwirkenden freien Eintritt haben, klingt freilichetwas naiv; man wird doch auch in jener Zeit nichtvon denjenigen, die das Zustandekommen des Konzertsermöglichten, erst noch ein Eintrittsgeld haben erhebenkönnen. Der Subskriptionspreis betrug in Zürich 17496 Dukaten. Er steigt und sinkt natürlich in den verschiedenenJahren, je nach den Verhältnissen, in der Regelwurden in der Saison acht Konzerte, zuweilen aber auchbedeutend mehr abgehalten. 37 )Das für die Zeit Bezeichnende ist, dass nur die Herrenzu subskribieren brauchten, „Frauenzimmeru konnten jederzeitfrei eingeführt werden. Auch in der Stadt anwesendeangesehene Fremde hatten stets freien Zutritt zu denKonzerten; man rechnete es sich zur Ehre an, wenn siekamen. Es war also noch nicht der moderne Konzertsaalmit numerierten Plätzen, wenn man auch für Geldein Abonnement für die Konzerte sich verschaffen konnte,sondern das Ganze, und das ist sehr bemerkenswert, hattenoch den Anstrich von einer vornehmen Gesellschaft. Mandarf auch nicht glauben, dass da jedermann ohne weiteressubskribieren durfte. Wir haben gesehen, wie das Musikkollegiumin jeder Stadt mit der Zeit zum Mittelpunktdes gesellschaftlichen Lebens wurde und zu den Seinigendie höchsten Amtspersonen zählen durfte. Dem entsprechendwurde die ganze Gesellschaft eine aristokratischeund galt es in Zürich noch bis gegen Ende des letztenJahrhunderts für ein Ereignis, wenn jemandem die Konzertsubskriptionslistezugesandt wurde, der nicht von selbstschon zur vornehmen Gesellschaft gehörte. 38 )37 ) Ueber die Einzelheiten, auch die entsprechenden Verhältnissein andern Städten, siehe weiter unten.38 ) Georg Finsler: „Zürich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts."Teil r:q:. Neujahrsblätter zum besten des Waisenhauses.Zürich 1880.


53Spuren dieser einstigen aristokratischen Einrichtungdes Konzertwesens :finden sich heute noch in Zürich, indemdie Verwaltung des für Konzerte vorhandenen Fondsnoch in den Händen eines Komitees aus den vornehmstenBürgerkreisen der Stadt liegt, dessen Mitglieder zum Teilnoch die Titel führen, wie sie zur Zeit des alten Musikkollegiumsüblich waren. So heisst beispielsweise einerderselben immer noch Kapellmeister, obwohl das jetzt garnichts mehr als ein Titel ist.Wir haben gesehen, wie die <strong>Collegia</strong> musica zunächstaus der blossen Freude an gemeinschaftlichem Musizierenentstanden sind. Bald formieren · sie sich dann zu festenKorporationen, die von der Mitte des 17. Jahrhundertsan auch in dem Gesellschaftsleben der damaligen Städte einehervorragende Stellung einnehmen. <strong>Die</strong> Entwicklung ihrerVerfassungen haben wir an den verschiedenen Satzungendes St. Galler Kollegiums beobachtet und gesehen, dassüber die in den Satzungen von 1649 aufgestellten Grundzügeim wesentlichen keine Verfassung eines Musikkollegiumsbis gegen Ende des 18. Jahrhunderts hinausging.Es entwickelt sich also ein gewisser Gesellschaftstypus,den wir mehr oder weniger verändert überall wieder finden;ein Unterschied zwischen den verschiedenen Kollegien,namentlich auch einer und derselben Stadt, liegt oft nurdarin, dass das eine mehr aristokratisch, das andere mehrbürgerlich ist, auch giebt es Kollegien, die hauptsächlichaus Studenten bestehen. Sicher ist, dass sie überall inhohem Ansehen standen und sind sie als Gesellschaftensittengeschichtlich sehr interessant; wichtiger noch undhier besonders zu untersuchen jedoch ist ihre musikalischeBedeutung.Das musikalische Fundament, von dem die erstenKollegien im Anfang des 17. Jahrhunderts, aber auch„


54alle späteren bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts ausgingen,waren, wie schon wiederholt betont, die Goudimel'schenPsalmen. Ueberall finden wir die Bestimmung,dass die Uebungen mit zwei oder drei Psalmenzu beginnen und ebenso mit einem Psalm zu schliessenseien. Sie sind das ideale Band, das die verschiedenenKollegien mit einander verbindet und sie als unter sichverwandt charakterisiert. Ausser den Psalmen herrschtdann aber grosse Verschiedenheit im Sing- und Spielstoff,und die Wahl desselben hing in jener Zeit, wo die Verkehrsmittelnoch schlecht entwickelt waren, sehr starkvom Zufall ab. Man darf dies nicht ausser Acht lassen,wenn man nicht ungerecht sein will. <strong>Die</strong> Bürger jenerkleinen Städte konnten sich unmöglich einen Ueberblickverschaffen über das, was zu ihrer Zeit auf dem Gebieteder Komposition geleistet wurde, und sich dann etwadas Beste davon aussuchen. Sie mussten zufrieden sein,wenn von da und dort etwas Gutes zugeweht kam, undwas sie dessen habhaft werden konnten, haben sie sichredlich zu eigen gemacht. Daher rührt der grosse Unterschiedin der Auswahl des musikalischen Stoffes bei denverschiedenen Gesellschaften. So giebt es auch namentlichim 17. Jahrhundert noch nur wenige Autoren, dieüberall sich Beliebtheit verschaffen konnten; um so höheraber muss die Ehre angeschlagen werden, wenn es einemKomponisten gelang, seinen Namen so berühmt zu machen,dass dessen Glanz überall hindrang und infolge davonseine Werke trotz der schlechten Kommunikationsmittelüberallhin verbreitet wurden. <strong>Die</strong>s scheint bei OrlandoLasso der Fall gewesen zu sein. Obwohl er bei Gründungder ältesten Kollegien schon bald ein Menschenalter totwar, so :finden wir einzelne seiner Werke bei ihnen allenim Gebrauch; später wird auch Schütz genannt (immerunter dem latinisierten Namen Sagittarius), vor allem


55.su-b.-3n3Il~htf,r-k,er~ktet-,Ilelogtnraber beliebt auf lange Zeit, bis weit ins 18. Jahrhunderthinein war Andreas Hammerschmied. Einzelne seinerWerke :finden wir bei allen schweizerischen Kollegienausnahmslos, an manchen Orten sind sie sogar vollständigvorhanden. Im übrigen ist in der ersten Zeit, wie schongesagt, in den verschiedenen Städten auch der Musikstoffein sehr verschiedener. Im einzelnen Aufsch!uss darübergiebt der zweite Teil, und bevor ich die Gesangbücherund Werke einzelner Autoren, die in späterer Zeit eineähnliche allgemeine Beliebtheit erlangten, aufzähle, willich erst das, was überliefert wird über die Art und Weise,wie musiciert wurde, mitteilen, um möglichst in chronologischerReihenfolge ein Bild der Entwickelung desmusikalischen Lebens zu geben.<strong>Die</strong> Musikanten, so hiessen die Mitglieder in denältesten Zeiten, kamen in der Regel nachmittags um4 Uhr wöchentlich wenigstens einmal zusammen; allesZuspätkommen und noch mehr gänzliches Ausbleibenwurde, wie aus den oben mitgeteilten Satzungen hervorgeht,strenge bestraft. Das war um so notwendiger, alsdie Kollegien überall nur aus etwa acht bis allerhöchstensvierundzwanzig Mitgliedern bestanden. In Zürichwaren in den ·satzungen der verschiedenen GesellschaftenBestimmungen, dass die letztere Zahl nie überschrittenwerden dürfe. Hauptsächlich übte man Gesangswerkeem. Wir :finden aber schon 1637 in St. Gallen die Bestimmungen,"dass am <strong>Die</strong>nstag Vokalmusik mit der Orgel,am Donnerstag aber nur Instrumentalmusik gehalten; jeder,der am <strong>Die</strong>nstag auf einem Instrumente spielen wolle,gestraft werden solle, und am Donnerstag die Instrumente,ehe die Uebung anfange, schon gestimmt sein sollen" ;d. h. also der Instrumentalmusik war fast so viel Platzeingeräumt wie dem Gesang. Es war freilich noch nichtganz so viel, da daneben noch die Bestimmung zu Recht


56bestand, dass auch die Instrumentalübung mit ememPsalmen einzuleiten sei.Auch war im Grunde genommen trotzdem die Vokalmusikdie Hauptsache und blieb es bis ins erste Viertel des18. Jahrhunderts hinein; ebenso auch überall ausserhalbSt. Gallens. Hier wird auch schon die Orgel zur Unterstützungdes Gesanges erwähnt, sie durfte nie fehlen. Seit um das Jahr1600 in Italien die Kunst erfunden worden war, Gesängemit Instrumenten zu begleiten, verschwindet der früherausschliesslich gepflegte a capella-Gesang bald ganz; daman gelernt hatte, das Instrumentenspiel mit dem Gesangezu verbinden, fängt man auch an zu glauben,jenes gehöre notwendig zu diesem, und so :finden wirdie Vokalkompositionen des 17. Jahrhunderts stets miteinem sogenannten Generalbass oder Basso continuo versehen,der, in der bekannten Weise beziffert, auf derOrgel auszuführen war. <strong>Die</strong> er Orgelpart bildete dieharmonische Grundlage und durfte nirgends wegbleiben.Er wurde aber nicht auf grossen Orgelwerken ausgeführt,sondern man benützte meist kleine Hausorgeln, die zumTeil die Stelle unseres Klaviers einnahmen. Man unterschiedbei diesen wieder zwischen Regal und Positiv;ersteres war klein und transportierbar, der Vorläuferunseres Harmoniums, letzteres ein etwas grösseres undfeststehendes Orgelwerk. Es ist um so merkwürdiger,das die Gewohnheit, die Gesänge mit der Orgel zu begleiten,auch in der Schweiz so rasch aufkam - manspielte bald auch zu den alten für den a capella-Gesang berechnetenKompositionen einen Generalbass, 39 ) - als hier89 ), In den Protokollen des St. Galler Kollegiums wird 1650berichtet, dass der Komponist J. Benz aus Rorschach für dieses„unterschiedliche Stuckb aus dem Handel und Muskulus" in denGeneralbass aufgesetzt habe. Mit Handel ist der unter dem :NamenGallus bekannte Komponist gemeint, der von zirka 1550 bis 1591lebte 'und noch ganz der a capella-Periode angehörte.


57doch bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts fast überallder unbegleitete vierstimmige Gesang in der Kirche inUebung blieb.Hier ist nun gleich noch eine wichtige Frage zu erledigen,nämlich die, wie sangen diese Männervereinigungendie für (modern ausgedrückt) gemischten Chor berechnetenKompositionen? Ich füge gleich bei, modern ausgedrückt,denn das, was wir heute einen gemischten Chor nennen,die massenhafte ·v erbindung von Frauen- und Männerstimmen,gab es damals überhaupt noch nicht. Das naheliegendsteist nun natürlich dies, dass Knaben die höherenStimmen ausgeführt haben, und geschah es so in derThat auch an vielen Orten. Es wird von einigen Kollegienberichtet, dass man es gern sah, wenn Knabenfreiwillig an den U ebungen teilnahmen; 40 ) dagegen aberwird beispielsweise in den ausführlichen und vollständigerhaltenen Protokollen von · St. Gallen auch nicht miteiner Silbe solcher Erwähnung gethan, so dass wohl anzunehmenist, auch die Dilettanten hätten hier die Kunstdes Falsettierens geübt, die damals bei den Berufssängernverbreitet war. Es war dies eine Ausbildung der Stimme,die es ermöglichte, dass auch Männer sich bequem inden höheren Lagen, die wir als die den Frauen natürlichezu· betrachten gewohnt sind, bewegen konnten. So warauch ein Chor von lauter Männern befähigt, das, washeute nur ein gemischter Chor wiederzugeben im Standewäre, auszuführen. N aITI.entlich war es bis gegen Endedes letzten Jahrhunderts Regel, dass Männer die Altstimmeangen; seltener freilich übernahmen sie auchden Soprai::. 41 )• 0 ) ,,Deutsche Schule" in Zürich, Basel etc.41 ) Ueber die Verbreitung des Falsettierens bei Kunstsängernsiehe M. Fürstenau: „Beiträge zur Geschichte der Königlich Säch-


58Beim Singen selbst wurde einer bestimmt, den Taktzu schlagen, so aber „einer etwann mit Handt, Finger,Füssen, oder sonst in was weiss, für sich selber den Tacktschluge und den Verordneten Tactschlager, wie nüt wenigerdie uebrigen Mit Consorten verhinderte sollte bestraftwerden"; eine Bestimmung, die gewiss auch heute nochin jedem Dilettantenverein am Platze wäre. Im Anfangsollte das Taktschlagen umgehen, damit es jeder lerne,später aber finden wir einen besondern Kapellmeisterhierzu ernannt, der dann auch die Musik einzurichtenhatte. Allem Anscheine nach war er aber nicht ausschliesslichLeiter, sondern wirkte auch selber beim Gesangemit. Selu: früh schon wird der Taktstock erwähnt;er wird meist von einem Mitgliede geschenkt, und späterlässt ihn etwa ein anderes noch mit Silber beschlagen.<strong>Die</strong> Eröffnung der Uebungen geschah also immerdurch Goudimel'sche Psalmen, man sang diese, wie es inder Kirche üblich war, der Reihe nach durch, und wennman am Ende angelangt war, fing man wieder von vornesischen musikalischen Kapelle." Dresden 1849. Darin sämtlicheSängerverzeichnisse und Notiz pag. 15, ferner die Sängerverzeichnisseder Sixtinischen Kapelle in Rom bei Eduard Schelle : „<strong>Die</strong>Päpstliche Sängerschule in Rom." Wien 1872. ,Nach ChrysandersRecension über Carlberg-Gesangskunst und Kunstgesang in Nr. 42der Musikalischen Zeitung, Leipzig und Winterthur 1870, konntendie Falsettisten leicht das a erreichen. Es ist also kein Grundvorhanden, der uns hindern würde, anzunehmen, dass auch dieDilettanten die Kunst des Falsettierens geübt haben. Es giebtübrigens auch aus der neuesten Zeit Beweise, dass die männlicheKehle zur Ausbildung dieser hohen Stimmlage wohl befähigt ist.Es gehört unter die gegenwärtigen Glanznummern des Variete-Theaters, dass ein Mann in Weiberkleidern auftritt und zur grossenVerwunderung des Publikums auch in der Stimmlage der Frauseine Couplets singt. <strong>Die</strong>s ist eben nichts anderes, als die Ausbildungdes Falsets, die früher für künstlerische Zwecke allgemeingebräuchlich, jetzt von den Artisten als Kuriosität ausgebeutet wird.


59an. Aehnlich machte man es auch mit der andern Musik;zu Winterthur wird darüber bestimmt: „ Wann ein Ehrengesellschaftan gehörigen Ort und Zyth versamblet Ist,sol ein gewüsser und zuvor usserkiesener und erwelterauthor M sicus aufgeschlagen: ein Stund lang daraussMusicirt und alle Musictag Continuirt biss selbiger vollendetwirth nach Verschynung aber angeregter stund,mag nach der anwessenden Gliedern gefahlen uss andernBüchern auch gesungen werden." (Winterthurer Satzungen1660.) Nach vollendetem Exerzitium erquickte man sichdann mit Wein und Brot, in Zürich kamen noch Käseund Nüsse dazu. Bei den ältesten Kollegien war diesfreilich in der ersten Zeit noch nicht üblich, in St. Gallenwird der „ Vespertrunk" von 1665 ab für „nicht untunlicherachtet", von jetzt ab :findet er sich aber auch überall.Scheitlin, der erste Geschichtsschreiber des St. GallerKollegiums, meint dazu, dass man von nun an nicht nurgute Sänger, sondern auch gute Trinker aufnehmen konnte.In der allerfrühesten Zeit :finden sich „Pfei:ffen zum-ll.nstimmen wie sie in einem orgelwerkh sein, gefiert vonHolltz" als erste Instrumente. Sie dienten also zum Anstimmendes Gesanges ganz im Anfang, als die Kollegiennoch keine Orgelwerke besassen; diese rücken abersehr bald ein, wie wir oben gesehen haben. Dann kommenin der ersten Zeit schon überall Streichinstrumente vor,Bass-, Tenor-, Alt- und Diskantgeigen. <strong>Die</strong> Instrumentalmusikdieser Dilettanten scheint sich also schon von Anfangan von der der zünftigen Stadtmusikanten unterschiedenzu haben, da die letztem hauptsächlich blasendeKünstler waren.<strong>Die</strong>s ist auch der Punkt, wo mit der Zeit die Kollegiantenallein nicht mehr auskamen und sie Berufsmusikerheranziehen mussten, nicht für die Holz- wohlaber für die Blechinstrumente.


60<strong>Die</strong> instrumentale Litteratur ist das ganze 17. Jahrhunderthindurch noch äusserst klein ; bestimmt in dieerste Hälfte desselben zu setzen sind nur zwei Werke,die in den Musikalien-Verzeichnissen vorkommen: dienPadoanen und Dännz" von Paul Peurle, Org~nisten vonSteyr auss dem Landt ob der Emss, und die nNewenPaduanen, Galliarden Allemanden etc." von Johann Schoppe;auch aus der zweiten Hälfte sind nur ganz vereinzelteStücke aufzuführen. Wichtig ist es aber, dass überhauptsolche genannt werden. <strong>Die</strong> Stücke bestanden also auszusammengesetzten Tänzen, d. h. sie gehörten der Kunst,form der Suite an. <strong>Die</strong> Suite war damals die fast einzigvorkommende Form der Instrumentalmusik; dass es abersolche schon am Anfang des 17. Jahrhunderts auch fürStreich- und nicht nur für Blasinstrumente gegeben hat,ist erst in der neuesten Zeit nachgewiesen worden 42 ) undist es interessant, zu sehen, dass auch die schweizerischenKollegien diese Streichsuiten gespielt haben. Uebrigensist es wahrscheinlich, dass auch Gesangstücke auf Instrumentenausgeführt wurden, sicher aber unterstützte mandiese auch mit solchen, ganz abgesehen von der stetenMitwirkung der Orgel. Das Kollegium von St. Gallenliess 1637 ein ganzes Chor Violen aus Basel kommen undzahlte dafür 50 :fl. In Winterthur ist in dem n Verzeichmissder Instrumenten" von 1660 eine Tenorgeige 14 Taler undeine Altgeige 10 Taler gewertet. --'An Stelle unseres Kontrabassesgebrauchte man zumeist das fünfsaitige Basset. <strong>Die</strong>Gesellschaft von der deutschen Schule liess sich nach 1715ein solches aus Mailand verschreiben, "kostete samt Kisten,Voitüre, W exelcorso und Fuhrlohn 36 :fl. 36 ß." <strong>Die</strong> Saitenbezog man zumeist auf dem Jahrmarkt, doch liess man42 ) Vrgl. H. Riemann: „<strong>Die</strong> deutsche Kammermusik zu Anfangdes 17. Jahrhunderts." Sängerha,lle 1895. r . 8 ff.


61sie sich in Zürich auch direkt aus Italien kommen. Nebenden Streichinstrumenten finden sich ausnahmsweise noch imLaufe des 17. Jahrhunderts etwa eine Harfe und eine Laute.Blasinstrumente werden erst gegen Ende desselben eingeführt,dann aber alle möglichen in rascher Folge; zuerstalle Arten von Holzblasinstrumenten, Flöten, Trombonenoder Vokalschalmeyen, Clarinen, Hoboen und Fagotten.Wo der metallene Klang der Trompeten zumersten Mal ertönte, scheint er immer ein ganz besonderesWohlgefallen erregt zu haben, wie wir noch sehen werden.Bald nach der Wende des Jahrhunderts treten auch Waldhörnerauf und den 14. August 1716 heisst es in denProtokollen der zürcherischen Musiksaalgesellschaft „hatein 1. Gesellschaft Heerpauken bekommen, sind auch datozu einer Music probiert worden. <strong>Die</strong> Kessel hat gemachtMr. (Meister) Jacob Balber, der Kupferschmied und Trompeterauf dem Petersturm. Sie kosteten 18 ß." 1712 warenvon dieser Gesellschaft auch zwei Spinette angekauft worden.n Weil man sie nie mit lähren Händen weggehen liess"erhielten 1619 „drei frömbde <strong>Musica</strong>nten" von der Gesellschaftauf dem Musiksaal in Zürich 3 Taler und 4 Schilling.<strong>Die</strong>s ist die erste Erwähnung von reisenden Virtuosen.Den ersten bei einem Kollegium angestellten Musiker :findenwir in St. Gallen. Um zu mehrerer Wissenschaft in derlöbl. Tonkunst zu gelangen, wünschte die dortige Gesellschaft1636 eine Person, die gute Anleitung geben könne.Nun war in Ulm ein in der Vokal- und Instrumentalmusikwohl versierter H. J . Eberlin. <strong>Die</strong>ser wurde angefragt.Er kam und lehrte, wurde auf Kosten der Gesellschafterhalten und nachdem mehrere sonderbare Personen ihnnoch besonders beschenkt hatten, mit Dank und einemPräsent von zwei Talern entlassen. Er hatte sich beimKollegium gar fl.eissig eingestellt und mit getreuer Informationin allweg sein Bestes getan. Wie gesagt, ist dies


62der erste Fall, dass ein Musiker förmlich von einer Gesellschaftangestellt wird. Es ist freilich auch nur eineAusnahme für das ganze 17. Jahrhundert; wirklich salarierteMusiker kommen im übrigen erst gegen Mitte desfolgenden Jahrhunderts vor. Dagegen wird häufig solchender Eintritt erleichtert, ebenso sich ganz besonders auszeichnendenDilettanten. In den Protokollen der Musiksaalgesellschaftin Zürich heisst es 1666: "Andreas Bäntzgewesener Pfa:ff, aufgenommen worden ohne Schuss wegenseiner Kunst auf dem Violin." Ebenso ist mit dem Beding,dass er fleissig komme "und den Zinzgen blase" 1693in St. Gallen ein Musikus gratis aufgenommen worden.Noch später fesselte man hier Musiker an die Gesellschaft,indem man sie „uertefrei" hielt, d. h. sie hatten nichtsan den nach den Uebungen einzunehmenden Trunk zubezahlen. Aehnlich war das Verhältnis in Basel. <strong>Die</strong> MusikArerhielten hier 1708 als Entgelt für ihre Mitwirkungeine Kollation, die aus Brot und Wein bestand; den letzterenlieferten die Mitglieder des Kollegiums aus ihrenPrivatkellern. Wirklich angestellte Musiker mit festemGehalt giebt es erst, seit die Subskriptionskonzerte eingeführtsind, also etwa vom Jahre 1750 ab, und werdeich weiter unten noch auf sie zurückzukommen haben.In Vorstehendem habe ich versucht, das musikalischeLeben bis ungefähr zu Ende des 17. Jahrhunderts zuschildern. Eine strenge chronologische Einteilung liess sichhier natürlich nicht durchführen, umsomehr, als für dasangegebene Jahrhundert über die Musikübung selbst sozusagengar nichts berichtet wird und man ein Bild desselbensich nur notdürftig aus Satzungsparagraphen u. drgl.zusammenstellen kann. Ein Abschnitt in der Geschichtedes musikalischen Lebens der Gesellschaften liesse sichhöchstens etwa um dieMitte der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundertsmachen. Von dieser Zeit ab werden verschiedene


63neue musikalische Einflüsse geltend, die ich hier zunächstdartun will.Zum ersten sehen wir ungefähr von dieser Zeit abspezifisch schweizerische Musik auftreten. <strong>Die</strong> ersten Komponisten,die genannt werden, sind der bernische StadttrompeterJ oh. Ulrich Sulzberger, 48 ) und die katholischenkirchlichen Tonsetzer Valentin Molitor 44 ) und MelchiorGlettle. 45 ) Es ist hier gleich beizufügen, dass, obwohl manvon der katholischen Religion immer nur als der abgöttischenund widerwärtigen sprach, man sich doch durchausnicht stören liess, katholische Messen und andere liturgischeStücke zu singen. Ferner ist als schweizerischesProdukt, wenn auch zum grössten Teil ausländische Komponistenenthaltend, die „Geistliche Seelenmusik" vonChristian Huber zu bezeichnen. Sie enthält keine Originalkompositionen,sondern ist ein Sammelwerk; seine Quellengiebt der Herausgeber selbst folgendermassen an:1) Johann Michel Dilherrn Seelen Musik I. und II.Th eil. 2) Johann Wilhelm Simlers Gesangbuch. 3) JohannRöngers Königliche Harp:ff. 4) W olffgang Carl BriegelsLiederlust. 5) Balthasars Musculi Cithara Sacra. 6) DanielFriderici Feliciro Juvenilis. 7) Movii Cithara Davidica.Es sind also ausser Simler, dessen Gesangbuch übrigensschon in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zu setzenist, lauter deutsche Komponisten. Das Werk ist aber insofernals schweizerisches anzusehen, als dessen Heraus-'3 ) Job. Ulrich Sulzberger stammt aus St. Gallen, wurde 1670zum Stadtzinkenisten in Bern ernannt und starb vor 1736. Näheresüber ihn und alle hier weiter genannten schweizerischen Komponistensiehe bei G. Becker: „La Musique en Stusse".44 ) Valentin Molitor war in der zweiten Hälfte des 17. JahrhundertsMusikdirektor im Kloster St. Gallen.45 ) Melchior Glettle stammte aus Bremgarten, wurde 1667Domkapellmeister in Augsburg und muss vor 1684 gestorben sein.


64geber Rektor des St. Galler Gymnasiums und zugleichObmann des Musikkollegiums war und es bald nach seinemErscheinen bei den meisten Kollegien überaus beliebtwurde. Ein Beweis hiefür ist schon die Tatsache, dass esacht Auflagen erlebte. Wir können in ihm einen Vorläuferunserer modernen Sammlungen für Gesangvereine sehen;es verdankt seine Entstehung genau demselben Bedürfniswie diese.Einen beachtenswerten, wenn auch zum grössten Teilnur noch historisch wertvollen Beitrag schweizerischerMusik haben wir dann in den von 1685 ab erscheinendenNeujahrsstücken der zürcherischen Musiksaalgesellschaftzu sehen und ihnen schliessen sich von 1715 ab auch diejenigenvon der Gesellschaft auf der deutschen Schule an.Unzweifelhaft hat die Schweiz das beste, was sie in kompositorischerHinsicht hervorgebracht, auf dem Gebietedes volkstümlichen Gesanges geleistet. Es scheint mirnun, dass schon in diesen Neujahrsstücken eine Grundlagegegeben sei zu der späteren günstigen Entwicklung dervolkstümlichen Musik in der Schweiz. Am Anfang des18. Jahrhunderts ist viele Jahre hindurch der zürcherischeStadttrompeterJohannLudwigSteine1• 46 )ihrKomponist.An ihn schliessen sich dann ihrer Art zu setzen nachJohann Kaspar Bachofen 47 ) und Johannes Schmidli 48 )an. <strong>Die</strong>se beiden Männer waren für die gesamte schweizerischeMusik von höchster Bedeutung und somit auch für die„' 6 ) Johann Ludwig Steiner wui·de 1688 in Zürich geboren ;1705 zum Stadttrompeter dieser Stadt ernannt, starb er 1761 daselbst.H) Johann Kaspar Bachofen wurde 1692 in Zfu:ich geboren,widmete sich dem geistlichen Stand, wurde 1718 Cantor an derLateinschule in Zürich und starb 1755 daselbst.' 8 ) Johannes Schmidli wurde 1722 in Zürich geboren, 1744zum Vikar in <strong>Die</strong>tlikon, 1754 zum Pfarrer von Wetzikon ernannt.Hier starb er 1772.


65:Musikkollegien, mit denen sie zudem in ganz engem Zusammenhangstanden. Das Hauptwerk Bachofens ist seinnMusikalisches Halleluja", dasjenige von Schmidli „Singendesund spielendes Vergnügen einer Andacht". Daserste enthält 600, das zweite 473 meist ein-, zwei- unddreistimmige Lieder, vierstimmige kommen in dem letzterennur vereinzelt vor. Sie sind alle für eine Begleitungmit dem Generalbass berechnet, freilich so, dass die Generalbassstimmeauch zugleich als Singbass fungieren mussund wird die Dreistimmigkeit sichtlich bevorzugt. <strong>Die</strong>sebeiden Bücher erlangten eine ganz enorme Verbreitung,und ich glaube einen Grund hiefür auch in dem letztemUmstand sehen zu können. Es sind zwei sog. Kantstimmen,die auch dadurch einen kleinen besondern Reiz erhalten,dass sie sich oft kreuzen, d. h. bald die eine, balddie andere als Oberstimme die Melodie führt, oft miteigentümlichen Schnirkeln und Passagen verbrämt, abersonst einfach liedermässig gehalten und dazu der natürlicheFundamentalbass. <strong>Die</strong>s ist die einfachste und natürlichsteZusammensetzung für den mehrstimmigen Volksgesang,und zwar deshalb, weil sie es ermöglicht, jedeStimme melodisch selbständig zu führen und dennoch inder einfachsten, sofort verständlichen, deshalb volkstümlichgenannten Harmonie sich zu bewegen. Fügt maneine vierte Stimme bei, so wird das sofort erschwert undes wird entweder eine Stimme zu einer blossen harmonischenFüllstimme, die dann wegen ihres Mangels anmelodischer Führung dem richtigen musikalischen Instinktdes Volkssängers zuwiderläuft, schwer zu lernen und besondersschwer zu behalten ist, oder aber die Harmoniewird zu kompliziert und der Volksgesang greift in denKunstgesang hinüber.Bei einer solchen massenhaften Produktion von volkstümlichenGesängen, - Bachofen und Schmidli haben5


66ausser den genannten Hauptwerken, die nur geistlicheLieder enthalten, noch viel anderes, darunter auch profaneTexte komponiert, - konnte natürlich nicht alleswertvoll sein. Immerhin leisteten sie das, was sie wollten;allen Gesängen kann man eine gewisse Vornehmheit trotzder hie und da zu Tage tretenden technischen Unbeholfenheitnicht absprechen und können einzelne davon alsMuster ihres Genres gelten. Näher darauf kann ich hiernicht eingehen, es würde dies eine Arbeit für sich erfordern;noch einmal zu betonen ist hier nur die überausgrosse Verbreitung, die diese Lieder in der Schweiz gefundenhaben. Sie riefen geradezu eine neue Bewegungin der Musikpflege hervor. Bis dahin hatte diese ganzim Schosse der Musikkollegien gelegen; jetzt bemächtigtesich das ganze Volk als solches derselben und fing überallan zu singen und zu spielen. Nach Schmidli und Bachofentreten neue Komponisten auf: J. Heim•ich Egli, 49 ) J. Z.Gusto 50 ) und J. J. Walder, 51 ) die diese Bewegung fortsetzten,und gipfelt sie schliesslich in Hans Georg Nägeli, 52 )der denn auch wieder neue Elemente in sie hineintrug,die zum Teil heutzutage noch wirksam sind.Hier interessiert uns zunächst die Frage: wie verhieltensich die Musikkollegien dieser volkstümlichen Bewegunggegenüber? Natürlich wurden sie auch von ihr49 ) J. Heinrich Egli wurde 1742 in Seegräben bei Wetzikongeboren und lebte von 1750 an in ZüTich als Musiklehrer undKomponist bis 1810.60 ) J. Z. Gusto lebte in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhundertsin Zürich.51 ) Job. Jakob Walder wurde 1750 in Unterwetzikon geboren,hatte verschiedene Staatsstellen inne und starb 1817 in Zürich.52 ) Hans Georg Nägeli, der bekannte volkstümliche Komponistund Musikpädagog, wurde 1773 zu Wetzikon geboren und starb1836 in Zürich.


67l•)' ,r-rndr-~t·bberührt; es ist hier daran zu erinnern, dass der Zug nachPopularität damals nicht nur in der Schweiz sich zeigte,sondern dass ähnliche Bestrebungen in ganz Deutschlandsich geltend machten und gerade in dem der Schweizam entferntest gelegenen Teil, in orddeutschland, amstärksten hervortraten; einem Schmidli und Egli wärenetwa Schulz und Reichardt gegenüberzustellen, die inihren Kompositionen auch die volkstümliche Richtung vertraten.Der Einfluss war aber bei den verschiedenen Kollegienmehr oder weniger stark; die kleineren, darunternamentlich St. Gallen, warfen sich dieser neuen volkstümlichenSingmusik ganz in die Arme und so gingendann aus ihnen, wie auch aus den auf Grund der Bestrebungender volkstümlichen Komponisten neu gegründetenVereinigungen im 19. Jahrhundert die modernen Gesangvereinehervor. <strong>Die</strong> grösseren dagegen gingen nicht ganzauf in diesem Volksgesang; sie hatten inzwischen einenstarken Gegenhalt in der eifrigen Pflege der Instrumentalmusikgefunden und damit haben wir einen weitemstarken Einfluss bezeichnet, der sich bei den Musikkollegienungefähr von dem angegebenen Zeitpunkte, dem Endedes 17. Jahrhunderts an, geltend macht.Der Schwerpunkt der gesamten europäischen Musikverlegt sich ungefähr von dieser Zeit an immer mehr undmehr auf die Instrumentalmusik. Sie tritt in den Vordergrunddes Interesses, sei es selbständig oder als sog. obligateBegleitung von Vokalwerken, zunächst in der Kammermusik,dann in der Kirche und Oper und schliesslichin der selbständigen Orchestermusik. Viele der Kollegienwerden nun von diesem Zuge der Zeit auch ergriffen,vor allem die grösseren, die eben im Stande sind, ihmzu folgen und werden sie so, wie ich oben schon ausgeführthabe, zu dem, was man in Deutschland späterLiebhaberkonzerte nannte, deren Eigentümlichkeit es eben


68war, dass sie hauptsächlich Instrumentalmusik pflegten,d. h. die grössern schweizerischen Musikkollegien gingenin ruhiger Folge mit der Zeit fortschreitend von der VokalzurInstrumentalmusik über, während in Deutschland durchden dreissigjährigen Krieg die Pflege der Musik von Seitender Dilettanten fast ganz unterbrochen worden war unddiese nun erst durch das Aufblühen der Instrumentalmusikwieder zu Neubildungen, eben zur Gründung jener Liebhaberkonzerte,angeregt wurden.Eine Folge von der Bevorzugung der Instrumentalmusikwar es, dass von nun an die Aufnahme in dieKollegien von einer Prüfung abhängig gemacht wurde.Bei den Musikgesellschaften in Zürich hatte sogar jedeseintretende Mitglied zwei Proben seiner Fähigkeit abzulegen.<strong>Die</strong> erste bestand in Psalmen und nleichten harmoniisconcertantibus"; nach dieser war eine vierteljährigeProbezeit abzulegen, dann folgte die zweite in schwierigerenKonzertstücken und nach dieser erst konnte manals ordentliches Mitglied aufgenommen werden.Ungefähr von 1700 an ist uns auch etwas mehrüberliefert über die Art und Weise, wie die Musik ausgeführtwurde. Früher wird in den Protokollen die Musiküberhaupt fast gar nicht erwähnt, es fehlen z. B. immerAngaben über das, was gespielt wurde in der betreffendenZusammenkunft; von jetzt ab kommen hie und da wenigstensBerichte von festlichen Anlässen mit Beschreibungder Musik vor. So wird von Basel vom 10. Oktober 1710berichtet: nDen 10ten dito machte Schwob, MarkgräfischerMusicus und nachgehends Organist zu St. Peter Nachtsum 10 Uhr auf dem Münsterplatz ein überaus lieblicheMusic zu sonderbarem Gefallen der H.H. Häuptern. Unterden Lindenbäumen stellte man den Musiktisch woraufein Clavicymbel, beineben spielte man dazu mit Geigen,


69Fagotten, Flaschenöthen (Flageoletten), Hautbois, Waldhörnerund Jägertrompeten aufs Schönste, wobei sichmehr als 200 Personen einstellten." 53 )Schwab, oder wie er hier genannt wird, Schwob, hattedie Direktion des Musikkollegiums inne und ist es wahrscheinlich,dass dieses bei dem Konzert im Freien mitgewirkthat; freilich ist dieses Konzert eine ganz vereinzelteErscheinung, die nirgends mehr sonst vorkommt,und habe ich es nur der Merkwürdigkeit halber hier angeführt.<strong>Die</strong> Musiksaalgesellschaft in Zürich hatte sich 1717ein ·neues Heim gebaut und sollte dieses feierlichst eingeweihtwerden. Zu sehen, wie dies geschah, giebt einenguten Einblick in die damalige Musikübung, und ich willdies deshalb hier etwas näher ausführen. Zur Vorbereitungdes Einweihungsaktes waren natürlich verschiedene besondereSitzungen nötig. In diesen ist unter anderm fürgut befunden worden , n dass in währender Musik undauch zuvor bei der Thüren eine Wacht stehen solle,damit nicht allerhand Volks hinein tringe. Es wird aucherkannt, den Anfang der Music mit einem Psalmen zumachen. Es hat auch Herr Ludwig Steiner (der schongenannte Stadttrompeter in Zürich, Mitglied des Kollegiums)zu dieser Einweihung ein sonderbares Stuckvon Vocal- und Instrumental-Music componiert wozu dievers Hr. ludimoderator Reutlinger gemachet. <strong>Die</strong> übrigeMusic einzurichten ist Hr. Cantor Albertin ersucht worden.F erner ist für gut angesehen worden, unsern Herrn StatthalterHirzel als Obmann von löbl. Music-Gesellschaft zuersuchen dass er wenn unser HH. versammlet, solche miteiner beliebigen Harangue Complimentieren möchte. Es63 ) Aus der Basler Chronik 1545 bis 1743 von Johann HeinrichPbilipert, mitgeteilt von Paul Meyer in „Basels Konzertwesen".


70wurden nun noch viele Proben gehalten und <strong>Die</strong>nstagden 6ten Januar 1716 feierlichst von dem alten LokalAbschied genommen. Hierzu hatte Hr. Ludwig Steinerein neues componirtes Music Stuck mitgebracht, und lobl.Gesellschaft präsenti.rt, welches man mit Trompeten undPaukenschall nebend anderen Instrumenten zum Valeteabgesungen, der Text oder die Vers waren aus demUmstand der Zeit gerichtet, wie solches bei andern Musicbüchernzu :finden ist. So hat man auch zum letsten mahlden in der Ordnung folgend 42 Psalm gantz ausgesungen."Nach allen diesen Vorbereitungen folge nun der Berichtüber die Einweihung selbst: "1717 den 9ten Novembrisist der Neue Music Sahl in possess genommen und eingeweihtworden. Es waren zugegen beide Hchwl. Burgermeisterals Hr. Johann Jacob Escher und Hr. DavidHoltzhalb, wie auch viel von unseren Hrn. Hchwl. Kleinund grossen Räthen, es waren auch anwesend Ihre Excell.der dismahlige venetianische Resident samt seiner Gemahlin,in gleichen viel andere Ehrliche und WackereBurger mehr, welche alle der Music zugehört. Der Anfangzu der Music war gemacht worden mit dem 33 Psalm,daraus man die drei ersten und das letzte Stuck gesungenunter Zinken und Posaunen Klang, darnach ist das EinweyhungsStuck abgesungen, und Musiciret worden, worbeidie Trompetten, Heerpauken und andere Instrumenta sichtrefenlich hören lassen. Nach diesen sind noch unterschiedenlicheMusique, so wohl vocal- als instrumentalitergemacht worden. In währender Music aber hat manun er RH. H. mit Oonfect und Wein aufgewartet, zuwelcher Aufwartung aber sind bestellt worden Herr RathsprocuratorZoller samt seinem Bruder <strong>Die</strong>thelm wie auchdie Jungfrau Steineren auf der Stüden. Der Anfang derMusic war Nachmittags um 3 Uhr und währete bis 6 Uhren.Es ist der Beschluss von der Music gemacht worden, mit


71Absingung des 150 P almen , worbey sich abermahl Zinkenund Posaunen trefenlich hören liessen womit also dieseEinweyhung ein erwünschtes Ende genommen hat."Wir sehen, bei einem solchen Anlass nahm die ganzeAristokratie einer Stadt teil. Ja , selbst die Behördenwaren stolz auf die Leistungen des Kollegiums, undwenn vornehme Fremde, Gesandte anderer Regierungenund dergleichen in der Stadt anwesend waren, so musstendiese stets sich die Produktionen auf dem Musiksaal mitanhören. So wurde in Bern, als der Herzog von Schamberg1692 beim Falken bewirtet wurde, die Musikgesellschaftaufgeboten, und musste das ihrige thun. 54 ) Aufdem Musiksaal in Zürich unterredete sich am 28. September1717 eine 1. Musikgesellschaft, wie man sich verhaltenwollte, wenn der Printz von Dombes nach Zürichkommen sollte, damit man parat wäre, mit einer schönenMusik aufzuwarten. Zu derselben Gesellschaft kamen1724 am 2. März zwei Ratsgäste von Genf, Gesandte,um 2 Uhr auf den Musiksaal, wo für sie musiciert wurde.Einer von ihnen war auch ein Liebhaber der Musik undstrich das Basseto. 1128 erschien sogar ein arabischerPrinz und mit ihm ein französischer und ein holländischerEdelmann, letztere bezeugten als „Conoisseurs der Music"ihr Wohlgefallen.Wie aber diese vornehmen durchreisenden Herrennicht selten auch selbst bei der Musik mitwirkten, sosehen wir vom 18. J ahrhundert an auch häufiger reisendeBerufsvirtuosen als Gäste auf den Kollegien. So ist 1716auf dem Musiksaal in Zürich „den 27ten 8bris auf Löbl.<strong>Collegia</strong> ein vortrefflicher <strong>Musica</strong>nt namens Frantz Valettierschienen, von München gebürtig. Er strich das Violinzu jedermanns Verwunderung. Er blaaste auch die Trom-M) Durheim: Beschreibung der Stadt Bern. Bern 1859.


72pette, schlug die Pauken wie er sich denn für ein FeldTrompeter ausgab. Er blies auch sehr anmutig auf derFlauto, wozu er auch zugleich singen könnte, welchesgleich ein Bassflauten lautete."Von derselben Gesellschaft erhielt ein anderer Musikantvon Kopenhagen 1718 einen Thaler zu einemReisegeld. Ebenfalls daselbst präsentierten sich 1725 am28. Novb. zwei weibspersonen, welche um permission anhielten,eines in der Instrumentalmusik mitzumachen, undzwar spielten sie auf dem Waldhorn und Fagott auf einebei den Frauenzimmern selten gute Manier. Es wurdedenselben durch Hr. Ludwig Steiner zwei pieces de trentesous zu einem Reisegeld gegeben. So werden mit derZeit diese Besuche von durchreisenden Virtuosen immerhäufiger, und findet man alle Namen derselben in folgendemTeil angegeben. Hier noch wichtig ist folgendeTatsache. Etwa von den cfreissiger Jahren an kommtes vor, dass einzelne besonders tüchtige von diesen durchreisendenKünstlern dazu bewogen werden, sich längerin der Stadt aufzuhalten, und im Musikkollegium mitzuwirken,wofür man sie entsprechend entschädigte. Istdies mehrmals geschehen, so sieht man bald den grossenVorteil, den die e regelmässige Mitwirkung von Berufsmusikernnatürlich mit sich bringen musste, ein, gewöhntsich an sie, und kommt ohne sie nicht mehr aus, undso entwickelt sich naturgemäss die Institution der regelrechtangestellten Musiker. Mehr oder weniger war derVerlauf überall so, nur mit dem Unterschied, dass diegrossen Kollegien in den grösseren Städten viel früher1md in umfangreicherem Masse diesen Prozess durchmachenals die kleineren ; die ersteren honorieren baldeine ganze Anzahl von Musikern, während die letzterenes oft auch sehr spät erst zu einem einzigen bezahltenMusikus, dem dann die Leitung übertragen wird, bringen.


73Interessant ist hierbei die Verschiebung, die unterdem Musikerstand selbst sich vollzieht. Wenn im 17. undim Anfang des 18. Jahrhunderts Musiker von den Kollegienzur Mitwirkung herangezogen wurden, so warenes immer die zünftigen Stadtmusikanten. <strong>Die</strong>se wurdenaber als Mitglieder aufgenommen und nicht als Angestellte;sie hatten alle Rechte der ersteren, auch wenn man ihnengewisse Begünstigungen, selbst in Form von Geldgeschenken,zukommen liess. So erhielt der oben schongenannte Ludwig Steiner, Stadt-Trompeter in Zürich,von der Musiksaalgesellschaft häufig sogenannte Recompensionenfür Extraleistungen, Kompositionen und dergleichen;deswegen aber galt er doch durchaus als Mitglied,er sass sogar im Komitee. Von der Zeit ab jedoch,wo Musiker von den Kollegien fix angestellt werden,treten die Zunftmusiker in der Schweiz ganz zurück,und an ihre Stelle tritt der sogenannte wilde Musikerstand.55 ) Doch sehen wir als lliustration den Berichtüber die erste mehrmonatliche Anstellung eines fremdenMusikers auf dem Musiksaal in Zürich. Es heisst dort1732 im Protokoll: „War die Gesellschaft besucht voneinem 24jäbrigen jungen violinist von Bergamo nahmens65 ) Bekanntlich macht dieser in der neuesten Zeit in Deutschlandwieder Anstrengungen, zu einer geschlossenen socialen Körperschaftsich zu vereinigen. Mit dem gänzlichen Aufhören derschweizerischen Stadtpfeifereien hängt es auch zusammen, dassgegenwärtig und schon seit langer Zeit, eben seit jenem erstenEngagement durch die Musikkollegien, fast alle Ausübenden, namentlichdie Orchestermusiker, in der Schweiz Ausländer, meistDeutsche, sind. <strong>Die</strong>se werden in den in Deutschland noch ausdem Mittelalter erhaltenen Stadtmusikinstituten ausgebildet. Sieheissen dort heute noch, wenn sie eintreten, Lehrlinge, werdennach vollendeter Lehrzeit Gesellen und stehen unter der Aufsichteines Meisters. Solche Anstalten zur Ausbildung von Orchestermusikerngiebt es in der Schweiz gar keine mehr.


74N assovius Dehec, 56 ) welcher willens nach Paris zu demDuc de N oailles in <strong>Die</strong>nst zu treten, er tractierte dasviolin auf eine noch niemals hier gehörte manier." Erwar also best empfohlen, als er im nächsten Jahre wiedererschien. In diesem hielt er sich nun „5 a 6 Monat mitinformation auf dem violin auf und da er :fieissig dasKollegium besuchte, wurden ihm als Valet Discretion10 Dukaten auf die Reise verehrt." Es ist dieses alsonoch immer keine eigentliche Anstellung; ich habe aberabsichtlich dieses erste Beispiel genommen, um deutlichzu machen, wie man bei diesen Gesellschaften nur ganzallmälig zu :fixen Anstellungen kommt; auch finden sichspäter noch lange ganz und halb angestellte Musikernebeneinander. <strong>Die</strong>se Halbheit der Verhältnisse scheintübrigens viele Ungelegenheiten verursacht zu haben; sowird in Zürich ebenfalls auf dem Musiksaal schon 1735der Beschluss gefasst, wenn wieder fremde Musiker kämen,müsste man von vornherein mit ihnen etwas bestimmtesabmachen. <strong>Die</strong>s scheint aber häufig unterlas en wordenzu sein, und trotz allen Beschlüssen entstanden darausvielfach unangenehme Differenzen. Der erste wirklicheKontrakt wird 1757 mit dem oben erwähnten schon einmalquasi angestellten N asoni Dehec abgeschlossen; er wirdmit 100 Dukaten für 20 Konzerte angestellt, aber füreine Frau Liebste wird wieder nach altem Usus bestimmt,dass sie nach Gutdünken honoriert werden solle. Späterwerden dann mehr solche Verträge abgeschlossen, inZürich wie in andern Städten und sehe man hierüberden zweiten Teil.. Von den sechziger Jahren an wird66 ) Dehec, Nassovius, soll um 1710 in Deutschland geborenworden sein und war später erster Violinist an der Kirche St.Maria Maggiore in Bergamo. In der Bibl. d. allg. Musikgesellschaftin !0ü.rich werden noch drei Instrumentalsymphonien undzwei Ouverturen von ihm aufbewahrt.


75es auch sehr beliebt, für eine ganze Saison eine Sängerinanzustellen, und finden sich sogar europäische Berühmtheitenunter diesen, wie man ebenfalls weiter unten sehen wird.Doch kehren wir von den Musikern zu der Musikübungselbst zurück. Als Pendant zu der oben gegebenenBeschreibung der Einweihung eines Musiksaales lasse ichhier die Berichte über zwei ebenfalls festliche Anlässeim Winterthurer Kollegium folgen. Sie enthalten zwarüber das musikalische selbst nicht viel, aber doch einigewichtige Andeutungen, die ich weiter nicht zu erklärenbrauche, und sie sind an und für sich interessant genug,um beachtet zu werden.„ 1722 hielt Herr Hans Conrad Regner, Quartierhauptmannund Stadtschreyber wie auch Provisor einerlöblichen Musikgesellschaft allhier, die Wiedergedächtnissseines 50jährigen Beitrittes zu Löbl. Collegio Musico.Dess morgens versammelten sich alle Ehrenglider aufdem Musiksaal und giengen hernach in guter Ordnungund feyertäglich gekleidet zu paar und paar nach ihremRang nach obigen Herrn Quartierhauptmann's Behausung,allwo sie von ihm zuerst unter der Hausthüren, hernachenin der Stuben auf das höflichste Beneventiert wurden,da dann Herr Diacon Hans Conrad Sulzer demselbigenin einer zierlichen Oration gratulirte, auch wurde ihmdas Weinmarische Bibell-Werk, welches auf Fl. 85 ß. 37zu stehen kommen verehrt. Dess. Nachmittags gastirteer die ganze Ehrende Gesellschaft Honorabel auf demMusiksaal. Es wurde ihm auch obrigkeitlich der Weynpräsentirt. Vor gehaltener Mahlzeit ward gesungen Nr. 103und aus dem grossen Hammerschmied „laudate servidominum"."„1748 den 23. Hornung begienge der Hoch- und wohlgeachtetewohledle fromme beste vornehme, vorsichtigeund weise Herr Salomon Regner, Schultheiss, Gerichts-


76herr zu Mörsburg und Oberwinterthur, wie auch Vorstehereiner löbl. Musikgesellschaft allhier das Widergedächtnissfestseines fünfzigjährigen Beitritts zu einer lobl. Gesellschaftund erhielt dabei angetragen Tasse und Milchgeschirrim Werte von fl.. 72. 16 ß.""Nach abgelegter Danksagung hat man der ganzenlöbl. Gesellschaft mit Cafe und Thee auf gewahrtet, welchesgegen 1 1 /2 Stund gewähret, nachdem hat sich hochehrengedachterHerr Schultheiss von der löbl. Musikgesellschaftbegleitet auf den Musiksaal erhoben, allwo ihm zu Ehrenein von Herrn Rathsherr und Kirchenpfleger Steiner zumDrachen auf diesen Ehrenanlass aufgesetztes Musikstückabgesungen worden. Nach dessen Endigung haben ohnvermuthetvor gedachten Herren Schultheissen, Herr Tochtermannund Frauen Tochter und seine Frauw. Liebste. in Absingung eines von ihm selbst aufgesetzten Musikstückesihre Danksagung abgelegt, darauf dann die ganzeLöbl. Gesellschaft von ihm auf dem Musiksaal sehr ehrenhaftbewirthet worden."Ueber die Art der Musik selbst mehr Aufschluss gebenuns die Bestimmungen, die der Direktor des Basler Kollegiums1752 für die Konzerte aufstellte:"<strong>Die</strong> Musiker sollen eine halbe Stunde vor Beginndes Konzertes sich einfinden, um zu stimmen, ohne denZuhörern die Ohren zu zerreissen.Der erste Actus beginnt mit einer starken Sinfonie,mit Waldhorn. Nach derselben eine Arie von einem DiscipulHerr Dorschen, oder von ihm selbst abgesungen,und dann könnte von Herrn Kachel 57 ) ein Solo auf derViolin gespielt werden. Nach diesem Actu finde höchst67 ) Jakob Christoph Kachel 1728- 1793. Er konnte schon mit14 Jahren Musikunterricht erteilen. Prinz Wilhelm von Baden-Durlach fand auf seiner Durchreise durch Basel so viel Gefallen


77billig, dass man denen Auditoribus, insonderheit weiblichenGeschlechts nach einer so grossen Fatigue der Musik stillschweigendzuzuhören, eine Rastzeit von 1/2 Stund langerlaube, damit sie sich durch das liebe Geschwätz wiederumerholen.Der Anfang des zweiten Actus kann wiederum miteiner starken Sinfonie ohne Waldhorn gemacht, daraufeine Arien von Herren Dorsch gesungen, und dann einOoncert für Flöte oder Hautbois gespielt werden. Woraufwieder ein halbstündiges Silentium der Musik erfolget.Der dritte Actus wird mit einer starken Ouverturemit W aldhornen etc. angefangen, und darauf mit einemDuetto z.u 2 Stimmen oder mehreren auch vollstimmigeremOhoro beschlossen werden."Dem entspricht ungefähr folgendes Konzertprogrammaus dem Jahre 1755, das noch erhalten ist.I.Symphonie von Viwaldi -Italienische Arie für Tenor.II.Ouverture - Lied für Sopran - Violinsolo einesDilettanten.III.Streichtrio für Dilettanten - Violinsolo von Kachel(Berufsmusiker), Trio für zwei weibliche Stimmen und Bass. 58 )an ihm, dass er ihn nach Italien mitnahm, wo er 1743 in ein insardinischen <strong>Die</strong>nsten stehendes Regiment des Prinzen von Badenfür anderthalb Jahre eintrat. Auch seine Söhne Samuel und Peterwaren Musiker; letzterer zudem Musikalienhändler und Instrumentenmacher.68 ) <strong>Die</strong>sem Programm entsprechen auch solche von deutschenKonzerten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts; die noch erhaltenenstammen aber alle, Programme von Oratorienaufführungen u. dgl.ausgenommen, aus etwas späterer Zeit als das hier angeführte.Vgl. Dör:ffel, Irael u. a„ a. a. 0.


78<strong>Die</strong> Programme wurden im letzten Jahrhundert nochnicht gedruckt und sind deshalb sonst keine mehr erhalten.In der oben gegebenen Norm für die Konzertesieht man deutlich eine absichtliche Steigerung der musikalischenMittel gegen den Schluss hin. Wie schon ausdem Wortlaut von selbst hervorgeht, war Dorsch ein angestellterMusiker und Gesanglehrer, ebenso Kachel Violinistvon Beruf, und sehen wir, dass man an dem Prinzip festhielt,den Schüler vor dem Lehrer oder den Dilettantenvor dem Künstler auftreten zu lassen.Ein höchst anschauliches Bild, wie es in einem solchenKonzert zu- und herging, giebt uns ein Bericht vom Jahre1755 unter dem Titel: "<strong>Die</strong> Reise nach dem ~onz erte.Durch einen Vetter des Eidsgenossen." Verfasser und Druckortdieser Schrift sind unbekannt; der Wahrscheinlichkeitnach soll sie von dem Basler Professor Spreng herrühren,und bezieht sie sich jedenfalls, obwohl kein Name genanntist, auf Basel. 59 ) Es schildert darin ein Pfarrer aus einemabgelegenen Dorfe im Berner Oberlande, der vor vielenJahren in Mastricht als Feldprediger in holländischen <strong>Die</strong>nstengestanden hatte, wie er auf seine alten Tage hin Lustbekam, die Welt sich noch einmal zu besehen. Er begiebtsich also auf die Reise, kommt in eine grosse Stadt, wahrscheinlichBasel, und wird von seinem Wirt ins Konzertgeführt. <strong>Die</strong>ses beschreibt er mit aller Ausführlichkeit.Es ist hiebei nun zu bemerken, dass diese ganze Beschreibungnur in den Mund dieses Landpfarrers gelegt ist, umdurch dessen N aivetät die Schwächen des Konzerts undder Gesellschaft zu geisseln. Der Bericht hatte es alsonur darauf abgesehen, die schlechten Seiten hervorzuheben,wahrscheinlich um Besserung herbeizuführen; er enthält59 ) S. Paul Meyer: Basels Konzertwesen. „<strong>Die</strong> Reise nachdem Konzert" ist dort vollständig- abgedruckt.


'1179aber trotzdem so viel musik- und sittengeschichtlich Interesantes, dass ich mir nicht versagen kann, alles dashier wiederzugeben, was sich auf das Konzert selbst bezieht.Unser Landpfarrer war also per Kutsche vor dasMusikhau geführt worden. Er erzählt dann selbst davon:„Es ist ein Gebäu fast so gross als meine Kirche,aber vor dem Hause steht eine Wachtstuben. Man liessmich passiren. Ein Pförtner öffnete mir gleich die Saalthüreund ich ging hinein. Alle Fremden haben den Zutrittumsonst. Es war mir wieder, als wann ich vor sechszigJahren in Mastricht zu unseren Generalen gekommen bin.Das Musikzimmer ist ein grosser gegipster Saal, sohoch etwan als unser Chor ist. E kann wohl vierhundertPersonen fassen. Am heitern hellen Tage wird :finster daringemacht. Aber es brennen darfür wohl sechszig Leuchtervon Ohrystall, so gross als ein zweijähriger, gezweigterKirschbaum, und so voll Lichter, als diese voll Bluestsind, so die Kirschen gerathen wollen. Rings umher, ander Wand, stecken noch bei fünfzig Kerzen. Wo keinesind, hangen schöne Gemälde von Geschichten, so alt, dasssie noch vor dem Schweizerbunde müssen geschehen sein.Eines stellt den Orpheus vor, wie er das Gethier, einzahmes und wildes, um sich her lockte. Unter andermlag ein Kühlein so natürlich gemalt an seiner Seite, dassich es fast für mein Sträusslein angesehen hätte. An einemandern Orte war dieser Orpheus noch.malen, wie ihn diethracischen Weiber zerrissen. Gegenüber war er wiederum,wie er in die Hölle fuhr, und sein liebes Hausweib, dieEuridice, herausholte. Aber in dieser Hölle sind die Teufelnicht so grässlich, als sie in unserer Tossanischen Bibelnach der Natur abgeschildert sind. In einer Ecke warDavid mit der Harfe, wie er dem Saul seinen bösen Geistverjagt, aber ein Kasten, der dort stund, verdeckte ihnmehr als halb. Gleich dabei hing Midas, wie er über Pan1111' 111


80und Apollo richtet, und auf der dritten Mauer ein eidgenössischesWilhelmtellstuck nebst dem Schweizer-Bundim Grüttlein, und der Unterschrift: nHarmoniaDulcissima",darunter steht eine andere mit kleineren Buchstaben:n Chorda discors cantum, Rempublicam cor discors turbat."Der Platz, wo die Spielleute sind, ist erhöht, undauch wohl mit hundert Kerzen beleuchtet. Er hat eineAusladung wie eine Kanzel. Ich dacht, man würde zuerstda eine Predigt halten, oder der Vorsinger werdedort stehen. Aber es war nur einer mit einem dünnenStecklein, welcher damit in der Luft ob sich und nid sichschlug und still machte.Es sind Röste zum sitzen, wie in den Kirchen. Undauf beiden Seiten sehr viel kostbare Lehnsessel. Dochstehen die Männer meistens und überlassen dem Frauenzimmerdie Sitze. Es waren eben damals sehr viel Weiberda, und zu unserm Unglücke nahmen sie noch so vielPlatz ein, als bei uns. Darum konnten die wenigstenHerren sitzen, und ich wäre mich müde genug gestanden,wo mir nicht ein Herr einen Platz verschafft hätte. Erwar ein sehr freundlicher Mann, der mir alles auslegte,ob er mich schon nicht kannte. Unter anderm versicherteer mich, aus Anlass des Gedränges, dass es in den SonntagsMorgenpredigten,wo doch der Platz nichts koste, auchin der Domkirche, öfters ungleich weniger Leute, als diesmalhier seien. Es waren auch Pfarrer da, es waren Officiers,es waren Staatsleute, Professor, Studenten, Kaufleute,Fremde, unter anderen ein Turk und ein reicherportugiesischer Jud und andere, jung und alt, sonderlichviel Frauenzimmer. <strong>Die</strong>se prangten mit Sammet und Seidenund gemahlten Stoffen und Edelgesteinen. Den Herrenfehlte es auch nichts, dass sie nicht fast so bunt, als dieWeibsbilder, waren. Aber die meisten Frauen, auch diejüngsten Fräulein, hatten weisse Haare, bei nahem daub-


81weiss, wie die meinen. Ich verwunderte mich darüber,dann ich sah ihnen kein Herzenleid an, das sie hättekönnen so jung grauen machen. Auch waren sie alle soschön kraus, dass ich dergleichen niemals in meinem Kirchspielegesehen habe. Aber der erstgemeldte Herr sagtemir, dies sei durch die Kunst gemacht; die Farbe aberbetreffend, so habe man sie mit einem weissen Staubealso gefärbt. Ich fragte warum? Er sagte im Lachen, erwisse es selbst nicht, es solle schön bedeuten. Ich erwiderte,man habe vor 60 Jahren auch zu Paris nichts hievongewusst.Indessen betrachtete ich dieses Volk überhaupt undfand, dass sie durchaus wohl gemacht wären. Nur kamenmir die meisten sehr klein vor. <strong>Die</strong> Weibsbilder sahenschön von Gesichte, und fast alle milchweiss. Ein guterTeil davon hatten Backen wie die Rosen. <strong>Die</strong> nicht sofrisch aussahen, waren meistens so zart, als ob sie kränklichwären, wie bei uns die Weiber im Winter 14 Tagenach der Taufe. Sonderlich aber kam es mir wunderlichvor, dass sie alle, für ihre kleine Gestalt, unten durch sodick waren. Ich bin ein langer hagerer Mann, aber zweiwie ich könnten bei weitem keine umklaftern. Es deuchtemich, in Ansehung ihrer weiten Röcken, müsste wasdarinnen stecken, welches abscheulich gross wäre. So esaber natürlich ist, so könnte es ihrer Grösse nach dargegenkaum wie ein Würmlein sein, darum konnt ichnicht begreifen, wozu ein so abscheulicher Umschlag nütze.Dann einmal wollte ich aus unsers Weibels drei Töchternwohl neun von diesen Fräulein gemacht haben. Und meinesMeyer's kleinster Sohn gäbe wohl drei Herrlein, wie ichsie dort herumlaufen sah. Doch sträussten sie sich allewie die Grassen. Ich musste darüber lachen. Der Herrsah es und fragte mich. Ich sagte es ihm natürlich. Ererwiderte: Einige dieser schön rothen Backen sind gemalt,6


82und bei Licht sieht man die weisse Schminke auch nichtwohl. Ein manches der prächtigsten Kleidern, die Siesehen, ist noch nicht bezahlt. <strong>Die</strong>, so es am besten haben,gehen am sittsamsten. <strong>Die</strong> andern trachten sich durchden Pracht einen Schein zu geben. <strong>Die</strong>se jungen Stutzerchen,so sie es erleben, werden zum grossen Theile sichin zwanzig Jahren vielleicht weniger brüsten als heute.<strong>Die</strong> weiten Röcke an den Weibsbildern haben wir unsernNachbarn zu verdanken. Das schöne Geschlecht bei unsist fast närrisch-verliebt in alles, was von dannen kömmt.Wir Männer müssens leiden, und die meisten, selbst unseresGeschlechts, fangen an der Weibern Aufputz, wie Sie sehen,bei nahem zu übertreffen. Auch ha.ben wir viel Kaufleutehier. <strong>Die</strong> meisten meinen sich durch ein solch äusserlichBlendwerk in Glauben und Reichachtung zu schwingen.Reich sein heisst hier vornehm. <strong>Die</strong>s macht einen Theilder Reichen stolz und ausgelassen. <strong>Die</strong> Vornehmen vondieser Gattung kennen al dann keine andere Eigenschaftihrer Hoheit als diese. <strong>Die</strong> Tugenden der Edlen bleibenihnen fremde. Dass aber viel so schwächlich scheinen,da ist unsere Weichlichkeit Schuld daran. <strong>Die</strong> gemeinenLeute hier sehen überhaupt viel stärker drein; sonderlichdie wohlhabenden. Jene aber verderben sich selbst. Siezärteln sich zu viel. Sie fürchten sich vor allen vier Elementen.Sie laufen nach dem Arzt um jede Kleinigkeit;dies schwächet die Natur, und jenes stärkt sie nicht. Einigeessen zu wohl. <strong>Die</strong> mancherlei Speisen, die sie täglichauf ihrer Tafel sehen, reizen ihren Geschmack. <strong>Die</strong>s beschwertden Magen. Der Kaffee mag's allein nicht verdauen.Darum kochen sie kein gut Geblüt. <strong>Die</strong>s kannkeinen guten Nährsaft, und dieser keine gute Frucht zeugen.<strong>Die</strong> fremden Weine tragen auch bei. <strong>Die</strong>se tröcknenden Lebenssaft durch ihre Hitze entweders auf, oder treibenihn zu geschwind und nicht genug zubereitet aus.


83Endlich weiss ich's bei Ihnen ist's eine Schande, frühean die Liebe zu gedenken. Bei uns geht's jung an. Imzwanzigsten Jahre ist ein mancher schon fast entkräftet.Und erholt man sich ja wieder, so können doch die Sprossen,die aus solchem Stamme schiessen, nicht baumstark wachsen.Ich sprach: Gott behüt uns unsere liebe Einfalt, anden Gränzen des Walliser Landes, haben wir hierübernoch nichts zu klagen.Indessen ging das Konzert an. Wohl ihrer vierzigspielten mit einander auf verschiedenen Instrumenten,grob und rein, Pfeifen und Geigen, kleine Bässe undgrosse, so hoch als der höchste Mann, und anderes, dasich nicht habe unterscheiden können. Alles ging untereinander,aber so laut, dass der ganze Saal erschallte,und so schön, dass ich fast aus mir selbst war. Ich hörte,wie wann die Nachtigallen singen, oder sich die Vögelin unsern Wäldern paaren. Bald war's wie ein Schäfer-Lied, und als wann der Guckguck darunter schrie, allesso sanft, dass es mir so lieblich war, als wenn ich desGemmy Rudis Wittib bei mir hätte. Manchmal war'swie eine Leyer, zuweilen wie der Kühreigen, und balddarauf ging das wieder so geschwind, wie unser WalliserSiebensprung. <strong>Die</strong>s währte eine gute Viertelstunde.Darnach kam einer allein, der sang ein ItaliänischLied, dass ich in meinem Kirchspiele nichts so schönesgehört habe; seine Zunge war wie von lauter Rädleinund sein Hals so glatt, als wenn er geschmiert wäre.Bald sang er traurig bald erzürnt, bald erschrak er, baldlächelte er, als wann er was angenehmes sähe oder ho:ffete.Ich verstund nicht wohl alle Worte, nur hörte ich ihnöfters sagen: Il mio Tormento ; dies sang er traurig; soer Orudele sang, sprach er heroisch; wann er Speranzasagte, so sah und redte er vergnügt; und wann er mioOaro aussprach so that ers liebreich. Das andere ver-


84stund ich nicht, dieses aber wiederholte er wohl fünfzigmal. Wann er ganz allein gesungen hätte, so wäre allesganz verständlich gewesen, aber die Instrumenten dämpftenzu viel, und die Zuhörer waren auch nicht allzustille.Es währte dies zusammen etwa eine halbe Stunde, dannfolgte eine Pause, und jedermann :fieng an überlaut zuklatschen und zu schwätzen.Indessen sprach der freundliche Herr zu mir: Ichsah mit Freuden, wie entzückt Sie zuhörten. Ich antwortete:In der That habe ich lange nichts so schönesgehört. .Aber wie heisst man das, so zuerst gespielt istworden? Er versetzte : Es war der Frühling des HerrnWivaldi; er wollte diesen vorstellen und hat es so übelnicht getroffen. .Auch schickt es sich für diese Zeit. Esist schade, dass man nicht in anderen Jahreszeiten seineübrigen spielt; er hat sie alle vier gemacht und warum soviel grösser als er die Musik zuerst empor gebrachthat; nur Corelli trifft ihn an Harmonie vor. Ich erwiederte: Werden wir was von ihm hören? Ach nein,war seine Antwort, des Jahrs kaum einmal ziehet mandiese grosse Männer zu Ehren. Es regiert eine gewissePedanterie unter den Musikanten, dass sie verachten, wasalt ist: wäre es noch so schön, so :finden sie es nicht so,wann es über zehn Jahre hat. Ich sprach: Ein jungerMann liebt eine Alte nicht, weil sie nicht mehr schönist, und einen ferndrigen Calender wirft man weg, weildie Jahre dahin laufen und er dardurch unbrauchbar geworden.Allein unsere Ohren werden ja nicht alle zehnJahre anderst, und was einmal recht schön ist, bleibt'sallzeit. Es können wohl verschiedene Schönheiten beisammenbestehen, und wann eine neue kömmt, so sollteman die alte deswegen nicht verwerfen. Eben darin, antworteteer, steckt die Pedanterie bei den jungen Musikanten.Sie meinen, es könne nichts rechts sein, als was


85zu ihren Zeiten jung geworden. Theils von ihnen wollendarin geschickt scheinen, wann sie viel aufgelöste Dissonantienloben, und so es einem andern nicht gefällt, someinen sie sich gar gelehrt, die Kunst einzusehen, welchedie Unwissenden nicht einmal begreifen können. Aberdie wahren Meister sind hierüber aus. <strong>Die</strong>se suchen dasAngenehme , und den Zuhörern zu gefallen , gleichwieauch Moliere dem Volk, nicht sich zu liebe schrieb. Daindessen die halb- und quart-Virtuosen, theils aus Neid,theils auch Hochmuth, wollen über alle Alten sein. Undwarum nicht? Sie sind :ihrer Sache gewiss, wo das Neue,nur darum, weil es neu ist, den Vorzug hat. Ich versetzte:<strong>Die</strong>s verstehe ich nicht genug, mein Herr; aberwarum spielten die andern so stark, als der Herr dasang? Bei uns zieht der Diskant vor dann kömmt derBass, der Alt und Tenor gehen erst nach. Darum habenwir eine Diskant- und eine Bassposaunen in unserer Kirche,die Gesang-Stimmen, samt dem Basse, werden voraus gehört.Mein Herr, war seine Antwort, es sollte hier auchso sein. <strong>Die</strong>se Herren machen nur die Begleitung desGesangs, sie haben nur die Neben töne zum ausfüllen, ·der Sänger hat die Hauptstimme. In den italiänischenOpern zu Turin, Mailand, London, Dresden hört manjene neben dieser nur als entfernt; es macht nur einangenehmes stilles Getöse, welches die Melodie der Singendenbezaubernd erhöht. Man hört, dass es nur eine Begleitungist. Bei uns aber will ein jeder sich sehen machen,und dadurch verdeckt er das Feinste. Ein jeder fürchtet,so er nicht gewaltig zuhaue, er bleibe unbekannt. Erhat keine dergleichen Opera gehört; er hat etwas harteOhren, denen das Piano nicht genug eingällt; darummacht er eine Nebenstimme zur Hauptstimme. Der Sängermag tschutschen so viel er will. Und zuletzt meinen alle,sie haben Wunder gethan, weil sie sich vor andern ge-


86hört haben. Ich schwieg; der Herr auch; und so sahenwir dem Gewühle zu, bis die Musik wieder anging, welchesI).icht lange anstund.Sie war fast wie zuvor, nur spielte man ein anderStück. Hernach kam eine Sängerin, die ein kurzes Liedsang. Es gefiel mir recht wohl, und klang sehr lustig,wann nur ihre StiIDIIle vor dem Getöse recht hätte durchdringenkönnen. Als sie aufhörte, klatschte wieder jedermann.Aber ehe man die Zeit hatte recht zu schwätzen,kam ein schön geputztes junges Herrlein mit einer Geigenhervor; und setzte sich zuvorderst auf einen Stuhl; dieandern Spielleute sassen hinter ihm und spielten ganzleise mit. Der gute Herr erzappelte sich entsetzlich, dassder Schweiss herunterlief. Er machte langsam und geschwind.Er sah zuweilen zurück auf die hintern, unddiese auf ihn. Einer derselben strampfte einmal sehr bös;ich hörte ihn sagen: nicht so geschwind. Daraus schlossich, er habe auf sie gesehen, dass sie ihm nachkoIDIIlensollen, und die andern auf ihn, dass er ihnen wartensolle. Es war jedermann inzwischen mausestill. Endlichhörte er auf, und man klatschte ihm viel mehr als mandem Sänger und der Sängerin geklatscht hatte.Ich fragte den Herrn: War dies etwan von der neumodischenMusik, davon sie sprachen? Mir wäre sie nichtso lieb als die alte. Ich hörte was, als wann eine Mausretzte, denn hörte ich sie vollends schreien. Er machtemanchmal so rein, dass es mir in den Ohren wehe that. 60 )Nein, erwiederte er, die Musik ist an sich gut, aber er60 ) <strong>Die</strong>se Stelle zeigt, dass das virtuose Konzert, von demder Aufschwung der Instrumentalmusik vorzugsweise ausging, dieKräfte der Dilettanten überstieg und gab diese Tatsache Veranlassung,dass allmälig die Symphonie immer mehr an die Spitzeder Instrumentalmusik kam und das Konzert aus seiner dominirendenStellung verdrängte.


87hat sie nicht wohl gespielt. Dergleichen vermeinte Meisternehme Stücke vor, die über ihre Kräfte sind; und ihreLehrer selbst meinen manchmal, schwer sei schön. Ichbedaure ihn, sprach ich, ich sah, dass er arbeitete undes gut machen wollte. <strong>Die</strong>sem zu lieb nun hätten dieMitspieler sich sollen vor ihm hören lassen. Aber, fuhrich fort, was bedeutete dann dies allgemeine und starkeKlatschen? <strong>Die</strong>s ist, versetzte er, der Zuhörer Wohlzufriedenheits-Bezeugen.Es ist ein Fehler, dass mannsjedermann thut; ein mancher meint, es sei der Gebrauch,auf diese Weise das Lied zu enden. <strong>Die</strong>smal war's entwedereine grobe Schmeichelei, oder ein Gespött, oderein Unverstand, dass man diesen Violinisten nicht damitverschont hat. Es gebührt nur Virtuosen; wir aber gestatten'sallen. Also muntern wir die Geschickten dadurchnicht auf, und die so nichts taugen werden beschimpft,die fremden Kenner aber haben Recht uns darüber zuverlachen. Damit liess mich mein Freund etwas allein;ich aber setzte mich zu hinterst in eine Ecke, und betrachteteinzwischen die Leute.Ich sah mit Verwunderung, wie alles durcheinanderwimmelte. Gleich vor mir sass eine Gesellschaft vonjungen Mägdlein, die waren wie Quecksilber. Doch bliebensie sitzen, aber sie juckten alle Augenblicke auf, undsahen um sich, sie drehten sich links und rechts, siedruckten die Haare eilig in die Ordnung, sie bewehtensich mit einem fast dreieckigen gemalten Papier; baldzischten sie sich einander in's Ohr, und sahen auf diesenoder jenen, oder jene, bis endlich ein halbes Dutzendjunge Herrlein kamen, die bückten sich fast bis an denBoden. Ich kann nicht sagen, was sie eigentlich sprachen;ich sah nur, dass sie gegen einigen gar freundlich waren,gegen andern, als wann sie sie nicht kenneten, ganz spröde.Eine machte einem so ein freundliches Gesicht, wie ei:if


88Engel; da kam ein anderer, im Augenblick war sie wieumgekehrt, sauer, verächtlich, bös, alles durcheinander.Unseres reichen J osten Tochter hätte den Hirten Heinrichniemals so schmäch empfangen können. Ein Paar sahenein Paar Herren von weitem, sie winkten ihnen, ihreKöpfe gingen beständig für sich und hinter sich, wie diegipsenen Ja-Männlein, wann man ihnen den Kopf stösst.Andere sahen und spöttelten hinterrücks über diese, dakam aus Versehen ein anderer, dem sie nicht gewunkenhaben, aber dieser war bei weitem nicht gemeint, daschämten sie sich, und er auch. Mehr als die halbenlachten überlaut und nahmen einander vor Freuden beiden Händen, druckten und küssten einander, oder stiessendie Köpfe zusammen, oder schlugen sich auf den Schosseoder beugten sich im Lachen fast unter die Knie. <strong>Die</strong>smachte den jungen Herrlein auch Lust zuzugreifen, siemischten sich darunter und küssten bei dieser Gelegenheitlinks und rechts herum, und anders. <strong>Die</strong>s verursachteeinen solchen Lärmen, solch Gelächter, und ein solch Geschrei,dass ich mich darüber verwunderte. Wir heissendies rumpusen. Allein es kam mir vor, als sähe ichKinder mit einander spielen, wann ich dagegen an unserejungen Leute gedacht. Und bei uns rumpusen sie nicht,wann Alte dabei sind , sie thuns nur unter sich, undmüssen dabei noch ein Gläslein Kirschwein im Kopf haben.Inzwischen stund ich auf, meinen Freund zu suchen.Ich fand ihn bald mit einem Herrn sprechen. Ehe ichihn angetroffen, musste ich bei vielen W eibsbildern vorbeigehen.Ich grüsste sie, aber sie dankten mir nicht,nur sahen sie mich steif an, einige schienen mir etwasmit dem Kopfe zu nicken. Als der Herr mit meinemFreunde ausgeredt hatte, kam dieser gleich wieder zu mirund wies mir einen Sitz, mit Vermelden, es werde baldFieder angehen. Wir setzten uns ; da fragte ich ihn,


89obs hier nicht Gebrauch wäre die Leute zu grüssen?Er sprach, warum nicht? Da sagte ich: Es ist dannnicht der Gebrauch zu danken? Wie so? versetzte er.Da erzählte ich ihm, was ich an den Weibsbildern inAcht genommen habe. Er erwiederte: 0 mein lieber Herr,dies Anschauen heisst gegrüsst. Es ist ja Ehre genug,so man uns des Anblicks würdigt. Das Nicken aber bedeutetauf das allerfreundlichste gedankt. Es giebt aberFreundlichkeits-Nicken, es giebt schmähes, es giebt ehrerbietiges,es giebt vertrauliches, es giebt gleichgültiges;alles bedeutet grüssen, nachdem der Mann ist. Er iststärker oder schwächer, je nachdem man bekannter odervornehmer oder nicht ist. Gegen einen Fremden dörfensie deswegen nicht stark machen, weil die Bekanntschaftmangelt. Allein so sie ihn vor etwas ansehen, da ist einekleine Kopfbewegung erlaubt. In dieser Achtung warensie bei denen, die mit ihrem Haupte, etwann eines Thalersdick gegen ihnen zu nähern geruhten. Darmit war ichzufrieden, und bald darauf schlug der Herr mit seinemStäblein, und das Musiciren ging wieder an.Es spielten nur drei miteinander, nämlich zwei Geigenund ein Bass. Mein Freund sagte mir, man heisse diesein Trio, und alle drei seien nur Liebhaber. Aber siespielten meisterlich und so sanft, dass es immer schadewar, das Gewühl der Zuhörer daneben zu hören. Dochward es noch grösser, als sie aufgehört haben, und einerauftrat, der ein rechter Meister auf der Violine war.Er fing an, und niemand als ein Bass half ihm. Erzog recht engli ehe, lange, satte Töne aus seiner Geigen.Sein Bogen sprang auf den Saiten herum, und darüber,wie die Gemsen auf die Klippen. Man konnte einenjeden Ton unterscheiden, und manchmal hörte man derenwohl vierzig nach einander aus einem Zuge springen,einen jeden so abgebrochen, dass man alle hätte zählen


90können, wann es der Geschwindigkeit wegen möglichgewesen wäre, und sie liessen sich hören, als wann einjeder mit einer Pause nachliess. Wann er rein machte,war es wie ein Vogelgesang, und die unteren Saiten klepftenund klangen wie ein dichter Federnthaler, den man aufein steinern Tischblatt wirft. <strong>Die</strong> langsamen Weisen warenso anmuthig als unser Wilhelm-Tell-Lied, aber weit mehrTöne darin, und die geschwinden machten einem die Seeledreissig Jahre leichter und jünger. Bei einer gewissenStelle griff er seine Violine hart an und spielte auf allenvier Saiten miteinander. Er wiegte so schön darauf herum,dass ich geschworen hätte, ich hörte auf jeden Zug dreissigTöne miteinander aus jeder Saiten hüpfen. Sie drangenheraus, wann er nur den Bogen bewegte, als wie dieFunken aus meinem Feuerstein, wann ich Tabak ansteckenwill, aber sie gingen so hübsch auseinander und lösteneinander durch alle vier Stimmen so schön auf und ab,dass ich wie entzückt war.Der Bass schwieg indessen, und der Virtuos griff dieViolin zum Verlieren allzeit minder an, so dass ich eszuletzt fast nicht unterscheiden konnte. Allein es warnicht seine Schuld. <strong>Die</strong> Leute machten indessen ein solchesGeräusch, dass ich in einen rechten Zorn gerieht. Ichschrie überlaut: stille! Denn ich vergass, dass ich einFremdling war und meinte, ich wäre zu Hau_s unter meinenLeuten. Zu allem Glücke achtete es vor dem Getöse niemandals mein Freund, der dichte neben mir sass. <strong>Die</strong>sersprach leis zu mir, bravo, aber zugleich winkte er mirlächelnd aus meiner Entzückung. Doch scheint's der Virtuoshat es wahrgenommen, denn er griff nach und nachwie unvermerkt seine Violine wieder mehr und mehr an,bis er in die Stärke kam, wie er dies Harpeggio (so nenntes mein Freund) angefangen hatte, alsdann ging der Basswieder mit, und beide spielten noch eine zeitlang so zier-


91lieh fort, dass ich ihnen die ganze Nacht hätte zuhörenmögen.Als dieser abgetreten war, kamen zwei Jungfern mitdem Singmeister hervor, und eine Bass-Stimme. <strong>Die</strong>seliessen uns ein Italienisch Lied hören, viel schöner, alseines unserer allerbesten Weihnachts-Gesängen, und manwar ein wenig stiller. Der Herr sagte mir, dies geschehe,weil die Jungfern vornehme Töchtern wären. In der Thathatte man nicht Unrecht, denn sie sangen alle wie dieEngel im Paradiese, aber dies verdross mich, dass mannicht Recht für Recht gelten liess. Warum dann hörtensie dem Virtuosen nicht auch zu und klatschten ihm auch?Da man diesen Vieren mit Händen und Füssen schlug,dass die Luft darüber hätte erzörnen mögen.Hiemit hatte das Concert ein Ende, und jedermannging nach Hause. Während diesem sprach mein Freund:Ich versichere Sie, ich bin recht böse über die Ungezogenheitunserer Leuten. Es ist wahr, nicht der sechste Theilkommt der Musik zu Gefallen. <strong>Die</strong> Weibsbilder erscheinen,sich sehen zu lassen; die Mannsbilder, sie zu sehen. Vieleauch schämen sich, nicht vom Concerte zu sein, damitsie ja auch unter die schöne Welt gezählt werden. Alleinanderswo kommen auch Leute an solche Orte, nicht ebender Harmonie zu Gefallen; doch sind sie zu belebt, durchihre Unart den Liebhabern ihre Freude wegzustehlen. Allediese Schwätzer verachten der Bauern Grobheit. Glaubensie nur, ihre Aufführung lässt nicht herrisch; das Kleidallein macht nichts aus. Das Herrischthun und Gedenkenadelt. Jene schön geputzten Affen, da man ihnen Nüssevorwarf, verriethen gleich ihren Thiergeist und beschmitztendabei ihre prächtige Kleidung. Ich hätte bald gesagt,unsere Zuhörer gleichen ihnen. Sie haben ja Zeit genugzwischen dem Musiciren zu schwätzen, so könnten sie dannwohl andern zu Gefallen eine Viertelstund ihr Maul zu-


92halten, wo nur eines gegen dem andern die geringste Hochachtunghätte.Indessen (fuhr er fort) ist mir leid, mein Herr, nichtbesser mit Ihnen bekannt zu werden. Meine Geschäfterufen mich für etliche Monate aus der Stadt. <strong>Die</strong>ss verdrossmich recht anzuhören, doch bedankte ich mich aufdas höflichste für seine Leutseligkeit, nahm Abschied vonihm, setzte mich in meinen Wagen und tröstete mich andieses Herren Statt, meines gefälligen Wirths der 13 Cantonen."Soweit der nicht ganz ungewürzte Bericht des scheinbarso naiven Landpfarrers; er wird damals wohl seineLeute getroffen haben. Zwei Unarten des Publikums sindes namentlich, über die in jener Zeit auch in andern Ortenhäufig geklagt wurde, es ist das Schwatzen während derMusik und das unsinnige Klatschen. Der Fehler beimletztern lag darin, dass man damit nur die Dilettanten,und namentlich die vornehmsten, wenn sie noch so schlechtwaren, auszeichnete, während man bei Musikern überhauptnicht klatschte, weil man fand, diese werden ja bezahlt,und täten nur ihre Pflicht und Schuldigkeit.Ueber das uns jetzt geradezu unbegreifliche Schwatzenmuss gesagt werden, dass diese Konzerte im Gegensatzzu unsern modernen Konzerten immer noch den Charaktervon gesellschaftlichen Vereinigungen an sich trugen. Manbraucht nun nur die Parallele mit der Neuzeit zu ziehen;in eigentlichen Konzerten hat man sich heutzutage überUnruhe nicht mehr zu beklagen, aber in Gesellschaften,wo auch Musik gemacht wird? ich glaube, da bereitetdas leidige Schwatzen noch täglich manchen Aerger undVerdruss. Auch waren die Schweizer in der Beziehungnicht die einzigen Sünder; jedermann kennt ja die Anekdoten,in denen erzählt wird, wie selbst Meister wie Haydn,Beethoven und Spohr mit der Unruhe des Publikums zu


93kämpfen hatten. 61 ) - <strong>Die</strong> Institution unserer heutigenoffiziellen Konzerte hat sich eben nur langsam entwickelt,und brauchte es einer langen Erziehung, bis das Publikumzum heutigen Stillschweigen gebracht werden konnte.Ebenso unbegreiflich erscheint uns heutzutage das Vorkommenvon Spieltischen im Hintergrund von Konzertsälen,was sich aber aus dem gleichen Grund erklärt. Ja.man setzte oft am Ende des letzten Jahrhunderts nochextra solche hinein, um diejenigen Elemente, die gar keinInteresse für die Musik hatten, wenigstens zu relativerRuhe zu bringen.Im Jahre 1788 wird von der Musiksaalgesellschaftin Zürich „einer Frauen Music Gesellschaft gestattet, fürein Jahr den Saal und die Instrumente zu benutzen. Informatoressind die beiden J gfr. "Sängerinnen Rellstabinnen."Bald wirkt dann dieser Frauen Musikverein auchbei den Konzerten mit, ja 1791 wird sogar gesagt, dasser ihnen den Glanz verlieh! Damit dringt ein neues Elementin die Kollegien ein, das zwar musikalisch, weil dieKunst des Falsettierens schon längst im Rückgange war,einenFortschritt bedeutet, aber schon ein deutliches Zeichenfür die allmälige Veränderung und innere Umwandlungder Musikkollegien, die von jetzt ab sich vollzieht, ist.<strong>Die</strong>se Frauengesellschaft ist hauptsächlich eine Singgesellschaft;sie wird auch so genannt, und ist also ungefährvon dieser Zeit ab das erste Auftreten von gemischtenChören im modernen Sinne zu konstatieren. GemischteChöre, die volkstümlich religiösen Gesang pflegten,traten in der Schweiz freilich schon viel früher auf undsehe man hierüber das Kapitel über den W etzikoner Gesangverein.61 ) Vergl. über diesen Punkt auch Hanslick: „Geschichte desKonzertwesens in Wien."


94Auch muss man sich die Anfänge der gemischtenChöre für Kunstgesang in äusserst bescheidenem Umfangdenken. Wir haben gesehen, dass es von den sechzigerJahren an in den Subskriptionskonzerten beliebt wird,eine fremde Sängerin, zuweilen auch einen Sänger fürdie ganze Saison zu engagieren. Durch diese wird danndie Liebe zum Gesang bei den jungen Damen der Stadtangeregt, und wird so die Möglichkeit geschaffen, kleinegemischte Chöre zu bilden.<strong>Die</strong>se waren aber oft nicht grösser, als dass zur Notjede Stimme doppelt besetzt werden konnte, das Mankoin der Zahl wurde freilich meist durch das wirklicheKönnen der Sänger ausgeglichen. <strong>Die</strong> modernen Massenchöretreten erst von Anfang des 19. Jahrhunderts an auf.In diesem Jahrhundert sehen wir dann auch die Artder alten <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong> ganz verschwinden. Sie habenschon bis hierher verschiedene Wandlungen durchgemacht,aber jetzt verändert sich ihr Wesen vollständig. <strong>Die</strong>französische Revolution hatte auch in sie neue Ideenhineingetragen, und wurde durch diese das Althergebrachteüberwunden und beseitigt. Bevor ich aber dieDarstellung der allgemeinen Züge dieser alten Gesellschaftenabbreche, will ich hier noch einmal ein Bildaus ihren letzten Jahren beifügen, das diese bald zumletzten Male noch in sich spiegelt. Es ist die Beschreibungeines Musikfestes, das zur Aussöhnung der Musikgesellschaftenvon Winterthur und Frauenfeld - sie hattensich durch die Untreue eines früheren Dirigenten entzweit- (1795?) gefeiert wurde, von dem damaligen WinterthurerMusikdirektor Auberlen herrührend. Er erzähltin seiner Selbstbiographie:„Mit den Herren von Frauenfeld einverstanden, setzteich ein Cirkular unter meinem Musikkollegium in Bewegungworin ich ein musikalisches Fest auf dem Schloss


95Mörsburg (eine Amthey im Thurgau, der Stadt Winterthurangehörig) auf einen bestimmten Tag verkündigte, zuwelchem die sämmtlichen Mitglieder von "Winterthur eingeladenwurden, mit dem Beifügen, dass auch die Hrn.Musikliebhaber von Frauenfeld sich in Corpore dabei einfindenwollten, um ein gemeinschaftliche AussöhnungsundMusikfest zu feiern. <strong>Die</strong> gute Aufnahme meinesVorschlags, und die zahlreichen Unterschriften (es geselltensich auch noch andere Freunde dazu, die nichtMitglieder waren, so dass die Zahl der Anwesenden inMörsburg auf 92 stieg) übertraf alle meine Erwartungen.Der Pächter auf dem Schlosse sorgte für eine köstlicheMahlzeit; Vormittags 9 Uhr rückten die Geladenen vonallen Seiten an; ich war schon früher mit Paukern undTrompetern im obergrossen Saal in Bereitschaft, von woaus sich eine der schönsten Aussichten zeigt, die anMannigfaltigkeit wenig ihres Gleichen hat. So wie manwieder eine Anzahl von den Erwarteten in weiter Ferneerblickte, begrüssten wir sie mit Trompeten und P auken.Als man sich versammelt und bewillkommt hatte, wurdenach einer vorher eingenommenen Erfrischung, zur Musikgeschreitet, und mit derselben bis zur Mittagstafel fortgesetzt.<strong>Die</strong> Mannigfaltigkeit der Musikstücke und diegute pünktliche Ausführung derselben mit einem Orchestervon ohngefähr 70 Personen begeisterte die Gesellschaftso sehr, dass man beschloss, jährlich wenigstens einmaleine solche Zusammenkunft zu halten."Allein die Revolution durchkreuzte auch diesen Plan,und blieb das Fest, das so recht noch aus dem Wesender alten Musikkollegien entstand, das einzige seiner Art.Und nun noch ein paar Worte über die Bedeutungder Musikkollegien. Eine doppelte kommt ihnen zu: erstensist es kulturgeschichtlich gewiss sehr wichtig, wenn geradein der Zeit, da durch den dreissigjährigen Krieg


96alle Kultur in deutschen Landen in Frage gestellt wurde,die Bürger dieser kleinen Schweizerstädte anfingen, soeifrig Musik zu treiben. Man kann geradezu sagen, einewabre Begeisterung für Musik hatte sie entflammt. Dabeiwar damals die Musik die Führende unter den Künsten.Es ist dies ein Punkt, der bis jetzt noch gewiss zu wenigberücksichtigt wurde. <strong>Die</strong> Poesie lag in Deutschland darnieder;die bildenden Künste brachten nichts Nennenswerteshervor, aber die Musik förderte fort und fort trotzKriegswirren und ihren Nachwirkungen die herrlichstenMeisterwerke zu Tage.Auch in Italien stand sie an der Spitze ihrer Schwestern,vieles drang auch von dort nach Deutschland hinüber,und konzentrierte sich hier das ganze künstlerische Fühlenund Wollen des gesamten Volkes in der Musik. Dassdiese Dilettanten jener Zeit eben mit der Kunst selbstsich beschäftigten, und nicht wie heutzutage mit einerleider entarteten sogenannten Volksmusik, ist bedeutsam.Und gerade da, als im übrigen Deutschland mit der ganzenKultur auch die Musikpflege Rückschritte machte, setzendie Schweizer ein, und darin liegt die geschichtliche Bedeutungder schweizerischen <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong>. Zum zweitenbilden sie die Grundlage alles künstlerischen Musiktreibensin der reformierten Schweiz überhaupt. Aus ihnen habensich die modernen Orchester, zum Teil die heutigen gemischtenChorgesangvereine entwickelt; einzelne derselbennahmen auch Anteil an der Ausbildung des Männergesangswesens,und haben auch dieses wesentlich gefördert. Soruht also die ganze Musikpflege, die, wie man wohl sagendarf, verhältnismässig hoch entwickelt ist, auf dem Fundamentjener alten Musikkollegien; durch ihre feste undsichere Anlage wurden sie der Grundstein für alles spätere;Generation auf Generation brauchte nur auf sie aufzubauenund noch die heutige zehrt an ihrem Erbe.


97Wünschen wir, dass sie es gut verwahre, und diePflege der Musik auch in der Schweiz segensreich weiterich entwickle und gedeihe.B. <strong>Die</strong> einzelnen <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong>.1. Zürich.In Zürich bestanden längere Zeit drei Musikkollegiennebeneinander: die Gesellschaft auf dem Musiksaal, dasCollegium Musicum auf der ·deutschen Schule, und dieMusikgesellschaft auf der Chorherren. 62 ) <strong>Die</strong> zwei ersterenhaben ihre amen mehrmals geändert, ich gebe jedochdiejenigen an, die sie am längsten getragen und unterdenen sie auch meist in der Lokalgeschichte genannt werden.<strong>Die</strong> Gesellschaft auf dem Musiksaal. 63 )Sie wurde 1613 am 9. September gegründet unrl werdenfolgende zehn Männer als Stifter genannt: J. R . Leemann,Lütpriester; J. U. Reuter und R. Wirth, parochi; R. Völkli,Cantor; Kaspar Lavater und Joh. Fries, Doctores; F. Roller,parochus; M. Burkhard; J. H. Wolf, J . Bernhard Hofmann,Prediger zu Winterthur. Mit sicher gegebenem61 ) S. Vierundvierzigstes Neujahrsstück der allgemeinen Musik-Gesellschaftin Zürich. 1856. „<strong>Die</strong> früheren Musikgesellschaftenin Zürich bis auf ihre Vereinigung zu der gegenwärtigen." Derungenannte Verfas er ist Pfarrer Stierlin.63 ) <strong>Die</strong> vorliegende Darstellung stützt sich im wesentlichenauf die Protokolle der Gesellschaft, die in der Bibliothek „derAllgemeinen Musikgesellschaft" in Zürich aufbewahrt werden. Siereichen von 1718 bis 1812 und sind in einem grossen Foliobandzusammengebunden. Der vorgesetzte Titel lautet: „Verzeichnis-was sich in und auf einer löblichen Gesellschaft auf dem Musik-Saal Sint .A. 0 1613 da Sie ihren Anfang genommen, von Zeit zu7


98Datum ist sie die älteste der zürcherischen, aber auch allerschweizerischen Musikgesellschaften. <strong>Die</strong> Stifter sind hier,im Gegensatz zu denjenigen der meisten späteren Kollegien,Männer, die alle in Amt und Würde stehen, undes ist wohl möglich, dass diese erste Gesellschaft in ziemlichnahem Zusammenhang mit der Kirche stand; genauereNachrichten sind uns darüber nicht erhalten. <strong>Die</strong> Versammlungenfanden anfänglich in Privathäusern bei einzelnenMitgliedern statt, von 1641 ab dann eine Zeit langim Fruchtzollhaus, nachher wieder in Privatlokalen, und1689 endlich liess die Regierung der Gesellschaft einen„schön gegipseten" Musiksaal einrichten. <strong>Die</strong>ser genügteaber 1716 auch nicht mehr und liess die Gesellschaft nunselbst einen neuen bauen, der dann mit grossen Feierlichkeiten,die oben schon beschrieben wurden, eingeweihtworden ist.Neben den stets stillschweigend als erster Musikstoffanzunehmenden Psalmen Goudimels sind ihrem Alter nachin die früheste Zeit noch folgende Werke zu setzen: einZeit hat zugetragen. Angefangen im Jahr Christi: MDOOXIIX."Zur Ergänzung für die fehlenden Jahre von 1613- 1718 hat derjenige,der die Protokolle im letzteren J ahre einrichtete, RatssubsistutZoller, nach älteren Aufzeichnungen noch einige -otizenüber die frühere Zeit beigesetzt, so dass sie also die ganze Geschichteder Gesellschaft enthalten. Leider wusste er nur nichtimmer das wichtigste herauszugreifen, so giebt er für das Jahr1658 an: „Ein Giessfass eingestelt um die Hände zu waschen",und sonst für das ganze J ahr weiter nichts. Ich führe dies hiernur an, um zu zeigen, wie in den Protokollen dieser Kollegienoft alle kleinen und kleinsten Nebensächlichkeiten notiert sind,während über wichtigere Sachen, so namentlich über die Musik,sich gar nichts findet. Den Protokollen der Musiksaalgesellschaftvorgesetzt ist dann noch eine „Präfatio" von Kaspar Albertin,Oantor am Grossmünster (circa 1670-1742), die im wesentlichenein Lob auf die Musik sein soll, aber auch einen Abriss der Geschichtederselben enthält.


99Psalm von J. Agricola, 64 ) eine Messe von Pietro V alle nebsteinigen Bruchstücken aus andern geistlichen Kompositionen,die „<strong>Musica</strong> Montana" v. Benedictus a. St. Josepho, 1617m .Antwerpen gedruckt, die „Geistlichen Konzerte" vonSamuel Scheidt, und von weltlichen Kompositionen, die1624 in Nürnberg erschienen, „Musikalische Kurzweil"des Erasmus Weidmann, und die „N euen Paduanen, Galliarden,.Allemanden" etc., in drei, vier, fünf und sechs Stimmenvon Johann Schoppe, 1640 in Hamburg erschienen.Aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind folgendebekannteren Komponistennamen anzuführen: Briegel, Sperrund Johann Kaspar Horn mit ihren Kirchengesängen,Carissimi mit „Cantiones Sacne" (Constantina 1670), dieschweizerisch katholisch kirchlichen J oh. Melchior Glettleund Valentin Molitor; dann auf dem Gebiete der InstrumentalmusikJoh. Pezzel mit „Leipziger zehen Stund" fürzwei Cornetti et drei Tromboni (Leipzig 1670) und „Leip-5 ') <strong>Die</strong> hier aufgeführten Musikalien sind sämtlich noch vorhandenund werden im Archiv der allgemeinen Musikgesellschaftaufbewahrt. In meinen Angaben folge ich hier einem Verzeichnis,das Bernhard Ziegler 1814 fertigte. Beizufügen ist noch, dass diedrei grossen zürcherischen Musikgesellschaften 1812 sich zu einervereinigten und dabei auch die alten Musikalien zusammenkamen,weshalb sich nicht mehr unterscheiden lässt, was von dem gesamtenStoff bei den einzelnen Kollegien aufgeführt wurde. Eshat also das, was hier von den Musikalien von der Musiksaalgesellschaftgesagt wird, auch für die andern Gesellschaften zugelten, im wesentlichen werden auch ziemlich dieselben Musikalienbei allen drei Gesellschaften im Gebrauch gewesen sein. - Dasgenannte Verzeichnis von 1814 enthält unter der Rubrik „Aeltere:<strong>Musica</strong>lien" allein 342 Nummern. Leider konnte ich bei meinemAufenthalt in Zürich von der Bibliothek selbst keinen Einblicknehmen, da sie im Umzug (nach der jetzigen neuen Tonhalle) begriffenwar. Ich bin deshalb auch nicht ganz ausführlich in meinenAngaben, da ich hoffe, dass bald einmal ein vollständiger Katalogder reichhaltigen Sammlung veröffentlicht werden könne.


100ziger Abend-Musik" mit ein, zwei, drei, vier und fünf Stimmenzu spielen (Leipzig 1669), J oh. Rosenmüller mit einerSonata de camera a 2 Violini, Viola, 2 Violette et Basso(1670) und Heinrich J oh. Franz Biber mit zwei Sonatenin ähnlicher Besetzung. <strong>Die</strong>sen meist durch ihre Bedeutungbekannteren schliessen sich dann noch an: J. MelchiorCaesar, J. G. Rauch, G. Pablo Coluna, Isabella Bernhardi,eine in Zürich sehr beliebt gewesene Komponistin, vonder verschiedene Werke im Gebrauch waren, ferner Bignetti,Finatti, Monteferato, Vanini, Parteny, Bagatti, Capricorni,La Marsche u. a. Als Vertreter des Sologesangesfinden sich bereits die "Neuen Arien" (Dresden 1676) vonAdam Krieger.Ohne Zweifel auch schon im 17. Jahrhundert eingeführt,aber noch weit über dasselbe hinaus beliebt warenAndreas Hammerschmidt und Giovanni Battista Bassani.Während der erstere das Entzücken aller schweizerischenKollegien bildete, war letzterer der spezielle Liebling derZürcher. <strong>Die</strong> Opern ausgenommen, besassen sie seine sämtlichenWerke, und wurden diese, ganz ebenso wie diejenigenvon Hammerschmidt, immer und immer wiedergesungen und gespielt.Im 18. Jahrhundert treten dann die italienischen InstrumentalkomponistenCorelli, Vivaldi, Locatelli, Geminiani,Taglieti, Mossi, Tessarini, Manfredini u. a. auf, auchPorpora ist als Instrumentalkomponist vertreten. Nebenden Concerti grossi, Trios etc. von diesen finden sich aberauch noch viele Vokalwerke; beliebt ist namentlich ValentinRathgeber, Telemann (Oratorium "Jüngstes Gericht" undeine Passionsmusik), auch Steffani, Aldrovandini, Caldara,Cordans, Cherizi, Vallade, Johann Phil. Krieger, Joh. Sam.Beyer und Bieling; unter den Werken des letzteren befindensich auch einzelne Solokompositionen mit Instrumentalbegleitung.<strong>Die</strong> deutschen Instrumentalkomponisten


101sind vertreten durch Johann Krieger (nicht zu verwechselnmit Johann Phil.), Josef Meck, Wilhelm Fesch undTelemann.In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts findensich dann Werke, besonders Cantaten und Oratorien derbekannten Grössen jener Zeit, von Hasse, J. A. Hiller,Benda, Graf, Phil. Ern. Bach, Graun, dessen n Tod J esu"über alles hoch geschätzt wurde; ferner von W estenholz,dem Luzerner Franz Leontino Meyer von Schauensee,Kirchbauer, den Italienern Jomelli, Pergolese, Galluppi,Gasparini und anderen. Auf besonders wichtige Werke werdeich weiter unten noch einmal zurückkommen.Gleich hier sind nun noch die oben schon erwähntenNeujahrsstücke 65 ) anzureihen. 1685 hatte die Regierungder Gesellschaft die Erlaubnis zum Bezug von nStubenhitzen"erteilt. Damit hatte es folgende Bewandtnis: Vonaltersher war es in Zürich Brauch, dass die Kinder am„Bächtelitag", am 2. Januar, der dort ein volkstümlicherFesttag ist, Geschenke auf die Zunft- und Gesellschaftshäusertrugen, die ursprünglich zur Bestreitung der Heizungdienen sollten und daher den Namen nStubenhitzen"erhielten. Dafür gaben die Zünfte den Kindern etwasNaschwerk als Gegengeschenk, die Gesellschaften abersuccessive von der Mitte des 17. Jahrhunderts an Schriftenmit geschichtlichen und biographischen Darstellungen oderauch Gedichte u. drgl. So erhielt auf das Jahr 1685 auchdie Musiksaalgesellschaft die Erlaubnis, „Stubenhitzen"zu empfangen, und gab sie damals ihr erstes Neujahrsstück,wie die Gesellschaften ihre Gegengaben nannten,65) Vrgl. 45. Neujahrsstück der allgemeinen Musikgesellschaftin Zürich. „<strong>Die</strong> Neujahrsstücke der frühern Musikgesellschaftenbis 1812 mit biographischen Notizen über die zürcherischen KomponistenSchmidli und Egli." Der Verfasser wird nicht genannt.Zürich 1857.


102heraus; es wurde in 200 Exemplaren gedruckt. Als Musikgesellschaftmusste es ihr nahe liegen, auch ein musikalischesGeschenk zu bieten, umsomehr, als dies auchschon von anderer Seite geschehen war. <strong>Die</strong> Stadtbibliothekhatte schon zweimal in ihren Neujahrsstücken 1659 und1662 den Gedichten auch dazu gehörige Musik beigedruckt;beides war von dem Pfarrer Simmler verfasst. 66 ) So giebtdenn auch das erste Neujahrsstück der Musiksaalgesellschaftals Hauptinhalt eine Komposition, einen zweistimmigenGesang mit begleitendem Generalbass. Der Textist religiösen Inhalts, diesem geht ein Lobgedicht auf dieMusik voraus. Beigegeben ist auch, wie ebenfalls allenspätern Neujahrsstücken, ein Kupferstich; hier Arion aufdem Delphin, und im Hintergrunde die Stadt Zürich darstellend.67 ) Dichter und Komponist sind nirgends angegeben,nur der Kupferstecher verewigte sieh jeweils aufseinem Bilde. So sind die Komponisten der ersten Zeitnicht mehr festzustellen; wahrscheinlich von 1708 bis 1750,vielleicht aber auch bis 1756 war der StadttrompeterLudwig Steiner der Komponist der Neujahrsstücke. Derselbewar schon 1705 in die Gesellschaft eingetreten; ichschliesse aber aus der Art der Kompositionen - bis 1708sind sie einfach liedmässig gehalten und erst dann trittdie Steiner eigene Vorliebe für gewisse Koloraturen und66 ) S. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek. Zürich 1857. „Geschichteder schweizerischen Neujahrsblätter."67 ) 1716 wurden die bis dahin herausgekommenen Neujahrsstückeneu aufgelegt, und ist mir nur diese Ausgabe zu Gesichtgekommen. Der vollständige Titel lautet: <strong>Musica</strong>lische /Neu-Jahrs-(Gedichte) Gott zu Ehren / und zu Vermehrung der / Freuden inGott einer Ehr-Kunst und Tugend/ liebenden Jugend in Zürich /Von der Gesellschaft der Vocal- und Instrumental- / Music, ab demMusic-Sal daselbst zum anderen/ mahl aufgelegt/ Anno MDCCXVI /Alles was irdisch mus endlich vergehn / <strong>Musica</strong> bleibet in Ewigkeitb'stehn.


103Verzierungen, auch für dem Generalbass beigefügte Begleitungvon Trompeten, Clarini u. drgl. zu Tage - dassseine Tätigkeit erst dann eingesetzt habe. Wann sie aufgehörthat, ist auch nicht genau überliefert. 1750 hatein Herr Hauptmann Oery das. Neujahrsstück komponiert,1751 aber wieder Steiner und fehlen dann Angaben darüberbis 1757; wahrscheinlich scheint mir, dass Steiner bis dahinder Komponist blieb. Von 1757 bis 1777 ist wieder Oery,jetzt Zunftmeister genannt, der ständige Komponist. Von1778 ab tritt Egli an seine Stelle und behält sie bei bis1810, von welchem Jahre an dann die Neujahrsstückekeine Kompositionen mehr, sondern musikgeschichtlicheAbhandlungen und ähnliches bringen.Der Wert der Kompositionen dieser Neujahrsstücke,wie auch der von der Gesellschaft der deutschen Schuleherausgegebenen, die ich weiter unten noch zu besprechenhabe, ist natürlich vorwiegend ein bloss historischer. Sehrinteressant ist schon an und für sich die Tatsache, dassman bereits am Ende des 17. Jahrhunderts ein Publikumnamentlich der jüngern Generation voraussetzte, das befähigtwar, ihm dargebotene musikalische Kompositionenmit Interesse aufzunehmen, und für sich zu Hause zumehreren vereint zu exekutieren. In diesem Sinne dochwurden ihm diese Kompositionen von Lokalkomponistengeboten. Betrachten wir diese selbst genauer, so gehtdas auch aus ihrer Anlage hervor. Es sind stets Gesangskompositionen,natürlich immer mit Generalbass versehen,und man bemerkt durchgehends vom ersten bis zumletzten die Vorliebe für Dreistimmigkeit. Sie sind knapp,oft nur gar zu dürftig und einfach gehalten. So stehensie auch meist nicht auf einer hohen musikalischen Stufe;es kommen hie und da selbst technische Unbeholfenheitenzum Vorschein, aber ihren Zweck werden sie wohl immererfi.Ult haben. Einzelne freilich heben sich bedeutend über


104das gewöhnliche Niveau heraus, and verdienen diese anund für sich Beachtung. Wie mehrmals an innerer Bedeutung,so gehen sie auch einmal für ein paar Jahreüber das gewöhnlich eingehaltene kleine äussere Masshinaus; das ist in der Zeit, wo Egli die Kompositionübernimmt, und er giebt über Lavatersche Texte ganzeCantaten. Bald musste aber auch dieser Komponist sichwieder auf eine kleinere Form beschränken, da diese Cantatenweit über das hinaus gingen, was die Neujahrsstückegeben wollten, und auch auf die Dauer geben konnten.Es waren kleine bescheidene Gaben der Musikgesellschaftan die weitere musikalische Umgebung derselben , un.dsie bilden so eine interessante Hervorbringung der erstern;mehr kann ich hier nicht über sie sagen, es würde unsdas zu weit von der eigentlichen Aufgabe, die Geschi,chteder Musikpflege zu schildern, abführen.Verfolgen wir nun noch die wichtigsten musikalischenEreignisse der Gesellschaft in chronologischer Reihenfolge.Das Erscheinen von drei fremden Musikanten 1619, vonFranz Valetti aus München 1716, des Musikanten Blasiusaus Kopenhagen 1718 und der Waldhorn und Fagottblasenden Weibspersonen 1625 habe ich schon im allgemeinenTeil erwähnt. 1726 den 24. September präsentiertesich abermals ein fremder Musikant Msr. Bouriegel 68 )gut, welcher ein löbl. Kollegium mit einem Musikstückregalierte, wofür demselben zwei Thaler zu einem Viatikumgegeben werden. Derselbe taucht später noch einmal auf,und er besuchte auch andere Schweizerstädte. 1728 wirdeines Chorherrn Mahlers aus Bischofßzell Erwähnung getan,08 ) Bouriegel oder Burrigel, wie sein -ame auch geschriebenwird, soll ehedem sächsischer Musikus gewesen sein, und konnteich über ihn nichts weiter erfahren, als dass er in Lorenz Mizlers„Neu eröffneten Musikalischen Bibliothek" (Leipzig 1739, IV. Teil,pag. 84) als Abschreiber denunziert wird.


105der "mit grosser Adresse und guter Manier violino principaleaus Mossi" spielte. 1732 erscheint der dann schonerwähnte Nasovius Dehec, Violinist aus Bergamo, auf derDurchreise, 1733 nimmt er einen längeren Aufenthalt underhält 10 Dukaten für seine fleissige Mitwirkung beimKollegium, d. h. er ist schon halb und halb angestellt;er erteilt auch namentlich Violinunterricht. Vom 22. Oktober1734 heisst es im Protokoll, n besuchte die Gesellschaftein Herr Antoine Mahaut 69 ) aus Amsterdam, der die Flutetraversiere als ein virtuosus spielte". <strong>Die</strong>ser blieb dannden ganzen Winter über in Zürich,' und als er im folgendenMärz wieder abreisen wollte, herrschte grosse Unschlüssigkeit,wie man ihn bezahlen solle. Um diesemfür die Zukunft vorzubeugen, wurde bestimmt, dass, wennwieder fremde Musiker kämen, müsse man von vornhereinetwas Bestimmtes abmachen. <strong>Die</strong>ser Beschluss scheintaber nicht viel genützt zu haben, die Unsicherheit inden Zahlungsverhältnissen blieb noch lange bestehen.Von Mahaut wurde in Zürich auch sein Opus I nII. Sonatea Flauto solo col Basso" gedruckt, das er der Gesellschaftwidmete; ebenso werden von ihm noch Streichquartettein der Bibliothek aufbewahrt. 1744 den 17. November"präsentierte Herr Joseph Lorenzit aus dem Schwarzwaldgebürtig eine pieze von seiner Komposition, welch_e inSynfonia bestehet zur contestation seiner Ergebenheitvermittelst einer dedication an Samtl. Lobl. Collegium".Er erhielt dafür "4 dublon nicht sowohl wegen einerDiscretion für das dedicierte werklein, als auch sonder-69 ) Anton Mahaut wird von Gerber in seinem Tonkünstler-Lexikon ein vortrefflicher Komponist und Flöttraversist genannt.Nach seinem Zürcher Aufenthalt scheint er wieder in Amsterdamgelebt zu haben, bis ihn 1760 seine Gläubiger nötigten, sieb nachFranln-eich in ein Kloster zu retirieren. Er hat auch nebst verschiedenenKompositionen eine Flötenschule verfasst.


!IIIII1:'I1'i106heitlich, statt einer verdankung seiner :Müh, so er dasJahr auf dem Collegio gehabt". Somit hatte er ein Jahrlang der Gesellschaft <strong>Die</strong>nste geleistet.1749 ist von theoretischen Schriften die Rede, dienicht verkauft werden sollen, wie einem dahin zielendenAntrage entgegen beschlossen wird. Welcher Art diesegewesen sein mögen, lässt sich jetzt nicht mehr bestimmen.In dieses Jahr fällt auch die überaus wichtige Einführungder Subskriptionskonzerte; die Protokolle wissen aber garnichts darüber zu sagen, als was ich schon im allgemeinenTeil mitgeteilt habe. Ein Subskriptionsbillet für die ganzeSaison gültig kostete 6 Dukaten.In einem Konvente im Jahre 1750 wird unter andermbeschlossen, der Kapellmeister solle sich bemühen, dieMusik in actus einzuteilen. <strong>Die</strong>s deutet auf eine, eineSteigerung der Wirkung erzielende Einteilung des Programms,wie wir sie oben schon in Basel durchgeführtsahen. Von 1750 an war der Bürgermeister der Stadt,Johannes Fries, Präsident der Gesellschaft. Er verbliebin dieser Stellung bis zu seinem Tode 1759.1751 wird ausser den Uebungen am <strong>Die</strong>nstag denLiebhabern mit wöchentlich einem Konzert aufgewartet,wozu Herr Saltari hülfreiche Assistenz leistet. Er erhieltdafür zehn Dukaten, und er scheint eine besondere Anziehungskraftausgeübt zu haben, da man jede Wocheein Konzert abhalten konnte.1754 erhält Herr Vogel, :Musikus von Nürnberg, vierDukaten.1757 scheint wieder ein neues, für die Konzertegünstiges Jahr gewesen zu sein. Der uns schon bekannteN as. Dehec wird mit 100 Dukaten für zwanzig Konzerteengagiert; es ist dies das erste feste Engagement, seineFrau ist darin aber nicht mit eingeschlossen, sie soll nachaltem Gebrauch nach Gutdünken honoriert werden.•'


107Mit dem festen Kontrakt schliessen sollte das Kollegiumfreilich bald schlimme Erfahrungen machen; einsolcher wurde mit Dal Oglio 70 ) im folgenden Jahre vereinbart.<strong>Die</strong>ser aber entfloh und konnten nun nur alle14 Tage Konzerte abgehalten werden. Es wird in diesemJahre noch ein gewisser Sieur Scherli mit zwölf Dukatenangestellt.1759 wurde Sieur Gay 71 ) als Tenorsänger und Violinistmit 25 Dukaten engagiert. In diesem Jahre fanden nuracht Konzerte statt, und betrug der Subskriptionspreisvier Thaler für alle Konzerte.Mit Martini 1758 schon wirkte Friedrich LeopoldGraf 72 ) bei der Musik mit, für das Jahr 1759 wurde nunein fester Kontrakt mit ihm abgeschlossen. <strong>Die</strong>ser enthieltfolgende Bestimmungen: <strong>Die</strong> Bezahlung beträgt zwölfDukaten, dagegen soll er pflichtig sein, "das erste Violinsowohl in offentlichen als privat conzerten zu spihlen,auch sonsten sich in allen Fällen, es seye auf dem Basso-:flauto oder Violoncelle, wie auch Vocaliter in allerlei nachWillen jeweiligen Kapellmeister zu richten, und also demCollegio seine möglichsten pienste willig zu leisten. Uebrigensversichert das Collegium seinen bescheinenden Eiferjederweilen in Betrachtung zu ziehen". <strong>Die</strong>sen zeigte erdann auch, und blieb es auch von Seiten der Gesellschaftnicht beim blossen Versprechen; sein Salair wurde ihmmehrmals erhöht, und er sollte von 1773 an „fürderhinals Concert-Meister benannt und authorisirt sein, und70 ) Wahrscheinlich der Violinist Domenico Dal Oglio, dervon 1735- 1764 in Petersburg in der Hofkapelle angestellt war.71 ) Gay soll aus Sachsen gebürtig und in der ChurköllnischenKapelle angestellt gewesen sein.72 ) Friedrich Leopold Graf war ein Bruder des nicht unbedeutendenKomponisten Friedrich Hartmann Graf. Er starb inZürich 1784.


108ihm desswegen ein ordentliches Patent unter dem EhrenGesiegel HH. H . Präsidenten zugestellt werden u. Erwurde auch von den andern Gesellschaften der Stadtangestellt und wirkte sehr segensreich als erster Violinistund Leiter der Musiken bis zu seinem Tode. Kompositionen,sehen wir von ein paar Gelegenheitswerken ab, scheinter nicht viele geschaffen zu haben; dagegen vermittelte(lr den Zürchern die Bekanntschaft mit den Werken seinesin dieser Hinsicht bedeutendem Bruders Friedrich Hartmann.78 )Von der Anstellung Grafs ab werden Engagementsimmer häufiger. 1763 wird ein Waldhornist Gebhard angestellt.In diesem Jahre ist auch die Jungfrau Weber,„die sich alle <strong>Die</strong>nstag durch absingung artlicher Arienhören lassen zu einer Ermunterung in der Music zu übenmit einer Discretion von 1 Ducaten vor diessmahl begönstigetworden u. Es war dies eine Dilettantin, diejedenfalls von einem durchreisenden Sänger Unterrichterhalten hatte, und nun im Konzerte auftreten konnte.Sie erhält auch später noch öfter kleine Aufmunterungsgeschenke,so insbesondere einmal einen Zuschuss, umItalienisch-Unterricht nehmen zu können.1764 halten sich längere Zeit die Musiker Griselliund 1766 Vater und Sohn Salari aus Bergamo und Simonesaus Schwaben in Zürich auf, und besuchen öfter das Kollegium.1766 führte die Gesellschaft zum ersten Male dieCantate „der Tod Jesuu von Graun auf. Es war freilichnicht die .für Zürich überhaupt erste Au:fltlhrung, denn78 ) Von Friedr. Hartmann Graf werden noch folgende Oratorienin d. Bibl. d. Allg. Musikgesellschaft aufbewahrt: <strong>Die</strong> Sündfluth,die Hirten von Bethlehem, der verlorene Sohn und die Auferstehung.


109die Gesellschaft auf der Chorherren war ihr damit emJahr vorher schon zuvorgekommen. <strong>Die</strong>se Aufführungensind aber deshalb besonders wichtig, weil dieses berühmteWerk auch in der Schweiz bald über alles Mass beliebtwurde und fast hundert Jahre hindurch immer und immerwieder aufgeführt wurde. Es scheint dies auch den Anstossdazu gegeben zu haben, dass häufiger auch andereCantaten, ebenso Oratorien und selbst Opern aufgeführtwurden, letztere aber nicht in scenischer Gestalt, sondernnur im Konzertsaal.1769 wird ein Herr Albertini 74 ) mit einem Salair von50 Pfund engagiert, für die Abenduerten erhält er aber noch80 Pfund extra; in diesem Jahr erhält Jungfrau Wäberin10 Pfund und Jungfrau Nägelin, eine neue Sängerin, "eineDiscretion von einer Duplonen u. <strong>Die</strong> Konzerte findenalle 14 Tage statt und beträgt der Subskriptionspreis1 Louisd'or.Im Winter von 1770 auf 1771 bildete der KastratLorenzo 75 ) von Rastatt eine so grosse Anziehungskraft 1dass man in Not kam, alle die angelockten Subskribentenzu placieren; er erhielt als Bezahlung 10 Dublonen. Alsoauch die Zürcher werden gleich beim ersten Erscheineneines Kastraten von der Kunst desselben entzückt; einneuer kleiner Beweis dafür, dass der Gesang dieser verstümmeltenMenschen eine ungeheure Wirkung hervorgebrachthaben muss.Von jetzt ab machen die Musiker dem Kollegiumimmer viel zu schaffen; wir haben oben gesehen, dassman über die Bezahlung häufig uneinig war, jetzt wirdH) Möglicherweise der Komponist verschiedener italienischerOpern und lange Zeit n.ls Kapellmeister des Königs von Polenangestellte Joachim .Albertini.76 ) Nn.ch Gerber soll Lorenzo besonders in zärtlichen .Ariengerühmt worden sein, sonst ist von ihm nichts bekannt.


110€S oft nötig, ein Monitorium an die salarierten Musiker.zu erlassen, weil an ihrem sittlichen Betragen verschiedenesauszusetzen war. Auch die durchreisenden Musikerscheinen oft Ungelegenheiten verursacht zu haben, undbeschloss das Kollegium einfach: „dass, unter was fürVorwand es geschehen möchte, kein fremder Musikantausser dem Salario des Collegii stehenden solle angenommennoch bezahlet werden." Wahrscheinlich war dieGesellschaft mehrmals das Opfer von Abenteurern geworden,denen gestattet worden war, ein Konzert zugeben und die dann nichts leisteten, und wollte man sichdavor ein für allemal durch diesen radikalen Beschlusssichern; natürlicherweise liess er sich aber nicht striktedurchführen. 1770 trat die Gesellschaft auch in Verkehrmit den Musiker kreisen in Mannheim; es wird eines BriefwechselSmit Holzbauer Erwähnung getan, und schicktedieser Komponist eine seiner Symphonien an die Gesellschaft.Gewisse Beziehungen scheinen sich lange nochforterhalten zu haben, wenigstens finden sich häufig Musikeraus Mannheim in Zürich. 1771 wird ein Oboist Klebeengagiert, 1772 finden wir den Komponisten Egli zumersten Male als Gast. Er wurde später vvie auch seinFreund und Schüler W alder fest engagiert ; es findensich aber leider in den Protokollen keine Angaben, zuwelchen Bedingungen. Beide erhielten auch häufig nochausser dem Gehalte kleine Geldgeschenke. In letzteremJahre kam auch der Kastrat Lorenzo, der anno 1770 sogrosses Furore gemacht hatte, im Urlaub wieder auf elfWochen nach Zürich. Schliesslich wurde in diesem Jahrenoch der Violinist Schwindel 76 ) gegen Bezahlung von76 ) Friedrich Schwindel oder Schwindl, geboren zu Amsterdamgegen 1740, musste sich Schulden halber aus Holland flüchten, kamin die Schweiz, errichtete hier in Genf 177 6 eine Musikschule undstarb 1786 in Karlsruhe.


11118 Louisd'or für drei Monate engagiert. Das Wirkendieses Virtuosen und namentlich auch Komponisten bliebfür Zürich nicht ohne Einfluss; einzelne seiner Kompositionenwaren bis ins 19. Jahrhundert hinein sehr beliebt. 77 )1773 präsentierte Herr Au:ffmann, 78 ) Compositor undOrganist des Bischofs von Pruntrut, zwei Symphonien;n was für eine gegen Verehrung zu machen sein möchte,wird der gutächtlichen Bestimmung einer Ehrencommissionanheimgestellt." Musiker werden von jetzt immer mehrangestellt, die Protokolle enthalten aber nur ungenaueAngaben darüber und muss ich mich deshalb auf zusammenfassendeAndeutungen beschränken. Nachdem Grafzurückgetreten war, sind 1776 folgende Musiker engagiert:Greif, Kerndel, Plasius I Violinisten, Plasius II Klarinettist,Caffi Oboist, und Eder, Violincellist. 79 ) In diesem Jahrewurde auch dem berühmtenHarfenvirtuosenKrumpholtz, 80 )der sich auf einer grossen Konzertreise von Wien durchganz Deutschland nach Paris befand, gestattet, ein Konzertzu geben.1777 werden eine italienische Sängerin, deren Namenicht genannt wird, der Sänger Spiegel und der WaldhornistBonick engagiert. Aus den folgenden J ahren istnur ein Konzert von Schwindel (1780) besonderer Erwähnungwert; er erhielt dafür fix 6 Louisd'or und sieht man77 ) Namentlich das Oratorium „<strong>Die</strong> Pilgrime auf Golgatha"und eine Messe.78 ) Auffmann Joseph Anton Xaver soll 1754 in Augsburggeboren und wahrscheinlich nach seiner Stellung in PruntrutKapellmeister in Kempten gewesen sein.79 ) Eder, Karl Kaspar, geboren 1751 in Baiern, machte sichauf seinen grossen Reisen durch ganz Europa einen Namen als Cellist.80 ) Krumpholtz, Johann Baptist, geboren um 1745 zu Zlonitzbei Prag, gestorben 1790 in Paris. Er war ein Harfenvirtuos voneuropäischem Ruf, auch ist die Erfindung der DoppelpednJharfeauf Anregungen von ihm ZUl'ückzuführen.


112daraus, dass er hoch geschätzt wurde. 1783 wurdeAuberlen 81 )als Contrabassist engagiert. <strong>Die</strong>ser damals noch jungeMann wird uns später auch bei andern Musikgesellschaftennoch in wichtigen Stellungen begegnen.81 ) Auberlen Samuel Gottlob, geboren 1758 den 23. Novemberzu Fellbach bei Canstatt (Württemberg), gestorben nach 1824 inUlm. In Fetis „Biogrph. mus." findet sich ein längerer Artikelüber diesen Musiker, der aber viele Ungenauigkeiten enthält. Offenbardarauf stützt sich dann ein einschlägiger Artikel von A. v.Dommer in der „Allgem. deutschen Biogrph.", der dieselben zumTeil falschen Angaben, freilich mit Vorbehalt, in kürzerer Formwiederholt. Da Auberlen für die schweizerische Musikgeschichtenicht ohne Bedeutung wa,r, so will ich hier an der Hand seinerSelbstbiographie (S. G. Auberlen Leben, Meinungen und Schicksalevon ihm selbst beschrieben, mm 1824), die irrtümlichen Angabenrichtig stellen und etwas näher auf seine Lebensgeschichteeingehen. Auberlen war der Sohn eines Lehrers und selbst zudiesem Beruf bestimmt, nach mannigfachem vViderspruch des Vatersging er aber 1782 ganz zur Musik über. Er reiste nach Zürich,erhielt dort 1783 die Anstellung bei der Musiksaalgesellschaft undspäter auch bei der Gesellschaft der mehreren Stadt als Contrabassist,in denen er verblieb bis 1789. Hauptsächlich. weil er vonseinen Gläubigern bedrängt wurde - er hatte sich inzwischenverheiratet - flüchtete er im Herbst dieses Jahres nach Stuttgartund von dort nach Oberesslingen. 1791 erhielt er eine Stellungals Direktor der Musikgesellschaft in Zofingen in der Schweiz undim Herbst dieses Jahres wurde er in gleicher Eigenschaft nachWinterthur berufen. Hier wirkte er erfolgreich als Leiter desMusikkollegiums bis 1798 und nach einer vorübergehenden Stellungbei der verwitweten Herzogin Franziska von vViirtemberg wurdeer Musiklehl:er am Seminar in Bebenhausen und zugleich Leiterder Konzerte in Tübingen. 1807 wurde er nach cha:ffhausen berufen,wo er als Leiter der Musikgesellschaft zehn Jahre langsegensreich wirkte und auch eine „Gesangsbildungsanstalt für denvierstimmigen Choral" begründete. 1817 kam er nach Ulm alsOrganist an der Stiftskirche, in welcher Eigenschaft er 1828 gestorbenist. (Vgl. auch Zahn: <strong>Die</strong> Melodien der deutschen evangelisclienKirchenlieder. Bd. V. Gütersloh 1892.) <strong>Die</strong>s sind die Hauptpunkteaus Auberlens Leben, wie er sie in seiner Selbstbiographie an-


113Während es in der letzten Zeit manchem durchreisendenKünstler verboten worden war, auf dem Musiksaalein Konzert zu geben, wurde der Sängerin Mara einstimmigdie Erlaubnis hiezu erteilt; sie durfte sogar denhohen Subskriptionspreis von einem Taler für das eineKonzert verlangen. Lange vor ihr war der Ruhm dieserKünstlerin auch nach Zürich gedrungen, sie galt als diebeste Sängerin Europas. Sie war denn auch diejenige,die es in Zürich zu Stande brachte, dass die Lokalpresseauch anfing, sich um die musikalischen Ereignisse derStadt zu kümmern. Zürich besass damals schon zwei regelmässigerscheinende Zeitungen; keine hatte aber bis dahinnoch musikalische Berichterstattungen gebracht, auf MusikBezügliches enthielten sie nichts, als etwa die Verlagsanzeigenneuer Musikalien u. drgl. In ähnlicher Weisehatte auch unsere hier behandelte Gesellschaft 1749 schonbeschlossen, „dass durch die gewöhnlichen <strong>Die</strong>nstags Nachrichtendem Publico, zwei verkäufliche Instrumente, dasOrgelwerklein um 80 Taler, die Spinette aber um 50 Talerangetragen werden sollen."giebt. Fetis hatte diese auch benutzt, manches aber entstellt wiedergegeben;den grössten Irrtum, den er begeht, ist der, dass erAuberlen als einen Hauptbegründer der „Allgemeinen SchweizerischenMusikgesellschaft" hinstellt, mit der er weiter gar nichtszu tun hatte, als dass er, als das Musikfest derselben 1811 inSchaffhausen stattfand, einen Teil der aufgeführten Kompositionenzu dirigieren hatte. Als Schaffha.usener Musikdirektor wurde erdann auch per se Ehrenmitglied der Gesellschaft, deswegen warer auch nicht im entferntesten Gründer derselben. Auberlen warauch ein ziemlich fruchtbarer Komponist und ich habe dem Kompositionsverzeichnis,das Fetis giebt, nur noch ein Werk, seinerstes Opus, beizufügen, das in diesem fehlt. Es sind: Lieder fürsKlavier und Gesang. In Musik gesetzt und herausgegeben vonS. G. A. St. Gallen 1784. (Ein Exemplar auf der Stadtbibliothekin St. Gallen.)8


1141784 den 6. Weinmonat lesen wir nun in der "ZürcherZeitung" : Seit einigen Tagen ist die berühmte FrauMara, erste Hofsängerin der Königin von Frankreich, inhiesiger Stadt angelangt und wird nebst ihrem Gemahl,dem nicht weniger berühmten Violoncellisten Herrn MaraDonstags den 7. diss abends auf allhiesigem Conzert Saaleden Liebhabern der Musik das angenehme Vergnügenverschaffen, sie öffentlich hören zu können." Sie sangaber nicht am „Donstag", sondern am Freitag, vielleichtwegen momentaner Heiserkeit, wahrscheinlich aber, umdie Erwartung noch höher zu spannen, und brachte dieselbeZeitung am 9. des Monats folgenden Bericht:„Madame Mara sang gestern im Conzertsaale. Esbraucht nur diese trockene Anzeige, um der Welt zu sagen,dass wir das schönste, reinste hörten, was je aus einerWeiberkehle hervorging. Ihr Gatte beherrscht sein Violoncelloebenso despotisch, wie sie ihre Stimme. Er spielteein Conzert von seiner eigenen Erfindung und bewiesdadurch, dass er zum Musiker Salbung hatte - da wirgerade ebenso wenig wichtiges Neues wüssen als unsereCollagen im heiligen Röm. R eiche, so wollen wir zweySchnacken hinsetzen, die uns zum Lob der schönen Sängermzum Einrücken geschickt werden.An Madame Mara.Der Dichter, der dereinst ein Monument dir stellt,Verkünde nicht den Beyfall einer ·w eltEr sage nur: Beym Wohlklang ihrer K ehleSchmolz Friedrichs grosse H eldenseele. Ständlin.P endant dazu.Vor Orpheus Saiten ZaubereySchwieg Elster, Gans und PapageyDir, grösser noch als Er - O. Mara deinen Tönen,Schwieg selbst ein Klubb (Pariser?) Schönen.st - - r"Ich glaubte dem Beispiel des Berichterstatters folgen


115und die Schnacken auch hersetzen zu müssen, weil diesefür jene Zeit typisch sind. <strong>Die</strong> Sängerinnen wurden damalsüberschüttet mit derartigen Gedichten, und selbst gekrönteHäupter liessen sich herab, jene in poetischer Form anzuschwärmen.In dem zweiten Gedichte sollte es übrigensjedenfalls eher heissen Zürcher anstatt Pariser Schönen,daher das Fragezeichen, d. h. es ist auch hier die überallwiederkehrende Klage über das Geschwätz während derMusik, freilich nur in zarter Anspielung.Etwas später im Jahr 1784 war man in grosser V er·legenheit, weil die erwarteten "italienischen Subjekte" nichtankamen; man schrieb dann aber doch das erste "ordinariiWinterconcert" auf den 30. November aus, indem derViolinist Schnal und die zwei Demoiselles Wittmann fürjene eintreten konnten. Im Verlauf der Saison wurdeauch dem Monsieur de Vienne, 82 ) Virtuos auf "Flaute undFagott", die Erlaubnis, ein Konzert zu geben, erteilt. AnStelle des inzwischen verstorbenen Graf erhielt Adam Greifdie erste Violinstelle; er hatte vom ersten Pult aus, wiekontraktlich abgemacht wurde, die Musik zu dirigieren;vom Kapellmeister, der aus der Mitte der Gesellschaftgewählt wurde, und dem Graf ebenfalls kontraktlich nochzu gehorchen hatte, verlautet jetzt gar nichts mehr under scheint ganz zurückgetreten zu sein, d. h. der U ebergangvom alten, aus Dilettanten bestehenden Musikkollegiuminein aus Berufsmusikern zusammengesetztes Orchestervollzieht sich nun rasch.82 ) De Vienne oder Devienne Fran9ois, geboren 1759 in Joinville(Haute-Marne), gestorben 1803 zu Charenton. Nachdem erin verschiedenen Kapellen angestellt gewesen war, wurde er 1796Mitglied des Orchesters der grossen Oper in Paris, auch war erLehrer der ersten Flötenklasse am Konservatorium. Er soll gleichbedeutendals Virtuose auf der Flöte wie auf dem Fagott gewesensein, daneben .hat er ungeheuer viel komponiert.


1161785 wurden keine Winterkonzerte abgehalten. Vonjetzt ab macht sich die Konkurrenz geltend, die eine andereMusikgesellschaft der Stadt ausübte und die dannschliesslich zur Vereinigung der beiden Gesellschaften führte.<strong>Die</strong> letztere war schon aus einer Verschmelzung der obenan zweiter und dritter Stelle genannten Musikkollegienhervorgegangen und schliesslich fl.iessen dann alle drei ineinen Strom zusammen, weil eben, je mehr das Konzertwesensich entwickelte, die geteilten Kräfte nicht mehrausreichten, die erhöhten Anforderungen zu befriedigen,und man sich deshalb vereinigen musste. <strong>Die</strong> Konkurrenzwar übrigens nie schlimmer Art, sondern trotz dieser bestandimmer ein freundschaftliches Verhältnis unter denverschiedenen Kollegien. <strong>Die</strong> bezahlten Musiker warenmeist von beiden zugleich angestellt, und halfen oft Mitgliederder einen, wenn es not tat, bei den andern aus.Fanden 1785 keine Vereinskonzerte statt, so tretendoch einige Solisten auf, so vor allem der berühmte KlavierspielerSteibelt aus Berlin, 85 ) ebenso zum zweiten Malede Vienne aus Paris.1786 wird die wichtige Bestimmung getroffen, dassjeder durchreisende Virtuos, der ein Konzert geben will,sich erst vor dem Kollegium am gewöhnlichen Versammlungstag,der neben den Konzerten immer beibehaltenwurde, und an dem die Proben stattfanden, hören lassenmüsse, ehe ihm das Konzertieren bewilligt werde; dafürerhielt er aber eine "Discretion". Es war dies eine Vorsichtsmassregel,die gewiss berechtigt war, da damals viele88 ) Steibelt, Daniel, geboren 1765 in Berlin, gestorben 1823in Petersburg. Er war einer der gefeiertesten Pianisten seinerZeit und ein überaus fruchtbarer Komponist; den grössten Teilseines Lebens brachte er, durch seinen zu Extravaganzen neigendenCharakter gezwungen, auf Reisen zu, bis er 1808 in Petersbul"g aufLebenszeit als Kapellmeister der französischen Oper angestellt wurde.


117Charlatans herumreisten, und diese durch Probe von denKonzerten ferngehalten werden konnten. Solche Probenwurden auch an andern Orten von den Künstlern verlangt.1786 traten der Sänger Brunner und der ViolinistConti 84 ) auf dem Musiksaal auf.1787 wurde für die ganze Saison die Sängerin Md.Hellmouth von Mayntz 85 ) mit ihrem Mann für 80 Louisd'orengagiert. Da sie eine europäische Grösse war, so bedeutetihre Anwesenheit natürlich eine Glanzperiode derKonzerte. So wird von ihrem Erscheinen auch in derLokalpresse Notiz genommen, die im übrigen nur ganzselten in Zürich auftretende Künstler einer Erwähnungwürdigt. Es heisst in der "Zürcher Zeitung" am Mittwochden 14. Wintermonat: "Gestern hatten wir das Vergnügen,1\fad. Hellmuth, kurfürstliche Hofsängerin von Mainz, mitallgemeinem Beyfalle im öffentlichen Konzerte das erstemalsingen zu hören. Der Ausdruck ihres Gesanges istohne alle Beschreibung reitzend. Sie wird diese Winterabendeöfters mit ihrem vortrefflichen Gesang Liebhabernder Musik das unschuldigste Vergnügen verschaffen." Indieser Saison konzertierten auch drei Italiener Vincente(Violine), 86 ) Binoghi (Flöte) und Feiner (Oboe).1788 wird der weiter oben (im allgemeinen Teil) schon8 ') Conti, Jaques, gestorben 1804 in Wien. Er war 1790 erster-Violinist der Kapelle der Kaiserin von Russland.85 ) Hellmuth, Josepha geborene Geist, aus München, war zuerstbeim Seydelschen Theater (1744), später churfürstlich mainzischeSängerin (1778). Sie war besonders bedeutend als Koloratursängerin,und soll der Fertigkeit und Geläufigkeit ihrer Kehle in „Passagien"fast nichts gleichgekommen sein. Ihr Gatte war wahrscheinlich1744 in Braunschweig geboren, wurde Hofmusikus in Mainz undstarb 1830 hochbetagt in Erfurt.88 ) Vincente soll als Bratschist und Balletkomponist bekanntgewesen sein. Er war 1790 an der russisch kaiserlichen Kapelleangestellt.


118erwähnten Frauen-Musik-Gesellschaft gestattet, den Saalund die Instrumente zu benutzen. In diesem Jahr wirdauch der Violoncellist Häusler 87 ) aus Stuttgart engagiert,in dem die Gesellschaft eine ähnlich tüchtige Kraft, wiefrüher in Graf und Greif erhielt. Er soll (nach Gerberin seinem Tonkünstlerlexikon) durch glänzende V ersprechungennach Zürich gelockt worden sein und für die Gesellschaftdrei brauchbare Sängerinnen erzogen haben;er selbst bildete dort seine Stimme zum Falsettieren aus,und er wurde deshalb später vielfach a~gestaunt, weildie Kunst des in hoher Lage singens bei Männern damalsschon längere Zeit aus der Uebung gekommen war.1789 konzertierten die Gebrüder Beb, W aldhornisten,und die Basssänger Wolf und Ebolet auf dem Konzertsaal;1790 Chartrain (Violine), 88 ) Elouis (Harfe), der berühmteblinde Flötenvirtuos Dulon, 89 ) ferner David, Springer(beide Bassethorn) und Hosza (Violine). 90 ) Auberlen, dervon 1783-1789 in Zürich bei der Musiksaalgesellschaft87 ) Häusler, Ernst, geboren in Stuttgart 1761, gestorben inAugsburg 1837. Er war ein bedeutender Cellist, der mit Erfolgganz Deutschland bereiste. 1802 wurde er Musikdirektor an derevangelischen Kirche in Augsburg, wo er bis zu seinem Todeverblieb. Er hat auch verschiedene Kompositionen für Gesangveröffentlicht.88 ) Chartrain, geboren in Liege, gestorben 1793 in Paris. Erwar von 1772 ab Violinist an der grossen Oper in Paris, auch Instrumentalkomponist(Symphonien, Quartette etc.) - Elouis, Joseph,geboren 1752 in Genf, gestorben 1787 in Paris, Harfenvirtuos, dermeist in London lebte.89 ) Dulon, Louis, geboren 1769 in Oranienburg a. d. Havel,gestorben 1826 in Würzburg. Er war blind und durchreiste alsFlötenvirtuos ganz Europa mit ungeheurem Erfolg.90 ) David, Anton, geboren 1730 in Offenburg (Baden), gestorben1796 in Löwenburg (Schlesien). Er war Virtuose auf dem Bassethornund führte dieses Instrument in verschiedene deutsche K a-pellen ein.


119angestellt war, zählt noch folgende Virtuosen in seinerSelbstbiographie auf, die er dort gehört hat, und die inden Protokollen nicht genannt werden: Mad. Bonelli mitihrem Gatten aus London, Signora Banti, 91 ) Marchesini 92 )aus Neapel, den Violoncellisten J anson, 93 ) den ViolinistenMarschall, den Klavierspieler und Komponisten Clementi 94 )aus Rom, Fräulein von Paradies, 95 ) Raum, den Virtuosenauf der Oboe aus München, den Waldhornisten Ihle,Kammermusiker des Fürsten von Reuss, und den vortrefflichenViolinisten Hensel.1790 hielt die andere in der Stadt befindliche Musikgesellschaftkeine Konzerte ab; darüber war grosse Freudeauf dem Musiksaal und wird berichtet, dass diese Saison1790-1791 besonders erfolgreich verlief; es wurden alle„„1Springer, Vi:ncent, geboren 1760 in Jung-Bunzlau bei Prag.Er war Bassethornvirtuos und Schi.Uer des vorigen.Hosza, ein tüchtiger Violinist, der aus Böhmen stammte.91 ) Banti, eigentlich Bandi, Giorgi Brigida, geboren um 1756wahrscheinlich in Cremona, gestorben 1806 in Bologna. UrsprünglichStrassensängerin, wurde sie später eine der ersten SängerinnenEuropas, und machte die Runde über alle grösseren Theater mitriesigem Erfolg.91 ) Marcbesini, eigentlich Marches a Luigi, geboren 1755 in:Jailand, gestorben 1829 ebendaselbst. Er war Kastrat, und galtlange Zeit als der beste Sänger von ganz Europa. Er feierteTriumphe in Rom, München, Petersburg, London etc.93 ) Janson, Jean Baptiste, geboren 1742 in Valenciennes, gestorben1803 in Paris. Er war ein ausgezeichneter Cellist undLehrer am Konservatorium.94 ) Clementi, Muzio, geboren 1752 in Rom, gestorben 1832 inEvesham (W arwickshire).95 ) Fräulein von Paradies, Maria Theresia, geboren 1759 inWien und gestorben 1824 daselbst. Sie war blind, erwarb sichaber auf einer Konzertreise, die sie 1784 unternahm, in Deutschland,der Schweiz, Frankreich und England grosse Erfolge alsKlavierspielerin.1


12014 Tage Konzerte abgehalten. Solisten werden für diesesJahr keine angegeben; auch war niemand für die Zeitdauerder Konzerte besonders berufen worden; da mankeine Konkurrenz hatte, glaubte man diese mit eigenenKräften ausführen zu können. 1791 tauchen die erstenWunderkinder auf; es sind die vier Godhardischen undsoll das älte te 13 Jahre alt gewesen sein. 1792 gebenKonzerte : Mad. Gerbini und die Truppe Signora Lusini,Vincenzo Bartolini 96 ) und Signor Giovanni Giustiniani.1793 Ludwig (Kontrabass) mit seiner Tochter (Klavierund Harfe) und die Sängerinnen Perres und Supritana.1794 wird niemand erwähnt und 1798 Duvernois (Cor deChasse) 97 ), Grasset (Violine) 98 ) und Riegel (Pianoforte). 99 )Von 1796 an spielt dann die politische Gärung auchin das Musikkollegium hinein, oder besser gesagt, durchdas überwiegende politische Interesse verlieren die Mitgliederdie Lust zur Musik, und wird im Protokoll bittergeklagt über die „seit einiger Zeit so übernehmendetraurige zum Ruin und gänzlichem Umsturz der Gesellschaftführende, vernachlässigte Besuchung der gewöhnlichen<strong>Die</strong>nstagen auf dem Musiksaal." Das Wort Umsturzist bereits ausgesprochen, er liess sich auch nichtmehr aufhalten, und man kann das Jahr 1796 als das96 ) Bartolini, Vincenzo, Kastrat, befand sich 1792 bei eineritalienischen Operngesellschaft in Kassel. Er soll ein „sehr braverKastrat" gewesen sein, dessen Stimme besonders in der Tiefe vonvorzüglicher Schönheit gewesen sei.97 ) Duvernois, FrMeric, geboren in Montbeliard 1765, gestorben1838 in Paris, war ein ausgezeichneter Hornvirtuose und Professoram Konservatorium in Paris.98 ) Grasset, Jean Jacques, geboren um 1769 in Paris, gestorben1839 daselbst. Er war ein vorzüglicher Violinist, Lehrer am Konservatoriumund mus. Direktor der italienischen Oper.99 ) Riegel, Henri Jean, geboren 1772 in Paris, gestorben 1811daselbst.


121Ende des alten Musikkollegiums bezeichnen. Es bestandzwar noch selbständig fort bis 1812, meist aber unterbedenklichen Umständen und musikalisch wenig leistend,und schon 1801 bedeutet die gemeinsame Aufführung vonHaydn's Schöpfung im Grossmünster durch die Musiksaalgesellschaftund der andern zürcherischen Musikgesellschaftnder mehreren Stadt" den Beginn einer neuenA.era des Musiklebens. 1808 vereinigten sich dann provisorieh und 1812 definitiv diese beiden Gesellschaftenund bilden sie von nun an die heute noch bestehende,:Allgemeine Musikgesellschaft" in Zürich. Inzwischen warauch 1808 in Luzern die A.llgemeine schweizerische Musikgesellschaftentstanden, die mit der ersteren nicht zu verwechselnist; sie hatte ihre Mitglieder in der ganzenSchweiz verbreitet, und sie trug auch das ihrige bei, dasgesamte Musikleben der Schweiz, somit auch dasjenigevon Zürich, zu reformieren.A.us den letzten Jahren der Selbständigkeit derMusiksaalgesellschaft ist noch folgendes zu erwähnen:von 1796 bis 1801 wurden keine Konzerte abgehalten,dann werden sie wieder aufgenommen ; 1803 wird einGröbel als Musikdirektor für ein Jahr und 1804 Liste ausHildesheim in derselben Eigenschaft angestellt, dann wirktauch der Komponist Kayser 100 ) in den Konzerten mit.Von durchreisenden Virtuosen sind besonders noch zunennen der Violinist Hampeln 101 ) (1797) und das Streichquartettder Gebrüder Moralt aus München.100 ) Kayser, Philipp Christoph, geboren 1755 in Frankfmt a.M.,kam mit Empfehlungen Goethes an Lavater 1775 nach Zürich, woer sein ganzes späteres Leben als Musiklehrer verbrachte .. Er starb1823 daselbst. Ueber ihn siebe L. A. G. Burckhardt „Goethe undder Komponist Ph. Chr. Kayser". L eipzig 1879.101 ) Karl v. Hampeln, geboren in Mannheim 1765, gestorben1848 in Stuttgart.


122Das Musikkollegium auf cler cle:utschen Schule. 102 )Hier tritt das erste Studentenkollegium auf. Wie wirgesehen haben, ging die Gründung von Musikkollegienmeist von jungen Leuten aus; natürlich, dass sich dieStudenten dabei auch beteiligten. <strong>Die</strong> von Studenten gegründetenKollegien bewahren aber nie lange den Charaktervon blossen Studentenvereinigungen, sondern daauch nach Ablauf der Studienzeit die Mitglieder nochin dem Kollegium verbleiben, so unterscheidet sich dasstudentische bald nicht mehr vom Bürgerkollegium. Auchnahmen die Studenten meist bald auch nicht studierteLeute bei sich auf; sicher ist ihnen aber ein grosser Einflussauf die Bildung der Musikkollegien zuzuschreiben.Das Kollegium auf der deutschen Schule wurde 1679am 31. August von folgenden sechs Studenten gegründet:Johannes Blass, Jacob Meyer, Konrad Heidegger, JacobBachofen, Hans Heinrich Herder und Georg Füessly.Ihre Uebungen hielten sie zuerst in der Fraumünsterkirche,1680 bis 1686 sogar im Chor derselben ab, undfanden sich in dieser Zeit viele Zuhörer ein. Als manaber Lust bekam, auch die Instrumentalmusik zu pflegen,und diese damals in der Kirche durchaus nicht geduldetworden wäre, zog das Kollegium nach einem vorhergegangenenkurzen Aufenthalt im sog. Räfental (das Refektoriumeines ehemaligen Augustiner-Klosters) in das Schulzimmerder deutschen Schule, wo es dann verblieb undvon der es den Namen erhalten hat.102 ) Vergleiche hierzu, wie zu den zwei folgenden Abschnitten,Zürcher Taschenbuch 1885, G. R. Z. (Zimmermann) „<strong>Die</strong> zürcherischenMusikgesellschaften". Der Aufsatz behandelt nicht, wie sich ausdem Titel schliessen liesse, alle drei zürcherischen Musikgesellschaften,sondern nur das Kollegium auf der deutschen Schuleund die Gesellschaft auf der Chorherren.


123<strong>Die</strong> Musikalien, die auf der deutschen Schule gebrauchtwurden, habe ich schon bei der Musiksaalgesellschaft genannt,d. h. wo etwa solche besonders aufgeführt werden,stimmen sie mit denen im Verzeichnis der Bibliothek derAllgemeinen Musikgesellschaft überein.1713 gab das Kollegium das erste Neujahrsstückheraus. 103 ) In der äusseren Anlage war es denjenigen vonder Musiksaalgesellschaft nachgebildet und gilt deshalbfür dieses, wie auch für alle seine achfolger, die regelmässigjährlich bis 1812 erschienen, im allgemeinen dasselbewie für die ersteren. Da meist der jeweilige Kapellmeisterdie Komposition verfasste, so sind der W ahrscheinlichkeitnach folgende als die Tonsetzer der Neujahrsstückezu betrachten: 1713-1725 Hs. Heinrich Köchli, 1726-1743Bernhard Schmutz, 1744-1750 Hans Kaspar Bachofen,1751-1754 abermals Bernhard Schmutz, 1755 PräzeptorRudolfNägeli, 1756-1760 Franz Kau:ffmann, 1761-1766wieder Nägeli, 1767-1772 KasparWirz, 1773-1779 CantorWüst, 1780-1783 Walder und von da ab dann meistEgli. Da freilich Namen nirgends genannt werden, soist die Autorschaft der ersten bis Wüst nur wahrscheinlichund nicht sicher festzustellen, immerhin aber, bis sienicht für jemand anders in Anspruch genommen werdenkann, anzunehmen.Das Kollegium auf der deutschen Schule wurde inder Zeit seines selbständigen Bestehens von vielen durchreisendenMusikern besucht. Es werden genannt der Orga-103 ) Der vollständige Titel lautet: „<strong>Musica</strong>lische i NeuJahrs-Gedichte / von der Music-Gesellscbaft / A.µf der / Teutschen Schul /In Zül'ich / Der lieben Jugend daselbsten zu verehren, angefangen /Im Jahr des Heils / Herr! senDe GnaDen Trle be / ZV Br V eDerLICher Liebe." In dem angehängten Vers liegt eine kleine Spielerei;die fett gedruckten römischen Buchstaben ergeben als Zahlen gefasst,zusammengezählt die Jahreszahl 1713.


124nist Schmid von Chur (1714), Jakob Lüpold von Thalweilund Andreas Staudach von Nürnberg (1721); Herr P.Valentin Rathgeber, 10 ' ) Organist zu Banth in Franken,„ein sehr berühmter Musikus, der verschiedene schöneopera musicae herausgegeben. Er liesse treffliche probenseiner musicalischen wüssenschaft sehen und hören" ; fernerMr. Haller, „ein fürtrefflicher Violinist, aus Bayern gebürtig,der aber wegen schlechter Conduite nirgend bleibenkonnte"; (1739) Musikant Fischer aus Bischofszellund Franzesco Cavallare aus Verona, (1738) drei Waldhornistenaus Augsburg und drei pragische Musikanten(1739), Lorenzetto (1744) und Vogel von Nürnberg (1748).<strong>Die</strong> schönste Blütezeit des Kollegiums fällt in diedreissiger Jahre; bis dahin bemerken wir ein stetiges Steigen,nachher ein allmäliges Zurückgehen des musikalischen wieauch geselligen Lebens. <strong>Die</strong> Blüte wurde jedenfalls nichtzum geringsten Teil durch den Komponisten Hans KasparBachofen herbeigeführt, der damals langjähriges Mitgliedder Gesellschaft war. 1769 wurden nach dem Muster derMusiksaalgesellschaft Subskriptionskonzerte eingeführt.1772 vereinigte sich das Kollegium auf der deutschenSchule mit der Musikgesellschaft auf der Chorherren; bevorich aber die Hauptpunkte aus der Geschichte dieser vereinigtenGesellschaft mitteile, will ich noch kurz auf dieletztere eingehen.<strong>Die</strong> Musikgesellschaft auf der Chorherren.Das Datum der Entstehung dieser Gesellschaft istnicht bekannt. Nach einer Angabe soll sie schon kurznach der Reformation 105 ) und nach einer dieser direkt10 •) Rathgeber Valentin, Benediktinermönch, geb. um 1690.gest. nach 1744, war ein sehr fruchtbarer Komponist.105)Von Moos: Astronomischer Kalender. Zürich 1775. II. pag. 219.


125entgegenstehenden Hypothese erst 1686 106 ) gegründet wordensein. Sicheres lässt sich also hierüber nicht angeben;mir scheint nur das an und für sich gewiss, dass sie nichtvor 1600 entstanden sein kann, da, wie wir gesehen haben,die allgemeine Bewegung in der Schweiz, die zur Bildungsolcher Gesellschaften führte, erst nach diesem Zeitpunktesich zu regen begann. Das älteste noch vorhandene Aktenbuchbeginnt den 10. Januar 1698, an welchem Tage dieGesellschaft erneuert worden sein soll. Sie war zunächsteine Studentenverbindung, ihre Mitglieder waren Zöglingedes Chorherrenstifts, dessen Namen und Institution sichaus der vorprotestantischen Zeit in diese hinüber gerettethatten. Indessen scheint die Gesellschaft lange nicht zurechter Blüte gekommen zu sein, zuweilen verschwindetsie sogar ganz und nimmt dann allemal erst nach einigerZeit ihre Tätigkeit wieder auf. Erst nachdem sie sichganz verändert, nachdem aus den Studenten gewiegteMänner aus allen Ständen geworden waren, nahm sie einenkräftigen Aufschwung. <strong>Die</strong>ser datiert von 1755 an; inden sechsziger Jahren wurden dann Subskriptionskonzerteeingeführt und 1765 zum ersten Male in Zürich nDer TodJesu" von Graun aufgeführt. Ich habe oben schon beider Aufführung durch die Musiksaalgesellschaft daraufhingewiesen, dass dieses Werk den Weg zu einem Konzertwesenin grösserem Style bahnte; durch den grossenallgemeinen Erfolg rief es anderen ähnlichen Kompositionen,die dann die Brücke schlugen zu den Meisterwerkenvon Haydn und denjenigen bis dahin noch nicht berücksichtigtenvon Händel. <strong>Die</strong> Blüte der Konzerte der Chorherrengesellschaftdauerte bis 1771; in dieser Zeit warder vom Musiksaal aus schon bekannte Fr. Leopold Grafbei ihr als leitender Musiker angestellt und mag er sieioa) G. R. Zimmermann a. a. 0. pag. 45.


126nicht zum geringsten mit herbeigeführt haben. Von auftretendenVirtuosen werden genannt der HarfenspielerKnapp, Albertini, einehemaliger Benediktiner von St. Gallen,ein Töchterchen des RabenwiTtes (Harfe) und der ViolinistSchwindel.1771 verliessen einige der eifrigsten Mitglieder Zürichund wurde wieder die Existenz der ganzen Gesellschaftin Frage gestellt; deshalb beschloss man, dem Kollegiumauf der deutschen Schule den Vorschlag zu machen, einfür allemal mit diesem sich zu vereinigen, da drei Musikgesellschaftenfür eine Stadt wie Zürich zu viel seien.<strong>Die</strong>ses ging darauf ein und so entstand dieVereinigte Musikgesellschaft der mehreren Stadt.<strong>Die</strong>se setzte die Konzerte fort und übernahm vondem Kollegium auf der deutschen Schule den Brauch, amBächtelitag ein eigenes Neujahrsstück auszuteilen. DurchreisendeVirtuosen werden hier keine mehr genannt. Bestimmtüberliefert wird von dieser Gesellschaft die Aufführungin grösseren Konzerten von folgenden Werken :„<strong>Die</strong> Auferstehung" von Graf, „<strong>Die</strong> Pilgrimme auf Golgatha"von Schwindel, „ Tod J esu", „Israeliten in der Wüste"(1776) von Phil. Em. Bach, „Der letzte Mensch" vonWalder, „Abraham aufMoriah", „Tod Abels" von Rolle,„Zurückkunft des verlorenen Sohnes" von Graf, „ Thirza"und „Lazarus" von Rolle. <strong>Die</strong> Revolutionszeiten scheinenauch diese Gesellschaft erschüttert zu haben; als man nachdiesen aber wieder anfing zu musizieren, sah man, dases auch hier mit den alten Einrichtungen· nicht mehr ging.So vereinigten sich denn 1812 die „Gesellschaft auf demMusiksaal" und die „ Vereinigte Gesellschaft der grösserenStadtu auf neuer Grundlage zur „Allgemeinen Musikgesellschanu.<strong>Die</strong>s war der Untergang der alten Musikkollegienin Zürich; aber neues Leben blühte aus den Ruinen.


127<strong>Die</strong> kleinen Musikgesellschaften.Neben den besprochenen drei grossen Musikkollegientauchen noch verschiedene andere kleinere Musikgesellschaftenin Zürich auf, von denen ausführlichere Nachrichtenfreilich nicht erhalten sind. Da ist zunächst zunennen das Collegium Musicum des Herrn LieutenantMorf an der Gräbligass, das mit einer im Jahre 1736erwähnten Gesellschaft im nAlmosenkloster" identisch seinsoll. 107 ) Dann heisst es in den Protokollen der Musiksaalgesellschaftn 1735 den 17. März wurde beratschlagt,wie zur Beförderung, Vermehrung und Aufnahme desCollegii, die vilfaltige Privatcollegii einiger Music liebenderHerren auf den Music-Sahl können gebracht werden,danahen gut befunden und erdenkt, selbige durch einigeHerren auf die Music invitiere, zuletzt da ihnen freistehensolle, sich darinnen nach Gusto zu üben, auch solle jedermannfrei stehen, entweders jedes Mahl vor die Uertenß. 10 oder das ganze Jahr hindurch 5 Gd. zu bezahlen."Hieraus geht deutlich hervor, dass zu jener Zeit verschiedenePrivat-Musikgesellschaften existierten, derenMitwirkung auf dem Musiksaal man sehr gewünscht hätte.Ueber eine Musikgesellschaft in Fluntern berichtetvon Moos in seinem schon genannten "AstronomischenKalender" für 1775. Es heisst dort: "In dem 1763 neuerbauten Kirchlein in Fluntern und bis dahin in keiner,weder in der Stadt noch auf der Landschaft, stehet einekleine Orgel, welche Herrn Wilpert Grimmen sel. desHutstaffierers Frau Eheliebste geb. Seebachin dahin testamentlichverehrt hat. Weil sich auch zu Fluntern einigeLiebhaber der Musik befinden, welche etwan gesellschaftlichzusammen kommen, so haben sie sinther einige MalMusik in diesem Kirchlein gegeben; wie dann auch anno1 07 ) Zi=ermann a. a. 0.


1281772 den 16. Augusten bey Anlass der letzten KinderlehreCatechist Vogels, neu erwehlten Diacons gen Stein,und acht Tage hernach bei der ersten Kinderlehre HerrnCatechist Jacob Bosshards , eine solche Musik gegebenworden. u Schliesslich tut noch Auberlen in seiner Selbstbiographieeiner Privatmusikgesellschaft Erwähnung. Siehielt ihre Uebungen am Sonntag in der Behausung desPfarrers Pfenninger ab und bestand schon, als Auberlen1782 nach Zürich kam. Er wurde als ordentliches Mitgliedaufgenommen und sie soll meistens geistliche Singstücke"aus den herrlichen Oratorien von Rolle und andernvorzüglichen Komponisten wenn auch nur im Kleinen«gegeben haben.2. St. Gallen.In St. Gallen bestanden lange Zeit zwei <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong>neben einander; das erste wurde 1620, 108 ) das andere1659 gegründet, beide vereinigten sich dann 1806 undleben heute noch in schönster Blüte fort in der Singgesellschaftzum Antlitz. Zu diesem eigentümlichen Namenist die Gesellschaft durch einen rein äusserlichen Zufallgekommen.Der Besitzer der Altschneiderzunft, in der die vereinigtenKollegien ihre Uebungen abhielten, hatte an sein10 •) <strong>Die</strong> Protokolle und Rechnungen, Bussenbüchlein etc.dieses Collegium musicum sind noch vollständig erhalten undwerden auf der Stadtbibliothek in St. Gallen aufbewahrt. Vergl.auch Peter Scheitlin: Vorlesungen über und für die uralte Singgesellschaftzum Antlitz in St. Gallen. Humoristisch ausgezogenund erdichtet für Jedermann, am ehesten jedoch für die Leser.St. Gallen 1838. - Ernst Götzinger: <strong>Die</strong> Singgesellschaft zum Antlitzin St. Gallen. St. Gallen 1870. - George Becker: La Musiqueen Suisse depuis les temps les plus recules jusqu'a la fin du dixhuitiemesiecle. Geneve 1874. pag. 97 ff. -- Otto Elben: Dervolkstümliche deutsche Männergesang. Zweite Auflage. Tübingen1887. pag. 14 ff.


129Haus· das Schweisstuch Christi mit dem Abdruck vondessen Antlitz malen lassen, und von. diesem erhielt nundas Haus und nachher auch die Singgesellschaft den Namen.<strong>Die</strong> Stifter des älteren Kollegiums waren: folgende achtjungen Leute: Zacharias Büngier, Heinrich Schobinger,Christoph Müller, Hans Jacob Wetter, Hans Joachim Guldi,Hans Heinrich Hiller, Tobias Gmünder und BernhardSchopfer. 109 ) <strong>Die</strong> Gründungsurkunde habe ich oben schonvollständig mitgeteilt, ebenso die späteren Satzungen von1636 und 1649, die als typische Beispiele die Entwickelungder Kollegien im allgemeinen charakterisieren sollten.Im Anfang versammelte sich also die Gesellschaft noch"\""On jugendlichem Feuer der Begeisterung getragen täglichmit Ausnahme des Sonnabends; 1636 bei der Gesellschaftserneuerungwerden nur noch zwei Tage zum Musicierenbestimmt, und zwar soll einer der Vokal- und der andereder Instrumentalmusik gewidmet sein, und von 1649 anwird nur noch ein Tag zur musikalischen Uebung in Aussichtgenommen. Dabei bleibt es denn auch lange; l'chliesslichwird aber in den schlimmsten Zeiten nur alle 14 Tageeinmal musiciert. <strong>Die</strong> erste Blütezeit fällt in das Jahr1636, in dem das Kollegium 18 Mitglieder besass undsich als musikalischen Lehrer und Leiter aus Ulm denin der Vokal- und Instrumentalmusik wohl erprobten J.J. Eberlin kommen liess. Ueber diese Persönlichkeit habeich weiter nichts in Erfahrung bringen können. In die~enJahren werden in den Protokollen auch zum ersten MaleMusikalien angegeben, von Sagittarius (Schütz), Hammerschmidtund Prosius (soll wahrscheinlich heissen Pro~:fius). Aus den Jahren 1649 und i650 sind noch zwei109 ) Scheitlin und Götzinger geben nur sieben Stifter an, derfehlende achte ist Jacob W etter, wie ich den Protokollen entnommenhabe. Weil anfänglich hauptsächlich vierstimmiger Psalmengesanggepflegt wurde, ist die Zahl acht nicht ganz unwesentlich.9


130vollständige Aufnahmen des Inventars vorhanden, die ich,da sie einen tiefem Einblick in das musikalische Lebender Gesellschaft als irgend sonst etwas gestatten, hiervollständig wiedergeben will.Inventarium Collegii Musici anno 1649.1) Bassus ad organum 1638 in f.2) Mich. Praetorii polyhymnia exercit. 6 Theil in4° mit dem B3.sso generali ad organum in f. gebunden.3) Mich. Praetorii polyhymnia exercit. 6 Theil in4° mit dem Basso generali in f. gebunden.4) Cantiones selectae Manuscriptae. 8 Theil in 4°.5) Leo Haslers und Valentin Hausmanns Venusgarten.5 theil in 40. ·6) Melchior Schram newe ausserlessne teutsche Gesang.4 theil in 4°.7) Valentin Hausmans Melodien under weltlichenTexten. 5 theil in 4°. ·8) Adam Gumpelshaimer Wurtzgertli. 4 Theil in 4°.9) J oach. Fried. Fritzi geistliche Tricinia. 3 theil in 4.10) Christ. Thom.WallisersKirchengesang. 6 Theilin 4°.11) Allerley gschriben Gsang H. Z. 5 theil in 4°.12) Psalterium Davidicum organo inserviens. 1639m f. 1 Theil.13) Psalterium Davidis Bassus ad organum. 1638 in40. 1 theil.14) Teutsche gsang gschrieben. 4 teil in 4°.15) David Thoman Sacrarum laudum picula prima.4 theil in 4°.16) Musculi sacra cythara. 4 Theil in 16.17) Les pseaumes par Claudin le J eusne. 5 Theil in 4°.18) Madrigali de Venosa. 5 Theil in 4°.19) Ad. Gumpelshaimers Lustgartli mit 3 stimmen.Theil in 4°.


13120) Erasmi Widmanni gesang. 5 Theil in 4°.21) Jacobi Handl. sacrae cantiones. 8 theil in 4°.22) Joh. Reininger Deliciae <strong>Musica</strong>e. 9 theil in 4°.23) Paul Peuerle, Paduanen, Intrades etc. 4Theilin4°.Ein PassgeigeEinTenorAltDiskantgeigensampt 4Bögen.Inventarium Collegii Musici anno 1650.1) Bassus ad organum, geschriben 1638, in Folio.2) Michaelis Praetorij polyhymnia exercit. 6 Theil in4° mit dem Basso Generali ad Organum, in Folio, gebunden.3) Michaelis Praatorij polyhymnia exercit. 6 Theilin 4° mit dem Basso Generali, in Folio, ungebunden.4) Cantiones Selectae, geschriben. 8 Theil in 4°.5) Melchior Schram, neuwe ausserlessne TeutscheGesang 4 Teil in 4°.6) Valentin Hausmann Melodien mit welltlichen Texten.5 teil. in 4°.7) Adam Gumpelshaimers wurz Gertli. 4 Theil in 4°.8) Joachim Friderich Fritzi, Geistliche'Tricinia. 3 theilin 4°.9) Christoph Thomass W allissers· Kirchen Gsang.6 Theil in 40_10) Allerley geschribene G'säng. H. Z. 5 Theil in 4°.11) PsalterimDavid, organuminserviens. 1639. 1 Theilin Folio.12) Bassus ad organum 1638. 1 Theil in 4°.13) Teutsche Gsang geschriben ·4 Theil in 4°.14) Davit Thoman, Sacrarum Laudum picula prima.4 Theil in 4°.15) Jacob Handell, Sacrae cantiones. 8 Theil in 40_Sambt dem aussgesetzten Generahl Pass dazu. 9te Theil.


13216) Johann Reiningerss Delioiae <strong>Musica</strong>e. 9 Theil in 4°.17) Orlandus di Lasso. 6 Theil in 4°.18) Geistliche Andachten und Concerten.Heinrich Sagitoi-ius } 11 TheilAndreass Hammerschmidt in 4°.19) Paul Peurle, Organisten von Steyr auss demLandt ob der Emss, Pacloanen und Dännz. 4 Theil in 4°.So von Herrn Jacob Brüllisowers See. Wittib Frauw.Rachael geborene Zillin, den 23. Oktober 1649 löblichergsellscha:fft der Musik verehrt worden, neben20) den Partes musculi 4 Theil in 4°. Sambt demGeneral Pass. 5 Theil.4 P sallmenbücher zu 4 StimmenLobwasser1 ditto Marschall1 ditto Alltheer.21) Christoph Thomass W allisser Kirchengsang, AnderTheil in 6 Teil in 4°.So von Herrn Jacob Brülisauwers see. Wittib Frauw.Rachael geborne Zillin den 2. Aprill anno 1650 löblicherGsellschaft der Musik verehrt worden, neben22) Johann W altern, Witten bergisch Deudsch Geistlichgesangbücher. 5 Theil 4°.Vollgen die Instrumenten.1 Bass Geigen oder Violen.2 Tenor dito.2 Allt dito.2 Diskant dito.1 Schechteli Seihten, Grob und Klein.1 Schechteli Colovonia oder Geigenharz.4 Pfeiffen zum anstimmen, wie sie in einem Orgelwerkhsein, gefiehrt von Holltz.Soli Deo Gloria.


133Auffallend in diesen Verzeichnissen ist gleich die ersteNummer Bassus ad organum, ohne jede weitere Bezeichnung;ohne Zweifel ist damit ein Generalbass zu denGoudimelschen Psalmen gemeint. 1636 wird zum erstenMale einer Orgel Erwähnung getan und sogleich musstennun auch die doch für unbegleiteten Gesang berechneten,auch noch lange in der Kirche unbegleitet gesungenenPsalmen auf dem Kollegium mit der Orgel begleitet werden.Beizufügen ist noch, dass möglicherweise dieser Generalbassnicht nur ein bezifferter Bass war, sondern inAkkorden ausgeschrieben; wenigstens sind, freilich erstaus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, solcheausgeschriebene Generalbässe noch vorhanden. Denkbarist es ja auch, dass die Kunst des Generalbassspielensmit der Zeit verloren gegangen ist, und man, als mandie Bezifferung nicht mehr vom Blatt spielen konnte, sichdurch vollständiges Aufschreiben der Akkorde die Sacheerleichtert hat. Das Wahrscheinlichste ist, dass man sichje nach Umständen bald so und bald so geholfen hat; zubedenken ist eben, dass die Kollegianten auch immer blossDilettanten waren.Unter den Komponisten finden sich fast lauter in derMusikgeschichte mit Verehrung genannte Namen, die zuden besten ihrer Zeit gehören.Auffallend ist das schon im Laufe eines Jahres bemerkbareZurückgehen der weltlichen Musik zu Gunstender kirchlichen; während im ersten Inventar von 23 Nummernnoch 11 Kompositionen profaner Art sind, findensich im zweiten nur noch 7 solcher auf 22 Nummern.So schreitet die Bevorzugung des geistlichen Elementsgegenüber dem weltlichen bis zu Anfang unseres Jahrhundertsimmer weiter fort; sie ist aber mehr eine gemusste,als mit Ueberlegung gewollte. <strong>Die</strong> weltliche Chorlitteraturtritt in jener Zeit ganz zurück, die Profanmusik


134sucht sich neue Bahnen in dem begleiteten Sologesangund der sich daran schliessenden Oper einerseits und derInstrumentalkunst anderseits. So sind die kleineren Kollegieneben darauf angewiesen, die geistlichen Chorkompositionenihrer Zeit zu singen, da sie auf andern Gebietennicht mittun können.1666 erwirbt sich das Kollegium ein eigenes Hausfür 1200 fl.. Der Rat der Stadt verspricht zur Abzahlungdieser Summe jährlich 50 Gulden aus dem Stadtseckelbeizusteuern. Es war am Bohl, einem der schönsten Plätzeder Stadt gelegen, und wurde am 11. Februar 1666 bezogen,von wo ab es den Namen "Singerhäusli" erhielt.Von 1670 ab :finden nur noch alle 14 Tage Uebungenstatt; das Musikalische tritt also zurück; wahrscheinlichum dieses wieder zu heben oder die Leute wenigstens zuden U ebungen zu locken, wird 1679 die sog. Repartitioneingeführt, d. h. es wurde für jeden ein bestimmtes MassWein und Brot aufgestellt.1688 wird die geistliche Seelenmusik von ChristianHuber eingeführt, dessen Verfasser Obmann des Kollegiumsund Rektor des St. Galler Gymnasiums war.1693 wurde eine neue Orgel angeschafft. Dass dasKollegium in sehr gutem Ansehen beim Rate stand, gehtdaraus hervor, dass drei Deputierte, die an denselben abgesandtworden waren, nicht' nur die "Kontinuation" derjährlichen 50 fl.. erlangten, sondern auch die zur gänzlichenAbzahlung des Sängerhäuschens noch nötigen 200 fl..1723 wird neue Musik erwähnt von Baurigel, der mit6 :fl.. honoriert wurde, ferner von Thüring aus Oberriet,der 10 :fl.. Recompenz erhielt, dem aber auch bedeutetwurde, sich, weil er ein Papist sei, künftig des Kollegiumszu müssigen.1729 wird als Obmann Ihr Excellenz Vorsicht, WeisheitHerr Doktor (J. U. P.), Reichsvogt Christoph von


„ 135Hochreutiner genannt, d. h. der Bürgermeister der Stadtwar Obmann des Kollegiums. Um diese Zeit kommenauch die Gesangbücher von Steiner, Kressen und Schwarzkopfin Gebrauch. Es waren dies ähnliche Sammlungenwie die Hubersche Seelenmusik.1737 wird Bachofens "Musikalisches Halleluja" eingeführtund in den fünfziger Jahren folgte Schmidlins"Singendes und spielendes Vergnügen reiner Andacht",und diese beiden erlangen hier bald grösste Beliebtheit.1777 kommen dann die "Auserlesenen geistlichen Lieder"von J. Z. Gusto in Gebrauch und sie verdrängen mitdem 1787 eingeführten Choralbüchlein von Egli allmäligwieder Bachofen und Schmicllin.Bis in diese Zeit hinein scheint aber auch Hammerschmidtnoch fortwährend im Gebrauch geblieben zu sein;ein Inventarium von 1760 zählt wenigstens noch eineganze Reihe seiner Werke auf. <strong>Die</strong>se müssen nach demersten, das schon 1650 erwähnt wird, allmälig eines nachdem andern angeschafft worden sein und sich immerwährenderBeliebtheit erfreut haben. Aus diesem letztenVerzeichnis sind noch hervorzuheben: Horns nEvangelia",Brigels nDavidische Harpffen", eine Messe von Molitor,Adam Kriegers "Neue Arien" und Jakob Leuens ·„NeueAria". Es wurde also hin und wieder auch der Sologesanggepflegt.1798 verliess die Gesellschaft das Singerhäuschen undzog auf die Schneiderzunft. Hierin kann man sozusagendas Ende des alten Collegium Musicum sehen; mit Mühenur überdauerte es die Revolutionsjahre und 1806 verbandes sich mit der andern städtischen Musikgesellschaft,um vereint mit ihr, allen Stürmen zum Trotz, zu neuem,aber ganz anders geartetem Leben zu erblühen. Wie schonerwähnt, ging aus dem Männerkollegium ein gemischterChorgesangverein hervor.


136Das zweite Kollegium in St. Gallen entstand 1659.Seine Gründer heissen: Johannes Spengler, Reichsvogt ;David Weniger, des löblichen Stadtgerichts Beisitzer ;Joachim Hiller, W achtzähler und des löblichen StadtgerichtsBeisitzer; Othmar Müller, Kauf- und Handelsmann; JoachimVonwiller, Feiltreger. <strong>Die</strong>ses zweite Kollegium scheintsich meist aus Handwerkern und Kaufleuten zusammengesetztzu haben, während das erste immer viel Gelehrte,Pastoren, - die grosse Zahl derselben erklärt sich daraus,dass die Gymnasiallehrer in jener Zeit dem geistlichenStand angehörten - Rechtsgelehrte und Mediziner zuseinen Mitgliedern zählte. <strong>Die</strong> Verfassung der zweitenGesellschaft war genau nach der der ersten gebildet. <strong>Die</strong>Uebungen hielt sie in einem vom Rate angewiesenen Gewölbein der St. Magnikirche ab und hiess daher auch,im Gegensatz zum Collegium Musicum auf dem Sängerhäuschen,Collegium Musicum in St. Magni Gewölb. Ueberdas Musikalische ist in den Aufzeichnungen desselbennichts besonders erwähnt und muss ich mich deshalb mitdiesen wenigen Notizen begnügen.8. Winterthur. 110 )<strong>Die</strong> Gründung des Winterthurer Kollegiums geschahim Jahre 1629. Als Stifter werden genannt: 11Hans JacobWynmann, Pfarrer zu Wülfl.ingen, Simon Sulzberger,Pfarrer zu St. Georg am Feld und Ludimoderator, GeorgForrer, Schultheiss der Stadt, David Sehellenberg, Stadtschreiber,Jacob Kuenzli, des kleinen Rates, Heinrich110 ) Vergl. J. C. Troll: „Geschichte der Stadt Winterthur."Winterthur 1844. Bd. IV. pag. 151- 185. Hier ist auch die überauskraftvolle Gründungsurkunde vollständig mitgeteilt.Ferner: R. Geilinger: „Zur Feier des 250jährigen Bestehensdes Musik-Kollegiums in Winterthur." Winterthur 1880.


137Kaufmann, des kleinen Rates, Jacob Steiner, Stadtschreiber,Joachim Hettlinger, Schulmeister der ersten Klasse, Vorsingerund Mitglied des grossen Rates, Jeremias Forrer,des grossen Rates, Jacob Regner, Schultheiss der Stadt,Hans Ulrich Hofmann, des grossen Rates." <strong>Die</strong> erstenAufzeichnungen stammen aus dem Jahre 1660 und ist inihnen bemerkenswert, dass im fortlaufenden Mitgliederverzeichnisjedem einzelnen Namen auch das Wappenseines Trägers beigemalt ist. <strong>Die</strong>ser Brauch wird späterauch beim Kollegium in Frauenfeld geübt und geht daraushervor, dass wahrscheinlich bei der Gründung des letztemdas Winterthurer vorbildlich war.1715 wurde dem Kollegium ein eigenes Heim imRathaus eingerichtet. Dass den Mitgliedern des Kollegiumshier in der Kirche eigene bevorzugte Plätze angewiesenwurden, damit sie den Gesang nach Kräften unterstützten,habe ich weiter oben schon angeführt. Ueber das, wasin den ersten Zeiten gesungen, und auf was für Instrumentengespielt wurde, geben folgende Auszüge aus VerzeichnissenAufschluss :„ V erzeichnuss aller deren Musikbüechern, so einemloblichen Collegio der Musik zugehörend:Der ganze Psalter Davids mit 4 Stimmen. Piorumsuspiria, das ist andechtige Seufzer und Gebätt mit 3und 4 Stimmen, componiert durch Erasmus Widmannum.Ex Munificentia Eines ehrsamen und wollwysen Magistratsalhie durch Vermitlung Herrn Heinrich Küenzlin's desRaths und damahligen Procuratoris lobenswürdiger Gedächtnuss.Hymnodia sacra. Madrigalia spiritualia Philippide Monte. Scarlatti concerti sacri. Vivaldi concert.Compendium <strong>Musica</strong>e Latino Germanicum. Chansons etMotets canon a quatre parties sur deux imprimees aParis. Crügeri Psalmodia sacra 5 vocibus et 3 instrumentis.


138Alles kirchliche Werke, und ·nun solche weltlichenInhalts:Nöüwer Musikalischer Kurzwyl Erster und ander Teil,mit 4 und 5 Stimmen. Studenten Bärtlins Erster undander Theil. Lust Bartten Neüwer Teütscher Gesang mit4, 5, 6 und 8 Stimmen componiert durch Hans Leo Hasslervon Nürnberg in 6 tomi begriffen. Amuletum musicum.Amores musicales pars 1. et 2. Neuve Wysen oder MusikalischesQuodlibet. Honores musicales. Delitiae juveniles.Theatro musicale di Bartolomeo Trabattone. Jacob ScheifelhuetsLieblicher Frühlingsanfang oder musycalischer Saytenklang.Kressen <strong>Musica</strong>lisch Seelen-Belustigung 10 Theil.Johann Ulrich Sultzberger Geschriebene Teutsche Stuck.Im Ganzen 38 Werke in 165 Bänden. Ferner standenzur Verfügung, „was der bürgerlichen Bibliothec alliier,dem Hans Jörg Künzli und Joachim Hettlinger gehörend",woraus bemerkenswert ist:Allerlei Musikstueck: Altus, Bassus, Discantus, Quinta,Vox. Orlandi lassi Teutsche Lieder mit 5 Stimmen. <strong>Musica</strong>lischesStammbüchle.in. <strong>Musica</strong>lischer Zythvertryber vonverschiedlichenAutoribus 1643. Haus-Musik. AndreaeHammerschmid:<strong>Musica</strong>lische Sachen.Verzeichnuss der Instrumenten,so einem loblichen <strong>Collegia</strong> der Musik zugehörend (1660):Ein Orgelwerk im Musiksaal stehende. Ein R egalvor dem Musiksaal stehende. Ein grosse Bassgeigen zufünf Seiten. Ein Basset zu vier Seiten. Ein Tenorgeigenim Werth von 14 Pfund. Ein Altgeigen 10 Pfund. SiebenViolinen. 4 Pfeiffen (von schönem brunem Holtz, vonalters har der Schull Winterthur zugehörig). 2 Stimmpfeiffen.


139Besoldete Musiker, die die Musik zu leiten und Unterrichtzu geben hatten, finden sich von 1758 ab. In diesemJahre fanden auch zum ersten Mal sogenannte Frauenzimmerkonzertestatt, offenbar nichts anderes als nachdem Vorbild von Zürich eingerichtete Subskriptionskonzerte,zu denen eben auch Frauen mit eingeführt werdendurften. Einzelne derselben haben auch bald selbst beiden Konzerten mitgewirkt.Zuerst wurde Herr Broggenhagen aus Halberstadtangestellt mit den Bedingungen, dass er jeden Mittwochzu bestimmter Zeit der Musik beiwohnen, mit aller Möglichkeitund Beflissenheit dabei helfen, auch sogenannteAlbanimusik komponieren wolle, für ein J ahrgehalt von50 Gulden, welche auf ein Jahr n aus dem Sack bezahltwurden". 1764 anerbot sich Herwikh für 30 fl. jährlich„instrumentaliter und vocaliter" möglichste Hülfe, sollteaber 1766 durch den Violinisten Chaso, der 150 :fl. forderte,verdrängt werden; dieser wurde zu teuer erachtet,und erst 1773 Kirchenschlager aus Mannheim für 30 Pfundauf ein Halbjahr angenommen, und ihm 1778 der MusikusMiller aus Böhmen, der 4 Maxd'or _und jährlich 6 fl. für„in Ehrenhaltung des Klaviers" bezog, beigesellt. 1783ward durch das herumgeschickte Cirkular erkennt, dassdie beiden Musikmeistern Herren Müller und Kirchenschlagervon Martini 1783 bis Martini 1785 13 Louisd'orgehabt, auch der Frau Kirchenschlager für jedes Frauenzimmerkonzert,dem sie beywohnen und singen wird,1 Thaler zukommen solle; mit dem Anhang, dass dieMusikmeister bei Mahlzeiten nach dem Speisen mitmusiziren,so lange es deren Mitgliedern gefällig seyn wird.Mit der obengenannten Albanimusik hatte es folgendeBewandtnis : Jeweils am Albanitag fand der Stadtschultheissenwechselstatt, und wurde der neu eingesetzte vonaltersher mit einer Musik gefeiert. Seit nun die Musiker


140angestellt waren, sollten sie natürlich auch die Albanimusikkomponieren.1784 finden wir an Stelle Kirchenschlagers Brandund 1790 an Stelle Müllers Guering als Konzertmeister,der ein fixes Salair von 15 Louisd'or erhielt. Brand machtedem Kollegium viel Verdruss durch seine Liederlichkeit,während man mit den Leistungen Guerings sehr zufriedenwar.Hatten wir in Zürich gesehen, wann die Lokalpresseanfängt, für musikalische Aufführungen sich zu interessieren,so können wir beim Winterthurer Kollegium be-()bachten, wie etwas später auch die Berichterstattung indie weitere musikalische Welt beginnt. In der in Speyererschienenen "Musikalischen Realzeitung", Jahrgang 1788,erster Band, lesen wir pag. 5 folgenden "Au zug aus demBrief eines Reisenden durch Winterthur" : "Heute genossich ein Vergnügen, das mich ganz überraschte. Ich wollteWinterthur ohne weiteren Aufenthalt passieren, als mirmein Wirth sagte: „Herr, bleiben sie bei uns, da drübenauf unserm Rathhaus werden sie ein Ooncert hören." Ich,der Enthusiast bin für alles was Musik ist, liess es mirnicht zweimal sagen, - gieng hin, und hörte zu meinemErstaunen eine Musik von Liebhabern und Liebhaberinnen,die mich ganz hinriss. Sie gaben ein neues Stück vonHerrn Neubauer: Himne auf die Natur betitelt, von einemhiesigen liebenswürdigen jungen Dichter Herrn Regner,worin so viel Schönheit, Wahrheit und Ausdruck ist, dasses unter die besten Stücke dieser Art verdient gezähltzu werden. Herr Neubauer verdient nicht nur den Beifallvon Kennern, sondern Dank von allen Liebhabern derTonkunst, sowie Herr R egner alle Aufmunterung. Manhat mir erzählt, dass es in diesem Städtchen musikalischeKabalen gäbe; man heisse eine Gesellschaft die Oppositionsparthei,die verhindern wollte, dass dieses Stück


141sollte aufgeführt werden, jetzt aber habe sie sich wiedermit der Suppositionsparthei vereinigt."<strong>Die</strong>s ein vereinzelter Bericht aus den schweizerischenMusikkollegien; ich habe sonst nichts gefunden, das ihman die Seite zu stellen ware. <strong>Die</strong> ganze Berichterstattunglag damals eben noch in den Windeln, und es war zumgrössten Teil vom Zufall abhängig, woher die Leser diesei·ältesten Musikzeitungen etwas erfuhren. In dem gegebenenFalle war übrigens der Berichterstatter Winterthur nichtso fremd, wie er sich anstellte; aus einem späteren Berichtgeht hervor, dass er Pfarrer in Dättlikon, einem kleinenOrt in der Nähe von Winterthur, gewesen war, und wardie Geschichte von dem Reisenden offenbar nur eine derdamals überaus gern gebrauchten Einkleidungen.1791 wurde Sam. Gottl. Auberlen 111 ) engagiert undwar er dem Kollegium eine kräftige Stütze bis 1798. Ergiebt in seiner Selbstbiographie folgende Werke an, dieunter seiner Direktion auf geführt wurden: <strong>Die</strong> Oper n Orpheusund Euridice" von N aumann (natürlich nicht scenisch),die Kantaten "Preis der Dichtkunst" von Schicht, „Lobder Musik" von Schuster, „die Feier der Christen aufGolgatha" von Schicht und "Maria und Johannes" vonSchulz. 112 ) Auberlen soll auch verschiedene Kantaten fürden Albanitag komponiert haben. Musikangaben über dieZeit von den ersten Inventarien bis zu Auberlen lassensich deshalb keine geben, weil das Kollegium 1785 beschlossenhatte, alle unvollkommene Musik das Pfund zueinem Schilling zu verkaufen; ähnliches geschah auchan andern Orten. Durchreisende Virtuosen werden hier111 ) Geilinger bezeichnet A.uberlen irrtümlicher Weise alseinen Franzosen. Ueber ihn siehe oben Seite 112.112 ) Fetis giebt diese Werke, natürlich ganz verkehrter Weise,als Kompositionen von A.uberlen an.


142nur zwei und zwar von Auberlen erwähnt, der Violinistl'Eveque 118 ) und der Klarinettist Kaltenbacher. 114 )1798 wurde Auberlen wegen der ausgebrochenen Revolutionsunruhenentlassen und dann trat eine dreijährigePause ein. Nachher wurde die Tätigkeit aber wieder aufgenommen;die Gesellschaft entwickelte sich, wenn auchin zum Teil neuen Formen, stetig weiter; mit der Zeitentstand ein vollständiges Orchester von Berufsmusikern,das heute noch in schönstem Flor besteht, in dem aberbei grösseren Konzerten auch heute noch viele Dilettantenmitwirken, und haben sich hier, wo die moderne Konzertinstitutiondirekt aus dem alten Collegium Musicum hervorwuchs,auch noch die meisten Anklänge an ein solcheserhalten.4. Frauenfäld. 115 )In Frauenfeld entstand 1707 eine Musikgesellschaft,die sich Kirchengesangverein hiess, ihrem Wesen nachaber auch vollständig zu den hier zu besprechenden Musikkollegiengehört. Bei ihrer Bildung diente offenbar dasWinterthurer Kollegium als Vorbild. Bei beiden findetsich der engere Zusammenhang mit der Kirche als anandern Orten, und legte man sich in Frauenfeld ebenfallswie in Winterthur ein Verzeichnis der Mitglieder an,das alle Wappen derselben enthielt. <strong>Die</strong>ser FrauenfelderKirchengesangverein war evangelisch und der schon mehr-113 ) l'Eveque, Johann Wilhelm, geboren 1759 in Köln, gestorben1816 iil Hannover. Er galt als einer der besten Geigervon Deutschland, war längere Zeit im <strong>Die</strong>nste des Fürsten vonNassau-Weilburg und später als Konzertmeister in Hannover."") Kaltenbacher soll von Wien stammen.115 ) <strong>Die</strong> Nachrichten über den Frauenfelder Kirchengesangvereinverdanke ich Herrn Dr. Johannes Meyer, Prof. in Frauenfeld.<strong>Die</strong> Satzungen von 1707 und das Wappenbuch werden inder Thurgauischen Kantonsbibliothek aufbewahrt.


143mals genannte Auberlen erwähnt in seiner Selbstbiographieeine augenscheinlich katholische Musikgesellschaftin Frauenfeld ; in wie weit diese beiden mit einander mZusammenhang stehen, liess sich nicht ermitteln.5. Bischofszell. 11e)In Bischofszell taucht 1710 zum ersten Male ein CollegiumMusicum auf. Mitglieder desselben sollen von daab den Gesang im Spätgottesdienst und in der Kinderlehremit Posaunen und Zinken begleitet haben. Nachdemein Brand Bischofszell verwüstet hatte, und auch die Habedes Musikkollegiums verbrannt war, erhielt es im Februar17 44 von dem Musikkollegium auf der deutschen Schulein Zürich einen Teil von dessen älteren Musikalien undauch von Cantor Bai:;hofen Musikalien als Geschenk, imAugust von Quartierhauptmann W erdmüller in Zürichzwölf Musikstücke, sowie von Ingenieur Albertin ein Spinett,von dem Cantor Albertin eine Geige und andereMusikinstrumente. Ein Orgel erbaute in dem neu errichtetenMusiksaal (er soll sich mündlicher U eberlieferungzufolge über dem Schlachthaus befunden haben) LeonhardDüringer a~s Steckhorn für 200 Gulden. Damit sinddie Nachrichten über dieses Kollegium erschöpft.6. Bern.In Bern namentlich wird es deutlich, dass die Musikkollegienzunächst nur Verbindungen ganz privater Naturwaren und es dann vom blossen Zufall abhing, ·ob einesvon denselben zu grösserer und namentlich l)l.ng anhaltenderBedeutung sich emporschwingen konnte oder nicht.116 ) Vergl. J. A. Pupikofer: „Geschichte des Thurgaus." Frauenfeld1889. Bd. II, pag. 844.


144<strong>Die</strong> erste Andeutung von einem Musikkollegium findenwir in der oben vollständig mitgeteilten n Ordnung vortpfl.anzunghalb der Musik". Es wird dort in § 9 Musikliebenden Blirgern und Burgerssöhnen gestattet, auf dern Teutschen Lehr", d. h. in der Schulstube der deutschenSchule, nach freiem Willen zu musizieren, falls sie dazuLust hätten. Dass dies denn auch geschehen ist, erfahrenwir aus den Aufzeichnungen des teutschen LehrmeistersWilhelm Lutz. 117 ) Er berichtet: Das Collegium Musicummajus hat nach dem Herpsturlaub A 0 1674 auch zu unsm der Lehrstuben genistet, unter anderenHr. Professor im Closter Samuel HentziHr. Professor David Bourgeois au:ff der SchulHr. Abraham JennerHr. Frantz TriboletHr. Rathschreiber OugspurgerHr. Niklaus v. Gra:ffenriedHr. Jacob Schürmeister, organistHr. Burkhart EngelHr. cantor Rudol:ff BitziHr. Zinckenist Hans Ulrich Sultzberger &c.Sie haben ordinarie gesungen am Freitag umb 2 Uhr nachmittag biss zu nacht, sie haben von meinen gnädigenHerren wein &c. gehabt; die Fläschen, gläser, Käs &c.haben sie meiner Frauwen für ein Trinckgelt au:ffzubewahrengeben; die Lehr haben · wir ihnen zu lieb müssenwüschen am freitag nach der morgenlehr .... Sie habeno:fftermahl fürnemme gäst gehabt, sonderlich vmbs neüwJahr als Ir Gn. Herr Schultheiss Sigmund von Erlach.117 ) Ich verdanke eine Abschrift vom Original dieser Aufzeichnungen,sowie solche von allen weiter unten noch zu erwähnendenbernischen Urkunden der Güte des Herrn Adolf Fluri in Muribei Bern.


145Hr. Venner Kilchberger, Hr. Seckelmeister AbrahamTillier &c. und andere viel Herren sind oft kommen undhaben ihn(en) ehrlich spendiert, welches sie nach demneuw Jahr auff ein Tafelen gezeichnet; haben auch umbihrentwillen offt köstliche Mähler in der Lehrstuben angestellt.Ferner wird dann noch gesagt, dass das Kollegiumverschiedene Pulte und auch nein Viertel einer orgelenoder ein Positiv" in das Schulzimmer brachte, die demLehrer im Wege standen und ihn verdrossen. Schliesslicherhält es noch folgendes, wenn auch nur indirektesLob auf seine Leistungen: „Meine Lehrtöchtern habenauch gern gehörrt auffspielen, denn es ist wol gangen."Bald aber verliess das Kollegium die deutsche Schulewieder und berichten darüber die Aufzeichnungen folgendes: „Als aber Hr (der Name ist ausgelassen) Pflegerins Collegium kommen, hat er die Herren entlieh beredt,es schick sich in der Lehrstuben nit recht zusingen; esthöne nit wol, sind sie wieder hinauss und mit ihremSchafft und Positiv zur hindern Granen gezogen, den 16 Juni1680 und hernach von dannen in Hr Stifft SchaffnerAbraham J enners Gartenhäusslin by den Speicherenhinden."<strong>Die</strong>s sind die ältesten Nachrichten von einem Musikkollegiumin Bern. Später fanden sich nacheinander nochzwei andere auf der deutschen Schule ein. Hören wirdarüber wieder den Bericht des Lehrers Lutz."Den 16 Meyen 1687 hat ein news Collegium musicumsich in die Lehr begeben mit einem positiv, so Hr GandtschreiberDav. Wilds und einem Schafft, haben mir abermal2 Tisch den Berner und A.B.C.-tisch verstellt, Consortensind:Hr. Cantor Jonas SteinerHr. Burckhart EngelHr. Johann Müller10


146Hr. Rud. FüehsliHr. Samuel Güldi stud. organistmusicieren am Zinstag nach dem Gsang.Den 1 Herpstmonat 1692 haben sie des Hrn LandvogtNicl. J enners Positiv auch genommen und das Kollegiumist zergangen.Den 1 Herpstmonats (wie obgemeldt) hat ein ZinstäglichCollegium Musicum mit dem Positiv auffgehörtund doch ihre Arch und Sachen bissher in der Lehr gelassen.Darauff dann den 27 Christmonats 1692 ein anderesSambstägliches Collegium musicum doch ohne Positiveingestanden. Den 8 Jenner 1695 sind sie für's erstmalwider am Zinstag kommen."Weiteres ist über diese drei Musikkollegien nicht bekannt.Aus dem Jahr 1697 stammt dann noch ein Verzeichnisvon Musikalien und Instrumenten. <strong>Die</strong>se werdenals hochobrigkeitliche bezeichnet, d. h. sie waren von derObrigkeit angeschafft worden, und ist es daher wahrscheinlich,dass sie einem Studentenkollegium angehörten; dennnur ein solches konnte von dieser so direkt abhängig sein. 118 )Es wäre dies also ein viertes, von den oben genanntenverschiedenes Kollegium. Das Verzeichnis, betitelt: nSpecification"lasse ich hier vollständig folgen: 119 )„Specificationjener hochobrigkeitlichen Music Bücher & Instrumenten,wie solche mir dem secretario in B eisein beyder Mgh.Stiftsschaffner J enner & H Landvogt Zeender von Herrn118 ) Ich folge hier der Annahme Schärers, der in seiner handschriftlichenSchulgeschichte dieses Verzeichnis wiedergiebt. Erkannte zwar offenbar die andern erwähnten Musikkollegien nicht.119 ) Das Manuskript befindet sieb auf der Stadtbibliothek inBern unter der B ezeichnung: Schärer Msc H X 1. 6 Beilagen Nr.163h.


147Steiner dem Cantor den 13 Hornung 1697 in der unternLehr im kleinen Schaft sind gewesen & hier abzuschreibenübergeben worden, darum er H Cantor auch Rechenschaftgeben soll.folgend erstlich die Bücher & zwar erstlich die altenunbrauchbaren.Abrahami Schadei Promptuarium musicumOrlandi de Lassus selectissima CantionosProti Corallarium CollectanorumThesaurus musicus AnonymiGeistliche Lieder zu 4 StimmenJacob Hasleri MadrigalienWolf Carl Briegels geistliche Arien ( defect)J oh. Caspar HeITens Sonaten defectDanieli Friderici opera (manglen gar)Jenickens Sonnaten & Balleten (defect)folgend die brauchbarenAndr. Hammerschmid, Motteten a 10Fr. Bugutti Molteten a 8Carol Losnat. Cossonay Psalmi a 6Aschenbrenners Gast & Hochzeitfreuden ( defect)Hammerschmids MissaeJ oh. Marti Ruberts Seelen ErquickungJoh. Rod. Ahlens Chor Musici a 10Caspar Morij Triumphus musicus samt SteinmannsMotettenChrist Bernhards geistliche Harmonien a 5J oh. Jacob Löwens geistliche Concert a 5Friedr. Bagatti Concertus Ecclesiastici a 4J oh. Franc. Mognosa motetti Eccles. a 4J oh. Weinmanns geistliche & weltliche LiederJ oh. Rosenmüllers Sonaten a 5Pezely <strong>Musica</strong> Vespertina a 5


148 -Pezely inusic. Gemüts ErgetzlingDaniel Frederici Deliciae Itiveniles a 4Georg Bleyers Lust Music a 4Sebast. Küpfers Madrigalienan Instrumenten1 gross aber übel verderbbar Violono a 5 Cord.1 anderes feines Bass Violon a 4 Cord.1 Viola di Gamba oder Tenor Geigen2 neue Discant Geigen von Waldshut2 Viola de Braccio oder Alt Geigen1 alte Discant Geigen4 alte Krummhörneran neueren Authorenund ferners hinzukommenAlandae Colestis opus primu(s?) a 10Fidelis Molitor in fol a 12beides Instrumental als Vocal Music in sich haltend um4 Reichsthaler."Im übrigen haben wir nur noch ganz wenige Nachrichtenvon den Musikkollegien. Im Ratsmanual findetsich vom 5. März 1675 folgender „Zedel an's Collegiummusicum, künftige Solemnität Ihre Kunst mit musicierenauf dem Lettner zu zeigen." 120 ) Es handelt sich um eineSchulfestlichkeit; welches Kollegium es in diesem Fallewar, lässt sich nicht bestimmen. Mit der Zeit scheintsich aber auch eines als das erste und bedeutendste herausgebildetzu haben - es war dies vielleicht jenes von demLehrmeister an er ter Stelle genannte - es wird wenigstens,wo überhaupt eine Erwähnung geschieht, immernur von dem Kollegium und nicht von einem bestimmtengesprochen, als ob es nur eines gegeben hätte.120 ) Ratsmanual 173/265.


149So berichtet Durheim, 121 ) als im Jahre 1692 der Herzogvon Schomberg beim Falken b.ewirtet wurde, musste dieMusikliebhaber-Gesellschaft das Ihrige tun. 1704 (undnicht 1702, wie der oben genannte Gewährsmann fälsch,lieh angibt), wurde, wie aus den Ratsmanualen hervorgeht,122)der Chor der wälschen (französischen) Kirche ineinen Musiksaal umgebaut. Er war "mit schöner Malereyund einer Orgel gezieret und ·war auswendig ein .steinernerSchnecken oder Scalin dahin zu steigen erbauet. 123 ) Indiesem Saal gab dann von .1757 ab ein Musikkollegiuri:ider Studierenden Konzerte.In den letzten zwanzig Jahren des vorigen Jahrhundertsgab es 'dann ~och · eine Liebhabergesellschaft derwohlhabenden Klasse der Bürgerschaft von Bern, 124 ) diejedoch keine öftentlichen Konzerte gab und für damaligeZeiten .Ausgezeichnetes geleistet haben soll. Privatkonzertein Privathäusern . fanden freilich auch statt, es wirddasjenige des Marschalls von Ernst genannt tmd unterden Mitwirkenden Landammann von W attenwyl von ~ontbenayals Violinist und Landvogt Steiger von Tschuggals Violoncellist; es scheint also im.merhin etwas ähnlicheswie ~twa die Musiksaalgesellschaft in Zürich gewesen zusein, nur in kleinerer Form und noch um einige Kommasaristokratischer als diese.Mehr ist über die alten Musikkollegien nicht bekannt.Sie scheinen in Bern auch nicht die zähe Lebensfähigkeitbeses·sen zu haben wie anderorts. Das moderne Konzertwesenberuht hier durchwegs auf Neugründungen unddas ist um so eigentüni.licher, ·als hier der Staat eine Zeit121 ) Durheim: „Beschreibung der Stadt Bern." Bern 1852.122 ) Ratsmanual 15/294 .. 128 ) Gruner: Deliciae Urbis Bernae. Zürich 1732. pag. 247.12') Durheim .a. a. 0.


150lang so eifrig für die Musik sorgte; es wäre aber undankbar,wenn man aus Mangel an andern Gründen sagenwollte, gerade darum war ihnen nicht diese lang anhaltendeLebenskraft beschieden.7. Schaffhausen.m)In Schaffhausen tritt im Jahr 1655 zum ersten Malein Collegium musicum auf. Am 12. Juli dieses Jahresweihte die Geistlichkeit einen neuen Versammlungsort,genannt Eckstein, mit einer grossen Mahlzeit ein, unddas Musikkollegium sollte bei dieser Gelegenheit nmiteinem lieblichen Concert einer Vocal- und Instrumentalmusik"aufwarten. Es wurde aber schliesslich gar nichtsaus dem Konzert. Von jetzt ab bis 1778 ist von demKollegium nichts mehr zu erfahren, ausser dass es bei densogenannten Orationen, d. h. den festlichen Vorträgen der aufdie Universität abgehenden Schüler, sichzuweilenhörenliess.1778 wurde das Kollegium neu belebt. Erst vondieser Zeit ab sind Statuten, Protokolle etc. noch vorhanden.Es wurden neue Satzungen aufgestellt, die vondem alten allgemeinen Typus wenig abweichen, und auchalle die kleinlichen Züge derselben aufweisen. Hier nurein einziges Beispiel daraus, der Artikel über das Stimmender Instrumente: n<strong>Die</strong> Flöten richten sich nach dem Clavier,die Violine nach den Flöten, die Brasch und Bassnach der Violine und zuletzt kommen dann noch dieübrigen Instrumente." Fachmusiker wurden erst vomAnfang des 19. Jahrhunderts an angestellt und schienenauch die musikalischen Leistungen erst von dieser Zeitab bedeutender geworden zu sein. Der früher schon mehr-115 ) Vergl. J. J. Mezger: „ Geschichte des Musikkollegiums inSchaffhausen" in den „Beiträge!\ zur vaterländischen Geschichtedes Kantons Schaffhausen". Schaffhausen 1878.


151mals erwähnte Auberlen entfaltete hier eine erfolgreicheTätigkeit von 1808- 1818, doch fällt diese Zeit ausse.rhalbden Bereich meiner Darstellung. Auch in Schaffhausenhat sich das moderne Konzertwesen im Anschluss an dasalte Musikkollegium entwickelt.8. Basel. 126 )In Basel wurde 1692 ein Musikkollegium gegründet;die Stifter werden nicht genannt.In den ersten Statuten ist folgendes Verbot: „mit 1Stümpleren oder gemeinen Spielleuten, sonderlich in locispublicis zu musicieren", bemerkenswert; es ist hier alsoschon ein gewisser Kunststolz vorhanden. Als Leiter findetsich von Anfang an ein Fachmusiker im Gegensatz zuandern Musikkollegien. Basel hatte, beeinflusst durchDeutschland, schon 1561 den Gebrauch der Orgel in derKirche wieder zugelassen. So war es das natürlichste,dass das Musikkollegium die L eitung in die Hände einesOrganisten legte; es war zunächst <strong>Die</strong>trich Schwab, Organistan St. Peter. In der ersten Zeit wirkten auchStudenten und Gymnasiasten, die einen Chor bildeten,mit, und wurden wie bei den deutschen Cantoreien festlicheMusiken in der Kirche aufgeführt. Der Gottesdiensthatte also hier viel mehr Aehnlichkeit mit dem lutherischenals irgend sonstwo in der zwinglischen Kirche. -<strong>Die</strong> Aufführungen in der Kirche hörten aber nach einpaar Jahren wieder auf.1705 wurde das Kollegium erneuert. Leiter war jetztWilhelm Friedrich Schwab, Organist zu St. Peter undInspektor sämtlicher Orgeln der Stadt, gewesener mark-126 ) Vergl. Paul Meyer: „Basels Concertwesen im 18. und zu1 Anfang des 19. Jahrhunderts." Basler Jahrbuch 1884. - Ed. Wölflin:„Das Collegium Musicum und die Concerte in Basel." Beiträge derBasler histor. Gesellschaft. Bd. 7.


152gräfisch Durlachischer Kapellmeister. Neben ihm :findensich ~uch schon andere Musiker, die für ihre MitwirkungWein und Brot erhielten. 1720 wurden dann schon vier:fix besoldet; 1731 erhält Kandidat Pfaff die Dirigentenstelle,jetzt schon ist von Publikum die Rede, das häufigdurch Schwatzen störte. Angaben darüber, was gespieltwurde, sind keine mehr vorhanden; jedenfalls aber tratdie Mitwirkung in der Kirche seit 1708 zurück gegenüberden Privataufführungen des Kollegiums.1748 wurden Konzerte ähnlich wie ein Jahr späterdie Subskriptionskonzerte in Zürich eingeführt; ein Unterschiedbestand nur darin, dass man in Basel die Konzertbesucherauch als Mitglieder ansah. Man nannte siehonoraires, während in Zürich die Konzertabonnentennicht als zur Gesellschaft gehörig betrachtet wurden.<strong>Die</strong> Aufführungen fanden in Basel anfänglich das ganzeJahr hindurch wöchentlich einmal statt, später, 1777,reduzierte man ihre Zahl, indem sie nur in der Wintersaisonabgehalten w'urden. Namentlich um die Gesangskunstzu heben, wurde 1748 ein Krauss von Strassburgauf sechs Jahre mit einer Besoldung von 100 Neuthalernangestellt. Er scheint jedoch nicht so lange au geharrtzu haben, denn schon 1750 wutde ein neuer SingmeisterDorsch engagiett. <strong>Die</strong>ser bildete verschiedene_ Dilettantenaus, die dann öffentlich auftreten konnten, so die JungfrauenGeyemüllerin, Holzachin, Meyerin und Oswaldin.<strong>Die</strong> Leitung führte immer noch Pfaff, der inzwischenOrganist an St. Peter geworden war; neben ihm ist unterden schon in ziemlicher Anzahl engagierten Musikern derViolinist Kachel 127 ) zu nennen, der tüchtiges auf seinemInstrumente leistete und auch komponierte." 7 ) Jakob Christoph Kachel, geboren 1728, gestorben 1793.Er konnte schon mit 14 Jahren Musikunterricht erteilen. Prinz


153Während bis dahin das Kollegium in verschiedenenSälen der Stadt seine Uebungen abgehalten hatte, tratdie Universität 1751 einen Saal, das sogenannte Prythaneum,an dasselbe ab, und es führte von da ab denNamen n Concert".1755 bis 1762 lag die Leitung der Konzerte in denHänden von Dilettanten. 1762 berief man den MusikerDömmelin hierzu. Er soll sehr tüchtig gewesen sein, verfertigteauch Klavierkompositionen, die er selbst vortrug,und wurde später von der Stadt zum Orgelinspektor ernannt.1767 wurde zum ersten Mal "Der Tod Jesu" vonGraun aufgeführt und kommt diesem Werke eine ähnlichbedeutsame Stelle im Konzertwesen Basels zu, wie indemjenigen von Zürich. Aus der früheren Zeit fehlen Angabenüber das, was gesungen und gespielt wurde; inder zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren folgendeSymphoniekomponisten beliebt: Chartrain, Schmittbaur,W anhall, Stamitz, Eichner, Töschi, Röser, Schwindl, Canabich,Gossec und Bach. (Es war aber Phil. Em. Bachund nicht Johann Sebastian, wie Wölfl.in offenbar meint.)Etwa von 1790 ab bürgerten sich dann die Symphonienvon Haydn und Mozart allmälig dauernd ein; bemerkenswertist, dass man in diesen, später aber besonders beiBeethoven Stellen, die einem zu schwer vorkamen, einfachstrich; ein Verfahren, das uns heute barbarisch erscheint.1771 wurde zum ersten Mal .eine fremde Siingeriu,die Madame Gizielli aus Neapel für die Winterkonzerteengagiert; sie gefiel so, dass si~ fünf Jahre hindurch immerWilhelm von Baden-Dui·lach fand. auf seiner Durchreise durchBasel so viel Gefallen an ihm 1 dass er ihn nach Italien mitnahm,wo er 1743 in ein in sardinischen <strong>Die</strong>nsten stehendes Regimentdes Prinzen von Baden für anderthalb Jahre eintrat.


154wieder verpflichtet wurde. Von da ab blieb die Einrichtung,jeweils für die Saison eine Sängerin zu engagieren,lange Zeit bestehen und sind folgende zu nennen: MadameCarnoli, Mdm. Bayer vonMömpelgard. <strong>Die</strong>se war auch Klavierspielerinund wurde sehr gefeiert, so dass sie immer perEquipage ins Konzert abgeholt wurde, was eine selteneAuszeichnung war. Ferner Madame Cusnique von Pruntrut,Silberbauer von Mühlhausen, Stephana Toulont, cantatriceitalienne, Monroni, Tochter eines Hofviolinisten inMannheim, Michel von Strassburg, Hüllmandel von Strassburgund Höfelmeyer.1791 wurde ausnahmsweise ein Sänger, Sig. Bianchi, 128 )für die Konzerte gewonnen. Von durch.reisenden Virtuosensind anzuführen: 1756 Lanzetti (Violoncello), de la Valle(Fagott) mit seiner Tochter (Gesang), 1779 Esser (Violine),dann die an anderm Ort schon genannten Jeanson,Cellist, 1783; 1784 Frl. von Paradies (nicht Parades, wieMeyer angiebt) und die Mara und 1790 J arnowitz.1799 wurden die Konzerte ganz eingestellt, im neuenJahrhundert lebten sie dann wieder auf und erlitten baldstarke Veränderungen; aber die heutigen vorzüglichenAbonnementskonzerte in Basel sind auch hier noch alsdie direkte Fortsetzung des alten Musikkollegiums zubetrachten.9. Aarau.In Aarau wurde 1704 ein Collegium Musicum begründet.129)Ein vorzüglicher Mitstifter desselben wari:is) Bianchi, Antonio, geb. 1758 in Mailand, war ein bedeutenderBaritonist und Komponist von Balletten und Operetten. Ererrang nach seinem Basler Aufenthalt in Berlin (Nationaltheater1793), Hamburg, Braunschweig etc. grosse Erfolge; später kehrteer nach Italien zurück, von wo ab nichts mehr von ihm verlautet.129)Vrgl. Franz Xaver Bronner: „Der Kanton Aargau". St. Gallenund Bern 1844. Bd. II, pag. 53, 54 u. 56. Hr. Dr. E. Zschokke in


155Johann Heinrich Kyburz von .Aarau, Lateinschulmeisterund Provisor daselbst. 130 ) Freigebige Freunde der Tonkunstsammelten Steuern zum Besten des Kollegiums undauf dessen Bitte kaufte ihm der Stadtrat von .Aarau ein„artiges Positiv" an. Im fünften Dezennium des 18. Jahrhundertslöste sich das Kollegium allmälig wieder auf.1768 gründete Martin Rychner, Pastetenbäcker, einneues Musikkollegium. Der neue Stifter war 1723 geborenund soll ein guter Musiker gewesen sein.10. Chur.In den Ratsprotokollen von Chur wird von 1710 bis1766 zuwBilen eines Musikkollegiums Erwähnung getan. 131 )Es soll seine Uebungen am Donnerstag in einem Lokal,das am Klosterplatz gelegen war, abgehalten haben. 192 )In der Kantonsbibliothek in Chur werden auch noch einigeMusikalien aufbewahrt, die wahrscheinlich im Besitz des .Musikkollegiums waren; 19 ~) hier nur ein Beispiel: „Christ,Ludw., Cantate, bei gegenwärtigem Bundestag Gem. DreierBünde den 9. Herbstm. 1787 in der Kirche zu St. Martinaufgeführt"; wahrscheinlich durch das Musikkollegium,Aarau teilt mir mit, dass noch ungehobenes Material über dasaarauische Musikkollegium vorhanden sei; es war mir aber nichtzugänglich.130 ) Joh. Heinrich Kyburz von Aarau gebürtig, starb als Pfarrerzu Herzogenbuchsee 1740. Er hat in die neuen Auflagen der Seelenmusik(von Huber) die „Passions-Andachten" gesetzt; auch besondersherausgegeben: „Singstunden" Ster. Zürich 1723 (Hans JakobLeu: Allgemeines Helvetisches Lexikon).181 ) <strong>Die</strong>se Notiz verdanke ich einer privaten Mitteilung desHerrn Staatsarchivar J ecklin in Chur.132 ) Becker: La Musique en Suisse, pag. 102.139 ) Nach einer hier nochmals zu verdankenden Mitteilungdes Herrn Professor J. Candreia in Chur.


156dürfen wir wohl beifügen. Es ist als~ anzunehmen, dassdasselbe auch nach 1766 noch fortexistiert hat; mehr lässtsich aber über dasselbe nicht ·mitteilen.11. W etzikon. m)In W etzikori W,ündete der Komponis.t Schmidli 2Pfarrerdaselbst, 1768 ein Musikkollegium. Mitglieder waren ·ausserihm als Präsidenten: Hans Rudolf Wäber in W etzikon,Seckelmeister; Lieutenant Hans Jakob Wäber von Wetzikon,Kapellmeister; Hans Kaspar J enta, Schulmeister zu Ettenhausen,Scriba; Lieutenant .:f ohannes Hornberger von Unterwetzikon;Rudolf Wäber, Vorsinger, . von W etzikon; HeinrichBüeler von Wilfershausen; Heinr. Wäber von Wetziko,nund Friedrich W alder von Unterwetzikon. Herr HauptmannWäber hatte die Generosite, in seinem Ha11se derGesellschaft ein Zimmer und OrgEll zum Gebr.auch zuofferieren; die Uebungen. fanden als0. in. seinem Hausestatt. <strong>Die</strong> Statuten der Gesellschaft habe ich· oben schonvollständig mitgeteilt; das Kollegium lltsst. sich verfolgenbis 1806; von da ab. ist nichts mehr ·v()n ihm bekannt.12. Herisau. 185 ).In Herisau bildete sich auf Anregung des LehrersMa;rtin. Himmeli 177 6 eine Musikgesellsi;:haft, die mit grossemEifer Kirchenmusik trieb und zur Winterszeit fast jedenSonntag öffentliche Kon21erte ·gab, wobei . .Musikliebhabervon auswärts, besondeTs von St. Gallen· und Gossau, mitwirkten;auch ein damals in Herisau sich aufhaltenderMusiker, Johann Kaspar Vicedomini aus Graubünden, warm) Vergl. Felix Meyer: „Geschichte der Gemeinde Wetzikon"Zürich 1881.m) Vergl. August Eugster: „<strong>Die</strong> Gemeinde Herisau im KantonAppenzell A.-Rh." Herisau 1870, pag. 410.


157dabei beteiligt. Zwischen den Musikgesellschaften vonSt. Gallen und Herisau, - es ist nicht ersichtlich, welchesvon den zwei st. gallischen Musikkollegien es war, - solleine engere Verbindung bestanden haben. So gingen mehrereJahre lang etliche Mitglieder von Herisau währenddes Winters jeden Mj:ttwöch nach St. Gallen, um sich beiden dortigen Konzerten zu beteiligen. In den neunzigerJahren löste sich dann die Herisauer Gesellschaft wieder auf.


Anhang.Der Wetzikoner Gesangverein und seine Bedeutung fürdie Entwicklung des Volksgesanges.Der schon mehrmals erwähnte Pfarrer J ohs. Schmidlihatte in seiner Vikariatszeit in <strong>Die</strong>tlikon sein Hauptwerk"Singendes und spielendes Vergnügen reiner Andacht"geschaffen. Als er nun 1754 als Pfarrer nach W etzikonberufen worden war, lud er einzelne aus seiner Gemeindezu sich ins Pfarrhaus und übte ihnen verschiedene seinerGesänge ein, die er dann beim Gottesdienst vor versamm.elterGemeinde vortragen liess. <strong>Die</strong>s fand ungeheurenAnklang und drängten sich immer mehr hinzu, die mittunwollten. So gründete dann Schmidli eine Singgesell--schaft, die fast seine ganze Gemeinde in sich fasste undJahrzehnte lang gegen 200 Mitglieder beider Geschlechterund von allen Altersstufen zählte. <strong>Die</strong> Uebungen fandenSonntag Nachmittag nach der Kinderlehre statt und hiessensie deshalb auch N achgesang; sie dauerten gewöhnlichzwei Stunden und blieben nur während der kältestenWintertage eingestellt. Neben den Schmidlinschen Liedernwurden auch die Goudimelschen Psalmen neu einstudiertund beides dann im Gottesdienst eifrigst gesungen.Tier Nachgesang erhielt sich lange über Schmidlins Todbis 1798: dann musste er der Revolutionsunruhen halber


159bis 1804 eingestellt bleiben, wurde dann aber wieder eingeführtund haben Reste davon sich bis heute noch erhalten. 186 )Zunächst natürlich die Lieder selbst, aber jedenfallsauch nicht zum mindesten die organisatorische Tätigkeitihres Schöpfers bewirkten die ungeheure Verbreitung derselben.Der W etzikoner Gesangverein wurde vorbildlichfür andere Orte. Wo die Lieder aber namentlich in derganzen Ostschweiz nicht im Grossen von der ganzen Gemeindegesungen wurden, drangen sie doch überall in allePrivatkreise, in alle Schichten des Volkes. Sie schufeneine eigene Art von Hausmusik; überall waren kleineHausorgeln im Gebrauch, beispielsweise sollen sich in demkleinen st. gallischen Bezirk Obertoggenburg noch zu Anfangdes 19. Jahrhunderts deren über hundert vorgefundenhaben. 137 ) Um sie sammelten sich dann ein Kreis vonSängern an Sonntag-Nachmittagen und Winterabendenund erbauten sie sich an den Liedern von Schmidli undauch Bachofen. 188 ) <strong>Die</strong>ser schöne Brauch hat sich bisweit ins 19. Jahrhundert hinein erhalten.Wohl auf Anregung durch den W etzikoner Gesangvereinist die Entstehung des Trogener „Monatsgesang"zurückzuführen, weshalb ich einige Notizen über denselbenerst hier noch beifüge. Dass Schmidli stark auch aufeinige der alten Musikkollegien, so namentlich St. Gallen,eingewirkt hat, habe ich schon erwähnt.136 ) 1857 gab die Gemeinde Wetzikon einen Auszug aus demGesangbuch des Johannes Schmidlin heraus, dieser wurde 1881nochmals aufgelegt und bezeichnete mir Herr Jakob Wolf, jetzigerPfarrhelfer in Wetzikon, darin etwa 20 Lieder, die heute noch imGottesdienst gesungen werden.1~ 7 ) H. Weber: Geschichte des Kirchengesanges.138 ) Beschreibungen solcher Hausandachten giebt auch derpoetische Schilderer schweizerischen Volkslebens, Gottfried Keller,im „G1ii.nen Heinrich".


·160Der „Monatsgesang" in Trogen. 139 )In Trogen gründeten im Herbst des Jahres 1766 diedrei Brüderpaare: nBaschon und Heinrich Rechsteiner,Dreh und Konrad Hartmann, Bartlime und Daniel Eugsterund Jakob Heim ab Gais" den sog. Monatsgesang. DerName rührt daher, dass jeweils am ersten Sonntag jedenMonats eine Versammlung abgehalten wurde. Neben demGesang wurde auch Instrumentalmusik gepftegt und heisstes in den 1771 „in der reinesten Absicht so viel möglichverbesserten Gesetzen, dass Jedermann Von beyderlei Geschlechtwer nur Lust und Liebe zur Erlernung der Musikbezeugt, solle die Freyheit haben, in's Gesang zu kommen,worbey wir uns anerbieten, sowohl denen, die sich auf dievocal, als aber denen, die sich auf die Instrumental <strong>Musica</strong>pplicieren wollen nicht nur die ganze Taktordnung, sondernauch alles nötige zu baldiger Erlernung der Musicdeutlich zu zeigen und auf Begehren auch aparte Lehrstundenohne einiges Entgelt zu geben." Als Gesangstofffindet sich neben den Goudimelschen Psalmen und SchmidlinsGesängen auch noch die St. Galler Seelenmusik.Der Monatsgesang bestand über hundert Jahre, von1834 ab freilich nur noch als Gesangverein; erst vor einpaar Jahren musste er eingehen aus Mangel an Männerstimmen.<strong>Die</strong>se werden jetzt von den Männerchören ganzabsorbiert, was kein erfreuliches Zeichen der Zeit ist.isD) Vrgl. J. W. Bion, Pfarrer: Andenken an das den 5 . .A.ugstmonat1866 gefeierte lOOjährige Jubiläum des Monatsgesanges inTrogen. Trogen, ohne Angabe des Erscheinungsjahres.--=@=


Inhaltsverzeichnis.SeiteEinleitung.Der reformierte Kirchengesang . . . . . . . . . . .<strong>Die</strong> Pflege der Profanrnusik in der Schweiz bis zur Zeit derGründung der <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong> . 13<strong>Die</strong> <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong> . . . . . . . 23A. Allgemeines . . . . . . . 23B. <strong>Die</strong> einzelnen <strong>Collegia</strong> <strong>Musica</strong> 971. Zürich 972. St. Gallen . 1283. Winterthur. 1364. Frauenfeld . 1425. Bischofszell 1436. Bern . . . 1437. Schaffhausen 1508. Basel . 1519. Aarau. . 15410. Chur . . 15511. W etzikon 15612. H erisau . 156Anhang.Der W etzikoner Gesangverein und seine Bedeutung für denVolksgesang . . . . . . 158Der „Monatsgesang" in Trogen . . . . . . . . . . . 160

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