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Anthropologie? - Friedrich-Schiller-Universität Jena

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13"[...] ich entwickle aus keinen willkürlichen, oder gesellschaftlichen Kräften, sondern aus derallgemeinen tierischen Ökonomie." Ebd., 716"Es ist die ganze Einrichtung aller menschlichen Kräfte; die ganze Haushaltung seinersinnlichen und erkennenden, seiner erkennenden und wollenden Natur", die beim Menschen imVerlauf der menschlichen Entwicklung eine neuartige Richtung angenommen hat. DerUnterschied [zu den Tieren] liegt "nicht in Stufen, oder Zugabe von Kräften, sondern in einerganz verschiedenartigen Richtung und Auswickelung aller Kräfte". Allein hierin besteht der"eigene Charakter der Menschheit". Ebd., 717Also: Die Umorganisation seiner tierischen Natur ist es, was den Menschen vom Tierunterscheidet.Das Ungenügen von Herders Erklärungsversuch:Herder vermag nicht anzugeben, wie es zu dieser Umorganisation gekommen ist. Und vor allemmuß auch er letztlich annehmen, daß im Menschen von Anfang an eine besondere "Naturgabe"gelegen habe - wie ein "Keim", der sich erst später entwickelt hat (ebd., 716). Dann aber wäre derMensch doch nicht, wie Herder wollte, vom Tier zum Menschen geworden, sondern wäre schonals `Tier' das Sonderwesen Mensch gewesen, das mit einer einzigartigen Fähigkeit zurUmorganisation begabt war - die nur erst später wirklich zum Tragen kam.Herder vermochte noch nicht den wirklichen Hervorgang einer Konstellation B aus einerKonstellation A zu denken, wobei einerseits die Eigentümlichkeiten von B nicht aus denen vonA ableitbar sind, andererseits aber B sich ohne den Hinzutritt irgendwelcher neuer Kräfte (oderdas bloße Hervortreten schlummernd schon vorhandener Kräfte) entwickelt hat.3. Dies aber ist genau die Struktur, die man heute durch das Stichwort "Emergenz" bezeichnet. -Hierzu einige Bestimmungen:a. Das Konzept der Emergenz denkt im Ansatz nicht `von oben', sondern `von unten': allesHöhere ist aus Niedrigerem hervorgegangen. Hier liegt die Verbindung zur evolutionistischenSichtweise. Das Höhere setzt auf Niedrigerem auf und bedarf dessen konstitutiv (Supervenienz).Wenn man das Niedrigere wegnimmt, bricht auch das Höhere zusammen.b. Gleichwohl sind die Eigenschaften des Höheren nicht aus denen des Niedrigeren abzuleiten.Das ist die Kernaussage des Emergenz-Konzepts. Man muß also, um beispielsweise dasLebendige zu verstehen, das Lebendige studieren - und nicht bloß Physikalisches undChemisches analysieren; und man muß, um das Mentale zu verstehen, das Mentale studieren -und nicht bloß neuronale Prozesse.c. Wenn das Höhere nicht aus dem Niedrigeren abzuleiten ist, dann ist es natürlich auch nichtdarauf reduzierbar. Das Emergenz-Konzept bewahrt so vor den Versuchen eines hartennaturwissenschaftlichen Reduktionismus. Wohl ist es immer wichtig, auch die niedrigerenEbenen zu analysieren. Aber damit allein ist die Aufgabe nicht erfüllt. Es gilt, zugleich dieEigendynamik des Höheren offenzulegen.

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