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Der Masterplaner – ein Gespräch mit Kees Christiaanse

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STÄDTEBAU


<strong>Der</strong> <strong>Masterplaner</strong>48 Städtebau<strong>Kees</strong> <strong>Christiaanse</strong> ist Holländer,Architekt, Städtebauerund ETH-Professor. Wir trafenihn in s<strong>ein</strong>em Ferienhaus imbündnerischen Feldis 1500 Meterüber dem Meeresspiegel,um über s<strong>ein</strong>e Arbeit, dieschweizerische Raumplanung und«Desakota» zu sprechen.


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52 StädtebauE Zentren von Zürich, Basel oder Genf jeweils nur 15Minuten zu Fuss in die Natur. Eine unglaubliche Qualität!Mich erstaunt, dass die Schweiz davon spricht,wie schlimm und gefährlich die Zersiedlung gewordenist. Aus m<strong>ein</strong>er Sicht befindet sich die Schweiz in<strong>ein</strong>em raumplanerisch gut beherrschbaren Zustand.»BBUnd wo gilt es dennoch anzusetzen?«Bei den Fehlern. So führt die bäuerlich geprägteBodenpolitik dazu, dass der Umgang <strong>mit</strong> Landzum Beispiel in Zug oder Wollerau aufgrund <strong>ein</strong>seitigerökonomischer Interessen ‹texanisch› anmutet.<strong>Der</strong> Steuerfuss ist niedrig, was Leute anzieht, dieSteuern sparen wollen, was wiederum <strong>ein</strong>en Bauboomauslöst, der als Selbstverständlichkeit hingenommenwird. Die Raumplanung in der Schweizkann also genauso schlecht funktionieren wie anderswo.Eine zweite Herausforderung ist das Ausufernder Gewerbeaktivität im schweizerischen Mittelland.Im Umgang <strong>mit</strong> der aktuellen Nachfragehat die Schweiz k<strong>ein</strong>e Tradition. Jedoch verfügt sieüber weit entwickelte Planungsinstrumente. Rotterdamkönnte sich <strong>ein</strong>en Richtplan wie im Kanton Zürichnur wünschen. Baugebiete und Nichtbaugebietesind darin ebenso festgelegt wie die Forderung, bestehendeSiedlungen nach innen zu verdichten. Aufdiese Art und Weise <strong>mit</strong> Wachstum umzugehen, istvorbildlich.»BBWie wirkt sich das Ja zur Revision des Raumplanungsgesetzesaus?«Aus m<strong>ein</strong>er Sicht ist der Volksentscheid vom3. März 2013 <strong>ein</strong>e Bestätigung dafür, was vorher <strong>–</strong> zumBeispiel <strong>mit</strong> dem Raumkonzept Schweiz <strong>–</strong> bereits erarbeitetwurde. Ich glaube, die Bevölkerung ist sichnach der Zweitwohnungsinitiative und der Raumplanungsgesetz-Revisionihrer Aufgabe sehr bewusst.Man muss aufpassen, dass die Landschaft nichtüberbaut wird. Bei der Umsetzung werden konsensbasierteKonzepte sehr wichtig s<strong>ein</strong>, weil Gesetze undVorschriften zu wenig flexibel sind.»BBKönnen wir uns also auf <strong>ein</strong>e stabile urbanistischeSchönwetterlage <strong>ein</strong>stellen?«Die Frage ist, ob die schweizerische Insel derProsperität bestehen bleibt. Als Schönwetter-Urbanismuswürde ich die Situation im Städtebau nichtbezeichnen. Wir werden kaum <strong>ein</strong>e endlose Wachstumsphaseerleben, die in <strong>ein</strong>e ebensolche Urbanisierungführt. Dazu ist die Weltlage für Europazu schwierig: Die Industrie droht allmählich wegzubrechen,wenn sie nicht modernisiert, sprich automatisiert,wird. Die Chancen der Schweiz liegen imtechnologischen Vorsprung, zudem unter anderemin der Produktion von sauberer und günstiger Energie.Die Gebäudetechnologie ist heute so weit entwickelt,dass in wenigen Jahren zu normalen Baupreisensämtliche Gebäude zu Energieproduzentenumgerüstet werden könnten. Ich persönlich glaubezudem an den Mythos, dass alles, was du hast, in derSchweiz am sichersten ist.»BBWas kann das für die Zukunft bedeuten?«Rem Koolhaas hat <strong>ein</strong>mal <strong>ein</strong>en Plan von Europagemacht. Darauf sind die Alpen <strong>mit</strong> der Schweizals Central Park dargestellt. Das Stadtland Schweizwäre demnach aus der Sicht von Europa <strong>ein</strong> urbanisierterLandschaftspark, <strong>ein</strong>e ‹Desakota› <strong>mit</strong> privilegiertenErholungs-, Arbeits- und Wohngebieten.»BBSprechen wir über Ihre Arbeit als <strong>Masterplaner</strong>.Wie bringen Sie die Anforderungen an Planungenund Ihre fachliche Offenheit <strong>mit</strong> denmenschlichen Bedürfnissen nach Ordnung undOrientierung zusammen?«Mit Erfahrung und <strong>ein</strong>er eigenen Herangehensweise.Anders als die traditionelle Stadtplanungsichern wir zuerst die räumliche und baulicheSubstanz, von der wir m<strong>ein</strong>en, dass sie nicht berührtwerden darf. Was dann übrig bleibt, überführenwir schrittweise in <strong>ein</strong>e vernünftige Raum- undBaustruktur. Diese Strategie ist sehr effektiv, und derMasterplan hat sich als Instrument bewährt. Architektenkönnen am besten da<strong>mit</strong> umgehen, weil <strong>ein</strong>guter Städtebauer <strong>ein</strong> Ex-Architekt ist. Anders als<strong>ein</strong> Architekt, der sich für s<strong>ein</strong> schönes Objekt interessiert,setze ich als <strong>Masterplaner</strong> den kollektivenMangel an Geschmack so um, dass etwas Schönesdaraus entsteht. Dabei nehmen wir in unseremBüro raumplanerische Themen aus den Sozial- undIngenieurwissenschaften in unsere Arbeit auf. Wirsind deshalb k<strong>ein</strong>e Soziologen, haben aber <strong>ein</strong> Wissenüber die Stadtsoziologie. Ein Masterplan ist zu50 Prozent <strong>ein</strong> städtebaulicher Entwurf und zu50 Prozent Prozessentwicklung. <strong>Der</strong>jenige, der <strong>ein</strong>enMasterplan macht, muss demzufolge Prozesse moderierenkönnen.»


BBAls Moderator haben Sie <strong>ein</strong>e starke Positionund die Macht des Planers.«Die Position des Planers und Moderators ist<strong>ein</strong>e Machtposition, die manchmal in die Ohnmachtführt. Als <strong>Masterplaner</strong> bin ich nur <strong>ein</strong>er von mehrerenAkteuren und deshalb nie all<strong>ein</strong>e wirksam. Werdies verstanden hat, weiss eher, wo <strong>ein</strong>e Weiche erfolgreichzu stellen ist, da<strong>mit</strong> <strong>ein</strong>e gewünschte Wirkungerreicht wird. Wer denkt, er könne alles kontrollieren,wird hoffnungslos scheitern. Die Machtdes <strong>Masterplaner</strong>s oder Masterplans liegt in der Möglichkeit,den Prozess der Raum- und Bauentwicklungzu moderieren. In dieser Rolle bin ich die Vertrauenspersonder Öffentlichkeit und nicht des Stadtpräsidenten,des Investors oder des Gestalters.»BBUnd woran messen Sie in dieser Rolle IhrenErfolg?«An den realisierten Projekten. Für mich warimmer entscheidend, Projekte zu implementierenund so lange wie möglich am Prozess hängen zu bleiben,auch wenn das oft schwierig und manchmalsogar frustrierend ist. Die Bauaufträge gehen dannja letztlich an andere Architekten. So gesehen ist dieDisziplin Städtebau zu Unrecht schlecht bezahlt unddie rechtliche Position als Autor <strong>ein</strong>es Masterplansleider oft sehr schwach.»BBWie beurteilen Sie das Resultat an derEuropa allee in Zürich?«Ich bin zu 100 Prozentüberzeugt, dass die Europa alleeals Quartier und Ergänzung zumStadtzentrum funktionieren wird.Für unseren Masterplan ist typisch,dass die Qualität und dieAusgestaltung der Übergängezwischen öffentlich und privatstimmen. <strong>Der</strong> Raum muss dazusehr gut strukturiert und die Zwischenräumemüssen so organisierts<strong>ein</strong>, dass die Menschen siesich aneignen und Aktivitätenentfalten. Wenn die Erdgeschosseim Übergang zwischen öffentlich,halb öffentlich und privat stimmen,ist dies <strong>ein</strong> positiver Indikatorfür das ganze Stadtquartier.»<strong>Kees</strong> <strong>Christiaanse</strong>Prof. <strong>Kees</strong> <strong>Christiaanse</strong> (60) studierteArchitektur und Stadtplanungan der TU Delft. Bis 1989arbeitete er für das OMA in Rotterdam,1983 wurde er dort Partner.1989 gründete er das Büro <strong>Kees</strong><strong>Christiaanse</strong>, das seit 2002 alsKCAP Architects & Planners <strong>mit</strong>Sitz in Rotterdam, Schanghai undZürich firmiert. 1996 bis 2003lehrte er an der TU Berlin, seit 2003ist er Professor an der ETH Zürich.2009 war <strong>Christiaanse</strong> Kuratorder Internationalen Architektur-Biennale Rotterdam. Seit 2010BBWir haben noch gar nicht über Hochhäusergesprochen.«Für mich sind Hochhäuser nichts Besonderes,sie sind normal. Was da<strong>mit</strong> zu tun hat, dass ichim Office of Metropolitan Architecture (OMA) aufgewachsenbin und mich eher an Amerika orientiere. Inder Schweiz wundert mich die Aufregung über Hochhäuserimmer wieder. <strong>Der</strong> Prime Tower in Zürich ist<strong>mit</strong> s<strong>ein</strong>en 126 Metern doch nur ungefähr <strong>ein</strong> Viertelso hoch wie der Uetliberg! Andererseits zeigt mansich gegenüber höheren Bauten dann doch offen,sonst gäbe es die Hochhäuser in Zürich, Zug oder aufder Luzerner Allmend nicht.»BBIn Luzern sind sie architektonisch jedoch zukurz geraten.«Stimmt. Es ist oft so, dass die Höhe letztlich<strong>ein</strong>en politischen Konsens darstellt. Bei der Europaalleewaren am Anfang Höhen von bis zu 100Metern geplant, der Kompromiss lag dann bei 40 bis60 Metern. Die Herausforderung von Hochhäusernist jedoch die Art und Weise, wie sie auf den Bodentreffen. Mischnutzungen in den Sockeln sind wichtig<strong>–</strong> und Schlankheit. Zudem sind Hochhäuser städtebaulicheZeichen und dienen der Orientierung. Sowie der Prime Tower in Zürich oder auch die neuenTwin Towers in Chur, die ich im Übrigen ganz okayfinde. Wenn ich sie vom Zug aus sehe, weiss ich:Feldis ist nicht mehr weit!»vertritt er die ETH als Programmleiterdes «Future Cities Laboratory»in Singapur. Neben s<strong>ein</strong>erArbeit als Architekt gilt s<strong>ein</strong> Fokusurbanen Prozessen in komplexenstädtebaulichen Situationen. Beispielesind die HafenrevitalisierungOostelijke Handelskade, dasRaumplanungskonzept FlughafenSchiphol in Amsterdam, derMasterplan HafenCity in Hamburg,die Nachnutzung des OlympischenDorfes 2012 in Londonund der Masterplan für die Europaalle<strong>ein</strong> Zürich.CCwww.kcap.eu53 Städtebau

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