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LANDLUST I Dezember 2013 - Ole Liese

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DIE GESCHICHTE TRAKEHNENS UND SEINER PFERDEIN EINEMFERNEN LANDDas ehemaligeOstpreußen war einLand der Pferde.Zu besonderem Ruhmgelangte das HauptgestütTrakehnen,in dem eine derältesten deutschenPferderassen entstand.Mehr als tausend Kilometer weitvon hier lag einst Trakehnen.Das Gestüt im ehemaligen Ostpreußenwar berühmt für seine Pferde. Anmutigund edel, gleichzeitig robust und leistungsfähigeilte ihnen der beste Ruf voraus.Die Menschen kamen von nah undfern in das so oft zitierte „Heiligtum“,das „Paradies der Pferde“. Das Gestüt galtals ein Musterbetrieb für die Pferdezuchtund Landwirtschaft. Wer von Trakehnensprach, tat es mit Bewunderung undRespekt. Die landwirtschaftlichenFlächen ernährten die 3 000 Bewohnerund die mehr als 1 000 Pferde. Es gab eineigenes Dorf mit Schule, Post, Krankenhausund Apotheke. Die Trakehnerbewährten sich vor Pflug und Wagen,unter dem Sattel von Soldaten und alsReitpferde, die sportliche Erfolge im InundAusland erzielten. Dann geschah,was lange Zeit kaum jemand für möglichhielt: die Flucht im Zweiten Weltkriegohne Wiederkehr.Einst in TrakehnenIn alten Erzählungen ehemaliger Bewohnerwird Trakehnen wie ein riesigerPark beschrieben, in das die zahlreichenGebäude – vorwiegend aus rotem Backstein– eingebettet waren. Um 1900 erhieltTrakehnen diesen parkähnlichenCharakter, den der damalige LeiterBurchard von Oettingen erschaffen ließ.Er gestaltete Trakehnen zu einem Vorzeigegestüt,das in den 1920er und1930er Jahren auch Ziel von Touristenaus aller Welt war. Wäldchen und Buschinseln,Gärten, Teiche und knorrigeEichenalleen machten das Gelände zueiner Zierde. Nicht zu vergessen die weitläufigenKoppeln, auf denen die Pferdeim Sommer grasten.


Blitzrot, Herbstzeit und Kokette warendrei der 27 geretteten Trakehner-Stutendes Hauptgestütes. Sie kamen nach derFlucht auf das Gestüt Schmoel-Pankerin Schleswig-Holstein.Blick vom Landstallmeisterhaus auf das Hauptgestüt Hotel Elch Landstallmeisterhaus Bäuerliche Zuchtstuten im Gespann Bedeutende StutenMemelOSTSEEKurischeNehrungMehr als 1 000 Angestellte arbeitetenauf dem Gestüt. Trakehnen war ihreHeimat, oftmals seit Generationen.Veterinäre, Reitburschen, Hufschmiede,landwirtschaftliche Arbeiter, Gestütsarchitektoder Wiesenbaumeister – siealle hielten die Rädchen im Getriebeam Laufen. Den Pferden sollte es annichts mangeln. Ihre Betreuer wohntendicht bei ihnen und nachts hieltendie Reitburschen in manchen StällenWache. Kranke Tiere konnten sich imBewegungsgarten regenerieren, derhinter dem Abfohlstall lag.Die Hauptbeschäler kamen im Sommernach der Decksaison in Paddocks, dievon Bäumen schützend umgeben waren.Jeder hatte seinen eigenen Auslaufmit efeuumrankten „Sommerhäuschen“und nach Belieben gingen die Hengstein diesen Ställen ein und aus. Die fünfStutenherden waren nach Farbensortiert: Rappen, Braune, Füchse undTrakehner vom Gestüt Hämelschenburg in Niedersachsenzwei Herden von gemischten Farben, indenen auch die Schimmel liefen. „JedeHerde verkörperte einen eigenen Typ.Die Füchse galten als die qualitätsvollsten.Die Rappen, die früher denPrachtgespannen und Marställen derpreußischen Könige und Kaiser dienten,waren schwerer und kräftiger“, sagtTrakehner-Pferdeexperte Erhard Schulte.Remonten aus OstpreußenDas Hauptgestüt umfasste 16 Gutshöfe,die sogenannten Vorwerke. Der Großteillag in einem Halbkreis um dasHauptvorwerk Trakehnen in benachbartenOrten. Die Fläche des gesamtenBetriebes betrug 6 021 Hektar.Die Aufgabe Trakehnens bestand vornehmlichdarin, erstklassige Deckhengstezu züchten, die Rasse weiterzuentwickelnund die private Zucht zufördern: Ausgewählte Beschäler aus Trakehnenkamen auf die vier LandgestüteBasis der Zuchtbildeten arabischeund englischeRassen. Das Stockmaßbeträgt 160 bis170 Zentimeter.in Ostpreußen. Diese Landbeschälerwiederum deckten die Stuten derBauern und Privatgestüte. Der Verkaufjunger Pferde brachte ihnen ein einträglichesGeschäft, denn das Militärbrauchte truppentaugliche Remonten.In Ostpreußen war die Zucht vonKavalleriepferden ein wichtiger Wirtschaftszweig.Soldaten schätzten dieHärte und Ausdauer der Trakehner.Der überwiegende Teil der Mutterstutenlebte auf dem Land, wo sie weiterauf den Feldern arbeiteten. „Fast jederLandwirt und Gutshof war mit der Pferdezuchtbeschäftigt. Sie hatte einenähnlichen Hochstand wie in Trakehnen,denn sie war auf seinen Blutlinienaufgebaut“, sagt Erhard Schulte.Nur die Pferde, die auf dem Hauptgestütgeboren wurden, nannte man bis1945 Trakehner. Ihre Abkömmlinge inder ländlichen Pferdezucht hießen hingegenOstpreußische WarmblutpferdeTrakehner Abstammung oder schlicht Ostpreußen.Heute spricht man vereinfachtvom Trakehner.In Frack und ZylinderWenn ein Rappengespann mit einem Kutscherin blauem Frack und Zylinder durchTrakehnen fuhr, dann war der Landstallmeisterunterwegs. In seinen Händen lagdie Verantwortung für Mensch und Tier,für Pferdezucht und Landwirtschaft. Erwohnte mit seiner Familie in dem weißen,herrschaftlichen Landstallmeisterhaus,dessen Dach ein Türmchen zierte. An derSpitze drehte sich ein springendes Pferd alsWetterfahne im Wind. Vor dem Gebäude,das auch Schloss genannt wurde, stand dielebensgroße Bronzeskulptur des HengstesTempelhüter. Er war ein bedeutenderZuchthengst, „das ideale Modell eines Trakehners“,wie Erhard Schulte erläutert. Beider feierlichen Enthüllung im Jahre 1932stand Tempelhüter höchstpersönlich nebenseinem eigenen Denkmal. Da war derHauptbeschäler 28 Jahre alt.Die Eingangspforte in das Herz Trakehnensbildete ein schwarz-weißer Torbogen mitdem Gründungsjahr und Brandzeichen derTrakehner: die siebenzackige, einzelneElchschaufel. Trakehner Tor und Landstallmeisterhausstehen noch heute an ihrenPlätzen – in einem Ort, der nun JasnajaPoljana heißt und in Russland liegt.Das HauptgestütTrakehnen lag im ehemaligenOstpreußen.Es gab vier Landgestüte:Georgenburg, Rastenburg,Braunsberg undMarienwerder. Die weißenLinien kennzeichnen dieLandgestütsbezirke. Diedunkle Färbung markiertdas Hochzuchtgebiet.DanzigFrisches HaffElbingKönigsbergBraunsbergAllensteinMarienwerderDie edlen Trakehner werden als leistungsbereit,feinfühlig und intelligent beschrieben.GudwallenRastenburgTRAKEHNENDanzigPOLENRUSSLANDLITAUENGeorgenburgDEUTSCH-LANDBerlinWEISS-RUSSLANDZucht nach LeistungMehrmals im Jahr traf sich die Reiterweltin Trakehnen. Die Gäste wohnten auf demGestütsgelände im repräsentativen HotelElch. Jagden, Auktionen und das Querfeldeinrennen,das als das schwierigste Hindernisrennenim Deutschen Reich galt, be-


Trakehner Jagdenstimmten den Terminkalender. Einwichtiges Ereignis war die Körung derHengste, die Auswahl der Zuchttiere.Die gekörten Junghengste kamen abdem Jahr 1926 in eine Prüfungsanstalt,in der sie ein Jahr lang eingeritten, angefahrenund auf Ausdauer trainiert wurden.Nur die leistungsfähigsten Tierewurden zur Zucht in den Landgestüteneingesetzt. Diese Zucht nach Leistungwar bezeichnend für Trakehnen.In der Rassegeschichte änderten sich dieSchwerpunkte, wie es die Zeit geradeerforderte. Die Interessen von MilitärTrakehnen leitet sich von dem Wort trakis ab und bedeutet so viel wie„verbrannter Ort“. Es lässt auf die früher übliche Brandrodung schließen.Gemischtfarbene Herdeund Landwirtschaft, die nach einemkräftigeren Pferd verlangte, warenlange nicht unter einen Hut zu bringen.Anfang des 20. Jahrhunderts entstandschließlich ein wirtschaftlichvielseitiges Pferd, das den Ansprüchenvon Bauern, Soldaten und Reitern gerechtwurde. Trotz des stärkeren Kalibersbehielt der Trakehner seine Anmutund Schönheit.Trakehnen hat mehrere Blütezeiten erlebt.Einen züchterischen Höhepunkterreichte es in den letzten fünfzehnJahren vor seinem Untergang.Aus aller Welt kamen die Menschen nach Trakehnen.Jagden, Auktionen oder Querfeldeinrennen gehörtenzu wichtigen Ereignissen im Laufe eines Jahres.Übers HaffImmer wieder musste das Gestüt durchschwierige Zeiten gehen. Es gab mehrereEvakuierungen im Zuge der NapoleonischenKriege und des Ersten Weltkrieges.Trakehnen und die gesamte ostpreußischePferdezucht hatten in derFolge hohe Verluste zu verkraften. DasSchlimmste stand der Bevölkerung undden Gestütsbewohnern mit ihren Pferdenjedoch noch bevor: die Flucht vorder Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.Obwohl die Front 1944 näher und näherrückte, erhielt Trakehnen striktes Räumungsverbot.Ostpreußen, die ihreTreckwagen rüsteten, riskierten denTod. Der letzte Landstallmeister vonTrakehnen, Dr. Ernst Ehlert, versuchtealles, um die Pferde zu retten. Nachzähen Verhandlungen mit dem Gauleiterkonnte er im September 1944einen kleinen Bestand in vermeintlicheSicherheit bringen. Heimlich hatte er dieihm zugesicherte Anzahl aufgestockt.EngagierteZüchter kümmertensichin der Nachkriegszeitumden Erhaltder Rasse.Trotz veränderter Zuchtziele behieltder Trakehner seinen Adel.Hofanlage Trakehnens(Hauptvorwerk)Hauptbeschälerstall (1Hengst-Paddocks (2Hauptspeicher und Mühle (3Alter Hof(Fuchs-Stutenherde) (4Post (5Trakehner Tor (6Schloss(Sitz des Landstallmeisters) (7Sekretariat (8Reitburschenhaus (9Boxenstall (Jagdstall) (10Reithalle (11Auktionsstall (12Reitplatz (13Hengst-Paddocks (141011791268513 142Viel zu spät kam am 17. Oktober 1944die Erlaubnis, das Gestüt innerhalb vondrei Stunden zu räumen: Neben den Bewohnernbetraf es 800 verbliebene Pferde,mehrere Viehherden und Inventar. DreiMann begleiteten jeweils 80 Pferde inzehn Herden. Sie trabten ohne Pause indas rund 50 Kilometer entfernte LandgestütGeorgenburg. Heil dort angekommen,ging die Odyssee weiter. Die Pferdewurden in Eisenbahnwaggons verladenund zu verschiedenen Gestüten in Mitteldeutschlandgebracht. „Zum großenTeil sind sie letztendlich umgekommenoder gelangten ins russische Gestüt Kirow“,erzählt Erhard Schulte. Trakehnenblieb verlassen zurück – mit dem DenkmalTempelhüters, das vor der Fluchtmit Holzlatten schützend verkleidetworden war.Die ostpreußische Bevölkerung nahm soviele Pferde mit, wie sie vor die Treckwagenspannen und daran anbindenkonnte. In einem der kältesten Winterflohen die Menschen auf tief verschneitenWegen. Als Ostpreußen von der RotenArmee im Januar 1945 eingekesselt3142GLOSSAR• TRAKEHNEN: Das Hauptgestüt galt als einMusterbetrieb für Pferdezucht und Landwirtschaft.Zu Trakehnen gehörten 16 Gutshöfe,sogenannte Vorwerke. Leiter war der Landstallmeister,dessen Sitz sich im HauptvorwerkTrakehnen befand. Die Aufgabe desGestütes bestand vornehmlich darin, Deckhengstefür die Landgestüte zu züchten unddie bäuerliche Zucht zu unterstützen. Zueinem großen Teil belieferte Ostpreußen dasMilitär mit Pferden. Die Soldaten schätztendie harten und ausdauernden Trakehner bzw.ostpreußischen Pferde.• TRAKEHNER: Pferde, die auf dem HauptgestütTrakehnen geboren wurden, hießenTrakehner. Als Brandzeichen trugen sie aufdem rechten Hinterschenkel eine einzelne,siebenzackige Elchschaufel. Das erste Stutbucherschien im Jahre 1878.• OSTPREUSSISCHES WARMBLUTPFERDTRAKEHNER ABSTAMMUNG: Nachkommender Trakehner, die nicht auf dem HauptgestütTrakehnen geboren wurden, hießen OstpreußischeWarmblutpferde Trakehner Abstammungoder schlicht Ostpreußen. Sie hattenein eigenes Brandzeichen – eine doppelteElchschaufel auf dem linken Hinterschenkel.Ihr Stutbuch gibt es seit dem Jahre 1888.Vereinfachend ist heute wieder der BegriffTrakehner gebräuchlich. Der Tradition folgendwird als Brandzeichen nur noch die doppelteElchschaufel verwendet, da es Trakehnen seitder Flucht von 1944 nicht mehr gibt.Heute ist der Trakehner bzw. das WarmblutpferdTrakehner Abstammung ein Vielseitigkeitspferd,das vor allem in der Dressur undim Vielseitigkeitssport seine Stärken zeigt.Die Rasse wird in Reinzucht gezüchtet. Dasbedeutet, dass registrierte Mutterstuten nurvon Trakehner-Zuchthengsten gedeckt werdendürfen. Zulässig ist zudem das Blut vom englischenVollbut und Arabern, die die Basis derZucht bildeten.Die eleganten Pferde mit ausdrucksstarkemKopf und großen Augen haben ein Stockmaßzwischen 160 und 170 Zentimetern. Trakehnerwerden als intelligent, verlässlich, einsatzfreudigund dem Menschen zugewandtbeschrieben.• HAUPTGESTÜT: Ein Hauptgestüt ist einestaatlich geführte Zuchtstätte, die sowohlHengste als auch Mutterstuten hält und derZucht der Landbeschäler dient. Deckhengste,die auf einem Hauptgestüt leben, werden alsHauptbeschäler bezeichnet.• L ANDGESTÜT: Landgestüte stellen privatenZüchtern ihre Deckhengste, die Landbeschäler,zur Verfügung. Auf einem Landgestütwerden keine Mutterstuten gehalten.


AUS DEM NICHTSDie Anfänge Trakehnens vor knapp300 Jahren verliefen bescheiden.Weites ödes Land und Sümpfebestimmten das Bild im NordostenPreußens. Diese Provinz wählte derpreußische König Friedrich Wilhelm I.(1688–1740) aus, um ein Zentrumder Pferdezucht zu gründen. Dieköniglichen Pferde aus verschiedenenGestüten sollten zusammengeführtund unter eine Leitung gebrachtwerden. Der Soldatenkönigveranlasste die Wiederansiedlungdes Gebietes, das nach einer Pestepidemieentvölkert war. Glaubensflüchtlinge,vor allem SalzburgerProtestanten, fanden dort eineneue Heimat.GRÜNDUNG TRAKEHNENS600 Soldaten waren sechs Jahre langdamit beschäftigt, das Land urbar zumachen. Sie legten einen rund siebenKilometer langen Kanal zurEntwässerung an und rodeten dasBuschwerk. Im Jahre 1732 schließlichwurde das Königliche StutamtTrakehnen gegründet. FriedrichWilhelm I. erhoffte sich gute ReitundKutschpferde sowie Gewinne ausdem Verkauf von Tieren. Doch seineRechnung ging nicht auf, denn dieerwarteten Einnahmen blieben aus.IN STAATSBESITZSieben Jahre später schenkte derKönig das Gestüt seinem Sohn, demspäteren Friedrich II. (1712–1786),auch Friedrich der Große genannt.Er verlangte höhere Gewinne, ohneinvestieren zu wollen, und verkauftewertvolle Zuchttiere. Nach seinemTode im Jahre 1786 gehörte dasGestüt fortan dem Staat: Ab diesemZeitpunkt begann auf dem KöniglichPreußischen Hauptgestüt Trakehnennach zaghaften Anfängen eine geordneteund wissenschaftlich begründeteZucht. Die Basis bildeten alle arabischenRassen und englische Vollblutgene.Zu den Anfangsbeständenzählten auch Pferde im Typ desSchweikenponys. Der Schweike warein einheimisches Pferd und lebte zueiner Zeit, als Deutschordensritterdas Land kolonisierten.Dampfroßwurde, gab es nur noch einen Weg inden Westen: Er führte über das FrischeHaff, eine Lagune in der Ostsee. Mit einsetzendemTauwetter gingen Mensch undTier oft knietief im bitterkalten Wasser.Hunger, Kälte, das trügerische Eis undrussische Tiefflieger, die die Trecks beschossen,brachten unzähligen Flüchtlingenund Pferden den Tod. Die meistenStuten waren zu dieser Zeit hochtragendund viele Fohlen verhungerten in ihrenBäuchen.Im WestenNur ein Bruchteil der staatseigenen Pferdeaus Trakehnen und der vier Landgestüteerreichte den Westen: 27 Original-Trakehner-Stuten,zwei Haupt- und 83 Landbeschäler.Von mehr als 25 000 Pferden ausder ländlichen Zucht, des OstpreußischenWarmblutpferdes Trakehner Abstammung,kamen nur 1 000 Tiere mit den Trecksihrer Besitzer an.Im Westen waren die Flüchtlinge meistunwillkommen und ihre Pferde vor demTod nicht sicher. „Es herrschte Mangelund die Einheimischen hatten oft für dieTreckpferde weder Futter noch ein Herz“,sagte einst der inzwischen verstorbeneJournalist und Pferdekenner Hans-HeinrichIsenbart. Und vielen Züchtern braches das Herz, wenn ihre Pferde auf Anweisungder Besatzungsmächte zum Schlachthofabtransportiert wurden. Pferde, dieihnen das Leben gerettet hatten. Die Bevölkerunglitt Not und die menschlicheErnährung stand an erster Stelle.In alle WindeDie wenigen überlebenden Trakehnerwaren nach der Flucht in alle Windezerstreut. Verloren geglaubte, beschlagnahmtePferde tauchten später in der ehemaligenDDR und im russischen GestütVollblutaraber Fetysz oxKirow in der heutigen Ukrainewieder auf. In Kirow wurde und wirddie Trakehner-Zucht weitergeführt.Nach dem Krieg gaben einige engagierteZüchter in Westdeutschlandnicht auf. Dr. Fritz Schilke, einstGeschäftsführer der ostpreußischenStutbuchgesellschaft, suchte mit geschultemBlick nach den Resten derZucht. Er lieh sich ein Trakehner-Gespann, mit dem er durch Schleswig-Holstein und Niedersachsen fuhr.„In mühevoller Arbeit identifizierte ermit seiner Frau und mithilfe der ostpreußischenStutbücher die Trakehner.Teilweise gab es keine Besitzer und diePferde waren irgendwo von Soldatenaufgegriffen worden“, erzählt ErhardSchulte, der Fritz Schilke persönlichkannte.Der Neuanfang stand unter keinemguten Stern, denn die Züchter hattenweder Land noch Geld. Die aufgespürtenTrakehner konnten schließlich inTotilas von PythagorasAuswahlbedeutenderVererberin Trakehnenvier größeren Zuchtstätten zusammengeführtwerden. Eine davon war dasGestüt Schmoel-Panker in Schleswig-Holstein (lesen Sie auch unseren Beitragab Seite 150). „Es ist eine der wesentlichenKeimzellen der neuen Trakehner-Zucht in Westdeutschland“, sagt derExperte. Die Rasse wurde nicht nur wiederaufgebaut– nach dem Krieg habenTrakehner die deutsche Pferdezuchtmaßgeblich beeinflusst. „In den 1950erJahren wurden sie herangezogen, umdie bodenständigen Warmblutrassen zuReit- und Sportpferden umzuformen“,erläutert Erhard Schulte.Die Trakehner haben überlebt. Derzeitgibt es rund 3 000 registrierte Mutterstutenund in vielen Ländern der Weltwird die Rasse weitergezüchtet. DiePferde zeigen Erfolge in der Dressurund im Vielseitigkeitssport. Aus derrussischen Zucht stammen erfolgreicheTrakehner in allen turniersportlichenSparten.In das ehemalige Landstallmeisterhaus gehen heute Kinder zur Schule.Das VermächtnisIn Jasnaja Poljana grasen heute keinePferde mehr. Der Sockel, auf dem dasTempelhüter-Denkmal stand, ist leer.Die Original-Skulptur befand sich langevor dem Pferdemuseum der TierzüchterischenFakultät in Moskau und wurdeschließlich an einen sicheren Ort gebracht.Mehrmals im Jahr führt Erhard SchulteReisegruppen ins ehemalige Trakehnen.Brachflächen, Ruinen, heruntergekommeneGebäude, bröckelnder Putz. „Esmacht den Eindruck eines verlassenenLandes“, beschreibt er. Das Herz desGestütes ist geblieben: In das Landstallmeisterhausgehen russische Kinder zurSchule. Zusammen mit dem TrakehnerTor und Reitburschenhaus konnte esdurch Spendengelder renoviert werden.Trakehnen gibt es nicht mehr, aberes hat der Nachwelt ein Vermächtnishinterlassen. Seine Pferde. Text: Tanja WobigKONTAKTTrakehner Verband, RendsburgerStraße 178a, 24537 Neumünster,Tel.: 0 43 21 / 90 27-0,www.trakehner-verband.deDenkmal von Tempelhüter in TrakehnenTEMPELHÜTER UND KEITHTempelhüter war ein bedeutender Hengst, dessenlebensgroßes Denkmal vor dem Landstallmeisterhausin Trakehnen stand. Bei der feierlichen Enthüllungim Jahre 1932 stand der alte Hengstselbst daneben. Die Bronzeskulptur wurde imZweiten Weltkrieg von der Roten Armee nachMoskau verschleppt. Ein Abguss des Denkmalsbefindet sich vor dem Deutschen PferdemuseumVerden an der Aller in Niedersachsen. Als diesesDenkmal im Jahre 1974 eingeweiht wurde, standKeith daneben – der letzte in Trakehnen geboreneHengst und Urenkel von Tempelhüter. Keith warnach der Flucht Landbeschäler im hannoverschenLandgestüt Celle. Zuletzt lebte er im niedersächsischenGifhorn bei dem Züchter Hans Steinbrück,der aus Ostpreußen stammte. Keith starb1976 im Alter von 34 Jahren.Keith mit seinem BesitzerAuf demrenoviertenTrakehnerTor ist dasGründungsjahrTrakehnensund das BrandzeichenderPferde zuerkennen.148


Tanzmusik ist die diesjährigeLandessiegerstute Schleswig-Holsteins. Vater- und Mutterstämmegehen direkt auf das HauptgestütTrakehnen zurück.LEBEN FÜR DIENamensschild an einer StallboxDas Herrenhaus nutzt die Familievon Hessen als Landsitz.öffentlich zugänglichen Teil. Ein Gedenksteinmit einem Hufeisen darauferinnert an das Pferd und seine besondereGeschichte.Panker lebt jedoch nicht nur von derHistorie. Es ist ein land- und forstwirtschaftlicherBetrieb mit einem Gutsdorf,in dem rund 80 Menschen wohnenund zu einem Teil dort arbeiten.Aus dem ehemaligen Dorfkrug istheute ein einladendes Restaurant mitHotelbetrieb geworden. Im Haupthausund gegenüber in der alten Schulekönnen Gäste in Zimmern mit Blickauf die Pferdekoppeln, Stallungenoder das Torhaus übernachten. In deneinstigen Wirtschaftsgebäuden befindensich kleine Geschäfte und Galerien.Panker ist auch ein guter Ausgangspunktfür Ausflüge in dieUmgebung wie etwa zum Hessenstein.Von dem denkmalgeschützten Aussichtsturmreicht der Blick über dieHügellandschaft der HolsteinischenSchweiz bis weit über die Ostsee.KONTAKT• GUT/GESTÜT PANKER, 24321 Panker,Tel.: 0 43 81/70 71, www.gutpanker.de,www.gestuet-panker.de • OLE LIESE:Tel.: 0 43 81/9 06 90, www.ole-liese.deVeronika von Schönings Wohnung liegt über demStall. Vom Flur kann sie in die Reithalle schauen.Junghengste im Innenhof der Stallgebäudeauf dem Gestüt PankerFast überall ist Veronika von Schöning vonPferden umgeben. Ihr Arbeitsplatz auf demGestüt Panker ist gleichzeitig auch ihr Zuhause.Vom Flur ihrer Wohnung aus kann dieZüchterin in die Reithalle sehen. Wenn sieaus dem Schlafzimmerfenster schaut, blicktsie auf einen Reitplatz im Innenhof der Stallgebäude,auf dem gerade Junghengste traben.Bilder von Pferden hängen an den Wändenund stehen auf einer Kommode. Ein Miniaturmodellvon Tempelhüter, einem berühmtenBeschäler, schmückt die Fensterbank(siehe Infotext auf Seite 149). Zu jedemdieser Pferde kann Veronika von Schöningeine Geschichte erzählen und von jedemkennt sie die Stammbäume. Trakehner habeneinen ganz besonderen Platz im Herzen derPferdewirtschaftsmeisterin. „Sie haben unsim Zweiten Weltkrieg das Leben gerettet.Für mich war klar, dass ich mein Leben denPferden widmen werde“, erzählt sie.MIT HILFE DER PFERDEAls jüngstes von sechs Kindern wurde sie1940 in Sallentin geboren, nahe dem heutigenStettin im ehemaligen Pommern. Dort lebtenihre Vorfahren seit dem 13. Jahrhundert. MitFamilie und Kindermädchen wohnte sie aufGut Sallentin. Der Vater bewirtschaftete denmehr als tausend Hektar großen Betrieb, zudem Ackerland, Schweine, Kühe und dieunentbehrlichen Trakehner Pferde gehörten.„Sallentin war in seiner Größe und Beschaffenheitähnlich wie Panker“, vergleicht Veronikavon Schöning. Im Februar 1945 floh dasDorf vor der Roten Armee. „Wir durften nichtsprechen und nicht weinen“, erinnert sie sichan den Abend des Aufbruchs. Der Kutschersteckte die Fünfjährige vorn in den Fußsack,damit sie nicht fror. Das Wollkleidchen, das siedamals trug, besitzt sie noch heute. Genausowie ein Kutschgeschirr, Stiche ihrer Vorfahrenund einen Sekretär – Habseligkeiten, die siean Sallentin erinnern.„Hörten wir die Tiefflieger, sprangen wir rechtsund links in Straßengräben oder flohen in dieWälder. Es gab eine große Dankbarkeit, wennTRAKEHNERVeronika von Schöning fasste in der Kindheit einen Entschluss:Sie wollte ihren Lebensweg mit Pferden bestreiten und wurdeeine der erfolgreichsten Trakehner-Züchterinnen.die Pferde nach dem Angriff noch da standen.“Die Treckpferde brachten die Familienicht nur heil in den Westen. Sie halfen ihrauch, sich in der Nachkriegszeit eine neueExistenz aufzubauen. In Treuholz bei BadOldesloe betrieb der Vater ein Fuhrunternehmenmit seinen zwei Trakehner Fuchsstuten,erledigte Besorgungsfahrten, brachtePassagiere zum Bahnhof und rückte Holz.KARRIERE ALS ZÜCHTERINAls junges Mädchen begann Veronika vonSchöning, junge Pferde anzureiten, auszubildenund sie gewinnbringend zu verkaufen.Eine Lehre zur Pferdewirtin folgte. Ihre Karriereals Züchterin begründete sie mit derTrakehnerstute Regina. Sie war die Tochterder treuen Reni, einem der Pferde, die denTreckwagen nach Schleswig-Holstein gezogenhatte. Mit 23 Jahren übernahm Veronika vonSchöning einen Hof in Neversfelde (Malente),wurde bald Mutter von drei Kindern undkümmerte sich um 30 Pferde.„Ich habe einmal gesagt, wenn ich alt bin,dann würde ich gern auf Panker wohnen“,erzählt sie. Dieser Wunsch ging vor drei Jahrenin Erfüllung. Mit zehn Pferden zog sie nachPanker, darunter ihre 22-jährige ReitstuteHerzlani. Neben der beratenden Tätigkeit aufDas Wollkleidchen,das Veronika vonSchöning auf derFlucht trug, hat sieaufbewahrt. Fotoserinnern sie an ihreHeimat wie das Bildvon Gut Sallentin(rechts), auf demihre Familie lebte.Veronika von Schöning und ihre Reitstute Herzlanidem Gestüt züchtet Veronika von Schöningauch eigenständig weiter. Trakehner beschreibtsie als sehr feinfühlige Pferde, die bereits alsFohlen schon häufig dem Menschen zugetanseien. „Bis heute sind die Mutterlinien, diesich direkt auf Trakehnen zurückführen lassen,die erfolgreichsten“, sagt sie.Aus ihrer Zucht stammen mehr als 30 gekörteHengste. Riesengroß war die Freude, als sieim vergangenen Jahr mit Donauruf den Siegerhengstauf dem Trakehner Hengstmarkt stellenkonnte. Seine Vorfahren mütterlicherseitsgehen auf die gemischtfarbene Herde inTrakehnen zurück. Eine ihrer gezüchtetenStuten fand jüngst ein feudales Zuhause:Dolce Luciana steht in den königlichenStallungen von Queen Elizabeth II. DonatusPrinz von Hessen, der zeitweise mit seinerFamilie auf Panker wohnt und mit der Königinverwandt ist, schenkte der Majestät das Pferdzum 60-jährigen Thronjubiläum.■ Text: Tanja Wobig, Fotos: Andrea Schneider (23)Archiv Erhard Schulte (12), Archiv Trakehner Verband (2),Trakehnenverein (1)Das Torhaus mit dem Reitplatz davor

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