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Das Konzept der Triaden in Virginia Satirs Arbeit - Münchner ...

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Abdruck aus:Gaby Moskau, Gerd F. Müller (Hrsg.): Virg<strong>in</strong>ia Satir, Wege zum Wachstum.E<strong>in</strong> Handbuch für die therapeutische <strong>Arbeit</strong> mit E<strong>in</strong>zelnen, Paaren, Familien und Gruppen.Pa<strong>der</strong>born: Junfermann-Verlag (1992 ff., 3. Auflage vergriffen)<strong>Das</strong> <strong>Konzept</strong> <strong>der</strong> <strong>Triaden</strong> <strong>in</strong> Virg<strong>in</strong>ia <strong>Satirs</strong> <strong>Arbeit</strong>*Michele Baldw<strong>in</strong>Virg<strong>in</strong>ia Satir betrachtete die Familientriade als wichtigste Quelle des Lernens <strong>in</strong> den Entwicklungsjahren. Trotzaller strukturellen Schwierigkeiten stellt die Triade für das Individuum e<strong>in</strong>e schier unerschöpfliche Quelle <strong>der</strong>Kraft und För<strong>der</strong>ung dar. Im folgenden soll dargestellt werden, auf welche verschiedenen Weisen Virg<strong>in</strong>ia dastriadische <strong>Konzept</strong> <strong>in</strong> ihren <strong>Arbeit</strong>en e<strong>in</strong>gesetzt hat.In den letzten Jahren hat Virg<strong>in</strong>ia Satir das triadische <strong>Konzept</strong> als Grundlage ihrer therapeutischen Theoriebenützt (Satir und Baldw<strong>in</strong> 1983). Sie stand nicht alle<strong>in</strong> mit ihrer Auffassung, daß die Triade <strong>in</strong> unserer Welte<strong>in</strong>e entscheidende Rolle spielt. Ihre Bedeutung ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Religion (Adam, Eva und die Schlange, dieDreifaltigkeit), <strong>in</strong> <strong>der</strong> Harmonik <strong>der</strong> westlichen Musik (Len Holvik, persönliche Mitteilung, 4. März 1984) <strong>in</strong> <strong>der</strong>Physik und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychologie (Bowen 1978) und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Soziologie (Simmel 1902, 1950; Caplow 1969)gewürdigt worden. Während jedoch die meisten Autoren die Triade mit e<strong>in</strong>em Gefühl betrachteten, das e<strong>in</strong>enChristen überfällt, <strong>der</strong> an die Erbsünde denkt, hat Virg<strong>in</strong>ia Satir die Triade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em positiveren Licht gesehen.Ich möchte <strong>in</strong> diesem Aufsatz die große Bedeutung des triadischen <strong>Konzept</strong>s <strong>in</strong> Virg<strong>in</strong>ia <strong>Satirs</strong> Werk auffolgende Weise behandeln: Zuerst werde ich die Triade def<strong>in</strong>ieren und zeigen, <strong>in</strong> welcher Weise sie sich von<strong>der</strong> Monade und <strong>der</strong> Dyade unterscheidet. Zweitens möchte ich aufzeigen, daß die primäre Familientriade <strong>in</strong>den Entwicklungsjahren die wichtigste Quelle des Lernens ist. Drittens soll deutlich gemacht werden, daß dieTriade trotz <strong>der</strong> mit ihr verbundenen Schwierigkeiten e<strong>in</strong>e bedeutende Quelle <strong>der</strong> Kraft und <strong>der</strong> Unterstützungfür die betroffenen Individuen darstellt. Virg<strong>in</strong>ia Satir war fest davon überzeugt, daß die Psychotherapie unterdem Aspekt <strong>der</strong> Heilung <strong>der</strong> Ursprungstriade betrachtet werden muß. Wenn man die Probleme <strong>in</strong> ihremursprünglichen Zusammenhang mit <strong>der</strong> Triade begreift, können sie zu e<strong>in</strong>er Klärung <strong>der</strong> Gegenwart beitragen,statt sie zu stören. Im letzten Teil möchte ich darstellen, auf welche verschiedenen Arten Virg<strong>in</strong>ia Satir dieTriade dazu benützt hat, Menschen zu helfen, seien es Klienten, Studenten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fach Leute, die sichweiterentwickeln wollen und die Triade zur För<strong>der</strong>ung ihrer Entwicklung benützen wollen.Was ist e<strong>in</strong>e Triade?Die Triade kann <strong>in</strong> vieler H<strong>in</strong>sicht als Grundlage des gesamten gesellschaftlichen Lebens betrachtet werden.Viele Theoretiker beschreiben die Familie als e<strong>in</strong>e Gruppe mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verzahnter Dreiecksbeziehungen.Selbst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er perfekt funktionierenden Familie entsteht mit <strong>der</strong> Geburt des ersten K<strong>in</strong>des e<strong>in</strong>e gewisseKomplexität, die wir e<strong>in</strong>mal näher betrachten wollen. Bevor e<strong>in</strong> Individuum (e<strong>in</strong>e Monade) e<strong>in</strong>e Beziehung zue<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Individuum aufnimmt, drückt es** sich als E<strong>in</strong>heit aus und trifft auch se<strong>in</strong>e Entscheidungen ausdieser Perspektive. Se<strong>in</strong>e Gedanken, Gefühle und Handlungsweisen basieren ausschließlich auf se<strong>in</strong>eneigenen Wahrnehmungen. („Wie ich über mich denke/fühle"). Wenn zwei Individuen aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treffen und e<strong>in</strong>Paar werden, kommen drei Wahrnehmungs- und Kommunikationse<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong>s Spiel: zwei Monaden und e<strong>in</strong>eDyade, („Wie ich über dich und mich denke/fühle"). Sobald e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d dazukommt, wird die Interaktion bedeutendkomplexer: <strong>Das</strong> aus drei Personen bestehende System enthält jetzt sieben strukturelle E<strong>in</strong>heiten (dreiMonaden, drei Dyaden, e<strong>in</strong>e Triade) und noch bedeutend mehr funktionelle E<strong>in</strong>heiten. In je<strong>der</strong> <strong>der</strong> dreiMonaden Vater, Mutter, K<strong>in</strong>d stellt sich die Frage: Was denkt Mutter über sich und wie fühlt sie sich, was denktVater über sich und wie fühlt er sich, und was denkt das K<strong>in</strong>d über sich, und wie fühlt es sich. In den dreiDyaden Mutter-Vater, Mutter-K<strong>in</strong>d und Vater-K<strong>in</strong>d stellen sich folgende Fragen: Was denkt, wie fühlt und wiehandelt die Mutter ihrem Mann gegenüber und was denkt, wie fühlt und wie handelt sie ihrem K<strong>in</strong>d gegenüber?Was denkt, wie fühlt und wie handelt <strong>der</strong> Vater se<strong>in</strong>er Frau und se<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d gegenüber? Was denkt, wie fühltund wie handelt das K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>er Mutter, se<strong>in</strong>em Vater gegenüber?Wir wollen unsere Aufmerksamkeit jetzt e<strong>in</strong>mal darauf richten, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Triade vorgeht: Funktional geht esum die Beziehungen, die Mutter und Vater zum K<strong>in</strong>d, Mutter und K<strong>in</strong>d zum Vater und Vater und K<strong>in</strong>d zur Mutterhaben. Die Komplexität <strong>der</strong> Wahrnehmung und die Fragen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Familie von drei Personen aufgeworfenwerden, wird noch größer, wenn man alle Wahrnehmungen berücksichtigt, die jede <strong>der</strong> drei Personen hat.* Dieser Artikel erschien unter dem Titel „The Triadic Concept <strong>in</strong> the Work of Virg<strong>in</strong>ia Satir” <strong>in</strong> Journal of Couple Therapy, Vol. II, 1 und 2im März 1991. Copyright 1991 by The Haworth Press, Inc., 10 Alice St., B<strong>in</strong>ghamton, NY. Der Abdruck geschieht mit freundlicherZustimmung des Verlages.** „Er” und „se<strong>in</strong>” werden verwendet, weil es sich so leichter lesen läßt. Geme<strong>in</strong>t ist immer auch „sie” und „ihr”.1


Mutter, Vater und K<strong>in</strong>d nehmen nicht nur sich selbst und die an<strong>der</strong>en wahr, son<strong>der</strong>n sie machen sich auchGedanken darüber, wie die beiden an<strong>der</strong>en sie wahrnehmen, und diese Gedanken wirken sich auf ihrVerhalten aus. Wenn weitere K<strong>in</strong><strong>der</strong> geboren werden o<strong>der</strong> wenn das K<strong>in</strong>d zu e<strong>in</strong>er größeren Familie gehört,steigert sich die Komplexität <strong>der</strong> Triade geometrisch und mit ihr die Komplexität <strong>der</strong> Interaktionen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong>Familie. Die folgende Illustration zeigt, wie e<strong>in</strong>e Familie von mehr als drei Personen aus mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verbundenen Dreiecken besteht (Bowen 1978; Caplow 1969).VaterK<strong>in</strong>dK<strong>in</strong>dK<strong>in</strong>dMutterLernprozesse <strong>in</strong> <strong>der</strong> ursprünglichen TriadeIm folgenden Abschnitt wollen wir die Lernvorgänge betrachten, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> urspünglichen Triade stattf<strong>in</strong>den, unddie Prozesse untersuchen, durch die sie ausgelöst werden.Virg<strong>in</strong>ia Satir legte großes Gewicht auf die Ursprungstriade Vater, Mutter und K<strong>in</strong>d, weil das die Triade ist, <strong>in</strong><strong>der</strong> das Individuum beg<strong>in</strong>nt, se<strong>in</strong>e Persönlichkeit und se<strong>in</strong> Selbstkonzept zu entwickeln. Auf <strong>der</strong> Basis se<strong>in</strong>erErfahrung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ursprungstriade bestimmt das K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>en Platz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt und lernt, wie sehr es se<strong>in</strong>enBeziehungen zu an<strong>der</strong>en Menschen vertrauen kann.Oberflächlich betrachtet, sieht es so aus, als ob das K<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong>en Elternteil nötig hat (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die Mutter,die es großzieht); trotzdem ist es wichtig festzustellen, daß auch <strong>der</strong> Vater (o<strong>der</strong> die Er<strong>in</strong>nerung an den Vater)von Anfang an e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielt. Die Qualität <strong>der</strong> mütterlichen Fürsorge hängt wesentlich davon ab,was sich zwischen ihr und dem Vater des K<strong>in</strong>des abspielt (o<strong>der</strong> abgespielt hat). Auch wenn mehrere K<strong>in</strong><strong>der</strong>vorhanden s<strong>in</strong>d und/ o<strong>der</strong> das K<strong>in</strong>d Teil e<strong>in</strong>er größeren Familie ist, lassen sich die gleichen Grundpr<strong>in</strong>zipienanwenden, wenn auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er komplexeren Form. <strong>Das</strong> K<strong>in</strong>d ist dann Teil multipler triadischer Systeme, obwohl<strong>in</strong> solchen Fällen e<strong>in</strong>e bestimmte Triade gewöhnlich als die wichtigste betrachtet wird.Wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d auf die Welt kommt, ist es völlig hilflos und hängt von den Erfahrungen, <strong>der</strong> Orientierung unddem Verhalten <strong>der</strong> beiden Menschen ab, die se<strong>in</strong>en Kurs bestimmen (auch wenn e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> beiden nur <strong>in</strong> <strong>der</strong>Er<strong>in</strong>nerung o<strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Fantasie existiert). In diesem Zustand hängt se<strong>in</strong> Überleben von <strong>der</strong> Fürsorge ab, dieihm se<strong>in</strong>e Eltern angedeihen lassen. je<strong>der</strong> Erwachsene, ganz gleich, welche Benachteiligungen er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erfrühen K<strong>in</strong>dheit erlebt hat, ist <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Weise umsorgt worden: e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß an Nahrung und Liebewaren für se<strong>in</strong> körperliches und seelisches Überleben unabd<strong>in</strong>gbar.<strong>Das</strong> K<strong>in</strong>d stellt sich folglich die Eltern als allmächtig vor. Ihre Körpergröße und die Tatsache, daß sie dem K<strong>in</strong>dLiebe und Fürsorge geben o<strong>der</strong> vorenthalten können, bestärken es <strong>in</strong> dieser Annahme. Unabhängig davon, obdie Eltern es gut mit dem K<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>en und es lieben, erlebt es sich am Anfang se<strong>in</strong>es Lebens als schwach undhilflos. Die liebevollsten Absichten <strong>der</strong> Eltern können das K<strong>in</strong>d nicht vor <strong>der</strong> Überlegung schützen, daß je<strong>der</strong>Mensch sich letzten Endes alle<strong>in</strong> mit dem Leben ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen muß. Deshalb nützt jedes K<strong>in</strong>d alles aus,was es sieht, hört und versteht, um sich e<strong>in</strong> Bild von <strong>der</strong> Welt zu machen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> es lebt.Diese <strong>in</strong>tensiven Erlebnisse, die <strong>in</strong> den ersten Lebensmonaten völlig unbewußt ablaufen, werden im Laufe <strong>der</strong>Zeit immer bewußter. Da es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur des Menschen liegt, <strong>in</strong> allem, was um ihn herum vorgeht, e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>nzu suchen, wird das K<strong>in</strong>d alles, was es nicht ohne weiteres versteht, durch Produkte <strong>der</strong> eigenen Fantasieersetzen. Später wird dann aus den bewußten und unbewußten Er<strong>in</strong>nerungen an die K<strong>in</strong>dheit e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressanteMischung aus Dichtung und Wahrheit, die sich sowohl auf se<strong>in</strong> Selbst und se<strong>in</strong>e Weltanschauung als auch aufse<strong>in</strong>e Fähigkeit, mit dem Leben zurechtzukommen, auswirken kann. E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das <strong>in</strong> den erstenLebensmonaten Gefühle des Verlassense<strong>in</strong>s erlebt, wird später Schwierigkeiten haben, enge Beziehungene<strong>in</strong>zugehen, weil es (häufig unbewußt) Angst davor hat, wie<strong>der</strong> verlassen zu werden. Wenn das K<strong>in</strong>d sich dieGefühle des Verlassense<strong>in</strong>s damit erklärt hat, daß es nicht genügend geliebt worden ist, kann es zu demSchluß kommen, daß es nicht liebenswert ist.Außerdem entwickelt es ganz früh im Leben <strong>in</strong>nerhalb dieser Ursprungstriade Mechanismen, die <strong>der</strong>Streßbewältigung dienen. Die damit verbundenen Lernvorgänge bestimmen, wie <strong>der</strong> Mensch mit <strong>der</strong> Umweltfertig wird, es sei denn, sie würden später durch neue Lern<strong>in</strong>halte ersetzt. Von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung istdabei, daß es sehr schwierig ist, unbewußt und vor allem präverbal Gelerntes zu löschen.Um das anschaulich zu machen, wollen wir e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> hypothetisches K<strong>in</strong>d auf die Welt br<strong>in</strong>gen und es Charlienennen. Wir wollen die Entwicklung se<strong>in</strong>er Person, se<strong>in</strong>er Identität und se<strong>in</strong>es Selbstwerts <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Triadeverfolgen und außerdem beschreiben, wie sich se<strong>in</strong> Gefühl über sich selbst entwickelt und wie er lernt,Beziehungen zu den an<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Triade aufzubauen. Aus <strong>der</strong> Art, wie er von se<strong>in</strong>er Mutterbehandelt wird, lernt er, was er von Frauen erwarten kann. In <strong>der</strong> Eriksonschen Term<strong>in</strong>ologie ausgedrückt heißtdas, er entwickelt Urvertrauen o<strong>der</strong> Urmißtrauen. Außerdem lernt er, wie er se<strong>in</strong>er Mutter Freude o<strong>der</strong> Ärgerbereiten kann, was durchaus Vorbild dafür se<strong>in</strong> kann, wie er später an<strong>der</strong>en Frauen Freude o<strong>der</strong> Ärger bereitet.Aus <strong>der</strong> Art, wie er von se<strong>in</strong>em Vater behandelt wird, lernt Charlie, was er von Männern zu erwarten hat. Wenner e<strong>in</strong>en sehr dom<strong>in</strong>ierenden Vater hat (o<strong>der</strong> wenn er se<strong>in</strong>en Vater so erlebt, weil er so groß ist, e<strong>in</strong>e lauteStimme hat usw.), kann es se<strong>in</strong>, daß er später als Erwachsener Angst vor Männern hat, zum<strong>in</strong>dest vor solchen,2


die se<strong>in</strong>e Vorgesetzten s<strong>in</strong>d. Es gibt noch viele Variablen, die se<strong>in</strong>e späteren Beziehungen Männern gegenüberprägen, aber vor allem wird Charlie sich auch e<strong>in</strong> Bild davon machen, was es heißt, Vater zu se<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong>ezukünftige Vaterrolle kann durch dieses Vorbild geprägt werden, sei es daß er es übernimmt o<strong>der</strong> sich dagegenauflehnt. <strong>Das</strong> allerd<strong>in</strong>gs wird nur dann <strong>der</strong> Fall se<strong>in</strong>, wenn sich Charlie später diese frühen Lernprozessebewußt macht und sie durch neue ersetzt. Denn nur dann kann er als Erwachsener selbst bestimmen, wie erse<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> erziehen will.Die Art und Weise, wie die Eltern mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> umgehen, ist e<strong>in</strong> Vorbild für die Beziehungen zwischen Mannund Frau. Wenn <strong>der</strong> Vater die Mutter ständig kritisiert und unter Druck setzt, wird es dem K<strong>in</strong>d späterschwerfallen, sich se<strong>in</strong>er zukünftigen Frau gegenüber an<strong>der</strong>s zu verhalten. Wenn se<strong>in</strong>e Mutter dem Vaterimmer gut zugeredet hat, wird er sich letzten Endes auch e<strong>in</strong>e Frau suchen, die ihm gut zuredet. Se<strong>in</strong>eEntwicklung wird wegen <strong>der</strong> zahlreichen Beobachtungen, die er bei se<strong>in</strong>en Eltern macht, durch viele Variablenbee<strong>in</strong>flußt.Diese triadischen Lernprozesse s<strong>in</strong>d deshalb so kompliziert, weil das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> dyadischenBeziehung, die es zu jedem e<strong>in</strong>zelnen Elternteil hat, möglicherweise etwas ganz an<strong>der</strong>es erlebt als <strong>in</strong> <strong>der</strong>triadischen Beziehung. Stellen wir uns e<strong>in</strong>mal vor, was mit Charlie passiert, wenn er am Daumen lutscht. Mary,se<strong>in</strong>e Mutter, freut sich, weil sie weiß, daß Charlie sich dann wohlfühlt. Se<strong>in</strong> Vater Fred macht sich dagegengroße Sorgen um Charlies Zähne (weil er sich womöglich an e<strong>in</strong>e ähnliche Situation <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit er<strong>in</strong>nert)und zieht ihm den Daumen sofort aus dem Mund. Charlie, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong>telligentes K<strong>in</strong>d ist, lernt auf diese Weiseschon früh im Leben, nicht am Daumen zu lutschen, wenn <strong>der</strong> Vater anwesend ist - zum<strong>in</strong>dest wenn er darandenkt. <strong>Das</strong> ist ihm nicht sehr angenehm (und kann sogar dazu führen, daß er dem Vater aus dem Weg geht),aber es bedeutet für ihn nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en Konflikt, denn er hat sich bereits damit abgefunden, daß beideElternteile unterschiedliche Erwartungen an ihn haben. Problematisch wird das Ganze allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> demAugenblick, <strong>in</strong> dem Charlie <strong>in</strong> Anwesenheit bei<strong>der</strong> Elternteile am Daumen lutscht. Dann gibt es verschiedeneMöglichkeiten, von denen sich jede auf e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Weise auf Charlies Entwicklung auswirkt.Wenn sich Fred und Mary heiß und <strong>in</strong>nig lieben, aus diesem Grund Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen vermeiden undnichts sagen, lernt Charlie, daß er se<strong>in</strong>em Vater immer <strong>in</strong> Anwesenheit <strong>der</strong> Mutter um etwas bitten sollte, weiler dann nicht ne<strong>in</strong> sagen kann.Die zweite Möglichkeit ist, daß Fred Mary für Charlies Daumenlutschen verantwortlich macht und ihr vorwirft,e<strong>in</strong>e verantwortungslose, schlechte Mutter zu se<strong>in</strong>, o<strong>der</strong> daß sie Charlie das Daumenlutschen erlaubt, nur umihn, den Vater, zu ärgern. Also sagt er zu Mary: „Nimm de<strong>in</strong>em Sohn den Daumen aus dem Mund! ” Wenn Marygehorcht, lernt Charlie, daß er se<strong>in</strong>e Mutter besser dann um etwas bittet, wenn <strong>der</strong> Vater nicht anwesend ist.Möglicherweise sagt Mary zu Fred: „Warum machst du es nicht selbst”, und Charlie wird Zeuge, wie se<strong>in</strong>eEltern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Streit geraten, <strong>der</strong> nichts mehr mit se<strong>in</strong>em Daumen zu tun hat, son<strong>der</strong>n mit <strong>der</strong> Frage, wer dasRecht hat, dem an<strong>der</strong>en vorzuschreiben, was er zu tun hat. Charlie lernt auf diese Weise, daß er Streitzwischen se<strong>in</strong>en Eltern auslösen kann - und fühlt sich deshalb schuldig o<strong>der</strong> bekommt e<strong>in</strong> Gefühl <strong>der</strong> Macht. Erlernt darüber h<strong>in</strong>aus, daß er <strong>in</strong> dem Augenblick, <strong>in</strong> dem se<strong>in</strong>e Eltern anfangen, sich zu streiten, selbst nichtmehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schußl<strong>in</strong>ie ist.E<strong>in</strong>e dritte Möglichkeit kann so aussehen, daß Fred zwar etwas gegen den Daumen hat, das Thema aber <strong>in</strong>dem Augenblick fallen läßt, <strong>in</strong> dem Mary sagt: „<strong>Das</strong> sehe ich nicht so, ich glaube, Charlie fühlt sich wohl, wenner am Daumen lutschen kann.” In diesem Fall lernt Charlie, daß se<strong>in</strong>e Mutter se<strong>in</strong>e Partei ergreift und ihnunterstützt; also beschließt er, ihr zu vertrauen. Die Kehrseite dieser Medaille ist, daß Charlie womöglich <strong>in</strong>dem Bewußtse<strong>in</strong> heranwächst, daß Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie die Macht haben und Männer schwach s<strong>in</strong>d.<strong>Das</strong> Daumenlutschen ist nur e<strong>in</strong>es von vielen Problemen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung. Es läßt erkennen, <strong>in</strong> welcherWeise Charlie etwas über eigene Macht o<strong>der</strong> Ohnmacht erfährt und etwas über menschliches Verhalten lernt.Bei den geschil<strong>der</strong>ten drei Möglichkeiten erfährt er etwas über die möglichen Koalitionen mit e<strong>in</strong>em Elternteilgegen den an<strong>der</strong>en. Er erkennt außerdem, welche verschiedenen Möglichkeiten <strong>der</strong> Manipulation ihm <strong>in</strong>solchen Situationen zur Verfügung stehen. Es braucht wohl nicht erwähnt zu werden, daß dieser Prozeß beie<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Mädchen genauso ablaufen würde, auch wenn es beim Ergebnis e<strong>in</strong>ige Unterschiede gebenkönnte, die damit zusammenhängen, daß e<strong>in</strong>e Prägung, die von e<strong>in</strong>em gleichgeschlechtlichen Elternteilausgeht, e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Wirkung hat als die von e<strong>in</strong>em gegengeschlechtlichen.Zum Glück stellen die geschil<strong>der</strong>ten Möglichkeiten nicht die ganze Wahrheit dar. Wir werden im nächstenAbschnitt sehen, <strong>in</strong> dem wir die Wirkungsweise <strong>der</strong> nährenden Triade beschreiben, daß auch e<strong>in</strong> positiveresErgebnis möglich ist.Die Grundlage für Charlies Selbstwertgefühl, also was Charlie von sich hält, wird auch <strong>in</strong>nerhalb dieserUrspungstriade geprägt. Es ist, wie schon erwähnt, fast schon e<strong>in</strong> Charakteristikum dieser Triade, daß sichgelegentlich e<strong>in</strong>e Person <strong>in</strong> bestimmten Situationen ausgeschlossen fühlt. <strong>Das</strong> trifft zwar auch auf Mary undFred zu, wir wollen uns hier jedoch auf Charlie konzentrieren, weil wir se<strong>in</strong>e Entwicklung zum Erwachsenenunter die Lupe nehmen. Wir beschreiben e<strong>in</strong>mal die Mechanismen, die dabei e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Die wichtigsteKommunikation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ursprungstriade f<strong>in</strong>det zu e<strong>in</strong>em gegebenen Zeitpunkt jeweils zwischen zwei Personenstatt: Mutter-Vater, Mutter-K<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> Vater-K<strong>in</strong>d. Wenn Charlie das Gefühl hat, von vielen Interaktionenausgeschlossen zu se<strong>in</strong>, kann er das als Zurückweisung erleben, sich für nicht liebenswert halten und dadurche<strong>in</strong> sehr ger<strong>in</strong>ges Selbstwertgefühl entwickeln. Wenn er nicht im Mittelpunkt <strong>der</strong> Triade steht, kann er dasGefühl bekommen, daß die an<strong>der</strong>en etwas Besseres vorhaben. E<strong>in</strong> solches Gefühl schafft Streß und kann beiCharlie dysfunktionale und <strong>in</strong>kongruente Reaktionen hervorrufen. Es kann se<strong>in</strong>, daß er die Gefühle ignoriert3


o<strong>der</strong> ablehnt, daß er se<strong>in</strong>en Eltern den Vorwurf macht, sie liebten ihn nicht o<strong>der</strong> es kann bei ihm durch e<strong>in</strong>solches Erlebnis zi e<strong>in</strong>er Verzerrung <strong>der</strong> Realität kommen.Die Ursprungstriade ist also <strong>der</strong> Ort, an dem K<strong>in</strong><strong>der</strong> ihre ersten Erfahrungen mit Zugehörigkeit undAusgeschlossense<strong>in</strong> machen, und so e<strong>in</strong> Gefühl dafür bekommen, wo ihr Platz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt ist. Wenn dieseLernprozesse nicht durch spätere Erlebnisse modifiziert werden, formen sie ihre Persönlichkeit.Die nährende TriadeCharlies Erfahrungen haben ihm gezeigt, daß das Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ursprungstriade mannigfache Schwierigkeitenmit sich br<strong>in</strong>gt, die sich auch noch im Erwachsenenalter negativ auswirken können. Wir werden später e<strong>in</strong>ige<strong>der</strong> korrektiven Maßnahmen betrachten, mit <strong>der</strong>en Hilfe Charlie lernen kann, als Erwachsener besserzurechtzukommen. Ziel dieses Abschnitts ist es, zu zeigen, daß es trotz dieser potentiellen Probleme, die<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er gestörten Ursprungstriade entstehen können, möglich ist, K<strong>in</strong><strong>der</strong> großzuziehen, die später alsErwachsene e<strong>in</strong> hohes Selbstwertgefühl haben. Individuen, Familie und Gesellschaft müssen lernen, e<strong>in</strong>enährende Triade aufzubauen, denn sie ist für die seelische Gesundheit <strong>der</strong> Menschen von entscheiden<strong>der</strong>Bedeutung.Die Ursprungstriade kann <strong>der</strong> Platz se<strong>in</strong>, an dem sich je<strong>der</strong> wohl fühlt und an dem es zu e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>s<strong>in</strong>tensiven Kooperation kommt. In e<strong>in</strong>er solchen Triade s<strong>in</strong>d sich alle drei Personen darüber e<strong>in</strong>ig, ihre Kräfte zuvere<strong>in</strong>en und Möglichkeiten zu schaffen, die je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne nach Bedarf nützen kann. Die strukturellenMerkmale e<strong>in</strong>er solchen Triade unterscheiden sich nicht von denen e<strong>in</strong>er dysfunktionalen Triade. DerUnterschied liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>sweise <strong>der</strong> Triade, die allen Beteiligten zu e<strong>in</strong>em hohen Selbstwertgefühl verhilft.Wir wollen e<strong>in</strong>mal die Merkmale e<strong>in</strong>er gesunden Triade betrachten, die wir als Orientierung für die seelischeGesundheit und Vorsorge betrachten. <strong>Das</strong> erste Merkmal e<strong>in</strong>er gesunden Triade besteht dar<strong>in</strong>, daß je<strong>der</strong> dieFreiheit hat, zu kommentieren und zu reagieren. Je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne kann se<strong>in</strong>en Gefühlen Ausdruck verleihen,ohne deshalb getadelt zu werden. In e<strong>in</strong>er Atmosphäre, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist, kann dasK<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Eltern wissen lassen, daß es sich ausgeschlossen fühlt. <strong>Das</strong> bedeutet nicht, daß die Eltern dasunterbrechen müssen, was sie gerade tun, um sich ihm zu widmen, son<strong>der</strong>n daß sie se<strong>in</strong>e Gefühle würdigenund dann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, angemessen darauf zu reagieren. In e<strong>in</strong>er solchen Triade repräsentieren die Wörter„Ja” und „Ne<strong>in</strong>” die Realität des Augenblicks und werden nicht als Symbole für Liebe o<strong>der</strong> Mangel an Liebeverwendet.<strong>Das</strong> zweite Merkmal e<strong>in</strong>er gesunden Triade besteht dar<strong>in</strong>, daß je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne die Freiheit hat, die Art undWeise, wie er die Situation erlebt, zu kommentieren und/o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Wahrnehmungen zu überprüfen. Wiewichtig das ist, wird e<strong>in</strong>em klar, wenn man sich vor Augen führt, daß <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dysfunktionalen Triade e<strong>in</strong>esolche Überprüfung unmöglich ist, was dazu führt, daß solche Wahrnehmungen ungeprüft als Tatsachenangesehen werden. Je größer die Störung e<strong>in</strong>er Triade ist, um so wahrsche<strong>in</strong>licher ist es, daßKommunikationen auf e<strong>in</strong>er komplexen Ebene von Interpretationen stattf<strong>in</strong>den, die als Tatsachen angesehenwerden. So kann e<strong>in</strong>e Frau, <strong>der</strong>en Mann ihren Hochzeitstag vergessen hat, möglicherweise zu dem Schlußkommen, daß er sie nicht mehr liebt. Wenn das als Tatsache angesehen wird, kann e<strong>in</strong>e solche Interpretatione<strong>in</strong>e Law<strong>in</strong>e schwerer Kommunikationsstörungen auslösen, woh<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Frage genügt hätte, umzu klären, daß <strong>der</strong> Mann sich <strong>in</strong>tensiv mit e<strong>in</strong>em Geschäftsproblem beschäftigt hat, für das er ke<strong>in</strong>e Lösungf<strong>in</strong>den konnte.<strong>Das</strong> dritte Merkmal e<strong>in</strong>er gesunden Triade besteht dar<strong>in</strong>, daß es ke<strong>in</strong>en Zwang zur Konformität gibt. Je<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelne darf denken, fühlen und sich so verhalten und entwickeln, wie er will. In dem hier gezeigten Beispielwürde Fred Mary se<strong>in</strong>e Befürchtungen im H<strong>in</strong>blick auf die Zahnprobleme mitteilen, die Charlie durch se<strong>in</strong>Daumenlutschen drohen. Dann könnte Mary sagen, daß es für sie aber wichtiger wäre, daß Charlie sich wohlfühlt, wenn er am Daumen lutscht. Nach e<strong>in</strong>em <strong>der</strong>artigen Gedankenaustausch könnten beide danngeme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>e Lösung f<strong>in</strong>den, wie man Charlie auf an<strong>der</strong>e Weise glücklich machen o<strong>der</strong> dasDaumenlutschen e<strong>in</strong>schränken könnte. Charlie, <strong>der</strong> diese Interaktion beobachtet, kann daraus lernen, wie mansolche Probleme mit gegenseitigem Respekt behandelt, und braucht sich - ganz gleich zu welchem Ergebnisdas Gespräch führt - nicht schuldig zu fühlen, weil er Differenzen zwischen se<strong>in</strong>en Eltern ausgelöst hat.Außerdem wird er lernen, daß Menschen sich verständigen können und ihre Differenzen nicht als Waffengegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> e<strong>in</strong>setzen müssen.Und schließlich kann e<strong>in</strong>e Paarbildung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Triade ohne großes Risiko stattf<strong>in</strong>den. Der Vater istglücklich, weil er sieht, wie gut sich se<strong>in</strong>e Frau um das K<strong>in</strong>d kümmert, und wenn er sich ausgeschlossen fühlt,kann er das sagen und muß sich deshalb nicht zurückgesetzt fühlen. Die Mutter kann sich freuen, wenn siesieht, wie ihr Mann und ihr K<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>sam etwas unternehmen, und das K<strong>in</strong>d weiß, daß se<strong>in</strong>e Eltern e<strong>in</strong>Recht darauf haben, e<strong>in</strong>e gewisse Zeit ungestört mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbr<strong>in</strong>gen zu können. In e<strong>in</strong>er solchen Triadekommt es zu den drei möglichen Paarbildungen, wobei die Übergänge fließend s<strong>in</strong>d. Die „ausgestoßene”Person weiß zu je<strong>der</strong> Zeit, daß es nicht lange dauern wird, bis auch sie wie<strong>der</strong> im Vor<strong>der</strong>grund steht.Entscheidend ist dabei, daß je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne das Bewußtse<strong>in</strong> hat, das Zentrum se<strong>in</strong>es eigenen Universums zuse<strong>in</strong>, und daß ihm klar ist, daß das bei den an<strong>der</strong>en genau so ist. <strong>Das</strong> grundsätzliche Dilemma <strong>der</strong> Triade,e<strong>in</strong>en Freiraum für drei Leute zu schaffen, wo doch immer nur zwei zur gleichen Zeit e<strong>in</strong>e bedeutsameInteraktion haben können, wird akzeptiert. E<strong>in</strong>e solche Erkenntnis wird dem Menschen jedoch nicht <strong>in</strong> dieWiege gelegt: als Säugl<strong>in</strong>g kennt er nur se<strong>in</strong>e eigenen Bedürfnisse. Die Eltern haben die wichtige Aufgabe,4


dem K<strong>in</strong>d Vorbild zu se<strong>in</strong>, damit es lernen kann, die Bedürfnisse <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu respektieren und sich auchdann wohlzufühlen, wenn es nicht im Mittelpunkt steht. Virg<strong>in</strong>ia Satir schreibt <strong>in</strong> ihrem Buch Peoplemak<strong>in</strong>g(1972, S. 152) „Die Herausfor<strong>der</strong>ung des Familienlebens besteht dar<strong>in</strong>, daß man Wege f<strong>in</strong>den muß, wie je<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelne teilnehmen o<strong>der</strong> den an<strong>der</strong>en zuschauen kann, ohne das Gefühl zu bekommen, daß er nicht zählt... "Die Ursprungstriade als LernfeldNach dieser Beschreibung <strong>der</strong> Bedeutung, die die Triade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung des Individuums hat, möchte ichdarstellen, daß dieses <strong>Konzept</strong> die Grundlage <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong> Virg<strong>in</strong>ia <strong>Satirs</strong> ist.In ihren Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs-Workshops* tritt die große Bedeutung <strong>der</strong> Triade für die Entwicklung <strong>der</strong> Identität und desSelbstwertgefühls des Individuums sehr deutlich zutage. Virg<strong>in</strong>ia Satir hat e<strong>in</strong>e Reihe von Grundübungen undviele Variationen dieser Übungen entwickelt, die die Gefühle deutlich machen, die <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Triadeentstehen. Die Teilnehmer haben Gelegenheit, die alten Schmerzen und Ängste aus <strong>der</strong> Ursprungstriadewie<strong>der</strong>zuerleben und zu erkennen, auf welche Weise sie dadurch geh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wurden, ihr Leben voll auszuleben,und sie können gleichzeitig lernen, besser mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu kommunizieren. <strong>Das</strong> Ganze konzentriert sich auf dieEntwicklung e<strong>in</strong>er fürsorglichen, liebevollen Triade. Ich werde e<strong>in</strong>ige dieser Übungen beschreiben und hoffe,daß ich dem Leser e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck davon vermitteln kann, wie sie funktionieren.Bei e<strong>in</strong>er dieser Übungen sollen sich die Teilnehmer mit dem Problem <strong>der</strong> Zugehörigkeit und desAusgeschlossense<strong>in</strong>s ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen. Sie werden gebeten, sich <strong>in</strong> Dreiergruppen zusammenzutun unddarauf zu achten, was sie empf<strong>in</strong>den, wenn sich die beiden an<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> befassen.Manchmal werden sie gebeten, e<strong>in</strong>e Ursprungstriade Mutter-Vater-K<strong>in</strong>d zu bilden. Solche Übungen s<strong>in</strong>d zwarnur kurz, lösen aber häufig starke Gefühle aus. Die Ausgeschlossenen berichten den an<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong>Triade sehr oft, daß sie das Gefühl hatten, ausgestoßen, ja sogar zurückgewiesen worden zu se<strong>in</strong>. Mancheberichten außerdem, daß sie gern dazu gehört hätten, sich aber aus Angst vor dem „Ne<strong>in</strong>” nicht getraut hättenzu fragen. An<strong>der</strong>e geben an, sie hätten angefangen, sich aus <strong>der</strong> Situation zurückzuziehen. Manche fügenh<strong>in</strong>zu, daß ihre Reaktion auf diese Übung sie an ähnliche Situationen im wirklichen Leben er<strong>in</strong>nere, <strong>in</strong> denensie dann beleidigt o<strong>der</strong> neidisch auf die Beziehung zwischen den beiden an<strong>der</strong>en gewesen seien. Häufigwerden Gefühle aus <strong>der</strong> frühen K<strong>in</strong>dheit geweckt.Man kann diese Übung auf mannigfache Weise variieren. Der Beobachter kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Situation gebrachtwerden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konflikt zwischen den beiden an<strong>der</strong>en vermitteln kann, was ihm e<strong>in</strong> Gefühl <strong>der</strong>Macht gibt. O<strong>der</strong> man kann ihn bitten zu versuchen, e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> beiden an<strong>der</strong>en o<strong>der</strong> beide auf sich aufmerksammachen kann. Auch <strong>in</strong> diesen Fällen zeigt die anschließende Diskussion, wie sehr diese Übung dem wirklichenLeben ähnelt.E<strong>in</strong>ige Übungen legen den Schwerpunkt auf das, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ursprungstriade geschieht, wenn Vater und Muttersich <strong>in</strong> Anwesenheit des K<strong>in</strong>des streiten. Was geht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d vor, wenn Mutter und Vater sich gegenseitigVorwürfe machen o<strong>der</strong> wenn e<strong>in</strong>er Vorwürfe macht und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e versucht zu beschwichtigen usw ...? Auch<strong>in</strong> solchen Fällen führen die Gefühle <strong>der</strong> Teilnehmer e<strong>in</strong>er solchen Triade zu Erkenntnissen darüber, was <strong>in</strong><strong>der</strong>artigen, immer wie<strong>der</strong> vorkommenden Situationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d und/ o<strong>der</strong> beiden Eltern vorgeht.Die bisher erwähnten Übungen geben ke<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s positives Bild <strong>der</strong> Erlebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Triade, weil dabeimit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> Teilnehmer, wenn nicht alle, negative Gefühle haben. Aber es gibtauch Übungen, die die positiven Aspekte <strong>der</strong> triadischen Situation betonen. <strong>Das</strong> geschieht, wenn dieBetroffenen e<strong>in</strong> grundsätzliches Bewußtse<strong>in</strong> für die menschliche Existenz haben und h<strong>in</strong>nehmen können, daßsie aus e<strong>in</strong>er Situation ausgeschlossen s<strong>in</strong>d, und gleichzeitig alle Gefühle respektieren können, die als Folgeihrer Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Triade entstehen. Wenn sie diese Gefühle akzeptieren, können sie auch mitden an<strong>der</strong>en darüber reden, was mit Sicherheit zu e<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Atmosphäre führt.Bei länger dauernden Workshops steht die Triade im Mittelpunkt des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs. Je<strong>der</strong> Therapeut o<strong>der</strong> je<strong>der</strong>,<strong>der</strong> Virg<strong>in</strong>ia <strong>Satirs</strong> Methode <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em professionellen o<strong>der</strong> persönlichen Leben anwenden will, muß sowohl dieProzesse <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er eigenen Ursprungstriade als auch die <strong>der</strong> gegenwärtigen Triade analysiert haben. Er mußerkennen, auf welche Weise triadische Prozesse zwischenmenschliche Beziehungen bee<strong>in</strong>flussen und wietriadische Kräfte se<strong>in</strong> eigenes Leben geformt haben. Mit <strong>der</strong> Zeit werden die meisten <strong>Triaden</strong> auch destruktive,schmerzhafte und ungeeignete Lern<strong>in</strong>halte zu Tage för<strong>der</strong>n. Durch sie wird <strong>der</strong> Mensch dazu angeregt, sichselbst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em neuen Licht zu sehen. Die Triade stellt e<strong>in</strong> ausgezeichnetes Versuchslabor dar, <strong>in</strong> dem dieMitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Gefühl für die Schmerzen und Ängste ihrer frühen K<strong>in</strong>dheit entwickeln und sie besser verstehenkönnen. Darüber h<strong>in</strong>aus wird ihre Fähigkeit zur kongruenten Kommunikation gesteigert.Je<strong>der</strong> Teilnehmer bekommt Gelegenheit, sich die Partner für se<strong>in</strong>e Triade auszusuchen. In den meisten Fällenstrahlen diese <strong>Triaden</strong> bei <strong>der</strong> Begegnung mit <strong>der</strong> größeren Gruppe schon nach kurzer Zeit e<strong>in</strong>e gewisseEuphorie aus, weil je<strong>der</strong> Kontakt zu zwei an<strong>der</strong>en Menschen gefunden hat, von denen er sich <strong>in</strong> positiverWeise angezogen fühlt. Gewöhnlich stellt sich schon nach kurzer Zeit heraus, daß diese Attraktion auf etwasVertrautes zurückzuführen ist, das man <strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en entdeckt hat. Dieses Phänomen, das daraus besteht,daß man Eigenschaften o<strong>der</strong> Attribute von Menschen, die e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit nahegestanden haben,auf e<strong>in</strong>e Person <strong>der</strong> Gegenwart überträgt, läuft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel unbewußt ab und ist bei losen Bekanntschaftenauch harmlos.* Zusätzlich zu ihren vielen Workshops, die seit 1971 <strong>in</strong> <strong>der</strong> ganzen Welt stattfanden, haben Virg<strong>in</strong>ia Satir und nach ihrem TodTra<strong>in</strong>er/<strong>in</strong>nen des Avanta Network außerdem e<strong>in</strong>monatige, erfahrungsorientierte Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gssem<strong>in</strong>are <strong>in</strong> Crested Butte, Colorado,durchgeführt.5


In <strong>in</strong>tensiveren Beziehungen, sowohl <strong>in</strong> Intimbeziehungen o<strong>der</strong> Beziehungen, die mit <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>zusammenhängen, als auch im „triadischen Versuchslabor” kann diese Vertrautheit Probleme verursachen. Sieist häufig auf e<strong>in</strong>e Ähnlichkeit mit den Eltern o<strong>der</strong> Geschwistern zurückzuführen - die <strong>in</strong> den meisten Fällennicht bewußt erkannt wird. Es kann also gut passieren, daß die triadischen Partner früher o<strong>der</strong> später <strong>in</strong>Situationen geraten, die Gefühle auslösen, durch die sie „fixiert” werden, Gefühle, die nichts mit <strong>der</strong>gegenwärtigen Triade zu tun haben.Probleme des Überlebens s<strong>in</strong>d solche, denen wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit hilflos ausgeliefert waren, weil wir nichtwußten, wie wir sie lösen sollten. Wenn uns solche Überlebensprobleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegenwart begegnen, ist unsoft <strong>der</strong> Zugang zu den Lösungsmechanismen versperrt, die uns sonst zur Verfügung stehen. Es ist sogarabsolut sicher, daß Überlebensprobleme o<strong>der</strong> Streßerlebnisse <strong>der</strong> frühen K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiventriadischen Beziehung reaktiviert werden. Gelegentlich kann dieses Erkennen e<strong>in</strong>er Vertrautheit mit e<strong>in</strong>empositiven o<strong>der</strong> negativen Stereotyp o<strong>der</strong> Vorurteil zusammenhängen, was wie<strong>der</strong>um nichts mit <strong>der</strong>gegenwärtigen Situation zu tun haben muß. E<strong>in</strong>e Frau, die 1983 an e<strong>in</strong>er „Summer Process Community”teilgenommen hat, beschreibt ihre Erlebnisse folgen<strong>der</strong>maßen:„Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> ist mir klar, warum ich mir diese bestimmte Triade ausgesucht habe... Jean schien mir e<strong>in</strong> mütterlicherTyp zu se<strong>in</strong>, sie war stoisch, <strong>in</strong>telligent und hatte S<strong>in</strong>n für Humor. Dave er<strong>in</strong>nerte mich an me<strong>in</strong>en Vater - unnahbar,reserviert und <strong>in</strong>telligent... Diese beiden Persönlichkeiten s<strong>in</strong>d mir vertraut... <strong>Das</strong> erste Anzeichen e<strong>in</strong>er gewissenSpannung erlebte ich, als ich feststellte, wieviel Zeit Jean und Dave damit verbrachten, über ihre geme<strong>in</strong>samenAktivitäten zu diskutieren. Ich bekam dadurch e<strong>in</strong> Gefühl, <strong>in</strong> dieser triadischen Beziehung nicht gleichberechtigt zu se<strong>in</strong>.”Im „triadischen Versuchslabor” haben die Teilnehmer die seltene Gelegenheit, die Probleme, mit denen sie <strong>in</strong> ihremfrüheren Leben konfrontiert wurden, durchzuarbeiten. Wenn ihnen das Wesen <strong>der</strong> Triade klar wird, fällt es ihnen leichter,sich damit abzuf<strong>in</strong>den, daß man nicht zu je<strong>der</strong> Zeit jedem Mitglied die gleiche Aufmerksamkeit schenken kann. Die meistenbegreifen dann, daß <strong>in</strong> vielen Interaktionen <strong>der</strong> Triade e<strong>in</strong>er ausgeschlossen ist, da nur zwei Personen gleichzeitig direktenkörperlichen und visuellen Kontakt mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> haben können. Erst wenn das damit verbundene Bewußtse<strong>in</strong> und <strong>der</strong>existentielle Schmerz voll akzeptiert wird, kann sich das Individuum davon unabhängig machen und sich <strong>in</strong> realistischerWeise <strong>der</strong> Ebbe und Flut menschlicher Interaktionen widmen.Bei den Übungen werden die triadischen Partner so geleitet, daß ihnen die Gefühle, Gedanken undSchlußfolgerungen bewußt werden, die mit dem Ausgeschlossense<strong>in</strong> zusammenhängen. Zum Beispiel: „Fühleich mich unerwünscht?”, „Gebe ich e<strong>in</strong> negatives Urteil über die an<strong>der</strong>en o<strong>der</strong> über mich selbst ab, wenn ichmich jetzt zurückziehe? ” , „Habe ich e<strong>in</strong>e positive E<strong>in</strong>stellung dazu und genieße die Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> ich alle<strong>in</strong> b<strong>in</strong>?”,„B<strong>in</strong> ich immer noch engagiert und daran <strong>in</strong>teressiert, was die beiden erleben, warte ich nur darauf, wie<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkten Kontakt mit e<strong>in</strong>em von beiden zu kommen?", „Wenn ich mich dafür entscheide, <strong>in</strong> direktem Kontakt zubleiben, warte ich dann e<strong>in</strong>en günstigen Zeitpunkt ab o<strong>der</strong> mische ich mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ungünstigen Moment e<strong>in</strong>,weil ich mich unwohl fühle?”Wenn man erkannt hat, wie je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne die Triade erlebt und auf sie reagiert, werden die Teilnehmeraufgefor<strong>der</strong>t, sich die Vorteile <strong>der</strong> Laborsituation zunutze zu machen, und unverblümt und direkt über das zureden, was sie erlebt haben. In diesem Prozeß kann je<strong>der</strong> erkennen, <strong>in</strong> welcher Weise das <strong>in</strong> <strong>der</strong>Usrprungstriade Erlernte se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>trapsychische Entwicklung bee<strong>in</strong>flußt und zu den Schwierigkeiten beigetragenhat, die er mit an<strong>der</strong>en Menschen hat. Wenn man sich diese vergangenen Lernprozesse bewußt machen kannund darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Situation ist, <strong>in</strong> <strong>der</strong> man nicht nur die Möglichkeit, son<strong>der</strong>n auch die Zeit hat,an<strong>der</strong>en diese Gefühle mitzuteilen, können viele Teilnehmer sich von diesem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit Gelerntembefreien und s<strong>in</strong>d dann nicht mehr länger Sklaven ihres zwanghaften Verhaltens, son<strong>der</strong>n werden sich ihrereigenen Wünsche bewußt. E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Teilnehmer<strong>in</strong> schreibt:Die Konzentration auf die Triade hat mich gezwungen zu erkennen, <strong>in</strong> welcher Weise ich triadische Situationen dazubenützt habe, mich und an<strong>der</strong>e zu Opfern zu machen. Wenn ich an me<strong>in</strong>e Ursprungstriade denke, wird mir klar, daß ichgelernt habe, mich beim ersten Anzeichen e<strong>in</strong>er Konkurrenzsituation zurückzuziehen und jedem direkten Wettbewerbauszuweichen, um stattdessen auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>direkte und zweideutige Weise <strong>in</strong> Konkurrenz zu treten. Ich sehe mich heuteals jungen Achill, <strong>der</strong> schmollend <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Zelt sitzt o<strong>der</strong> als kle<strong>in</strong>es Mädchen, das nicht mitspielen wollte, weil es nichtdie Anführer<strong>in</strong> se<strong>in</strong> konnte.Menschen, die e<strong>in</strong>en solchen Prozeß durchmachen, brauchen vor allem am Anfang gelegentlich Hilfe, um mitden Problemen fertigzuwerden, die auftauchen können. Die Unterstützung besteht im wesentlichen dar<strong>in</strong>, daßman zuerst jedem e<strong>in</strong>zelnen hilft, <strong>der</strong> die Phase durchmacht, sich gewahr zu werden, daß er sich im H<strong>in</strong>blickauf die Triade <strong>in</strong>nerlich zunehmend unwohl fühlt (die Intensität kann dabei von sehr schwach bis sehr starkreichen), um dann alles geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Triade zu besprechen. Wenn Wahrnehmungen und Gefühle <strong>in</strong> <strong>der</strong>Triade offen angesprochen werden, stellt sich häufig heraus, daß das Unwohlse<strong>in</strong> mit <strong>der</strong> Unfähigkeit desBetroffenen zusammenhängt, mit e<strong>in</strong>er Situation fertigzuwerden, von <strong>der</strong> er selbst glaubt, sie sei nur wegen <strong>der</strong>Sturheit <strong>der</strong> beiden an<strong>der</strong>en o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en Mitglieds <strong>der</strong> Triade so unangenehm. Der Machtkampf, <strong>der</strong>manchmal wegen trivialer Entscheidungen entbrennt, kann zu e<strong>in</strong>em großen Problem werden. Der Betroffenemuß sich dann an Situationen aus <strong>der</strong> Vergangenheit er<strong>in</strong>nern, <strong>in</strong> denen er ähnliche Gefühle gehabt hat. Oftgeht die Person bis <strong>in</strong> die Zeit <strong>der</strong> Ursprungstriade zurück. Wenn solche Gefühle aus <strong>der</strong> Vergangenheitverarbeitet werden, kommt es häufig zu e<strong>in</strong>em Durchbruch im H<strong>in</strong>blick auf das Verständnis <strong>der</strong> Situation, <strong>in</strong> <strong>der</strong>sich die gegenwärtige Triade bef<strong>in</strong>det.In e<strong>in</strong>er Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gssituation, die sich über e<strong>in</strong>en Monat erstreckt, erlebt e<strong>in</strong>e solche Triade viele Höhen undTiefen, während die Teilnehmer immer tiefere Ebenen des Bewußtse<strong>in</strong>s und <strong>der</strong> Transformation erreichen. <strong>Das</strong>Erleben wird noch <strong>in</strong>tensiver, wenn <strong>der</strong> Triade bestimmte Aufgaben gestellt werden. Wenn sie ihre ganze Zeitausschließlich damit verbr<strong>in</strong>gt, Gefühle zu verarbeiten, geraten die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Vakuum, das6


nichts mehr mit dem wirklichen Leben zu tun hat. Viele <strong>Triaden</strong> erleben erst dann e<strong>in</strong>en Konflikt, wenn dieMitglie<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam an e<strong>in</strong>em Projekt arbeiten müssen. Dieser Prozeß kann oft sehr anstrengend se<strong>in</strong>, aberwenn er durchgearbeitet wird, entwickeln die meisten Teilnehmer e<strong>in</strong>e tiefe B<strong>in</strong>dung an ihre triadischenLernpartner. Und, was noch wichtiger ist, sie lernen, wie man die Werkzeuge e<strong>in</strong>setzen kann, die ihnenzugänglich werden, wenn sie <strong>in</strong> ihre K<strong>in</strong>dheitssituation zurückkehren, und die für sie von unschätzbarem Werts<strong>in</strong>d. <strong>Das</strong>, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Laborsituation gelernt wird, kann auf an<strong>der</strong>e triadische Situationen im wirklichen Lebenübertragen werden und dem e<strong>in</strong>zelnen helfen, nährende <strong>Triaden</strong> aufzubauen.E<strong>in</strong>e Teilnehmer<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>em Sommer-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramm beschreibt ihre Erlebnisse mit folgenden Worten:„Ich habe e<strong>in</strong>e Lektion von unschätzbarem Wert gelernt, die mir geholfen hat, nicht immer im Mittelpunkt stehen zumüssen und daran zu glauben, daß an<strong>der</strong>e Menschen durchaus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, ihre Gefühle direkt auszudrücken. Alsich nach diesem Erlebnis mit <strong>der</strong> „Process Community" nach Hause kam, hatte ich Gelegenheit, das gerade Gelernteauszuprobieren. Die Rolle <strong>der</strong> Friedenstifter<strong>in</strong> war für mich im Zusammense<strong>in</strong> mit me<strong>in</strong>en Mitarbeitern immer e<strong>in</strong>Problem gewesen. Ich war jetzt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, me<strong>in</strong>e Gefühle <strong>in</strong> Worte zu kleiden und mich <strong>in</strong> verantwortungsbewußterWeise aus jedem Disput herauszuhalten. Ich kann me<strong>in</strong>e Fähigkeiten <strong>in</strong>zwischen weiterentwickeln und bedeutendeffektiver e<strong>in</strong>setzen, <strong>in</strong>dem ich dafür sorge, daß die Leute, die e<strong>in</strong> Problem haben, direkt mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> reden und nichtden Umweg über me<strong>in</strong>e Person machen."E<strong>in</strong>e weitere Intervention, die von Virg<strong>in</strong>ia Satir stammt und sich stark an das triadische <strong>Konzept</strong> anlehnt, istdas <strong>der</strong> Familienrekonstruktion (Satir und Baldw<strong>in</strong> 1983; Ner<strong>in</strong> 1986 und S. 163 ff.).Ziel <strong>der</strong> Familienrekonstruktion ist es, e<strong>in</strong>em Menschen die Möglichkeit zu geben, se<strong>in</strong>e frühenLernerfahrungen zu begreifen und zu verarbeiten, so daß er sie <strong>in</strong> Lebenssituationen, <strong>in</strong> denen diese altenVerhaltensmuster wie<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Leben gerufen werden, nicht zwanghaft anwenden muß. Bei <strong>der</strong> Familienrekonstruktionerlebt <strong>der</strong> Betroffene im Rahmen e<strong>in</strong>es Rollenspiels nicht nur die Lernerfahrungen se<strong>in</strong>erUrsprungstriade, son<strong>der</strong>n er kann gleichzeitig auch die Lernprozesse jedes Elternteils <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Ursprungstriadebeobachten, denn <strong>der</strong> Prozeß reicht Generationen zurück. Die Lernerfahrungen <strong>der</strong> Ursprungstriadelassen dann die Gegenwart klarer erkennen, statt sie zu verfälschen.Virg<strong>in</strong>ia <strong>Satirs</strong> Methode <strong>der</strong> Familientherapie konzentriert sich stark auf die <strong>Arbeit</strong> mit den <strong>Triaden</strong>bildungen<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familie. Wenn man mit e<strong>in</strong>er Familie arbeitet, gibt es viele Ebenen <strong>der</strong> triadischen Interventionen.Sie reichen von <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong> mit <strong>der</strong> gegenwärtig bestehenden Triade <strong>der</strong> Kernfamilie bis zur <strong>Arbeit</strong> mit denUrsprungstriaden <strong>der</strong> beiden Elternteile. Ziel <strong>der</strong> Familientherapie ist es, <strong>Triaden</strong> aufzubauen, die störungsfreifunktionieren und alle Merkmale e<strong>in</strong>er gesunden Familie aufweisen, wie sie weiter oben erwähnt wurden;<strong>Triaden</strong>, <strong>in</strong> denen je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne die Möglichkeit hat, sich frei auszudrücken, <strong>in</strong> denen das Wort „ne<strong>in</strong>” ke<strong>in</strong>eZurückweisung bedeutet, wo die Kommunikationen e<strong>in</strong>deutig s<strong>in</strong>d und je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne er selbst se<strong>in</strong> darf. Auch<strong>in</strong> <strong>der</strong> Paar- o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zeltherapie gilt <strong>der</strong> gleiche triadische Ansatz, weil die Lebensbereiche, <strong>in</strong> denen dasIndividuum Schwierigkeiten hat, gewöhnlich mit <strong>der</strong> Ursprungstriade zusammenhängen.LiteraturBowen, M. (1978): Family therapy <strong>in</strong> cl<strong>in</strong>ical practice. New York: Jason Aronson.Caplow, T. (1969): Two aga<strong>in</strong>st one: Coalitions <strong>in</strong> triads. Englewood Cliffs, NJ; Prentice-Hall, Inc.Ner<strong>in</strong>, W.F. (1986): Family reconstruction long day's journey <strong>in</strong>to light. New York: W. Norton & Company; dt.: (1989)Familienrekonstruktion <strong>in</strong> Aktion. Pa<strong>der</strong>born: Junfermann.Satir, V. (1972): Peoplemak<strong>in</strong>g. Palo Alto, CA: Science and Behavior Books. Satir, V., & Baldw<strong>in</strong>, M. (1983): Step-by-Step.Palo Alto, CA: Science andBehavior Books; dt.: ( 3 1991) Familientherapie <strong>in</strong> Aktion. Pa<strong>der</strong>born: Junfermann.Simmel, G. (1902): The number of members determ<strong>in</strong><strong>in</strong>g the sociological form of the group. American Journal of Sociology,8(1), 45-45.Simmel, G. (1950): The sociology of Georg Simmel, by K.H. Wolff, Trans., Ed., and Introduction. New York: Glencoe Press.Anmerkung:Auch wenn nicht <strong>in</strong> jedem Fall ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>gewiesen wurde, stammen viele <strong>der</strong> Ideen <strong>in</strong> diesemArtikel aus Diskussionen mit Virg<strong>in</strong>ia Satir o<strong>der</strong> aus ihren Ausführungen.Aus dem Amerikanischen von Dr. Br<strong>in</strong>gfried Schrö<strong>der</strong>.Gerd F. Müller, MFK <strong>Münchner</strong> FamilienKolleg, Blutenburgstr. 57, 80636 MünchenT: 089 - 22 29 92; E-Mail: mfk.familienkolleg@t-onl<strong>in</strong>e-de; Internet: www.mfk-fortbildung.de7

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